Botschafter des Heils in Christo 1911

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1911Seite
Inhalts-Verzeichnis
Betrachtungen über das zweite Buch der Könige . 1. 1
GottesGnade (Gedicht)14
Arm und reich..............".. 1515
Reden und Hören in der Versammlung .» . . . . . 3939
Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir« . 4848
Du bist bei mir (Gedicht) . .» .» . . . . . . . . 5656
Kurze Aufzeichnungen aus einer Bzesprechung über den  2. Brief an Timotheus64
Aaron und seine Söhne in 3. Mose 1075
Das Wort Gottes» (Gedicht) . . . ." . .. . . . . 8383
"Der Grund und der Zweck der Trübsale «. . . 119. 154119
Zum Heimgang einer lieben Gattin und Mutter Gedicht) 139139
Leiden im Dienst . · . «. . . . . . . . . . . 164164
Gedanken über Epheser 2 .»  . . . . « . . . . 182. 211182
»Ich fürchte nichts, du bist bei mir (Gedicht) . ." . . 224224
Christus — unsere Speise . . . . . . . . . . . 235235
Geschwister untereinander . ·» . . «. . . . . . . 268268
In Schwachheit stark (Gedicht) . . . . . . . . .. 291291
Das« Haus des Sohnes . . . . . . . . . . . . 292292
Versammlung« oder ,,Gemeinde«? . . . . . . . 296«296
Die Versammlung, das Haus Gottes . «. . . . . . 320320
Jesus rief und sprach.«« . ·. .» . . «. . . . . . 334334


Botschafter des Heils in Christo

Neunundfünfzigster Jahrgang

Elberfeld – Verlag von R. Brockhaus

1911

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Aus dem Französischen von H. R.

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 1ff

Einleitung

Das zweite Buch der Könige reiht sich ohne irgendeine Unterbrechung an das erste an. Es ist vielleicht gut, damit der Leser nicht eine falsche Schlussfolgerung ziehe, darauf hinzuweisen, dass diese Einteilung in zwei Bücher nicht in dem inspirierten Text enthalten ist. In dem hebräischen Kanon (der Zusammenstellung der Bücher der Heiligen Schrift) bildeten die beiden Bücher der Könige nur ein Buch. Da wir gerade diesen Gegenstand berühren, wollen wir für unsere Leser hinzufügen, dass die eine der großen Abteilungen des Alten Testaments, "die Propheten", zunächst die eigentlichen Bücher der Propheten, mit Ausnahme des Buches Daniel und der Klagelieder, umfasste, sodann alle geschichtlichen Bücher von Josua bis einschließlich der beiden Bücher der Könige, ausgenommen das Buch Ruth. *1)

Schon die Bezeichnung „die Propheten" gibt uns Aufklärung über die Schreiber der geschichtlichen Bücher, mit denen wir uns beschäftigen. Sie rühren von den Propheten her und tragen deren Merkmale. Die sogenannte moderne theologische Kritik darf die Überzeugungen des Christen in dieser Hinsicht in keiner Weise beeinflussen. Das Wort Gottes genügt, um sich selbst zu erklären und uns über seinen Inhalt Gewissheit zu geben.

So sind die Taten Davids beschrieben „in der Geschichte Samuels, des Sehers, und in der Geschichte Nathans, des Propheten, und in der Geschichte Gads, des Schauers" (1. Chron. 29, 29); die Taten Salomos "in der Geschichte Nathans, des Propheten, und in der Weissagung Achijas, des Siloniters, und in den Gesichten Iddos, des Sehers, über Jerobeam, den Sohn Nebats" (2. Chron. 9, 29); die Taten Rehabeams "in der Geschichte Schemajas, des Propheten, und Iddos, des Sehers, in den Geschlechtsverzeichnissen" (2. Chron. 12, 15); die Taten Abijas "in der Beschreibung des Propheten Iddo" (2. Chron. 13, 22); diejenigen Josaphats "in der Geschichte Jehus, des Sohnes Hananis, welche in das Buch der Könige von Israel aufgenommen ist" (2. Chron. 20, 34). Die Taten Ussijas sind durch Jesaja, den Sohn Amoz', beschrieben worden (2. Chron. 26, 22); diejenigen Hiskias in dem Gesichte Jesajas, des Pro­pheten (Vergl. 2. Chron. 32, 32 mit 2. Kön. 18‑20 u. Jes. 36‑39). Endlich stimmt 2. Kön. 24, 18‑25, 30 mit Jer. 52 überein.

Ist es nicht bemerkenswert, dass gerade die von den Ratio­nalisten so heftig bestrittenen und angegriffenen Bücher der Chronika es sind, welche die prophetische Autorität unserer geschichtlichen Bücher bestätigen? Nun, wenn es wahr ist, dass die Bücher der Könige das Werk der Propheten sind, und dies uns genügt, da ja das Wort Gottes uns nicht mehr sagt über die Art und Weise, in welcher sie zusammengestellt worden sind, so können wir darauf rechnen, dass wir in ihnen nicht nur den einfachen Bericht der geschichtlichen Tatsachen finden (und zwar eine völlig genaue Darstellung dieser Tatsachen, da sie göttlichen Ursprungs ist), sondern auch die Kennzeichen, welche jeder prophetischen Schrift eigen sind, nämlich von den "Leiden, die auf Christum kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach" zuvor zu zeugen.

Das haben uns die beiden Bücher Samuel und das erste Buch der Könige in den Personen Davids und Salomos in reichstem Maße gezeigt. Doch das erklärt uns auch, warum die Propheten selbst in diesen Büchern eine so hervorragende Rolle spielen. Wie wir bereits anderswo erwähnt haben, stoßen wir auf diese Tatsache, sobald wir uns mit diesen Büchern beschäftigen. Von den siebenundvierzig Kapiteln der Bücher der Könige reden neunzehn ausschließlich von der Tätigkeit Elias und Elisas.

Es mag gut sein, hier noch einige Bemerkungen vorauszuschicken, die in der Einleitung zum ersten Buche der Könige keinen Platz gefunden haben. Sie betreffen den Charakter der Propheten Israels im Gegensatz zu den Propheten Judas. Bei der Betrachtung des ersten Buches der Könige haben wir den Charakter des Dienstes des Elia vor allem als einen Dienst der Wunder feststellen können. Wir werden Gelegenheit haben, dies in noch größerem Maße in der Laufbahn Elisas, des zweiten großen Propheten Israels, zu bemerken. Die Tätigkeit dieser Männer Gottes bestand weit mehr in Handlungen, als in Worten. Diejenige der Propheten Judas ist eine ganz und gar andere. Sie reden, und nur höchst selten tun sie ein Wunder, wie z. B. das mit dem Sonnenzeiger Ahas (Jes. 38, 8). Dieser Gegensatz entspringt der Tatsache, dass die öffentliche Ausübung des Dienstes Jehovas in Juda noch anerkannt war und trotz götzendienerischer Beimischungen bestehen blieb; es lag also kein Bedürfnis vor, ihn durch Wunder zu beglaubigen.

Das führt uns zur Beantwortung der oft erhobenen Frage, warum man in der Christenheit unserer Tage keine Wunder mehr sieht. Der Grund ist derselbe. So lange die bekennende Kirche nicht aus dem Munde des Herrn ausgespieen wird, werden weder Wunder stattfinden, die dazu bestimmt sind, das Herz der Treuen im Kampf mit dem Abfall zu befestigen, noch solche, die dazu dienen sollen, dem Charakter des wahren Gottes vor den Menschen, die Ihn verlassen haben, Achtung zu verschaffen.

Im Anfang der Geschichte der Kirche war es anders. Zahlreiche Wunder geschahen, sei es in der Mitte der Juden, die ihren Messias verworfen hatten, um ihnen so die Gottheit des Heilands zu beweisen, oder unter den götzendienerischen Nationen, um sie zur Erkenntnis des ihnen unbekannten Gottes zu führen. Gott zeugte mit Seinen Knechten "sowohl durch Zeichen als auch durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen" (Hebr. 2, 4).

Der Katholizismus macht Anspruch auf Wunder und der Protestantismus unserer Tage in gewissem Maße auf wunder­bare Gaben. Tatsächlich aber sind die Darbietungen des ersten falsche Wunder, dazu bestimmt, die Einfältigen zu blenden, während der zweite sich dadurch Ansehen zu verschaffen sucht, dass er sich den Anschein göttlicher Kraft gibt, während doch der Abfall schon überall in seinem Schoße zu erkennen ist.

Nach der Aufnahme der Gläubigen werden die Wunder des zukünftigen Zeitalters sich in ausgedehntem Maße zeigen, sowohl unter den Juden als auch unter den Nationen, und zwar vermittelst des Überrestes, wie wir dies in Offbg. 11 sehen (Die Geschichte Elisas wird uns Gelegenheit geben, diesen Gegenstand im Vorbilde zu betrachten). Doch zu gleicher Zeit wird das Land Israels, des unter der Herrschaft des Antichrists stehenden abtrünnigen Volkes, sowie die ganze Erde den Schauplatz von Wundem der Lüge bilden, welche durch den falschen Propheten, das letzte Werkzeug Satans, getan werden, um die zu verführen, die auf der Erde wohnen (Offbg. 13, 13‑15).

Wir beschränken uns auf diese wenigen vorlaufenden Be­merkungen. Sie werden eine reichliche Bestätigung in dem Schriftabschnitt finden, den wir unter dem Auge des Herrn und mit der Hilfe des Heiligen Geistes zu betrachten uns an­schicken.

KAPITEL 1 Elia und Ahasja

Die Empörung der Moabiter gegen Israel ist die erste Folge der Untreue Ahasjas (Siehe 1. Kön. 22, 52‑54). Es ist ein Gericht über den König, der durch seinen Götzendienst den Zorn Gottes hervorgerufen hatte. Der Regierungswechsel bietet den Moabitern eine günstige Gelegenheit, das verhasste Joch abzuschütteln. Hatten sie nicht von alters her das Volk Gottes gehasst und es verfluchen wollen? (4. Mose 22). In jenen Zeiten waren die unterjochten Völker an diese Empörungen gewöhnt und warteten nur den Tod ihrer Gewalthaber ab, um sich von dem Joch und den schweren Abgaben frei zu machen, die sie ihnen auferlegt hatten. Die Geschichte der Könige von Assyrien, die weit mächtiger waren als die Könige von Israel, ist voll von derartigen Empörungen. Moab, von Saul bestraft (1. Sam. 14, 47), sodann von David unterjocht (2. Sam. 8, 2 und 12; 1. Chron. 18, 2), war unter der glorreichen Herrschaft Salomos ein abhängiges Volk, gleich allen übrigen Reichen, welche dem in Jerusalem thronenden Könige ihren Tribut brachten (1. Kön. 4, 21; 10, 25). Seit der Trennung der zehn Stämme von Juda war Moab infolge seiner geographischen Lage Israel tributpflichtig geworden (Kap. 3, 4). Der für ein verhältnismäßig kleines Land außerordentlich hohe Tribut (100 000 Fettschafe und 100 000 Widder mit der Wolle) musste schwer auf ihm lasten, neben der Demütigung, die von diesem stolzen und hochmütigen Volke nur mit Unwillen ertragen wurde. Es ist darum nicht zu verwundern, dass Moab die erste Gelegenheit benutzte, um sich frei zu machen. Doch hinter den äußeren Geschehnissen, welche dem Menschen ins Auge fallen, erblickt der Gläubige die unsichtbare, aber für ihn allein wichtige Tatsache, dass die Hand Gottes ausgestreckt ist, um das Volk und seinen gottlosen Führer zu richten.

Ein zweites Gericht trifft den König selbst. "Ahasja fiel durch das Gitter an seinem Obergemach zu Samaria und wurde krank". Doch die Buße war dem Herzen des Königs von Israel fremd. Weder in seinen Gedanken noch in seinem Leben hatte Jehova einen Platz. Das Gericht Gottes ließ ihn gleichgültig; er sah in der Züchtigung nur einen gewöhnlichen Unfall. "Er sandte Boten und sprach zu ihnen: Gehet hin, befraget Baal-Sebub, den Gott von Ekron, ob ich von dieser Krankheit genesen werde". Sein Baal, vor dem er sich niederbeugte (1. Kön. 22, 54), genügte ihm nicht; er sendet zu dem Baal der Philister, um von ihm sein Los zu erfahren. Baal-Sebub, d. i. Herr der Fliegen, hatte in seinen Augen einen viel höheren Wert als Jehova. Dieser Gott wurde von dem götzendienerischen Volke der Philister ohne Zweifel angebetet, damit er sie vor den Fliegen, dieser Plage aller orientalischen Länder, beschützen möge ‑ ein mächtiger Gott für seine Verehrer, denn, indem sie sich vor ihm niederbeugten, verehrten sie in ihrer Blindheit Satan selbst, den im Neuen Testament oft erwähnten Beelzebub.

Was Ahasja begegnete, geschieht noch heute jedem Anhänger einer falschen Religion; sie kann ebensowenig das Herz be­friedigen, die Schrecken der Seele zum Schweigen bringen oder die Zukunft offenbaren, wie der Baal der Isebel und des Ahab, den Ahasja anbetete, diesen zufriedenstellen konnte. Allein jeder neue Aberglaube ist willkommen, wenn er nur Hoffnung gibt, dem Schicksal zu entrinnen, von dem man sich bedroht fühlt.

Auf Befehl des Engels Jehovas erscheint Elia, der Tisbiter, aufs neue auf dem Schauplatz, und wir finden wieder bei ihm die Kühnheit und Energie des Glaubens, wie er sie vom Bache Krith an bis zur Vertilgung der Propheten des Baal geoffenbart hatte. Der Ginsterstrauch in der Wüste und die Belehrung am Berge Horeb hatten bei dem Propheten ihre Früchte getragen. Sie bilden gleichsam eine Einschaltung von Erfahrungen betreffs seiner selbst, nach welcher seine Glaubenslaufbahn aufs neue beginnt, indem er in dem Weinberge Naboths kühn vor Ahab hintritt und ihm das schreckliche Gericht Gottes über ihn und Isebel ankündigt (1. Kön. 21, 17). Unser Kapitel stellt nur die Fortsetzung dieses mutigen Zeugnisses dar. Elia tritt den Boten des Königs entgegen und spricht zu ihnen: "Ist es weil kein Gott in Israel ist, dass du hinsendest, um Baal-Sebub, den Gott von Ekron, zu befragen? Darum sollst du von dem Bette, das du bestiegen hast, nicht herabkommen, sondern du wirst gewisslich sterben".

Hatte es sich nicht in der Tat vor Ahab und Isebel erwiesen, dass ein Gott in Israel war? Wo der Mann Gottes sich befand, da fand man Gott, ein sehr wichtiges Zeugnis für die gefahrvollen Tage, in denen wir leben. Und warum fand man Gott? Weil das Wort Gottes Elia anvertraut war, und man zu ihm gehen konnte, um es zu befragen.

Zudem stand der Charakter des Propheten in Übereinstimmung mit seiner Mission und beglaubigte sie vor der Welt so, dass die Welt eine von Gott gegebene Autorität in ihm erkennen konnte. Ahasja, gegen den das Wort sich richtete, konnte sich darüber keiner Täuschung hingeben. "Es ist Elia, der Tisbiter", ruft er aus, als seine Knechte ihm sagen: "Es war ein Mann in härenem Gewande und an seinen Lenden gegürtet mit einem ledernen Gürtel". Seine Kleidung und sein Gürtel genügten, um ihn kenntlich zu machen. Seine Kleidung stellte, gleich der Decke der Bundeslade, die Heiligkeit dar, welche das Verderben abwehrt, zugleich auch die Einfachheit, die Gefallen hat an dem Niedrigen. Sein Gürtel verhinderte einerseits, dass seine Kleider den Schmutz berührten, und war andererseits das Zeichen seiner völligen Widmung für den Dienst Jehovas und der Sammlung all seiner Gedanken auf diesen einen Mittelpunkt. Der Gottlose ist gezwungen, an diesen Zeichen den Mann Gottes zu erkennen; er sagt: "Es ist Elia!" *)

Sollte es heute bei uns nicht ebenso sein? Das Wort Gottes ist dem Gläubigen anvertraut inmitten einer Christenheit, die es fahren lässt. Aber er vermag nur dadurch dem Zeugnis Gottes vor der Welt Anerkennung zu verschaffen, dass er in seinem Verhalten eine wahre Absonderung von der Welt offenbart verbunden mit einem demütigen Wandel und einer wirklichen Widmung seines ganzen Lebens für den Herrn. Wenn es so mit uns steht, haben wir das Recht, von seiten Gottes zu reden. Die Welt wird dann wohl oder übel gezwungen sein, uns Gehör zu schenken; anderenfalls wird sie sich abwenden und aus unserem Verhalten Anlag nehmen, das Wort Gottes zu verachten.

Der Prophet kündigt ein drittes Gericht über Ahasja an. Das erste, der Abfall Moabs, traf ihn in dem Glanz seines Königtums, das zweite (sein Fall) in seiner Gesundheit, das dritte in seinem Leben. "Von dem Bette, das du bestiegen hast, sollst du nicht herabkommen, sondern du wirst gewisslich sterben".

Doch das ist noch nicht alles. Der König bereitet sich selbst ein viertes Gericht. Er fürchtet sich nicht, gegen den Propheten einen Obersten über fünfzig mit seinen Leuten auszusenden. Elia "saß auf dem Gipfel des Berges", an einem unzugänglichen Ort. Der Oberste wendet sich an ihn: "Mann Gottes! der König sagt: Komm herab". Welche Vermessenheit von seiten des Königs! Seinem Mangel an Glauben an seine eigenen Götzen und dem plumpen Aberglauben fügt er den Stolz hinzu, der sich gegen Gott erhebt und verlangt, dass Er Sich bis zu ihm erniedrige. Wie der erste Adam achtete auch er es für einen Raub, Gott gleich zu sein!

Elia, der Mann Gottes, ist hier ein Bild von Christo. Wird Er jetzt, da Er in der Höhe droben thront, eine geringere Macht haben als zur Zeit, da Er hienieden wandelte, von allen verachtet und gehasst? Die Sünde des Menschen ist durch seinen Hass gegen den zur Rechten Gottes sitzenden Christus nur noch schwerer geworden. Wenn die Welt gerichtet wird, weil sie den erniedrigten Jesus verworfen hat, was wird ihr wider­fahren, wenn sie Krieg führt gegen Den, der auf dem Throne sitzt? "Der im Himmel thront lacht, der Herr spottet ihrer", heißt es im 2. Psalm. Als Elia noch in der Mitte Israels wandelte, stand das Feuer vom Himmel, das Gericht Gottes, zu seiner Verfügung, nicht um die Sünder zu vernichten, sondern um das Brandopfer zu verzehren. Ein Opfer war damals an die Stelle des Volkes getreten, und das Gericht Gottes war auf das Schlachtopfer gefallen, um die Rettung Israels zu bewirken. Allein diese Stunde der Gnade war vorüber. Elia sitzt jetzt auf dem Berge und lässt das Feuer vom Himmel auf seine Feinde herabfallen, auf diesen König, welcher, jede Furcht vergessend, die Kühnheit hatte, Gott Befehle zu erteilen!

Der Unterschied zwischen den beiden Stellungen Christi: in Gnade hienieden, oder in den Himmeln verherrlicht und darauf wartend, dass Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden, geht aus den Worten des Herrn an Seine Jünger hervor. Sie wollten, wie Elia, Feuer vom Himmel herabfallen lassen, weil die Samariter ihren Herrn nicht aufgenommen hatten: "Ihr wisset nicht, wes Geistes ihr seid", gab Er ihnen einen ernsten Tadel (Luk. 9, 51‑62). Er war in diesem Augenblick der verworfene Christus, der Sein Antlitz festgestellt hatte, nach Jerusalem zu gehen und dort zum Opfer dargebracht zu werden. War die Zeit zum Richten da, als Er in Gnaden hinging, um Selbst zu unserer Rettung das Feuer des Gerichts Gottes zu erdulden?

Doch in dieser Stelle ist Elia nicht nur ein Bild von Christo; er ist auch ein Bild des treuen und leidenden Überrestes des Endes. Elia "muss kommen" in der Person der zwei Zeugen im Buche der Offenbarung, von denen gesagt wird: "Wenn jemand sie beschädigen will, so geht Feuer aus ihrem Munde und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand sie beschädigen will, so muss er also getötet werden" (Offbg. 1‑1, 5). Sie werden in der Kraft Elias und Moses kommen; denn zu jener Zeit werden die Gerichte Gottes ihr schreckliches Werk auf der Erde tun. Tod und Gericht müssen Gott verherrlichen, wenn alle Hilfsquellen der Gnade erschöpft sind und der Abfall vollendet ist.

„Wenn ich ein Mann Gottes bin, so fahre Feuer vom Himmel herab", sagt der Prophet. Seine ganze Sendung in Israel ist in diesem einen Worte: "ein Mann Gottes" zusammengefasst. „Ist kein Gott in Israel?" hatte er zu Ahasja gesagt. Gott behauptete Seine Würde dem Abfall gegenüber und hatte Seinen Propheten erwählt, um der machtvolle Zeuge davon zu sein.

Durch Zorn und Hochmut geblendet, wiederholt Ahasja seine Aufforderung in noch schlimmerer Weise: „Komm eilends herab!" Er' besteht darauf, Gott zu befehlen. Das Gericht fällt auf die Knechte dieses Königs, der am Rande des Todes steht. Ach! was seiner noch wartet, ist nach dem Tode das Endgericht des lebendigen Gottes, den er beleidigt hat.

Der dritte Oberste fürchtet Gott und nimmt die Haltung an, welche einem sündigen Menschen vor Ihm geziemt. Er nähert sich flehend, beugt seine Knie, erkennt Gott in Elia an, indem er ihn in einem ganz anderen Geist als die beiden vorigen „Mann Gottes" nennt. Er weiß, dass Gott Gnade üben kann: "Möge doch mein Leben und das Leben deiner Knechte, dieser Fünfzig, teuer sein in deinen Augen!" Er hat noch nicht die Zusicherung erhalten, dass Gott das, was Er kann, auch tun will, aber er ist überzeugt, dass der Gott des Gerichts ein Gott der Gnade sein kann für einen jeden, der sich Ihm unterwirft; dass Er nicht den Tod des Sünders will, sondern dass dessen Leben für Ihn teuer sein kann. Diese Gedanken kommen in den Worten des Mannes zum Ausdruck: "Siehe, Feuer ist vom Himmel herabgefahren und hat die beiden vorigen Obersten über fünfzig und ihre Fünfzig gefressen; nun aber möge mein Leben teuer sein in deinen Augen!" Ein solcher Glaube ist dem Herrn wohlgefällig. Dieser dritte Oberste „glaubt, dass Gott ist", wie es im Hebräerbrief heißt; er erkennt alle Seine Charakterzüge der Majestät, Heiligkeit, Gerechtigkeit ' und Güte an ‑ eine notwendige Überzeugung, wenn man Gott naht; aber er glaubt auch, dass "Gott denen, die ihn suchen, ein Belohner ist" (Hebr. 11, 6); und er findet die Belohnung für seinen Glauben.

„Gehe mit ihm hinab, fürchte dich nicht vor ihm!" Elia kann zu einem solchen Manne Vertrauen haben, und Gott rechnet auf ihn, indem Er ihm Seinen Knecht anvertraut, denn Er kann sich immer auf den Glauben verlassen, den Er Selbst gegeben hat. Der Prophet hatte nichts zu fürchten. Er befand sich Übrigens beim Erscheinen des ersten Obersten nicht in e h r in Gefahr, als bei dem des dritten, er war vor dem nach seinem Blute dürstenden König ebenso sicher wie auf dem Gipfel des Berges; aber Gott trägt Sorge, ihm Mut einzuflößen, denn Er kennt unsere schwachen Herzen. Elia empfängt diese Ermutigung; hatte er nicht früher, unter dem Ginsterstrauch, bewiesen, wie sehr seine Schwachheit ihrer bedurfte? Er tritt kühn vor Ahasja hin in der Kraft, die Gott darreicht, wie er es früher so oft Ahab gegenüber getan hatte. Diese Kühnheit ist eine der ausgezeichnetsten Eigenschaften des Elia.

Vor dem König wiederholte der Prophet Wort für Wort, was er seinem Boten gesagt hatte. Es gibt in den Wegen Gottes mit den Menschen eine Zeit, wo neue Mitteilungen unnütz sind, weil sie ihre Herzen verhärtet haben. So war es auch, als die Apostel vor dem Synedrium standen (Vergl. Apgsch. 4, 19 mit 5, 29). Der Prophet beharrt stets auf einer Sache: "Ist es weil kein Gott in Israel ist, um sein Wort zu befragen?" So sollen auch die Menschen, wenn es sich um Fragen betreffs ihrer Zukunft handelt, nur zu dem Worte Gottes ihre Zuflucht nehmen, und die Verachtung des Wortes wird seine schrecklichen Folgen über sie bringen. Eines Tages wird gerade dieses Wort sie richten. "Er starb nach dem Worte Jehovas, das Elia geredet hatte".

Fußnoten:

*1) Das Alte Testament enthielt drei große Abteilungen: das Gesetz, d. h. die fünf Bücher Mose; die Propheten, von denen wir oben gesprochen haben, und die Hagiographen oder die „Heiligen Schriften“, auch unter der Bezeichnung „Psalmen“ bekannt (Lukas 24,44). Diese enthielten die Psalmen, die Sprüche, Hiob, das Hohelied, Ruth, die Klagelieder, den Prediger, Esther, Daniel, Esra, Nehemia und die beiden Bücher der Chronika.

*2) Und tatsächlich ist Ahasja der einzige, der Elia erkennt. Niemand in seiner Umgebung kannte den großen Propheten Israels; aber wie sehr vermehrt das die Strafbarkeit des Königs! Zu einer Zeit, da das Wort Gottes von dem Volke, welches Kenntnis von ihm hätte haben sollen, nicht gekannt wird, ist der einzige, welcher nicht in Unkenntnis darüber ist, gerade derjenige, der es be­kämpft!

@@@@

Gottes Gnade

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1911 S. 14ff

O nichts kommt Gottes Gnade gleich,

sie macht so froh, sie macht so reich!

Sie nimmt hinweg, was schmerzt und drückt,

ja, mehr, sie gibt, was stets beglückt.

@@@@

Arm und reich

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1911 S. 15ff

In wie viele Klassen die Menschheit aus Grund ihrer Abstammung, Bildung und ihres Vermögens auch eingeteilt werden mag, so gibt es doch im Blick auf die Ewigkeit nur zwei Arten von Menschen: Lebendige und Tote, oder Reiche und Arme; nur zwei Klassen: solche, die im Besitz des ewigen Lebens sind, und solche, die es nicht sind.

Wer Jesum, den Sohn Gottes, hat, hat das ewige Leben und ist somit reich; wer Jesum, den Sohn Gottes, nicht hat, hat das ewige Leben nicht und ist somit arm. Von Natur tot und arm, gelangt man zu Leben und Reichtum, wenn man die Gnade unseres Herrn Jesu Christi kennen lernt, „dass Er, da Er reich war, um unsertwillen arm wurde, auf dass wir durch Seine Armut reich würden“ (2. Kor. 8, 9). Jeder Errettete kann sagen: Ich war arm, aber jetzt bin ich unendlich reich durch Den, der für mich arm wurde.

Ein unerforschlicher Reichtum ist sein Teil, ein unverwelkliches, unverwesliches Erbe liegt für ihn bereit. Er teilt es mit Christo, dessen Miterbe er ist, und verwirklicht jetzt schon seinen Besitz, insoweit er auf die Stimme des Heiligen Geistes lauscht, der, ebenso wie einst Elieser der Rebekka von dem Reichtum Isaaks, des einzigen Sohnes seines Herrn, erzählte, sich heute bemüht, den Gläubigen mit allem bekannt zu machen, was der Vater dem Sohne Seiner Liebe gegeben hat.

Bis zum Antritt dieser großen Erbschaft sind wir nun auf dieser Erde zurückgelassen, und zwar unter denselben äußeren Lebensbedingungen wie alle anderen Menschen, um dem Herrn zu leben und zu dienen. Wohl trennt uns unsere himmlische Berufung non der Welt, aber die Lebensbed1«irfnisse verbinden uns noch mit der Erde. Für jeden Erdenbewohner gilt das Wort: Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zur Erde. Jeder muss mit einem widerstrebenden Erdboden, mit Dornen und Disteln, mit einem Leben voller Mühsale und Beschwerden rechnen. Der eine mehr, der andere weniger. Die herrliche, für den Sünder bereitete Erlösung hat den sogenannten Kampf ums Dasein nicht beseitigt, die Vorsorge der göttlichen Gnade hat die Mühen und Plagen nicht entfernt.

Aber eins, und zwar ein Großes, haben die Erretteten den anderen Menschen voraus; sie nehmen ihre Lage, ihre Umstände aus der Hand des Herrn, und sie können, ein jeder für sich persönlich, (mögen die Umstände sein, wie sie wollen) im Innersten ihres Herzens glaubend sagen: „Die Messschnüre sind mir gefallen in lieblichen Örtern (Ps. 16, 6). Für den Glauben macht es nichts aus, wo für ihn die Messschnüre gefallen sind; er erblickt sie in lieblichen Örtern, weil Gott sie dahin gelegt hat. Selbst das „Tränental“ wird für den Glauben zu einem „Quellenort“ (Ps. 84).

Jeder treue Gläubige, der reich ist in Bezug aus Gott, wird so sprechen, mag er hienieden zu den armen oder zu den reichen Menschen gezählt werden. Er kann es sagen, unbekümmert um seinen Besitz an Geld und Gut; weiß er doch, dass Gott ihm das nicht als Zweck und Ziel seines Lebens oder zum ausschließlichen Verbrauch nach eigenem Wohlgefallen gegeben hat, wie der natürliche Mensch das meint, sondern dass sein ganzes Eigentum ihm von Gott, als ein Teil Seines Besitztums, zur Verwaltung nach Seinen Grundsätzen anvertraut worden ist.

Nun ist dem einen viel, dem anderen wenig anvertraut, aber das hat mit dem Glück des Einzelnen nichts zu tun; die Freude an dem Besitz richtet sich genau nach der Treue, mit welcher er seine Besitztümer· verwaltet.

Allerdings bringt der Besitz verschiedenartige Gefahren mit sich, sowohl für den, der über wenig verfügt, als auch für den, der Überfluss hat, und daran dachte Agur, der Sohn Jakes, als er betete: „Armut und Reichtum gib mir nicht, speise mich mit dem mir beschiedenen Brote; damit ich nicht satt werde und dich verleugne und spreche: Wer ist Jehova? und damit ich nicht verarme und stehle und mich vergreife an dem Namen meines Gottes“ (Spr. 30, 8. 9).

So ist es; große Armut kann uns an der Güte und Gerechtigkeit Gottes zweifeln, und großer Reichtum uns im Übermut Seinen Namen vergessen machen.

Wenn es auch nun unter uns nicht viele wirklich Arme und nicht viele wirklich Reiche geben mag, die Gefahr laufen, an Gott zu verzweifeIn oder sich über Gott zu erheben, so zeigen sich doch in den auf- und abgehenden Wogen unserer Lebensumstände manche Klippen, an denen unser Vertrauen zu dem Gebet aller guten Gaben und unser Verantwortlichkeitsgefühl für diese Gaben scheitern kann. Auch liegt in den verschiedenartigen Vermögensverhältnissen der Geschwister ein Keim zur Zwietracht und zum Neid versteckt, welcher leicht zu einer bitteren Wurzel auswachsen kann, wenn wir es an der nötigen Wachsamkeit und an der Liebe zueinander fehlen lassen.

Zunächst müssen wir, ein jeder für sich, die Tatsache, dass der eine reicher ist als der andere, ruhig so hinnehmen, denn Gott sagt: „Mein ist das Silber und mein das Gold“, und Er gibt sie, wem Er will. (Haggai. 2, 8; vergl. Jer. 27, 5.) Auch lesen wir: „Der Segen Jehovas macht reich, und Anstrengung fügt neben ihm nichts hinzu“ (Spr. 10, 22). Zudem sollen wir uns damit begnügen lassen, wenn wir Nahrung und Bedeckung haben. „Die Gottseligkeit aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so ist es offenbar, dass wir auch nichts hinausbringen können (1. Tim. 6, 6. 7). Und diese Sorge: das zum Leben Nötigste, Nahrung und Kleidung, zu verdienen, dürfen wir getrost dem Herrn überlassen. Mit unserem Sorgen darum würden wir nichts gewinnen, sondern nur den lebendigen Gott ausschließen, der in 1. Tim. 4, 10 „ein Erhalter aller Menschen, besonders aber der Gläubigen“, genannt wird.

„Wer aber unter euch vermag mit Sorgen seiner Größe eine Elle zuzumessen?“ fragt unser Herr in Luk. 12, 25. Ja, niemand kann das. Die Vögel des Himmels und die Lilien auf dem Felde können uns unterweisen, wenn wir, in diesem törichten Sorgen unsere Abhängigkeit von Gott vergessen sollten.

Wenn wir treu und fleißig, wie derselbe Gott befiehlt, zum eigenen und der Unseren Unterhalt arbeiten, so ist nicht nur Nahrung und Kleidung unser Teil, sondern Gott gibt dann auch einem jeden von uns, auch dem Allerärmsten, immer etwas - und wenn es auch nur wenig ist — mehr, als zum Unterhalt nötig, hinzu, damit wir dem noch Dürftigeren mitteilen können und für das Werk unseres Herrn etwas übrig haben. Mit beidem erfreuen wir das Herz unseres Herrn, obschon Er ja der eigentliche Geber ist.

Dabei fällt jeder Unterschied zwischen arm und reich fort. Gott fordert nicht große Summen von den Armen. Die Gabe richtet sich unter allen Umständen, bei dem Armen wie bei dem Reichen, nach der Liebe des Herzens, und Gott sieht das Herz an. In der Geschichte von der armen Witwe am Schatzkasten wird uns ein Beispiel vor Augen geführt, wie auch der ärmste Bruder, die ärmste Schwester mit ihrem Eigentum das Herz des Herrn erfreuen können. Der Arme blicke darum nicht neidisch auf den Reichen, der mehr für das Werk des Herrn, mehr für die Bedürftigen geben kann, noch der Reiche geringschätzig auf die kleine Gabe des Armen, denn der Herr weiß, was ein jeder besitzt, und wenn die Geneigtheit vorliegt, so ist einer annehmlich nach dem er hat, und nicht nach dem er nicht hat (2. Kor. 8, 12.) Beide, der Arme wie der Reiche, mögen aber der Worte des Apostels eingedenk sein: „Wer sparsam sät, wird auch sparsam ernten, und wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten. Ein jeder, wie er sich in seinem Herzen vorsetzt: nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ (2. Kor. 9, 6. 7.)

Und so wie der Reiche vor dem Armen nichts voraus hat, wenn es sich darum handelt, dem Herrn mit den vorhandenen Mitteln Freude zu machen, sind auch der Arme und Reiche in gleicher Weise der Versuchung ausgesetzt, ihrer Natur zu folgen und nach Besitz, nach Geld und Gut zu trachten. Und für beide gilt die Mahnung: „Trachtet aber zuerst nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles (was wir essen, trinken und anziehen sollen) wird euch hinzugefügt werden“ (Matthäus 6, 33). Auch sollen beide, arm und reich, sinnen auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist, denn beide sind gestorben, und beider Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott (Kol. 3, 2. 3). Wenn der arme Bruder nicht gelernt hat, für den morgigen Tag auf Gott zu vertrauen, wenn der reiche Bruder nicht gelernt hat, die vielleicht auf Jahre hinausblickenden Sorgen auf Gott zu werfen — dann treibt die Sorge beide dazu, nach Reichtum zu trachten. Sie werden dann beide, wie der natürliche Mensch, zur übermäßigen Anspannung ihrer Kräfte getrieben, kommen aus der Sorge nicht mehr heraus, werden in der Ruhe und im Schlaf gestört, haben keine Zeit, sich mit den unsichtbaren Dingen zu beschäftigen, bis sie eines Tages lernen, dass sie doch ohne Gottes Zutun nichts erreichen können, dass sie eine für Gott verlorene Zeit hinter sich haben, und sie willig werden, Gott alles anheim zu stellen.

Gewiss kann der Herr wirkliche Sorgen, die uns bekümmern, zulassen und sie auch zu unserer Erziehung und zum wahren Segen eine Zeitlang bestehen lassen. Wenn wir uns aber in solch dunklen Stunden an die geängstigte Witwe in 2. Kön. 4 erinnern und, wie sie, hingehen und uns leere (beachten wir wohl, leere) Gefäße erbitten, damit Gott sie füllen kann, dann wird die Sorge aufhören. Öl ist genug vorhanden für jeden Sorgenden, und noch nie hat ein Kind Gottes ein leeres Gefäß zu Gott gebracht, das Er nicht hätte füllen können; auch ist genug Öl der Freude da für den beschwerten Geist. Weiter kann der Gläubige auf Gottes Bank nie zu viel Kredit verlangen. „Tue deinen Mund weit auf“, ruft Jehova dem aus Ägypten herausgeführten Israel zu, „und ich will ihn füllen“ (Ps. 81, 10). Wir alle werden schon kostbare Erfahrungen gemacht haben, wenn wir erst dahin gelangten, alle unsere Sorgen auf Ihn zu werfen, der ebenso fähig wie willig ist, sie zu tragen.

Es gibt aber leider noch schlechtere Beweggründe zum Trachten nach Reichtum, als die Sorge. Wenn wir arbeiten und uns mühen, wie es die Kinder Kains taten, die nicht den Erdboden bebauten, um einfach ihren Lebensunterhalt zu haben, sondern mit dem ausgesprochenen Ziel, das Leben zu verschönern, also um des Vergnügens und des Gewinnes willen, - dann ist die Genusssucht unser Führer.

Wenn wir, wie Nimrod, es unternehmen, unser Glück selbst zu machen, selbst für uns zu sorgen und dann uns Erfolg und Ehre zuzuschreiben, wenn wir Haus an Haus, Feld an Feld fügen in dem Streben, Herr und groß zu sein - dann leitet uns der Ehrgeiz, die Selbstverherrlichung, und es geht uns wie Baruk, dem Sohne Nerijas, der müde war vom Seufzen und Ruhe nicht fand, und dem Jehova durch den Propheten sagen ließ: „Du, du trachtest nach großen Dingen für dich? Trachte nicht danach!“ (Jer. 45, 5) und wir haben der Mahnung Pauli vergessen: „Sinnet nicht auf hohe Dinge, sondern haltet euch zu den niedrigen; seid nicht klug bei euch selbst“ (Röm. 12, 16). Nicht wahr? wir alle, ob arm oder reich, haben zuweilen auf hohe Dinge gesonnen und gesucht, in bessere Verhältnisse zu kommen. Aber ist das die Gesinnung Christi, der sich sahst zu nichts machte? Heißt das in den Fußstapfen Dessen wandeln, der arm und verachtet auf dieser Erde war, und der von uns erwartet, dass wir leben und wandeln wie Er?

Und wenn wir, wie Lot, unsere Augen erheben und· mit begehrlichen Blicken Umschau halten auf die „wasserreichen Ebenen“ , dieser Welt und infolge dessen unsere Zelte ausschlagen bis nach Sodom hin, d. h. den Ort des Zeugnisses gegen den Ort des Gerichts umtauschen, dann sind wir Diener der Habsucht. Habsucht, Ehrsucht und Genusssucht, oder mit anderen Worten, die Sucht, unbelästigt durch Gottes Gegenwart das Leben zu genießen, sich zu bereichern und eine hervorragende Stellung einzunehmen — das sind die Grundsätze Babylons, das ist der Geist der Welt. Und wer sich mit der Welt in Verbindung setzt, geht in die Gefangenschast Babylons. Wir lernen das aus der Geschichte Hiskias.

Um den Gesandten des Königs von Babel zu gefallen, zeigte er ihnen sein ganzes Schatzhaus, das Silber und das Gold, und die Gewürze und das köstliche Öl; und sein ganzes Zeughaus, und alles was sich in seinen Schätzen vorfand - lauter Dinge, die einem Sohne Babylons wertvoll und kostbar waren. Was war aber die Folge dieses Hinneigens Hiskias nach Babel? Der Prophet Jesaja wurde mit der Botschaft Jehovas" zu dem König gesandt: „Siehe, es kommen Tage, da alles was in deinem Hause ist und was deine Väter aufgehäuft haben bis auf diesen Tag, nach Bube! weggebracht werden wird; es wird nichts übrigbleiben, spricht Jehova. Und von deinen Söhnen . . . . wird man nehmen, und sie werden Kämmerer sein im Palaste des Königs von Babel“ (2. Kön. 20).

Ach, wie viele Christen gleichen Hiskia! Durch ihr Hinneigen zur Welt, durch ihr Trachten nach den Reichtümern und der Ehre dieser Welt haben sie ihre Freiheit eingebüßt und sind nun geknechtet unter den Geist dieser Welt, zum Vorteil Satans und zur Unehre Gottes. Hüten wir uns davor, geliebte Freunde! Gott ist heute noch derselbe heilige und eifrige Gott, wie zur Zeit des Hiskia, und manches Vermögen, das die Eltern nach den Grundsätzen Babylons angesammelt hatten, ist später den Kindern zum Fallstrick geworden und in Babel, in der Welt, zerstreut worden. Es gibt manche Gläubige, die im Blick auf ihr Geschäft sagen können: Gott hat es gesegnet. Es blüht, wirft reichlichen Gewinn ab und setzt sie in den Stand, Bedürftigen mitzuteilen und regen Anteil zu nehmen an den Ausgaben für das Werk des Herrn. Auch hat Gott sie mit Krankheit verschont, und sie sind Ihm dafür dankbar. Es ist ihnen ergangen, wie dem Jabez in 1. Chron. 4, 10, der Jehova bat,ihn reichlich zu segnen, seine Grenzen zu erweitern, mit ihm zu sein und das Übel fernzuhalten, dass kein Schmerz ihn treffe“, und welchem „Gott kommen ließ, was er erbeten hatte“. Solche Brüder haben sicher allen Grund, dem Herrn dankbar zu sein, der an ihnen vielleicht die Zusage von Sprüche 10, 4 erfüllt: „Wer mit lässiger Hand schafft, wird arm; aber die Hand der Fleißigen macht reich“. Aber ist ihr Wohlergehen ein Beweis von Seinem Wohlgefallen, ein Beweis, dass sie mit Gott wandeln und dass ihre Seele gesund ist? Nicht immer; es kann möglicherweise sogar Psalm 106, 15 bei ihnen zutreffen: „Gott gab ihnen ihr Begehr, aber er sandte Magerkeit in ihre Seelen“.

Gottes Segen schließt in· erster Linie die Seele mit ein, und wenn solche, die äußerlich vorwärts gekommen sind und nun ein gutes Einkommen haben, den Segen der Seele nicht empfinden, so sollten sie darüber nachsinnen, wie sie zur Wohlhabenheit gelangt sind; denn Fleiß, Tüchtigkeit und Sparsamkeit allein genügen nicht vor dem Auge Gottes. Haben sie ihr Wohlergehen vielleicht gesucht auf einem Wege, auf dem Er nicht mitgehen konnte? Haben sie den Reichtum gesammelt in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen? Haben sie vielleicht bei Gelegenheiten Reichtümer erworben, wo eine innere Stimme zu ihnen sagte, wie einst Elisa zu dem geldgierigen Gehasi: „War es Zeit, Silber zu nehmen?“ (2. Kön. 5, 26).

Alles das ist möglich. Haben wir, wie Abraham in Ägypten (wohin Gott ihn nicht gesandt hatte), Reichtümer gesammelt, so haben wir uns auch, wie Abraham, auf diesem selbstgewählten Wege Dornen aufgelesen, die uns noch nach unserer Wiederherstellung in die Seite stechen; denn die Herden, der Gewinn aus Ägypten, riefen später den Streit zwischen Abrahams und Lots Hirten hervor.

Haben wir andererseits, wie derselbe Abraham das Anerbieten des Königs von Sodom ausschlug, Gelegenheiten, Geld zu verdienen ohne Gottes Zustimmung, zurück gewiesen, so werden wir auch die kostbare Erfahrung gemacht haben, dass unser Herr in demselben doppelten Charakter, wie bei Abraham, als Schild und Lohn vor unsere Seele trat. Die Beute kam Abraham rechtmäßig zu, aber dennoch verweigerte er die Annahme. Er ließ sich nicht durch die Umstande leiten, sondern hielt seinen Blick fest auf Jehova gerichtet, und weil sein Auge einfältig war, war sein ganzer Leib licht.

Es ist ganz gewiss so: wenn wir imstande sind, um Christi willen aus irgend einen Gewinn zu verzichten, den wir nach menschlicher Ansicht uns nicht entgehen zu lassen brauchen, wird Gott sich uns offenbaren. Wenn wir um Seinetwillen wertvolle Gewinne fahren lassen so machen wir Raum für Ihn!

Noch eine andere wichtige Frage gibt es für den Gläubigen, dem es gelungen ist, Reichtum zu erwerben. Hat er sein Vermögen nur mit den Mitteln, die Gott ihm gegeben oder zur Verfügung gestellt hat, gesammelt? Darüber hinausgehen, heißt Schulden machen, und sich in Schulden einlassen, heißt sündigen. Gott verhütet es oft gnädiglich, dass Brüder, trotzdem sie das Geld anderer leichtfertig aufs Spiel setzen, bei ihren Unternehmungen scheiterten; aber sind sie darum bessere Christen als ihre Mitbrüder, die es ebenso gemacht haben, denen es aber nicht geglückt ist, und die zur Unehre Gottes in große Schwierigkeiten gekommen sind und durch einen Vergleich mit ihren Gläubigern oder durch einen Bankerott ihre Mitmenschen geschädigt haben? Wie oft das Letztgenannte schon in unserer Mitte vorgekommen ist, ist allgemein bekannt. Und sollte nicht schon mancher Mensch dieser Welt, der durch unsere Schuld kleine oder große Verluste erlitten hat, sich dadurch an uns geärgert und sich von der von uns bezeugten Wahrheit abgewandt, ja, selbst das Evangelium verlästert haben?

Es ist eine ernste und bedenkliche Sache, der Welt von Christo zu zeugen, und gleichzeitig mit ihr nach den Dingen der Welt zu trachten und somit die Begierden der Natur, wie Habsucht, Ehrgeiz und Genusssucht, mit dem Namen Christi zu verbinden. Beherzigen wir die überaus ernsten Worte aus Jeremia 7, 8 - 10: „Siehe, ihr verlasset euch aus Worte der Lüge, die nichts nützen. Wie? Stehlen…dem Baal räuchern und anderen Göttern nachwandeln, die ihr nicht kennet! Und dann kommt ihr und tretet vor mein Angesicht in diesem Hause, welches nach meinem Namen genannt ist, und sprechet: Wir sind errettet!“

Im übrigen ist jeder Bruder mit seinem Vermögen allein Gott verantwortlich, der es ihm anvertraut hat,· nicht etwa dem Bruder. Sein Besitz ist eine Sache zwischen ihm und Gott. Das Wort verurteilt niemals das Eigentum, als wäre es Sünde. Es nennt nirgendwo den Überfluss an Besitz böse; es erkennt im Gegenteil stets das Recht des persönlichen Besitzes an. Dass der Reiche mit dem Armen teilen solle, damit Gleichheit sei, wird nie gefordert. Barnabas verkaufte freiwillig seinen Acker und brachte den Erlös den Aposteln; und dem Ananias und der Sapphira war es nach Petri Worten ganz frei überlassen, dasselbe zu tun oder nicht. Auch erkannte Paulus dem Philemon die vollen Eigentumsrechte an dem entlaufenen Sklaven Onesimus zu.

Schreiber dieser Zeilen hörte kürzlich, dass die Brüder an einem kleinen Orte, welcher noch keinen Versammlungssaal besaß, einem zum Wohlstand gekommenen Bruder aus ihrer Mitte die Gewissenspflicht auferlegen wollten, auf seine, Kosten den Saalbau auszuführen. Das war nicht recht, weil der reiche Bruder nicht den anderen Brüdern für sein Geld verantwortlich ist, sondern allein Gott, der ihm das Vermögen anvertraut hat. Selbst wenn ein armer Bruder einer Unterstützung bedarf, kann er dieselbe von seinem reichen Mitbruder nicht verlangen oder als sein Recht beanspruchen; wohl aber möge er den Herrn darum bitten, der sein Gebet erhören und ihm auch das Nötige, sei es durch den genannten oder einen anderen Bruder, geben wird. Der arme Bruder, sagt Jakobus, rühme sich in seiner Erhöhung und finde auch darin einen Trost, dass derselbe Herr, der ihn so reich gemacht hat in-Bezug auf Gott, hienieden gleichfalls arm war und in Niedrigkeit wandelte, ihn daher in seinen Entbehrungen versteht. Der Reiche dagegen rühme sich in seiner Erniedrigung und erinnere sich stets daran, dass alle seine irdischen Güter wie des Grases Blume vergehen werden, und er während seiner Lebenszeit nur ein guter Verwalter darüber sein soll.

Wie schön, wenn beide, der Arme und der Reiche, ehrlich, aus innerstem Herzen, ausrufen können: „Wen habe ich im Himmel? und neben dir habe ich an nichts Lust auf der Erde“(Ps. 73, 25)!

So mögen denn nicht die Güter dieser Welt eine Schranke zwischen armen und reichen Geschwistern aufrichten; möchte aber auch nicht die Erlangung dieser Güter Gegenstand ihrer Gebete sein! Die Ergebenheit in Gottes Willen in Bezug auf alles, was Er uns zu geben für gut hält, ist wohlgefälliger vor Ihm, als Ihn um mehr zu bitten, Ihn, der stets zum Segnen bereit ist, wenn es für uns gut ist und unser Zustand es erlaubt, ja, selbst früher, als wir Ihn darum bitten. Was wir aber nicht versäumen wollen, ist das Gebet um Weisheit, wie es uns in Jak. 1, 5 empfohlen wird, und wie es Salomo tat, der um ein verständiges Herz bat, um sein Volk gerecht richten und das ihm anvertraute Reich gut verwalten zu können (1. Kön. 3).

Wenn wir nach dem trachten, was des Reiches ist, in welches wir versetzt sind, des Reiches des Sohnes der Liebe Gottes (Kol. 1, 12), und aufrichtig dafür um Weisheit bitten, so dürfen wir gewiss auf Erhörung unseres Gebets rechnen, und wir werden die Weisheit erlangen, die glückselig macht.

„Ihr Erwerb ist besser als der Erwerb von Silber,

und ihr Gewinn besser als feines Gold.

Kostbarer ist sie als Korallen,

und alles was du begehren magst

kommt ihr an Wert nicht gleich.

Ihre Wege sind liebliche Wege,

und alle ihre Pfade sind Frieden.“ (Sprüche 3, 14. 15. 17)

Ja, wenn alle Geschwister, arme und reiche, diese Weisheit von, oben besitzen, (vergl. Jak. 3, 17), dann

werden ihre Wege „liebliche Wege“ sein, und sie selbst leben untereinander in „Frieden“.

@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 29ff

KAPITEL 2 ELIA UND ELISA

KAPITEL 2, 1‑12 Die Himmelfahrt des Elia

Die Geschichte Elias, als Prophet des Gerichts, endigt mit dem 1. Kapitel. Das 2. Kapitel zeigt uns das Ende seiner Laufbahn und die dieses große Ereignis begleitenden geheimnisvollen Begebenheiten.

Wir begegnen im Worte Gottes vielen G e h e i m n i s s e n, Geheimnissen, die von Ewigkeit her im Herzen Gottes verborgen waren, Dingen, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, und die in keines Menschen Herz gekommen sind. Diese Geheimnisse blieben im Alten Bunde ungekannt; aber es gibt kein einziges, das uns nicht im Neuen Testament durch den Geist Gottes enthüllt wäre. Und dennoch ist, trotz dieser Enthüllung, das Wort voll von geheimnisvollen Dingen, die nur das geistliche Verständnis zu entdecken vermag. Der Herr könnte sie uns mit wenigen Worten erklären, aber Er überlässt uns die Entdeckung oder Enträtselung derselben zum größten Nutzen und zur reichsten Freude unserer Seele. Nur durch ein unter der Leitung des Heiligen Geistes und mit Gebet unternommenes Erforschen des Wortes und durch ernstes Nachsinnen über die Dinge Gottes finden wir den Schlüssel zu diesen Rätseln. Auf diese Weise lernen wir unter einer einfachen Tatsache einen verborgenen Sinn erkennen, ähnlich wie bei einem Diamanten, den der Unkundige für einen gewöhnlichen Stein hält, während er den, der sich daran macht ihn zu schleifen, durch seinen Glanz blendet. Der zweite Teil von Joh. 1 und das 21. Kapitel desselben Evangeliums sind voll dieser verborgenen Schätze. So auch das vorliegende Kapitel; es wird wohl kaum von einem anderen an Interesse, an tiefen Erfahrungen, an prophetischen Offenbarungen, an majestätischer Größe übertroffen, weil es, indem es uns Elia und Elisa vorstellt, von Christo und von Seinem Geist redet. Es ist in ganz besonderer Weise ein Kapitel der Vorbilder.

Wiederholt, wie z. B. in der Geschichte von der Witwe zu Zarpath (vergl. Luk. 4, 26), hat Gott den Propheten Elia dadurch geehrt, dass Er ihn benutzte, um gewisse einzelne Charakterzüge Seines Geliebten darzustellen; aber der letzte Tag seiner prophetischen Laufbahn muss dazu dienen, das Leben, den Tod und die Himmelfahrt des Messias zu veranschaulichen, sowie die Segnungen darzustellen, welche für Sein Volk daraus hervorgehen sollten. Dieser Vorzug des Elia ist in gewissem Maße das Teil jedes Gläubigen; denn ein jeder von uns ist berufen, die Züge Christi in der Welt zur Schau zu tragen. Wenn es wahr ist, dass wir "in Ihm" vor Gott sind, so ist es auch wahr, dass Er " in uns" ist vor der Welt, und dass wir berufen sind, Ihn vor aller Augen darzustellen. Wenn der Christ treu ist, so wird er ein Abbild sein, welches auf den ersten Blick sein Urbild erkennen lässt. Wer in diesem Kapitel die Wahrheit, von welcher wir reden, nicht sieht, hat tatsächlich noch nichts darin gesehen. Nur wird uns, wie gesagt, hier alles in einem geheimnisvollen Licht dargestellt. Was das Geheimnis noch größer macht, ist der Umstand, dass Elia nicht allein ist. Elisa, sein Gefährte als Prophet und sein Diener, verlässt ihn keinen Augenblick, sieht ihn gen Himmel fahren und kehrt dann zu den "Söhnen der Propheten" zurück, deren Umstände den ganzen Übrigen Teil dieses Abschnittes ausfüllen.

Elia, ein Vorbild von Christo

"Und es geschah, als Jehova den Elia im Sturmwinde gen Himmel auffahren ließ, da gingen Elia und Elisa von Gilgal hinweg". Der Prophet hat vier Wegabschnitte zurückzulegen, bevor er in den Himmel aufgenommen wird: Gilgal, Bethel, Jericho und den Jordan. Am Beginn seiner Laufbahn war er ausgesandt worden, um das Heer des Volkes zu Jehova zurückzuführen. Seine treu ausgeführte Mission war schließlich völlig fehlgeschlagen. Israel war, nach einer augenblicklichen Umkehr, seit der Vertilgung der Baalspriester nicht zu wahrer Buße gekommen, und die Könige hatten ihren Götzendienst fortgesetzt. Die Mission Jesu scheiterte in gleicher Weise bei dem aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Volke. Der Prophet wird jetzt, wie Christus in den Evangelien, von Gott gesandt, um in der Kraft des Heiligen Geistes den Weg wieder vor Augen zu führen, den Israel hätte gehen müssen, den es aber weil es seiner Verantwortlichkeit nicht entsprochen hat, mit lauter Untreue und Trümmern besäte. "Jehova hat mich gesandt", so sagt Elia bei jedem Abschnitt des Weges zu seinem treuen Begleiter (V. 2. 4. 6). So redet auch der Herr in den Evangelien, namentlich im Evangelium Johannes, wo Er Sich immer als vom Vater gesandt hinstellt.

Doch lasst uns zunächst untersuchen, was dieser Weg für Israel gewesen war. Nachdem Jehova Sein Volk den Jordan hatte durchschreiten lassen, hatte Er durch die Beschneidung zu Gilgal die Schande Ägyptens von ihm abgewälzt; denn keiner der Söhne derer, die aus Ägypten gezogen waren, war in der Wüste beschnitten worden (Jos. 5, 5‑9). Dann hatte Er Jericho , die Feste des Feindes, vor Israel zu Fall gebracht, indem Er über diese Stadt den Bann und den Fluch aussprach, um schließlich Sein Volk in den Genuss der einst dem Jakob zu Bethel verheißenen Segnungen einzuführen (1. Mose 35, 9). Hatte Israel sich in diesen Segnungen behauptet? Keineswegs. "Alle ihre Bosheit", sagt später der Prophet Hosea, ist zu Gilgal, denn daselbst habe ich sie gehasst. Wegen der Bosheit ihrer Handlungen werde ich sie aus meinem Hause vertreiben; ich werde sie nicht mehr lieben" (Hosea 9, 15). Und weiter: "Gehet nach Bethel und übertretet! nach Gilgal und mehret die Übertretung!" (Amos 4, 4). Jericho, die verfluchte Stadt, war durch Hiel aus Bethel gegen den bestimmten Befehl Jehovas wieder aufgebaut worden (1.Kön. 16, 34). Bethel selbst war unter Jerobeam der erste Mittelpunkt des Götzendienstes geworden (1. Kön. 12, 29), wo die Sünden Israels sich aufgehäuft hatten.

Elia wird berufen, diesen Weg, der mit so vielen Schandflecken bedeckt war, aufs neue zu gehen; nur erblickt und findet sein Glaube die ersten Segnungen wieder, die von Gott angeordnet waren, und deren Verwirklichung Er nicht aufgegeben hatte. Elia erkennt Gilgal und Bethel, den Gedanken Gottes entsprechend, an, in demselben Geiste, der ihn veranlagt hatte, angesichts der Propheten Baals seinen Altar aus zwölf Steinen zu errichten. Er geht dahin als gesandt , in der Kraft des Heiligen Geistes, ohne in irgendeiner Weise durch die Befleckungen dieser Orte verunreinigt zu werden. Er geht in Treue den Weg, den Israel hätte gehen sollen, und auf welchem es in trauriger Weise zu Fall gekommen war; denn wenn es zu Gilgal durch ein wahres Gericht über das Fleisch der Absicht Gottes entsprochen hätte, so würde es mit Jehova im Genuss all Seiner Segnungen zu Bethel gewohnt haben. Elia wandelt, durch den Willen Gottes geleitet, allein auf diesem Wege, auf welchem er nur das Bild eines Größeren als er ist.

In der Tat, was der Prophet nur in biblischer Weise erfüllen konnte, hat sich bei dem Kommen des Herrn verwirklicht. Als Jesus den Schauplatz betrat, wurde dem jüdischen Volke nochmals eine Gelegenheit geboten, unter Immanuel die verlorenen Segnungen wiederzufinden. Die Taufe zur Buße, welche Johannes der Täufer, dieser Elia, der kommen sollte, verwaltete, wurde damals zum Gilgal Israels. Man musste in Buße, seine Sünden bekennend, dorthin kommen, um unter der Herrschaft des Messias die Segnungen wiederzufinden. Indem Jesus durch Seine Taufe den Jordan auf eine Stufe mit Gilgal stellt, kommt Er, um Sich mit einigen "Herrlichen der Erde" eins zumachen, welche durch die Buße Kinder des Reiches wurden und Erben der Verheißungen, wozu sie den Zugang verloren hatten. Auf diese Weise wurde gleichsam von neuem die Schande Ägyptens von ihnen abgewälzt; das Fleisch musste in den Tod gehen; denn es war erwiesen, dass es nicht in den Besitz der Ver­heißungen kommen konnte. Die Geschichte des Volkes im Fleische war zu Ende, aber ein neues Israel, das wahre, begann in Christo. Er persönlich brauchte durchaus nicht diesen Weg zu gehen. Er war der Heilige und ist es immer gewesen, doch Er offenbarte vor aller Augen am Jordan zu Beginn Seines Dienstes, wie auch bei Seiner Geburt, oder da Er als der wahre Israel "aus Ägypten gerufen" wurde, dass Absonderung vom Bösen, Heiligkeit und Gerechtigkeit Sein Charakter waren; nur machte Er Sich eins mit der ersten Regung des Geistes in denen, die ihre Sünden bekennend zu Johannes dem Täufer kamen.

Die Nation in ihrer Gesamtheit hat Ihn verworfen.

Elia geht von Gilgal hinab nach Bethel. Das war auch der Weg Christi: da Er eine völlige Widmung für Gott zu Seinem Ausgangspunkt hatte, gelangte Er notwendigerweise in den Besitz der Verheißungen, welche der Gott Jakobs Israel gegeben hatte (1. Mose 28, 13‑15). Er allein, Christus, war kraft Seiner Vollkommenheit würdig, alle Verheißungen Gottes zu erlangen. Während Seines ganzen Lebens hat Er Bethel, Gottes Haus, erwählt, Er hat Jehova Selbst, der vor dem widerspenstigen Volke Sein Angesicht verbarg, zu Seiner Zuflucht und Wohnung gesetzt (Ps. 91). Israel hätte diesen Zufluchtsort nie verlassen sollen. Christus allein ist da geblieben. Wie wir gesehen haben, war Bethel für Israel das Haus der Götzen geworden. Was musste Elia fühlen, aber vor allem was muss der Herr gefühlt haben, als Er diese heilige Wohnung samt den Segnungen, die sie verhieß, durch die Sünde Seines Volkes verunreinigt sah!

Christo allein, dem gehorsamen Menschen, gehörten also fortan die Verheißungen. Aber sollte Er sie jetzt genießen? Nein. Befragen wir Elia: er ist nicht berufen, in Bethel zu bleiben; Jehova sendet ihn weiter. Er muss den Ort der Verheißungen verlassen, um nach Jericho hinabzugehen. Dorthin hat Jehova ihn gesandt. Israel war einst, als es von Gilgal kam, auf dieses Hindernis gestoßen. Es hatte dort die göttliche Macht erfahren, welche die von dem Feinde errichteten Mauern umstürzte. Dann hatte Gott über diese Stadt den Fluch ausgesprochen; sie sollte nie wieder aufgebaut werden (Jos. 6, 26). Aber was hatte Israel mit Jericho getan? Ein Mann aus Bethel hatte die verfluchte Stadt wiederaufgebaut!

Elia geht auf den Befehl Gottes dorthin. Er muss den Weg des untreuen Israel verfolgen und ihn feststellen. Glich nicht das Volk dem Manne im Gleichnis, der von Jerusalem nach Jericho hinabging, um in die Hände der Räuber zu fallen, die ihn ausplünderten? Christus geht auch dahin, aber nicht wie Elia, um einfach davon Kenntnis zu nehmen; Er geht hin, um in Seiner Seele den über das Volk ausgesprochenen Fluch zu erfahren, um den Zorn der Regierung Gottes über diese untreue Nation auf Sich zu nehmen und zu tragen.

Von Jericho wird Elia an den Jordan gesandt; er verlässt Israel und Kanaan, indem er diesen Fluss, ein so kostbares Bild des Todes, durchschreitet. Vermöge seines Prophetenmantels und durch die Kraft des Geistes, den er besitzt, durchschreitet Elia trockenen Fußes den Tod. Auch Christus ging hindurch, aber Er schmeckte, was Elia nicht tat, die schreckliche Wirklichkeit des Todes, bevor Er ihn besiegte und in der Auferstehung am anderen Ufer wieder heraustrat. Elia ging nur bildlich hindurch und ohne dass der Tod ihn erreichen konnte; der Herr allein ist wirklich hindurchgegangen, und das war das Ende Seiner Laufbahn. Er hat Sich erniedrigt bis zum Tode; doch dieser konnte Ihn nicht behalten, er teilte sich vor der Macht des ewigen Lebens, welches in ihn hinabgestiegen war. Nachdem Er den Tod besiegt hatte, ist Jesus als Sohn Gottes in Kraft erwiesen worden dem Geiste der Heiligkeit nach durch Toten-Auferstehung (Röm. 1, 4).

Elia verlässt Kanaan, das Land der Verheißung und das Erbteil Israels, ohne etwas anderes als seinen Prophetenmantel. Wenn er auch Bethel besucht hat, so hat er sich doch nicht dort aufgehalten; er nimmt nichts mit von dem, was ihm als Mann Gottes gehören konnte. So ist es auch mit Christo. Von Ihm wird gesagt: "Er wird nichts haben" (Dan. 9, 26). Aber gerade damit beginnt für Ihn ein neuer Abschnitt. Gott hatte Ihn in den Tod gesandt. Konnte Er ungehorsam sein? Im Gegenteil, Er „stellt sein Angesicht fest", um nach Jerusalem zu gehen. Er verlässt Kanaan, Sein Erbe und Seine Rechte, doch Er weiß im Voraus, dass Er es tut, um, nachdem Er durch den Tod gegangen ist, in den Himmel aufzufahren. Elia weiß dies auch, aber er fährt lebend hinauf, nachdem er nur durch das Bild des Grabes gegangen ist.

Die Absicht Jehovas, der Seinen Knecht von einem Halteplatz um anderen sandte, war, ihn in eine andere Welt einzuführen. So empfing Elia die Belohnung für ein Leben voll Hingebung (ohne Zweifel mit menschlicher Schwachheit vermischt) an Den, der ihn gesandt hatte. Christus empfängt sie für eine ununterbrochene Hingebung bis zur Opferung Seiner Selbst. Es war auch, wie wir bei der Betrachtung der Geschichte Elisas sehen werden, der Ausgangspunkt einer doppelten geistlichen Kraft für den Gefährten des Propheten.

Beachten wir indes, dass es sich in dieser ganzen Geschichte nicht um ein Bild des Heilands und Seines auf dem Kreuze vollbrachten Erlösungswerkes handelt. Dies hat die Erzählung gar nicht im Auge. Das wird noch deutlicher werden, wenn wir zu der Geschichte des Elisa kommen. Gegenstand unserer Betrachtung hier ist Christus, der Mensch Gottes (obwohl Er weit mehr als das war), der von Gott gesandte Prophet, welcher zu Israel kommt, um Zeugnis von dem Verfall des Volkes und von dem daraus hervorgehenden Gericht abzulegen (ein Zeugnis, das durch Johannes den Täufer, diesen Elia, der kommen sollte, begonnen hatte), zugleich aber auch von den unwandelbaren Verheißungen Gottes, die nur durch Christum, einem Menschen ohne Sünde, erlangt werden konnten, um Seinem wiederhergestellten Volke Israel daran teilzugeben.

Aus alledem geht hervor, dass man hier, wie übrigens im ganzen Alten Testament, nicht die eigentliche Segnung der Kirche suchen darf. Die Geschichte Elias und Elisas bezieht sich ausschließlich auf Israel. Dennoch redet die Aufnahme des Elia, wie diejenige Henochs, bildlich von der Aufnahme der Heiligen, von denen die Kirche einen Teil ausmacht. Man könnte sagen, dass diese Aufnahme in der Himmelfahrt des Elia in geheimnisvoller Weise verborgen ist *3) während sie in der des Henoch eine deutliche Darstellung findet. In dem ersten Falle steht Christus vor unserem Auge, im zweiten die, "welche des Christus sind.

Erinnern wir uns bei dieser Gelegenheit daran, dass zwei Menschen, Henoch und Elia, gen Himmel gefahren sind, ohne durch den Tod zu gehen, während ein einziger, Christus, aus den Toten auferweckt wurde, um in den Himmel hinaufzusteigen; *4) darum wird Er auch „der Erstgeborene aus den Toten“ genannt, da Er den Heiligen voranging, deren Erstling Er ist in der Auferstehung. Es wurden andere Toten vor Christo auferweckt, aber immer nur für die Erde, niemals für den Himmel. Sie waren dem Tode aufs neue unterworfen, wogegen Christus, nachdem Er aus den Toten auferweckt worden ist, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über Ihn.

Fußnoten

*3) Offenbarung 12, 5 zeigt uns ein ähnliches Beispiel.

*4) In mehr als einem Zuge ist Henoch dem Elia ähnlich. Beide sind Propheten des Gerichts. Henoch wandelt mit Gott ‑ Elia steht vor Jehova. Beide werden aufgenommen vor dem schliesslichen Gericht, von welchem sie Zeugnis abgelegt haben.

@@@@@@@

Reden und Hören in der Versammlung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1911 S. 39ff

Wenn Gläubige zur Betrachtung des Wortes zusammenkommen, dann ist der Redende verantwortlich für das, was er in der Versammlung spricht, und der Hörende verantwortlich für das, was er dort hört. In Seiner Sorge für die Ernährung und Kräftigung der Seinen leitet unser Herr die Quellen, die für uns in Ihm verborgen liegen, in verschiedene Kanäle und lässt sie uns so durch die verschiedenen großen und kleinen Gaben, die der Versammlung geschenkt sind, zufließen. Es ist eine wunderbare Gnade, dass Er uns armselige Geschöpfe gebraucht, um die geliebten Seinen aufzuerbauen und in die Erkenntnis Seines Willens einzuführen.

Die zu diesem Liebeswerk berufenen Brüder nun sind verantwortlich für den ihnen gegebenen Auftrag, den der Apostel in seinem zweiten Briefe an Timotheus in die drei Worte zusammenfasst: „Predige das Wort"; und die Hörenden, die durch sie erfahren, was der Herr den Versammelten sagen will, sind gleichfalls dafür verantwortlich, wie sie hören.

Dem Dienst am Wort geht zweierlei voraus, was nur in der Schule Gottes gelernt werden kann. Paulus erinnert den Timotheus an diese zwei Dinge, indem er ihm schreibt: „Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre!" Auf sich selbst acht haben, ist das Erste: es geht dem Eindringen in die Lehre, dem Wachsen in der Erkenntnis sowie dem treuen Bewahren der Lehre voraus.

Das Werk der Belehrung und der Ermunterung ist zwar von Anfang bis zu Ende ein Werk Gottes, doch will der Geist die dazu berufenen Brüder benutzen. Wenn diese auch nur Kanäle sind, die den Segen den Hörenden zuleiten, nur Gefäße, die das darzureichen haben, was Gott geben will, so muß die Wahrheit doch in ihnen wirksam und lebendig sein, wenn sie mit lebendiger Kraft und Fülle andere erreichen soll. Das Leben und Verhalten des Dieners am Wort muss daher von seiner persönlichen Gemeinschaft mit dem Herrn Zeugnis geben. Er kann unmöglich andere zu Jesu Füßen führen, wenn er sich selbst nicht da aufhält. Sehr schön über die Wahrheit zu reden genügt nicht, wenn der Redende nicht zugleich der lebendige Ausdruck dessen ist, was sein Mund den Geschwistern vorstellt. Sicherlich bleibt er, wie jeder andere, hinter diesem heiligen Maßstab zurück, doch sollte wenigstens vor aller Augen sein Wunsch und Streben offenbar sein, stets und überall ein Vorbild der Gläubigen zu sein im Wort, im Wandel, in Liebe, im Glauben, in Keuschheit. Denn was sind die schönsten Worte, wenn dies fehlt?

Freilich wird er sich selbst nicht als ein Vorbild betrachten und sich auch nicht mit dem zufrieden geben, wozu er durch Gottes Gnade gelangt ist, sondern er wird sich die Mahnung des Apostels Paulus an die Thessalonicher vor Augen halten, „immer reichlicher zuzunehmen". Und wenn er auch mit Paulus sagen kann: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn, uns selbst aber als eure Knechte um Jesu willen" (2. Kor. 4,5), so werden doch seine Worte in der Versammlung ein großes Gewicht haben, wenn er in seinem Maß dem Apostel Paulus nachsprechen kann: „Das Leben ist für mich Christus".

Sehr wichtig ist es auch für einen Diener am Wort, zu prüfen, wie seine Familie, seine nähere Umgebung, zum Herrn steht, und ob sein Haus so von ihm geleitet wird, dass die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, geziert wird in allem. Wir wissen aus der Geschichte Gideons, dass die Waffen des Lichts zuerst gegen das Böse in der Familie, im Hause, in der Nähe gerichtet werden müssen, bevor sie im öffentlichen Kampfe benutzt werden können.

Wenn der Diener sorgfältig auf sich selbst achtet, wird er auch zunehmen in der Erkenntnis und immer fähiger werden, das Wort recht zu teilen und acht zu haben auf die Lehre.

In Matthäus 10,27 gibt der Herr den Seinigen eine bestimmte Richtschnur für ihr Sprechen, und gewissermaßen gibt Er auch das Thema an, worüber sie reden sollen. „Was ich euch sage in der Finsternis (d. h. im Verborgenen), redet in dem Lichte (d. h. öffentlich)." Also nicht, was menschliche Weisheit ihnen eingibt, nicht, was andere sagen, nein, was der Herr sagt, was Er im Verborgenen zu Seinen Knechten redet. Im allgemeinen mit der Wahrheit bekannt zu sein, ist nicht genug: das Wort, das der Diener sprechen soll, die für den Augenblick passende Wahrheit kann er nur von den Lippen des Herrn empfangen - und er empfängt sie durch die verborgene Gemeinschaft mit Ihm, durch ernste Betrachtung des Wortes und durch Gebet. „Wenn ich aber mit dir reden werde, will ich deinen Mund auf tun", sagt Jehova zu Hesekiel. (Kap 3,27) „Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes", lesen wir in 1. Petrus 4,11.

Man kann vielleicht stundenlang spannend und ohne Anstoß über die geoffenbarte Wahrheit reden, und trotzdem nicht als der Mund Gottes (wenn wir so sagen dürfen) reden, d. h. den Seelen nicht die Erbauung und Belehrung bringen, die sie nötig haben, und die nach den Gedanken Gottes sind. Von sich selbst los, allein abhängig von der Kraft und Leitung des Heiligen Geistes, das ist das Geheimnis des gesegneten Sprechens in der Versammlung. Dann begleitet der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit die Rede. Kraft ohne Liebe kann den Redner verleiten, über die Gewissen der Brüder zu herrschen, Liebe allein weckt leicht die menschliche Neigung, nur das zu reden, was die Hörer fesselt und erfreut, aber der Geist der Besonnenheit stellt das Gleichmaß her.

Fehlt dieser Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, dann sind die Reden, wie wahr sie auch sein mögen, mehr oder minder tönendes Erz und eine schallende Zimbel; es sind nicht „die gesunden Worte", von denen Paulus spricht, die zur wirklichen Erbauung der Heiligen dienen.

Was der Herr uns im Verborgenen sagt, wird immer den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit in sich tragen, und wenn diese Worte in frischem, lebendigen Dienst aus einem Herzen fließen, das Ihn kennt und für Ihn lebt, dann werden die Herzen der Hörer mit reichem Segen erfüllt.

Diesem Segen gegenüber tragen die Hörer eine große Verantwortung: sie werden die Segnung nur dann empfangen, wenn sie die Mahnung des Herrn an Seine Jünger beachten: „Sehnet nun zu, w i e ihr höret!" (Lk. 8,18) Gerade mit diesen Worten macht der Herr Seine Jünger auf die Verantwortlichkeit aufmerksam, die mit dem Hören verbunden ist. Er erwartet immer Ergebnisse von dem Hören Seines Wortes. Das einfache Hören genügt nicht; ein Ergreifen, ein Insich-aufnehmen des Wortes, verbunden mit dem Bewusstsein, für das Gehörte verantwortlich zu sein, muss das Hören begleiten. Wir besitzen eine Wahrheit erst wirklich, wenn sie nicht bloß das Ohr, sondern das Herz berührt hat und nun Früchte des Geistes zeitigt; wir können das gehörte Wort dann unser eigen nennen, wenn wir Nahrung und Kraft für die Seele daraus ziehen, wenn wir es nicht bloß mit Freuden aufnehmen, sondern auch bewahren. „Glückselig, die das Wort Gottes hören und bewahren!" (Lk. 11,28) Dann erst gewinnen wir die Fähigkeit, mehr zu empfangen und entgehen der Strafe, welche diejenigen erleiden, die nicht zusehen, wie sie hören.

„Sehet nun zu, wie ihr höret", sagt der Herr, „denn wer irgend hat, dem wird gegeben werden, und wer irgend nicht hat, von dem wird selbst, was er zu haben scheint, genommen werden." Es ist ein strenger Grundsatz, den wir auch an anderen Stellen des Wortes antreffen. So spricht auch der Prophet Jeremia von dieser ernsten Strafe für solche, die dem Licht, das sie durch das Wort empfangen haben, zu widerstehen suchen. „Höret und nehmet zu Ohren, überhebet euch nicht! denn Jehova hat geredet. Gebet Jehova, eurem Gott, Ehre, bevor er finster macht, und bevor eure Füße sich an Bergen der Dämmerung stoßen, und ihr auf Licht wartet, und er es in Todesschatten verwandelt und zur Dunkelheit macht." (Jer. 13,15. 16)

Ja, wir sind verantwortlich dafür, wie wir hören. Nehmen wir die Worte, die wir in der Versammlung hören, (vorausgesetzt, dass sie in Abhängigkeit von Gott unter der Leitung Seines Geistes gesprochen sind), nicht als Worte des betreffenden Bruders, nicht als Menschenwort auf, sondern als Worte, die Gott zu uns redet, dann hören wir sie nicht allein, sondern wir bewahren sie im Herzen, und handeln nach dem Licht, das wir durch das Hören erhalten haben. Indem wir nicht vergessliche Hörer, sondern Täter des Wortes sind, werden wir glückselig sein in unserem Tun. (Jak. 1. 25) Dann werden sich unsere Füße nicht an Bergen der Dämmerung stoßen, und das Licht nicht zur Dunkelheit gemacht werden, sondern wir werden (nach Lk. 11,34. 36) immer mehr Licht empfangen: unser ganzer Leib wird voller Licht sein, „wie wenn die Lampe mit ihrem Strahl uns erleuchtete".

Durch die Wahrheit, die wir hören, soll uns Christus immer kostbarer werden; wird Er das nicht, so wird die gehörte Wahrheit wieder von uns genommen werden. Darum, wie der Redende zu Gott aufblicken muss, um das zu redende Wort aus dem Verborgenen zu empfangen, so muss auch der Hörende den Herrn bitten, dass Er das Bedürfnis, von Ihm zu hören, in ihm weckt, dass Er ihn hören lässt, was er nötig hat, und dass Er Verständnis und Herz zubereitet, um das Gehörte auch wirklich bewahren zu können.

Der Hunger nach Seinem Wort, das süßer ist als Honig und Honigseim (Psalm 19,10), muss vorhanden sein, denn „eine satte Seele zertritt Honigseim" (Spr. 27,7); und auch heute gilt noch das Wort der Maria, als ihre Seele den Herrn erhob und ihr Geist frohlockte in Gott, ihrem Heilande: „H u n g r i g e hat er mit Gütern erfüllt, und Reiche leer fortgeschickt". (Lk. 1,53) Lasst uns denn wohl zusehen, wie wir hören, damit wir nicht, gesättigt durch ein bloßes Wissen oder gar durch die Dinge der Welt, die köstliche Süßigkeit des Wortes missachten und mit leeren Herzen die Versammlung verlassen!

Das Wort schreibt dem Hörer noch eine zweite Aufgabe zu. „Das Ohr", sagt Hiob (Kap 12,11), „soll die Worte prüfen, wie der Gaumen für sich die Speise kostet." Auch Paulus ermahnt die Hörenden: „Beurteilet ihr, was ich sage". Es entspricht unserer Natur, dass wir dieser Mahnung gern und willig folgen; nur übersehen wir dabei leicht, dass Hiob dem oben Gesagten die Worte folgen lässt: „Bei Greisen ist Weisheit, und Einsicht bei hohem Alter. Bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und Einsicht", und dass Paulus seine Aufforderung zum Beurteilen mit den Worten einleitet: „Ich rede als zu Verständigen". Die Worte des Redenden zu prüfen, ist den Hörenden zur Pflicht gemacht, und der Herr möge verhüten, dass die Versammlung diese Verpflichtung versäumt oder vernachlässigt; nur mögen alle beachten, dass die Beurteilung Weisheit und Einsicht erfordert, die allein bei Ihm zu holen ist, der uns „Weisheit von Gott" geworden ist.

Die Gefahr liegt für uns nahe, den betrügerischen Maßstab des menschlichen Verstandes anzulegen und dadurch, dass wir die Person des Redners in die Kritik hineinziehen, unser Urteil beeinflussen zu lassen. Mit der Person des redenden Bruders, wenn er im Namen und Auftrag des Herrn predigt, haben wir nichts zu tun. Wir haben in Ernst und Unterwürfigkeit seine Worte anzuhören und anzunehmen, mag der Bruder arm oder reich, unansehnlich oder einnehmend, einfach oder geistlich (nach menschlichen Begriffen), ein guter oder ein schlechter Redner sein.

Zur Beurteilung eines Dieners am Wort in seinen Fähigkeiten für den ihm von Gott verliehenen Beruf reicht unser natürliches Wissen nicht aus. Mose - wir lesen es in Apostelgeschichte 7,22 - war in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen und mächtig in seinen Worten und Werken, so dass wir ihn sicher für ein sehr geeignetes Werkzeug für den Dienst Gottes gehalten hätten; aber Gott erkannte die im Königshaus von Ägypten erworbene Weisheit nicht als Befähigung für Seinen Dienst an und nahm Mose 40 Jahre in Seine Schule, um ihn für diesen Dienst vorzubereiten. Gideon stammte aus dem ärmsten Teil von Manasse und war, wie David, der Kleinste im Hause seines Vaters. Und von einem Paulus, der zu den Füßen des großen Gamaliel gesessen hatte, sagte man, seine Rede sei verächtlich.

Hüten wir uns daher vor jedem lieblosen Urteilen über Diener des Herrn, und denken wir an die ernste Mahnung, die Jehova an Aaron und Mirjam richtete, als sie wider Mose redeten und ihn verurteilten: „Warum habt ihr euch nicht gefürchtet, wider meinen Knecht, wider Mose, zu reden?"

Wir erinnerten bereits daran, dass der Herr in Matthäus 10 Seinen Jüngern sagte: „Was ich euch sage in der Finsternis, redet in dem Lichte". Er fügt aber noch eine Mahnung für die Hörenden hinzu, auf die wir gleichfalls achten sollten. Sie lautet: „Was ihr höret ins Ohr, rufet aus auf den Dächern".

Es ist uns allen bekannt, dass es der Wille des Herrn ist, dass jeder Dürstende zu Ihm kommt und trinkt und dass von denen, die an Ihn geglaubt und so den Durst ihrer Seele gestillt haben, Ströme lebendigen Wassers zur Erquickung für andere fließen. Der Nehmende wird zum Gebenden; so auch der Hörende zum Redenden. Das, was der Hörer in der Versammlung von seinem Bruder als Aussprüche Gottes vernommen und in sich aufgenommen hat, das soll er nicht für sich behalten, sondern im Wort und Wandel „auf den Dächern" (in aller Welt) bezeugen und weiter verkündigen mit der Zuversicht eines Menschen, der sagen kann: So spricht der Herr!

Beachten wir, dass die Gemeinschaft mit dem Herrn Vorbedingung ist, sowohl um das Wort recht zu predigen, als auch um das Wort recht zu hören. Eine lebendige Verbindung besteht zwischen dem Redenden und dem Hörenden; beide stehen in Wechselwirkung zueinander. „Jede Arbeitsbiene sammelt Süßigkeit, aber nur die vereinte Tätigkeit aller bringt den Honig hervor", hat ein anderer Schreiber sehr treffend gesagt. Vor dem Herrn heißt es in Jesaja 50, dass Er die Müden durch ein Wort aufzurichten vermochte, während Er dabei selbst den Platz der Niedrigkeit, Demut und Abhängigkeit einnahm. Wir dürfen sicher sein, dass, wenn wir in Seiner Gesinnung zusammenkommen, der Herr dem Redenden stets eine Zunge der Belehrten geben wird, damit er wisse, den Müden durch etn Wort aufzurichten, und dass Er dem Hörenden stets das Ohr wecken wird, damit er höre gleich solchen, die belehrt werden - und alles das zu ihrer Auferbauung und zur Verherrlichung Seines Namens.

So lasst uns, ob wir reden oder hören, dastehen und kämpfen als gute Kriegsleute Jesu Christi!

@@@@@

Siehe ich komme bald und mein Lohn mit mir

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1911 S. 48ff

„Und dieses noch: da wir die Zeit erkennen, dass die Stunde schon da ist, dass wir aus dem Schlafe aufmachen sollen; denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben: Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe“ (Röm. 13, 11. 12).

Aus dem Worte Gottes wissen wir, dass das gegenwärtige Zeitalter der Gnade, gleich den schon voraufgegangenen, aufhören wird, um dem „zukünftigen Zeitalter“ Platz zu machen. Es wird mit der ,,Ernte« seinen Abschluss finden. (Matthäus 13, 39.) Für ein Herz, welches sich für Gottes Wege interessiert, entsteht deshalb, angesichts der Tatsache, dass die Zeit unaufhaltsam voraneilt, ganz von selbst die Frage: Ob unser Zeitalter wohl bald sein Ende erreicht haben wird? Dass wir eine richtige Antwort nur durch Gottes Wort erlangen können, ist selbstverständlich; alle menschlichen Meinungen haben in dieser Beziehung keinen Wert.

Das - Wort nennt den gegenwärtigen Zeitabschnitt im Blick auf den sittlichen Zustand des Menschen „Nacht“. Diejenigen, welche durch die Gnade hierüber Verständnis haben, können deutlich wahrnehmen, wie zutreffend diese Bezeichnung ist, wenn es sich um die Welt handelt. Die da schlafen, schlafen „des Nachts“ (1. Thess. 5, 7). Wohl ist der Herr auf mancherlei Weise bemüht, die Welt aus ihrem todesähnlichen Schlafe aufzuwecken, indem Er ungewöhnliche Unglücksfälle sich häufen lässt: Erdbeben, Seuchen, Überschwemmungen, Brände, Eisenbahnunfälle, Grubenkatastrophen und dergleichen, wodurch Hunderte und Tausende von Menschen plötzlich hinweggerafft werden. Auch ist der Geist Gottes mächtig wirksam, die Herzen und Gewissen der Menschen zu erreichen: das Evangelium wird in der ganzen Welt Verkündigt, und das Wort Gottes in Hunderten von Sprachen und Dialekten verbreitet. Auch legen viele Seelen, die aus Sündenketten und Satansmacht befreit worden sind, ein lebendiges Zeugnis ab von der wunderbaren Gnade Gottes.

Aber trotz alledem schläft die Welt fort. All diese erschütternden Ereignisse und ernsten Zeugnisse vermögen sie nicht aufzuwecken. Wird es so bleiben? O nein! Ein schreckliches Erwachen wird stattfinden. Die Gnadenzeit geht zu Ende, und ein furchtbares Gericht wird alle treffen, welche die dargebotene Gnade nicht angenommen haben. Gottes Wort schildert den Zustand derer, die sich nicht haben warnen lassen und sich dann auf der Erde befinden werden, mit den Worten: „In jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und werden ihn nicht finden, und werden zu sterben begehren, und der Tod flieht vor ihnen“. Ja, sie werden zu den Bergen und zu den Felsen sagen: „Fallet auf uns und verberget uns vor dem Angesicht Dessen, der auf dem Throne sitzt, und vor dem Zorne des Lammes, denn gekommen ist der große Tag Seines Zornes, und wer vermag zu bestehen“ (Offenbarung 9, 6; 6, 16. 17)?

Wie schrecklich ist ein solcher Zustand! Sollte man meinen, dass angesichts einer solchen Zukunft jemand gleichgültig bleiben könnte? Aber ob auch Gottes Wort mit heiligem Ernst feine warnende Stimme erhebt und den Menschen zuruft: „Heute, wenn ihr Seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht“ (Hebr. 3, 7. 8), gehen sie dennoch auf ihren Wegen der Sünde voran, und verhärten sich immer mehr. Ach! „sie werden Strafe leiden, ewiges Verderben“. Und selbst wenn sie jene schrecklichen Tage, Tage, wie sie nie gewesen sind noch sein werden, nicht mehr erleben sollten, werden sie dem Gericht doch nicht entfliehen. Aus ihren Gräbern hervorgerufen, werden sie vor dem „großen weißen Thron“ stehen. Es werden Bücher aufgetan werden, in denen alle ihre Werke mit untrüglicher Genauigkeit verzeichnet sind, und sie werden gerichtet werden nach dem, was in den Büchern geschrieben ist, nach ihren Werken (Siehe Offenbarung 20, 11—15).

Lieber Leser! wenn deine Sünden noch nicht getilgt sind, möchtest du dich dann nicht durch Gottes Wort warnen lassen? Bald wird die Gnadentür für ewig verschlossen werden. Noch klopft der Heiland, der für Sünder am Kreuze starb, an dein Herz und begehrt Einlass; o möchtest du hören und auftun!

Der Gläubige ist durch die Gnade dem kommenden Zorn entflohen. Das Gericht ist an ihm vorübergegangen und hat seinen Stellvertreter getroffen. Aber angesichts jener ernsten Tatsachen ist es auch für ihn wichtig, auf das zu achten, was Gottes Wort bezüglich der gegenwärtigen Zeit zu ihm sagt: „Und dieses noch: da wir die Zeit erkennen, dass die Stunde schon da ist, dass wir aus dem Schlafe aufwachen sollen“.

Aus dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen in Matthäus 25 wissen wir, dass die bekennende Kirche nicht in dem glückseligen, wachenden Zustand betreffs der Erwartung des Bräutigams geblieben ist, wie wir ihn in dem ersten Brief an die Thessalonicher beschrieben finden. „Als der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein“ (Matthäus 25, 5). Das Bewusstsein der Fremdlingschaft ging verloren, das Fleisch suchte hienieden Ruhe, und Er, der das scharfe, zweischneidige Schwert hat, ließ der Versammlung in Pergamus sagen: „Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist“ (Offenbarung 2, 13.) Ach! die Kirche nahm ihre Wohnung da, wo Satan wohnt und seinen Thron hat. Doch der gnadenreiche Herr, der Seine Braut vollkommen liebt, konnte sie nicht in diesem schlafenden Zustand lassen. Wir lesen weiter, Vers 6: „Um Mitternacht aber entstand ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam! Gehet aus, Ihm entgegen!“ Dieser Ruf ist weithin vernommen worden. Die ganz verlorene, aber so kostbare Wahrheit von dem Kommen des Herrn zur Aufnahme der Seinen vor den Gerichten ist den Herzen vieler Gläubigen wieder zu lebendigem Bewusstsein gekommen; ihr Einssein mit ihrem von der Welt verworfenen, aber droben verherrlichten Haupte hat sie wieder ihren wahren Platz in dieser Welt verstehen lassen.

Nun ist es wichtig für die geliebten Heiligen unserer Tage, dass die angeführten Wahrheiten, die ja allgemein bekannt sind, nicht nur als Lehre von uns angenommen und geglaubt werden, sondern auch in unserem praktischen Leben und Wandel ihre Verwirklichung finden. Wie beachtenswert ist in dieser Beziehung das Wort: „Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe!“ Vor Anbruch dieses Tages erscheint der Herr für die Seinen als „der glänzende Morgenstern“, den die schlafende Welt nicht sehen wird. Nur denen, die Ihn erwarten zur Seligkeit, gilt der Ruf: „Ich komme bald!“

Leider aber lehrt die Erfahrung, das; auch die Gläubigen in einen schlafenden Zustand zurücksinken können. Wäre es nicht so, dann würden wir der Ermahnung nicht bedürfen: „Also lasst uns nun nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachen und nüchtern sein“. Mögen wir uns deshalb alle in Aufrichtigkeit vor dem Herrn prüfen, ob wir als solche dastehen, die Ihn täglich erwarten und dies in Gesinnung, Wort und Wandel offenbaren!

Wir sind nicht berufen, andere zu richten, und möchten es auch nicht tun, aber einander in Liebe zu ermahnen und, wenn es nötig ist, ernstlich zu Warnen, dafür sind wir verantwortlich. Es gefällt dem Herrn, wenn wir das tun. Richten wir nun unseren Blick auf den praktischen Zustand mancher Gläubigen, so müssen wir leider sagen, dass zwischen ihrem Verhalten und dem der Welt fast kein Unterschied mehr besteht. Selbstverleugnung ist kaum noch gekannt. Unrecht zu leiden, sich durch andere übervorteilen zu lassen, ohne sein Recht zu suchen, kann man nicht mehr für richtig ansehen. Im Gegenteil, man sucht seinen eigenen Vorteil wahrzunehmen, soweit man irgend glaubt, es mit seinem Gewissen vereinigen zu können, und da bleibt es nicht aus, dass die Grenzpfähle immer weiter gesteckt werden. Man ist darauf bedacht, Hab und Gut möglichst schnell zu mehren, ohne daran zu denken, dass alles was wir an irdischen Gütern besitzen mögen, unser Eigentum gar nicht ist, und dass wir kein Recht haben, nach Gutdünken darüber zu verfügen, oder es zur Befriedigung des Fleisches zu gebrauchen. Man vergisst ganz, dass es vielmehr „das Fremde“ ist (siehe Luk. 16, 12), das wir hier in Treue für unseren Herrn verwalten sollen. Aufmerksam gemacht, gibt man wohl zu, dass es so ist, aber dabei bleibt’s. Es kommt nicht zu einer Verwirklichung und Anwendung im praktischen Leben. Und welchen Wert hat dann alles? Ach, möchten wir uns doch daran erinnern, dass wir weder über unser Geld noch über unsere Zeit noch über irgend etwas nach Gutdünken verfügen dürfen! Alles gehört dem Herrn, und nach Seinem Willen sollten wir es zu verwenden begehren. Wir sind Sein Eigentum und sind es geworden um einen teuren Preis. Einst Sklaven Satans, dem wir willenlos dienten, sind wir jetzt Erlöste des Herrn, um nicht mehr uns selbst zu leben, sondern Dem, der für uns gestorben ist und nun zur Rechten Gottes lebt. Wenn schon der irdischen Braut gesagt wird: „Vergiss deines Volkes und deines Vaters Hauses“, und: „Er ist dein Herr, so huldige Ihm“ (Ps. 45, 10. 11), wieviel mehr sollte sich dann diese völlige Hingebung bei uns finden!

Wenn es sich um unseren Platz, mit Jesu im Vaterhause handelt, so hängt derselbe einzig und allein von dem ab, was Jesus für uns getan hat. Er ist hingegangen, um eine Stätte droben für die Seinen zu bereiten. Deshalb ist dieser Platz das gesegnete Teil eines jeden wahren Gläubigen, das ihm nicht entrissen werden kann. Aber Gefahr ist vorhanden, dass die Erkenntnis der vollen, freien Gnade von unserem Fleische ausgenutzt wird, indem es Vorteile für sich sucht und uns verhindern will, unserem Wandel den genügenden Ernst beizulegen. Das Fleisch ist unverbesserlich, und wir müssen unausgesetzt vor ihm auf der Hut sein. Wir werden nicht zu einem Gott wohlgefälligen Wandel ermahnt, um in den Himmel zu kommen, sondern um Ihn zu verherrlichen, der so Großes für und an uns getan hat. Und das muss geschehen in dieser feindseligen Welt, die Ihn verworfen hat; im Himmel ist keine Gelegenheit mehr dafür.

Die Zeit eilt schnell dahin. Bald werden wir den Schauplatz der Sünde und des Todes verlassen, um „allezeit“ beim Herrn zu sein. Alles was wir an irdischem Gut besessen haben, bleibt dann zurück. Alles Ansehen, das wir von Menschen im Fleische genossen haben, ist wertlos. Jede Stunde, die wir hier uns selbst gelebt haben, ist verloren. Fürwahr, diese Erwägungen sollten uns nüchtern und besonnen sein lassen und, wie Petrus sagt, „unsere lautere Gesinnung aufwecken“. Ihm lag es am Herzen, die seiner Hut anvertrauten Schäflein „an diese Dinge zu erinnern“, wiewohl sie sie kannten und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt waren. (2. Petr. 1, 12.) Ach, wie sehr bedürfen auch wir solcher Erinnerung in diesen letzten Tagen!

Alles was wir hienieden für den Herrn gewesen sind, wird nicht verloren gehen, sondern in Ewigkeit bleiben. Der gnadenreiche Herr weiß die Treue der Seinen wohl zu schätzen und will sie reichlich belohnen. Selbst ein Becher kalten Wassers, in eines Jüngers Namen dargereicht, soll nicht unbelohnt bleiben (Siehe Matthäus 10, 42).

Freilich soll der Lohn nicht der Beweggrund sein, der uns in unserem Tun leitet. Der Herr selbst zeigt uns den wahren Beweggrund in den Worten: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten“ (Joh. 14, 23). Wenn wir nicht durch die Liebe geleitet werden, so hat unser Tun vor Gott keinen Wert, und wir werden nicht glückselig sein darin (Siehe 1. Kor. 13, 1 - 3; Jak. 1, 25). Nichtsdestoweniger werden wir an vielen Stellen des Wortes durch den Hinweis auf die Belohnung ermuntert, treu für den Herrn dazustehen. Mose „hielt die Schmach Christi für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung“ (Hebr. 11, 26).

Möchte denn der gütige Herr am Ende unserer irdischen Laufbahn sowohl zum Schreiber als zum Leser dieser Zeilen sagen können: „Wohl, du guter und treuer Knecht! über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; gehe ein in die Freude deines Herrn“ (Matthäus 25, 21 - 23).

@@@@@@

Du bist bei mir

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1911 S. 56

Autor: P. R.

Du bist bei mir, hältst meine beiden Hände,

lässt nicht allein mich in dem Weltgebraus;

vertrauensvoll den Blick zu Dir ich wende,

an Deiner Brust geborgen ruhe ich aus.

Ja, Dir vertrau ich, Du kannst mich verstehen,

bist mein Berater, bin mit Dir vereint;

den Weg, den Du bestimmst will gern ich gehen,

hast es doch immer gut mit mir gemeint.

Ich bin unendlich schwach, ich fühl es mit Zagen,

doch Du bist stark und willst mir Kraft verleihn;

Dir kann ich Leid und Weh und Kummer klagen,

Du hörst mein Flehen, drum darf getrost ich sein.

Frag manchmal zwar: Warum musste dies geschehen?

Warum, Herr, sandtest Du mir solchen Schmerz?

Ich kann Dein Walten wirklich nicht verstehen –

und tief betrübt, bekümmert ist mein Herz.

Doch plötzlich weicht das Dunkel aus der Seele,

Dein Trostlicht macht ruhig mich und still,

und Dir ich gläubig alles anbefehle,

wenn auch nicht alles geht, wie ich es will.

Wie unausforschlich groß sind Deine Werke!

Doch auch das Kleinste ist Dir wohlbekannt.

Du, Herr, bist Weisheit, Helfer, Rat und Stärke,

mein ganzer Weg, er liegt in Deiner Hand!

@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 57ff

Autor:

Elisa, der Diener

Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dass die Person des Elia unter mehr als einem Gesichtspunkt betrachtet werden kann: als Prophet, als Bild des Vorläufers Christi, als Vorbild von Christo Selbst. Das ist auch bei Elisa der Fall. Er ist zu. nächst das Bild des vollkommenen Dieners.

Von dem Tage an, da Elia dem Elisa begegnet war und seinen Prophetenmantel auf ihn geworfen hatte, war dieser ihm nachgefolgt und hatte seinem Herrn treu gedient; auch wusste man nur von ihm, dass er "Wasser goss auf die Hände des Elia" (1. Kön. 19, 21; 2. Kön. 3, 11). Wie es sich für einen wahren Diener bis zu seinem Eintritt in den öffentlichen Dienst geziemt, stellt er sich in den Schatten, und man hört zunächst nichts mehr von ihm. Obgleich er im Besitz des Prophetenmantels war, der ihm von Elia verliehen worden war, um an seiner Stelle das Gericht über das Land Israel auszuüben, macht er erst nach der Aufnahme seines Herrn Gebrauch davon, als er zugleich mit einem zwiefachen Teil des Geistes des Elia einen zweiten, vom Himmel gefallenen Prophetenmantel empfängt, der ihn fähig macht, einen Dienst der Gnade auszuüben.

Elisa ist ein schönes Beispiel des Christen, des Dieners Christi. Wo sein Herr ist, da ist auch er (Joh. 12, 26). In Bethel wie in Jericho sagen die Söhne der Propheten zu ihm: „Weißt du, dass Jehova heute deinen Herrn über deinem Haupte hinwegnehmen wird?" Er antwortet: „Auch ich weiß es; schweiget!" Seine Kenntnis wird ihm nicht durch die Söhne der Propheten vermittelt, denn er selbst ist ein Prophet, sondern kraft eines besonderen göttlichen Auftrags. Doch was ihn vor allem auszeichnet, ist die Tatsache, dass er alles verlassen hat, um seinem Herrn zu folgen, dem einzigen Gegenstand, der einzigen Segensquelle für seine Seele. Ohne Elia ist Elisa nichts, will nichts sein; Elia ist vor allem der, dem seine Zuneigungen gehören: "So wahr Jehova lebt und deine Seele lebt, wenn ich dich verlasse!" Elia hatte zu ihm gesagt. "Bleibe doch hier; denn Jehova hat mich nach Bethel gesandt‑; darauf führte sein Weg nach Jericho, und schließlich an den Jordan , Jehova hat mich gesandt; das zeigt den Gehorsam des Elia. Aber wenn Elia gehorcht, soll Elisa ihm dann nicht folgen?

Geradeso ist es für uns; wir können sicher sein, dass wir den Weg Gottes gehen, wenn wir uns auf dem Wege Christi befinden. Elisa hatte betreffs seines Verhaltens keinen unmittel­baren Befehl erhalten ‑ er schließt sich aber Elia an, der einen Befehl besaß und der für ihn der Mann Gottes, Sein Stell­vertreter, war. Der Glaube Elisas wird auf dem ganzen Wege erprobt. Bleibe doch hier sagt ihm der Prophet. Bleibe in Gilgal, dem Ort des Gerichts über dich selbst, über das Fleisch, an dem Ort, wo die Schande Ägyptens von dem Volke abgewälzt worden ist beginnt die Geschichte Israels von neuem. Nein, damit würde er eine unausführbare Probe wiederbegonnen haben. Nur der Gesandte Gottes kann diesen Weg gehen. Nun denn, so wahr Jehova lebt, ich werde mich ihm anschließen. Elisa durchschreitet Gilgal mit Elia, wie wir mit Christo. "Ich werde dich nicht verlassen". Soll ich den Weg aufs neue für mich selbst gehen? Niemals! Mein Gilgal ist das Kreuz, die Beschneidung des Christus. Elisa hat bei Elia alles gefunden, was Gilgal ihm bieten kann, und tatsächlich bildet, als er später über den Jordan wieder zurückkehrt, Gilgal keinen Teil seiner Reise.

In Bethel, dem Ort der den Vätern gegebenen und zugesicherten Verheißungen, sagt Elia wieder: Bleibe hier. Es wird dir nicht fehlen, diese Verheißungen von einem Gott, der nicht lügen kann, zu erlangen, da du mit mir durch Gilgal gegangen bist. ‑ Nein, ich werde dich nicht verlassen. Wenn du sie nicht jetzt empfängst, wie werde ich sie ohne dich erlangen? Wenn du sie erhalten hast, wird es für mich Zeit sein, in Bethel zu wohnen.

Und siehe da, jetzt kommen die Söhne der Propheten und stellen Elisas Glauben auf die Probe. Willst du weiter gehen, da doch dein Herr von dir genommen werden wird? "Auch ich weiß es, schweiget!" Ihr könnt nicht verstehen' was mich treibt, so zu handeln. Er ist es, er allein. Seine Person ist es, die mich anzieht und für mich alles umfasst. Mich einen Augenblick von ihm trennen, würde heißen, eine Segnung zu verlieren, die ich jetzt nur schwach erkenne, die ich mehr mit meinem Herzen als mit meinem Verständnis im Voraus empfinde, die ich aber sicher haben werde, wenn ich ihn nicht verlasse; denn ich weiß, dass e r sie erlangen wird.

Bleibe zu Jericho, Elisa; ich bin weiter gesandt. Nein; werde ich jeden Fluch, der auf dieser Stadt ruht, lebhafter fühlen als du? Da du, mein Herr und Meister, sie an diesem Tage nicht davon befreist, werde ich sie davon befreien können? Dazu würde ich eine persönliche Kraft nötig haben, und diese besitze ich nur in dir. Warum sollte ich mich hier aufhalten, solange ich sie nicht habe? Nein, schweigt, ihr Propheten!

„Jehova hat mich an den Jordan gesandt". Hier gibt es keine Aufforderung mehr zu bleiben. Elia nimmt Elisa mit und führt ihn durch den Todesfluss, und zwar in der Kraft des Geistes' welcher der Tod nicht zu widerstehen vermag, in der triumphierenden Kraft eines Lebens, das er nicht verschlingen kann. Ein Mantel, der dem Elia gehört, ist imstande, das zu vollbringen. O welch eine gesegnete Verbindung für Elisa! "Sie gingen beide miteinander". „Sie beide traten an den Jordan". „Sie beide gingen hinüber auf dem Trockenen". Elia geht nicht für sich allein hinüber, sondern um Elisa mit sich hinübergehen zu lassen. Dieses andere Ich des Elia wird mit ihm aus dem Tode hervorkommen und dann als Befreier für Israel zurückkehren!

Die Söhne der Propheten, welche die Aufnahme des Elia angekündigt hatten, spielen hier keine überflüssige Rolle. Die Prophezeiung in ihnen ist gleichsam der aus der Ferne zuschauende Zeuge des Sieges über den Tod, wie kurz nachher der Zeuge der Rückkehr in Gnade für Israel und eines zwiefachen Teiles des Geistes des Elia in dem Propheten. Sie sagen: „Der Geist des Elia ruht auf Elisa".

Nachdem die Beiden den Jordan durchschritten haben, sagt Elia zu Elisa: "Begehre was ich dir tun soll, ehe ich von dir genommen werde". Elisa antwortet: "So möge mir doch ein zwiefaches Teil von deinem Geiste werden! Und er sprach: Du hast Schweres begehrt! Wenn du mich sehen wirst, wann ich von dir genommen werde, so soll dir also geschehen; wenn aber nicht, so wird es nicht geschehen.

Um dieses zwiefache Teil zu empfangen, war es nicht genug, dass der Glaube und die Liebe Elisas zu seinem Herrn auf die Probe gestellt worden waren; es war auch Wachsamkeit nötig, um nicht den Propheten im Augenblick seiner Aufnahme aus dem Auge zu verlieren. „Sie gingen und redeten im Gehen", anscheinend mit verschiedenen Gegenständen beschäftigt; doch in dem Gesichtskreis des Elisa gab es nur einen Gegenstand, auf welchen sein Auge gerichtet war. Er konnte sich für alles interessieren, was das reiche Herz seines Meisters ihm mitteilte; aber sein Auge war einfältig. Er wollte durchaus nicht den feierlichen Augenblick verfehlen. Wir sind nicht berufen, wie Elisa oder wie die ersten Jünger, Jesum in der Wolke gen Himmel fahren zu sehen; sollten wir aber nicht dasselbe Verhalten betreffs Seines Kommens offenbaren, wie jene betreffs Seines Weggangs? Sollten wir nicht, wenn wir Ihn wirklich lieben, im Gehen redend, bei der Erfüllung unserer täglichen Pflichten, jedoch ohne uns durch sie ablenken zu lassen, Ihn erwarten? Denn es handelt sich darum, Ihn "in einem Augenblick" zu sehen. O dass unsere Erwartung so beständig und wachsam sein möchte, wie die des Dieners des Elia!

„Und es geschah, während sie gingen und im Gehen redeten, siehe da, ein Wagen von Feuer und Rosse von Feuer, welche sie beide voneinander trennten; und Elia fuhr im Sturmwinde auf gen Himmel. Und Elisa sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und seine Reiter! Und er sah ihn nicht mehr".

Dieser Wagen und diese Rosse von Feuer sind Engel (2. Kön. 6, 17), die durch ihr Aussehen dem Charakter des Elia entsprechen, welcher als der Prophet des Gesetzes durch das Feuer des Gerichts in der Mitte Israels gehandelt hatte. Bei der Himmelfahrt des Heilands war dies keineswegs so. Er bedurfte keines Geleits von Engeln, dass sie Ihm dienten oder Ihn in den Himmel führten. Er ist durch die Ihm eigene Kraft hinaufgestiegen, nachdem Er durch die Auferstehung als Sohn Gottes in Kraft erwiesen worden war. Eine Wolke, die Wohnstätte der göttlichen Herrlichkeit, nahm Ihn unmittelbar auf und führte Ihn von den Augen der Jünger hinweg (Apgsch. 1, 9), und unsere Aufnahme wird der Seinigen ähnlich sein (1. Thess. 4, 17). Wenn Er aber wiederkehren wird als der Sohn des Menschen, um die Welt zu richten, dann wird Er geoffenbart werden vom Himmel "mit den Engeln Seiner Macht, in flammendem Feuer" (2. Thess. 1, 7), und Myriaden von Engeln werden uns und alle Heiligen, die Heere des Himmels, begleiten (Offbg. 19, 14; Hebr. 12, 22; Jud. 14; 5. Mose 33, 2; Sach. 14, 5). Und kehrt Er wieder als der Messias, so wird Jehova Seinen Engeln befehlen, Ihn zu bewahren auf allen Seinen Wegen; auf den Händen werden sie Ihn tragen, damit Er Seinen Fuß nicht an einen Stein stoße (Ps. 91, 11. 12).

Elisa schreit: „Mein Vater!" und gibt dadurch zu erkennen, dass er nach dem Worte des Elia seinen Herrn hat in den Himmel hinauffahren sehen, aber er erkennt auch in ihm den wahren Israel: „Wagen Israels!" Dieser Ausruf beweist wiederum, wie sehr dieser ganze Vorgang uns bildlich Christum, den großen Propheten Israels, nicht aber den Heiland in Verbindung mit der Kirche, darstellt. Hier steigt Er als Prophet, als der wahre Gesandte, der wahre Messias, der wahre Israel, in den Himmel; für uns dagegen ist Er als Sohn des Menschen und Sohn Gottes, als Herr und Heiland dorthin versetzt worden, und so wird Er für uns von dort zurückkommen.

Der Mantel des Elia fällt von ihm herab, weil sein Diener ihn hat gen Himmel auffahren sehen. Dieser Mantel gehört jetzt Elisa. So werden auch wir die Kraft des Geistes stets bei uns haben, wenn wir Christo anhangen und wenn unsere Augen Ihm nach oben folgen.

Elisa zerreißt seine Kleider in zwei Stücke. Er bedarf ihrer hinfort nicht mehr, denn er besitzt den Mantel des Elia, das zwiefache Teil seines Geistes. In dieser Kraft wird er inmitten Israels wandeln. Möchte es mit uns ebenso sein! Möchten wir unser altes Kleid zerreißen, nachdem wir Christum angezogen haben, um Ihn der Welt im Zeugnis darzustellen!

@@@@@@

Kurze Aufzeichnungen aus einer Besprechung über den 2. Brief an Timotheus

Bibelstelle: 2. Timotheus

Botschafter des Heils 1911 S. 64ff

Die beiden Briefe an Timotheus nehmen einen besonderen Platz unter den Briefen ein. Sie reden nicht von den ewigen Ratschlüssen Gottes, noch von unserem Kindesverhältnis zum Vater, noch von der Versammlung mit ihren Vorrechten als dem Leibe Christi, der mit feinem verherrlichten Haupte im Himmel verbunden ist; ebenso wenig wird uns der Zustand des natürlichen Menschen vorgestellt und das, was Gott zu seiner Erlösung und Rechtfertigung getan hat, wie das z.B. im Römerbrief geschieht. Der Gegenstand ist Gott, der Heiland-Gott, und die Menschen als Gegenstände Seiner Wege in Gnade. „Gott ist einer, und einer Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab zum Lösegeld für alle“ (1. Tim. 2, 5. 6). Diese Worte sind charakteristisch für die Timotheusbriefe.

Da sind gleichsam zwei Parteien: Gott und die Menschen. Jesus kam, von Gott gesandt, hernieder, um in dieser Welt Gott darzustellen· „Die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes ist erschienen“ (Tit. 3, 4; Vergl. Kap. 2, 11). Die Welt hat Jesum verworfen, aber Gott hat Ihn in den Himmel aufgenommen und Ihm, dem treuen Zeugen, einen Platz zu Seiner Rechten gegeben. Aber ist Gott jetzt ohne Zeugnis auf dieser Erde? Nein, ein zweites Zeugnis ist aufgerichtet worden: die Versammlung oder Gemeinde des lebendigen Gottes. Sie wurde nach dem Tode und der Auferstehung Christi berufen, Gott in der Welt darzustellen und das Geheimnis: „Gott, geoffenbart im Fleische,“ zu bewahren. Christus konnte von sich sagen: „Ich bin die Wahrheit“. Die Versammlung ist „der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“ (1. Timotheus 3, 15.) Sie ist nicht die Wahrheit - das Wort ist die Wahrheit, Christus ist die Wahrheit -, sie vermag auch nicht die Wahrheit darzureichen; aber als PfeiIer und Grundfeste der Wahrheit ist sie verantwortlich, das ihr anvertraute Zeugnis aufrecht zu halten. Ist sie einmal von dieser Erde weggenommen, so wird Gott den Menschen „eine wirksame Kraft des Irrtums senden, dass sie der Lüge glauben“ (2. Thess. 2, 11).

Eine andere Frage ist, ob die Versammlung (Gemeinde) ihrer Verantwortlichkeit entsprochen hat. Hat wohl ein Mensch, oder haben die Menschen in ihrer Gesamtheit je vermocht, ein ihnen von Gott anvertrautes Zeugnis zu bewahren? Niemals. So hat auch die Versammlung in dem ihr gewordenen Auftrag gefehlt; sie stellt die Wahrheit, so wie sie ihr ursprünglich anvertraut worden ist, nicht mehr dar. Der Pfeiler ist gleichsam geborsten, die Grundfeste umgestürzt. Dennoch bleibt es wahr, dass die Gemeinde, so lange sie auf Erden weilt, die einzige Zeugin der Wahrheit ist, wenn Gott auch am Ende nur noch das schwache Häuflein von Philadelphia als Zeugnis anerkennen kann.

Auch als „das Haus des lebendigen Gottes“ hat die Versammlung in keiner Weise den Erwartungen entsprochen. Im 2. Briefe ist sie bereits zu einem „großen Hause« geworden, in welchem es Gefäße zur Ehre und solche zur Unehre gibt (Kap. 2, 20). Aber auch hier tritt ein weiteres Zeugnis an die Stelle des ersten. Der Einzelne soll, inmitten des Verfalls, als ein „Mensch Gottes“, als Gottes Vertreter, dastehen. Deshalb unterscheidet sich auch der zweite Brief in so ernster Weise von dem ersten, obschon er wohl nur ein Jahr später geschrieben ist. Es wird gleich im Anfang von dem Leben gesprochen, das „in Christo Jesu“ ist. (Kap. 1, 1.) Weiter lesen wir von der Gnade, die uns „in Christo Jesu vor den Zeiten der Zeitalter gegeben ist“ (Kap. 1, 9), sowie von dem Glauben und der Liebe (V. 13) und endlich von der Seligkeit, die in Christo Jesu ist (Kap. 2, 10). Während auf Seiten des Menschen alles wankt und weicht, bleibt in Christo alles fest. Die Versammlung hat gefehlt, und die Einzelnen haben gefehlt — da ist auf allen Seiten nur Rückgang und Verfall zu verzeichnen - aber Gott bleibt treu, und alles was Er uns in Christo geschenkt hat, ist unwandelbar und in Christo auf immer sicher gestellt. Das ist es, was den zweiten Brief vornehmlich kennzeichnet. Zugleich zeigt er dem Treuen den Weg, auf welchem er inmitten des VerfalIs wandeln soll, umso „dem Hausherrn nützlich zu sein“, „zu jedem guten Werke geschickt“ (Kap. 2, 21; 3, 17). Denn, wie schon oben bemerkt, es ergeht jetzt an den Einzelnen der Ruf, inmitten des Verfalls als Mensch Gottes dazustehen, oder mit anderen Worten, Gott darzustellen in dieser Welt. Da die Versammlung zu einem großen Hause geworden ist, bleibt für den Treuen nichts als „Absonderung“ übrig.

Im Anfang war es nicht schwer, die Christen von den anderen Menschen zu unterscheiden. Alle Gläubigen konnten einander und waren gekannt. Heute heißt es: „Der Herr kennt die Sein sind“, und: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit«. (Kap. 2, 19.) Heute besteht das Kennzeichen, dass man dem Herrn angehört, in der Absonderung von allem Bösen, mag es eine Gestalt an- nehmen, wie es will. Folgt denn daraus, dass der Einzelne ganz allein seinen Weg gehen soll? Keineswegs. Alle, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen, sollen miteinander gehen, und indem sie einfältig zu dem zurückkehren, was von Anfang ist, entsteht wieder, wenn auch vielleicht in großer Unvollkommenheit und Schwachheit, ein Gesamtzeugnis von der Wahrheit und für die Wahrheit. Allerdings muss die Absonderung nach göttlichen Grundsätzen erfolgen; menschliche Meinungen und des Menschen Wille sind hier völlig ausgeschlossen. Eigenwille ist immer böse, aber wohl am allerbösesten in religiösen Dingen; denn alle Trennungen unter den Gläubigen haben durchweg den Eigenwillen zur Ursache. Man setzt bewusst oder unbewusst den Eigenwillen an die Stelle des Wortes Gottes.

Kapitel 1.

Im Eingang des Briefes dankt Paulus Gott, dem er von seinen Voreltern her mit reinem Gewissen gedient hatte, d. h. selbstverständlich nach dem seinen Vorfahren und ihm zur Zeit geschenkten Lichte. Frömmigkeit und Aufrichtigkeit hatten die Familie von jeher ausgezeichnet. Paulus war, wie wir wissen, immer ein ausrichtiger Mann gewesen; selbst damals, als er die Jünger des Herrn verfolgte, hatte er geglaubt, Gott einen Dienst zu tun. Voll Verlangen, Timotheus zu sehen, erinnert er sich liebevoll der Tränen, die dieser wohl gelegentlich der Trennung von dem Apostel geweint hatte. Ferner bittet er ihn, sich seiner, des Gefangenen, nicht zu schämen, sondern Trübsal zu leiden mit dem Evangelium. Das Evangelium wird hier gleichsam als eine Person betrachtet, die angegriffen und bedrängt werden kann. So lange es Fortschritte macht, so lange Seelen gewonnen werden, die Erlösten treu vorangehen usw., leidet es nicht Trübsal; wenn aber schwere Zeiten kommen, wenn das Böse Eingang findet und der Eifer schwindet, so leidet der, der das Evangelium Verkündigt, mit diesem Trübsal.

Es handelt sich hier also nicht so sehr um die Leiden für das Evangelium, d. h. um Beschwerden und Drangsale, die jemand erdulden mag, weil er das Evangelium in einer feindseligen Welt verkündigt, und die selbst bis zum Tode gehen können, sondern vielmehr um die Leiden und Kümmernisse des treuen Arbeiters, der da sieht, dass die erste Frische schwindet, die Liebe erkaltet und viele sich zurückwenden, weil ihnen der Weg zu eng und schmal wird. Die Gefahr wird dann groß, sich des „Zeugnisses des Herrn“ zu schämen. (V. 8.) Es ist auch heute noch so, ja vielleicht mehr als je, weil die Zustände sich in dieser Beziehung immer mehr verschlimmert haben. Wer heute die Wahrheit predigt, ohne sie dem Geschmack des Menschen anzupassen (wie es leider so vielfach geschieht), der wird auch an seinem geringen Teile mit dem Evangelium leiden müssen.

Gnade und Leben sind uns in Christo gegeben worden. Wir waren Feinde und bedurften der Gnade, wir waren tot und mussten lebendig gemacht werden. Das Leben wird uns verbürgt durch das Evangelium. Leben und Unverweslichkeit sind durch dasselbe ans Licht gebracht worden; sie bilden die Gegenstände der Verkündigung. Es besteht ein wichtiger Unterschied zwischen dem Platz, auf welchem der Gläubige sich heute befindet, und dem Boden, auf dem der Gläubige des Alten Testaments stand. Obwohl dieser ewiges Leben besaß, war ihm doch das Leben nicht geoffenbart, das volle Licht des Evangeliums war noch nicht aufgegangen. Die alttestamentlichen Gläubigen reden deshalb bezüglich ihres Abscheidens immer wieder als von einem Gehen in das Land der Finsternis und des Todesschattens. (Vergl. Hiob 10, 21. 22; Ps. 6, 5; 88, 10.) Hiskia sagt: „Denn nicht der Scheol preist dich, der Tod lobsingt dir nicht; die in die Grube hinabgefahren sind, harren nicht auf deine Treue. Der Lebende, der Lebende, der preist dich“ (Jes. 38, 18. 19; vergl. Ps. 115, 17.) Diese Gläubigen wussten wohl von einer Auferstehung, wie auch Martha: von ihrem Bruder Lazarus sagt: „Ich weiß, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am letzten Tage« (Joh. 11, 24); aber dass der Gläubige lebt, obgleich er gestorben ist (Joh. 11, 25; vergl. Luk. 20, 38), davon wussten sie nichts.

Erst nach der Auferstehung des Herrn Jesu konnte das Leben verkündigt werden. Jetzt waren Leben und UnverwesIichkeit ans Licht gebracht. Wenn Paulus deshalb an sein Abscheiden denkt, so redet er nicht von einem widerwilligen Gehen in das finstere Totenreich, sondern er sagt: „Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn es ist weit besser“ (Phil. 1, 23.) So ist das Krankenbett Hiskias charakteristisch für den jüdischen Haushalt, und das Abscheiden Pauli charakteristisch für die christliche Stellung. Der Herr Jesus konnte zu dem Räuber am Kreuze sagen: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“ (Luk. 23, 43). Christus hat durch Seinen Tod und Seine Auferstehung den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hatte, und hat alle die befreit, die durch Todesfurcht ihr ganzes Leben hindurch in Knechtschaft waren. Auf dem Schauplatz des Todes erschienen, hat Er Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht. Der Gläubige steht nun da, lebendig gemacht, beseelt mit dem Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit, ein »Mensch Gottes« in dieser Welt der Sünde und des Todes.

Der Sieg wurde am Kreuze errungen, das Evangelium ist die Siegesbotschaft. Paulus, der Herold des großen Sieges, hat dieses Evangelium überallhin getragen. Nach menschlichem Urteil war er ein unbegreiflicher Tor: um eines Trugbildes willen hatte er alle Vorzüge und Ehren, alles was den Augen des Menschen groß und herrlich erscheint, aufgegeben. Aber er wusste, wem er geglaubt hatte, und war überzeugt, dass der Herr mächtig war, das Ihm von ihm anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren. „Jener Tag“, der Tag des Herrn, an welchem alles und alle offenbar werden, wird allen beweisen, dass Paulus gerade durch sein Verzichten auf jene Güter sich ein Gut erworben hat, welches alles Irdische und Zeitliche unendlich weit übertrifft.

Timotheus sollte „das Bild gesunder Worte“ festhalten, d. h. genau so, in derselben Form, wie er sie von Paulus empfangen hatte. Der Apostel hatte „geistliche Dinge durch geistliche Mittel« mitgeteilt. (1.Korinther.2, 13.) In der Kraft des Heiligen Geistes, durch Ihn belehrt und geleitet, hatte er das Wort des Herrn in solchen Ausdrücken wiedergegeben, wie sie ihm von oben gegeben worden waren. So besitzen wir das Wort Gottes, Seine Gedanken, Seine Wahrheit; es ist uns von Gott selbst geschenkt, der allein uns mitteilen kann, wer und was Er ist. Wir verstehen deshalb, wie wichtig es für uns ist, beim Reden über das Wort· Gottes möglichst schriftgemäße Ausdrücke zu gebrauchen, uns ganz eng ans Wort zu halten und uns nicht etwa in hochtönenden Redensarten oder gesuchten Wendungen und interessanten Aussprüchen zu verlieren, um dadurch uns und anderen zu gefallen. Das Wasser, welches am wenigsten nach der Leitung schmeckt, ist immer am besten. Und wenn bei uns Ehrfurcht vor dem Worte Gottes sich verbindet mit der Furcht vor uns selbst und vor jedem Abweichen von dem Worte, so wird der Heilige Geist uns befähigen, „das Bild gesunder Worte festzuhalten in Glauben und Liebe« und sie anderen zu verkündigen in der rechten Weise. Der Glaube nimmt die Worte auf, und die Liebe trägt sie weiter.

Kapitel 2.

Leben, Glaube, Liebe, Gnade und Seligkeit — alles ist in Christo. Paulus ermuntert sein Kind Timotheus, stark zu sein in der Gnade, und da die Kirche schon im Verfall war, sollte er das, was er von Paulus gehört hatte, treuen Männern anvertrauen, die tüchtig sein würden, auch andere zu lehren (Kap. 2, 1. 2). Die Apostel hatten keine Nachfolger, aber treue Männer wird es immer geben, auch in den Tagen des Verfalls.

Verschiedene Titel werden hier den Arbeitern des Herrn beigelegt; zunächst hören wir von treuen Männern, dann von Kriegsleuten, dann von Wettkämpfern und Ackerbauern, weiter von Gefäßen zur Ehre, und schließlich von Knechten des Herrn, Menschen Gottes. Treue und Tapferkeit, Fleiß und Ausharren, Reinheit und Unterwürfigkeit, das sind die Eigenschaften, die dem Arbeiter eigen sein sollten. So gefällt er dem Herrn, der ihn angeworben hat. In die Beschäftigungen dieses Lebens soll er sich nicht „verwickeln«. Hat er ein Geschäft, so soll er es treu verwalten; ist er frei, so soll er nicht: wie Petrus zu demselben zurückkehren (Joh. 21), sondern in der eben beschriebenen Weise seinen Weg mit Ausharren gehen, damit er nicht „verwerflich“ werde. Paulus sagt: „Ich zerschlage meinen Leib und führe ihn in Knechtschaft, auf dass ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerflich werde“ (1. Kor. 9,27). Abjathar, der Priester, wurde verworfen und von Salomo auf seine Felder geschickt (1. Kön. 2, 26. 27). Wenn auch unser Kapitel "sich zunächst an Timotheus richtet, findet im weiteren Sinne doch jeder Arbeiter des Herrn besondere Winke darin für seinen Weg und Dienst, ja, jeder Gläubige kann reiche Belehrungen für sich daraus schöpfen.

Im 8. Verse lesen wir: „Halte im Gedächtnis Jesum Christum, auferweckt aus den Toten, aus dem Samen Davids“. In diesen wenigen Worten haben wir die Grundlage des Evangeliums, wie wir sie auch im Römerbrief (Kap. 1, 1—4) dargestellt finden: „Paulus, Knecht Jesu Christi, berufener Apostel, abgesondert zum Evangelium Gottes . . . über Seinen Sohn, der aus dem Samen Davids gekommen ist dem Fleische nach, und als Sohn Gottes in Kraft erwiesen dem Geiste der Heiligkeit nach durch Totenauferstehung, Jesum Christum, unseren Herrn“. Die Lehre von der Person des Herrn Jesu ist der Rückgrat des Evangeliums. Gibt’s hier ein Irregehen, ja, nur ein Schwanken, so ist dem Verderben Tür und Tor geöffnet.

Besonderer Nachdruck liegt hier auf den Worten „auferweckt aus den Toten“. Jesus, der Sohn Gottes „das Heilige“, welches von Maria geboren wurde — der Sünde nicht kannte, in dessen Munde nie ein Trug erfunden wurde, konnte von dem Tode nicht behalten werden. Der Tod hatte keine Macht über Ihn. Er ist auferstanden und lebt nun zur Rechten Gottes. Wie wichtig ist es, dies im Gedächtnis zu behalten! Es ist die Grundwahrheit des Christentums, die leider in unseren Tagen von vielen Führern unter dem Volke Gottes nicht mehr bewahrt wird. Nur in dem Jesus, wie Paulus Ihn verkündigte, ist Leben, Seligkeit und ewige Herrlichkeit. Deswegen erduldete er um der Auserwählten willen alles und litt bis zu Banden, wie ein Übeltäter. Er tat mit Freimütigkeit das Geheimnis des Evangeliums kund, wenn es ihm auch die Ketten eines Verbrechers einbrachte (Eph. 6, 19). Auch wir haben die Pflicht, die frohe Botschaft von Jesu, dem Sohne Gottes, unverkürzt und unverletzt zu bewahren und zu verkündigen. Um aber für eine Sache einstehen und gar leiden zu können, muss man von ihrer Wirklichkeit überzeugt sein.

„Das Wort Gottes ist nicht gebunden.“ Es ist eine Zeit gekommen, wo es gebunden war. In eine, den meisten Menschen unbekannte, tote Sprache gefasst, lag es wie ein Gefangener in den engen Zellen der Klöster. Heute aber hat Gott es in Hunderte von Sprachen und Dialekten übersehen lassen; es „läuft und wird verherrlicht“ (2. Thess. 3, 1).

Das Wort ist gewiss; denn wenn wir mitgestorben sind, so werden wir auch mitleben“ (V.11). Der Weg zur Herrlichkeit ist gefahrvoll; wir können sterben, ja, für den Herrn sterben, aber wir werden leben. „Wer an Ihn glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist.“

„Wenn wir verleugnen, so wird auch Er uns verleugnen“ (V. 12). Das ist ein wichtiger göttlicher Grundsatz, dem wir im Worte Gottes immer wieder begegnen. So lesen wir z. B. im Römerbrief: „Wenn ihr nach dem Fleische lebet, so werdet ihr sterben“ (Röm. 8, 13).

Der Apostel redet zu Gläubigen. Wir stehen unter einer ernsten Verantwortlichkeit. »Wenn wir untreu sind - Er bleibt treu, denn Er kann sich selbst nicht verleugnen.“ Man liest ans diesen Worten meist einen Trost heraus, aber sie sollen uns weniger Trost zusprechen, als vielmehr den Ernst der Folgen der Untreue vor unsere Seele stellen. Mögen wir auch untreu sein, Gott ·kann sich niemals verändern. Er muss sich selbst treu bleiben als Der, der Licht ist und gar keine Finsternis in Ihm.

Weiter werden wir ermahnt, ,,nicht Wortstreit zu führen, was zu nichts nütze, sondern zum Verderben der Zuhörer ist“ (V. 14). Den Herrn hörte man nie streiten (Vergl. Matth. 12, 19). Wie in allem Guten, so sollen wir auch hierin von dem Herrn lernen, besonders der Arbeiter. Dieser soll sich auch Gott darstellen als einen Arbeiter, „der sich nicht zu schämen hat“, sondern „der das Wort der Wahrheit recht teilt“, der also, um ein ganz alltägliches Beispiel anzuführen, das was sich auf Israel bezieht, nicht auf die Kirche anwendet oder umgekehrt.

Zu alledem haben wir uns von jedem Gefäß der Unehre zu reinigen, sei es auf religiösen: oder sittlichem Gebiet. Es ist da zunächst nicht die Frage, ob der, von dem wir uns zu reinigen haben, bekehrt oder unbekehrt ist. *) Erweist er sich als ein Gefäß zur Unehre, so haben wir uns von ihm zu reinigen, wörtlich von ihm weg zu reinigen.

Die den Herrn anrufen aus reinem Herzen sind solche, die sich gereinigt haben.

Fußnote:

*) Wer könnte auch beweisen, dass ein Mensch, der sich als ein Gefäß zur Unehre erweist, ein Gläubiger ist?

@@@@@


Das Wort Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 83ff

(Mel.:Ich will dich lieben, meine Stärke)

O heil´ges Wort aus Gottes Munde,

zum Leitstern hab ich dich erwählt,

weil sonst im weiten Erdenrunde

der rechte Rat und Halt mir fehlt.

Denn folg ich Dir, so irr ich nicht,

Du, meines Pfades Licht.

Du Leuchte meiner müden Füße,

wenn rings mich Trübsalsnacht befällt,

wo ich an jedem Stein mich stieße,

wenn Du nicht meinen Weg erhellt.

Drum seh ich Dir nur immer nach,

wie schwarz die Nacht sein mag.

Und wenn die Freudensonne glänzet,

so strahlst du heller noch als sie, -

wenn Gottes Wort ein Glück bekränzet,

ein bess`res Los ersah ich nie.

Drum eil ich auch im höchsten Glück

zu Dir, dem Quell, zurück.

Du Speise, wenn mein Herz verschmachtet,

Du kühler Trunk im dürren Land;

Du, das ich nie umsonst beachtet,

wenn ich am Scheidewege stand.

Du Balsam bei der Prüfung Schnitt,

geh du des Weges mit.

Durchleuchte mir mein innres Wesen

mit deinem ewig wahren Schein;

lass mich durch deine Kraft genesen,

sollt ich durch Schuld verwundet sein;

vom Irrweg bringe du mich fort,

du treues Gotteswort.

Du, du bist ewig, unvergänglich,

du stets untrüglich wahres Wort,

bleibt nur mein Herz für dich empfänglich,

- ob wechselt Zeit, ob wechselt Ort, -

das Wort des Herrn bleibt ewiglich!

Und dessen freu ich mich.

Tsinanfu, im Januar 1911

@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 85ff

KAPITEL 2, 13‑25 Elisa oder Christus im Geiste

In diesem Abschnitt tritt die Gestalt des Propheten Elisa als Vorbild in sehr deutlicher Weise hervor; wir haben ja bereits im Anfang dieses Kapitels seinen wesentlich vorbildlichen Charakter erwähnt. Wenn nun Elia am letzten Tage seiner irdischen Laufbahn Christum als prophetischen Zeugen in Israel vor unsere Blicke bringt,. was stellt dann, so mögen wir fragen, der Mann dar, der so innig mit ihm verbunden ist, indem er sein Zeugnis unterstützt und bestätigt, den Todesflug mit ihm durchschreitet und nach seiner Himmelfahrt ein zwiefaches Teil seines Geistes empfängt? Beginnen wir, um richtig verstanden zu werden, mit einer kurzen, prophetischen Skizze.

Während der Laufbahn des Messias hienieden folgten Ihm einige jünger, die einen schwachen, treuen jüdischen Überrest bildeten und innerlich von dem Volke getrennt dastanden, und harrten mit Jesu, dem Gesalbten Jehovas und dem Gesandten Gottes, dem großen Propheten Israels, bis zum Ende aus. Dieser, von dem Volke verworfen, machte sie in den Folgen Seines Todes und Seiner Auferstehung mit Sich eins. Wir sprechen jetzt nicht von dem Platz, den sie in der Kirche einnahmen. Diese tritt in den Mitteilungen des Alten Testamentes nicht hervor und kann, wie wir weiter oben gesagt haben, hier höchstens als in der Person des gen Himmel fahrenden Elia-Christus in geheimnisvoller Weise verborgen betrachtet werden. Wir reden hier von der jüdischen Jüngerschar, an deren Spitze die Zwölfe standen und die damals den wahren Überrest Israels bildete. Als solche empfingen sie von Christo ein zwiefaches Teil Seines Geistes, in Gestalt von Wundern und mächtigen Taten, und waren imstande, in der Mitte des Volkes "größere Werke" zu tun als Er. Am Pfingsttage Sah man, vom jüdischen Standpunkt aus, das durch den

Propheten Joel Angekündigte sich verwirklichen: "Ich werde von meinem Geiste ausgießen auf meine Knechte und auf meine Mägde, und sie werden weissagen . . . Eure Söhne und eure Töchter werden weissagen . . ." Ohne Zweifel war, selbst in jenem Augenblick, die Kraft aus der Höhe (nach Joel) nicht auf die Kinder Israel beschränkt, denn Gott sagt: "Ich werde von meinem Geiste ausgießen auf alles Fleisch" (Apgsch. 2, 17‑19). Wenn die Prophezeiung Joels in der Zukunft erfüllt werden wird, werden die Nationen an dieser Gabe teilhaben. Jedoch erlaubte diese Prophezeiung, welche die Teilnahme der Nationen an der Gabe des Heiligen Geistes ankündigt, am Pfingsttage die Tür zur Kirche Christi zu öffnen, der Kirche, die eine wunderbare Einschaltung in der Geschichte der Wege Gottes bildet, eine Zwischenzeit, während welcher hienieden eine himmlische Versammlung gebildet wird, ein Leib, der aus Juden und Heiden zusammengesetzt und mit seinem auferweckten Haupt in der Herrlichkeit vereinigt ist. Um davon einen Teil zu bilden, musste man dem Messias während Seines Weges auf der Erde gefolgt sein und Ihn gen Himmel haben fahren ‑sehen (Apgsch. 1, 21 und 22)." Wenn du mich sehen wirst, wann ich von dir genommen werde", sagt Elia. Dieser Überrest, gemäß der in Apgsch. 2 angeführten Prophezeiung Joels, hatte in jenem Augenblick seine endgültige Bestimmung und seine volle Entwicklung noch nicht erreicht. Er wurde im strengsten Sinne des Wortes durch die zwölf Apostel dargestellt. Die Juden haben ihr Zeugnis verworfen und beraubten sich so der von dem Propheten geweissagten Zeiten der Erquickung, und Gott hat den Unglauben des Volkes und seine Empörung gegen den Heiligen Geist benutzt, um die Kirche, das Weib des zweiten Menschen, Gebein von Seinen Gebeinen und Fleisch von Seinem Fleische, zu bilden.

Doch die Zwischenzeit der Kirche wird ihr Ende finden, und die prophetischen Zeiten werden wieder beginnen. Der Überrest Israels, von dem die Propheten und Psalmen beständig zu uns reden, wird wieder auf dem Schauplatz erscheinen mit dem zwiefachen Teil des prophetischen Geistes des Elia, indem er sich aufs engste verbindet mit den jüdischen Jüngern, die einst den Herrn auf Seiner Laufbahn hienieden begleiteten. Man beachte wohl, dass es sich für sie, wie für Elisa, nur darum handeln wird, dass der Geist des Elia auf ihnen ist, sei es in wundertätiger Macht oder in prophetischer Einsicht, nicht aber in ihnen wie bei den Christen.

Durch diese kurze Auseinandersetzung wollen wir keineswegs den Propheten Elisa als ein Vorbild des Überrestes hinstellen. Damit würde man die Wichtigkeit seiner Rolle nur sehr unvollkommen erfassen. Ohne Zweifel kann der Geist Gottes Gefäße, die zu Seinem Gebrauch zubereitet sind, benutzen, wie Er Elisa nach der Himmelfahrt des Elia benutzte, aber, was auch das Gefäß sein mag, die Hauptsache ist das, was es enthält' Elisa ist der Geist des Elia, der in zwiefacher Macht und in Gnade zurückkommt, um die Gläubigen des Überrestes zu segnen und sie zu sammeln. Es ist Christus im Geiste, der prophetische Geist Christi, der ohne Zweifel Werkzeuge benutzt, aber am Ende der Zeiten zunächst zu den Söhnen der Propheten zurückkehrt, das heißt zu dem eigentlichen Überrest, sodann zu dem, der in Israel den Glauben besitzt, wenn der Abfall seine Höhe erreicht hat. Zu Gunsten dieses Überrestes tut Elisa Wunder, aber in der Mitte des durch die schließliche Empörung verblendeten Volkes. Auf diese Weise werden die Kinder des Reiches, welches Christus auf der Erde errichten wird, durch Ihn abgesondert werden. Was die menschlichen Werkzeuge betrifft, die der prophetische Geist zu diesem Zweck benutzen wird, so sind wir nicht imstande, sie genau zu bezeichnen. Es möge genügen zu sagen, dass, wenn Johannes der Täufer Aufnahme gefunden hätte, er der Elia gewesen wäre, welcher kommen sollte; dass in der Zukunft Elia wiederkommen und alle Dinge wiederherstellen wird, dass es zwei Zeugen geben wird (Symbole von zwei Heeren von Zeugen) in Jerusalem, die in prophetischem Geiste und in der Macht des Elia und Mose handeln werden.

Das dem Elia anvertraute Zeugnis hat, wie wir schon hervorgehoben haben, einen zwiefachen Charakter, in Übereinstimmung mit der zweimaligen Gabe des Mantels des Elia: einen gerichtlichen, ähnlich dem Gericht, das sein Herr, der Pro­phet des Gesetzes, hienieden ausgeübt hatte (dieses Gericht wird Christus selbst erst am Ende der Gnadenzeiten des Evangeliums vollziehen), und einen Charakter der Gnade gegenüber jedem, der in Israel treu sein wird, um diejenigen zurückzuführen, welche ihr Zeugnis erreichen wird, und um die Heiden zu bekehren.

Elisa hatte das erste Mal den Jordan trockenen Fußes in Gesellschaft seines Herrn durchschritten, als dieser mit seinem Mantel auf das Wasser schlug und so den Todesfluss zwang, vor seiner Macht zu weichen. Jetzt, wo Elisa allein übriggeblieben ist, macht er es geradeso: "Er trat an das Ufer des Jordan. Und er nahm den Mantel des Elia, der von ihm herabgefallen war, und schlug auf das Wasser und sprach: Wo ist Jehova, der Gott des Elia? ‑ Auch er schlug auf das Wasser, und es zerteilte sich dahin und dorthin; und Elisa ging hinüber". Es ist immer Christus, welchem der Geist Zeugnis gibt. Elisa erfährt die Macht des Namens Elias' über den Tod. Er beginnt die Geschichte Israels von neuem an dem Orte, wo Elia über den Jordan gegangen war, d. h. nicht am Anfang (Gilgal), sondern am Ende seiner Laufbahn. Israel hatte einst den Jordan im Fleische durchschritten, um einem gewissen Untergang entgegenzugehen. Elia hat ihn durchschritten, um zum Himmel aufzufahren und Elisa dann sogleich in das Land der Verheißung zurückzuschicken mit seinem Mantel und einem zwiefachen Teil seines Geistes. Elisa durchschritt den Fluss kraft des Hinübergehens des Elia, im Namen und mit dem Mantel des Elia. "Auch er", sein Vertreter durch den Geist, "schlug auf das Wasser". Der Tod ist machtlos vor der Macht des Geistes des Lebens in Elisa. Durch den Geist, als Sieger über den Tod, beginnt er die Geschichte des neuen Israel. Es ist nicht mehr ein Volk im Fleische, welches in Kanaan ein­zieht, um schließlich verworfen zu werden; es ist ein neuer Mensch, der zu dem Volke zurückkehrt in der Kraft des Geistes Christi, des Siegers über den Tod, ein neuer Mensch, der im Begriff ist, den Söhnen der Propheten, dann dem Volke und später den Heiden (Naaman) die Früchte der durch diesen Sieg erlangten Befreiung zu bringen. Die Söhne der Propheten erkennen diese Macht an.

Geradeso wird es am Ende der Zeiten sein. Der prophetische Geist wird mit einer ganz neuen Kraft zu Israel zurückkehren. Er wird ohne Zweifel in der Kraft des Elia die Rache an den Feinden des Volkes vollziehen, gleich den beiden Zeugen in der Offenbarung. Aber hier handelt es sich viel mehr um Gnade als um Gericht; das Zeugnis wird in Gnade sein zur Segnung der Treuen und zur Sammlung des ganzen Überrestes. Die Söhne der Propheten werden, allmählich erleuchtet, diese Macht anerkennen und sich um dieselbe scharen. Die Geschichte des wahren Israel wird, indem sie ihren Ausgangspunkt in Christo hat, mit der Herrlichkeit Gottes wieder anfangen können.

Die Söhne der Propheten sehen Elisa. Sie sind in Jericho, der Stätte des Fluches. Sie wissen noch nicht, dass Elia gen Himmel gefahren ist, wie auch der Überrest am Ende die Auferstehung und Himmelfahrt Christi anfänglich nicht kennen wird. Thomas stellt im Evangelium Johannes diesen Überrest bildlich dar. Er muss sich durch den Augenschein von der Auferstehung seines Herrn überzeugen. So gehen auch die Söhne der Propheten, zunächst ungläubig wie Thomas, hin, um Elia zu suchen. Sie wollten den auf der Erde finden, der in den Himmel erhöht worden war. Sie handelten vielleicht in guter Meinung; jedenfalls beweist dieses Suchen ebenso sehr ihre Anhänglichkeit an Elia wie ihre Unwissenheit. Christus wird für Sein Volk zurückkehren; aber der Teufel sagt: "Siehe, er ist hier, oder siehe, er ist dort", während Er noch im Himmel ist. Auch sagt Elisa, der durch Christum gesandte prophetische Geist: "Sendet nicht". Allein ihrer Unwissenheit gegenüber ist er sehr nachgiebig; beim zweiten Male sagt er: "Sendet". Sie mussten davon überzeugt werden, dass ihre Hoffnungen, soweit sie sich an die alte Ordnung der Dinge in Israel knüpften, eitel waren. Die fünfzig Männer suchten drei Tage und fanden nichts. Der Messias ist nicht mehr hienieden zu finden. Er ist lebendig, nachdem Er, im Gegensatz zu Elia, in Wirklichkeit durch den Tod gegangen ist, um der Erstgeborene der Toten zu sein, was Elia nicht sein konnte. Jene Männer kehrten zu Elisa zurück. Nicht den alten Propheten war es gegeben, noch dem Überrest am Ende wird es gegeben sein, Christum gen Himmel fahren zu sehen; das war das Teil der ersten jünger. Die Söhne der Propheten handelten trotz der guten Absichten ihres Herzens nicht dem Geiste gemäß.

@@@@@

Kurze Aufzeichnungen aus einer Besprechung über den 2. Brief an Timotheus

Bibelstelle: 2. Timotheus

Botschafter des Heils 1911 S. 92ff

Kapitel 3.

„Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden“ (V. 1). Während wir im 4.Kapitel des ersten Briefes lesen, „dass in den letzten Zeiten (eig. in letzteren, d. h. wohl in dem Sinne von „späteren“, Zeiten) etliche von dem Glauben abfallen werden“, spricht der Apostel in diesem Kapitel von den letzten Tagen, das will sagen von den Tagen, in denen wir leben. Und wie genau wird hier der Zustand unserer Tage beschrieben! Wir fühlen unwillkürlich: es ist Gottes Wort, das hier zu uns redet, das Wort, welches für alle Zeiten und Verhältnisse allein maßgebend ist. Unsere Zeit wird in der Tat gekennzeichnet durch alle die Dinge, die wir hier aufgezählt finden. Sie machen eben die Zeiten zu schweren Zeiten.

Eigenliebe ist das erste Kennzeichen des gegenwärtigen Zustandes: „die Menschen werden eigenliebig sein“. Alles Folgende entspringt gleichsam hieraus-. Die eigene Person wird in den Vordergrund gestellt, um sie dreht sich alles. Man liebt weder Gott noch seinen Nächsten, sondern nur sich selbst. Nun muss aber doch der eigenliebige Mensch einen Gegenstand für sein Herz haben. Es ist das Geld, welches ihn in den Stand setzt, seine selbstsüchtigen Wünsche und Begierden zu befriedigen. Er liebt den Mammon, den Gott dieser Welt. - Auf „geldliebend“ folgt „prahlerisch“. Wie gern redet der eigenliebige Mensch von sich! Er prahlt mit dem, was er besitzt, mit Hab und Gut, Wissen, Kraft, Schönheit, oder mit dem, was er zu sein meint. Demselben Bilde begegnen wir schon bei dem Volke Israel, von dem es heißt: „Ihre Propheten sind Prahler, treulose Männer; ihre Priester entweihen das Heiligtum, tun dem Gesetze Gewalt an“ (Zephanja 3, 4).

Dann folgt „hochmütig“. Der Mensch dünkt sich in seinem Hochmut über allem erhaben, und so wird er zu einem „Lästerer“. „Sie erzittern nicht, Herrlichkeiten zu lästern, während Engel, die an Stärke und Macht größer sind, nicht ein lästerndes Urteil wider sie beim Herrn vorbringen.“ (2. Petr. 2, 10. 11; vergl. Judas V. 10.) Den Gläubigen wird gesagt: „Alle Lästerung sei von euch weggetan“ (Eph. 4, 31). Dieser Geist der Unbotmäßigkeit erstreckt sich bis in die Familien hinein; selbst die Kinder sind von diesem Geist angesteckt, viele werden völlig von ihm beherrscht. Deshalb heißt es weiter: „den Eltern ungehorsam“. Das liebliche, von Gott gewollte und gegründete Verhältnis zwischen Eltern und Kindern hat vielfach zu bestehen aufgehört; ja, die Zahl der Familien, wo diese Beziehungen nach Gottes Gedanken noch gepflegt werden, nimmt von Jahr zu Jahr ab. Im Hinblick daraus sagt der Prophet: ,,Siehe, ich sende euch Elia, den Propheten, ehe der Tag Jehovas kommt, der große und furchtbare. Und er wird das Herz der Väter zu den Kindern, und das Herz der Kinder zu ihren Vätern wenden“ (Mal. 4, 5. 6; vergl. auch Luk.1, 17). Mit anderen Worten: er wird das natürliche Verhältnis zwischen Eltern und Kindern wiederherstellen.

Aber nicht nur ungehorsam, sondern auch „undankbar“ ist der Mensch, und dieser Geist der Undankbarkeit offenbart sich in unseren Tagen mehr als je zuvor. „Heillos, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich«, so lauten die nächsten Eigenschaften. Welch eine finstere Liste! Der natürliche Mensch ist nicht nur ohne Heil, sondern auch unheilig, heillos verdorben; in vielen scheint selbst jedes natürliche Gefühl erstorben zu sein, deshalb sind sie auch unversöhnlich. Weil der Mensch die vergebende Gnade Gottes in Bezug aus fiel) selbst nicht kennt, ist er anderen gegenüber nicht bereit zu vergeben. Er erweist sich im Gegenteil als ein ,,Verleumder« und ist zugleich „unenthaltsam“ und „grausam“. „Sie schlafen nicht, wenn sie nichts Böses getan, und ihr Schlaf wird ihnen geraubt, wenn sie nicht zu Fall gebracht haben. Denn sie essen Brot der Gesetzlosigkeit und trinken Wein der Gewalttaten“ (Spr. 4, 16. 17).

„Das Gute nicht liebend.“ Im Gegenteil, alles Gebilde der Gedanken seines Herzens ist nur böse den ganzen Tag (1. Mose 6, 5). „Das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an.“ (1.Mose 8, 21). Und wie einst Judas den Herrn verriet, so erweisen sich die Menschen auch heute als „Verräter“, sind dabei „verwegen“ und „aufgeblasen“ und „lieben das Vergnügen mehr als Gott“.

Dieselben Leidenschaften und Sünden, welche sich hier unter dem Deckmantel eines christlichen Bekenntnisses, also unter Hinzufügung von Heuchelei, vorfinden, werden im Anfang des Briefes an die Römer ausgeführt, um das heidnische Leben zu kennzeichnen. Von solchen Menschen, die nur eine Form der Gottseligkeit hatten, ihre Kraft aber verleugneten, sollte Timotheus ,,sich wegwenden«. Im zweiten Kapitel handelte es sich besonders um die Absonderung von bösen Arbeitern, hier um die Absonderung von einem allgemeinen Zustand. „Denn aus diesen sind, die sich in die Häuser schleichen und Weiblein gefangen nehmen, welche, mit Sünden beladen, von mancherlei Lüften getrieben werden, die immerdar lernen und niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können.“ (V. 6. 7.) Diese Stelle zeigt uns, dass· sich die große Masse nur wenig von ihren Leitern und Führern unterscheidet. Die einen kommen nie zur Erkenntnis der Wahrheit, die anderen widerstehen ihr (V. 8). Es zeigt sich ein bemerkenswerter Fortschritt des Bösen in diesem Brief. In Kapitel 2, 18 lesen wir von solchen, die von der Wahrheit abgeirrt sind, hier von Männern, die der Wahrheit widerstehen, und schließlich, in Kap. 4, 4, redet der Apostel von Leuten, die ihre Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln sich hinwenden. Die Wahrheit, wie Gott sie uns in Seinem Wort mitgeteilt hat, kann nur in Verbindung mit einem guten Herzenszustand aufgenommen und festgehalten werden.

In welch einem Gegensatz hierzu stehen die Worte: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben, meine Langmut, meine Liebe, mein Ausharren, meine Verfolgungen, meine Leiden“! (V. 10. 11.) Paulus war das Vorbild des Timotheus. Seine Lehre und sein Wandel deckten sich völlig. Sein Betragen erinnert uns an den bekannten Ausspruch der Sunammitin in Bezug auf den Propheten Elisa: »Siehe doch, ich merke, dass dieser ein heiliger Mann Gottes ist, der beständig bei uns durchzieht“ (2. Kön. 4, 9.) Wie wichtig ist es doch für jeden Christen, dass sein Betragen mit seinem Bekenntnis übereinstimme! Du hast meinen Vorsatz erkannt. Es muss im Herzen der feste Vorsatz sein, das Leben dem Herrn zu widmen. Ein jeder von uns sollte begehren, „mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren“.

Wenn der Apostel dann ausführlicher von seinen Verfolgungen redet, so fügt er hinzu: „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden verfolgt werden“ (V. 12). Der Treue muss darauf gefasst sein, dass er verachtet, gehasst, ja, selbst verfolgt wird. Sondert man sich von dem Bösen rundumher ab, so kommt die Verfolgung ganz von selbst. Es befremdet und ärgert die Menschen dieser Welt, wenn die Gläubigen nicht mitlausen zu demselben Treiben der Ausschweifung, und sie lästern sie deshalb (1. Petr. 4, 4; vergl. auch Phil. 1, 29). Beachten wir indes, dass es nicht heißt: alle Gläubige werden verfolgt werden, sondern: alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu. Solche werden selbst von ihren eigenen Hausgenossen verfolgt werden. Eine Frau in — — wurde, nachdem sie sich zum Herrn bekehrt hatte, von ihrem Manne dreizehn Jahre lang, bis zu ihrem Heimgang, schlimmer behandelt als eine Fremde; nie mehr sprach er ein Wort mit ihr, nur durch die Dienstboten erteilte er seine Aufträge. Ja, mehr noch: die gottselig leben wollen, haben nicht nur Verfolgungen von Seiten der Welt zu erwarten, sie werden auch erfahren, dass Gläubige sie nicht verstehen und sie verurteilen.

Weiterhin wird Timotheus aufgefordert, in dem zu bleiben, was er gelernt hatte und wovon er völlig überzeugt war, da er wusste, von wem er gelernt hatte. Zwei wichtige Gewährsleute gab es für Timotheus. Zunächst besaß er die apostolische Autorität, und dann kannte er von Kind auf die heiligen Schriften. Die Apostel haben wir nicht mehr, doch das Wort bleibt uns, und dieses Wort ist vollendet (Kol. 1, 25). Das Wort war dem Timotheus nicht erst aus dritter oder gar vierter Hand zugekommen, nein, er hatte es unmittelbar von dem Apostel selbst empfangen. So war das, was er empfangen hatte, „das Bild gesunder Worte“, „das schöne anvertraute Gut“. Paulus wusste, wem er geglaubt hatte, und Timotheus wusste, von wem er gelernt hatte.

„Alle Schrift ist von Gott eingegeben“ (V. 16). Johannes sagt: „Wer Gott kennt, hört uns, wer nicht aus Gott ist, hört uns nicht“ (1. Joh. 4, 6). „Heilige Männer Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geiste“ (2. Petr. 1, 21). So sind denn die Schriften die Mitteilungen der Gedanken Gottes, und weil sie das sind, sind sie auch „nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit“. Indem das Wort auf das Herz angewandt wird, wird der Mensch Gottes zu jedem guten Werke völlig geschickt. Im 2. Kapitel sahen wir, dass man durch die Absonderung von den Gefäßen zur Unehre zu jedem guten Werke bereitet wird.

Kapitel 4.

Die Eingangsworte des 4. Kapitels entsprechen dem Charakter des ganzen Briefes. Der Mensch Gottes wandelt im Lichte Gottes und in dem Bewusstsein, dass alles einmal offenbar werden wird. Vor dem Richterstuhl wird alles seine gerechte Beurteilung und Belohnung finden. „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christo Jesu, der da richten wird Lebendige und Tote, und bei Seiner Erscheinung und Seinem Reiche« Christus Jesus ist der Richter der Lebendigen und der Toten. Die Worte: „bei Seiner Erscheinung“ weisen auf die Tatsache hin, dass alles offenbar werden wird, die Worte: „bei Seinem Reiche« erinnern wohl mehr an die Austeilung des Lohnes. Die Mutter der Söhne des Zebedäus kam zu Jesu und wünschte, dass ihre Söhne, der eine zu Seiner Rechten und der andere zu Seiner Linken, in Seinem Reiche sitzen möchten (Matth. 20, 20. 21).

„Predige das Wort, halte darauf in gelegener und ungelegener Zeit (V. 2). Der Grund ist gelegt, die Schriften sind uns gegeben; wir besitzen das Wort, und das Wort sollen wir predigen. Paulus predigte „das Wort vom Kreuz“. „Der Säemann säet das Wort.“ Der Inhalt unserer Predigt muss das Wort sein, welches allezeit seine göttliche Kraft an den Herzen der Hörer erweisen wird. Anders ist die Predigt kraft- und wertlos. Wir können zwar nicht immer predigen, nur da, wo Gott Gelegenheit gibt, aber wir sollen auf das Wort halten in gelegener und ungelegener Zeit, d. h. auch dann, wenn dem Menschen die Zeit, um nach den Grundsätzen des Wortes zu handeln, sehr ungelegen erscheinen möchte. Wir leben ja in den Tagen, in welchen man gern Prediger und Predigten hört, nach denen es einem in den Ohren kitzelt. Auge und Ohr, Gefühl und Geschmack — alle wollen etwas mithaben; nur das Gewissen darf beileibe nicht berührt werden.

Wie wichtig werden da die Worte: „Du aber sei nüchtern in allem!“ Mag denn die Gesamtheit ihrer Verantwortlichkeit nicht entsprechen, der Einzelne bleibt dem Herrn verantwortlich und wird hier in besonderer Weise verantwortlich gemacht, als Mensch Gottes seinen Platz in der Welt einzunehmen. Immer wieder begegnen wir in unserem Brief diesem: „Du aber“. „Du nun, mein Kind, sei stark in der Gnade“ (Kap. 2, 1). „Du aber hast genau erkannt meine Lehre“ (Kap. 3, 10). „Du aber sei nüchtern in allem“ (Kap. 4, 5; vergl. 1.Tim. 6, 11). Es hat wohl nie eine Zeit gegeben, wo es so wie jetzt nötig war, nüchtern und besonnen zu sein. Immer neue Lehren und Meinungen tauchen auf; ob sie mit dem Worte sich decken und auf das Wort sich gründen, ist nebensächlich, wenn sie nur die Sinne reizen und dem Menschen schmeicheln.

„Tue das Werk eines Evangelisten.“ Der Dienst des Evangelisten besteht nicht nur in der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums; ein rechter Evangelist wird auch den einzelnen Seelen nachgehen und sich persönlich mit ihnen beschäftigen.

Im Blick auf sein nahes Abscheiden lässt der Apostel sein Kind Timotheus seine große Verantwortlichkeit fühlen. Schon wurde Paulus als Trankopfer über das Opfer gesprengt. Im alten Bunde wurde, um den Wert des Opfers zu erhöhen, eine Weinspende, ein sogenanntes Trankopfer, dargebracht. Nun, das ganze Leben des Apostels und sein Dienst, durch welchen so viele Seelen gerettet worden waren, war ein Opfer. War es des Herrn Wille, dass er in diesem seinem Dienst sein Leben für Ihn lassen sollte, so war es ihm recht; es war dann gleichsam ein Trankopfer, welches noch über das Opfer gesprengt wurde. (Vergl. die ähnliche Stelle in Phil. 2, 17.) Können wir heute auch kein Trankopfer in diesem Sinne bringen, so werden wir doch ermahnt, unsere Leiber als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer darzustellen. (Röm. 12, 1.) Unser ganzes Leben sollte eine Widmung für den Herrn sein. Die Thessalonicher gaben sich selbst dem Herrn und dem Apostel (2. Kor. 8, 5).

Paulus hatte den guten Kampf gekämpft und so seinen Lauf vollendet und den Glauben bewahrt. Das war« sicherlich in ganz besonderem Sinne bei ihm so; aber wenn ein Christ, auch im Blick auf sein Leben, in Frieden heimgehen kann, so kann er an seinem geringen Teil auch sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft“. Es ist aber auch möglich, und leider ist es oft so gewesen, dass ein Christ bei seinem Abscheiden auf ein verlorenes Leben zurückblicken muss. Eine Schwester sagte bei ihrem Heimgang zu einem Bruder, der sie oft ermahnt hatte: „Ich gehe in Frieden heim, der Herr hat mir alles vergeben. Aber mein Leben ist verloren. Sagen Sie das allen jungen Leuten, damit sie sich an mir ein warnendes Beispiel nehmen.“

Paulus hatte seinen Lauf durch diese Welt, das Reich Satans, beendet. Er war ein guter Christ gewesen, und deshalb auch ein guter Prediger und Apostel. Die Krone der Gerechtigkeit lag ihm nun bereit, doch, wie er hinzufügt, nicht allein ihm, sondern auch allen, die Seine Erscheinung lieb haben. Die Erscheinung des Herrn macht solche offenbar, und sie empfangen dann die Krone der Gerechtigkeit. Wer die Erscheinung des Herrn lieb hat, wünscht, dass heute schon sein ganzes Leben ins Licht komme. Er „wandelt im Licht“ und ist „Gott offenbar“ (2. Kor. 5, 11). Fragt aber jemand: „Wird mein ganzes Leben offenbar werden? wird es vor allen offenbar werden?“ so beweist er gewöhnlich damit, dass er die Erscheinung des Herrn nicht liebt.

Es gibt verschiedene Kronen oder Kränze. Hier ist es die Krone der Gerechtigkeit; wer sie empfängt, trägt sie aus Grund seines gerechten Lebens. Petrus spricht von der unverwelklichen Krone der Herrlichkeit, die der Erzhirte denen geben wird, welche die Herde hüten und sich als Vorbilder der Herde erweisen (1.Petr. 5, 4). In 1. Thess. 2, 19 nennt der Apostel die gläubigen Thessalonicher seine Krone des Ruhmes. In Jak. 1, 12 und Offbg. 2, 10 lesen wir von der Krone des Lebens, welche den Überwindern verheißen ist. Jetzt tragen wir den Stempel der Vergänglichkeit an unserem sterblichen Leibe. Wenn aber der Herr unseren Leib der Niedrigkeit umgestaltet haben wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit: (Phil. 3, 21), dann wird alles Sterbliche und Verderbliche aus diesem Leibe verschwunden sein, und nur Leben wird an uns geschaut werden. Der Herr trägt alle Kronen, „auf Seinem Haupte sind viele Diademe“ (Offbg. 19, 12), und soweit wir Ihm treu nachfolgen, werden wir sie mit Ihm tragen.

Demas hatte den jetzigen Zeit1aus liebgewonnen. Eine traurige Erscheinung, wenn jemand, der bekannt hat, dass der Herr um den Preis Seines eigenen Lebens ihn aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf herausgenommen, diesen wieder liebgewinnt! Wenn der Apostel im 16. Verse sagt, dass alle ihn verlassen hätten (vergl. auch Kap. 1, 15), so will er damit wohl nicht gerade ausdrücken, dass alle das Christentum verleugnet hätten; aber der Weg, den Paulus ging, wurde ihnen zu schmal, sie wollten nicht länger die ganze Schmach mit dem Apostel tragen. In dieser Zeit rechnete Paulus besonders auf die Zuneigungen seines geliebten Timotheus. Auch erkannte er dankbar die Gnade an, welche Markus, der einst unnütz im Dienste gewesen war, wiederhergestellt und von neuem zum Dienst befähigt hatte.

Der Herr, der dem Apostel beigestanden, hatte ihn „aus dem Rachen des Löwen“ gerettet. Er denkt dabei wohl an Nero, den damaligen gottlosen Kaiser von Rom, der die Christen tatsächlich wie ein unvernünftiges, blutgieriges Raubtier verfolgte. Eine schwerere Zeit ist von den Christen wohl nie erlebt worden. Sie wurden scharenweise den wilden Tieren vorgeworfen, oder, in Werg gehüllt und mit Pech und Schwefel bestrichen, als lebendige Fackeln, zur Belustigung dieses Unmenschen, in seinem Garten aufgestellt.

Der Apostel erlebte am Ende seines Weges das, was der Herr, dem er diente, vor ihm erfahren hatte. Sein Weg wurde immer einsamer. Aber wie der Herr gesagt hatte: „Ihr werdet mich allein lassen, aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir«, so konnte auch er sagen: „Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich“ (V. 17). Bemerkenswert ist auch, dass der Herr in Ps. 22, 21 bitter: „Rette mich aus dem Rachen des Löwen“. Zum Schluss gibt der Apostel seinem Vertrauen Ausdruck, dass der Herr ihn auch fernerhin retten werde von jedem bösen Werk, d. h. von all den bösen und« listigen Anschlägen, welche der Feind noch ersinnen möchte, und ihn bewahren werde für Sein himmlisches Reich. Diesem Herrn aber, der auch uns bewahren will,. sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

@@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 113ff

Während der Tage des Suchens, in denen der Geist jener Prophetensöhne allmählich überführt wird, hält sich Elisa in Jericho , der Stätte des Fluches, auf; doch ist er zum Segen für die Männer der Stadt, denn er hat nicht die Propheten allein im Auge. Während das Herz dieser letzteren zubereitet wird, gibt es Raum für die Segnung in einem viel ausgedehnteren Maße. Das Volk wendet sich an Elisa. Das auf der Stätte des Gerichts und entgegen den Gedanken Gottes wiederaufgebaute Jericho war, was seine Lage betraf, gut; denn beim Einzug des Volkes in Kanaan war diese Stadt des Feindes zum Ort der göttlichen Macht und des Sieges geworden. Schlecht war das, was die Menschen daraus gemacht hatten: eine Stadt, die den Gedanken Gottes zuwider war, eine unmittelbare Beleidigung Seines Willens. Auch war infolge des Ungehorsams Hiels (vergl. 1. Kön. 16, 34) die die Stadt ernährende Quelle verdorben, man musste dort sterben. Überdies war das Land unfruchtbar; keine Frucht kam daraus hervor.

Um an einer solchen Stelle eine Lebensquelle hervorbrechen lassen zu können, war "Salz in einer neuen Schale" nötig, d. h. wahre Absonderung für Gott, enthalten in einer neuen Natur. Diese allein konnte die Folgen des durch die Sünde und den Ungehorsam des Volkes herbeigeführten Verderbens heilen, denn die Schrift redet erst nach dem Ungehorsam Hiels von diesen verdorbenen Wassern. Der prophetische Überrest allein (das Salz in der neuen Schale) wird diesen Dienst erfüllen können' denn, gleich den Zwölfen, die den Herrn umgaben, wird auch er am Ende der Zeiten diesen wahren Charakter der Kinder des Reiches tragen.

Das sind also die beiden ersten Früchte der Rückkehr eines zwiefachen Teils des prophetischen Geistes ‑ die aus dem Volke, welche Propheten waren, werden Zeugen der Tatsache, dass der Messias nicht mehr in dieser Welt weilt, sondern in den Himmel erhöht worden ist; und das Volk wendet sich an den Stellvertreter Christi hienieden und erlangt die Segnung wieder durch einen wahren Geist der Heiligkeit, der den neuen Menschen kennzeichnet (siehe den Charakter des Überrestes am Ende in den Psalmen), und der da ausgegossen ist, wo vorher eine Quelle des Todes und der Unfruchtbarkeit war.

Das Wort wird auch bei diesem Werke seinen Platz haben, denn die Segnung wird durch das prophetische Wort hervorgerufen: "nach dem Worte, das Elisa geredet hatte". Elisa sagt, und welch eine Gnade war das für die unter den Folgen des göttlichen Fluches niedergebeugten Männer: "So spricht Jehova: Ich habe dieses Wasser gesund gemacht; es wird weder Tod noch Unfruchtbarkeit mehr daraus entstehen". Das ist das endgültige Ergebnis des Zeugnisses des Heiligen Geistes in Israel am Ende der Zeiten. Die geistliche Segnung wird an die Stelle des ganzen Elends treten, unter dessen Gewicht ein Teil dieses armen Volkes niedergebeugt war. Das ist die große und wichtige Tatsache, die durch das Verweilen Elisas in Jericho vorbildlich dargestellt wird.

Doch noch eine andere Tatsache darf nicht mit Stillschweigen Übergangen werden. Elisa geht hinauf nach Bethel. Kleine Knaben, welche das unverständige, spottende und ungläubige Volk darstellen, kommen in dem Augenblick aus Bethel heraus, als der Prophet im Begriff steht, Gott in Seinem Hause, an dem Ort Seiner unveränderlichen Verheißungen, zu begegnen. Was für eine Verirrung! Kinder, die zum Lobe geschaffen sind, verhöhnen den Mann Gottes; ein Lebensalter, welches nach Gottes Gedanken durch Vertrauen und Achtung gegen den, der über ihm steht, gekennzeichnet wird, beschimpft den Propheten! Anstatt den Gott der Verheißungen anzuerkennen, machen sie sich über Seinen Diener lustig und verachten ihn. „Komm herauf, Kahlkopf!" rufen sie ihm zu, weil er die Zeichen der Abnahme der Kraft und des Alters (wie der Überrest in den Psalmen) und der Schmach an sich trägt. Und doch erklärt das Gesetz einen solchen Mann nicht für verunreinigt (3. Mose 13, 40. 41). Die, von welchen Gott Glaubenseinfalt hätte erwarten müssen, verwerfen den Vertreter und Zeugen des Messias, der sich mit dem schwachen und niedergebeugten Überrest eins macht, und machen sich über sein Aussehen lustig. Es scheint auch, dass sie seinen Herrn Elias verhöhnen. "Komm herauf (oder steige hinauf ), Kahlkopf!“ sagen sie. Sie glauben nicht an die Aufnahme des Elia. Etwas so Törichtes ist nicht einmal gut für Kinder! Ist die Welt heutzutage nicht dieselbe? Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft? sagt sie. Diese Schmähungen sind um so hassenswürdiger, da sie sich gegen den Geist Christi richten, der in Gnade zurückkehrt, nicht in Gericht, wie Elia gekommen war. Elisa wendet sich um, denn vor sich hat er die Verheißungen und nicht das Gericht, "und er flucht ihnen im Namen Jehovas". Sie werden die Beute einer unerbittlichen, grausamen Macht, welche sie ergreift und zerreißt.

„Und er ging von dannen nach dem Gebirge Karmel; und von dort kehrte er nach Samaria zurück". Das abtrünnige Volk hat Bethel nicht gewollt, aber der prophetische Überrest zieht sich, nachdem er die Christo gegebenen Verheißungen wiedererlangt hat, nach dem Karmel zurück. Er gelangt zu einem "Fruchtgefilde", um sich da des Friedens und der Gemeinschaft mit seinem Gott zu erfreuen. Dort hinauf war Elia nach dem Gericht über die Baalspriester gegangen, dort hinauf geht auch Elisa nach der Verfluchung der Spötter. Der Karmel war für Elia der Ort der Fürbitte; von dort war ein erquickender Regen von Segnungen über Israel gekommen. "Der Geist", sagt Jesaja, "wird über uns ausgegossen aus der Höhe, und die Wüste wird zum Fruchtgefilde (zu einem Karmel) ... und die Gerechtigkeit wird auf dem Fruchtgefilde wohnen; und das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit ewiglich. Und mein Volk wird wohnen an einer Wohnstätte des Friedens und in sicheren Wohnungen und an stillen Ruhestätten" (Jesaja 32, 15‑18). Wir sind somit an dem Ende des bildlichen Laufs der Ereignisse, an der Segnung des Tausendjährigen Reiches, angelangt.

Die Rückkehr Elisas nach Samaria führt den Propheten gewissermaßen in die Mitte der geschichtlichen Ereignisse zurück.

Fassen wir am Schluß dieses wichtigen Kapitels die nunmehr beendigte Laufbahn des Elia und die des Elisa in dem vorliegenden Abschnitt noch einmal kurz zusammen.

Elia, der große Prophet des Gesetzes, hat am Horeb Gott von der Übertretung dieses Gesetzes Meldung gemacht. Er richtet die Baalspriester, dann Ahab und Isebel, und schließlich Ahasja und seine Trabanten durch das Feuer vom Himmel; außerdem bezeichnet er Hasael und Jehu als Ausführer des Gerichts. Er ist hierin nur insoweit ein Vorbild von Christo, als Christus das Gericht ausführen wird, aber erst nach dem die Zeit der Gnade vorübergegangen ist. Dagegen ist er das Bild des Vorläufers des Herrn, Johannes des Täufers, des größten der Propheten des Alten Bundes (Mal. 4, 5; Matth. 11, 14; 17, 10‑12; Luk. 1, 17).

Elia, der verworfene Prophet, wendet sich zu den Nationen (Witwe von Sarepta), weckt ihre Toten auf und sendet den Regen der Segnungen über Israel. Er stellt in dieser Eigenschaft den durch den Herrn eingeführten Dienst der Gnade dar. Elia legt, indem er selbst das wahre Israel darstellt, den Weg Israels aufs neue zurück, erwirbt die Verheißungen, nimmt in Gnade den Platz ein, den das Volk durch seine Untreue sich zugezogen hat (Jericho), durchschreitet siegreich den Fluss des Todes und wird zum Himmel erhöht. Das ist der Weg Christi, des Dieners und Propheten in Israel.

Elisa, zunächst ein Bild des Überrestes, der Diener des Propheten (Christus, so wie Er auf der Erde gewandelt hat), folgt ihm bis zum Ende, in seinem ganzen Wandel in Heiligkeit, und sieht ihn dann gen Himmel fahren.

Elisa, der prophetische Geist Christi bei dem Überrest, empfängt das zwiefache Teil des Geistes des gen Himmel Gefahrenen, verfolgt noch einmal den Weg Christi, mit Ausnahme von Gilgal, weil die Beschneidung des Christus im Jordan (im Tode) stattgefunden hat. Sein Weg ist vor allem ein Weg der Gnade und der Wiederherstellung für die Bewohner der verfluchten Stadt; die einzige Ausnahme bildet das Gericht über die Spötter am Ende, welche einen Teil des abtrünnigen Volkes ausmachen. Die Söhne der Propheten sind der prophetische Überrest, d. i. der gesunde, obwohl unwissende Bestandteil des Volkes, bevor Elisa mit dem zwiefachen Teil des Geistes des Elia zu ihnen zurückkommt. Schließlich wohnt Elisa in Frieden auf dem Fruchtgefilde der tausendjährigen Segnungen.

@@@@@

Gedanke

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 118ff

Sieben Brote und einige kleine Fische (Markus 8, 1 -9) waren anscheinend sehr wenig für viertausend Menschen, und sie hätten auch wahrlich nicht genügt, wenn Jesus nicht gegenwärtig gewesen wäre. Aber seine Gegenwart war mehr als sieben Wagen – oder Schiffsladungen Brot und Fische. Je kleiner und schwächer wir sind, desto herrlicher kann sich Seine Fülle und Allgenugsamkeit entfalten.

@@@@@@@

Der Grund und der Zweck der Trübsale

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 119ff

„Wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung« (Röm. 5, 3. 4.)

„Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen fallet, da ihr wisset, dass die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt“ (Jak. 1, 2. 3.)

Diese beiden Schriftstellen sind für manche Gläubige, besonders für solche, die noch wenig durch Trübsale geübt find, schwer zu verstehen. Und das ist begreiflich, denn nach den Worten des Schreibers des Hebräerbriefes scheint „alle Züchtigung für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude zu sein, sondern der Traurigkeit“ (Kap. 12, 10), und Petrus sagt: „die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen“ (1. Petr. 1, 6). Wie kann ich mich nun über etwas freuen, das geeignet ist, mich traurig zu machen, das mir Schwierigkeiten und körperliche oder, was noch schwerer ist, seelische Leiden bereitet? Wie kann ich mich dessen gar rühmen? Das scheint ungereimt zu sein, und doch spricht Gottes Wort so. Es muss also der Mühe wert sein zu untersuchen, wie es möglich ist, sich der Trübsale zu rühmen und es für Freude, ja, für lauter Freude zu achten, wenn man in mancherlei Versuchungen *) fällt. Da ist es denn zunächst nötig, nach dem Grund und Zweck der Trübsale zu fragen. Erst wenn wir diese kennen, werden bei uns Ausharren und Erfahrung die Folge der Trübsal sein, erst dann wird „die friedsame Frucht der Gerechtigkeit“ bei uns bewirkt werden. Die Menschen dieser Welt suchen auch, wenn Leiden und Trübsale über sie kommen, nach einem Grunde und finden ihn meist in ihren persönlichen Umständen, in den Zeitverhältnissen, in der Ungeschicklichkeit oder Bosheit anderer Menschen, in der Witterung, in, körperlicher Veranlagung und vielen, vielen anderen Dingen; zuweilen erkennen sie auch in Fehlern, die sie selbst gemacht haben, die Ursache. Der Gläubige dagegen weiß, dass für ihn alles von Gott kommt. Gott benutzt zwar auch Umstände, Zeitverhältnisse, böse Menschen usw. und lässt Sein Kind darunter mitleiden, ja, Er benutzt selbst die Fehler, die dieses gemacht und die Er zugelassen hat; aber diese Dinge selbst sind nie der Grund der Trübsale. Gott steht hinter und über allem; von Ihm geht alles aus, was uns trifft, und darum gibt es für ein Kind Gottes einen anderen Grund, und Gott selbst teilt ihn uns mit. Wir lesen in Hebr. 12, 5. 6: „Ihr habt der Ermahnung vergessen, die zu euch als zu Söhnen spricht: Mein Sohn! achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von Ihm gestraft wirst; denn wen der Herr liebt, den züchtigt Er; Er geißelt aber jeden Sohn, den Er aufnimmt“.

Da haben wir also den Grund der Trübsale. Das innige Verhältnis, in welches wir in Christo zu Gott gebracht sind, die Tatsache, dass Er unser Vater ist und wir Seine Kinder sind, und dass Er uns innig liebt — das ist der Grund; ein überaus kostbarer Grund, Gott sei dafür gepriesen! O möchten doch alle Kinder Gottes, wenn sie in Leiden sind, es in ihrem Herzen glaubend festhalten, dass die Trübsal nicht aus Zorn, sondern aus der Liebe Gottes zu ihnen hervorgeht! Gott liebt uns. Er kann nicht anders als uns lieben. Er hat ja Seinen eingeborenen Sohn für uns gegeben, hat uns aus „Gefäßen des Zorns“ zu „Gefäßen der Begnadigung« gemacht. Er hat „uns errettet aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes Seiner Liebe«. Er sieht uns in Christo, Seinem Geliebten, vor sich. Der Feind möchte dieses Bewusstsein dem Herzen rauben, und wie oft gelingt es ihm!

Also, Gott zürnt nicht Seinen geliebten Kindern, selbst wenn Er über ihr Verhalten betrübt sein muss und gezwungen ist, sie zu züchtigen, sondern Er erzieht sie. Er handelt mit uns als mit Söhnen. Ein irdischer Vater erzieht seine Kinder, eben weil es seine Kinder sind, an denen er mit zärtlicher Liebe hängt. Fremde Kinder stehen ihm fern, aber bei denen, die so innig mit ihm verbunden sind, kann er nichts dulden, was ihn und sein Haus verunehrt. Zudem hat er ihr Wohl im Auge und handelt mit ihnen in einer Weise, die zu ihrem Besten gereicht, wenngleich sie das oft nicht immer einsehen mögen. So macht Gott es auch mit Seinen. Kindern, und während ein irdischer Vater bei den besten Absichten fehlen kann, handelt Er in vollkommener Weisheit. Darum findet man bei den Kindern Gottes oft viel mehr Trübsale als bei den Kindern dieser Welt. (Siehe Ps. 73, 8 —14). Dennoch betrübt Gott uns nur, „wenn es nötig ist“, um uns auf diesem Wege zu läutern und reicher Segnungen teilhaftig zu machen.

Die Ursachen oder Anlässe, weshalb Gott diese oder jene Züchtigung über uns kommen lässt, sind

mannigfacher Art, und es wird gut sein, auch sie ein wenig zu untersuchen. Sie sind nicht ein Gegenstand der Freude, da sie meist in dem unvollkommenen Zustand und Wandel des Gläubigen begründet liegen. Gottes Vaterauge ruht auf einem jeden von uns, und Er sieht in die Tiefen und Winkel unserer Herzen; „alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen Dessen, mit dem wir es zu tun haben“. Wenn nun bei uns etwas ist, vielleicht uns selbst unbewusst, was unserem Glück und der Gemeinschaft mit Gott hindernd im Wege steht, so ist Er bemüht, uns die Augen darüber zu öffnen und das Hindernis hinweg zu räumen. Dazu bedarf es allerdings oft einer langen und eingehenden Behandlung. Wie viel Mühe hatte Gott z. B. mit Hiob, um die bei ihm so tiefsitzende eigene Gerechtigkeit an den Tag zu bringen! Wäre er in Glück und Wohlstand geblieben, so würde sie sich nicht gezeigt haben. Die schweren, lang andauernden Leiden offenbarten erst, was in seinem Innern verborgen war. Und dann beschäftigte sich Gott selbst mit ihm und stellte ihn in Sein Licht, so dass derselbe Mann, der im Anfang gesagt hatte: „Ich bin rein, ohne Übertretung; ich bin makellos, und keine Ungerechtigkeit ist an mir“ (Kap. 33, 9), in tiefster Zerknirschung ausrief: „Ich verabscheue mich und bereue in Staub und Asche“.

So kann es auch bei uns, tief im innersten Herzen verborgen, allerlei Dinge geben, mit denen wir noch nicht ins Licht Gottes gekommen sind; und siehe da, ehe wir es ahnen, treten sie in unserer Gesinnung und in unserem Wandel zu Tage. Deshalb greift Gott ein, und je unterwürfiger wir dann sind, desto mehr Gewinn und Segen für Zeit und Ewigkeit werden wir aus den Unterweisungen des Herrn ziehen.

Oder Gott sieht eine Gefahr voraus. Da wird z. B. ein Gläubiger von Ihm im Dienst benutzt und gesegnet, und er meint nun, sich darauf etwas zu gute tun zu dürfen. Da macht es denn der Herr, wie einst bei Seinen Jüngern, als sie von ihrer Missionsreife zurückkamen und Ihm alles erzählten, was sie getan hatten: „Er nahm sie mit und zog sich besonders zurück nach einem öden Orte“. (Luk. 9, 10.) Er führt einen solchen Gläubigen eine Zeitlang beiseite ins Krankenzimmer und redet dort in der Stille mit ihm. Da lernt dieser denn, dass er selbst nichts ist und nichts vermag, und dass es nur ein Vorrecht ist, wenn Gott ihn ein wenig in Seinem Dienst benutzen will.

Eine andere gefährliche Schlinge ist, sich in den äußeren Segnungen Gottes zu freuen und seine Ruhe darin zu finden. Jesus ist dann nicht mehr die Freude und der Schatz des Herzens. In einem derartigen Falle benutzt Gott die Trübsal, um Seinem Kinde die Vergänglichkeit alles Irdischen zu zeigen und sein Herz davon loszumachen. Er nimmt ihm etwas, vielleicht vieles, von den äußeren Segnungen, Er zerbricht Stützen, die der Gläubige für ganz zuverlässig hielt, zerstört seine liebsten Hoffnungen und Pläne, und das alles, um ihn daran zu erinnern, dass alles Irdische eitel ist, und dass wahre Ruhe und Freude nur in Jesu zu finden sind.

Wieder andere sind träge und gleichgültig geworden und stehen in Gefahr, sich der Welt wieder zuzuwenden; sie trachten nach Genuss und Vergnügen, Ehre und Ansehen, Hab und Gut. Solche muss Gott dann ernstlich ausrütteln, und sie dürfen sich nicht wundern, wenn Er ihnen durch schmerzliche Wege zeigt, dass alles das, wonach sie trachten, sie nur von Ihm entfernt und unglücklich macht. Sie müssen durch die Trübsal zu ernstem Selbstgericht und zur Verurteilung ihrer bösen Neigungen gebracht werden. Denn „dem Hause Gottes geziemt Heiligkeit“. Wenn sich nun unter uns so viel leibliches Elend findet und so viele Kinder Gottes unter Schwierigkeiten und schmerzlichen Umständen aller Art seufzen, sollten wir uns da nicht ernstlich fragen, worauf der Herr uns aufmerksam machen will? Ist nicht die Ursache vielfach diese, dass es in den Häusern der Gläubigen, im Familien- und Geschäftsleben manches gibt, was mit Seinem heiligen Namen nicht in Übereinstimmung ist?

Eine weitere Ursache mannigfacher Trübsale ist der ungebrochene, ungezügelte Wille mit den daraus hervorgehenden eigenen Wegen. O wie viel Mühe hat Gott mit Seinen törichten Kindern, um ihren eigenen Willen zu brechen und sie zu wahrer Unterwürfigkeit unter Ihn und Sein Wort zu bringen! Wie oft musste Jakob die Folgen seiner eigenen Wege und seines Mangels an Vertrauen auf Gott schmerzlich fühlen! Moses musste eine vierzigjährige Schule durchmachen, damit er, der einst in seiner Erregung den Ägypter erschlagen hatte, der sanftmütigste Mann auf der ganzen Erde würde. (4. Mose 12, 3.) Und dem Volke Israel ließ Gott am Ende seiner ebenfalls vierzigjährigen Wüstenreise sagen: „Du sollst gedenken des ganzen Weges, den Jehova, dein Gott, dich hat wandern lassen diese vierzig Jahre in der Wüste, um dich zu demütigen“. So ist auch bei manchen Gläubigen unserer Tage der eigene Wille die Ursache der Leiden und Trübsale. Sie gehen immer wieder eigene Wege, obwohl man meinen sollte, sie hätten nun oft genug die bitteren Folgen derselben erfahren. Sie sind wie ein Ross, das keinen Verstand hat und mit Zaum und Zügel auf dem rechten Wege gehalten werden muss. Wie viel glücklicher und gesegneter ist der Weg eines Gläubigen, dessen Wille gebrochen ist und der das Wort beachtet: „Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten“! (Ps. 32, 8.) Und dahin will Gott uns durch die Trübsal bringen.

Es kann auch sein, das; die Ursache der Trübsal in einer groben Verunehrung des Herrn oder in einem Leben in der Sünde liegt, und dann wird die Trübsal zur Strafe; ja, Gott straft sogar mit dem Tode, um die Seele zu retten. Ananias und Sapphira sind ein ernstes Beispiel hierfür. Auch in der Versammlung zu Korinth waren ,,viele schwach und krank, und ein gut Teil entschlafen« infolge des höchst traurigen Verhaltens beim Abendmahl. Vergl. auch 1. Kor. 5, 5; Jak. 5, 15; 1. Joh. 5, 16. Haben sich nicht auch unter uns vielfach solch traurige Dinge gezeigt? Ist nicht viel ungerichtetes Böses oft jahrelang mit dem Tische des Herrn in Verbindung gebracht worden? Und sollte Gott das ungestraft lassen können?

So kann die Trübsal mancherlei Ursachen haben, die uns zu ernstem Selbstgericht bringen sollten, aber der Grund, ich meine das, woraus sie hervorgeht, ist und bleibt stets unsere innige Beziehung zu Gott und Seine Liebe zu uns. Und wenn ein Gläubiger in der Trübsal fragt: Warum muss ich diesen schweren Weg gehen? so ist Gottes Antwort: Weil du mein Kind bist, und weil ich dich liebe. Eine andere Antwort gibt Gott uns selten. „Im Meere ist Sein Weg und Seine Pfade in großen Wassern, und Seine Fußstapfen sind nicht bekannt“ (Vergl. Ps. 77, 19). Warum uns dieses oder jenes Leid trifft, wird uns hienieden höchst selten kundgetan. „Gott gibt über all Sein Tun keine Antwort“ (Hiob 33, 13). Dem Glauben genügt auch die obige Antwort, und in den mannigfachen Prüfungen und Leiden dieser Zeit gibt es nichts Tröstlicheres, nichts Beruhigenderes, als das Bewusstsein: Die Hand meines liebenden Vaters ist es, die das alles über mich kommen lässt. Und wenn wir einmal droben im Lichte Gottes erkennen werden, wie wir erkannt sind, dann werden wir auch sehen, warum alles gerade so sein musste, und wir werden Gott preisen für alle Seine Wege mit uns, und sicherlich nicht am wenigsten für die Leidenswege.

So viel über den Grund der Trübsal. Fragen wir jetzt nach dem Zweck derselben, nach den Absichten, die Gott hat, wenn Er uns durch Leiden gehen lässt, so öffnet sich vor uns ein so weites Feld, dass es kaum möglich ist, die Frage erschöpfend zu behandeln. Denn wenngleich Gott uns keineswegs über diese Frage im Unklaren gelassen hat, ist die Beantwortung derselben doch so mannigfaltig und verschiedenartig, wie die Zustände der Kinder Gottes es sind. Freilich hat Gott uns auch hier eine Antwort gegeben, welche alle anderen eigentlich in sich schließt. Wir lesen in dem vorher erwähnten Kapitel, Hebr. 12, 10: „Er züchtigt uns zum Nutzen, damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden“.

So lange wir in der Welt sind, umringen uns auf Schritt und Tritt Versuchungen aller Art; dabei wohnt die Sünde noch in uns. Die Gefahr ist deshalb groß, die Heiligkeit Gottes aus dem Auge zu verlieren, uns zu verunreinigen und so des Glückes Seiner Gemeinschaft verlustig zu gehen. Wohl sind wir, weil Christus für uns gestorben und wir mit Ihm gestorben sind, von der Herrschaft der Sünde befreit; aber wir alle werden die Erfahrung gemacht haben, dass das Fleisch, die alte Natur, jeden Anlass benutzt, um sich wieder Geltung zu verschaffen, und wenn wir nicht wachsam sind, gelingt ihm dies auch. Hier nun ist es, wo Gott uns zu Hilfe kommt, indem Er durch die Trübsale dem Fleische in uns entgegenwirkt und den eigenen Willen im Zaume hält. Er ist bemüht, uns dadurch vor dem Bösen zu bewahren. Und haben wir gefehlt, so muss die Trübsal dazu dienen, uns zum Erkennen und Bekennen unserer Sünde zu bringen, damit wir gereinigt und Seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Wer könnte wohl beschreiben, was für ein Segen das ist! Denn nur so können wir das Glück Seiner Gemeinschaft genießen. Und was ist wohl kostbarer als das! So werden denn die Trübsale für uns ein Gegenstand des Rühmens, indem sie ein Beweis der Liebe Gottes zu uns sind.

Weiter heißt es von der Züchtigung: „Hernach gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit«. Da haben wir eine zweite kostbare Frucht der Trübsal. Allerdings fügt das Wort hinzu: „denen, die durch sie geübt sind. Daraus geht hervor, dass die Trübsal nicht bei jedem Gläubigen diese Frucht bewirkt. Warum nicht? Weil nicht alle die Ermahnung beachten, die an die gläubigen Hebräer gerichtet wurde: „Mein Sohn! achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von Ihm gestraft wirst!“ Hier gibt es also zwei Gefahren: einerseits kann ich die Züchtigung gering achten, d. h. sie nicht als aus Gottes Hand kommend betrachten, sondern sie irgendwelchen Umständen zuschreiben, und andererseits kann ich sie für zu schwer halten und unter ihr zusammensinken, indem ich mein Vertrauen auf Gottes Liebe verliere. In beiden Fällen wird die Züchtigung ihren Zweck nicht erreichen; ich werde nicht durch sie geübt werden, und sie wird mir daher auch nicht »die friedsame Frucht der Gerechtigkeit« geben. Hat aber die Trübsal ihren Zweck erreicht, ist durch die Zucht des Vaters mein Wille gebrochen, so unterwerfe ich mich willig dem Willen Gottes, kein Widerstreit ist mehr da zwischen mir und Gott. Ich ruhe in Frieden in dem Willen, in welchem ich die Liebe des Vaters zu mir erkenne, und indem zu gleicher Zeit die Absicht Gottes, mich Seiner Heiligkeit teilhaftig zu machen, erreicht wird, gibt mir die Trübsal die friedsame Frucht der Gerechtigkeit zur Verherrlichung Gottes und zu meinem Segen.

Mit einer anderen Absicht Gottes bei der Trübsal macht uns der Herr Jesus in Joh. 15 bekannt. Er redet da von den Reben an Ihm, dem wahren Weinstock, und sagt uns, dass der Vater, der Weingärtner, die Reben, welche keine Frucht bringen, wegnehme, sich aber mit den fruchtbringenden Reben beschäftige: „Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt Er weg, und jede, die Frucht bringt, die reinigt Er, auf dass sie mehr Frucht bringe“. Die Reinigung, von welcher hier die Rede ist, besteht nicht in der Wirksamkeit des Geistes Gottes durch das Wort in unseren Seelen; das geht deutlich aus dem hervor, was der Herr gleich folgen lässt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe«. Allerdings wird die Reinigung durch das Wort, welche bei den Jüngern schon geschehen war und auch bei uns geschehen ist, durch den Geist in uns fortgesetzt, so lange wir hienieden pilgern; aber es gibt noch eine andere praktische Reinigung, die mit dem Fruchtbringen in Verbindung steht, und um. diese handelt es sich hier. Gott sucht Frucht an den Seinigen, wie der Herr sagt: „Hierin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringet“· Zu diesem Zweck beschäftigt sich der Vater mit uns, und sucht uns von alledem zu reinigen, was unserem Fruchtbringen im Wege stehen könnte; und das Mittel dazu sind wiederum die Trübsale. Wenn der Weingärtner den Weinstock nicht von allem Schädlichen reinigt und ihn beschneidet, so werden sich zwar schöne Ranken bilden, die reichen Blätterschmuck tragen, aber Frucht wird man wenig finden. Der Weingärtner weiß, was er wegschneiden muss, um die kostbare Frucht zu erzielen, und wie viel besser noch weiß der himmlische Weingärtner, was Er mit den Reben am Weinstock tun muss. Er schneidet oft tief ein, so dass wir es schmerzlich fühlen, ja, zuweilen meinen, Er mache es zu arg; aber Er sägt uns keinen Schmerz zu, der nicht nötig ist. Er ist stets eingedenk, das; wir Staub sind, und reicht uns Trost und Kraft dar, indem Er uns gerade in den Leiden Seine Liebe in besonderem Maße genießen lässt. Und wie wird einst vor dem Richterstuhl Christi Gott verherrlicht werden, wenn die kostbare Frucht sich ganz zeigen wird, welche Seine Kinder infolge Seiner reinigenden Tätigkeit gebracht haben!

Weiter lesen wir in 1. Petr. 1, 6 u. 7: „Die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, betrübt seid durch mancherlei Versuchungen, auf dass die Bewährung eures Glaubens, viel köstlicher als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi“. Unser Glaube muss durch das Feuer der Trübsal erprobt werden; alles was nicht echter, wahrer Glaube ist, wird darin nicht standhalten. Aber wie beim Schmelzen des Goldes alles Unedle ausgeschieden wird, während das edle Metall zurückbleibt und sich als echtes Gold erweist, so auch unser Glaube. In der Offenbarung Jesu Christi, am Tage Seiner Erscheinung, wenn wir mit Ihm geoffenbart werden, wird der Glaube der Kinder Gottes bewährt dastehen zu Lob und Ehre und Herrlichkeit Dessen, der diesen kostbaren Glauben bewirkt und in den schwierigsten Umständen gestärkt und ausrecht gehalten hat. Die Trübsale waren der Tiegel, in welchem dieser Glaube geläutert wurde und sich als echt erwiesen hat.

Eine sehr schöne Frucht der Trübsale finden wir· auch in 2. Kor. 1, 3 —7. Der Apostel war in großen Drangsalen gewesen, äußerlich durch Verfolgungen und innerlich durch ernste Besorgnisse wegen des Zustandes der Gläubigen in Korinth (2. Kor. 7, 5). Doch er: hatte auch die Tröstungen Gottes so reichlich erfahren, dass er sagen konnte: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der Vater der Erbarmungen und Gott alles Trostes, der uns tröstet in all unserer Drangsal“. Welch herrliche Erfahrung! In Zeiten des Wohlergehens und der Ruhe mögen wir Gott als den Geber aller Gaben kennen und Ihm für Seine Wohltaten danken, aber nur in Trübsalen lernen wir Ihn als den „Vater der Erbarmungen und Gott alles Trostes“ kennen. Er kommt dann unseren Herzen näher, und wir erfahren Seine Liebe und Gnade weit mehr, als wenn die Sonne äußeren Wohlergehens uns lächelt. Zugleich werden wir für andere zum Segen und können, wie der Apostel sagt, »die trösten, die in allerlei Drangsal sind, durch den Trost, mit welchem wir selbst von Gott getröstet werden“. Wurde er bedrängt, so geschah es „um ihres Trostes und Heiles willen“. Wer selbst in Leiden gewesen ist, vermag am besten mit dem zu fühlen, der sich darin befindet, und wenn er selbst den Trost Gottes erfahren hat, so hat er auch das rechte Wort, um zum Herzen des anderen zu reden und ihn zu ermuntern. Wie viel Segen strömt also aus den Trübsalen hervor, Segen für das eigene Herz, Segen für andere!

Auch lernen wir darin den Herrn Jesum als unseren großen, barmherzigen Hohenpriester kennen, der „in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde“ (Hebr. 4, 14 — 16). Wer hat je gelitten wie Er, als Er durch diese Welt der Sünde schritt, verhöhnt und verspottet von Seinen Geschöpfen, „ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut«! Wie muss Sein reines, tief mitfühlendes Herz gelitten haben beim Anblick der vielen Krankheiten und des Todes, der schrecklichen Folgen der Sünde! Er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesajas geredet ist, welcher spricht: „Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten“ (Matth. 8, 17). Durch Sein vollkommenes Mitgefühl nahm Er die Krankheiten auf sich und fühlte sie mehr als die Kranken selbst, wie eine liebende Mutter beim Anblick der Leiden ihres Kindes oft mehr leidet als das Kind. Wie viel hat Er ferner von Seiten der Menschen gelitten, die Ihn geißelten, anspien und ans Kreuz nagelten! „Ich bot meinen Rücken den Schlagenden und meine Wangen den Raufenden, mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel“, sagt Er in Jes. 50, 6. Wie viel hat Er selbst von den Seinigen gelitten, die Ihn nicht verstanden und schließlich Ihn verließen und verleugneten! Nicht einmal eine Stunde vermochten sie mit Ihm zu wachen, als Er in ringendem Kampfe war. „Ich habe auf Mitleiden gewartet, und da war keines, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden“, so hören wir Ihn im 69. Psalm klagen. Ja, es gibt nichts, worin einer der Seinigen leiden könnte, was Er nicht in weit schwererem Maße erlitten hat. Darum versteht Er uns, wenn wir leiden, und kann vollkommen mit uns fühlen und uns helfen; »denn worin Er selbst gelitten hat, als Er versucht wurde, vermag Er denen zu helfen, die versucht werden“ (Hebr. 2, 18). Ja, Er hat gelernt, „den Müden durch ein Wort aufzurichten“ (Jes. 50, 4), und in Ihm gibt es „Ermunterung, Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, innerliche Gefühle und Erbarmungen“ (Phil. 2, 1).

Alles das erfahren wir in der Trübsal. Da redet Er zu unserem Herzen und tröstet es. Zugleich vertritt Er uns droben bei Gott als unser barmherziger und treuer Hoherpriester, so dass wir „mit Freimütigkeit hinzutreten dürfen zu dem Thron der Gnade, um Barmherzigkeit zu empfangen und Gnade zu finden zur rechtzeitigen Hilfe“.

Wie kostbar muss es für Maria von Bethanien gewesen sein, als sie den Herrn am Grabe ihres Bruders weinen sah! Die Juden, die zugegen waren, dachten, Er weine, weil Er Seinen Freund Lazarus verloren habe. „Siehe, wie lieb hat Er ihn gehabt!“ sagen sie. Doch darum weinte Jesus nicht. Er war ja gekommen, um Lazarus- aufzuerwecken. Nein, Seine Tränen wurden durch Sein inniges Mitgefühl mit der trauernden Maria hervorgerufen. „Als nun Jesus sie weinen sah und die Juden weinen, die mit ihr gekommen waren, seufzte Er tief im Geist und erschütterte sich.“ Er sagt nicht zu Maria: Weine nicht, ich werde ihn auserwecken, sondern Er weint mit den Weinenden. So lernte Maria ihren teuren Herrn in einer Weise kennen, wie es nicht möglich gewesen wäre, wenn Er auf ihre Botschaft hin sofort gekommen wäre und Lazarus gesund gemacht hätte. Aber nicht das allein, sie sah auch die Herrlichkeit des Herrn, der Macht hatte, den Entschlafenen, obgleich er schon in Verwesung übergegangen war, mit einem Worte ins Leben zurückzurufen. Ist es nicht der Mühe wert, durch Trübsale zu gehen und darin auf die Hilfe des Herrn warten zu müssen, wenn dies uns Gelegenheit gibt, den Herrn in Seinem innigen Mitgefühl und in Seiner Macht kennen zu lernen?

Fußnote:

*) Jakobus denkt hier natürlich nicht an Versuchungen zum Bösen, sondern an Prüfungen zur Erprobung des Glaubens, an Erfahrungen, die für den Gläubigen zu einer Versuchung werden können, an der Liebe Gottes zu zweifeln und mutlos zu werden. Von den Versuchungen zum Bösen, die aus unserem Innern, aus der alten Natur, hervorkommen, spricht er in Vers 13 — 15.

Zum Heimgang einer lieben Gattin und Mutter

Bibelstelle: Philipper 1,23

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 139ff

Autor: A. B.

(Von einem 82 jährigen Mitpilger)

Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, denn es ist weit besser. (Philipper 1,23a)

Sie ist beim Herrn, die treue Dulderin,

sie ist am Ziel der Bahn.

Sie hat gekämpft im rechten Glaubenssinn,

ihr Weg ging himmelan.

Sie ist der argen Welt entronnen,

bei Jesu droben angekommen;

sie ist beim Herrn!

Sie ist beim Herrn, drum traure nicht so sehr,

geliebte Gatte du!

Sie hat es nun gut – dort trifft kein Leid sie mehr –

in himmlisch süßer Ruh.

Am offenen Grabe deiner Lieben

ist die Gewissheit dir geblieben:

Sie ist beim Herrn!

Sie ist beim Herrn. Schau nicht ins düstre Grab,

nein, aufwärts richte den Blick,

wo unser Gott die Tränen wischet ab,

zu reinem Himmelsglück.

O gönne ihr die selige Freude

auf jener grünen Weide

bei unserem Herrn!

Sie ist beim Herrn. Die Tränensaat ist aus,

die Garbe eingebracht.

Wie herrlich ist`s im ewgen Vaterhaus,

wo Fried und Freude lacht!

Und ist sie hier dir gleich genommen,

bald wirst du auch nach oben kommen,

zu unserem Herrn.

Sie ist beim Herrn. O, Bruder, wehr dem Schmerz,

wisch deine Tränen ab!

Geht auch dein Pfad durch Trübsal himmelwärts,

dich tröste Christi Stab.

Musst du auch hier mit vielen andern

durchs Schattental des Todes wandern,

es geht zum Herrn.

Sie ist beim Herrn, der sie erkauft mit Blut,

zu Seinem Eigentum,

der sie geliebt mit heilger Liebesglut,

Ihm bringt sie Preis und Ruhm

Für alle Zucht und Liebesschläge.

Sie ist beim Herrn.

Sie ist beim Herrn, die gute Mutter nun,

die euch geliebt so sehr.

Ihr Herz steht still; die Mutterhände ruhn,

ihr Mund spricht nun nicht mehr.

Doch redet sie, obwohl geschieden,

mit euch in seligem Gottesfrieden,

von ihrem Herrn.

@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 3 – 8,16

Botschafter des Heils 1911 S. 141ff

ELISA

KAPITEL 3 Joram und der Krieg gegen Moab

„Und Joram, der Sohn Ahabs, wurde König über Israel zu Samaria, im achtzehnten Jahre Josaphats, des Königs von Juda; und er regierte zwölf Jahre".

Es ist nicht unsere Absicht, hier die chronologischen Schwierigkeiten zu erklären, die man bezüglich der Regierungszeit Jorams, des Sohnes Josaphats, des Königs von Juda, erhoben hat (Vergl. Kap. 1, 17; 3, 1; 16; 1. Kön. 22, 52; 2. Chron. 20, 31). Wir werden beim 8. Kapitel auf die wichtigsten zurückkommen. Der Unglaube, der schnell bei der Hand ist, das Wort Gottes fehlerhaft zu finden, hat nicht versäumt, auch hier scheinbare Fehler hervorzukehren. Wollte man einen Schreibfehler (was immerhin möglich ist) in Kap. 1, 17 zugeben, so würde man dadurch die Schwierigkeit doch nur zur Hälfte lösen. Der Gläubige wartet, ohne alles erklären zu wollen, auf Gott und empfängt zu seiner Zeit und am rechten Orte Licht als Lohn für sein Vertrauen.

In diesem Kapitel finden wir den Propheten inmitten der Umstände der ihn umgebenden Welt. Welchen Trübsalen wird der Mann begegnen, der vom Berge Karmel herabsteigt, um Samaria zu besuchen! Moab hatte sich gegen Israel empört; das war die Folge der Untreue Ahabs (Kap. 1, 1) aber sie lastete, wie ein Gericht Gottes, auf Ahasja, seinem unwürdigen Nachfolger. Die Gewohnheit der unterjochten Könige war, sich von dem Joch ihrer Bedrücker freizumachen, sobald ein Regierungswechsel eintrat. Der Politiker sieht deshalb in der Empörung Moabs nichts anderes als einen solchen Versuch, während der Gläubige die Hand Gottes als Züchtigung oder Gericht darin erkennt.

Joram, der Sohn Ahabs, zeigte sich in einer Beziehung weniger gottvergessen als sein Vater. Er tat die durch Ahab errichtete Bildsäule des Baal hinweg, jedoch ohne die Propheten des Baal zu töten, wie man aus Elisas Antwort in Vers 13 schließen kann. Er verließ äußerlich diesen abscheulichen Götzendienst, aber es kümmerte ihn sehr wenig, dessen Geist bestehen zu lassen. Wovon er sich aber keineswegs abwandte, das war der durch Jerobeam, den Sohn Nebats, errichtete Volkskultus, der unter dem Schein der Verehrung des wahren Gottes den gröblichsten Götzendienst verbarg.

Elisa ist Zeuge des Bündnisses zwischen Joram, dem König von Israel, und Josaphat gegen Moab. Joram folgt hier der Überlieferung der Regierung seines Vaters, der sich mit demselben Josaphat gegen die Syrer verbündet hatte, aber er geht weiter im Bösen, als sein Vater. Da er durch das Gebiet Edoms ziehen muss, um zu Moab zu gelangen (V. 8), schließt er diese götzendienerische Nation, die wohlbekannt war durch ihre eingefleischte Feindschaft gegen das Volk Jehovas, in sein Bündnis mit ein. Welch ein Bild von der Welt, deren Politik niemals Gott in Rechnung zieht!

Nach menschlichem Ermessen verspricht alles ein sicheres Gelingen. Das kleine kriegerische Moab wird trotz seiner Tapferkeit diesem mächtigen Bündnis nicht widerstehen kön­nen. Aber Gott ist da, der Einzige, mit dem Joram hätte rechnen Sollen, und den er schmählich beiseitegelassen hatte.

Und was soll man erst von dem rechtschaffenen Josaphat denken, der doch schon durch eine frühere Erfahrung (1. Kön. 22) über die Gedanken Gottes unterrichtet war, und der nun, wenige Jahre später, wieder in die Verirrungen verfällt, die ihn damals an den Rand des Verderbens gebracht hatten? "Ich will hinaufziehen", sagt er, "ich will sein wie du, mein und eine Liebenswürdigkeit, wie sie der Welt entsprechen, der Wunsch, ihr zu gefallen, ein Bündnis mit ihr zur Förderung gemeinsamer Interessen ‑ alles das sind schreckliche Hindernisse für einen treuen Wandel; und wenn diese Gefühle durch den Christen nicht bei ihrem wahren Namen ‑ Sünde ‑ genannt werden, so verderben sie sein Zeugnis und wiegen die Welt in eine falsche Sicherheit ein, indem sie sich einbildet ' auf dem christlichen Wege zu wandeln, weil Kinder Gottes mit ihr gehen, während tatsächlich der Christ auf dem Wege der Welt wandelt. Nicht immer bringt ein solcher Wandel ein sofortiges Gericht über den Gläubigen, aber stets ist er ohne Frucht für ihn, wie die Geschichte Josaphats es zeigt; wenn er irgendeinem nützte, so war es der abtrünnige König Joram, dessen Macht und Gedeihen durch dieses Bündnis vergrößert wurde. Josaphat war das, was man heute einen weiten und duldsamen Geist nennt. Die Teilung Israels in zwei Reiche war für ihn eine vollendete Tatsache, die er nicht mehr fühlte, wenn er sie je gefühlt hatte. Er setzte sich in keiner Weise in Widerspruch zu den Meinungen und der Religion Jorams. Im Gegenteil, er verband sich mit ihm unter dem Vorwand, ihm nützlich zu sein, aber er vergaß eine sehr wichtige Sache, nämlich dass er sich mit einem Manne einsmachte, der die Heiligkeit Gottes mit Füßen trat und Sein Wort völlig außer acht ließ. Natürlich schätzt die Welt solche Bündnisse sehr und hält Gläubige, die so handeln, denen als Beispiel vor, die sich vom Bösen absondern, um wahre Zeugen Christi zu sein. "Ich will sein wie du, mein Volk wie dein Volk, meine Rosse wie deine Rosse" Warum auch nicht? sagt die Welt. Darum nicht, antworte ich, weil ich mein Zeugnis (wenn nicht Gott Selbst) in dem Augenblick aufgebe, da ich ein Bündnis mit der Gott feindlichen Welt eingehe.

Ein solcher Wandel hat indes noch weit ernstere Nachteile. Man kann sich, wie Josaphat, mit einem Joram verbinden, dem Bilde der Welt, die noch den äußeren Schein einer göttlichen Religion wahrt. In Josaphats Augen war diese Verbindung ohne Zweifel besser als sein früheres Bündnis mit Ahab. Er hegte vielleicht den Gedanken, weil Joram die Bildsäule des Baal umgestürzt habe, so sei eine Verbindung mit ihm erlaubt. Tatsächlich war ein Bündnis mit Joram aber schlimmer als das Bündnis mit Ahab, denn es führte zu einem Bündnis mit Edom, und das hat der arme Josaphat wohl kaum geahnt, und vielleicht fühlte er sich dafür auch nicht verantwortlich.

Ahab hatte, bevor er in den Krieg zog, die Propheten zusammengerufen, um sich zu erkundigen, ob er ihn unternehmen solle (1. Kön. 22, 6). Joram scheint nicht einmal daran zu denken. Josaphat leider ebenso wenig; Ahab gegenüber war er treuer gewesen (1. Kön. 22, 5). Wenn der Gläubige wieder in das Böse zurückfällt, statt sich davon fernzuhalten, so stumpft sein Gewissen ab, und er kommt schließlich dahin, das Bedürfnis nach der Leitung des Wortes, deren Notwendigkeit er einst fühlte, nicht mehr zu empfinden.

Die drei in solch trauriger Weise verbündeten Könige ziehen also hin und geraten, anstatt dem Feinde zu begegnen, in Umstände, welche ihnen deutlich zeigen, dass man nicht ohne Gefahr Gott vergessen kann. Das Wasser fehlt, und der König von Israel sagt: "Ach, dass Jehova diese drei Könige gerufen hat, um sie in die Hand Moabs zu geben!" Er war bisher nur seinem eigenen Willen gefolgt; sobald ihm aber Jehova wieder ins Gedächtnis kommt, klagt er Ihn an, dass Er ihn mit seinen beiden Gefährten ins Verderben geführt habe. Der Mensch empört sich gegen sein Geschick, das heißt gegen Gott, der es lenkt, anstatt anzuerkennen, dass er es ist, der es sich zugezogen hat. Der gottesfürchtige Josaphat hat, obgleich es ihm an Unterscheidungsvermögen, das Böse und sich selbst richtig zu beurteilen, mangelt, doch den richtigen, wenn auch verspäteten Gedanken, dass man nur durch ein Befragen Jehovas aus der Schwierigkeit herauskommen könne. Joram wusste nichts von dem Dasein Elisas, des Propheten in Israel, und fühlte angesichts des schweren Missgeschicks ebenso wenig das Bedürfnis, einen Träger des Wortes Gottes zu befragen, wie im Anfang, als er ins Feld zog. Glücklicherweise kannte einer seiner Knechte den Propheten. So sind die Kleinen der Erde mit den göttlichen Hilfsquellen oft wohlbekannt, während die Großen nicht danach forschen. Sie sind auch besser imstande, den Charakter des Propheten richtig zu beurteilen, welcher, sich selbst vergessend, ein so vollkommener Diener des Elia gewesen war, dass sein Name nicht genannt worden war von seiner ersten Berufung an bis zu dem Tage, da der Ruf an ihn erging, an die Stelle seines Herrn in dessen Mission zu treten. Die Erwähnung des Elia war ohne Zweifel unangenehm für Joram, denn sie erinnerte ihn an dessen Strafurteile über seinen Vater, seine Mutter und seinen Bruder.

Sobald dagegen Josaphat den Namen Elisa nennen hört, findet er wieder zur richtigen Einschätzung des Wortes Gottes zurück: „Das Wort Jehovas ist bei ihm". Die drei Könige gehen zu dem Propheten hinab. Dieser schenkt dem König von Edom gar keine Beachtung, fordert den König von Israel auf, zu den Propheten Baals zu gehen, und schenkt seine Aufmerksamkeit nur dem schwachen Josaphat, den einzigen Vertreter (obwohl in so schlechter Gesellschaft) des Zeugnisses Gottes in Israel. Wie arm und unbeständig sie sein mögen, der Herr vergisst die Seinen nicht und beachtet das schwächste Zeichen von Treue Ihm gegenüber. Die zehn Stämme sind in der Person ihres verantwortlichen Königs endgültig verworfen, obwohl die unerschöpfliche Geduld Gottes den Schlag, der ihn treffen soll, noch hinausschiebt und bereit ist, die geringste Umkehr zu Ihm hin zu beachten; aber das schreckliche Wort tönt in die Ohren Jorams „Was haben wir miteinander zu schaffen?" Ist das nicht ein Wort wie jenes: „Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht", in Matthäus 25, 12? Fürwahr, es ist schlimmer als das über Ahasja ausgesprochene Urteil: "du wirst gewisslich sterben".

Doch Elisa ist ein Prophet der Gnade. Er geht zwar nicht über das Böse hinweg, aber, anstatt das Gericht anzukündigen, weist er diesen drei Königen in ihrer Schwierigkeit eine wunderbare Hilfsquelle an. Um indes von Rettung zu reden, muss er sich in seinen Gedanken abwenden von dem, was er vor Augen hat und was ihn dahin bringen könnte, ein Gericht ohne Barmherzigkeit auszusprechen. „Holet mir einen Saitenspieler sagt er. Was wäre geeigneter gewesen, ihn abzulenken, als die Erhebung seiner Seele zu Gott? Denn gerade mit Saiteninstrumenten gab das Herz der Gläubigen jener Tage seinem Lobe, seinen Wünschen, seinen Bedürfnissen oder Klagen Jehova gegenüber Ausdruck. Das Mittel wirkt: „die Hand Jehovas kam über Elisa". Nun kann er offenbaren, durch welch wunderbares Einschreiten Jehova die Rettung bewirken wird. Man muss Gruben machen, die das Wasser aufnehmen sollen, und der Herr wird sie füllen. Er tut nicht ein Wunder der Gnade, es sei denn zugleich mit dem Zweck, den Glauben in Tätigkeit zu setzen. Wir werden mehr als ein Beispiel hiervon in der Geschichte des Elisa sehen. Hier schreitet Gott nicht, wie bei anderen Gelegenheiten, durch natürliche Mittel, Wind oder Regen ein. Er macht allen ungläubigen Überlegungen der verbündeten Könige ein Ende.

Die Rettung geschieht am Morgen, zu der Stunde, da man das Speisopfer auf dem Altar opfert. Der abgöttische Volkskultus Jerobeams hat nichts mit dieser Stunde zu tun, und Gott erkennt ihn in keiner Hinsicht an; Sein Einschreiten steht in Verbindung mit dem Altar des Tempels zu Jerusalem. Dieser letzte öffnet sozusagen die wunderbaren Schleusen, durch welche ein ganzes Heer getränkt werden soll. So ist es auch mit dem Kreuze Christi. Auf die Stunde dieses Opfers, wie weit entfernt sie anscheinend auch ist, blickt Gott, um alle die zu retten, welche sich Seinem Worte anvertrauen. Das Wasser des Lebens entquillt gleichsam dem Tode des Opfers. Doch was für die einen Leben ist, bedeutet für die anderen den Tod. Moab, durch den Schein getäuscht, stürzt sich blindlings in sein eigenes Gericht, in demselben Augenblick da Jehova diejenigen rettet, welche Seine Botschaft angenommen haben. Weil es die von Gott gesandte Rettung nicht erkannt und anerkannt hat, wird Moab vernichtet, und der Sieg ist auf seiten derer, welche die durch die Gnade herbeigeführten Wasser getrunken haben. Ist es nicht wie eine teilweise Erfüllung der Prophezeiung Bileams: "Wasser wird fließen aus seinen Eimern . . ., und sein König wird höher sein als Agag? (4. Mose 24, 7).

Von Israel allein wird gesagt, dass es den Feind geschlagen und seine Vernichtung vollzogen habe, gemäß der Weissagung Elisas. Der König von Moab versucht mit siebenhundert Mann gegen den König von Edom hin durchzubrechen, jedenfalls um bei ihm Schutz zu suchen, allein es gelingt ihm nicht. Dann opfert er seinen Erstgeborenen als Brandopfer auf der Mauer. Dieses schreckliche Opfer ruft die Entrüstung der Verbündeten Israels hervor, dessen Rachsucht Moab zu diesem Äußersten getrieben hat;*5) sie zogen sich von dem Sieger zurück, um nach Hause zurückzukehren (V. 27). Welch fruchtloser Sieg! Moab kann der Meinung Raum geben, es sei durch dieses schreckliche, seinem Gott dargebrachte Opfer gerettet worden; es bleibt inmitten seiner Trümmer unbesiegt und zu schlimmerer Vergeltung bereit. Das wird immer das Ergebnis sein, wenn nicht Gott es ist, der Sein Volk zum Siege führt. Edom, das für einen Tag mit Israel verbündet war, und auf welches Israel gerechnet hatte, verlässt es und wird unwillig, sobald Israel den Krieg führt mit dem Namen Jehovas als Banner. Josaphat verlässt es ebenfalls und kehrt mit denselben Gefühlen in sein Land zurück, obgleich diese aus anderen Beweggründen hervorkommen mögen. Joram muss lernen, dass eine Religion, die nur den Schein der wahren Religion hat, weder bei den offenbar Ungläubigen eine dauernde Stütze finden kann, noch bei denen, die das Zeugnis Gottes bewahren.

KAPITEL 4, 1‑7 Die Witwe des Propheten

Je weiter wir den Inhalt dieser Kapitel verfolgen, desto mehr können wir den Gegensatz zwischen den Tagen Elias und denjenigen Elisas beobachten. Elia erkennt Israel und seinen König noch an, wenn dies auch nur geschieht, um das Gericht über beide anzukündigen. Für Elisa besteht der König nicht mehr: "Ich würde dich nicht anblicken, noch dich ansehen", sagt er in Kap. 3, 14; das Volk ist verworfen, und Juda allein gilt noch etwas in den Augen des Propheten. Während jedoch in den Tagen des Elia der treue Überrest verborgen war und Jehova allein die 7000 Mann unterscheiden konnte, welche ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt hatten, tritt dieser Überrest in den Tagen Elisas völlig ans Licht. An ihn wendet sich der Prophet; die Söhne der Propheten bilden den besonderen Gegenstand seiner Sendung. Dieser Dienst erstreckt sich ohne Frage (wie wir das auch sehen werden) über sie hinaus, aber die Rolle, die sie spielen, ist durchaus vorherrschend, und das erschließt uns in besonderer Weise das Verständnis für den vorbildlichen Charakter dieses Mannes Gottes.

Welch eine Umgebung ist es, in der er seine Tätigkeit ausübte! Die Söhne der Propheten sind ohne Hilfsmittel in Israel; sie leiden Hunger und Durst; ihre Hilflosigkeit ist vollständig. Die ersten sieben Verse unseres Kapitels lassen diese Lage in besonderer Weise hervortreten. Das Weib des Propheten ist ohne jede äußere Stütze; das Familienoberhaupt ist ihr durch den Tod entrissen worden; ein herzloser Gläubiger will ihre Söhne zu Sklaven machen. Die Arme hat nichts, um sie aus seiner Hand zu befreien. Das einzige, was ihr geblieben ist, ist ein wenig Öl im Hause, und dieses öl, ein Sinnbild der geistlichen Kraft, ist fast zu Ende. Kann dieses schwache Hilfsmittel genügen? So wird es auch in den letzten Tagen vor der Befreiung des Überrestes sein. Ein abgefallenes Volk umringt ihn; der Antichrist lässt ihn sein grausames Joch fühlen und will ihn sich unterwerfen; doch Jehova hat göttliche Hilfsmittel für ihn. Der Überrest lernt zu ihm schreien: "Du weißt, dass dein Knecht Jehova fürchtete". Hört man hier nicht die Sprache der Lauterkeit die so oft in den Psalmen zum Ausdruck kommt? Christus ist abwesend; Jehova wohnt nicht mehr in der Mitte des Volkes, aber Sein Geist ist in zwiefachem Maße bei dem Propheten vorhanden.

Elisa spricht zu dem Weibe: "Was soll ich für dich tun?" Die arme Frau, deren Schrei an das rechte Ohr gekommen ist wird der Gegenstand einer zärtlichen Fürsorge. Doch zunächst muss sie vor dem Propheten die Hilfsmittel anerkennen, die ihr zur Verfügung stehen: "Deine Magd hat gar nichts im Hause als nur einen Krug Öl; oder „eine Salbung Öl", d. h. gerade so viel Öl, wie erforderlich war, um sich zu salben' Nichts war da, um zu bezahlen, nichts, um sich freizumachen, nur ein ganz kleines Maß geistlicher Kraft. "Gehe hin", sagt der Prophet, „erbitte dir Gefäße von draußen, von allen deinen Nachbarn, leere Gefäße, nimm nicht wenige; und gehe hinein und schließe die Tür hinter dir und deinen Söhnen zu, und gieße in alle diese Gefäße; und was voll ist setze beiseite". Die Fülle der geistlichen Hilfsquellen ist in Elisa; aber er bedarf leerer Gefäße, und die arme Witwe kann nicht zu viele zusammenbringen. Sie muss sie von allen ihren Nachbarn erbitten, von außerhalb des Hauses herbeiholen und dann die Tür hinter sich schließen. Es ist eine vertrauliche Szene, an welcher das abtrünnige Volk durchaus nicht berufen ist teilzunehmen. Dreimal wird in diesem Kapitel (V. 4, 21 und 33) die Tür geschlossen und dadurch deutlich angezeigt, dass diese Ereignisse nichts mit einem öffentlichen Zeugnis zu tun haben, wie dies bei dem großen Vorgänger des Elisa der Fall war.

Es müssen leere Gefäße da sein; um mit dem Öle der Salbung erfüllt zu werden, muss man von sich selbst entleert sein. Die Leute von Jericho bedurften einer neuen Schale und Salz; sie mussten eine neue, für Gott geheiligte Natur haben, damit der Fluch von ihrer Stadt abgewendet werden könne; die Prophetentochter und ihre Kinder, die schon im Besitz von ein wenig Öl waren, brauchten keine neuen Gefäße zu beschaffen, um ein volles Maß zu erhalten. Gott benutzt die geistlichen Hilfsmittel, die Er bei den Seinigen findet so klein sie auch sein mögen. So war es auch mit den Jüngern bei der Vermehrung der Brote. Sie sagen zu dem Herrn: "Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische". Jesus spricht zu ihnen: "Bringet sie mir her"; und nachdem Er gedankt und die Brote gebrochen hat, gibt Er sie den Jüngern, die sie der Menge austeilen, und so benutzt Er das, was sie hatten, um durch ihre Vermittlung fünftausend Menschen zu segnen.

Hier hört die Segnung erst auf, wenn es keine Gefäße mehr zu füllen gibt. Eine bestimmte Anzahl Gefäße empfängt den Segen, wie später am Ende der Zeiten hundertvierundvierzigtausend in Israel versiegelt werden; aber für jeden ist das Maß übervoll. Wie die ersten Jünger am Pfingsttage „alle mit dem Heiligen Geiste erfüllt wurden" (Apgsch. 2, 4), so wird es mit dem Überrest bei dem Spätregen sein, gemäß der Weissagung Joels.

Nachdem die Gefäße gefüllt sind, muss das Öl verkauft werden; der mitgeteilte Segen breitet sich aus. So wird das Zeugnis des Überrestes in den letzten Tagen sein. Viele werden an den geistlichen Wohltaten teilhaben und so selbst zu Besitzern dieser Segnungen werden. Die Verständigen des Volkes, die Träger des Wortes, diese Söhne der Propheten, werden die Menge des Volkes in der Gerechtigkeit unterweisen (Dan. 11, 33; 12, 3). So lebt denn die prophetische Familie und wird unterhalten von dem geistlichen Öl, welches ihr vermehrt wird und ihr Herz mit Freude erfüllt, und der Vorrat fließt über zu anderen.

Dieses Wunder erinnert uns an das von der Witwe zu Sarepta, nur wird in letztem Falle der Segen durch den Messias den Nationen gebracht, hier dagegen dem Überrest durch die Ausgießung des Geistes Christi.

Wir möchten noch einmal hervorheben, dass alle diese Wunder des Elisa sich an den Glauben wenden. Die Witwe des Propheten musste die Gefäße zusammenholen, überzeugt von dem, was noch nicht zu sehen war, so wie man im vorigen Kapitel Gruben machen musste, ehe das erfrischende Wasser kam, um sie zu füllen.

Fußnoten:

*5) Das ist wenigstens wie ich glaube, der Sinn, den man in dieses Wort legen muss.

@@@@

Der Grund und der Zweck der Trübsale

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 154ff

Wiederum begegnen wir einem besonderen Zweck der Trübsal bei dem Apostel Paulus, nachdem er in das Paradies Gottes entrückt worden war. Er sagt: „Auf dass ich mich nicht durch die Überschwänglichkeit der Offenbarungen überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, . . . auf dass ich mich nicht überhebe“ (2. Kor. 12, 7). Es war ein großer Unterschied für Paulus, in den dritten Himmel, in das Paradies Gottes, entrückt zu sein, oder dort gewesen zu sein und sich nun wieder im Leibe auf der Erde zu befinden. In der Gegenwart Gottes gab es für ihn keine Gefahr, da war nur hohes, heiliges Genießen. Aber nachdem er dort gewesen war, lag es dem Fleische nahe, sich durch die überschwänglichen Offenbarungen zu überheben und ihm zuzuflüstern: Was für ein außergewöhnlicher Mensch bist du doch, Paulus! Und hätte der Apostel auf diese Stimme gelauscht, so wäre er für den weiteren Dienst unfähig gemacht worden.

Dieselbe Gefahr liegt auch bei uns vor. Wenn auch keiner von uns je in dem dritten Himmel gewesen ist, so können doch die Gnadengaben, die der Heilige Geist austeilt, wie Er will, ja, selbst menschliche Befähigungen zu diesem oder jenem Dienst eine Gefahr für uns werden. Hat der Herr uns z. B. bei der Verkündigung des Evangeliums oder im Dienst am Worte in der Versammlung oder sonst wie gesegnet, wie liegt es uns da so nahe, uns darauf etwas einzubilden und uns in unserem Herzen zu überheben, zum Schaden für uns und andere! Wie gut daher, dass der Herr dem vorbeugt! Dem Apostel kam Gott durch ein Leiden zu Hilfe, welches so schwer für ihn war, dass er es mit einem Dorn im Fleische vergleicht, ja, mit einem Engel Satans, der ihn mit Fäusten schlug. Was es war, sagt er uns nicht, aber aus anderen Stellen (2. Kor. 10, 10; Gal. 4, 14) ersehen wir, das; es ihn in den Augen der Menschen verächtlich machte. Er flehte deshalb dreimal zum Herrn, dass dieser Engel Satans, den Gott, wie einst bei Hiob, zum Segen Seines Knechtes benutzte, von ihm abstehen möge, weil er meinte, er könne so kein geeigneter Diener des Evangeliums sein. Doch als er die Antwort erhielt: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“, da fuhr er nicht fort, Gott um Befreiung von dem Übel zu bitten, sondern sagte: „Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf dass die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christum; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Und in dieser Kraft hat er für den Herrn gearbeitet, gestritten und gelitten wie kein anderer. (Siehe 2. Korinther 11, 21 -— 30.) Welch ein Evangelist, Hirte und Lehrer ist er gewesen, trotzdem, ja, vielleicht gerade weil der Dorn im Fleische nicht weggenommen wurde! Und als seine Treue ihn schließlich ins Gefängnis zu Rom brachte, hat Gott ihn dort benutzt, die herrlichen Briefe an Versammlungen und einzelne Personen zu schreiben, in denen uns der ganze Ratschluss Gottes mitgeteilt wird, und die seitdem Millionen von Gläubigen zur Belehrung, Warnung und Tröstung gewesen sind. Welch unermessliche Segnungen der Trübsal!

Der zu Anfang unserer Betrachtung aus Röm. 5 angeführte Vers zeigt uns noch eine schöne Wirkung der Trübsal; es heißt dort: „Die Trübsal bewirkt Ausharren“. Wie ist das möglich? könnte man wieder fragen. Bei dem Menschen, der Gott nicht kennt, bewirkt sie allerdings das Gegenteil; er wird, je länger die Trübsal andauert, desto missmutiger und mutloser werden. Nicht so der Gläubige, vorausgesetzt dass er die Trübsal in Gemeinschaft mit Gott durchmacht. Er wird zwar erfahren, dass in ihm selbst keine Kraft ist, sondern nur gänzliche Ohnmacht und Abhängigkeit, aber dabei lernt er Gott als seine Stärke kennen, so dass er endlich mit David sagen kann: „Der Fels meiner Stärke, meine Zuflucht, ist in Gott“ (Ps. 62, 7). Er lernt Ausharren, und „das Ausharren bewirkt Erfahrung“. Inmitten der Leiden erfährt er jeden Tag aufs neue die Liebe und Güte Gottes, der ihm tröstend, stärkend und helfend zur Seite steht. Sein Herz wird ruhig und getrost, auch im Blick auf die kommenden Tage. Er weiß: der treue Gott, der mir bis hierher durchgeholfen hat, wird mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann, und wird mir die nötige Kraft darreichen, um auszuharren, bis es Ihm gefällt, die Trübsal zu wenden. Auf diese Weise hat das Ausharren dann „ein vollkommenes Werk“ (Jak. 1, 4) zur Verherrlichung Gottes.

Schließlich wird der Blick des Gläubigen in der Trübsal auch mehr auf die baldige Ankunft des Herrn und auf die vor ihm liegende Freude hingelenkt; denn „die Erfahrung bewirkt Hoffnung“, und zwar eine herrliche Hoffnung, die nicht trügen wird. Das Herz frohlockt bei dem Gedanken, bald mit allen Erlösten Jesum zu sehen und für immer bei Ihm zu sein.

Und wer so im Herrn sich freut, gedenkt auch an andere und ist selbst auf dem Krankenlager nicht untätig. Er benutzt den stets offenen Weg zum Vaterherzen Gottes zur Fürbitte. Als Paulus im Gefängnis zu Rom war, schrieb er an sein geliebtes Kind Timotheus: „Ich gedenke deiner unablässig in meinen Gebeten Nacht und Tag“, und an die Philipper: „Ich danke meinem Gott bei aller meiner Erinnerung an euch allezeit in jedem meiner Gebete, indem ich für euch alle das Gebet mit Freuden tue“ (Vergl. Eph. 1, 15. 16). Und den Kolossern schreibt er in Bezug auf Epaphras: „ein Knecht Jesu Christi, der allezeit für euch ringt in den Gebeten ... Denn ich gebe ihm Zeugnis, dass er viel arbeitet für euch.“ Welch ein Trost für die Kranken, wie auch für die Alten und Schwachen, die scheinbar nichts mehr für den Herrn und die Seinen tun können! Sie können auf diese Weise für die Geliebten Gottes viel arbeiten. Ja, welch reicher Segen ist von Kindern Gottes ausgegangen, die jahrelang auf dem Krankenbett zubringen mussten, indem ihr Herz in der Liebe des Herrn ruhte! Statt dass sie des Trostes bedurft hätten, gingen die, welche sie besuchten, erquickt und getröstet, ja, nicht selten beschämt von dannen. Und wer kann den Segen ermessen, der aus der anhaltenden Fürbitte solch glücklicher Kranken hervorgegangen ist!

Gewiss wird jede neue Trübsal zunächst einen Kampf kosten, bis das Herz durch die Gnade Gottes dahin gelangt ist, in dem Willen des Vaters zu ruhen. Dann aber wird der Gläubige nicht nur erfahren, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, sondern indem er über den Grund und den Zweck der Trübsal nachsinnt, wird er einerseits die Liebe Gottes darin erkennen und andererseits die kostbaren Ergebnisse finden, die wir soeben betrachtet haben. Damit verliert die Trübsal ihre Bitterkeit, wie einst die bitteren Wasser von Mara durch das hineingeworfene Holz, ein Bild von Christo, süß wurden, und man lernt wie Paulus und Silas „in dem innersten Gefängnis“ Loblieder singen, ja, selbst einstimmen in das Wort des Apostels: „Wir rühmen uns auch der Trübsale“.

@@@@@@@

Leiden im Dienst

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 164ff

Als der Herr Saulus von Tarsus, den späteren Apostel Paulus, zu Seinem Dienst berief, sagte Er von ihm zu Ananias: „Ich werde ihm zeigen, wie vieles er für meinen Namen leiden muss“ (Apstgsch. 9, 16). Er sprach nicht davon, was der Apostel vollbringen, sondern was er für Seinen heiligen Namen leiden würde. Man sieht daraus, dass „Leiden“, „geduIdiges Ertragen“, ein Hauptkennzeichen der wahren Nachfolge Christi ist.

Zwar ein solches Maß der Leiden, wie es Paulus erfuhr, eine solche Reihe von Prüfungen, wie sie z. B. 2. Kor. 11, 23 — 29 aufzählt, legt Gott uns heute wohl nicht auf; doch mehr oder minder wird es einem jeden unter uns in Bezug auf Christum geschenkt werden, nicht allein an Ihn zu glauben, sondern auch für Ihn zu leiden- (Philipper 1, 29.) Sagt doch unser Herr schon in Lukas 14, 26. 27, dass der, welcher zu Ihm komme und nicht Vater und Mutter, Weib und Kind, Bruder und Schwester hasse, dazu auch sein eigenes Leben, (d. h. der die Beziehungen zur Familie und Bekanntschaft und die Ansprüche des eigenen Ichs nicht den Ansprüchen des Herrn völlig unterordne), nicht Sein Jünger sein könne. Und das Lockern aller Bande, welche uns an unsere natürliche Umgebung ketten, sowie das Unterdrücken der Wünsche und Neigungen unserer alten Natur, um ein demütigendes Kreuz dafür einzutauschen, bringt viele Prüfungen und Leiden mit sich. Diese strenge Scheidung muss aber vorgenommen werden, wenn wir anders als gute Kriegsleute Jesu Christi an den Trübsalen teilnehmen und zu Seinem Dienst gebraucht werden wollen.

Elisa, der vor Antritt des Dienstes noch seine Eltern zum Abschied küssen wollte, konnte noch nicht aus den Mantel des Elia Anspruch machen. Er erhielt den Prophetenmantel nicht eher, als bis er „niemanden mehr nach dem Fleische kannte“, bis er auf Elia, als seinen Vater im Glauben, als seinen Verwandten dem Geiste nach, aufschaute und bei dessen Himmelfahrt ausrief: Mein Vater, mein Vater!

Der Dienst für den Herrn leidet, sobald die Familienbeziehungen, wie berechtigt sie an und für sich auch sein mögen, die Oberhand gewinnen. Das sehen wir bei Barnabas, der in den Tagen der ersten Liebe den Erlös seines Ackers zu den Füßen der Apostel niedergelegt hatte. (Apstgsch. 4, 37). Er trennte sich im Streit von Paulus, gab den natürlichen Trieben zur Familie und Heimat nach und fuhr mit seinem Neffen Markus (Kol. 4, 10) nach seinem Geburtsland Cypern, um dort den Dienst für den Herrn fortzusetzen (Apstgsch. 15, 39). Das Wort berichtet hernach aber nichts mehr von ihm.

Sich von solchen irdischen und menschlichen Beziehungen frei zu machen, bringt naturgemäß Leiden; und dem Hassen des eigenen Lebens, der Geringschätzung irdischer Segnungen und Erquickungen, folgen ebenso naturgemäß Leiden der Entbehrung, der Entsagung. Ein Mann wie Jabez, der Gott um reichlichen Segen, um Erweiterung seiner Grenze und um Fernhaltung von Übel und Schmerz bittet (1. Chron. 4, 10), ist zum Dienste im Werke des Herrn kaum geschickt. Was Gott von Seinem Diener in dieser Beziehung erwartet, können wir aus der Geschichte Gideons, zur Zeit der Richter, lernen. Nachdem Gideon das Volk gemustert hatte, waren 32000 Mann bereit, Familie und Haus zu verlassen, um für Jehova gegen die Midianiter zu streiten. Ein einziger ernster Hinweis auf die Gefahren und Mühseligkeiten eines Krieges hatte indes zur Folge, dass 22000 Mann zurücktraten und nur noch 10000 bereit waren, ihr Leben auf`s Spiel zu setzen. Gott, mit diesem Ergebnis noch nicht zufrieden, unterwarf diese 10000 Mann einer nochmaligen Prüfung. Es galt festzustellen, wie viele von diesen Kriegern, die willig Haus und Hof verlassen hatten und ihr Leben für den Herrn einsetzen wollten, imstande waren, wirklich ihr Kreuz auf sich zu nehmen und die Segnungen und Genüsse dieser Erde dem Eifer für Jehova unterzuordnen. Und siehe da, nur dreihundert Mann bestanden die Probe, indem sie ihren Durst löschten, ohne zu viel Zeit darüber zu verlieren; indem sie nur „mit ihrer Hand zu ihrem Munde leckten“, erwiesen sie sich als brauchbare Werkzeuge, als fähige Streiter in dem Kampfe für Jehova. Gleich dem großen Apostel, der nicht ermattete, wenn auch sein äußerer Mensch verfiel, hielten sie standhaft aus. Obwohl ermattet, hörten sie nicht auf, nachzujagen (Richter 8, 4).

Gehören wir auch zu dieser Schar, zu diesen Dreihundert? Paulus konnte sagen: „Ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben, als teuer für mich selbst“ (Apstgsch. 20, 24), und: „Allezeit das Sterben Jesu am Leibe umhertragend, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde“ (2. Kor. 4, 10). Es war die Kraft des Heiligen Geistes, durch welche diese heilige Entschiedenheit bei ihm bewirkt worden war, und nur die gleiche Kraft kann auch bei uns (in unserem geringen Maße) Ähnliches hervorbringen. Die Folgen eines solchen Wandelns waren fortwährende Leiden. Wie könnte es anders sein? Es ist ja das Wandeln auf dem Wege, den der Herr hienieden ging, und auf welchem „der Mann der Schmerzen“ nur Leiden fand, die der Widerspruch der Menschen und die Mühsale der Pilgerreise hervorriefen. Je treuer wir Ihm nachfolgen, je mehr wir das Wohlleben dem Kreuze, die Selbstsucht der Nächstenliebe Opfern, mit einem Wort: je mehr wir uns selbst verleugnen, desto mehr werden wir das Vorrecht genießen, an diesen Leiden unseres Herrn teilzunehmen.

Wie ertrug nun Paulus alle diese äußeren Leiden, all diese Unbill in seinem Dienst? Er ertrug sie mit Ausharren, mit Geduld, mit aller Demut — aber auch, wie er in seiner Abschiedsrede an die Ältesten von Ephesus (Apstgsch. 20, 19)) selbst zugesteht: mit Tränen. Ja, dieser Mann voll Willenskraft, voll Mut und männlicher Standhaftigkeit suchte nicht seine Ehre darin, den Ausdruck seiner Schmerzen und Leiden vor den Augen der Welt zurückzudrängen; er dachte nicht wie jener Stoiker, der den stolzen Ausspruch tat: „O Schmerz, du wirst mich nicht zu dem Geständnis bringen, das; Schmerz ein Übel sei!“ Paulus Kraft war ohne menschlichen Stolz, seine Festigkeit war keine Härte — beides ging bei ihm aus der Gnade hervor, und die Gnade erlaubt keine Täuschung, welche die Wahrheit verletzt.

Doch bemerken wir in den Augen des Apostels oft auch Tränen anderer Art, Tränen seiner Hirtentreue und Tränen der zarten Liebe zu seinen Brüdern in Christo. Wer könnte ermessen, welch ein Maß von Leiden die liebende Sorge des Vaters für seine Kinder (1. Thess. 2, 11), die Sorge des Hirten für seine Herde, die Sorge des treuen Dieners „um alle Versammlungen“ (2. Kor. 11, 28), dem treuen Manne eintrug? „Gedenket, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, „einen jeden mit Tränen zu ermahnen“, sagte er den Ältesten der Versammlung zu Ephesus in der schweren Abschiedsstunde, wo „viel Weinens bei allen entstand“ und er seine Tränen mit den ihrigen vermischte. Wenn wir solche Tränen kennen, werden wir auch den Schmerz anderer verstehen und mitfühlen können, wie es Paulus verstand, der „der Tränen des Timotheus eingedenk war“ (2. Tim. 1, 4).

Und wie kostbar ist unser Dienst, wenn wir ein solch zartes, mitfühlendes Herz für andere haben, wenn wir uns nach ihnen sehnen mit dem Herzen Christi Jesu! Ist es doch für unser eigenes Herz, wenn wir leiden müssen, ein überaus großer Trost, dass unser Herr Jesus weiß, was Tränen sind, dass Er, der in Gethsemane Tränen des Schmerzes vergoss (Hebr. 5, 7), der über die Zukunft Jerusalems (Luk. 19, 41) und am Grabe des Lazarus (Joh. 11, 35) in Seiner barmherzigen Liebe für andere weinte, uns versteht und auch jetzt in der Herrlichkeit noch dasselbe vollkommene Mitgefühl hat für unsere Leiden, Schmerzen und Tränen! So laßt uns denn mit Tränen seien, um bald mit Jubel zu ernten! (Ps. 126, 5).

@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 4, 8 -37

Botschafter des Heils 1911 S. 169ff

KAPITEL 4, 8 ‑ 37 Die Sunamitin

Außer den Söhnen der Propheten gab es unter der Masse des schon verurteilten und tatsächlich verworfenen Volkes noch ein Zeugnis persönlichen Glaubens. Die Sunamitin ist ein Beispiel dafür. Diese Frau war reich *6), im Gegensatz zu der Witwe des Sohnes der Propheten, die von allen Mitteln entblößt war; aber sie war ein Weib des Glaubens, das zeigt ihre ganze Geschichte. Sie übt Gastfreundschaft an dem durch Sunem ziehenden Fremden, und nachdem er sie einige Male besucht hatte, gibt sie sich Rechenschaft von dem Charakter ihres Gastes. Vielleicht ließ die Unterhaltung, jedenfalls aber das ganze Auftreten des Propheten sie seinen Charakter erkennen. Sie urteilt nicht auf den ersten Blick, sondern wartet, bis äußere Merkmale es ihr klar machen. Sie hat den gesunden, nüchternen Sinn des Glaubens. „Siehe doch", sagt sie zu ihrem Manne, „ich merke, dass dieser ein heiliger Mann Gottes ist, der beständig bei uns durchzieht". Sie hat damit begonnen, ihn aufzunehmen, und der Prophet hat einen Kreis gefunden, der ihn fesselt und seinem Charakter entspricht. So oft er durch den Ort kommt, kehrt er ein. Diese beiden Naturen zogen sich an und passten zueinander. Es ist „ein heiliger Mann Gottes", sagt sie. Er hat für ihr Herz nicht nur den amtlichen Charakter eines Trägers des Wortes Gottes, sondern sie erkennt ihn als „heilig" an, als wirklich für Gott abgesondert in seinem praktischen Leben.

Es genügt nicht, von Seiten Gottes eine Gabe zu haben. Zur Beglaubigung eines Dieners Gottes bedarf es eines entsprechenden sittlichen Charakters. Der alte Prophet in Bethel hatte die Gabe ohne diesen Charakter (1. Kön. 13). Wie wichtig ist es für jeden Arbeiter des Herrn, hierauf zu achten! Die Gabe, so hervorragend sie sein mag, bleibt ohne Frucht, wenn sie nicht mit einer sittlichen Autorität gepaart geht, welche das Gewissen der Zuhörer mehr trifft, als die sie begleitenden Worte. Überdies verliert der Träger der Gabe selbst seine überzeugende Kraft, wenn sein Gewissen nicht vor Gott und Menschen ohne Anstoß ist. "Ich hoffe", sagt der Apostel, "auch in euren Gewissen offenbar geworden zu sein". So war es bei Elisa. „Ich merke , dass dieser ein heiliger Mann Gottes ist", sagt die Sunamitin von ihm.

Man beachte auch, wie sie sich Rechenschaft darüber gibt, was für einen Mann Gottes passt. Ihr Reichtum hätte sie veranlassen können, ihm eine mit möglichster Behaglichkeit ausgestattete Behausung einzurichten. Nein, sie sieht von ihrer eigenen Stellung ab, um an das zu denken, was für einen Mann Gottes passt, für den Reichtümer keinen Wert haben oder der sie nur als eine ihm vom Feinde gestellte Falle betrachten würde. Was ihr jetzt am Herzen liegt, ist, Elisa nicht nur im Vorbeigehen aufzunehmen, sondern ihm in ihrem Hause eine Wohnung zu bereiten. Je mehr wir mit Christo, mit Seinem Worte, das Ihn offenbart (und dessen Träger Elisa war), Bekanntschaft machen, desto mehr wünschen wir, dass sie einen Teil unseres Lebens ausmachen, und dass die Worte: "Her wohnt Gottes Wort", über der Tür unseres Hauses stehen möchten. Das Wort ist dann nicht mehr ein vorübergehender Genuss für uns, noch ist das Lesen des Wortes eine gelegentlich erfüllte Pflicht, sondern es bildet einen Teil unseres Lebens, unserer Familie, unser selbst. Der Glaube wird sich bei dem am meisten mit den Gütern dieser Welt gesegneten Christen immer in dieser Einfachheit nach außen hin zeigen.

„Lass uns doch ein kleines gemauertes Obergemach machen, und ihm Bett und Tisch und Stuhl und Leuchter darein stellen; und es geschehe, wenn er zu uns kommt, mag er dort einkehren". Nur Mangel an Einsicht und an Gemeinschaft mit dem Herrn handelt anders. Die von der Familie Gottes, welche die Güter dieser Welt besitzen, denken nicht immer an die Gefahr, die darin liegt, dass sie ihren im Werke des Herrn beschäftigten Brüdern mehr anbieten, als was ihnen not ist, mehr als sie gewohnt sind. Wenn der betreffende Bruder geistlich ist, so wird schon ein verhältnismäßiger Luxus ihn unangenehm berühren und ein Hindernis sein für die freie Entfaltung seines Herzens, welches bereit war, seinen Wirten etwas von seiten Gottes zu bringen. Ist sein christliches Leben bereits geschwächt, so werden die guten Tage ein Fallstrick für ihn werden, und wenn er sich durch sie einnehmen lässt, so wird er an den Ort, wo sie ihm geboten werden, nicht mehr für den Herrn allein zurückkehren, sondern zugleich um sein Verlangen nach Wohlleben zu befriedigen, was nur ein Bedürfnis des Fleisches ist.

Die Hingebung und das Verständnis dieser Frau gewinnen das Herdes Propheten, wie sie das Herz Christi anziehen; sie empfangen denn auch ihre Belohnung. Elisa ruft die Sunamitin; er hat ihr etwas zu geben. "Sie trat vor ihn hin", wie er selbst vor Jehova stand. Es besteht eine schöne Übereinstimmung zwischen dem Manne Gottes und dieser Frau des Glaubens. Er will sie für ihre Bemühungen belohnen, aber zunächst stellt er sie auf die Probe, um zu sehen, ob ihrer beider Herzen wirklich im Einklang sind. "Ist für dich mit dem König zu reden oder mit dem Heerobersten?" mit anderen Worten: Ist da irgendein Wunsch bei dir, deine Hilfsquellen in dieser Welt zu vermehren? Sie weist das Anerbieten zurück, und wir werden später sehen, dass diese Dinge ihr hinzugegeben wurden, in einer Zeit der Not, als sie keine Schlinge mehr für sie waren. Für jetzt antwortet sie: "Ich wohne inmitten meines Volkes". Eine schöne, dieses frommen Weibes würdige Antwort. Sie erkennt die Nation, über welche das Gericht schon schwebte, als ihr Volk an und trennt sich nicht von ihm. Sie sieht in ihm das, was Gott allein in ihm unterscheiden und was nur der Glaube verwirklichen konnte. So lange Gott in ihm noch etwas für sich anerkannte, war dieses Volk ihr Volk, und sie hatte keinen anderen Wunsch, als zu ihm zu gehören. Inmitten des Verfalls hielt sie fest an dem Volke Gottes, wie Elia an seinem Altar aus zwölf Steinen, obgleich die zwölf Stämme längst nicht mehr als ein Ganzes bestanden. Sie bedurfte nichts anderes; sie begnügte sich mit der Ruhe, der Gemeinschaft und dem Frieden, die ihr das Wohnen inmitten der bestehenden Unordnung gewährte.

In unseren Tagen unterscheidet sich ein wahrer Glaube nicht von dem der Sunamitin; ersucht nicht die Besserung eines gänzlich von den Gedanken Gottes entfernten Zustandes der Dinge, sondern blickt auf das, was Gott in Seinen Ratschlüssen bestimmt hat. Obwohl er sich des Verfalls der Kirche, als des Hauses und des Volkes Gottes hienieden, bewusst ist, lebt er in Frieden, indem er sich zu dem hält, was der Herr im Anfang errichtet hat, zu dieser Kirche, die auf den Namen des auferstandenen Christus erbaut ist, und die er mit den Gedanken und Zuneigungen des Herrn betrachtet, so wie der Herr sie sich in der Herrlichkeit darstellen wird. Der Glaube sucht nicht die Trümmer wieder aufzubauen; er sagt: "Ich wohne inmitten meines Volkes", als wenn alles in Ordnung wäre, weil die Gedanken Gottes über dieses Volk für ihn Wirklichkeit sind.

Doch das Herz der Sunamitin hegte einen geheimen, großen Wunsch. Sie bedurfte eines Gegenstandes für ihre Zuneigungen. Von diesem Wunsch, so erhaben, so unerreichbar, hatte sie niemand etwas kundgetan. Aber der Diener des Propheten vermochte zu erkennen, dass ihr etwas fehlte, ohne das ihr Glück nicht vollständig sein würde. "Sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt". Diese Unfruchtbarkeit, je nach den Umständen verschieden gestaltet, finden wir bei den gottesfürchtigen Frauen in Israel immer wieder, und wir haben im Laufe unserer Betrachtungen mehr als einmal darüber gesprochen. Sie war für diese gläubigen Herzen die allergrößte Prüfung. Ihr heiliger Ehrgeiz bestand darin, nicht nur eine Nachkommenschaft zu haben, sondern auf diese Weise vielleicht in eine persönliche Beziehung, nahe oder entfernt, mit der Person und dem Geschlecht des Messias eingeführt zu werden. Für diese Frauen war daher ein Sohn das höchste Gut. Die Sunamitin brachte dieses Bedürfnis nicht zum Ausdruck, indem sie die Umstände, in welche die Vorsehung Gottes sie gestellt hatte, aus Gottes Hand annahm; aber ‑ die Leere war da und wurde in ihrem Herzen tief gefühlt.

So ist es auch für uns Christen. Alle geistlichen Segnungen können uns nicht genügen, wenn wir nicht in dem persönlichen Besitz Christi eine Kostbarkeit für unser Hergefunden. haben. Ihn besitzen, Ihn kennen, Ihn lieben, Ihn anschauen, Ihn gleichsam in den Armen halten wie Simeon, an Seine Brust sich lehnen wie der geliebte jünger, zu Seinen Füßen sitzen wie Maria, Seine Herrlichkeit betrachten wie die Jünger auf dem heiligen Berge, sich für das Geringste, das Ihn betrifft, interessieren, weil Er von unseren Herzen Besitz genommen hat, Seine göttliche Schönheit erkennen, wie die Eltern Moses ‑die Schönheit ihres Sohnes ‑ alles das und vieles andere macht das unschätzbare Glück derer aus, die Ihm angehören. Jehova gewährt diesem Weibe durch Elisa einen Sohn, wie der Heilige Geist durch das Wort uns Jesum bringt und Ihn in uns wohnen lässt, Christum, die Hoffnung der Herrlichkeit.

Elisa ruft die Sunamitin zum zweiten Male. Die erste Frage des Propheten war eine Prüfung ihres Glaubens, und diese Prüfung hatte erwiesen, dass sie von den Vorteilen, welche die Welt ihr darbieten konnte, nicht mehr hielt als ihr Gast. In der Schule des heiligen Mannes Gottes hatte sie gelernt, was für einen Zeugen inmitten des Verfalls Israels allein Wert hatte. Er redet zu ihr dieselben Worte, die einst der Engel Jehovas der Sara überbracht hatte: "Zu dieser bestimmten Zeit übers Jahr wirst du einen Sohn umarmen" (Vergl. 1. Mose 18, 10). Das heißt ja nichts anderes, als dass dieses Kind auch ein Sohn der Verheißung ist, von demselben Geschlecht wie Isaak, welcher das Vorbild des wahren Samens, Christus, ist. ‑ Wie ihr Herz klopft bei diesem Worte! "Nicht doch, mein Herr, du Mann Gottes, belüge deine Magd nicht!" Und doch ist es Wahrheit! Ihre Freude ist völlig; sie hat in dieser Gabe die Befriedigung all ihrer Wünsche gefunden.

Ach! wenige Stunden genügen, um diese Freude wieder zu verlieren. Zur Zeit der Ernte brechen alle Hoffnungen der Sunamitin zusammen. Das Kind stirbt um Mittag. So ging es auch mit den Hoffnungen der Jünger zur Zeit Jesu. "Wir hofften", sagen die beiden Emmaus-Jünger, "dass er der sei, der Israel erlösen solle".

Der Mann Gottes ist die einzige Zuflucht dieser Frau. Sie legt das Kind da nieder, wo der Träger des göttlichen Wortes zu ruhen pflegte. Von ihm hatte sie es erhalten; nun es tot ist, vertraut sie es ihm an. Das ist eine Glaubenstat. Wenn die jünger zu den Schriften Vertrauen gehabt hätten, so hätte der Herr sie ihnen nicht zu öffnen brauchen, um so zu erfahren, dass sie gerade die Ereignisse ankündigten, welche eben vor ihren Augen geschehen waren.

Die Sunamitin ruft ihren Mann und erbittet von ihm eine Eselin und einen Knaben. Welche Angst schnürt ihr das Herz zusammen! Doch sie beweist jetzt denselben Glauben, der sie gekennzeichnet hatte, als sie den Propheten aufnahm, oder als sie nachher die Hoffnung erfasste, die er ihr vorstellte. Der Tod tritt ein und scheint alles umzustürzen; aber der Glaube und die Hoffnung der Sunamitin bleiben die gleichen inmitten dessen, was sie zu vernichten scheint. "Es geht wohl", sagt sie, und dabei hat sie den Tod in der Seele. Welch ein Wort! Ihr Sohn ist tot, aber alles geht wohl! Warum? Weil sie durch die Hoffnung aufrechtgehalten wird. Sie ist eine würdige Tochter Abrahams, dessen Glaube urteilte, dass Gott mächtig sei, Isaak aus den Toten aufzuerwecken. Gott hatte ihr dieses Kind gegeben, und Er, der es durch den Tod wiedergenommen hatte, konnte es ihr durch Auferstehung zurückgeben. Nichts weniger als das erwartete sie von dem Manne Gottes.

Doch wie sie sich beeilt! „Treibe immerfort; halte mich nicht auf im Reiten", sagt sie zu dem Knaben. Sie hat den Gegenstand ihres Herzens verloren und wird nicht zur Ruhe kommen, bis sie ihn wiedergefunden hat. Maria von Magdala bietet uns ein ähnliches Beispiel. Unwissend ist sie freilich und wenig belehrt, aber sie will Jesum haben, koste es was es wolle: "Sage mir, wo du ihn hingelegt hast, und ich werde ihn wegholen". In demselben Augenblick findet sie Ihn auferstanden.

Jeder Aufenthalt ist verhängnisvoll; ein einziger verlorener Augenblick kann alles aufs Spiel setzen. Diese Frau findet erst Ruhe, als sie die Füße des Mannes Gottes umfasst. Jehova hatte diese Sache dem Propheten nicht kundgetan, und zwar aus verschiedenen Gründen. Wenn er die Gefahr gekannt hätte, so würde er nach Sunem geeilt sein, und das Kind wäre nicht gestorben. Seine Abhängigkeit von Gott wäre auf diese Weise nicht auf die Probe gestellt worden. Der Herr wusste, dass Lazarus sterben würde, denn Gott weiß alles, aber als abhängiger Mensch eilte Er aus demselben Grunde nicht nach Bethanien. Er hatte kein Wort von Seinem Vater, dies zu tun. Ferner, wenn Elisa die Gefahr gekannt hätte, würde die Sunamitin nicht "die Herrlichkeit Gottes gesehen haben", der die Toten auferweckt. Ein dritter Grund, die Sache vor dem Propheten geheim zu halten, war wohl der, dass der Glaube der Sunamitin bis zum Ende hin auf die Probe gestellt werden sollte. Er hätte nicht Gelegenheit gehabt, sich so völlig zu offenbaren, selbst wenn der Bote Gottes sich erst in dem Augenblick bei ihr eingestellt hätte, als der Knabe im Begriff war zu sterben. So aber hatte ihr Glaube ein vollkommenes Werk. Sie sagt: "Habe ich einen Sohn von meinem Herrn erbeten? Habe ich nicht gesagt: Täusche mich nicht?" Sie rechnet auf Den, dessen Verheißungen unbereubar sind und einzig und allein von Seiner Gnade abhängen, der die Verheißungen gibt, ohne dass man sie erbittet. Sie glaubt, dass, wenn auch die Menschen trügen, Gott nicht trügt. Wäre Elisa ein Mensch gewesen wie die übrigen, so hätte er sich täuschen, hätte etwas versprechen können, ohne es zu halten; aber er war der Vertreter Gottes, und ein Mann Gottes konnte so nicht handeln. Sie hat daher nur e i n e Zuflucht, die Treue ihres Herrn, und sie tut nichts anderes, kennt auch keinen anderen Weg, als sich an ihn zu wenden. Sie ist wirklich eine Frau, die nur mit „einem" beschäftigt ist. Ohne Zweifel „ist ihre Seele betrübt", aber sie hat Vertrauen zu der einzigen Zuflucht und findet auch volles Mitgefühl in dem Herzen dessen, an den sie sich wendet.

Doch nun wird ihr Glaube auf eine neue Probe gestellt. Elisa sagt zu Gehasi: "Gürte deine Lenden, und nimm meinen Stab in deine Hand und gehe hin; wenn du jemanden triffst, grüße ihn nicht, und wenn jemand dich grüßt, antworte ihm nicht; und lege meinen Stab auf das Angesicht des Knaben

Wird die Sunamitin als Heilmittel für ihre Herzensangst das Sinnbild des Wandels des Propheten annehmen, wenn es durch einen anderen als ihn getragen wird? Nein, ihr Glaube nimmt keinen Vermittler an, denn nicht Gehasi rettet oder kann retten. Sie hat in der Schule des Propheten gelernt, dass das Mittel, den Segen zu erlangen, in der beständigen Unterhaltung der Verbindung mit Dem besteht, Der die Quelle des Segens ist. "So wahr Jehova lebt", sagt sie, "und deine Seele lebt, wenn ich von dir lasse!" Dieselben Worte hatte Elisa einst an Elia gerichtet. Wie hätte der Mann Gottes diesem Glauben, der ihn selbst zum Beispiel nahm, widerstehen können? Wie hätte er sich weigern können mitzugehen? Konnte er wünschen, dass sie anders handle als er selbst? Nein; "er machte sich auf und ging ihr nach". Gehasi war ihnen voraufgegangen, doch der Stab des Propheten genügte nicht, um das Kind ins Lebens zurückzurufen. Es reicht nicht aus, dass man die Macht in Händen hat. Die Jünger, die den Herrn umgaben, hatten von Ihm "Kraft und Gewalt empfangen über alle Dämonen, und Krankheiten zu heilen" (Luk. 9, 1), und doch, als sie einen Besessenen heilen sollten, "konnten sie es nicht" (V. 40). Warum nicht? Es hing ab von ihrer persönlichen Gemeinschaft. Wenn sie Glauben gehabt hätten wie ein Senfkorn, so würden sie Berge versetzt haben; aber diese bösen Geister fuhren nur aus durch Gebet und Fasten. Ein persönlicher Zustand der Abhängigkeit und der Absonderung vom Bösen ist erforderlich, um von der Macht Gebrauch machen zu können. Dieser Herzenszustand fehlte dem Gehasi, wie wir später sehen werden.

Unterdessen lag das Kind bei verschlossener Tür auf dem Bett des Propheten. Elisa geht hinein und schließt die Tür hinter ihnen beiden zu. Er will sich mit dem Kinde völlig eins machen im Tode. Und welche Mühe, welche Angst, welche Arbeit der Seele! Er hat nicht eher Ruhe, als bis er sein Werk vollendet hat, indem er den Platz des Toten einnimmt, um ihm das Leben mitzuteilen. Das Kind schlägt seine Augen auf.

Außer anderen kostbaren Unterweisungen, welche diese Szene uns darbietet, findet man darin, wie ich nicht zweifle, bildlich den Tod und die Auferstehung Israels. Am Ende der Zeiten werden die, welche gottesfürchtig und treu sind unter dem Volke, welche, wie die Sunamitin, ihr Volk als das Kind der unfehlbaren Verheißung Gottes betrachten, die Hoffnung nicht aufgeben, obgleich das Volk in moralischem Sinne tot ist. Ihr Glaube wird in Bezug auf Israel in Tätigkeit treten. Überzeugt davon, dass der Geist Gottes allein es auferwecken kann, wird es seinen Zustand mit dem Kreuz und dem Grabe eins machen, wo der Messias, der Retter Israels, für Sein Volk gelitten und gelegen hat.

Ihr Glaube wird den Herrn gleichsam auf dem Karmel aufsuchen, wo Er Sich befinden wird im Genuss des himmlischen Schauplatzes Seines Reiches, ehe Er den irdischen Teil des Reiches einführt. Dann werden sie lernen und durch den Geist verwirklichen, dass die Mühsal der Seele Christi das Wiederaufleben Seines Volkes bezweckte, und sie werden von Seiner Hand, wie in Hesekiel. 37, ein neues Volk empfangen, die Frucht dieser Mühsal und gezeugt vom Heiligen Geiste. Der Tod wird von ihnen als eingetreten erkannt werden im Augenblick der Erntearbeiten; diese werden nicht unterbrochen, und Israel bekommt das Leben wieder, bevor das Korn in den Speicher gesammelt ist. Der Überrest empfängt schließlich alles, was sein Herz begehrt hat. So entrollt sich in diesen Szenen, die so voll praktischer Unterweisung für unsere Seelen sind, der Gedankenkreis Gottes bezüglich Seines alten Volkes.

„Und Elisa rief Gehasi und sprach: Rufe diese Sunamitin. Und er rief sie, und sie kam zu ihm herein. Und er sprach: Nimm deinen Sohn. Da kam sie und fiel ihm zu Füßen und beugte sich zur Erde nieder; und sie nahm ihren Sohn und ging hinaus".

Rufe sie! ... Wie bewegt muss die Sunamitin bei diesem neuen Anruf gewesen sein! Das erste Mal (V. 12) hatte der Prophet sie gerufen, um den kostbaren Glauben, den sie besaß, auf die Probe zu stellen; das zweite Mal (V. 15), um ihr das Kind der Verheißung, einen Gegenstand für ihr Herz, zu geben. Das dritte Mal ... was wollte er ihr geben, da doch die Trauer ihre Seele erfüllte? O, sie zweifelt nicht daran, er will ihr ihren Sohn geben, in einem ganz neuen Charakter, ihren auferweckten Sohn. Diese Freude können keine Worte ausdrücken, ihr Herz ist zu voll, um sich kundzutun; sie beugt sich schweigend nieder, sie betet an!

Geliebte christliche Leser, habt ihr die gleichen Erfahrungen gemacht? Ihr habt zunächst Christum kennengelernt als Den, der für euch durch den Tod gegangen ist, der alle Todesqual erduldet hat. Sicher, die Freude, die ihr bei dieser Errettung geschmeckt habt, war groß. Aber seid ihr dabei stehengeblieben? Oder habt ihr euch auch einem auferstandenen Christus gegenüber befunden? Wenn das letzte nicht der Fall ist, so habt ihr nur ein halbes Christentum, eine halbe Freude, einen halben Gegenstand für euren Glauben. Habt ihr Christum dagegen unter diesem Charakter, als den Auferstandenen kennengelernt, so könnt ihr, wie die Sunamitin, euch niederbeugen, euren Sohn nehmen und hingehen. Euer Teil ist vollständig; es fehlt euch nur noch, in den Besitz eures Erbteils mit ihm einzutreten, und das werden wir nachher in der Schlussszene der Geschichte dieser Frau vorgebildet finden.

Fußnote:

*6) Es ist bemerkenswert, dass das Wort gewöhnlich reiche Leute wählt als Beispiele von solchen, welche das Heil nicht erlangen. Mit Ausnahme des zweiten Räubers am Kreuze entsinne ich mich keines Falles, in welchem ein Armer als Beispiel von solchen genommen wäre, die das Heil verlieren. Judas trug die Kasse; er war der einzige unter den Jüngern, der etwas hatte. Das Evangelium wurde den Armen gepredigt, und die Reichen, wie der in der Geschichte des Lazarus, hatten ihr Teil in diesem Leben. Die Scheunen des Reichen, dessen Seele in der Nacht gefordert wurde (Luk. 12, 20), hatten Über­fluss an Getreide. Die Reichen im Jakobusbriefe, die in den letzten Tagen Schätze gesammelt und den Gerechten verurteilt hatten, verfallen dem Fluche. Es waren Reiche, die in dem Gleichnis von dem großen Abendmahl sagten: "Halte mich für entschuldigt", und die darauf verworfen wurden. Der reiche und so liebenswürdige Jüngling beraubt sich selbst des Heils, als es sich darum handelte, alles aufzugeben, um Jesu nachzufolgen. Der verlorene Sohn war reich, als er seinen Vater verließ, aber von allem entblößt, als er zu ihm zurückkam.

Aber es gibt auch Ausnahmen von diesem Fluche, den der Reichtum mit sich bringt, denn wenn die Rettung eines Reichen auch bei Menschen unmöglich ist, bei Gott sind alle Dinge möglich. Die Sunamitin gibt uns dafür ein kost. bares Beispiel. Zachäus, der Oberzöllner, der Jesum in sein Haus aufnahm, und Joseph von Arimathia, der für den Herrn in Seinem Tode Sorge trug, waren auch reiche Männer (Matth. 27, 57).

@@@@@@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige 4,38 - 41

Botschafter des Heils 1911 S. 197ff

KAPITEL 4, 38‑41 Der Tod im Topf

Eine neue Szene bietet sich unserer Aufmerksamkeit dar. Anstatt nach dem Karmel zurückzukehren, begibt sich Elisa nach Gilgal. Der Geist Christi, der durch den Propheten dargestellt wird, bringt dort die Söhne der Propheten zusammen. Es handelt sich für sie um eine gemeinsame Segnung. Der Überrest kann nur gesegnet werden, indem er sich an der Stätte der Beschneidung, der Buße und des Selbstgerichts vereinigt.

„Es war eine Hungersnot im Lande". Während das Land Israels unter der Schwere dieser Drangsal liegt, ein Bild der zukünftigen Trübsal, findet der schwache Überrest an dem Orte, wo er sich bei Elisa aufhält, das was er zu seinem Unterhalt bedarf. Außerhalb dieses Ortes, entfernt von dieser Person, würde er ohne Hilfsmittel sein gleich den übrigen. Die Buße und Christus, im Geiste bei ihnen, werden am Ende der Tage den Treuen genügen, wie groß auch ihre Hilflosigkeit und der sie umgebende Verfall sein mögen. Sie werden genügende Nahrung finden in dem „großen Topf" des Propheten, der ihnen ihren Unterhalt nicht kärglich zumessen wird.

Doch einer der Söhne der Propheten sammelt, um die gemeinsamen Hilfsmittel zu vermehren, sein Kleid voll Früchte, die er für zuträglich für alle hält. Diese durch den Menschen in seiner Unkenntnis gesammelten Früchte bringen den Tod in den Topf". Die ganze Speise ist vergiftet, und alle sehen sich auf diese Weise in dieselbe große Not versetzt wie das Volk. Der arme Überrest muss notwendigerweise die Macht des ihn bedrohenden Todes fühlen und muss erkennen, dass dieser Tod das Ergebnis seiner Arbeit und seines Mangels an Unterscheidungsvermögen ist. Was hätten die Söhne der Propheten der Nahrung Elisas hinzufügen können? Wenn die Felder Israels kein Getreide hervorbrachten, so trugen sie doch Gift in Überfluss. Das wird die ganze Frucht sein, welche das Gebiet des abtrünnigen Königs, des Menschen der Sünde in den letzten Tagen, ihnen verschaffen kann, die ganze Frucht andererseits, die ihr Fleisch wird ernten können.

„Da sprach Elisa: So holet Mehl her! Und er warf es in den Topf". Das Mehl oder, mit anderen Worten, die vollkommene Menschheit Christi, das ist es, was den Inhalt des Topfes gesund macht. Alle Tätigkeit des Fleisches kann nur eine todbringende Speise daraus machen. Aber sobald sie sich an den Propheten wenden, ist das Heilmittel gefunden. Ein einziger Mensch kann sie retten und ihrer Lage abhelfen. Das fühlen sie, und ihr erster Gedanke, unter dem Eindruck der Macht des Todes, ist der Mensch Gottes. „Aus der Tiefe" rufen sie zu Ihm. Wer wird bestehen, wenn Er "auf ihre Ungerechtigkeit achtet"? Sie harren auf Ihn; „bei ihm ist die Güte". Bei Ihm versammelt, ist die Vollkommenheit Seiner Menschheit ihr einziger Schutz und wird selbst zu ihrer Speise. Er hat in Seiner heiligen Person alle schädlichen Folgen der Einmischung des Menschen in die Arbeit Gottes aufgehoben. Elisa, Christus im Geiste bei ihnen, öffnet ihnen einen Quell der Rettung durch die Erkenntnis dessen, was Er als Mensch hienieden für diejenigen ist, die Ihn durch den Glauben ergreifen. "Es war nichts Schlimmes mehr im Topf". „Schütte es aus für die Leute, dass sie essen".

KAPITEL 4, 42‑44 Der Mann von Baal‑Schalischa

„Und ein Mann kam von Baal-Schalischa und brachte dem Manne Gottes Brot der Erstlinge, zwanzig Gerstenbrote, und Gartenkorn in einem Sacke". Ein neues Nahrungsmittel, vollkommener als das vorige, wird den Söhnen der Propheten gebracht, die Elisa zu Gilgal umgeben. Da sind zunächst zwanzig Gerstenbrote, eine ärmliche Speise, welche, wie in dem Traum des Midianiters (Richter 7), einen erniedrigten Christus darstellt; sodann Korn in der Ähre, die ersten im Lande Kanaan geernteten Früchte, das Bild eines auferstandenen Christus, das Korn, welches Israel einst an demselben Orte nach dem Durchgang durch den Jordan gekostet hatte. So wird der Überrest am Ende der Tage nach und nach beim Selbstgericht alle Hilfsmittel kennenlernen, die er in Christo besitzt. Diese Hilfsmittel werden ihm durch den Herrn selbst zugewiesen werden, der im Geiste bei ihnen ist. Er wird Seine Armen mit Brot sättigen, wie Er es während Seiner Laufbahn hienieden getan hatte. Er wird die schwache Erkenntnis, die der Überrest besitzt, fruchtbringend machen. „Gib es den Leuten, dass sie essen" ‑dieselben Worte, welche Elisa bei der wieder genießbar gemachten Speise gesprochen hatte. Der Gedanke, ihre eigene Arbeit dieser Speise hinzuzufügen, kommt ihnen nicht mehr, denn sie ist vollkommen. Es bleibt ihnen davon übrig nach dem Worte Jehovas, gerade so, wie den 5000 Männern zur Zeit Jesu. Was fehlt ihnen nun noch?

Dieses ganze Kapitel zeigt uns den Weg, auf welchem der treue Überrest unter der Leitung des Heiligen Geistes geführt werden wird, nachdem er Kenntnis erlangt hat von der Mühsal der Seele Christi, um ihn (durch Selbstgericht und durch die Erfahrung eigener Unfähigkeit zu allem Guten, wovon seine ganze Tätigkeit betroffen wird) zum Leben zurückzuführen, und zwar bis zur Befriedigung all seiner Bedürfnisse, indem er einen Menschen, Christus, kennengelernt, der heiliges Leben in die Mitte des Todes gebracht hat, und indem ihm der Wert eines erniedrigten und dann auferstandenen Christus zum Bewusstsein kommt, als ihrer Nahrung im Überfluss. "Sie ließen übrig nach dem Worte Jehovas". Andere können sich davon nähren; dieses Mahl wird in Gnaden allen angeboten.

Wir sahen also in diesem Kapitel die Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters an unserem Auge vorüberziehen, nicht ohne darin eine Segensquelle für uns selbst zu finden. Im 2. Kapitel entdeckten wir in der Person Elisas den Geist Christi, der in Gnade zu dem Überrest gesandt wird, im 3. Kapitel den Geist Christi, der Israel verwirft, um nur noch auf Juda Rücksicht zu nehmen, der aber doch noch gegen alle in Gnade handelt, und schließlich im 4. Kapitel die Hilfsmittel, die der Geist Christi für den entfaltet, welcher unter dem Volke treu ist, und endlich für die Söhne der Propheten, die alle Wandlungen einer Trübsal durchmachen, in welcher ihr Glaube tief geübt wird.

Was für eine Welt war damals! Was für eine Welt ist die unsrige! Was für eine Welt wird die des Endes sein! Doch der Herr hat zu jeder Zeit einen Überrest, den Er liebt, den Er Stützt, erfreut und nährt der in Seinen Augen das wahre Salz der Erde ist.

KAPITEL 5 Naaman

Der Schauplatz ändert sich. Während der Abtrünnigkeit des Volkes beschäftigt sich Elisa mit den Heiden und wird das Mittel zu ihrem Heil und zu ihrer Reinigung. Wenn das 2. Kapitel wie eine kurze bildliche Darstellung der ganzen zukünftigen Geschichte Israels erscheint, so lasst uns nicht aus dem Auge verlieren, dass auch die folgenden Erzählungen, die so viel gegenwärtige Wirklichkeit für unser Herz und Gewissen haben, zu gleicher Zeit „prophetische Schriften" sind, deren bildliche Anwendung nicht übersehen werden darf. In einem gegebenen Augenblick, wenn der prophetische Geist den treuen Überrest Israels um den Namen des Messias gesammelt haben wird, werden die Nationen, die hier durch Naaman dargestellt werden, gezwungen sein, das Volk Gottes aufzusuchen, welches sie vorher unterdrückten. Um von ihrem Aussatz und ihrem Schmutz gereinigt zu werden, wird es keine andere Hilfsquelle für sie geben, als den Gott Israels. Die Gläubigen des Endes, diese Gefangenen der Nationen, werden ihnen, gleich dem jungen Mädchen aus Israel, von dem unser Kapitel redet, den Weg zur Heilung zeigen; sie werden sie hinweisen auf die Propheten, auf die dem Volke gegebenen Aussprüche, und werden sie Jehova, den Gott Israels, als ihr einziges Rettungsmittel erkennen lassen. Dieses Ereignis von unermesslicher prophetischer Bedeutung wird uns unter dem Bilde eines einzigen Mannes, Naaman, dargestellt, wie einst bei der Eroberung Kanaans ein einziges Weib, Rahab, das Bild der Zulassung der Heiden zu dem Volke Gottes war. Der Grund hiervon ist wohl der, dass dieser Gegenstand bis hierher in der Geschichte des Volkes Israel und seiner Könige nur nebenbei und sozusagen auf geheimnisvolle Weise entschleiert wird. Die Propheten enthüllen ihn später völlig. Für den Augenblick wird er an der richtigen Stelle in die Erzählung der Laufbahn Elisas eingeschaltet. Da die zukünftige Rolle der Nationen hier nur angedeutet wird, wollen wir nicht länger dabei verweilen.*7)

Indem wir jetzt auf die Einzelheiten dieser Geschichte eingehen, die so oft erläutert worden ist und sich so besonders dazu eignet, den Seelen das Evangelium vorzustellen, wollen wir sie für uns benutzen, um die Wahrheiten hervorzuheben, die uns persönlich getroffen haben.

„Naaman, der Heeroberste des Königs von Syrien, war ein großer Mann vor seinem Herrn und angesehen; denn durch ihn hatte Jehova den Syrern Sieg gegeben; und der Mann war ein Kriegsheld, aber aussätzig". Naaman war nach dem Urteil der Welt ein Held; seine großen Eigenschaften hatten ihm unter den Menschen einen Namen erworben. Diese errichten denen unter ihnen, die sie überragen, Denkmäler. Er stand bei seinem König in hohem Ansehen und genoss die Achtung seines Volkes. Seine Tapferkeit und Macht waren allen bekannt; er war sogar in den Händen Jehovas das Werkzeug zur Befreiung seines Volkes gewesen. Was fehlte ihm noch? Die Welt würde sagen: nichts ; der Gläubige antwortet: alles. Die von dem Menschen am meisten beachteten Gaben, die höchste Stellung, die ein Mensch erlangen kann, die größten Vorzüge, deren er sich rühmen mag, werden verdorben und aufgehoben durch eine einzige Sache ‑ die Sünde.

Naaman war aussätzig; an seiner Person haftete eine offenbare Unreinheit. Was nützten ihm die Zeichen seiner Würde, der ganze äußere Glanz seiner Machtstellung? Sie dienten nur dazu, die tiefe Erniedrigung, in welche seine Krankheit ihn gebracht hatte, um so mehr hervortreten zu lassen. Prächtige Kleider auf einem Leichnam heben die Verwesung, welche sie bedecken, nur um so schärfer hervor. Konnte es einen Augenblick wahrer Befriedigung für diesen Mann geben, während der Aussatz sein Fleisch wegfraß und ihn langsam aber sicher seinem schrecklichen Tode entgegenführte? Glücklich diejenigen, welche, wie Naaman, ein Bewusstsein ihres Zustandes vor Gott haben! Nur zu oft begnügen sich die Menschen damit, sich selbst und andere dadurch zu täuschen, dass sie ihre Unreinheit mit eitlem Flitterwerk bedecken; und so, über ihren Zustand die Augen schließend, gehen sie einem unerbittlichen Schicksal entgegen.

Welch ein Gegensatz zwischen dem jungen israelitischen Mädchen (V. 2) und diesem Manne! Ein armes, in den Augen der Welt unbedeutendes Wesen, von ihren natürlichen Stützen und allen dem Volke Gottes gehörenden Segnungen getrennt, eine Gefangene und eine Sklavin des Weibes Naamans, so stand sie in Niedrigkeit vor ihrer Herrin, während er mit Stolz das Haupt vor seinem König erheben konnte. Was besaß denn dieses Kind? Wir wiederholen: die Welt sagt: nichts; der Gläubige antwortet: alles! Sie kannte den Propheten und die Macht des Wortes Gottes, dessen Mund er war. "Ach", sagt sie, "wäre doch mein Herr vor dem Propheten, der zu Samaria wohnt!" Beklagt sie sich über ihr Los? Sie denkt nicht daran, da sie einen Schatz besitzt, den mitteilen zu können ihr Glück ausmacht. Ihr Glaube kennt keine Ungewissheit, und das ist immer das Kennzeichen des Glaubens. Wenn doch nur Naaman mit dem Propheten in Berührung gebracht werden könnte! Sie weiß , "er würde ihn von seinem Aussatz heilen". Dieses Kind ist eine wahre Evangelistin. Der Evangelist kann keinen Sünder erretten, aber er kann ihm den Weg des Heils zeigen; er hat Interesse an seinem Los, und die Liebe ist die Triebfeder seines Handelns. Er hat keine Augen für sich selbst, wie verächtlich auch seine eigenen Umstände sein mögen; sondern in dem Besitz eines Glückes stehend, welches ihn über alles erhebt, versteht er das Elend der anderen und bietet ihnen mit voller Überzeugung das an, was sie glücklich machen kann. "Ich wollte zu Gott", rief in späteren Tagen der Apostel Paulus dem König Agrippa zu, "dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin, ausgenommen diese Bande!"

Doch noch mehr als dieses junge Mädchen, das Er benutzte, interessierte Gott Sich für Naaman. Hatte Er ihn nicht schon ohne sein Vorwissen zur Ausführung Seiner Pläne gebraucht? (V. 1). Nur kannte Naaman bis dahin Gott nicht; er hatte daher noch alles zu lernen. Aber die Worte des Kindes finden ein Echo in seinem Herzen, entsprechen seiner geheimen Not und erwecken einen Wunsch in ihm, von dem er sich vielleicht kaum Rechenschaft zu geben wagte. Sein erster Gedanke ist, sich an seinen Herrn zu wenden. Möglicherweise konnte der ihm den Weg zur Befreiung öffnen.

„Geh, ziehe hin", sagt der König von Syrien, „und ich will an den König von Israel einen Brief senden". Der mit den göttlichen Hilfsquellen gänzlich unbekannte Herrscher will als König mit dem König das Heil seines Dieners erörtern; ein treffendes Beispiel von dem Unverstand der Welt. Es kommt ihm nicht einmal in den Sinn, dass Gott etwas tun könne; da er ohne Gott in der Welt ist, ist der Mensch seine einzige Hilfsquelle. Der Brief, den er an den König von Israel schreibt, beweist das. „Siehe, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, dass d u ihn von seinem Aussatz heilest".

Naaman selbst ist mit dem Mittel, durch welches er geheilt werden kann, völlig unbekannt: „er ging hin und nahm mit sich zehn Talente Silber und sechstausend Sekel Gold und zehn Wechselkleider". Das alles ist nicht verwunderlich, da es von einem götzendienerischen Heiden kommt; doch was soll man von dem König von Israel sagen, dem die in seinem eigenen Reiche befindlichen Hilfsquellen ebenso unbekannt sind, wie denen aus den Heiden? Joram hatte, wie wir gesehen haben, eine Art Volks-Religion, die, ohne gerade der Baal-Kultus zu sein, nicht mehr Wert hatte als dieser. Der Dienst des wahren Gottes übte auf sein Gewissen nicht mehr Einfluss aus, als auf seinen Genossen in Syrien. Elisa beachtete ihn nicht und hatte ihn dies bei einer früheren Gelegenheit (Kap. 3, 14) wissen lassen. Joram liest den Brief, zerreißt seine Kleider und ruft aus: „Bin ich Gott, um zu töten und lebendig zu machen, dass dieser zu mir sendet, einen Mann von seinem Aussatz zu heilen?" Gott, der Seine Hand in dieser Angelegenheit hat legt das Zeugnis in den Mund dieses gottlosen Königs, dass Gott allein , der töten und lebendig machen kann, ein solches Werk zu vollbringen vermag. Was vermöchte auch der Mensch gegen die Macht des Todes, oder was könnte er tun, um das Leben zu geben? Der Beweis, dass Jehova beides vermochte, war in der Mitte Israels bereits erbracht worden; die Sunamitin hatte Ihn unter diesen beiden Gesichtspunkten kennengelernt. So ist es heute noch. Diese Welt ist der Schauplatz einer Macht gewesen, die den Tod, die Folge der Sünde, zunichte macht und ein Auferstehungsleben mitteilt durch den zu diesem Zweck vom Himmel gesandten Menschen.

Ebenso wenig wie der König von Syrien, weiß dieser arme König von Israel Naaman zu dem Propheten zu senden, der in seinem eigenen Lande so große Dinge getan hat. Eine kleine Sklavin wusste viel mehr davon als er; sie hatte Teilnahme für Naaman, die Joram nicht haben konnte. Indem sie mit seinem elenden Zustand, der dem König gleichgültig war, Mitleid hatte, kannte sie die Hilfsquelle, die dem König unbekannt war, trotzdem sie sich in seiner nächsten Nähe befand.

Elisa hört, dass der König von Israel als Zeichen der Verzweiflung seine Kleider zerrissen habe. jetzt, und nicht eher, schreitet Gott ein; denn um Seine Herrlichkeit zu offenbaren, will Er vorher die Ohnmacht des Menschen klar festgestellt sehen. „Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn doch zu mir kommen, und er soll erkennen, dass ein Prophet in Israel ist", ‑ ein Wort, das geeignet ist, das Gewissen des Königs zu erreichen, indem es ihn verurteilt. Wusste er, zu wem er Naaman senden sollte? Hatte er eine Ahnung davon, dass ein Prophet in Israel war, und war er nicht für diese Unkenntnis verantwortlich? Sein Bekenntnis ohne Leben setzte ihn viel mehr dem Gericht Gottes aus, als die Unwissenheit eines götzendienerischen Herrschers diesen verantwortlich machte. Doch das Wort des Propheten richtet sich nicht an ihn, sondern vermittelt die Kenntnis des wahren Gottes einem Unglücklichen, der Ihn nicht kennt und nun in Ihm Heil finden wird. Das Wort verurteilt den König von Israel und bringt Naaman die Gnade. „Er soll erkennen“, sagt Elisa.

Dieser große Mann weiß noch nichts. Er kommt zu dem Propheten „mit seinen Rossen und mit seinen Wagen", den Zeichen der Macht des Menschen, und hält "am Eingang des Hauses Elisas", indem er von ihm den Ausdruck der Ehrerbietung erwartet, auf welche er nach dem Urteil der Welt ein Anrecht hat. Aber weder seine Macht, noch seine Würde, noch seine Verdienste haben irgendeinen Wert, wenn es sich darum handelt, mit Gott in Verbindung zu kommen; das ist die erste Aufgabe, die er lernen muss.

„Und Elisa sandte einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Gehe hin und bade dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder werden, und du wirst rein sein". Anstatt persönlich zu kommen, sendet ihm der Prophet eine Botschaft. So ist es auch heute mit dem geschriebenen Wort. Diese Botschaft genügt völlig, um den Aussatz zu heilen. Das Wort enthält, da es die Offenbarung aller Gedanken Gottes ist, tausend andere Dinge neben dieser Botschaft; aber diese, die sich an den sündigen Menschen richtet, enthält nur eines davon, und zwar eines der einfachsten, das Heilmittel gegen die Sünde, und ein anderes Heilmittel gibt es nicht. „Gehe hin und bade dich siebenmal im Jordan". Diese Aufforderung macht alle Gedanken Naamans zunichte. Er gerät in Zorn und zieht weg. ‑ Wenig fehlte, so wäre er ebenso aussätzig in sein Land zurückgekehrt, wie er von dort gekommen war; und warum? Weil er dachte, der Prophet würde für den Heerobersten von Syrien etwas Großes tun. "Er wird gewisslich zu mir herauskommen und hintreten und den Namen Jehovas, seines Gottes, anrufen, und wird seine Hand über die Stelle schwingen und so den Aussätzigen heilen". Wie mancherlei sollte Elisa nach Naamans Meinung tun, um zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen! Aber nichts von dem allen geschieht. Die Botschaft ist von der größten Einfachheit. Der Prophet braucht nicht persönlich zu kommen; sein Wort hat denselben Wert wie er, da es das Wort Gottes ist. Und weiter, das Heilmittel braucht nicht erst gefunden zu werden; es besteht, es ist da. Es ist der Fluss des Landes Kanaan, dessen Kraft immer ohne Unterbrechung fließt, und der einem Aussätzigen, welcher sich darin untertaucht, zur Verfügung steht. Naaman dachte: "Der Prophet wird tun "; Elisa lässt ihm sagen: "Gott hat getan." "Gehe hin und bade dich". Er wendet sich nur an den Glauben. Naaman muss glauben was Gott ihm sagt ... etwa weil die Sache verständlich ist? nein, ‑ weil sie möglich ist? Ebenso wenig, ‑ sondern weil Gott es gesagt hat. Das bringt alle Gedanken des Menschen bezüglich der Errettung in Verwirrung. War es nicht ebenso, als Jesus zu dem Blindgeborenen sagte: "Gehe hin und wasche dich im Teiche Siloam"?

Was ist denn dieser Jordan, in dem man gereinigt wird und gleichsam eine neue Geburt erlangt? Wir haben es im Laufe unserer Betrachtungen gesehen: der Jordan ist der Tod (aber der Tod mit Christo), durch den wir gehen müssen, um von der Sünde befreit zu werden. Die ganze Fülle dieses Todes (daher das siebenmalige Untertauchen) muss zu diesem Zweck auf uns angewandt werden; wir müssen hier das Ende von uns selbst gefunden haben, so dass wir mit dem Apostel sagen können: "Ich bin mit Christo gekreuzigt". Naaman wünschte etwas anderes, aber wenn Gott getan hätte was Naaman dachte, so hätte Er einem Aussätzigen Kredit gewährt. Es gibt also ein Heil, dem gegenüber zehn Talente Silber, sechstausend Sekel Gold, zehn Wechselkleider und alle Würden, welche dieser große Heerführer besitzen mochte, nicht mehr gelten als ein roter Heller, ein Heil, völlig zubereitet, zu dessen Erlangung nichts anderes nötig ist als Glaubensgehorsam!

Der Tod! ... Aber, sagt Naaman, es gibt doch auch Flüsse zu Damaskus ‑ Abana und Parpar z. B.; sind sie nicht besser als der Jordan? Nein, der Tod, der nicht im Lande ' der Verheißungen Gottes fließt, ist nicht imstande, einen Sünder zu reinigen. Weit davon entfernt, seine Befreiung zu sein, würde er ihn vielmehr verdammen; denn was die Menschen zu erwarten haben, ist, einmal zu sterben und danach das Gericht. Der Jordan ist rächt das Bild dieses Todes, sondern des Todes Christi, unseres Todes, als von ihm erlitten, um uns davon zu befreien, so dass wir ihn nie zu erleiden haben werden. Zugleich ist es unser Leben, denn wie wir mit Ihm vereinigt sind in Seinem Tode, so sind wir es auch in Seiner Auferstehung.

Wenig fehlte, so wäre das Los des unglücklichen Naaman unabänderlich entschieden gewesen. Die Schrift sagt uns zweimal, dass er im Grimm wegzog. Doch Gott, der bisher alles geleitet hatte, wollte ihn retten, und Er benutzte dazu die Ermahnung der Knechte Naamans. Ihr Wort ist richtig: Gott könnte uns auftragen, etwas Großes zu tun; und wenn wir, wie Naaman, den heißen Wunsch hätten, gerettet zu werden, würden wir es dann nicht tun? Sicherlich. Warum trägt Gott uns denn nichts Großes auf? Weil es keinen Wert für Ihn hat. Es hat Ihm gefallen, Sich durch das Unedle und Verachtete zu offenbaren und durch das, was nicht ist, auf dass Er das, was ist, zunichte mache. Das ist die Schwachheit des Kreuzes, aber es ist die Kraft Gottes!

Fußnoten:

*7) Ich möchte darauf hinweisen, dass in Luk. 4, 27 Naaman ein Beispiel der Gnade ist, die über die engen Grenzen Israels hinausgeht, die Rechte des alten Volkes Jehovas nicht mehr anerkennt und mit den Heiden auf dem Boden der Auserwählung handelt. Die Geschichte Naamans entspricht also auch unseren gegenwärtigen Segnungen.

@@@@@

Ich fürchte nichts, du bist bei mir

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 224ff

Autor: K. B.

Du bist bei mir, mein Herr, mein Hirte,

beglückend Wort im Weltgewühl!

Mein Pfad der einstmals dornverwirrte,

führt herrlich jetzt zum ewgen Ziel.

Dein Nahsein macht mich froh und stille

im lauten Wirrsal dieser Zeit,

und hält mich vor der Sorgen Fülle

und vor dem Hauch der Welt gefeit.

Du bist bei mir. – So hilf mir wallen

den Pfad, den Huld und Gnade wies,

den schmalsten von den Wegen allen,

und doch den Weg ins Paradies!

Du bist bei mir, Dein Wort verheißt es,

im Herzen klingt es für und für;

glückselges Zeugnis Deines Geistes!

Ich fürchte nichts, Du bist bei mir.

@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 225ff

Naaman

Sobald Naaman durch den einfachen Glauben an das göttliche Wort die Kraft Gottes erfahren hat, führt ihn die Dankbarkeit zu dem Propheten zurück. Er wird in unmittelbare Verbindung gebracht, nicht mehr mit dem Werke, sondern mit der Person, die es vollbracht hat; er wird zu Gott geführt. "Siehe doch", sagt er, „ich erkenne, dass es auf der ganzen Erde keinen Gott gibt, als nur in Israel". Er erkennt Gott und, beachten wir es, er erkennt Ihn zu einer Zeit und in einer Umgebung, wo von seiten des Menschen alles verdorben ist. In der Geschichte Israels war alles verändert, aber Gott ver­ändert Sich nicht; Seine Kraft und Seine Hilfsmittel sind so unversehrt wie in den glücklichsten Zeiten. Der Glaube Naamans lernt den Gott Israels zu einer Zeit kennen, da Israel selbst Ihn nicht mehr kennt. Er tritt herzu und möchte Ihm etwas geben, Ihm ein Geschenk darbringen. Es ist die Hingebung eines Herzens, welches versteht, dass es dem Gott, der es gerettet hat, alles schuldig ist; aber trotz seiner dringenden Bitten weist der Prophet seine Anerbietungen zurück. Im Anfang wollte Naaman geben, um zu empfangen; jetzt will er geben, weil er empfangen hat. Doch beides kann nicht sein; er muss lernen, dass, wenn Gott gibt, es geschieht, um noch mehr zu geben, denn Seine Reichtümer sind unerschöpflich. Da Sein Tun ganz „umsonst" ist, duldet Er nichts, was auch nur scheinbar demselben einen anderen Charakter verleihen könnte.

Durch den Glauben erleuchtet, versteht Naaman dies schnell. „Wenn nicht", sagt er, „so werde doch deinem Knechte die Last eines Maultiergespannes Erde gegeben ; denn dein Knecht wird nicht mehr anderen Göttern Brandopfer und Schlachtopfer opfern, sondern nur Jehova". Er bittet um etwas Geringes, das aber für ihn von großem Werte war, um eine Gabe, die gut zu dem passte, was er empfangen hatte; denn Gott hatte ihm etwas Geringes vorgestellt, und doch hatte es ihm ein so großes Heil verschafft! Da er nicht in Kanaan bleiben kann, wünscht er gerade genug von dem Lande der Verheißung mitzunehmen, um daraus den Opferaltar errichten und den Dienst des wahren Gottes einführen zu können. In dieser „Last eines Maultiergespannes" nimmt er Kanaan mit und findet so eine Stätte für den Dienst und die Anbetung; denn die von Gott entfernte Welt bot ihm nicht den geringsten Platz, wo der wahre Gottesdienst hätte ausgeübt werden können. So wird Gott bei ihm sein wie ein kleines Heiligtum". Ähnlich ist es heute für die Kinder Gottes, die am Tische des Herrn vereinigt sind; obwohl in dieser Welt gelassen, können sie den Himmel, ihr Kanaan, den Altar, das Gedächtnis des Opfers und den Gottesdienst verwirklichen. Hier wird Naaman endlich Gott etwas darbringen können; und hier bringen auch wir die Frucht der Lippen dar, die Seinen Namen preisen.

Naaman ist jedoch noch nicht am Ende seiner Fragen angelangt. „Wenn mein Herr in das Haus Rimmons geht, um sich daselbst niederzubeugen, ‑ denn er lehnt sich auf meine Hand, und ich beuge mich nieder im Hause Rimmons, ‑ ja, wenn ich mich niederbeuge im Hause Rimmons, so möge doch Jehova in diesem Stücke deinem Knechte vergeben". Das Leben des Gläubigen kann nicht ohne Fortschritt oder Gewissenstätigkeit sein; er fühlt mit allem Recht seine Schwachheit in seinen Beziehungen zu der Welt und wie viel er dabei seinen Gott verunehren könnte durch unüberlegtes Handeln und durch die Schwierigkeiten, welche seine Stellung mit sich bringt. Wir finden hier selbstverständlich nicht einen starken Glauben, aber es ist Lauterkeit des Herzens bei diesem Neubekehrten vorhanden. Er wird lernen müssen, dass die von ihm vorausgesehenen Schwierigkeiten für Gott nicht bestehen, und bezüglich seines Verhaltens wird Gott über ihn wachen, indem Er ihm täglich für jeden Schritt das nötige Licht darreichen wird. Es ist eine Sache des Glaubens. Gott unterrichtet uns nicht im Voraus über jede Schwierigkeit, der wir begegnen werden. Oft verschwindet das vor uns, was uns ein unvermeidliches Hindernis zu sein schien; überlassen wir es Gott, die Umstände zu leiten, so wird es keine geben, über welche ein einfältiger und abhängiger Glaube nicht hinwegkommen könnte.

,Gehe hin in Frieden", sagt der Prophet. Mit anderen Worten: Beschäftige dich nicht im Voraus damit, lass dir deine Freude nicht nehmen durch den Gedanken an das, was dir vielleicht zustoßen könnte. Gott ist mächtig, für alles Rat zu schaffen. Das Wichtige für heute ist, hinzugehen in Frieden ohne eine Frage zwischen dir und dem Gott, der dich errettet hat. Überlass dem morgigen Tage das Seine. Welch göttliche Weisheit, welche Stärkung für die Seele liegt in dieser einfachen Antwort: "Gehe hin in Frieden"!

Kaum hat Naaman die Errettung, die Erkenntnis des wahren Gottes und den Frieden empfangen, so macht sich der Feind ans Werk, um das zu zerstören, was Gott aufgebaut hat. Das Werkzeug, welches er benutzt, ist Gehasi, der Diener des Propheten selbst. Ein hassenswürdiger Charakter! Dieser Mensch hatte also in der Schule seines Herrn nichts gelernt! Das Vorbild, das er so lange geschaut, hatte keine Frucht in seinem Herzen hervorgebracht. Er hatte Elisa begleitet, wie dieser einst den Elia, indem er ihn in gleicher Weise bediente. Elisa hatte auf diesem Wege der Hingebung und Verleugnung die Gemeinschaft mit Gott, Erkenntnis, Kraft und ein zwiefaches Teil des Heiligen Geistes gefunden. Und Gehasi? ‑ Und doch hatte sein Herr ihn als Werkzeug zur Segnung der Sunamitin benutzt, indem er ihn sogar mit seinen Absichten betreffs des Guten, das er dieser Frau tun wollte, bekanntmachte. Gehasi hatte den Stab des Elisa getragen, war Zeuge der Auferweckung des Knaben gewesen, hatte die Mahlzeit der Propheten bereitet, hatte als Vermittler gedient, wie später die jünger Jesu, um das Volk zu speisen. Aber alles war vergessen, und zwar durch dieselben Beweggründe, die Judas Iskariot dahin brachten, den Herrn zu verraten. Die Dinge der Welt, Habsucht und Geldgier hatten sich seiner bemächtigt. Da er hauptsächlich mit Armen in Berührung kam, waren seine Begierden bis dahin nicht durch die Versuchung des Reichtums aufgereizt worden, aber der Anblick Naamans, dieser hochgestellten Person, und der Schätze, die er so freigebig anbot, brachte ans Licht, was bis zu diesem Tage im Innern seines Herzens verborgen gewesen war. Allen vorangegangenen Segnungen, auch denen, die notwendigerweise auf die ersten gefolgt wären, ‑ denn wenn wir treu sind, verfehlt Gott nicht, unsere geistlichen Segnungen zu vermehren, ‑ diesem allen zieht Gehasi das Geld, den Reichtum vor, ohne einen Augenblick daran zu denken, dass seine Begierde das göttliche Gericht über ihn bringen muss.

Doch das ist noch nicht die ernsteste Seite seines Verhaltens. Er läuft Gefahr, in den Augen dieses jungen, noch unerfahrenen und ganz in der Freude seiner Heilung stehenden Gläubigen, wie auch in den Augen seines Gefolges den Charakter Gottes, dessen Vertreter der Prophet ist, zu verunglimpfen. Das ist ‑ jeder um die Ehre Christi besorgte Christ wird es tief fühlen ‑ der hassenswürdigste Zug in der Tat Gehasis. Er stellt den Diener Jehovas und zugleich die freie Gnade Gottes bloß; er könnte, wenn es nur von ihm abhinge, diesen Wiedergeborenen zu dem gesetzlichen Gedanken einer Verpflichtung, zu einem Joch der Knechtschaft zurückführen, indem er ihm die unverdiente Freude seiner Errettung nähme. Gehasi zieht die verlockenden Reichtümer dem ewigen Wohl einer Seele vor; er gehört zu denen, die einen Stein des Anstoßes vor einen dieser Kleinen legen und von denen gesagt wird: "Es wäre ihm nütze, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt, und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde". Denken wir wohl genug daran, dass die Weltlichkeit unseres Wandels den Kindlein im Glauben ein unheilbares übel zufügen kann? Wie sollte dieser Gedanke uns wachsam machen betreffs unseres ganzen Verhaltens!

„Siehe, mein Herr hat Naaman, diesen Syrer, verschont, dass er nicht aus seiner Hand genommen was er hervorgebracht hat; so wahr Jehova lebt, wenn ich ihm nicht nachlaufe und etwas von ihm nehme!" (V. 20). Der unselige Mann ruft, um sich Reichtümer zu verschaffen, Jehova mit denselben Worten an, die sein Herr gebraucht hatte (V. 16), um jene zurückzuweisen. Er lügt, um sich fremdes Gut anzueignen. Doch wenn Zweifel an der Uneigennützigkeit Elisas und an dem Charakter der freien Gabe Gottes im Herzen Naamans hätten entstehen können, so zeigt Gott, dass Er um die Kindlein besorgt ist, und das unglückselige Ergebnis kommt nicht zum Vorschein. Die Begierde und die Lüge Gehasis bringen im Gegenteil die Freigebigkeit dieses Mannes und seinen Wunsch, der Familie Gottes, den Söhnen der Propheten, zu dienen, ans Licht. „Lass es dir gefallen", sagt er zu Gehasi, „nimm zwei Talente", ungefähr 15000 Mark nach unserem Gelde. Gehasi versteckt die ganze Summe; das ist die Folge eines schlechten, in Schleichwege verwickelten Gewissens, die man vor den Menschen zu verhehlen sucht; aber wird man sie auch vor Gott verbergen können?

Gehasi ging hinein und „trat vor seinen Herrn", wie Naaman vor Elisa getreten war (V. 15), wie Elisa selbst vor Gott stand (V. 16). Eine unerklärliche Kühnheit, wenn er das geringste Bewusstsein davon gehabt hätte, dass Jehova ihn kannte und durchforschte! Er hatte weder gefühlt noch sich vergegenwärtigt, dass die Augen des Propheten von weitem jeder seiner Bewegungen folgten und seine Gedanken sahen. Mehr noch, „das Herz Elisas war mitgegangen", als der Mann sich von seinem Wagen herab Gehasi entgegenwandte. Für das Herdes Mannes Gottes war dies Eine über alles wichtig, dass die Seele dessen, der ihn in Frieden verlassen hatte, Gefahr lief. Wenn sein Herr mitgegangen war, so kann man daraus schließen, dass er Jehova ernstlich angefleht hatte, diesen Neugeborenen im Glauben zu bewahren. Er war erhört worden.

Und nun wendet er sich mit ernsten Worten an Gehasi: „Ist es Zeit, Silber zu nehmen und Kleider zu nehmen, und Olivenbäume und Weinberge, und Kleinvieh und Rinder, und Knechte und Mägde?" Ja, war es Zeit inmitten des Verfall s Israels, als schon das Endgericht über dem Volke schwebte, war es Zeit, am Vorabend des Untergangs dieses Volkes, etwas für sich zu erwerben? War das das Merkmal, welches ein Knecht des Herrn tragen sollte? Eine ernste Frage, die sich auch an unser Gewissen wendet; denn der Verfall der Christenheit heutzutage entspricht den Zeiten des Verfalls Israels. Wenn wir uns diese Tatsache vergegenwärtigen, welche Menschen werden wir dann sein in heiligem Wandel, uneigennützig wie Elisa, damit die Unentgeltlichkeit der Gabe Gottes nicht geschmälert werde, und indem wir wie er die Zeit erkennen und nicht Vorteile in dieser Welt zu erringen suchen, weil wir wissen, dass das Ende aller Dinge nahe gekommen ist!

Das Gericht über Gehasi lässt nicht auf sich warten: "Der Aussatz Naamans wird an dir haften und an deinem Samen ewiglich". Es ist der Aussatz Naamans! Die Unreinheit des Fleisches, die den götzendienerischen und von Gott entfremdeten Menschen kennzeichnet, ist dieselbe Unreinheit, welche Jehova dem untreuen Diener des Propheten auferlegt. Es ist kein Unterschied zwischen ihnen. Das Schreckliche der Sünde wird nicht durch die Tatsache gemildert, dass man zum Volke Israel gehört, dass man eine Stellung der Nähe und der be­sonderen Beziehungen zu Jehova hat, während man innerlich von Ihm entfernt ist. Geradeso ist es mit einem Bekenntnis des Christentums ohne Leben. Anstatt es zu segnen, belegt Gott es, sozusagen, mit Seiner Verwünschung, und die ganze Nachkommenschaft wird dadurch unrein.

KAPITEL 6, 1‑7 Die Söhne der Propheten und der Jordan

Bevor wir den Inhalt dieser Verse näher betrachten, möchten wir die Geschichte der "Söhne der Propheten" kurz zusammenfassen, wie dieses Buch sie uns schildert. Wie wir gesehen haben, stellen die Söhne der Propheten den prophetischen Überrest Israels dar, welcher zur Zeit des Endes mit dem Messias durch Seinen Geist in Verbindung gebracht werden wird.

Im 2. Kapitel sind sie noch da und dort zerstreut, die einen zu Bethel, die anderen zu Jericho. Sie besitzen eine teilweise Kenntnis der Gedanken Gottes; sie wissen durch Prophezeiung, dass Jehova Elia aufnehmen will, aber ein wirkliches Verständnis fehlt ihnen. Sie sind noch nicht vereinigt unter einem gemeinsamen Charakter, der sie sozusagen zu einem körperhaften Zeugnis macht. Die einen bleiben in Bethel, indem sie sich an die Verheißungen anklammern, die anderen in Jericho, indem sie das Gewicht des Fluches Gottes über Sein Volk fühlen. Sie bleiben nicht beim Jordan stehen und verstehen nicht seinen bildlichen Wert. Sie kennen noch nicht die ganze Tragweite des Todes Christi, den sie von weitem betrachten (Kap. 2, 7). Auch zeigen sie ihre Unwissenheit betreffs Seiner Auferstehung; denn indem sie den Leib des Elia suchen, suchen sie „den Lebendigen unter den Toten".

Weiter sieht man sie in der Trübsal (Kap. 4, 1 ‑ 7); der Tod geht durch ihre Mitte, und ihren Witwen fehlen die Mittel zum Lebensunterhalt. Dann wird ihnen bildlich das Öl, dessen sie bedürfen, der Geist, durch den Dienst Elisas ausgegossen. Weiter findet man sie zu einem körperhaften Zeugnis um den Propheten gesammelt zu Gilgal. Selbstgericht Betrübnis und Buße kennzeichnen sie ‑ alles selbstverständlich bildlich. Dann lernen sie den Wert der heiligen Menschheit Christi kennen, der in diese Welt gekommen ist, um ihnen das Leben zu bringen, als "der Tod im Topfe" war, weil sie nicht verstanden hatten, die gute Frucht von der schlechten zu unterscheiden. Bei dieser Gelegenheit, in einer Zeit der Hungersnot und Drangsal, ernährt Jehova Seine armen Zeugen in ihrer äußersten Armut. Schließlich nähren sie sich, wie einst Israel bei seinem Einzug in Kanaan, bildlich von einem erniedrigten und auferweckten Christus und lernen Ihn kennen. Allmählich breitet sich ihr geistliches Verständnis aus, und was sich in einer zunehmenden Wertschätzung des Herrn zeigt.

Der Jordan, der schon früher als der Tod und die darauf folgende Auferstehung Christ! gedeutet wurde, erscheint sodann im 5. Kapitel als das einzige Mittel zur Reinigung der Heiden, denen gegenüber er seinen Einfluss zu offenbaren beginnt, bevor der prophetische Überrest daran teilnimmt. Dieser, in Gilgal wohnend, kann dort nicht auf unbestimmte Zeit bleiben. In dieser Zeit der Gnade gegenüber den Heiden wird er vollzählig: „Siehe doch, der Ort, wo wir vor dir wohnen, ist uns zu enge" (Kap. 6, 1). jetzt handelt es sich für sie darum, einen weiteren Schritt zu tun, einen anderen Wohnort zu finden als den der Betrübnis und der Buße, so kostbar dieser auch sein mag. Dieser neue Ort ist der Jordan. Sie kennen jetzt den Wert des Jordan. Hier war der Tod zunichte gemacht worden durch die Macht des Geistes in Elia; hier war der Prophet hindurchgegangen, um gen Himmel zu fahren. Elisa war dahin zurückgekehrt in Macht, um ihnen die Segnung zu bringen. Sie kannten schon den Tod Christi als den einzig möglichen Weg, um die Gabe des Heiligen Geistes zu empfangen. Sie hatten ihn eben kennengelernt als die Reinigung der Unreinheit der Heiden, in der Zeit sogar, wo diese Unreinheit dem untreuen Israel (Gehasi) anhaftete. Der wunderbare Jordan, der die Unreinheit Naamans geheilt hat, ist die stets geöffnete Quelle für die Unreinheit Israels. Der Überrest wünscht, sich dort ein Haus zu bauen, und dort zu wohnen; er erkennt endlich an, dass dieser Tod für ihn der Ort des Segens und der Ruhe ist. Das ist der Punkt wonach die Treuen verlangen. Wenn sie diesen Ort erreicht haben, bleiben sie da, sie wohnen da zusammen; sie haben die Ruhe gefunden, wie die Schwalbe ein Nest, wie der Sperling ein Haus (Ps. 84).

Elisa ist mit ihrer Absicht einverstanden und stellt sie auf die Probe, indem er sagt: „Gehet hin". Doch wie sollten sie ohne ihn gehen? Sie müssen dort unter der Leitung des Geistes Christi wohnen, anders wird kein Segen dabei sein. Wie könnte der Geist Christi in Gilgal bleiben, während sie hingingen, um ohne Ihn am Jordan zu wohnen?

@@@@@

Christus - unsere Speise

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 235ff

Gott ließ die Kinder Israel vierzig Jahre in der Wüste wandern, „um sie zu demütigen, um sie zu versuchen, um zu erkennen, was in ihren Herzen war, ob sie Seine Gebote beobachten würden, oder nicht“ (Vergl. 5. Mose 8).

Das war der Zweck der langen Wüstenreise: die Erziehung des Volkes Gottes. So werden auch wir durch die Wüste, welche wir durchpilgern, belehrt, dass wir noch gedemütigt und versucht werden müssen, um

zu erkennen, was in unseren Herzen ist; zugleich aber machen wir bei all unserer Schwachheit die köstliche Erfahrung, dass es inmitten des dürren, wasserlosen Landes göttliche Hilfsquellen gibt. Das hat Israel erfahren, und das erfahren auch wir. Wie damals das Volk mit Man gespeist und mit Wasser aus dem Felsen getränkt wurde, so reicht uns auch heute der gnädige Gott unser „Man“, d. i. Jesum Christum, geoffenbart im Fleische, zur geistlichen Speise dar. Auch hat Er zu unserem geistlichen Trank den Heiligen Geist herniedergesandt, welcher als das lebendige Wasser ans dem geschlagenen Felsen, aus dem für uns geschlagenen Christus, hervorquillt.

Christus selbst ist dieses kostbare Man; nicht sind es Wahrheiten, nicht sind es Vorrechte, sondern Christus selbst, der Christus, wie Er hienieden war. Er ist das lebendige Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist, auf dass man davon esse und nicht sterbe (Joh.6). So wie Er uns in Seinem Worte vorgestellt ist, geoffenbart im Fleische, betrachten wir Ihn mit Anbetung und nähren uns von der Fülle der Gnade in Ihm.

Als ein hienieden pilgerndes Volk haben wir einen Christus nötig, der gleichfalls ein Pilger aus dieser Erde war, und bedürfen zu unserer Speise das vom Himmel gekommene Man. Dieses Brot genießen wir, indem wir Ihn auf dem Wege betrachten, den Er als der gehorsame, abhängige, demütige Mensch ging. So empfangen wir Kraft, um dem hohen Vorbilde nachzustreben, das Er uns als himmlischer Fremdling hienieden gegeben hat. Um jedoch das Man genießen und Kraft aus ihm schöpfen zu können, müssen unsere Herzen von alledem losgelöst sein, was dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf angehört. Ein weltlich gesinntes Herz wird das im Worte niedergelegte Man nicht finden, oder es nicht genießen, selbst wenn es von ihm gesunden würde. So rein und zart war das Man der Wüste, das; es eine Berührung mit der Erde nicht vertragen konnte. Es fiel auf den Tau und musste vor Sonnenaufgang gesammelt werden.

Das ist eine bemerkenswerte Mahnung für uns, den Herrn frühe im Worte zu suchen, ehe andere Dinge Zeit haben, von unseren empfänglichen Herzen Besitz zu nehmen. Auch mögen wir nicht versäumen, es Morgen für Morgen zu tun, weil das gestrige Man nicht für heute, und das heutige nicht für morgen taugt.

Jehova gab dem Volke Israel das Man nicht bloß als einen Beweis Seiner Treue und Fürsorge, sondern Er ließ diese Gabe auch ihren Seelen zum Prüfstein dienen. „Siehe“, sprach Er zu Mose, „ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen, und das Volk soll hinausgehen und den täglichen Bedarf an seinem Tage sammeln, damit ich es versuche, ob es wandeln wird in meinem Gesetz“ (2. Mose 16,4).

Ja, nicht allein ihr Gehorsam, sondern auch ihre Abhängigkeit sollte durch das Man auf die Probe gestellt werden, wie wir in 5. Mose 8, 3 lesen: „Ich speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht kannten, um dir kundzutun, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern dass d e r Mensch von allem lebt, was aus dem Munde Jehovas hervorgeht“.

Diesen Gehorsam und diese Abhängigkeit erblicken wir vollkommen in Christo, und wenn wir Ihn genießen, über Sein Leben hienieden sinnen, so werden dieselben Dinge, Gehorsam und Abhängigkeit, in uns hervorgebracht werden. Ja, dieser Jesus, dessen Speise und Lust es war, in den Geboten Gottes zu wandeln, welcher von allem lebte, was aus dem Munde Gottes hervorging, ist unser Leben; und „wer da sagt“, — beachte es, lieber Leser! —-- „dass er in Ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie Er gewandelt hat“ (1. Joh. 2, 6). „Denn diese Gesinnung“, mahnt der Apostel, „sei in euch, die auch in Christo Jesu war“. (Phil. 2, 5.) Nur wenn wir täglich das kostbare Man sammeln, uns immer wieder in die Betrachtung des völlig gehorsamen Menschen auf dieser Erde versenken, sind wir fähig, Seine Gesinnung zu offenbaren und überall im Sande der Wüste Seine Fußstapfen zu unterscheiden und in dieselben zu treten.

Indem der gnädige Gott uns täglich dieses kostbare Man zur Nahrung und Kräftigung der Seele darreicht, macht Er uns, wie bei allen Seinen Gaben, zugleich in ernster Weise für diese herrliche Gabe verantwortlich. Wir vergessen das so leicht. Wir wollen uns daher daran erinnern, indem wir uns mit den Umständen beschäftigen, die sich an die Gabe des Mans an Israel knüpften.

„Das Volk murrte wider Mose und Aaron und sprach zu ihnen: Wären wir doch im Lande Ägypten durch die Hand Jehovas gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung!“ (2.Mose 16, 3). Dieses Murren des unzufriedenen Volkes diente nur dazu, um die vollen Reichtümer der göttlichen Gnade zu offenbaren. Gott gewährte dem Volke, was es begehrte. Um ihnen zu zeigen, „dass Jehova es war, der sie aus Ägypten geführt hatte“, ließ der Herr der Schöpfung zu ihrer Speise Wachteln kommen und das Lager damit bedecken; und „um sie Seine Herrlichkeit sehen zu lassen“, ließ Er Brot vom Himmel regnen (2. Mose 16, 6 u. 7).

So gefällt es Gott auch heute noch oft, Seine Kinder, denen Er das Man zur vollen Genüge geschenkt, auch noch mit den Dingen dieser Welt, mit irdischer Fleischspeise, zu segnen, ja, ihnen davon reichlich darzureichen zum Genuss; und sie mögen es dankbar annehmen von dem mächtigen Gott, der sie aus der Welt befreit hat, von dem Erhalter aller Menschen, besonders der Gläubigen. Wehe ihnen aber, wenn sie über solchen Segnungen den Geber vergessen, oder wenn sie nach den Fleischtöpfen dieser Welt trachten, weil sie des himmlischen Mans, das sie die Herrlichkeit Gottes hat sehen lassen, überdrüssig geworden sind! Dann kann es ihnen ergehen, wie den Israeliten nicht lange nachher in der Wüste Sinai, als sie wiederum murrten, zum zweiten Male Fleisch begehrten und das Man verschmähten, und als Jehova ihnen ihr Begehr gab, aber Magerkeit in ihre Seelen sandte (Ps. 106, 15).

In jener Zeit waren die Kinder Israel durch das Mischvolk in ihrer Mitte, für welches Kanaan kein Ort der Verheißung war, zum Überdruss am Man verleitet worden. Jetzt ist in ihrem Murren keine Rede mehr von Jehova, auch spricht sich darin eine völlige Missachtung des Mans aus. „Wer“, sagen sie, „wird uns Fleisch zu essen geben? Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, der Gurken und der

Melonen und des Lauchs und der Zwiebeln und des Knoblauchs; und nun ist unsere Seele dürre, gar nichts ist da, nur auf das Man sehen unsere Augen“(4. Mose 11, 5. 6).

Auch jetzt gewährt Jehova dem Volke sein Begehr. Wieder treibt Er Wachteln vom Meere herbei und wirft

sie aufs Lager. Während Er es aber früher tat, um dem Volke zu zeigen, dass ein gnädiger Gott über sie wache, kommt jetzt Sein Zorn über ein Volk, das die himmlische Gabe verachtete Und die irdische Speise ihr vorzog. „Das Fleisch war noch zwischen ihren Zähnen, es war noch nicht zerkaut, da entbrannte der Zorn Jehovas, und Jehova richtete unter dem Volke eine sehr große Niederlage an“ (V. 33).

Ziehen wir unsere Belehrung ans dieser ernsten Geschichte! Prüfen wir uns, ob nicht Christus, das Brot des Lebens, unser Man, uns auch nicht mehr genügt, ob Herz und Sinn nicht anderswo ihre Nahrung suchen und sich nach dem sehnen, woran das Fleisch einst in der Welt sich erfreute! Die Israeliten hatten

den Geschmack am Man verloren, und so blieben die notwendigen Folgen nicht aus. Zunächst Unzufriedenheit und Murren, dann Empörung: Mirjam und Aaron reden wider Mose (Kap. 12), und endlich Verschmähung des gesegneten Landes Kanaan (Kap. 13). Ähnliches wird sich auch in unserer Mitte zeigen, wenn wir anfangen, Christum, unsere Speise, geringzuschätzen und zu vernachlässigen.

Aber ein Trost! Trotz, aller Undankbarkeit des Volkes blieb Jehova treu. Er entzog ihm das Man nicht, sondern reichte es ihm nach wie vor täglich dar, bis es den Jordan überschritten und in das gelobte Land eingezogen war. Dort hörte dann das Man, welches sie in der Wüste genährt und erquickt hatte, auf, und sie aßen statt dessen von dem Erzeugnis des Landes, ungesäuertes Brot und geröstete Körner. Sie aßen es schon, ehe sie vor die Mauern Jerichos rückten, dieses hochragende Zeichen der Macht des Feindes im Lande. Zwar gehörte ihnen bereits das ganze Land der Verheißung, doch mussten sie sich die wirkliche Besitznahme erkämpfen, weil Jehova eine Bedingung an die Besitzergreifung geknüpft hatte. Er

hatte gesagt: „Jeden Ort, auf den eure Fußsohle treten wird, euch habe ich ihn gegeben“ (Jos. 1, 3). Nur soweit sie im Glauben, alle Hindernisse mit der Hilfe und Macht Gottes überwindend, tatsächlich Besitz von dem köstlichen Lande ergriffen, gehörte es ihnen.

Zwischen Israel und uns besteht nun ein Unterschied. Israel hatte die Wüste hinter sich, sobald es Kanaan betrat, und bedurfte nicht mehr des Mans, als ihm das Getreide des Landes zu Gebote stand. Für

uns dagegen bestehen Wüste und Kanaan nebeneinander. Einerseits pilgern wir noch mit mühevollem Tritt durch die Wüste und bedürfen zu unserer Erhaltung des Mans, d. h. des vom Himmel herabgestiegenen Christus, und andererseits befinden wir uns, als mit Christo gestorben und auferweckt, schon jenseits des Jordan, in Kanaan, und können die himmlischen Dinge und Segnungen genießen. Um diesen Genuss aber praktisch zu haben, müssen wir, wie Israel, im Glauben Besitz von jeder Segnung nehmen; denn auch unsere Verheißung erstreckt sich auf jeglichen Ort, worauf unsere Fußsohle treten wird. Das heißt mit anderen Worten: wir müssen kämpfen; denn gewaltige Feinde, die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern, machen uns den Besitz» streitig. Zu ihrer Bezwingung bedürfen wir nicht nur der ganzen Waffenrüstung Gottes (Eph. 6), sondern auch der Speisung und Kräftigung, und diese finden wir eben in dem „Erzeugnis des Landes“, in dem ungesäuerten Brot und den gerösteten Körnern, in welchem wir das Vorbild eines verherrlichten Christus erblicken, des eigentlichen Teiles eines himmlischen Volkes.

So nähren wir uns denn in doppelter Weise von Christo: Er ist das Man, die Speise der Wüste, und Er ist das Erzeugnis des Landes, die Speise Kanaans. Unter dem Bilde des „ungesäuerten Brotes und der gerösteten Körner“ verstehen wir, wie bereits angedeutet, einen himmlischen Christus, den droben verherrlichten Menschen Jesus Christus, welcher — als Gegenbild des „ungesäuerten Brotes“ – diese Welt durchschritten hat, ohne von dem Sauerteig der Sünde berührt zu werden, und welcher — wie das „geröstete Korn“ — durch das Feuer des Gerichts gegangen ist und sich nun als der Auferstandene zur Rechten Gottes gesetzt hat. Dort ist Er jetzt für uns. Wir schauen Ihn an und sagen: Das ist unser Platz. Wir sind in Ihm, sind „Menschen in Christo“, und besitzen dasselbe Leben wie Er. Und wenn wir uns also von Ihm nähren, wenn wir Ihn betrachten in Seinen verschiedenen Stellungen als Haupt des Leibes, als Herr, Bräutigam, Hoherpriester, so bildet sich die Seele dieser Speise gemäß und wird dadurch befähigt, im täglichen Leben, in Wort und Wandel, die Züge des himmlischen Christus immer mehr hervorzubringen, Ihn darzustellen. „Wir alle aber, mit ausgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor. 3, 18).

So finden wir denn, so lange wir hienieden pilgern, alle unsere Quellen, unsere Nahrung und Speise in Christo allein. Im Sande der Wüste stehend, erquicken wir uns an dem himmlischen Man, an Ihm, der sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem Er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und der, versucht in allem, gehorsam bis zum Tode durch diese Wüste schritt -— und wir nähren und erquicken uns gleichzeitig an dem gedeckten Tische jenseits des Jordan und essen von dem ,,Erzeugnis des Landes«, von dem zur Rechten Gottes erhöhten und verherrlichten Menschensohn.

Hier wie da, in der dürren Wüste und auf den fruchtbaren Triften Kanaans, überall und täglich reicht der gnadenreiche Gott unserer Seele die stärkende, erquickende Speise dar: Christum, das Man, Christum, das Korn des Landes, —— immerdar Christum, Christum allein.

@@@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 253ff

Wie der Herr in späteren Tagen, als der Vater der Tabitha sich an Ihn wandte, so willigt Elisa hier ein, mit seinen Knechten zu gehen. Er sagt: „Ich will mitgehen". Am Ufer des Jordan angekommen, beginnen sie zu arbeiten; doch plötzlich wird die Arbeit unterbrochen. Ein Prophetensohn verliert im Fluss sein Werkzeug, das nicht einmal ihm gehört; er hatte es entlehnt. Seine Armut und seine Unfähigkeit kommen so an den Tag; er ist ohne Hilfsmittel. Der Fluss des Todes verschlingt seine ganze Hoffnung. Elisa allein (Christus im Geiste bei dem Überrest) kann da Hilfe bringen. Der Tod ist besiegt; er hat nicht nur die Gabe, zu reinigen, sondern er gibt dem Glaubenden die verlorene Kraft wieder, um am Werke Christi zu arbeiten und Israel in Sicherheit wohnen zu lassen. Alles kommt von Ihm, von der Macht Seines Heiligen Geistes, von der Kraft Seines Todes. Er ist es, der das Werk leitet, der die Mittel zu dessen Vollendung darreicht, der das Herr der Seinen mit dem Gefühl ihrer Unfähigkeit erfüllt, der das Werk ihrer Hände befestigt (Ps. 90, 17). Ohne dieses Ereignis könnte der prophetische Überrest auf seine wirklich vorhandene Rechtschaffenheit, auf seine Fähigkeit, das Werk Gottes in Israel zu tun, Vertrauen haben. Der Geist Christi allein weiß die Kraft in seine Hände zu legen, um ihn in den Stand zu setzen, an Seinem Werke zu arbeiten.

Beachten wir, dass dies alles sich inmitten des Verfalls ereignet, und dass es noch nicht das Bild des friedlichen Besitzes der Segnungen des Tausendjährigen Reiches ist. Elisa allein konnte auf dem Karmel wohnen. Es handelt sich hier um die fortschreitenden Erfahrungen des prophetischen Überrestes, der damit beschäftigt ist, ein Wohnhaus zu bauen, wo Elisa während der Regierung des ruchlosen Königs bei ihm sein könnte. Es ist der in Ps. 90, 13 beschriebene Augenblick, wo Christus „es sich gereuen lässt über Seine Knechte". Er kommt ihnen in all ihren Schwachheiten zu Hilfe. Dasselbe Mittel, welches einst das Wasser von Mara in süßes Wasser verwandelt hatte, gibt dem Überrest die Kraft zum Werke und lässt den Tod das scheinbar Verlorene zurückgeben, indem es zugleich jeden Anspruch des Gläubigers dieses armen Volkes zur Rückforderung dessen, was ihm unter der Herrschaft des Gesetzes anvertraut worden war, vernichtet.

Wir können nicht genug auf der prophetischen Bedeutung dieser Erzählungen bestehen. Das will, wie wir sehen werden, nicht sagen, dass man darin nicht, wie in jedem anderen Teile der Schrift, eine auf das Evangelium bezügliche Anwendung finden könnte; aber doch lasst uns feststellen, dass es gut ist, diese Ereignisse in ihrem natürlichen Rahmen zu belassen, um gewagte Auslegungen zu vermeiden. Das heißt, lasst uns jetzt auf die Bedeutung dieser Erzählung in ihrer Anwendung auf unsere Umstände ein wenig näher eingehen.

Der Jordan ist ein ausgezeichneter Wohnort für den Gläubigen. Er muss immer da wohnen, wo er mit Christo gekreuzigt ist. Da finden wir die Kraft des Herrn bei uns; da verwirklichen wir, um Ihn vereinigt, die Einheit der Kirche: "Lasst uns dort einen Ort herrichten, um daselbst zu wohnen" (V. 2). Dorthin begibt Sich der Herr mit den Seinen, um ihnen Seine Hilfe und Kraft zu verleihen, wenn sie Ihn dahin einladen. Er erkennt an und billigt die Einfalt des Herzens, welches sich bewusst ist, dass der Segen sich an dem Orte findet, wo das Nichts des Menschen in Seinem Tode erwiesen worden ist. Ohne Seine persönliche Gegenwart bei Seinem Volke würde unsere ganze Arbeit erfolglos sein. Aber ist Er da, so fehlt Seine Hilfe nicht, wenn wir Hand ans Werk legen.

Das Eisen des Prophetensohnes war nicht, wie bei Israel, ein Werkzeug des Todes für seinen Nächsten (5. Mose 19, 5) gewesen; und doch gab es selbst in diesem Falle ein Heilmittel für das Volk, welches in seiner Unwissenheit das Werkzeug des Todes Christi gewesen war, denn es konnte in die Zufluchtsstadt fliehen. In der Szene, die uns beschäftigt, wird ganz einfach die Arbeit unterbrochen, eine Arbeit, die für die Familie Gottes unternommen war. Aber was für eine Welt ist es, in welcher ein Prophetensohn nicht einmal ein Arbeitswerkzeug hat, das ihm gehört! Doch Christus entspricht dem geringsten Bedürfnis der Söhne Seines Volkes. Er hat volles Mitgefühl mit der Angst eines armen menschlichen Herzens wegen eines verlorenen Handwerkzeuges. So geringfügig der Verlust auch sein mag, er bewegt Sein Herz. Das Wunder ist sozusagen kindlich, aber es ist ein Wunder der Liebe. Die Welt mag, wenn sie an diese Stelle kommt, sie wohl mit einem spöttischen Lächeln lesen. Ist es glaubhaft, wird sie sagen, dass Gott uns solche Kindereien mitteilt? Der Gläubige aber versteht diese liebevolle Sorgfalt und freut sich derselben mit Anbetung. Er weiß, dass Gott für ihn ist, und dass Der, welcher Seinen eigenen Sohn für uns dahingegeben hat, uns mit Ihm alles schenkt. Gott trägt Sorge für die geringsten Bedürfnisse der Seinigen, indem Er hinsichtlich ihrer dieselbe Liebe in Tätigkeit setzt, welche für die größten gesorgt hat. Christus Selbst, der sich bis zum Tode erniedrigt hat, kann weit besser, als Elisa mit den Prophetensöhnen, Mitleid haben mit unseren Schwachheiten und dafür Sorge tragen.

Diese Stelle gibt uns indes noch eine Unterweisung. Zu Mara hatte ein Holz, ein Bild des Kreuzes Christi, die Bitterkeit des Wassers, des Bildes des Todes, weggenommen; hier vernichtet dasselbe Mittel die Macht des Todes, der den Gegenstand, dessen er sich bemächtigt hat, zurückhält. Der Tod, von dem man nicht wiederkehrt, ist, seitdem der Mensch ein Sünder geworden ist, dessen natürliche Bestimmung. Das Kreuz allein ist fähig, von dem Augenblick an, da es ins Mittel tritt, diese unerbittliche Macht zu besiegen und aufzuheben; es stellt sich uns zur Verfügung, um uns unsere Güter zurückzuerstatten, und der besiegte Tod kann von dem, was uns gehört nichts mehr festhalten.

KAPITEL 6, 8‑23 Dothan

Die Heilung seines Heerobersten scheint gar keine Wirkung in dem Gewissen des Königs von Syrien hervorgebracht zu haben. Seine Streifscharen hatten schon manchen Einfall in das Gebiet Israels gemacht (Kap. 5, 2; vergl. auch V. 23), und zur Zeit der Sendung Naamans nach Samaria waren die Beziehungen zwischen den beiden Königen so gespannt gewesen, dass der König Israels vermutete, der König von Syrien „suche einen Anlass an ihm" (V. 7).

Inzwischen hatten sich die Dinge noch ernster gestaltet. Es handelte sich nicht mehr um Scharmützel, ein regelrechter Krieg war ausgebrochen. Der König von Syrien schlägt sein Lager bald hier bald dort auf, indem er Joram in eine Falle zu locken sucht. Er rechnet mit der Unkenntnis Jorams bezüglich seiner Bewegungen, aber er macht seine Rechnung ohne Gott. Elisa kommt dem König von Israel zu Hilfe, indem er ihn mehrere Male über den Standort des syrischen Lagers unterrichtet. Ruhte denn jetzt Gottes Gunst auf Joram? Keineswegs. Des Königs Herz hatte sich nicht verändert seit dem Tage, da Elisa zu ihm gesagt hatte: "Was haben wir miteinander zu schaffen? Geh zu den Propheten deines Vaters und zu den Propheten deiner Mutter". Aber Gott wollte, wie schon einmal bei der Heilung Naamans, dem König von Syrien und seinem Heere beweisen, dass es einen Propheten in Israel gab, dass Jehova da war. Damit bewies Er zu gleicher Zeit Seine Langmut gegen Joram und dessen Volk. Wahrlich, wenn der böse König angesichts solcher Gunstbezeugungen sich nicht zu Jehova wandte, so hatte er keine Entschuldigung mehr.

Durch die fortgesetzte Vereitelung seiner Pläne kommt der König von Syrien schließlich zu der Vermutung, es müsse ein Verräter in seiner Umgebung sein; der Gedanke an Gott und Sein Dazwischentreten ‑ das geht beständig aus dem Laufe dieser Erzählung hervor ‑ steigt in seinem Herzen gar nicht auf. Die Welt denkt immer so. Sie schreibt alle Ereignisse, die ihr begegnen, viel lieber anderen Ursachen zu, als dass sie die Hand Gottes darin sähe. Einer von des Königs Knechten, der mehr als er mit der wirklichen Sachlage vertraut ist, reißt ihn aus seinem Irrtum. Geistliches Unterscheidungsvermögen und geistliches Verständnis nehmen im allgemeinen in demselben Maße ab, wie der Mensch sich erhebt, und diejenigen, welche das größte Interesse daran hätten, die Wahrheit zu wissen, kennen sie gewöhnlich am wenigsten. Elisa, der Prophet, der in Israel ist, tut dem König von Israel die Worte kund, die du in deinem Schlafgemach redest". Ein peinlicher, beängstigender, ja, schreckenerregender Gedanke! Was? eine unsichtbare Persönlichkeit „ist vertraut mit allen meinen Wegen; das Wort ist noch nicht auf meiner Zunge, und siehe, er weiß es ganz"? (Ps. 139, 3. 4). Wenn dem Herzen Ehrlichkeit mangelt und es nicht, jene Tatsache anerkennend, ausruft: „Wohin sollte ich gehen vor deinem Geiste, und wohin fliehen vor deinem Angesicht?" so betäubt es sich entweder, oder es erhebt sich gegen Gott. So geht es dem König von Syrien: "Gehet hin", sagt er, "und sehet wo er ist; und ich werde hinsenden und ihn holen". Er hat nur den einen Gedanken, sich von dem Propheten zu befreien und diesen Blick, der jede seiner Bewegungen beobachtet, zu beseitigen. Er möchte diesen lästigen Zeugen beseitigen, der ihm weder erlaubt, seinem Willen zu folgen, noch seine Pläne auszuführen. So entfaltet er denn alle seine Streitkräfte, ein ganzes Heer, Rosse und Wagen, um sich eines einzigen Menschen zu bemächtigen! Die Welt empfindet die Gegenwart Gottes immer als eine höchst lästige Sache. In Gethsemane versammelt sich eine Kompanie Soldaten, eine Volksmenge und Gerichtsdiener, alle mit Schwertern und Stöcken bewaffnet, gegen Christum, um diesen lästigen Zeugen dahin zurückzuschicken, woher Er gekommen war. Dachte der König von Syrien gar nicht daran, dass er durch die Beseitigung des sichtbaren Trägers des Zeugnisses in Israel keineswegs das Auge des unsichtbaren Gottes beseitigen würde?

„Gehet hin, und sehet, wo er ist". Das natürliche Auge konnte leicht entdecken, wo Elisa sich aufhielt, denn er versteckte sich nicht. Gott hat nichts zu verbergen. Er ist das Licht selbst. Die Menschen hingegen lieben die Finsternis und fürchten sich vor dem Lichte. Darum kam das Heer „des Nachts", um die Stadt zu umzingeln.

Der Diener Elisas, der früh aufgestanden war, sieht die ganze feindliche Macht, das Heer, die Rosse und Wagen, und erschrickt. Seine Augen täuschen ihn nicht, aber was ihm fehlt, das sind die Augen des Glaubens; darum verzweifelt er alsbald. „Ach, mein Herr! was sollen wir tun?" In der Tat, das syrische Heer, sicher seiner selbst, entfaltete seine ganze Macht gegen einen einzigen wehrlosen Mann; wie hätte er sich verteidigen können? Der Diener erblickt das Heer und kommt zu demselben Schluss. Er ist nicht zu entschuldigen; denn als Diener des Propheten war er beständig mit den unsichtbaren Dingen in Berührung und hätte wissen sollen, dass keine menschliche Kraft vor der Macht Gottes bestehen kann.

Fürchte dich nicht", sagt Elisa.*8) Es ist immer dasselbe Wort der Gnade. Es besitzt die Gabe, eine geängstigte Seele zu beruhigen. Wie oft ist doch dieses Wort: fürchte dich nicht" in der Schrift enthalten! Das Alte wie das Neue Testament ist voll davon. Alles in dieser Welt ist geeignet, armen, kraftlosen und sündigen Wesen, wie wir sind, Furcht einzuflößen. Wir haben mit schwierigen Umständen zu kämpfen, mit der Welt, ihren Verführungen oder ihrer Feindschaft, mit dem Hass Satans, mit uns selbst und unserer sündigen Natur; dazu kommt die Notwendigkeit, vor dem heiligen Gott erscheinen zu müssen, mit dem wir zu tun haben. Wer wird auf so viele beunruhigende Fragen eine Antwort geben? Wer kann die Angst und

Erregung unserer Herzen beschwichtigen? Gott allein, denn Er hat auf alles eine Antwort.

Fürchte dich nicht, sagt Jesus zu dem Sünder, der, angesichts einer überwältigenden Gnade in seinem Gewissen ergriffen, sich zu Seinen Füßen niederwirft (Luk. 5, 10). Es ist also das erste Wort, mit dem unsere Geschichte als wiedergeborene Menschen beginnt. Fürchtet euch nicht, sagt der Herr zu Seinen Jüngern, wenn der Sturm sich erhebt und sie zu verschlingen droht. Fürchtet euch nicht, wenn der Schiffbruch unmittelbar vor Augen steht (Matth. 14, 27; Apgsch. 27, 24). Fürchte dich nicht, ruft Er der kleinen, wehrlosen Herde zu, die sich in der Mitte von Wölfen befindet, welche die Macht haben, die Schafe zum Tode zu bringen (Luk. 12, 32; Matth. 10, 28; Offbg. 2, 10). Fürchte dich nicht, sagt Er, wenn Satan seine ganze Macht entfaltet, um das Werk Gottes zu verhindern (Apg 18, 9). Fürchte dich nicht, wenn der Tod schon sein Werk getan hat (Mark. 5, 36).

Doch dieses Wort wird ganz besonders bei den ernsten Gelegenheiten gehört, wo schwache, kraftlose Wesen berufen werden, Gott zu begegnen. Selbst wenn Er Sich nur durch einen Seiner mächtigen himmlischen Boten, einen Engel, offen­bart, wird die Seele, an die er sich wendet von Bestürzung erfasst und bedarf, wie Zacharias oder Maria, dieses so stärkenden Wortes ‑ Fürchte dich nicht (Luk. 1, 13 und 30). Wie viel mehr noch, wenn schwache Menschen sich einem ganzen Chor von himmlischen Heerscharen gegenüber befinden, bedürfen sie dieses Wortes: Fürchtet euch nicht! (Luk. 2, 10). Doch was wird aus den Jüngern werden, wenn sie auf dem heiligen Berge in die Wolke der Herrlichkeit, die Wohnung Jehovas, eintreten müssen? Fürchtet euch nicht, sagt Jesus zu ihnen. Arme Weiber, welche den demütigen und sanftmütigen Menschen, dem sie auf der Erde nachgefolgt waren, für immer verloren zu haben meinten und plötzlich den auferstandenen Christus vor sich sahen, bedürfen dieses Wortes: Fürchtet euch nicht. Als schließlich der geliebte jünger, der sein Haupt an die Brust Jesu gelegt hatte, Ihm begegnete in Seinem glänzenden und erschreckenden Gewande als Richter, und dann wie tot zu Seinen Füßen fiel, wird er liebreich ermuntert durch das Wort: Fürchte dich nicht (Offbg. 1, 17).

Das Geheimnis dieses Wortes ist die Gnade. Mit ihr allein haben wir es zu tun; sie beruhigt uns, selbst wenn wir uns vor dem Gott des Gerichts befinden, denn der Richter ist unser Heiland.

Im Alten Testament wird die Seele lange nicht so oft beruhigt, wenn sie sich in die unmittelbare Gegenwart Gottes gestellt sieht, weil Gott da noch nicht völlig als der Gott der Gnade geoffenbart war. Moses selbst sagte „Ich bin voll Furcht und Zittern". Man hört unser Wort höchstens dann, wenn Gideon den Engel Jehovas von Angesicht zu Angesicht gesehen hat, oder wenn Daniel sich gedemütigt hat und vor dem Stellvertreter des Messias steht (Dan. 10, 12. 19). Hingegen kehrt dieses Wort: Fürchte dich nicht, beständig wieder, wenn es sich um die Stärkung des Gläubigen handelt, der inmitten der Schwierigkeiten seines Weges und des Hasses der Welt allein dasteht. Abraham, Hagar und Isaak sind Beispiele dafür (1. Mose 15, 1; 21, 17; 26, 24). Ein verfolgter Priester und ein Mephiboseth hören es aus dem Munde Davids, des Gesalbten Jehovas, bei dem sie Zuflucht gesucht hatten. Eine arme, dem Sterben nahe sidonische Witwe empfängt es von den Lippen des Propheten (1. Sam. 22, 23; 2. Sam. 9, 7; 1. Kön. 17, 13).

Dieses Wort schlägt an die Ohren des Volkes Gottes, so oft es mit dem Feinde zu tun hat, sei es in Ägypten oder in der Wüste, in Kanaan unter Josua oder selbst in der Zeit des Verfalls, welcher das Reich Israel kennzeichnet, sowie endlich in der auf die Wegführung folgenden Zeit (2. Mose 14, 13; 4. Mose 141 9; 21, 34; 5. Mose 1, 21; 3, 2 und 22; 7, 18; 20, 3; 31, 6 und 8; Jos. 8, 1; 10, 8 und 25; 11, 6; 2. Chron. 20, 17; 32, 7; Jes. 7, 4; Nehem. 4, 14). Und wenn Israel unten in der "tiefsten Grube" liegt und von dort aus seinen Notschrei zu Gott richtet, antwortet ihm Jehova: Fürchte dich nicht! (Klagelieder 3, 57).

Wenn schließlich dieses schuldige Volk, gezüchtigt und Buße tuend, aber der Verzweiflung nahe, am Ende seiner Prüfungs­zeit die Worte hören wird: „Tröstet, tröstet mein Volk!" so wiederholt sich auch das Wort "Fürchte dich nicht!" in schier endlosem Echo. Fürchte dich nicht, meine Liebe tröstet dich, ich helfe dir, ich stütze dich, ich werde mit meinem Knechte sein. Habe ich dich nicht erlöst? Bin ich nicht mit dir? Fürchte dich nicht, ich stärke dich. Fürchte weder Hohn noch Schmähungen noch Schande. Du bist mein, ich habe dich in Gnaden aufgenommen. Am Schluss von Jesaja finden wir überall dieses tröstende, göttliche Wort immer wieder als Kehrreim (Jes. 41, 10. 13. 14; 43, 1. 5; 44, 2; 51, 7; 54, 4).

Die Zusicherung der Gunst Gottes zerstreut die Furcht, die vollkommene Liebe treibt sie aus. Wie oft finden wir in den Psalmen dieses Fehlen jeder Furcht vor dem Feinde, vor der Erschütterung aller Dinge, vor den Drohungen des Fleisches und des Menschen! (Ps. 27, 3; 46, 2; 56, 4. 11; 118, 6). In der Tat, für den Gläubigen ist alles Freude, alles Vertrauen, lauter Zuversicht und Frieden, weil er durch alles hindurch den Gott für sich hat, von welchem gesagt wird: "Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?"

„Fürchte dich nicht", sagt Elisa zu seinem Diener, „denn mehr sind derer, die bei uns, als derer, die bei ihnen sind", und dann betet er: "Jehova, öffne doch seine Augen, dass er sehe". Seine leiblichen Augen sehen das feindliche Heer, und sie betrügen ihn nicht, und doch war er blind. Es gab Dinge, die er ohne die Fürbitte des Propheten und die Dazwischenkunft Jehovas nicht sehen konnte. Sobald aber seine Augen geöffnet waren, "siehe, da war der Berg voll feuriger Rosse und Wagen rings um Elisa her". jene feurigen Wagen und Reiter, die einst versammelt waren, um Elia gen Himmel zu führen, sind jetzt da, um einen einzigen wehrlosen Mann auf der Erde zu behüten, indem sie alle Ratschläge seiner Feinde zunichte machen. Dieses göttliche Einschreiten zugunsten der Erlösten hat nie aufgehört. Jakob schon hatte es beobachtet, als die Engel in zwei Heerzügen ihm zu Machanaim begegnet waren, und er angesichts der ihm bevorstehenden Gefahr von sich sagen konnte (indem er sich mit dem Heere Jehovas eins machte):"Ich bin zu zwei Zügen geworden" (1.Mose 32,1.2.10). Dasselbe Engelheer wird die Widersacher des Herrn und Seiner Gemeinde schlagen, wenn Er geoffenbart werden wird vom Himmel mit den Engeln Seiner Macht, in flammendem Feuer (2. Thess. 1, 7), wie geschrieben steht: "der seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme" (Hebr. 1, 7). Wie der Zug Esaus vor den Zügen von Machanaim verschwand, so ist das Heer der Syrer wie eine Schar Ameisen vor den heiligen Myriaden, mit denen der Berg bedeckt ist; nur handelt es sich hier um Schutz, nicht um Kampf wie bei David, als er das Geräusch eines Daherschreitens in den Wipfeln der Bakabäume hörte (2. Sam. 5, 24).

Die Geschichte Jakobs, den Jehova Israel nannte, wiederholt sich hier. Der wahre Israel war gegenwärtig in der Person Seines Stellvertreters, des Propheten. Zur Zeit des Endes wird der Überrest geöffnete Augen haben; er wird die Worte hören: Fürchte dich nicht, und wird, wenn viele sagen werden: Wer wird uns Gutes schauen lassen? ausrufen können: "In Frieden werde ich sowohl mich niederlegen als auch schlafen; denn du, Jehova, allein lässt mich in Sicherheit wohnen" (Ps. 4, 6. 8).

Die Vermittlung der Engel kennzeichnet eigentlich den Haushalt des Gesetzes und infolgedessen auch die Zeiten des prophetischen Überrestes,*9) aber sie fehlt auch nicht unter dem Haushalt der Gnade, wie wir dies in der Geschichte des Petrus sehen (Apgsch. 12); nur steht der Gläubige jetzt, ohne Vermittler, in unmittelbarer Verbindung mit Christo. Seine Augen werden geöffnet, um " Jesum zu sehen", nicht die Engel; er kann sagen: "Wir haben den Herrn gesehen", nicht die Wagen Israels. Eine innigere Gemeinschaft ist dem Christen geschenkt, er besitzt ein besseres Teil als der Überrest; und von dem Augenblick an, da Jesus auf den Schauplatz tritt, empfängt die Seele von Ihm die Zusicherung, dass sie nichts zu fürchten habe, weil Er in jedem einzelnen Falle ihre völlig genügende Hilfsquelle ist.

Nachdem Gott die Augen des Dieners Elisas geöffnet hat, schlägt Er auf die Bitte des Propheten das syrische Heer mit Blindheit. Derselbe Gott, der auf das Gebet des Elia den Himmel geschlossen und geöffnet hatte, schließt und öffnet jetzt auf Elisas Gebet die Augen der Menschen. Diese Bitten kamen auch aus Herzen, die in wirklicher Gemeinschaft mit Gottes Gedanken waren und nur das von Ihm erbaten, was Er zu tun beabsichtigte. „Wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, hört er uns" (1. Joh. 5, 14). Mit wie viel größerem Recht war dies bei dem Herrn Jesu so! Er konnte sagen: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst" (Joh. 11, 41. 42).

„Er schlug sie mit Blindheit nach dem Worte Elisas" (V. 18) . Welche Gnade gewährt uns der Herr! Als ob es von uns käme, so kommt Er für das auf, was wir durch Glauben und durch den Geist, die freien Gaben Gottes, erbeten haben! Der Prophet kann sich von da an offen den Feinden zeigen, sie erkennen ihn nicht. Er führt sie nach Samaria; dann öffnet ihnen Jehova auf die Bitte des Propheten die Augen. Die Augen des Dieners waren geöffnet worden, um Jehovas Rettung zu schauen, die ihrigen werden geöffnet, um angesichts des Gerichts Gottes ihren Untergang zu sehen. Da gibt es keine Hilfe; es ist eine Lage, aus der es kein Entrinnen gibt, ein unheilbares Verderben! Doch Derjenige, welcher allein das Recht hat sie zu richten, tut es nicht. Es war Gnade, die sie vor Sein Gericht brachte. Der gottlose und ungläubige König sieht sie und möchte sie umbringen. "Soll ich schlagen, soll ich schlagen, mein Vater?" fragt er. Trotz seiner offenen Augen ist er ebenso blind, wie seine Feinde es waren.*10) Er möchte das Gericht ausüben, er, der es tausendmal mehr verdient hat, als diese heidnische Nation, denn er kann weder sehen noch die Gnade verstehen. Elisa antwortet ihm: Jehu sollst nicht schlagen" Joram verdiente geschlagen zu werden und hatte kein Recht, andere zu schlagen; aber Gott wollte ihm sowie allen zeigen, dass kein Gericht die treffen soll, die von ihrem Verderben überzeugt sind. Es war nicht zu spät für sie; die Gnade Gottes hatte sie soeben zum Gericht geführt, aber in dieser Welt und nicht jenseits dieses Lebens, wo jede Hilfsquelle verschlossen sein wird. Ob gutwillig oder böswillig, diese Leute waren dem Gott Elisas begegnet und nicht dem Gott des Elia. Sie werden nicht durch das Feuer vom Himmel, das sie verdient hatten, verzehrt, sondern gleichsam mitten aus dem Feuer gerissen, um das Erbarmen des von ihnen beleidigten Gottes zu erfahren. „Setze ihnen Brot und Wasser vor", sagt Elisa, "dass sie essen und trinken, und dann zu ihrem Herrn ziehen". Noch zitternd finden sie statt des Schwertes des Königs ein Mahl, welches Gott ihnen bereitet hat. Das ist das große Abendmahl der Gnade.

Was hatten diese Menschen getan, dass ihnen eine solche Großmut zuteil wurde? Das, was Saulus von Tarsus und so viele andere Feinde Christi getan haben. Sie hatten ohne Zweifel in Unwissenheit gehandelt, aber sie hatten gegen Gott Krieg geführt, und Gott beantwortet ihren Hass in solcher Weise. Von diesem Augenblick an "kamen die Streifscharen der Syrer nicht mehr in das Land Israel"; die vereinzelten Angriffe nehmen ein Ende, doch Satan kann sich nicht ruhig halten.

Fußnoten:

*8) In allen Stellen, die wir anführen werden, ist das Wort fürchte dich nicht" im Griechischen (Neues Testament) und im Hebräischen (Altes Testament) das gleiche.

*9) Zur Zeit des Endes (in der Offenbarung) wird der Herr in den Wegen Seiner Vorsehung sich in Gestalt eines Engels zu erkennen geben bis zu Seiner Erscheinung auf dem Berge Zion; daher finden wir in diesem Buche den Aus­druck "ein anderer Engel".

*10) Die verschiedenen Arten zu sehen sind in diesem Kapitel von höchstem Interesse. Wir finden zuerst Elisa, den Seher, dessen Augen nicht geöffnet zu werden brauchten, um das Heer Jehovas zu sehen; dann seinen von der Sorge um die sichtbaren Dinge beherrschten Diener, welcher der Vermittlung des Propheten bedurfte, um durch das Sehen der unsichtbaren Dinge beruhigt zu werden. Weiter begegnen wir dem Heer der Syrer, das doppelt blind ist, weil es zu sehen meint und in völlige Nacht versenkt wird; dann demselben Heere, wie es sein Los unter dem Gericht Gottes erkennt, zugleich aber offene Augen hat, um sich an dem "großen Mahl" der Gnade niederzulassen; und schließlich dem König von Israel, der mit Gottes Gedanken unbekannt ist, der aber auch zu sehen meint, und dessen "Sünde bleibt" (Joh. 9, 41) ‑ ein trauriger Vertreter Israels, ein Feind Christi, der mehr und mehr für das Gericht heranreift.

@@@@

Geschwister untereinander

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1911 S. 268ff

Das Wort Gottes benutzt in Psalm 133 zwei liebliche Bilder, um uns die Schönheit brüderlicher Eintracht vor Augen zu stellen. Es vergleicht dieses einträchtige Beieinanderwohnen mit dem köstlichen Öl auf dem Haupt Aarons, „das herabfließt auf den Saum seiner Kleider", und mit dem „Tau des Hermon, der herabfällt auf die Berge Zions".

Zu diesem schönen Zusammenleben tragen unsere natürlichen Eigenschaften nichts bei; es wird allein durch die Salbung von dem Haupt unseres Hohenpriesters und durch das Herabfließen der erfrischenden Tautropfen von dem himmlischen Hermon bewirkt. Mit anderen Worten: es ist die Gemeinschaft mit dem Herrn, das von Ihm auf uns herniederträufelnde Öl, was der Gemeinschaft der Geschwister einen solchen Gott und Menschen angenehmen Wohlgeruch verleiht; es ist das Erfülltsein unserer Seelen mit dem erfrischenden Tau Seiner Gnade, was in unserer Mitte Lebensfrische und liebliche Früchte hervorbringt.

Zwei außer unserer Natur liegende Eigenschaften, die inbrünstige Liebe, die nie an sich denkt, und die Demut, die den anderen höher achtet als sich selbst, müssen da regieren, wo Brüder einträchtig beieinander wohnen wollen. In Liebe gegen andere zu wandeln, sich selbst zu vergessen und sich in der Wertschätzung unter andere zu stellen, widerspricht unserem ganzen Wesen; und doch ist beides notwendig.

Gewiss, wenn wir einzelnstehende Geschöpfe wären, von denen jedes seinen eigenen Weg verfolgen, seinen eigenen Willen tun könnte, dann brauchte das liebe Ich nicht so ganz in den Tod zu gehen. Wir stehen aber nicht jeder für sich da, wir sind auch nicht bloß eine durch gemeinsame Interessen verbundene Genossenschaft, sondern wir sind als Glieder eines Leibes durch die Innewohnung des einen Geistes eng miteinander und mit dem verherrlichten Haupt droben verbunden. Hätten die beiden Schwestern in Philipp!, Evodia und Syntyche, jede für sich wandeln dürfen, so würde wohl kein Streit und keine Uneinigkeit entstanden sein; aber sie waren berufen, in Gemeinschaft miteinander ihren Weg zu gehen, daher waren Liebe und Selbstverleugnung nötig. So ist es auch mit uns. Wir müssen in Liebe gewurzelt und gegründet sein, um mit allen Heiligen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus zu erfassen (Epheser 3,17-19).

Unserer Natur nach lieben wir nur das, was uns liebenswürdig erscheint, und Niedriggesinntheit kennen wir von Hause aus gar nicht. Deshalb werden wir so eindringlich ermahnt, Dem nachzuahmen, der Seine Liebe gegen durchaus Unwerte betätigte, und Dem zu folgen, der sich selbst zu nichts machte. Immer wieder heißt es: Betrachtet Jesum! Tun wir das, so lernen wir durch die Gnade verstehen, dass „Liebe üben" heißt: für andere und mit anderen fühlen, Freude und Leid mit ihnen teilen, ihren Schmerz und Kummer zu dem eigenen machen; wir lernen so, einer des anderen Lasten zu tragen und also das Gesetz des Christus zu erfüllen (Galater 6,2). Wir sehen ferner, was Niedriggesinntheit ist, wie man sich selbst vergessen und stets bereit sein kann, allen und auf alle Weise zu dienen.

Darum: Betrachten wir den Herrn Jesus! Wir werden dann das finden, was uns im friedlichen Zusammensein mit den Geschwistern kennzeichnen soll: „Herzliches Erbarmen, Güte, Niedriggesinntheit, Milde, Langmut, einander ertragend und uns gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat wider den anderen" (Kolosser 3). Jede einzelne der hier genannten Eigenschaften ist der Ausdruck des Lebens Christi. Das Gegenteil davon, die Todfeinde des einträchtigen Beieinanderwohnens, sind Selbstsucht, Hochmut, Misstrauen, und Empfindlichkeit. Wenn wir den Herrn Jesus betrachten und in Seiner Gegenwart weilen, werden die erstgenannten Tugenden durch den Geist in uns gewirkt, die Früchte des Fleisches, der alten Natur, aber verurteilt und unterdrückt; an ihre Stelle treten aufrichtige Liebe, Demut und Mitgefühl, wir ertragen einander und fühlen uns eng verbunden „mit allen denen, die unseren Herrn Jesus Christus lieben in Unverderblichkeit" (Epheser 6,24). Darum noch einmal: Lasst uns nicht versäumen, fleißig den Herrn Jesus zu betrachten!

Derselbe inspirierte Schreiber, der uns zuruft: „Betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesum" (Hebräer 3,1), mahnt uns auch: „Lasst uns aufeinander achthaben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken" (Hebräer 10,24).

Wir dürfen diese beiden Stellen wohl in eine gewisse Verbindung miteinander bringen, weil der Urtext für „betrachten" oder „achthaben" dasselbe Wort gebraucht, und zwar ein Wort, das im ganzen Hebräerbrief nicht wieder vorkommt.*)

Dieses „Betrachten" oder „Achthaben" hat die Bedeutung von „sich vertiefen", „seine Gedanken mit Ernst auf etwas richten". Das „Achthaben aufeinander" hat also nicht die Bedeutung des Überwachens und Kontrollierens, des Beobachtens der brüderlichen Fehler und Schwachheiten, die man vielleicht in guter Absicht hineinlegt, sondern deutet mehr auf eine liebende, zarte Sorge hin, die sich in aller Art von verständigem und taktvollem Dienst offenbart, als liebliche Frucht unserer Betrachtung der Person Christi und unserer Gemeinschaft mit Ihm. Auch wird dieses Gott wohlgefällige Aufeinanderachthaben sich nicht in unzarter Neugier, nicht in unberechtigtem Einmischen in fremde Angelegenheiten, noch in einem richtenden, gesetzlichen Geist äußern.

Der gesetzliche Geist, der dem Gläubigen oft bis zu seinem Ende anhaftet und ihn der Freiheiten beraubt, die das Teil aller Kinder Gottes sind, ist ein großes Hindernis im Verkehr der Christen untereinander. Er stört in der Seele den Genuß der unbegrenzten Gnade und führt zu einer falschen Auffassung von dem Charakter Gottes. Da er sich Gott als einen strengen und unbeugsamen Herrn vorstellt, der die Erfüllung einer gewissen Zahl von Pflichten verlangt, übersieht er Ihn ganz als den barmherzigen Geber, der in der dankbaren Anbetung und dem Glück Seiner Kinder Seine Freude findet. Er betrachtet den dem Herrn gewidmeten Dienst mehr als eine peinliche Pflicht, und nicht als eine Quelle des Genusses und der Freude, und stößt sich vielleicht an einer unschuldigen Handlung, die der Bruder mit gutem Gewissen tut. Ein gesetzlich denkender Christ macht das Christentum kalt und förmlich und raubt ihm seinen lieblichen Wohlgeruch.

Das einzige Heilmittel für dieses Übel ist die Gnade. Lasst uns darum unser Herz öffnen für die freie Gnade Gottes in ihrem zarten Wesen und ihrer zugleich so gewaltigen himmlischen Energie! Bemühen wir uns, Gott zu kennen und uns in Ihm zu erfreuen als dem gnädigen Geber, der inmitten der Lobgesänge Seines erkauften Volkes wohnt!

Nur dann, wenn wir durch den Glauben die Tatsache verwirklichen, dass wir unter Gnade sind und nicht unter Gesetz, dass jedes Joch zerbrochen ist, dass wir durch Christi Blut gewaschen und Gott nahegebracht sind, dass wir geliebt sind wie Er, - ja, nur dann, wenn wir diese kostbaren Wirklichkeiten mit der Kraft eines einfältigen kindlichen Glaubens erfassen, werden die Schatten eines gesetzlichen Geistes schwinden. Ein in der Gnade ruhendes Herz ist nicht nur stets glücklich, sondern auch eifrig im Dienst des Herrn; und je mehr wir uns mit dieser Gnade beschäftigen, desto fähiger und williger werden wir werden, in der rechten Weise auf alle acht zu haben, die dieser Gnade teilhaftig sind.

Doch noch schlimmer als das Achthaben in einem gesetzlichen Geist ist das Nichtachthaben aufeinander, die Gleichgültigkeit, was das Wohl der Geschwister betrifft, so dass man, statt liebende Sorge und Rücksicht für den Bruder zu zeigen, sich gar nicht um ihn kümmert, sondern sich auf den Standpunkt Kains stellt und sagt: Ich habe genug mit mir selbst zu tun. Soll ich meines Bruders Hüter sein? Wer so spricht, denkt nur an sich und beurteilt Menschen und Dinge nicht etwa in ihren Beziehungen zu Christus, sondern nur nach ihrem Verhältnis zu dem elenden Ich und zu dem engen Kreis der eigenen Interessen. Man schließt sich nur solchen Geschwistern an, die dem persönlichen Geschmack, den eigenen Gefühlen und Ansichten entsprechen, während man andere treue Mitknechte meidet. Das ist ein großes Übel, über das wir wachen müssen, denn es gibt jeder Gemeinschaft, sowohl mit Gott als auch mit den Heiligen, den Todesstoß.

Das Wort sagt: „Wer den Bruder nicht liebt, bleibt in dem Tode", - „ist nicht aus Gott" (1. Johannes 3,14. 10). Auch Petrus, der die Liebe gleichsam als eine Frucht des Gehorsams gegen die Wahrheit bezeichnet, ermahnt die Brüder, vor allen Dingen untereinander eine inbrünstige Liebe zu haben, denn die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden (1. Petrus 4,8). Die Liebe, dieses Band der Vollkommenheit (Kolosser 3,14), ist eine so wichtige Sache, dass selbst die wunderbaren Wahrheiten von der Versammlung oder Gemeinde nicht praktisch verwirklicht werden können, ohne daß die Liebe die Seelen regiert. Wandelt würdig „der Berufung, mit welcher ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe, euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens" (Epheser 4,1-3). Auch zur Auferbauung des Leibes Christi muss, wie wir in demselben Kapitel lesen, Liebe der Beweggrund, Liebe die alles durchdringende Kraft sein. Denn nur wenn die Wahrheit festgehalten wird in Liebe, können wir in allem heranwachsen zu Ihm hin, der das Haupt ist, der Christus, nur so wird das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe. Ein Bruder, der sich um seine Mitbrüder nicht kümmert, sie nicht als unter der Besprengung des Blutes Christi stehend betrachtet und sie deshalb auch nicht nach dem Wert dieses Blutes schätzt, beweist dadurch, dass er sich mehr liebt als den Herrn, mehr als die Brüder. Es mag sein, daß er Misstrauen, Kälte und Lieblosigkeit von Seiten der Brüder erfahren hat und so dahin gekommen ist, den Verkehr mit ihnen einzuschränken, sich in sich zurückzuziehen und nicht mehr auf die anderen achtzuhaben. Aber selbst dann hat er keine Entschuldigung. Betrachtet er Christus und blickt er auf die Gnade, die ihm widerfahren ist, so lernt er nach dem Vorbild des Herrn sich selbst zu verleugnen und in einer Niedriggesinntheit zu wandeln, die sich in einer aufmerksamen Rücksichtnahme auf andere und einer völligen Nichtachtung seiner selbst kundgibt. Es gibt keine größere Befreiung, als wenn man jede Wichtigkeit in seinen eigenen Augen verloren hat. Ist mein Herz wirklich demütig und wandle ich mit Christus, so sehe ich in mir selbst ein schwaches, fehlendes Geschöpf, erkenne aber die ganze Fülle der Gnade in Christus; und wenn ich meinen Bruder betrachte, schaue ich all die Gnade, die Christus über ihn ausgegossen hat. So konnte Paulus selbst den fleischlich gesinnten Korinthern schreiben: „Ich danke meinem Gott allezeit eurethalben" (1. Korinther 1,4). Und auch nachdem er den Galatern geklagt hatte: „Ich bin eurethalben in Verlegenheit" (Galater 4,20), war er mit dem Blick auf Christus imstande fortzufahren: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn" (Galater 5,10). Er sah die Heiligen unter dem sorgsamen Auge Christi, der stets bereit war, sie zu segnen.

Dasselbe Kapitel (Mt 18), das uns belehrt, dass wir auf unser eigenes Auge, die Hand oder den Fuß, wenn sie uns ärgern, d. h. ein Anlass zum Sündigen werden, keinerlei Rücksicht nehmen, sondern mit unnachsichtiger Strenge gegen sie verfahren sollen, ermahnt uns auch zur denkbar zartesten Rücksichtnahme auf die Brüder, die gegen uns sündigen. Wir sollen zusehen, dass wir nicht eines der Kleinsten, der Schwächsten, verachten, und dem Bruder, der wider uns sündigt, sollen wir nicht bis siebenmal, sondern bis siebenzig mal siebenmal vergeben. Zugleich aber sagt uns der Herr (was sehr wichtig ist), dass wir, wenn ein Bruder gegen uns gesündigt hat, den Fehler des Bruders nicht einfach übergehen oder mit Gleichgültigkeit hinnehmen sollen; nein, wir sollen den Bruder überführen, oder, wie es in Lukas 17 heißt, es ihm verweisen - aber zwischen ihm und uns allein, also nicht etwa öffentlich oder durch einen Brief - und wir sollen, wenn er es bereut, ihm vergeben. Wie zart also soll der Beleidigte dem Bruder entgegentreten, der ihn beleidigt hat!

Mancher meint, in Gnade zu handeln, wenn er das Unrecht in Langmut erträgt und den Bruder, der gegen ihn gefehlt hat, meidet. Das ist falsch. Hier wäre Schweigen Unrecht. Nur soll niemals der Gedanke an mich und die Hoffnung, dass der Bruder mir Genugtuung gibt und sein Unrecht wieder gutmacht, die Ursache sein, mit ihm über seinen Fehler zu sprechen. Der Herr sagt nicht: „Wenn dein Bruder auf dich hört, so wirst du die Genugtuung haben, dass er sein Unrecht einsieht und alles Böse, dass du durch ihn erlitten hast, wieder gutmacht." Nein, von dir ist gar keine Rede. Es heißt vielmehr: „Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen."

Nicht um mein Recht zu finden, sondern um den Bruder zu gewinnen, soll ich hingehen und ihm seine Fehler aufdecken. Meine Sache bleibt dem Herrn überlassen, wenn ja auch die Gnade in dem fehlenden Bruder wirken und den Wunsch hervorbringen wird, das begangene Unrecht wieder gutzumachen. Auf unsere Pflicht, den fehlenden Bruder zu überführen und zurechtzuweisen, werden wir schon im Alten Testament aufmerksam gemacht. In 3. Mose 19,17 lesen wir: „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen. Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld tragest." Wir sind mitverantwortlich für die Wiederherstellung unseres Bruders, die ja nur dann stattfinden kann, wenn das Gewissen aufgeweckt und der Schuldige dahin geführt wird, seinen Zustand vor Gott zu richten. Aber vergessen wir nicht: der Grund des „Verweisens" unsererseits ist nur, den Bruder zu gewinnen; und er wird nur gewonnen, wenn die Gnade in ihm und in mir wirksam ist. Aber, möchte gefragt werden, muss denn jede einzelne Verfehlung in dieser Weise geregelt werden? Nein, es werden auch Fälle vorkommen, besonders wenn es sich um persönliche Kränkungen handelt, wo wir das Wohl unseres Bruders vor Augen haben und doch in Weisheit uns nach Sprüche 19,11 verhalten: „Die Einsicht eines Menschen macht ihn langmütig, und sein Ruhm ist es, Vergehung zu übersehen."

Möge offenbar werden, dass unsere Sorge füreinander, unser Achthaben aufeinander mehr und mehr vor Gott geschieht. Es wird sicherlich zum Anreiz zur Liebe und zu guten Werken dienen. Denn „Gott hat den Leib zusammengefügt, indem Er dem Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat, auf dass keine Spaltung in dem Leibe sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander haben möchten" (1. Korinther 12,24. 25). Und Paulus schreibt weiter an die Korinther: „So denn, wenn ich euch auch geschrieben habe, so geschah es nicht um des Beleidigers noch um des Beleidigten willen, sondern um deswillen, damit unser Fleiß für euch bei euch offenbar werde vor Gott" (2. Korinther 7,12). Es kann vorkommen, dass ein Bruder uns nicht viel Freude macht, aber das soll uns zur Gelegenheit werden, Liebe an ihm zu üben. Ist es nicht betrübend, einen, der von Gott geliebt ist, befleckt zu sehen? Und wenn ich in einem solchen den Tempel des Heiligen Geistes erblicke, werde ich mich dann nicht getrieben fühlen, ihm in Liebe zurechtzuhelfen?

„Da ist kein einziges Kind Gottes, in dem wir nicht etwas Gutes finden könnten, vorausgesetzt, dass wir es nur auf die rechte Weise suchen. Lasst uns mit dem Guten uns beschäftigen, dabei stehenbleiben und es zu stärken suchen!" sagt ein anderer Schreiber.

Ein großer Feind des einträchtigen Beieinanderwohnens ist auch das üble Nachreden hinter dem Rücken des Bruders oder der Schwester. Es gibt kaum eine Sünde, in die wir so leicht fallen, wie diese, und vielleicht auch keine, über die wir so leicht hinweggehen. Und doch ist es eine große Sünde, und Gott warnt uns in Seinem Wort ernstlich vor allem üblen Nachreden, vor Verleumdung und Ohrenbläserei. Es würde zur Verherrlichung Christi und zum Frieden untereinander beitragen, wenn wir uns alle die folgenden Winke eines anderen Bruders zu Herzen nähmen:

1. Richte nie jemanden wegen Dingen, die du nur vom Hörensagen kennst, ohne erfahren zu haben, was er für sich selbst zu seiner Verteidigung zu sagen hat.

2. Wiederhole nie ein böses Gerücht, ehe du sicher bist, dass es wahr ist, und auch dann nicht, ohne dich zu fragen, ob es zur Ehre Gottes gereicht.

3. Wenn du von anderen sprichst, so gebrauche nie Worte, die du in der Gegenwart Gottes nicht wagen würdest auszusprechen.

Ja, hüten wir uns vor allem, was Streit in unsere Mitte bringen kann! Satans Bemühen ist stets darauf gerichtet, die Kinder Gottes zu entzweien. Er weiß, daß unsere Kraft in dem einmütigen Sichscharen um den gemeinsamen Mittelpunkt besteht; und da er die von Gott hergestellte Einheit nicht zerstören kann, so sucht er auf alle Weise die Offenbarung dieser Einheit zu hintertreiben.

Seien wir also auf der Hut! Wenn es ihm aber dennoch gelingen sollte, Streitigkeiten in unserer Mitte hervorzurufen, und wir ängstlich fragen: Was tun, damit der Streit nicht um sich greift? so finden wir auch in dieser Sache die Antwort in Gottes Wort. In der Wüste hatten einst Mirjam und Aaron sich nicht gefürchtet, wider Mose, den Knecht Jehovas, zu reden, und ein Zank war entstanden. Was tat Mose? Er offenbarte den Geist seines Meisters, beugte sein Haupt in Sanftmut und bat für die, die ihn so bitter gekränkt hatten. Er zeigte sich nicht empfindlich, nicht von sich selbst eingenommen, sondern überließ sich und seine Sache Gott. Die Sanftmut erstickte den Streit. Es war ein Sieg der Gnade.

In späteren Tagen lesen wir von einem Streit zwischen den Männern von Ephraim und Gideon (Richter 8). Ein übertriebenes Ehrgefühl war die Ursache der Unzufriedenheit Ephraims. Wie wurde dieser Streit geschlichtet? Dadurch, dass Gideon, der Abieseriter, in Demut den niedrigsten Platz einnahm und die Nachlese Ephraims besser nannte als die Weinlese Abiesers.

Ja, Sanftmut und Demut erreichen stets das Gewissen der Streitenden und machen die Listen Satans zuschanden. Es gibt eben in den Kämpfen unter Brüdern keine Sieger und Besiegte, sondern alle müssen besiegt und erniedrigt werden, damit der Herr am Ende triumphiert. Und wie werden diese Tugenden in uns hervorgebracht? Indem wir - und damit kehren wir zum Anfang unserer Betrachtung zurück - Jesus, den Hohenpriester unseres Bekenntnisses, den Sanftmütigen und von Herzen Demütigen, fleißig betrachten. Lasst uns das tun und dann aufeinander achthaben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken! Dann wird das wohlriechende Öl und der erfrischende Tau in Fülle auf uns herabfließen.

Kennst du das liebliche Bild, das Philipper 2 uns vor Augen malt? Da sehen wir einen Bruder dem Tode nahe, weil er im Dienst für andere sein Leben gewagt hat; aber er denkt nicht an sich, sondern nur an jene, ist nur bekümmert um seine geliebten Philipper. Diese wiederum sind besorgt um ihn, und Paulus endlich ist voller Sorge für beide, für Epaphroditus und die Philipper.

Ja, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!

Fußnote:

*) Das in Hebräer 12,3 mit „betrachten" übersetzte Wort ist ein anderes. Es schließt den Gedanken von Vergleichen in sich und kommt nur an dieser Stelle vor.

@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 281ff

KAPITEL 6, 24‑7, 20 Die Belagerung von Samaria

Der Feind des Volkes Gottes hält sich niemals für geschlagen. Wenn die syrischen Streifscharen, von der Macht des Gottes Israels überführt, aufhören ihre Einfälle in das Land zu machen, versammelt Ben-Hadad sein ganzes Heer, um Samaria zu belagern, und diese Belagerung hat eine große Hungersnot im Gefolge. Das sind die Folgen der Sünde Israels. Der Feind war, ohne es selbst zu wissen, zum Gericht gegen dieses Volk gesandt worden, aber er ist zugleich das Bild des Fürsten des Todes, dem der sündige Mensch nicht entrinnen kann. Die Hungersnot ist eine Folge der Gegenwart des Feindes, der sicher nie daran denkt, die, welche er unterdrückt, zu ernähren. Sie ist wie eine andere Form des Todes, der auf dem schuldigen Volke lastet. So herrscht denn in diesem ganzen Kapitel der Tod, das schreckliche und unvermeidliche Los, welches der sündige Mensch verdient. Doch Gott hat sogar gegen den Tod Hilfsmittel. Er lässt es durch den Propheten verkünden; und wenn Er ankündigt, dass Er die Hungersnot beseitigen wolle, So geschieht dies durch die Beseitigung des Feindes, des Werkzeugs Seines Gerichts. Das bringt uns in den Bereich der Gnade und des Evangeliums.

Lasst uns nach dieser kurzen Übersicht den Inhalt dieses interessanten Kapitels im einzelnen betrachten,

Samaria war die Hauptstadt und der Mittelpunkt einer religiösen Welt, die noch den Schein bewahrte, den Dienst Jehovas aufrechtzuhalten, in Wirklichkeit aber ihn verfälscht hatte. Diese Welt finden wir in unseren Tagen unter einer anderen Form wieder, und gerade wegen ihrer religiösen Anmaßung ist sie der Gegenstand des Gerichts Gottes. Alle Schändlichkeiten wurden in Samaria geduldet, und die Hungersnot, anstatt das Volk und seinen König dahin zu bringen, bei sich selbst Einkehr zu halten, diente nur dazu, die entsetzliche Selbstsucht des menschlichen Herzens an den Tag zu bringen: um dem Hungertode zu entgehen, opferte man sogar die eigenen Kinder, anstatt sich für sie zu opfern. Aber obwohl solche Dinge in diesem Kreise geschehen konnten, war deshalb doch nicht der äußere religiöse Schein daraus verbannt. Der König selbst trug, zum Zeichen der Trauer und der Kasteiung, "Sacktuch auf seinem Leibe". Er tat es wahrscheinlich in der Hoffnung, dadurch der Gefahr zu entgehen, aber ohne dass sein Gewissen irgendwie erreicht oder sein Herz verändert gewesen wäre. Denselben Erscheinungen begegnen wir in der Christenheit, wenn die Völker von offenbaren Heimsuchungen getroffen werden.

Der König kasteite sich sogar in dem Augenblick, als er von Hass erfüllt, dem Propheten Jehovas nach dem Leben trachtete. „Und er sprach: So soll mir Gott tun und So hinzufügen, wenn der Kopf Elisas, des Sohnes Saphats, heute auf ihm bleibt!" Er, der gezwungen war, dem in äußerster Not befindlichen Weibe zu sagen: "Hilft dir Jehova nicht, woher sollte ich dir helfen?" und der vor der schrecklichen Wirklichkeit seine Kleider zerriss, stößt mit Gewalt den einzigen Menschen von sich, in welchem ihm ein Mittel zur Rettung geboten war. Wie völlig hatte er vergessen, dass der Prophet ihm „nicht einmal und nicht zweimal" das Leben gerettet, und dass Jehova mit einer grenzenlosen Geduld ihm eine hilfreiche Hand dargereicht hatte. Alles das übersah er, weil das einzige, das er nicht zugeben wollte, und zwar das einzig Wichtige, darin bestand, dass seine Sünden ihm Gericht und Tod verursacht hatten.

Während dies sich zuträgt, sitzt der Prophet in seinem Haus und unterhält sich in Frieden mit den Ältesten; aber als "Seher“ hat er nicht nötig, dass Gott ihm die Augen öffnet, um die Absichten des Menschen zu erkennen oder sich des Schutzes Gottes bewusst zu sein. Seinem Schwure getreu, sendet der König einen Boten mit dem Befehl, Elisa zu enthaupten, und folgt von Rachsucht erregt, dem Vollstrecker seines Urteilsspruches auf den Fersen. Doch bevor er ankommt, hat der Prophet ihn gesehen: „Habt ihr gesehen, dass dieser Mördersohn her gesandt hat, um mir den Kopf wegzunehmen?" Der Mann kann, da er die Tür versperrt findet, seinen Auftrag nicht ausführen und kehrt zu seinem Herrn zurück. Der König sieht seine Pläne vereitelt und sagt: Ich gebe es auf, auf Gott zu vertrauen! "siehe, dieses Unglück ist von Jehova, was soll ich noch auf Jehova harren?" Wie oft urteilt der Mensch in seiner Auflehnung gegen Gott wie Joram! Da Gott mir das, was ich haben will nicht gewährt, die Heilung eines teuren Wesens nicht schenkt, mich nicht aus meinen materiellen Schwierigkeiten befreit, so sage ich mich von meinen Verpflichtungen gegen Ihn los; Er besteht für mich nicht mehr! Ach, das kommt daher, dass das Herdes Menschen, ebenso wenig wie Joram, auf die Wurzel des gemeinsamen Übels, die Sünde, zurückgehen und deren Folgen zugeben will. Er will nicht Buße tun. Sein Stolz erlaubt es nicht, sich seinem Richter auf Gnade und Ungnade zu ergeben, unter der Anerkennung, dass Gott recht hat, ihn zu verdammen. Selbst die Erinnerungen und Aufforderungen Gottes bieten ihm nur eine neue Gelegenheit, sich zu verhärten.

Wie wird Gott so viel Bosheit und Auflehnung beantworten? ... Er lässt Seine Gnade sogar durch den Mann ankündigen, dem der König nach dem Leben trachtet! "Da sprach Elisa: Höret das Wort Jehovas! So spricht Jehova: Morgen um diese Zeit wird ein Maß Feinmehl einen Sekel gelten, und zwei Maß Gerste einen Sekel im Tore von Samaria." ja, Gott verkündet für den folgenden Tag, dass Er Überfluss geben und die armen Ausgehungerten sättigen wolle, zu einer Zeit, da ihre Sünde die Ursache der Hungersnot war.

Bei der Verkündigung dieser guten Botschaft verhöhnt einer der Dabeistehenden Gott. „Da antwortete der Anführer, auf dessen Hand der König sich lehnte, dem Manne Gottes und sprach: Siehe, wenn Jehova Fenster am Himmel machte, würde wohl dieses geschehen?" Der König glaubte der Botschaft nicht, das sieht man aus dem Folgenden (V. 12); sein Hass und seine Auflehnung blieben in seinem Herzen unverändert. Und doch war sein Zustand weniger schrecklich als der dieses Spötters, als die gute Botschaft von der Gnade Gottes durch Seinen Propheten verkündigt wurde. Dem Anführer wird gesagt: "Du wirst es mit deinen Augen sehen, aber du wirst nicht davon essen". Gott trägt alle Sünder mit unendlicher Geduld, aber die, welche Ihn und Sein Wort verhöhnen, sind unrettbar verloren. Wir werden am Ende des Kapitels sehen, dass dieser Mensch der einzige ist, der auf einem Schauplatz der Rettung und des Überflusses beseitigt wird, ohne irgendwie daran teil­zuhaben.

Der Charakter der Spötter ist in unseren Tagen nicht so selten, wie man meint; man kann im Gegenteil sagen, dass er die Zeit, in der wir leben, kennzeichnet, wie Petrus sagt: "Indem ihr zuerst dieses wisset, dass in den letzten Tagen Spötterr mit Spötterei kommen werden, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind ' bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an. Denn nach ihrem eigenen Willen ist ihnen dies verborgen, dass von alters her Himmel waren und eine Erde, entstehend aus Wasser und im Wasser durch das Wort Gottes, durch welche die damalige Welt, vom Wasser überschwemmt, unterging. Die jetzigen Himmel aber und die Erde sind durch sein Wort bewahrt, für das Feuer behalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen" (2. Petr. 3, 3‑7). Lasst uns nicht denken, dass diese Spötter Leute seien, die über alle Frömmigkeit lachen. Der Unglaube vor etwa zweihundert Jahren trug vielleicht diesen Charakter, aber die Zeiten haben sich geändert. Die Spötter unserer Tage legen ihren Unglauben in sehr ernsthafter Weise an den Tag; sie kommen mit Vernunftgründen. Das Wort Gottes ist für sie null und nichtig, wie für den Anführer Jorams, und indem sie diesem Wort kein Vertrauen schenken, verlassen sie sich auf die Beständigkeit der sichtbaren Dinge und behaupten, dass diese nie ein Ende nehmen werde. Nach ihrem eigenen Willenn ‑ und das ist der Charakter ihrer Spötterei ‑ ist ihnen das, was Gott ihnen durch Sein Wort geoffenbart hat, verborgen. Sie wollen es nicht wissen. Ihr Gericht steht vor der Türe.

Und nun zeigt Gott uns, dass, wenn der Mensch Ihn nicht will, Er nicht nur wie in dem vorigen Kapitel Seinen Feinden ein großes Mahl macht, sondern dass Er auch Seelen zubereitet im Blick auf den Genuss dieses Mahles.

„Es waren aber vier aussätzige Männer am Eingang des Tores; und sie sprachen einer zum anderen: Was bleiben wir hier, bis wir sterben?" Diese vier Männer waren unrein, denn der Aussatz ist das Bild der den Menschen verunreinigenden Sünde. Als Aussätzige konnten sie nicht bei dem Volke wohnen; ihre Unreinheit gab ihnen ihren Platz außerhalb der Tore von Samaria. Sie waren zugleich, wie jeder Aussätzige, aus der Gegenwart Gottes ausgeschlossen. Weiterhin war ihr Zustand derart, dass sie über ihn nicht in Unkenntnis sein konnten; ihre Krankheit bot solche Kennzeichen und war in Israel so genügend festgestellt, dass man sie weder vor Gott, noch vor anderen, noch vor sich selbst verbergen konnte. Schließlich führte die Krankheit, wenn nicht Gott in unmittelbarer Weise eingriff, unbedingt zum Tode. Es gab kein menschliches Heilmittel dagegen.

So war der persönliche Zustand dieser vier Männer am Eingang des Tores von Samaria. Was ihn noch schrecklicher machte, war der Umstand, dass der Tod sie auf allen Seiten umringte. "Wenn wir sprechen: Lasst uns in die Stadt gehen, so ist die Hungersnot in der Stadt, und wir werden daselbst sterben; und wenn wir hier bleiben, so werden wir auch sterben. Und nun kommt und lasst uns zu dem Lager der Syrer überlaufen; wenn sie uns am Leben lassen, so leben wir, und wenn sie uns töten, so sterben wir." Hätten sie in die Stadt gehen können, so würden sie dort Hunger und Tod gefunden haben. Da bleiben, wo sie waren, bedeutete ebenfalls den sicheren Tod. Und zu dem Feinde gehen, der der Vertreter des Gerichts Gottes war und das Schwert des Gerichts trug, war das nicht auch der Tod? Doch auf dieser Seite gab es wenigstens einen Schimmer von Hoffnung. "Wenn sie uns am Leben lassen, so leben wir." Ihr Leben hing von dem guten Willen des Feindes ab. Wer weiß? vielleicht ließ er sie leben.

Gehen wir nicht heute durch die gleichen Umstände? Der von seiner Sünde überzeugte Sünder kann bei der Welt, selbst bei ihrem religiösen Äußeren, weder Hilfe noch Rettung finden. Er begegnet dort nur dem Hunger und dem Tode. In seinem jetzigen Zustand kann er nicht bleiben, das ist auch der Tod. Vor sich hat er das drohende Gericht Gottes, und das ist der Tod, der schreckliche und unvermeidliche Tod ... Doch vielleicht wird der Richter Erbarmen mit ihm haben ... So werfe er sich dem Richter zu Füßen! Er wird erfahren, dass dieser Gott-Richter der Gott der Liebe, der Gott-Heiland ist!

Doch unsere Erzählung geht nicht so weit. Diese Aussätzigen erheben sich nicht, um Gott zu begegnen. Sie gehen hin, ungewiss und voll Furcht, und kommen "an das Ende des Lagers der Syrer, und siehe, kein Mensch war da ". Was war geschehen? "Der Herr hatte das Heerlager der Syrer ein Getöse von Wagen und ein Getöse von Rossen hören lassen, das Getöse einer großen Heeresmacht", und in der Meinung, dass Israels Verbündete auf sie anstürmten, waren sie geflohen und hatten, um ihr Leben zu retten, Zelte, Rosse und Esel im Stich gelassen und das Lager, so wie es war.

Der Feind, das Werkzeug des Gerichts Gottes, war verschwunden. Das Gericht war über ihn gekommen. Es gab kein Gericht mehr . Wie hatte das geschehen können? Die Syrer hatten das Getöse einer großen Heeresmacht gehört. Es war nur ein Getöse, in Wirklichkeit etwas Schwaches und Unbedeutendes, durchaus nicht zu vergleichen mit den feurigen Rossen und Wagen von Dothan; und doch wieder etwas überaus Gewaltiges, weil es von dem Herrn selbst herrührte. Er war in diesem Getöse, und das genügte, die ganze Macht Ben-Hadads zu vernichten.

Für uns, mein lieber christlicher Leser, hat sich dieses Getöse auf dem Kreuze hören lassen, wo der Sohn Gottes mit der ganzen Macht des Fürsten des Todes und mit seinem Heere zu tun hatte. Er hat ihn durch seine eigenen Waffen besiegt, aber ohne irgendwelche Machtentfaltung. In dem Tode eines einzigen Menschen, der in Schwachheit gekreuzigt wurde, entfaltete sich die Macht Gottes, um diesen schrecklichen Feind zu besiegen, zu beseitigen und zu vernichten. So war der Tod Christi. Satan hielt den Menschen unter der Furcht vor dem Tode gefangen, und er ist durch seine eigenen Waffen besiegt worden, wie einst Goliaths Haupt durch den schwachen David mit des Riesen eigenem Schwert abgehauen wurde.

Der Tod war besiegt, das Gericht beseitigt für diese vier Aussätzigen. Zitternd waren sie diesen Dingen entgegengegangen; sie finden an deren Stelle das Leben, Überfluss an Gütern und Reichtümern, genug, um ihren Hunger zu stillen, die ganze Beute des Feindes, ohne dass es sie etwas kostet. Sie ernten die Frucht des Sieges, der für uns der Sieg des Herrn ist. Im Lager ist Friede; niemand tritt ihnen entgegen. Sie sättigen sich und entdecken Schätze, die sie sich aneignen. Doch können sie schweigen und sie für sich behalten? Nein, die Freude der Rettung ist mitteilsam; diese Männer werden Überbringer guter Botschaft für andere. „Dieser Tag ist ein Tag guter Botschaft."

Was dieses Kapitel kennzeichnet, ist nicht ein Gott, der den Schmutz der Sünde wegnimmt, es sei denn dass diese Aussätzigen, wie Naaman, nicht geblieben wären, was sie waren; sondern ein Gott, der das Gericht in der Person des Feindes beseitigt und zu gleicher Zeit die Macht des Todes zerstört, damit arme, verunreinigte Wesen leben und sich der Segnungen erfreuen können, deren sie beraubt waren.

Beachten wir in dieser Geschichte noch einen Charakterzug des Evangeliums. Als Elisa das Ende der Hungersnot für „morgen" ankündigte, sprach er: „Höret". Dieses Wort wendet sich ohne Unterschied an alle: an das Volk, den König, den spottenden Anführer, gerade so wie der Same des Säemanns unterschiedslos überallhin fällt. Mit dem errungenen Siege ist es das Gleiche. Alle werden eingeladen; seine Ergebnisse werden allen ohne Unterschied angeboten. Das Volk, die ganze Stadt, der König und seine Knechte, alle werden zu dem Mahle eingeladen. Das herrliche, von dem Propheten angekündigte „morgen" hat sich in ein „heute" verwandelt. Alle kommen, sättigen und bereichern sich, sind aber weit davon entfernt, die Freude der Aussätzigen zu teilen. Diese können angesichts der Wunder ihrer Rettung kein Wort hervorbringen. Aber wie nehmen der König und seine Knechte die Ankündigung der Rettung auf? (V. 12‑15). Für sie ist in dieser Rettung, die sie nichts kostet, ein Fallstrick verborgen. Laßt uns, sagen sie, wenigstens etwas von unserer Seite tun; und so machen sie sich mit zwei Wagen mit ermatteten Rossen an die Verfolgung des Feindes! Alles, was sie tun können, ist, die Stunde der Befreiung zu verzögern, indem sie das festzustellen suchen, was der Glaube der Aussätzigen vor ihrer Untersuchung erfasst hatte. Ihr Gedanke angesichts der guten Botschaft ist der reine Unglaube. Der König sagt: "Ich will euch sagen, was die Syrer uns getan haben. sie wissen, dass wir Hunger leiden, und sie sind aus dem Lager gegangen, um sich auf dem Felde zu verbergen, indem sie sagen: Wenn sie aus der Stadt herausgehen, so wollen wir sie lebendig greifen und in die Stadt eindringen". Dann fügt er auf den Vorschlag eines seiner Knechte hinzu: "Gehet hin und sehet". Für sie tritt das Sehen an die Stelle des Glaubens, und wenn sie wie die anderen an den Ergebnissen der Befreiung teilhaben, so rettet sie nicht das Sehen; das hat noch niemanden gerettet. Dafür ist der Anführer ein schreckliches Beispiel. Der Prophet hatte ihm gesagt: "Siehe, du wirst es mit deinen Augen sehen, aber du wirst nicht davon essen". „Und es geschah ihm also: das Volk zertrat ihn im Tore, und er starb.“ Das Sehen war für ihn das unmittel­bare Vorspiel des Todes!

@@@@@

In Schwachheit stark

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 291ff

Autor: P. R.

Wie ist es herrlich, ein Gotteskind sein,

kämpfen mit Waffen des Lichts aus der Höhe;

immerdar selig im Herrn sich erfreun,

ob auch durch Leiden und Trübsal ich gehe!

Bin mir der eigenen Ohnmacht bewusst

in diesen Kämpfen und Wirren des Lebens,

fliehe so gern an des Heilandes Brust,

richte zu Ihm mein Gebet nie vergebens.

Ist auch der Kampf manchmal heftig und schwer,

stets Jesu Hände mich liebevoll halten.

Nimmer erschöpft sich das herrliche Meer

Göttlicher Kraft wider finstre Gewalten.

Teurer Erlöser. O ganz bin ich dein,

hast mich auf Golgatha völlig errungen.

Dich will ich lieben, mein Alles dir weihn,

wandeln, vom göttlichen Leben durchdrungen.

Bin auf der Erde ein Fremdling ja nur,

denn meine Heimat ist Zion dort oben.

Folge getrost meines Heilandes Spur,

Ihn will ich rühmen, anbeten und loben.

@@@@

Das Haus des Sohnes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 292ff

„Moses zwar war treu in seinem ganzen Hause als Diener . . . Christus aber als Sohn über Sein Haus, dessen Haus wir sind, wenn wir anders die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten." (Hebr. 3, 5. 6.)

Jehova hatte einst Israel durch Seinen Vorsatz dazu bestimmt, Sein Volk und Sein Haus zu sein, in dessen Mitte Er wohnen wollte. (Siehe 2. Mose 26, 11. 12.) Die Verwaltung dieses Hauses war Mose, dem Knechte Jehovas, in besonderer Weise anvertraut, und er hat seine Dienste treu ausgeführt. „Er war

treu in seinem ganzen Hause als Diener“ (Vergl. 4. Mose 12, 7). Doch als er vom Schauplatz abgetreten war, verderbte sich das Volk rasch. Sein Zustand wurde endlich so schlecht, dass Jehova nicht länger in seiner Mitte wohnen konnte. Seine Herrlichkeit musste sie verlassen (Siehe Hesekiel 10, 4. 18. 19).

Heute ist dieses Volk, nachdem es auch noch seinen Messias verworfen und getötet hat, als Gefäß des Zeugnisses völlig beiseite gesetzt. An seiner Stelle hat Gott ein anderes Zeugnis aufgerichtet, welches im

Hebräerbrief das Haus des Sohnes genannt wird; denn Gott hat sich jetzt in der Person des Sohnes völlig geoffenbart. Auch dieses Haus steht, als auf der Erde errichtet, (obwohl es durch himmlische Grundsätze geleitet werden soll,) unter Verantwortlichkeit und kann nur dann in Wirklichkeit als das Haus des Sohnes

gelten, wenn es dieser Verantwortlichkeit im Zeugnis entspricht.

Hat nun dieses Gefäß das ihm anvertraute Zeugnis treu verwaltet und seiner Verantwortlichkeit entsprochen? Leider nein. Deshalb wird es, gleich jenem, trotzdem es anfangs so herrlich dastand, (siehe Apstgsch. 2,42 - 47; 4, 32 - 35) am Ende beiseite gesetzt und durch das Gericht hinweggetan werden.

In der zu Anfang unserer Betrachtung angeführten Stelle werden zwei Charakterzüge angegeben, welche diejenigen kennzeichnen sollen, die Anspruch darauf machen, zu dem Hause des Sohnes zu gehören. Der erste besteht darin, „die Freimütigkeit festzuhalten“. Die Ermahnung richtet sich an solche, die bekannt haben, durch das Blut Christi von allen ihren Sünden gereinigt zu sein, deren Gewissen zur Ruhe gebracht sind und die nun mit Freimütigkeit in die Gegenwart Gottes treten können. Sie werden ermahnt, sich diese Freimütigkeit zu erhalten, da sie leicht verloren werden kann. Wenn ein Gläubiger etwas tut, redet oder denkt, was der Gesinnung des Herrn nicht entspricht, so macht ihn sein Gewissen darauf aufmerksam, sein Herz verurteilt ihn. Damit ist die Freimütigkeit gestört. (Siehe 1. Joh. 3, 20. 21.) Dank sei der Gnade, dass sie es möglich gemacht hat, die verlorene Freimütigkeit wieder zu erlangen! „Wenn jemand gesündigt hat — wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten“ (1.Joh. 2,1.) Aber sie ist für den Augenblick verloren, und wir können sie nur wiedergewinnen durch ein aufrichtiges Bekenntnis. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er (Gott) treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh. 1, 9). Auf Grund des vollbrachten Opfers Christi, der als unser gerechter Vertreter bei dem Vater weilt, vermag der heilige Gott uns die Sünden zu vergeben, und wenn wir sie aufrichtig bekennen, so dürfen wir kraft Seines Wortes auch das Vertrauen haben, dass Er es tut.

Der Herr wolle geben, dass wir, wenn wir gefehlt haben, diese Gnade nicht versäumen! Doch bedenken wir wohl, dass ein bloßes Lippenbekenntnis Gott nicht befriedigen kann. Er sieht das Herz an. Unsere von

Natur stolzen Herzen sträuben sich dagegen, in das Licht Gottes zu kommen und die Fehltritte mit wahrer Demütigung vor Ihm zu bekennen. Wir suchen unsere Gewissen leicht selbst zu beruhigen und die Schuld bei anderen oder in den Umständen zu suchen. Doch dabei ist das Herz nicht glücklich, und schon bei der nächsten Prüfung kommen neue Verirrungen hinzu, die dann noch weniger ernst gerichtet werden als die ersten. Mit der Zeit stumpft das Gewissen mehr und mehr ab, und die Freimütigkeit geht dem Herzen völlig verloren. Dass man in einem solch traurigen Zustande unfähig ist, als ein Zeugnis für den Herrn dazustehen, bedarf kaum der Erwähnung. Möchten wir deshalb wachsam und nüchtern sein und uns vor Gott und Menschen ein gutes Gewissen zu bewahren suchen! (Vergl. 1.Tim. 1, 19). Ach, wie mancher Christ hat am Ende seines Weges bekennen müssen, dass sein Leben hienieden verloren war! Das ist sehr ernst und sollte unsere Herzen bis auf den Grund bewegen. 294

Das zweite Kennzeichen derer, die dem Hause des Sohnes anzugehören bekennen, ist: „den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festzuhalten“. Gottes Wort bezeichnet die Herrlichkeit Gottes als den Ruhm der Hoffnung: „Wir rühmen uns in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (Röm. 5, 2). Könnte es eine herrlichere Hoffnung geben? Die Herrlichkeit Gottes selbst „soll unser sein. So lange diese Hoffnung unsere Herzen belebt, haben die nichtigen und vergänglichen Dinge der Welt keinen Wert für uns; wir suchen dann das, was droben ist. Doch wie nötig ist auch in diesem Stücke die Wachsamkeit! Wir können von der Hoffnung des Evangeliums abbewegt werden (Siehe Kol. 1, 23). Der listige Feind, der einst sogar dem Herrn die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit als begehrenswert vorzustellen suchte (siehe Matth. 4, 8. 9), lässt es auch bei uns an solchen Versuchen nicht fehlen. Und schauen wir nicht unverrückt das herrliche Ziel an, so dass die „himmlische Berufung“ wirklich Wert für uns behält, so wird es ihm bald gelingen, uns „das, was auf der Erde ist“, wieder begehrenswert erscheinen zu lassen. Ohne dass wir es merken, umgarnt uns der Strick des Vogelstellers. Wir fangen an, nach irdischen Gütern zu trachten und es uns hienieden so angenehm wie möglich zu machen. Bei solchem Streben geht dann bald der Charakter der Fremdlingschaft verloren. Wir sind nicht mehr zufrieden, „in Zelten zu wohnen wie Abraham, sondern „heben unsere Augen auf“ wie Lot. Wir können nicht mehr von Herzen in den Ruf des Geistes und der Braut einstimmen: „Herr Jesu, komm!“ Wir haben den Ruhm der Hoffnung nicht standhaft festgehalten.

Welch ein Schaden ist das für die Seele! Was sonst Herzensbedürfnis war, der Besuch der Versammlungen, das Gebet, das Lesen des Wortes, die Gemeinschaft mit den Geschwistern, die Ausbreitung des Evangeliums —— alles wird vernachlässigt, oder doch nur der Form nach getan, zur Beruhigung des Gewissens. Der Herr bewahre uns in Gnaden vor einem solchen Zustande! Und sollte einer der Leser dieser Zeilen sagen müssen, dass er mehr oder weniger in diesem Zustande sei, —- der Herr kennt ja die Herzen — möchte er dann nicht darin vorangehen, sondern mit aufrichtigem Bekenntnis sich zum Herrn wenden und Ihn bitten, dass er von den Fesseln, welche sein Herz umstrickt haben, wieder befreit werde, um von neuem mit glücklichem Herzen ein Zeugnis für Ihn zu sein und Ihn erwarten zu können aus den Himmeln! Nur so kann er seiner Verantwortlichkeit entsprechen und seinen Platz geziemend im Hause des Herrn einnehmen.

@@@@

Versammlung oder Gemeinde

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 296ff

Man möchte meinen, es sei nachgerade überflüssig geworden, über die Bedeutung des Wortes „Versammlung« oder „Gemeinde“ zu reden. Da aber immer wieder, heute von dieser, morgen von jener Seite, Abhandlungen über diesen Gegenstand erscheinen, die geeignet sind, beunruhigend und verwirrend zu wirken, mag es gut sein, noch einmal ein kurzes, klärendes Wort darüber zu sagen. Der Herr wolle es segnen!

Als allgemein bekannt darf vorausgesetzt werden, dass das griechische Wort ekklesia — von dem Zeitwort ekkalein — herausrufen, berufen, gebildet — zunächst eine Versammlung von Leuten bezeichnet, welche in den griechischen Städten Bürgerrecht hatten, gegenüber solchen Einwohnern, die desselben ermangelten und paroikoi genannt wurden.*) Vergl. Apstgsch.19, 39: „Wenn ihr aber wegen anderer Dinge ein Gesuch habt, so wird es in der gesetzlichen Versammlung erledigt werden“. Weiterhin bezeichnet es eine Volksversammlung im allgemeinen Sinne, eine zusammengeströmte Volksmenge: „Und als er dies gesagt hatte, entließ er die Versammlung“ (V. 41; so auch V. 32). Dann wird die Gemeinde Israels in der Wüste ekklesia genannt. (Apstgsch. 7, 38.) Und schließlich wird das Wort angewandt auf die Versammlung der aus Juden und Heiden berufenen Gläubigen (oder Heiligen, 1. Kor. 14, 38), sowohl in allgemeiner, alle Gläubigen umfassender Bedeutung, als auch in begrenztem Sinne nur die Gläubigen an irgend einem Orte bezeichnend. Zuweilen liest man auch von einer Versammlung in irgend einem Hause, wie z. B. in 1. Kor. 16, 19: „Es grüßen euch . . . Aquila und Priscilla, samt der Versammlung, in ihrem Hause“ (Vergl. Röm. 16, 5; Kol. 4, 15;. Philem. 2). Aber daraus geht keineswegs hervor, dass in den Häusern der an den verschiedenen Stellen genannten Gläubigen besondere, selbständige Versammlungen bestanden hätten. Im Gegenteil schreibt der Apostel „der Versammlung Gottes, die in Korinth ist“, „der Versammlung der Thessalonicher“; er redet von 2der Versammlung der Laodicäer“ und von „der Dienerin der Versammlung in Kenchreä“. Lukas redet in der Apostelgeschichte immer wieder von „der Versammlung in Jerusalem“, obwohl schon bald die Zahl der Gläubigen dort auf viele Tausende anwuchs, von „der Versammlung in Antiochien, in Ephesus“ (Vergl. Kap. 2, 47;13, 1; 14, 27; 15,3.4;18,22;20,17).

Von mehreren, nebeneinander bestehenden Versammlungen an einem Orte weiß die Schrift nichts. Wohl aber werden die Gläubigen eines Ortes, wenn die Zahl sich mehrte, in mehreren Häusern sich versammelt, oder auch, durch mancherlei Umstände, Verfolgungen u. s. w. gezwungen, ihre Versammlungsstätten häufig gewechselt haben. Doch dadurch wurde nichts an der Einheitlichkeit des ganzen, an einem Orte durch die Gnade Gottes errichteten Zeugnisses geändert. Auch wurde, wenn es sich um außergewöhnliche Angelegenheiten, ernste Entscheidungen und dergleichen handelte, die ganze Versammlung zusammengebracht (Apstgsch. 14, 27; 15, 22).

So war es im Anfang, und so entsprach es den Gedanken Gottes. Er selbst tat, wie wir in Apstgsch. 2, 47

lesen, in Jerusalem täglich „zu der Versammlung“ hinzu, die gerettet werden sollten. Von der Errichtung mehrerer Versammlungen oder Gemeinden an einem Orte finden wir, wie gesagt, nirgendwo eine Spur. Steht das Wort in der Mehrzahl, so sind immer entweder alle Versammlungen oder diejenigen einer Provinz, eines Landes u. s. w. gemeint. (So z. B. Apstgsch. 31; 15, 41; 16, 5; Röm. 16, 4. 16; 1. Kor. 7, 17; 11, 16 u. a. St.) Wenn man, um das Bestehen Verschiedener schriftlicher Körperschaften oder Gemeinschaften an einem Orte zu rechtfertigen, zu beweisen sucht, es sei im Anfang der Geschichte der Kirche auch schon so gewesen, so kann man nur sagen, dass der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Man will es so, darum ist es so.

Andererseits bedarf es kaum einer Erwähnung, dass es nicht nur eine große Anmaßung, sondern auch eine völlige Verdrehung der Wahrheit sein würde, wenn irgend eine Gemeinschaft von Gläubigen, mag ihre Zahl groß oder klein sein, sich den Namen „die Versammlung“ oder „die Gemeinde“ beilegen wollte. Sie würde damit ja alle übrigen Gläubigen als nicht zur Versammlung oder Gemeinde gehörend ausschließen. Nein, die Versammlung im weiteren Sinne besteht aus allen wahren Gläubigen auf der ganzen Erde, und die Versammlung im begrenzten örtlichen Sinne aus allen wahren Gläubigen an dem betreffenden Orte, mögen sie stehen und sich nennen, wie sie wollen, ja, mögen sie in noch so viele größere oder kleinere Körperschaften und Benennungen zerteilt sein. Nach Gottes Wort und Gedanken gibt es an einem Orte nur eine Versammlung, nur eine Gemeinde, und wir sollten doch bemüht sein, mit Gottes Gedanken zu denken, und alle eigenen Gedanken und Meinungen fahren lassen.

Aus der durch die Untreue des Menschen entstandenen Verwirrung und aus jenen eigenen Gedanken und Meinungen heraus kommen alle solche Fragen wie: „Wie nennst du dich?“ — „Wozu gehörst du?“ — „Wo hast du dich angeschlossen?“ u. s. w. Niemand wird behaupten wollen, dass in der Zeit der Apostel irgend ein Christ den anderen so gefragt haben könne. Nun, wenn es damals nicht richtig war, so zu fragen, kann es dann heute richtig sein? Ganz gewiss nicht, oder man müsste die sogenannte „geschichtliche Entwicklung« der — christlichen Kirche betrachten als von Gott gewollt und von Ihm anerkannt. Wenn man das nicht tut — und welcher einfältige, dem Wort und Willen Gottes unterworfene Christ könnte es? — kann man die vielen verschiedenartigen Körperschaften nicht als Gott wohlgefällig anerkennen.

Aber, fragt man, sind denn nicht reiche Segensströme von vielen dieser Gemeinschaften nach nahe und fern hin ausgeflossen? Haben nicht treue, wackere Gottesmänner an ihrer Spitze gestanden, oder stehen heute noch da? Haben nicht viele ihrer Glieder bis aufs Blut gelitten und gestritten für ihren Herrn? Werden sie nicht reichen Lohn empfangen für ihre Treue bis in den Tod, für ihren Fleiß, ihre Liebe, ihr Ausharren? Wieder antworten wir: Ganz gewiss! Wer könnte, wer wollte das in Frage stellen? Wer es verkleinern oder neidisch gar leugnen? Aber so laut die genannten Dinge Zeugnis geben mögen von der richtigen Herzensstellung jener treuen Männer zu Jesu, ihrem Herrn, beweisen sie doch nichts für die Richtigkeit ihrer Stellung zu ihren Mitgläubigen oder, besser gesagt, von dem Erfassen und Verwirklichen der Gedanken Gottes über „Christum und die Versammlung“, die Sein Leib ist, in welchem keine Spaltung sein sollte. (1. Kor. 12, 25). Man mag demgegenüber einwenden: Die Trennungen und Spaltungen sind einmal da, man kann sie nicht mehr hinwegschaffen, man muss sich darum, „so gut oder so schlecht es gehen mag, mit ihnen abfinden; andere mögen sie sogar zu entschuldigen- oder selbst zu rechtfertigen und als nützlich und segenbringend hinzustellen suchen —— aber ein zartes Gewissen, das in allem den Willen des Herrn zu tun bereit ist, wird sich dabei nicht beruhigen können.

Man sagt auch oft: Der Herzenszustand eines Gläubigen ist viel wichtiger als seine äußere christliche Stellung, seine Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu irgend einer religiösen Körperschaft. Aber ohne die Grade der Wichtigkeit dieser beiden Dinge gegeneinander -abwägen zu wollen, ist das Wort des Herrn doch jedenfalls auch in dieser Hinsicht wahr: „dieses hättet ihr tun und jenes nicht lassen sollen.“ Falsch ist es jedenfalls, das eine auf Kosten des anderen abzuschwächen.

Aber um auf die oben angeführten Fragen zurückzukommen, ist es allerdings, nachdem einmal die große

Verwirrung eingetreten ist, bei dem besten Willen oft schwer, sich richtig auszudrücken, umso schwerer, weil der Gedanke, irgend einer religiösen Körperschaft angehören, „Anhänger« irgend eines Mannes, eines Lehrsystems oder eines Bekenntnisses sein zu müssen, den meisten Christen (echten und unechten) so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass sie sich eine andere Möglichkeit gar nicht denken können. „Das Kind muss doch einen Namen haben!“ sagt man. So redet man sogar von „Anhängern der Versammlung“ oder der „Versammlungen“! Nun ist es ganz gewiss wahr, dass Gott nicht will, dass· Seine Kinder ein jedes für sich allein stehen. Im Gegenteil, wir sind ermahnt, Gemeinschaft miteinander zu pflegen und unser Zusammenkommen nicht zu versäumen. Christus ist gestorben, „auf dass Er die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“ (Joh. 11, 52). Aber wird jener Ermahnung oder dieser Liebesabsicht des Herrn in Seinem Tode dadurch entsprochen, dass man je nach Belieben oder vermeintlichem Bedürfnis selbständige, unabhängige Gemeinden mit Namen, Glaubensbekenntnis und eigener Verfassung gründet? Oder wird dadurch etwas gebessert, dass man diese Gemeinden „biblische Gemeinden“ nennt? Sind sie wirklich biblisch? In dem vorliegenden Sinne gewiss nicht. Denn wenn Christus gestorben ist, um die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln, kann es nicht biblisch sein, wenn die Kinder Gottes an einem und demselben Orte sich in zehn, zwölf oder gar noch mehr Gruppen mit verschiedenen Benennungen, Bekenntnissen u. s. w. aufgelöst haben. Wo ist da die Einheit, von welcher in Joh. 17, 21 die Rede ist, infolge deren die Welt glauben soll, dass der Vater den Sohn gesandt hat? Die Einheit, von welcher der Herr sagt: „gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir“?

Indem ich dies schreibe, denke ich keineswegs daran, die Schuld an diesem traurigen Zustand anderen zuzuschieben. Nein, wir haben gesündigt, wir alle, die wir zu der großen Schar der Erretteten, der mit Blut erkauften Familie Gottes gehören, die wir uns Brüder und Schwestern in Christo nennen, aber vielfach einander so fremd geworden sind, dass wir einer des anderen Sprache nicht mehr verstehen. Schreiber und Leser dieser Zeilen, — wir alle sind schuldig. Unser ist die Beschämung des Angesichts. Aber wo ist das Heilmittel? Es besteht nicht darin, dass wir das Übel verdecken, beschönigen, oder von Zeit zu Zeit für einige Tage so tun, als wären wir alle ein Herz und eine Seele, und sind es doch nicht; dass wir rufen: Friede, Friede! und da ist doch kein Friede. Nein, das Heilmittel liegt in einer persönlichen ernsten Beugung vor Gott und einer persönlichen aufrichtigen Umkehr zu dem, was wir aufgegeben und verloren haben. „Gedenke nun, wie du empfang en und gehört hast, und bewahre es und tue Buße!“ (Offbg. 3, 3).

Seit Jahrzehnten haben viele Gläubige durch Gottes Gnade dies als einziges Heilmittel erkannt und, unter Aufgebung aller Parteiunterschiede und mit Abreißung der Zäune und trennenden Schranken, sich bemüht, nach Gottes Gedanken einfach als Brüder, als Kinder Gottes, als Glieder des Leibes Christi, ohne irgendwelche Sonder-Benennung, fiel) in dem Namen, der allein vor Gott Wert hat, in dem Namen Jesu, zu versammeln. Man hat sie deshalb viel angefeindet. Sie selbst haben auch durch Untreue, durch Mangel an Demut und Wachsamkeit, durch Eigenwille und Lieblosigkeit, viel Anlass zu berechtigtem Tadel gegeben. Gott hat sie infolge dieser ernsten Verfehlungen in den Staub geworfen. An manchen Orten sind gerade sie, die viel und mit Recht von der Einheit der Kinder Gottes gezeugt und dafür gelitten haben, geradezu zu einem Sprichwort geworden. Alles das ist leider nur zu wahr. Aber was beweist es? Dass das, was sie bekannt und darzustellen gesucht haben, falsch ist? Nein, sondern dass sie das anvertraute Gut nicht treu verwaltet haben. Sie haben von neuem gezeigt, was in der Geschichte des Menschen sich schon so oft wiederholt hat, dass alles, was Gott dem Menschen anvertraut, von diesem veruntreut und verdorben wird. Aber Gott sei gepriesen! Seine Treue wankt nicht, und Seine Wahrheit verändert sich nicht. Mögen die Gefäße und Werkzeuge auch wechseln, die Er benutzt —- Seine Gedanken und Ratschlüsse sind unveränderlich. Er kann einen Leuchter, einen Lichtträger, hinwegtun und einen anderen an dessen Stelle setzen, aber das Licht bleibt dasselbe.

Wir haben vorhin gesagt, dass die Gläubigen, welche wünschen, in der angegebenen Weise zusammenzukommen und ein einheitliches Zeugnis von der kostbaren Wahrheit darzustellen, dass da ein Leib und ein Geist ist, keine Sonder-Benennung angenommen haben; und wir fragen: Sollen sie, können sie irgend einen Namen, eine Benennung suchen, die sie von den anderen Gläubigen unterscheidet, die aus ihnen eine neue Gemeinschaft oder Genossenschaft macht? Würden sie damit nicht sofort das, was sie darstellen und bezeugen wollen, wieder umstoßen? Sie sind Kinder Gottes und deshalb Brüder, sie sind Glieder am Leibe Christi, durch einen Geist zu einem Leibe getauft; das Wort nennt sie Heilige und Geliebte. Ist das nicht genug? Sollen sie dem noch irgend einen anderen Namen, ein anderes Bekenntnis hinzufügen?

Wozu gehören sie? Sie sind, wie bereits gesagt, Glieder am Leibe Christi, sie sind Christi Eigentum, sie gehören zu der Versammlung des lebendigen Gottes (1. Tim. 3, 15), sind lebendige Steine in dem geistlichen Hause, dem heiligen Tempel Gottes, sie sind heilige und königliche Priester (Eph. 2 und 1.Petr. 2), Anbeter Gottes in Geist und Wahrheit u. s. w. Sind das denn nicht auch die übrigen Gläubigen, alle Kinder Gottes? Selbstverständlich! Oder sind sie es mehr oder in einem anderen Sinne als jene? Keineswegs! Haben sie irgend Etwas voraus vor anderen Kindern Gottes? Nicht das Geringste! Was scheidet sie denn von jenen? Von ihrer Seite nichts; die Scheidungsgründe liegen auf der anderen Seite, in den vielen menschlichen Zutaten, Namen, Bekenntnissen, Statuten, Einrichtungen usw., die sie nicht als von Gott kommend anerkennen und deshalb auch nicht annehmen können.

Und wenn nun einer von ihnen gefragt wird: „Was bist du?“ was soll er dann antworten? Der Lutheraner sagt: „Ich bin Lutheraner“; der Methodist: „Ich bin Methodist“; der Baptist: „Ich bin Baptist“; der Freigemeindler: „Ich gehöre zur freien Gemeinde“ u. s. w. Wenn er antwortet: „Ich bin ein Christ“, so muss er sich sagen lassen: „Das sind wir alle; wir wollen wissen, wie du dich nennst; wozu du gehörst“. Antwortet er dann: „Ich gehöre zur Versammlung Gottes“, so ist’s wieder nicht recht. Was soll er nun tun? Und wer trägt die Schuld an der Schwierigkeit? Warum ist der Name „Christ“ und die Zugehörigkeit zum „Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist«, nicht mehr genügend? Jene, welche die Fragen stellen, mögen die Antwort hierauf geben.

Zuweilen hat man auf die Frage: „Wozu gehörst du?“ einfach geantwortet: „Zur Versammlung“, und dadurch allerdings der Möglichkeit eines Mißverstandenwerdens den Weg bereitet, als wäre „Versammlung“ nur eine Bezeichnung mehr, um eine bestimmte Anzahl oder eine Genossenschaft von Christen von anderen Benennungen zu unterscheiden. In den meisten Fällen wird dieser Gedanke dem Auskunftgebenden aber ganz fremd gewesen sein; denn wenn jemand den Ausdruck so verstehen würde, als ob die Wenigen oder Vielen, mit denen er sich an seinem Wohnort versammelt, mit Ausschluss der übrigen Gläubigen an jenem Orte, die Versammlung bildeten, so würde er sehr verkehrt denken und reden. Möglich ist es ja, dass, aus Mangel an Verständnis, bei Einzelnen je einmal solche Gedanken gewesen sind, aber es wäre doch unrecht, die Fehler Einzelner der Gesamtheit zur Last zu legen.

Ach! wenn die Verwirrung nach außen und innen, in den äußeren Erscheinungen und den Begriffen, nicht

so groß wäre, so würde eine solche Frage überhaupt nicht gestellt werden und niemand in Gefahr kommen, eine unrichtige Antwort zu geben. Könnten wir uns wohl den Fall denken, dass der Herr Jesus die Frage: „Wozu gehörst du?“ an einen Gläubigen richten könnte? Wahrlich nicht, die einzige Möglichkeit ausgenommen, dass Er ihn von der Verkehrtheit seiner Zugehörigkeit zu irgend einer von Menschen errichteten Körperschaft überzeugen wollte.

Zum Schluss noch ein Wort über die beiden Ausdrücke „Versammlung“ und „Gemeinde“, die auch schon

so viel und doch so völlig ohne Grund umstritten worden sind. Weshalb die Übersetzer der „Elberfelder Bibel“ den erstens vorgezogen haben, geht aus der Vorrede zum Neuen Testament hervor. Irgend eine tendenziöse Absicht hat ihnen völlig fern gelegen. Als die erste Ausgabe der Übersetzung des Neuen Testamentes erschien, gab es ja überhaupt nur ein verschwindend kleines Häuflein von Christen in Deutschland, die sich in der bekannten Weise versammelten. Hätten die Übersetzer ahnen können, zu welch falschen Auslegungen und Unterstellungen die Wahl jenes Ausdrucks im Laufe der Jahre führen würde, möchten sie vielleicht, trotz ihrer Bedenken, die Übersetzung „Gemeinde“ gelassen haben, **) obwohl die Bedeutung von ekklesia in dem Worte Gemeinde nicht zum Ausdruck kommt. Wären wir in der glücklichen Lage, ein aus ekklesia gebildetes Wort zu besitzen, wie z. B. die Franzosen (eglise), so wäre jeder Streit beendet. Die englische Bibel hat church (Kirche), die holländische, gleich den meisten deutschen Ausgaben (außer den katholischen, welche „Kirche“ übersetzen): gemeente (Gemeinde).

Man wendet gegen das Wort „Versammlung“ ein, dass es nur die Bedeutung eines „einmaligen Sichzusammenfindens“, einer Zusammenkunft, habe; „gehen die Versammelten auseinander, so ist die Versammlung aus“. — Dem ist doch wohl nicht so. Dass das Wort diesen Sinn hat, ist zweifellos; aber es hat noch eine andere Bedeutung und ähnelt darin dem Worte „Gemeinschaft“. Man könnte sonst z. B. nicht von einer „gesetzgebenden Versammlung“, einer „Reichsversammlung“ und dergleichen, reden, auch nicht an eine zu irgend einem Zweck zusammengekommene Schar von Menschen sich mit der Anrede „Geehrte Versammlung“ wenden. Aus beidem geht hervor, dass man unter Versammlung auch eine Körperschaft, die Versammelten, nicht nur das jeweilige Zusammensein, das Zusammenkommen verstehen kann. So ist „die Versammlung Gottes“ jene aus allen Völkern der Erde gesammelte und berufene Schar, die Versammlung der Berufenen, die allezeit vor Gottes Augen steht, obwohl sie über die ganze Erde hin zerstreut ist, und die ihren jeweiligen Ausdruck, ihre örtliche Darstellung da findet, wo Gläubige sich einfach als solche, als Glieder des Leibes Christi, um Christum, ihr Haupt, scharen.

Doch genug. Der Leser wird verstehen, dass es weniger auf das Wort, den Ausdruck, ankommt, als auf das Wesen der Sache und auf das Erfassen und Verwirklichen des göttlichen Gedankens, der in dem Worte liegt. Darum, wer die Übersetzung „Gemeinde“ vorzieht, benutze sie ruhig; wenn er nur das Richtige darunter versteht. Aber er verurteile auch den nicht, der die Übersetzung „Versammlung“ als genauer und dem Sinne mehr entsprechend betrachtet. „Wenn es aber jemanden gut dünkt, streitsüchtig zu sein, so haben wir solche Gewohnheit nicht, noch die Versammlungen Gottes“ (1. Kor. 11, 16).

„Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! Wie das köstliche Öl auf dem Haupte, das herabfließt auf den Bart, auf den Bart Aarons, das herabfließt auf den Saum seiner Kleider; wie der Tau des Hermon, der herabfällt auf die Berge Zions. Denn dort hat Jehova den Segen verordnet, Leben bis in Ewigkeit“ (Ps. 133).

Fußnote:

*) Siehe die Vorrede zum Neuen Testament in der sogenannten „Elberfelder Bibel“.

**) Tatsächlich haben die späteren Bearbeiter der ersten Übersetzung wiederholt vor der Frage gestanden, ob sie nicht aus den genannten Gründen das Wort „Gemeinde“ wiederherstellen sollten.

@@@@@@

Betrachtungen über das zweite Buch der Könige

Bibelstelle: 2. Könige

Botschafter des Heils 1911 S. 309ff

KAPITEL 8, 1‑6 Noch einmal die Sunamitin

Das 7. Kapitel hat uns Wahrheiten vorgestellt, die auf das Evangelium angewandt werden können; die Verse, die uns jetzt vor Augen treten, führen uns mit der Sunamitin auf den Boden der Gläubigen in Israel. Vorbilder der Schriften müssen wir mit Zurückhaltung benutzen, damit wir nicht zu einer gezwungenen Erklärung kommen; andererseits aber dürfen wir nicht vergessen, dass wir prophetische Schriften vor uns haben, die nur teilweise von geschichtlicher Bedeutung sind, und die uns durch Beispiele die Grundsätze der Ereignisse des Endes enthüllen.

Wir finden auch hier wieder, wie in dieser ganzen Geschichte, den Gnaden-Charakter des Propheten Elisa. Wie er im 7. Kapitel, als der wahre Diener der guten Botschaft für alle, die gute Botschaft dem ganzen Volke ohne Unterschied der Per­son verkündigte, beschäftigt er sich hier in Gnade mit einem treuen Überrest, der Sunamitin, mit welcher sein Herz durch so viele Gott entsprechende Bande verbunden war. Diese rechtschaffene Frau ist der Gegenstand der besonderen Fürsorge Gottes, der sie bewahrt in einer Zeit, wo Seine Gerichte das ganze Land treffen. Der Prophet wusste die Jahre der Hungersnot im voraus und teilte sie der Sunamitin mit, wie er das Ende der Hungersnot in Samaria im voraus gewusst und es dem ganzen Volke, groß und klein, angekündigt hatte. Er tat sein Geheimnis dieser von ihm erwählten Seele kund, um sie und ihr Haus auf diese Weise vor dem Kommenden zu schützen. Beide Kapitel, 7 und 8, erwähnen also eine Hungersnot. Die erste, die in Samaria, war auf einen bestimmten Ort beschränkt; sie war ein Gericht Gottes, aber Gott benutzte den Feind als Werkzeug, um sie hervorzubringen. Die zweite, ernstere, mit der wir uns jetzt beschäftigen, war ein unmittelbares Gericht Gottes und erstreckte sich über das ganze Land Israel. Derselben Erscheinung begegnet man in der Offenbarung. Dort erscheinen die Gerichte zuerst als solche, die unter der Vorsehung Gottes geschehen; nachher aber, wenn sie unmittelbar durch den Herrn ausgeführt werden, nehmen sie eine außerordentliche Schwere an.

„Mache dich auf", sagt der Prophet zu der Sunamitin, „und gehe hin, du und dein Haus, und weile, wo du weilen kannst." So muss denn die Frau, deren Freude es war, "inmitten des Volkes zu wohnen", ihr Gut und Erbteil verlassen. Sie flieht vor den nahe bevorstehenden Gerichten, indem sie den ersten Schutzort annimmt, der sich ihr bietet. Ein voller Zeitkreis, eine Jahrwoche, war ihr als die Zeit bezeichnet worden, die sie unter Fremden zubringen sollte. Es handelte sich für sie nicht mehr darum, gleich Abraham während der Hungersnot in Kanaan zu bleiben, noch wie Isaak sich eine kurze Zeit im Lande der Philister aufzuhalten, denn weder der eine noch der andere dieser Patriarchen sollte nach Ägypten hinabgehen. Nein, sie sollte weilen, wo sie weilen konnte, nur nicht in Kanaan. Das Gericht erstreckte sich über das ganze Land Israel, wie zur Zeit Josephs über ganz Ägypten; nur war für Kanaan kein Mittel vorgesehen, dem Übel abzuhelfen. Die Sunamitin musste außerhalb der Stätte dieser Drangsal, die über ganz Israel kommen sollte, bleiben. Das ist bildlich die Geschichte des treuen Überrestes am Ende der Zeiten, während die Kirche, im Gegensatz zu ihm, bewahrt werden wird vor der Stunde der Versuchung.

Wir können wohl als sicher annehmen, dass die Sunamitin zu dieser Zeit Witwe war. Zu Lebzeiten ihres Mannes hätte der Prophet nicht zu ihr sagen können: „du und dein Haus". Sie hat also ihren Beschützer verloren; sie ist gezwungen, ihre einst beträchtlichen Güter zu verlassen, die nun in fremde Hände übergehen; ins Elend geraten, geht sie weg, um von Jehova an dem Zufluchtsort, den sie erreichen kann, ernährt zu werden.

All diese Einzelheiten stellen im voraus die Geschichte des Oberrestes Israels am Ende der Zeiten dar. Er wird die Kraft der Auferstehung erfahren haben, bevor er aus seinem Lande flieht. Er wird das wahre Israel nach den Ratschlüssen Gottes sein, das Weib in der Offenbarung, welche den männlichen Sohn geboren hat und in die Wüste flieht, wo sie eine von Gott bereitete Stätte hat, auf dass man sie daselbst ernähre (Offbg. 12). Das Los dieses Volkes wird genau das der Sunamitin sein. Hernach wird es, wie sie, in sein Erbe wieder eingesetzt werden, am Ende der Tage, wenn die Gerichte Gottes über das Land Israel ihr Ende erreicht haben.

In diesen Grenzen können wir den vorbildlichen Sinn unserer Erzählung erfassen. Dieser fehlt jedoch in dem was folgt, wenn nämlich Joram anfängt, sich für die Wunder Elisas zu interessieren. Sein Gewissen ist dabei keineswegs beteiligt, das hat er mehr als reichlich in seiner ganzen Laufbahn bewiesen; aber man kann weit von Gott entfernt sein und dabei doch sich für das interessieren, was Ihn und Sein Werk betrifft. Das ist sogar ein besonderer Charakterzug der letzten Zeiten. Nie hat man sich mehr mit den Wundern und dem Worte Gottes beschäftigt als in unseren Tagen. Diese Dinge haben großes Interesse selbst für die Herzen, in welchen sie nicht mit dem Glauben vermischt sind. Man kann daher verstehen, dass der König über die großen Taten des Propheten Näheres zu hören wünschte. Gehasi, der untreue Diener, dem der Aussatz Naamans für immer anhaftete, Gehasi befindet sich jetzt am Hofe des Königs. Einem unter dem Gericht Gottes stehenden Aussätzigen leiht der ungläubige Monarch sein Ohr. Welch eine Veränderung ist in dem Leben Gehasis vorgegangen! Einst, an der Armut des Propheten teilnehmend, war er dessen gesegneter Vermittler bei den Gläubigen gewesen und derjenige der Gläubigen bei Elisa. Er kann noch der Welt, deren Diener er geworden ist, die früher geschehenen Wunder erzählen, indem er über diese Dinge genügend unterrichtet ist, um sie der Wahrheit entsprechend auseinanderzusetzen; aber weiter kann er nicht gehen.

Eine ähnliche Stellung kann man heute in der Christenheit leicht finden. Leute, die, wie Gehasi, die seitens der Welt gebotenen Vorteile vorziehen, können bevollmächtigt werden, die Dinge Gottes auszulegen. Sie mögen die Wahrheit sagen, aber sie sind nicht imstande, sie auf die Gewissen anzuwenden; da ihr eigenes Gewissen schlecht ist, kann es das der anderen nicht erreichen. Es gibt ohne Zweifel Gegenstände, welche ein Gehasi vermeiden wird, ja, deren Behandlung ihm notwen­digerweise versagt ist. Wie könnte man über die Heilung Naamans reden, wenn man selbst mit Aussatz bedeckt ist? Und welche neugierigen Fragen hätte nicht seine Erzählung bei dem König hervorrufen können? Und dennoch, Gott benutzt alles, sowohl die Neugierde des Königs als auch die Anwesenheit Gehasis am Königshof, um Seine Gnadenabsichten gegen Seine Geliebten auszuführen. Das Weib kommt mit ihrem Sohne gerade in dem Augenblick herzu, als man von ihr redet. Wer ist es, der sie gerade jetzt herbeiführt? Gott Selbst, denn aus dem Munde eines Augenzeugen muss bestätigt werden, wer sie ist. Damit endet die Rolle Gehasis. Der König braucht ihn nicht mehr; "er fragte das Weib, und sie erzählte ihm" (V. 6). Gott, der sie herbeigeführt hatte, lenkt auch das Herdes Königs; er lässt der Frau alles ersetzen, die alles verloren hatte.

Mit ihr nimmt die prophetische Geschichte ein Ende. Nachdem das Gericht über Israel ausgeführt ist, kehrt sie und ihr Haus am Ende der Tage voll und ganz in ihr Erbteil zurück. Der König sagt: „Erstatte alles zurück was ihr gehört, sowie den ganzen Ertrag der Felder, von dem Tage an, da sie das Land verlassen hat, bis jetzt". „Bis jetzt!" Die Prüfungstage sind für den treuen Überrest vorüber, der alle Segnungen, deren er seit seiner Zerstreuung unter die Nationen beraubt war, zurückerhält mit allen verlorenen Zinsen; nicht das Geringste fehlt daran.

KAPITEL 8, 7‑15 Ben‑Hadad und Hasael

Es könnte manchem Leser befremdend erscheinen, dass Elia dem ausdrücklichen Befehl Jehovas am Horeb (1. Kön. 19, 15‑17), Hasael, Jehu und Elisa zu salben, nicht nachgekommen ist. Tatsache ist, dass Elia u e r s t Elisa begegnete, der ihm durch Jehova in den Weg geführt wurde. Er warf zum ersten Male seinen Prophetenmantel auf ihn, indem er sich damit gleichsam seines Auftrags entledigte, um ihn auf Elisa zu übertragen, obwohl seine prophetische Laufbahn noch nicht beendigt war. Von dem Augenblick an, da Elisa zum Nachfolger bestimmt war, fielen die beiden anderen Handlungen ihm zu. Die Salbung, durch welche Elisa zum Propheten eingesetzt wurde, ist die Salbung mit dem Heiligen Geist im 2. Kapitel unseres Buches. Diese Salbung mit dem zwiefachen Teil des Geistes des Elia konnte ihm nur durch den gen Himmel fahrenden Elia zuteil werden. Wenn er gesalbt worden wäre, als Elia ihm zum ersten Male begegnete, so würde er zum Propheten des Gerichts geweiht worden sein wie sein Meister. Doch Elisa ist, wie wir gesehen haben, im ganzen Verlauf seiner Geschichte, abgesehen von dem einen Ausnahmefall der Kinder von Bethel, der Prophet der Gnade und der Rettung für den Überrest ja sogar für die Nationen.

Infolge seiner Sendung lag es jetzt Elisa ob, Hasael und Jehu zu Salben, die das Gericht ausüben sollten; doch in der Stelle, die uns die Begegnung Elisas mit Hasael mitteilt, wird die Salbung Hasaels mit Stillschweigen übergangen. Tatsächlich war die Rute Gottes durch das prophetische Wort in die Hände Hasaels gelegt, doch die Salbung konnte nicht erwähnt werden, als der Mann Gottes, der in Gnade gekommen war, Über das Böse, das Hasael den Söhnen seines Volkes zufügen würde, bitterlich weinte.

Die Salbung Jehus (Kap. 9) entspricht mehr dem, was man von dem Befehl Jehovas an Elia erwarten könnte, aber Elisa verzichtet auf eine persönliche Handlung und lässt diesen Auftrag durch einen der Söhne der Propheten ausführen. Ist das nicht ein schlagender Beweis von der Tatsache, dass der Charakter Elisas ein Charakter der Gnade und nicht des Gerichts ist? Das Wort Gottes musste ausgeführt werden, jedoch nicht unter Beeinträchtigung des Gnadencharakters, den der Prophet trug.

Geradeso war es mit Dem, der vorzugsweise ein Prophet war, mit unserem Herrn Jesu Christo. Er, der zur Taufe Johannes' des Täufers kam, sollte mit dem Heiligen Geiste und mit Feuer taufen. Nachdem Er die Taufe mit dem Heiligen Geiste kraft Seiner menschlichen Vollmacht empfangen hatte, tauft Er mit dem Heiligen Geiste kraft Seines Hinauffahrens in den Himmel. Diese Salbung kennzeichnet die Tage, in der wir leben, und die Salbung mit Feuer, das heißt mit Gericht, hat noch nicht stattgefunden. Der Herr hat noch nicht Seine Zornesgeißeln gegen Israel und die Welt gesandt. Das wird Er später tun, gegenwärtig aber will und kann Er nicht Seinen Charakter eines in Gnade gekommenen Heilandes aufgeben.

Wenn sich dies so verhält, was bedeuten dann die zu Elia gesprochenen Worte: "Wer dem Schwerte Jehus entrinnt, den wird Elisa töten"? Um die Verwirklichung dieses Wortes zu sehen, müssen wir den Inhalt des 13. Kapitels vorausnehmen. Was uns dort berichtet wird, ist um so eindrucksvoller, als wir Elisa dort am Ende seiner Laufbahn angekommen sehen: „er erkrankte an seiner Krankheit, an welcher er starb". In jenen Tagen kam Joas, der König von Israel, um ihn zu besuchen. Wir werden später auf die Einzelheiten dieses Berichtes zurückkommen; aber wir sehen dort, dass der Prophet dem Joas von seiten Jehovas das Gericht über den anvertraute, welcher dem Schwerte Jehus entronnen war, nämlich über Hasael und seinen Nachfolger. Jehu war unfähig gewesen, das ganze Gebiet Israels gegen Syrien zu verteidigen, doch Elisa tritt ins Mittel, und Israel schlägt seine Besieger. Doch selbst bei dieser Gelegenheit verliert der Prophet, obwohl er das Gericht ankündigt, nicht seinen Gnadencharakter. Prophetisch betrachtet übt er das Gericht selbst aus, denn er legt seine Hände auf die Hände des Königs, um mit dem Bogen zu schießen und die Syrer zu schlagen, aber in der Absicht, Israel zu retten.

Kehren wir jetzt zu unserem Kapitel zurück. "Ben-Hadad *11), der König von Syrien, war krank. Und es wurde ihm berichtet und gesagt: Der Mann Gottes ist hierher gekommen. Da sprach der König zu Hasael: Nimm ein Geschenk mit dir und gehe dem Manne Gottes entgegen, und befrage Jehova durch ihn und sprich: Werde ich von dieser Krankheit genesen?" (V. 7 und 8). Genau dieselben Worte, die Ahasja, der König von Israel, gesagt hatte, als er seine Boten aussandte, um den Baal-Sebub zu befragen (Kap. 1, 2). Das zeigt uns zweierlei: Erstens, dass alle Menschen, sie mögen Götzendiener sein oder den wahren Gott kennen, immer mit demselben ängstlichen Gefühl an den Tod denken; da sie keine andere Hoffnung haben, als die, welche die sichtbaren Dinge bieten, werden sie bei dem Gedanken, dass sie diese vielleicht verlassen müssen, ernstlich auf die Probe gestellt, (ohne von der Ungewissheit betreffs der Zukunft zu reden, womit das Wort "Tod" ihren Geist erfüllt). Zweitens zeigt es uns, dass die sogenannten religiösen Hilfsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, sie nicht befriedigen können. Ein König Israels, mit einiger Erkenntnis des wahren Gottes, wenn auch mit Aberglauben und Götzendienst ver­mengt findet in dieser Erkenntnis durchaus keine Gewissheit und zieht es vor, sich an einen Dämon zu wenden, um so eine befriedigende Antwort zu bekommen. Ein Anbeter. der Sonne, der von seinem Gott gar keine Anwort erhält, zieht es vor, sich an den Mann Gottes zu wenden, der sich in seiner Nähe befindet; er befragt durch ihn Jehova, nicht um eine Antwort für die Bedürfnisse seines Gewissens zu erlangen, sondern um zu erfahren, ob er noch länger am Leben bleiben könne. Der Fall des Königs von Israel ist viel ernster als der Ben-Hadads, denn es handelt sich dabei um die Tat eines Abtrünnigen; aber auch der König von Syrien wird nicht von wirklichen Bedürfnissen getrieben, wenn er sich an den Mann Gottes wendet. Konnte der, welcher das Werkzeug zur Heilung Naamans gewesen war, nicht eine gewöhnliche Krankheit heilen, und hatte er nicht seither die göttliche Macht zur Rettung immer wieder entfaltet? Ben-Hadad kennt den Propheten, der die Gaben Naamans zurückgewiesen hatte, so wenig, dass er ihm durch Hasael ein königliches Geschenk sendet, in dem Gedanken, ihn sich günstig zu stimmen.

Hasael gelangt zu dem Manne Gottes und wiederholt die Worte des Königs; aber dabei regt sich schon etwas ganz in der Tiefe seines Innern, ein verborgener Wunsch, eine Begierde, ein Plan, vielleicht noch unbestimmt, aber doch ein Plan, der auf eine Bestätigung wartet. Elisa hat in diesem Herzen gelesen; die geheimen Gedanken entgehen dem Auge Gottes nicht. Seine Antwort würde für jeden anderen zweideutig gewesen sein; für Hasael hat sie einen Sinn, der seine Entschließungen beschleunigt. Die Lust in seinem Innern steht im Begriff, die Sünde zu gebären. Elisa „stellte sein Angesicht fest und richtete es auf ihn, bis er sich schämte". Unter diesem durchdringenden Blick, der die geheimen Falten seines Gewissens erforscht, fühlt sich Hasael nicht wohl. "Er wird gewisslich genesen"; das war es gerade, was Hasael fürchtete. Wenn der König wieder gesund wurde, was wurde dann aus seinen Plänen und seinen geheimen Wünschen? „Aber Jehova hat mir gezeigt, dass er gewisslich sterben wird." ja, in der Tat, sagt er sich, die einzige Möglichkeit für mich ist, meinen Herrn zu beseitigen, und da Gott es weiß und es nicht verhindert, so bin ich gerechtfertigt. Man fühlt es unwillkürlich: das waren die Überlegungen dieses Menschen, der in seinen Gedanken schon ein Mörder war. Bis auf den Grund seines Herzens erforscht, unter dem Blick Gottes beschämt, gibt er sein böses Vorhaben doch nicht auf, sondern rechtfertigt es durch die Tatsache, dass Gott Kenntnis davon hatte.

Nach diesen Worten weint Elisa bei dem Gedanken an das Böse, welches Hasael seinem Volke tun würde. Soll man sagen, dass er, indem er Hasael diese Tatsache offenbarte, ihn dazu ermuntert habe, sie auszuführen? Hasael verrät sich gewissermaßen vor dem Propheten, der ihm die ganze Wahrheit sagt, durch die Worte: "Was ist dein Knecht, der Hund, dass er diese große Sache tun sollte?" Man fühlt (mehr als man es beweisen kann) angesichts dieser heuchlerischen und verschlossenen Natur, dass Israels Vernichtung eine wichtige Sache für Hasael ist. Es ist ihm leicht, sich die Rolle eines Hundes zu geben, wenn es sich darum handelt, diese Vernichtung herbeizuführen. Schließlich offenbart ihm Elisa, weshalb er nach Damaskus gesandt worden ist: "Jehova hat mich dich sehen lassen als König über Syrien". Damit ist alles, was in diesem finsteren Herzen an bösen Wünschen und an Ehrgeiz vorhanden ist, festgestellt. „Der König kann genesen, aber er wird sterben; ich werde an seiner Statt König sein und werde Israel peinigen" Von da bis zur Ausführung ist nur ein Schritt. Hasael tötet den König und regiert an seiner Statt. Gott bereitet so die Rute zu, die Sein Volk züchtigen soll, bis zu dem Augenblick, da Er die Rute selbst zerbrechen wird.

Fußnote:

*11) Dieser Ben‑Hadad ist augenscheinlich derjenige, der Samaria belagert hatte (im vorhergehenden Kapitel), und wahrscheinlich, obwohl er nicht ge­nannt wird, derselbe König von Syrien, der Naaman zum König von Israel sandte, und dessen Streifscharen das Gebiet der zehn Stämme verheerten " Man muss jedoch nicht vergessen, dass Ben‑Hadad ein oft vorkommender Name der Könige von Syrien ist. Er bedeutet Sohn (oder Anbeter) Hadads, d. h. wahr­scheinlich der Sonne. Wir finden einen Ben‑Hadad zur Zeit Asas, des Königs von Juda (l. Kön. 15, 20), einen zweiten zur Zeit Ahabs (1. Kön. 20, 1), dann unter Joram den Ben‑Hadad, der Samaria belagerte und mit dem wir uns hier beschäftigen, und schließlich (Kap. 13, 24) den Ben‑Hadad, der der Nachfolger Hasaels war.

@@@@@

Die Versammlung das Haus Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 320ff

Auf die kurze Abhandlung über „Versammlung oder Gemeinde“ im vorigen Monat mögen heute einige Gedanken über das Haus Gottes folgen. Ehe wir jedoch aus diesen Gegenstand näher eingehen, sei noch, in Verbindung mit jenem ersten Teil unserer Betrachtung, ein Wort über die „Zulassung“ gesagt.

Die Zulassung zu der Gemeinschaft und den Vorrechten der Versammlung (Gemeinde) war in den ersten

Tagen der christlichen Kirche sehr einfach. Der Herr tat hinzu, und die bereits gesammelten Gläubigen er-

kannten freudigen und dankbaren Herzens die an, welche so in ihren Kreis eingeführt wurden. Die Gefahr des Eindringens unlauterer Elemente war auch schon deshalb gering, weil die Annahme des christlichen Bekenntnisses in jenen Tagen meist mit ernsten Schwierigkeiten und äußeren Verlusten verbunden war. Zugleich wirkte die Kraft des Heiligen Geistes inmitten der Versammlung noch so ungeschwächt, dass etwa eindringendes Böses sogleich als solches erkannt und entfernt wurde.

Heute, in der Zeit des Verfalls, liegen die Dinge bekanntlich ganz anders. Es ist heute nötig, diejenigen, welche die Zulassung begehren, auf die Echtheit ihres Glaubens und ihre Reinheit in Wandel und Lehre hin zu prüfen. Wenn man sagt, die einzige Forderung, welche gestellt werden dürfe, sei die, dass ein Mensch durch den Glauben an Jesum Vergebung der Sünden erlangt habe, so geht das nicht weit genug. Verlangt man eine Unterwerfung unter gewisse Formen und Einrichtungen, eine genaue Übereinstimmung in allen Punkten der Lehre, so geht das zu weit. Wir haben kein Recht, ein menschliches Joch aufzuerlegen, und — wir sollen einander ertragen in Liebe. Worin bestehen denn die unerlässlichen Bedingungen? Wir haben sie schon genannt: Echtheit des Glaubens und Reinheit in Wandel und Lehre. Denn ein Mensch kann wirklich wiedergeboren sein und doch nicht dementsprechend wandeln; und ein Mensch kann wiedergeboren sein und einen tadellosen Wandel führen und doch ungesund sein in der Lehre. Gottes Wort aber gebietet uns, jeden Sauerteig, ob in Wandel oder Lehre, von uns fernzuhalten, denn „ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ (1. Kor. 5, 6; Gal. 5, 9).Selbstverständlich soll damit nicht gesagt sein, dass abweichende Meinungen über diesen oder jenen Punkt, Verschiedene Auslegungen dieser oder jener Stelle nicht vorhanden sein dürfen — solche werden bis zum Ende hin bleiben — wohl aber, dass hinsichtlich der Grundwahrheiten des Christentums, wie z. B. über die Gottheit Christi, die Auferstehung des Leibes, über das völlige Verderben des Menschen, die Lehre von der ewigen Verdammnis und andere ähnliche Dinge, volle Klarheit bestehe. ist ein Christ in einem solchen Kardinalpunkte ungesund, so kann von einer Zulassung keine Rede sein. Von solchen Leuten sollen wir uns „wegwenden“, sie „abweisen“, sie nicht einmal „grüßen“. (Vergl. 1. Tim. 6, 20; Tit. 3, 10; 2.Joh. 10 u. a. St.) Solche nennt das Wort „Männer, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her“, „böse Arbeiter“, „Sektierer“ u. s. w. (Apstgsch. 20, 30; Phil. 3, 2; Tit. 3, 10).

Wie verhängnisvoll es ist, wenn ein einzelner Christ oder eine ganze Versammlung diese ernsten und bestimmten Weisungen des Wortes nicht beachtet, hat die Erfahrung hundertfach gelehrt. Nicht der gesunde Teil hat den ungesunden geheilt, sondern der gesunde ist von dem Gift mitangesteckt worden; der „Sauerteig« hat seine verderbliche Wirkung immer wieder gezeigt. Vergessen wir nicht: „Die Furcht Jehovas ist: das Böse hassen“ (Spr. 8, 13), und: „vom Bösen weichen ist Verstand“ (Hiob 28, 28).

Wenden wir uns jetzt zu unserem eigentlichen Thema. Im 16. Kapitel des Evangeliums nach Matthäus antwortet der Herr Jesus auf das herrliche Bekenntnis Petri: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, mit den bekannten Worten: „Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber auch ich sage dir, dass du bist Petrus; und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung (Gemeinde) bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen (V. 17. 18). Der Titel, welcher hier der Macht Satans gegeben wird, „des Hades Pforten“, d. i. die ganze gewaltige Macht des Todes, welche Satan besaß, zeigt klar und deutlich, was das Fundament der Gemeinde Christi ist. Der erste Mensch in seiner Unschuld, dessen Nachkommen, Israel unter dem Gesetz — alle sind durch des Hades Pforten überwältigt worden, aber hier war Einer, den der Tod nicht behalten konnte. Was Rom über diese Stelle lehrt, ist bekannt und mindert uns nicht; wenn aber eine Anzahl entschieden gläubiger Männer, von denen man wahrlich etwas anderes erwarten sollte, schreibt: „Auf die gottbegnadigte und glaubensvolle Persönlichkeit des Petrus baut der Herr Seine Gemeinde“, so weiß man nicht, ob man mehr betrübt oder erschrocken sein soll. Gott selbst wolle diesen Brüdern die Augen öffnen, dass sie erkennen, welch eine Unehre sie damit Seinem geliebten Sohne antun, und welch einen Schaden sie unter Seinen Kindern anrichten!

Man fragt sich immer wieder und bekommt keine Antwort: Wie ist es möglich, dass gläubige, mit dem Worte Gottes bekannte Männer auch nur für einen Augenblick dem Gedanken Raum geben konnten, dass der Sohn Gottes Seine Versammlung oder Gemeinde auf die Persönlichkeit (so hochbegnadigt sie gewesen sein mag) eines armen, sündigen, irrenden Menschen bauen würde? eines Menschen, den Er einige Augenblicke später mit den Worten strafen muss: „Gehe hinter mich, Satan!“ weil er nicht einmal imstande gewesen war, sich persönlich vor den Einflüssen des Fleisches und des Feindes zu bewahren? Und ein solcher Mensch sollte dem zu errichtenden Bau einen Charakter und eine Festigkeit verleihen können, dass des Hades Pforten ihn nicht zu überwältigen vermöchten?!

Was ist denn die Grundlage? Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, als solcher in Kraft erwiesen durch Toten-Auferstehung (Röm. 1, 4), als solcher soeben durch den Vater im Himmel Simon, dem Sohne Jonas, geoffenbart und durch diesen öffentlich bekannt; Er und die Kraft des Auferstehungslebens in Ihm, welches allen denen mitgeteilt wird, die zu Ihm, dem Felsenfundament, kommen, die auf Ihn, den kostbaren Eckstein, aufgebaut werden und als lebendige Steine Seines Lebens, Seiner Natur teilhaftig werden· Auf diesen Felsen wollte Christus Seine Gemeinde bauen, denn sie bestand damals noch nicht. Petrus mochte ein Stein (petros) von besonderer Bedeutung in diesem Gebäude werden, aber er war weder der Felsen (petm), noch der Baumeister. Christus mochte ihm die Schlüssel des Reiches der Himmel übergeben und ihm damit eine besondere Verwaltung für das Reich anvertrauen, aber das hatte nichts zu tun mit dem Bau der Versammlung oder Gemeinde. Das Reich der Himmel ist nicht die Gemeinde, und die Gemeinde nicht das Reich.

Christus selbst ist hier der Baumeister. Er wirkt in den Seelen, und sie kommen, wenn auch nur infolge der Gnade, die in ihren Herzen wirksam ist, zu Ihm, ,,Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Steine, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar, seid auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum“ (1. Petr. 2, 4. 5.) Es ist nicht Petrus, es sind nicht Ordnungen und Satzungen, es ist nicht eine Körperschaft, zu der man kommt, sondern lebendige Steine kommen zu dem lebendigen Steine, zu Christo, dessen ganze Kostbarkeit dem Glaubenden geschenkt ist. Durch den lebendigen Glauben persönlich mit Ihm verbunden, Seines Lebens und Seiner Kostbarkeit teilhaftig gemacht, auf Ihn ausgebaut, bilden sie jenes wunderbare Gebäude, gegen welches Satans Macht nichts vermag.

Alles das ist so einfach, dass man meinen sollte, es müsse sich dem Herzen und Gewissen eines jeden Gläubigen sofort und ganz von selbst empfehlen. Aber wie seltsam berührt es, wenn man in einer anderen Schrift (auch von einem entschieden gläubigen Verfasser, der, wie er selbst sagt, „sich allein an der Hand der Bibel gebildet hat“), von „der judenchristlichen und der auf demselben Boden stehenden, aber sich nach außen hin sehr verschieden von ihr darstellenden heidenchristlichen Gemeinde“ liest. Danach hätte es also in jenen Tagen zwei Gemeinden, zwei Leiber Christi, einen judenchristlichen und einen heidenchristlichen, gegeben, denn die Versammlung (Gemeinde) ist der Leib Christi (Eph.1,23). Der Herr spricht nur von einer Gemeinde, die Er aus Juden und Heiden baut, und in welcher alle ohne Unterschied den gleichen Platz, und die gleichen Vorrechte besitzen; die Schrift weiß nur von einem Leibe, in welchem weder Jude noch Grieche ist. Dass in der ersten Zeit der Geschichte der Kirche Christi an manchen Orten mehr Seelen aus den Juden oder Samaritern, an anderen mehr aus den Heiden errettet wurden, und dass die einen mehr geneigt waren, in den alten gesetzlichen Gebrauchen zu verharren oder zu ihnen zurückzukehren, während die anderen vorwiegend in Gefahr standen, durch ihre früheren heidnischen Gewohnheiten und Sitten beeinflusst zu werden, obwohl auch sie vor gesetzlichem Geist und Treiben nicht sicher waren, — und ferner, dass Gott dem einen Seiner Apostel vornehmlich das Apostelamt der „Beschneidung“, dem anderen das der „Vorhaut“ anvertraut hatte, — dass schließlich im Blick auf diese verschiedenen Gefahren und Zustände, zugleich auch infolge der verschiedenartigen äußeren Entwicklung und geistlichen Fortschritte der einzelnen örtlichen Versammlungen ein verschiedenartig gestalteter Dienst notwendig wurde, — das ist einem nur halbwegs mit seiner Bibel vertrauten Leser bekannt und geläufig. Aber was hat das alles mit den ewigen Gedanken Gottes über Sein Haus oder, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit dem Bauplan Christi bezüglich Seiner Versammlung (Gemeinde) zu tun? Gerade die Vereinigung von Jude und Heide in der Gemeinde durch die Kraft des Evangeliums, indem der Heilige Geist sie beide mit Christo verband, führte zu der Bildung der Behausung Gottes im Geiste hienieden (Vergl. Eph. 2).

Ach! das Auge so vieler Kinder Gottes in unseren Tagen hat seine Einfalt so völlig verloren, der Sinn ist so wenig nüchtern, dass man die einfachsten Grund-wahrheiten und die aufs deutlichste geoffenbarten Gedanken Gottes nicht erfasst, sondern nach eigenem Sinn und Willen umgestaltet. Man kann sich gar nicht dazu erheben, vom göttlichen Standpunkt aus die durch Unkenntnis, Untreue und Eigenwillen des Menschen hervorgerufenen oder beeinflussten Erscheinungen auf christlichem Gebiet zu betrachten, sondern man macht diese zum Ausgangspunkt seiner Erwägung und Beurteilung und zieht dann seine Rückschlüsse auf die göttliche Wahrheit. So kommt man dahin, Gottes Gedanken in den engen Rahmen seines Parteistandpunktes einzuzwängen und sie seinen hergebrachten kurzsichtigen Meinungen anzupassen. O welch eine Ruhe, welch ein Friede ziehen in das Herz ein, wenn es sich in der Einfalt des Glaubens Über all das Sichtbare und Hörbare, über all die Verwirrung und das Parteigezänke, zu Gott erhebt, um von oben her, belehrt und geleitet durch den Geist Gottes, Umschau zu halten! Wie wird das Herz so still, der Blick so weit, und. wie sieht man so klar und deutlich seinen Weg, den schmalen Pfad der Wahrheit, wie sie in Jesu ist, ewig dieselbe, unveränderlich und unantastbar!

Die Gemeinde, von Christo selbst gebaut, wird also in Gnade und Kraft gebaut. Gegründet auf den Felsen, auf Christum, den Sohn des lebendigen Gottes, kann sie nicht erschüttert werden, es müsste denn die in der Auferstehung Christi geoffenbarte Macht des Lebens durch Satan überwältigt werden können; aber das ist unmöglich, denn über ihn, den Starken, ist ein Stärkerer gekommen und hat ihn überwunden. Darum, welche Wandlungen die Gemeinde auch ihrer äußeren Erscheinung nach durch eigene Untreue, durch das Einschleichen falscher Brüder usw. durchgemacht haben mag, ja, mag selbst ihr äußerer Zustand so verderbt werden, dass Christus sie aus Seinem Munde ausspeien muss, - dennoch ist ihr Bau so sicher wie die Grundlage, auf welcher sie steht. Diese Grundlage verleiht ihr Sicherheit und Bestand. Christus, der himmlische Baumeister, führt Sein Werk zu Ende, Er führt Gottes Ratschlüsse aus, mag der Mensch tun was er will.

Dies leitet uns zu der Betrachtung des Hauses Gottes unter einem anderen Gesichtspunkt. Bisher sahen

wir es nur unter den Händen Christi als den unantastbaren Bau, den Er aufführt, als das geistliche Haus, als den heiligen Tempel im Herrn, „aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, in dem Christus selbst Eckstein ist“, als die Behausung Gottes im Geiste. (1. Tim. 3, 15; 1. Petri 2; Epheser 2; vergl. auch Hebr. 3, 6.) So betrachtet, ist alles vollkommen da gibt es keine schlechten Baustoffe, keine Risse, kein Misslingen. Wenn wir uns nun aber der tatsächlichen Ausführung der Arbeit oder des Werkes auf Erden zuwenden, wie sie uns in 1. Kor. 3 vorgestellt wird, so gewinnt das Ganze mit einem Schlage ein völlig verändertes Aussehen: die Verantwortlichkeit des Menschen kommt hinein, seine Tätigkeit beginnt mit allen ihren beschämenden Folgen. Paulus (nicht Christus, wie in Matth. 16) hatte nach der ihm gegebenen Gnade als ein weiser Baumeister den Grund gelegt. Dieser Grund war Jesus Christus. Einen anderen gab es nicht, und darum konnte kein anderer gelegt werden. Nun galt es weiter zu bauen. Andere würden mit dem Apostel und nach ihm bauen. Ein jeder musste? zusehen, wie er auf den einmal gelegten Grund baute. Man konnte mit Gold, Silber und kostbaren Steinen bauen, aber auch mit Holz, Heu und Stroh. Die Dauerhaftigkeit des Werkes hing von dem Baustoff ab. Das Werk eines jeden sollte durchs Feuer erprobt werden. Der Tag würde es klar machen.

Mit anderen Worten: Die Lehrtätigkeit eines jeden Arbeiters brachte Seelen herzu, entsprechend dem Charakter dieser Tätigkeit. Der Oberbau des auf der Grundlage (Christus) errichteten Bauwerks entsprach

(und entspricht heute noch) den dazu verwandten Stoffen. Besteht die Arbeit die Probe, so wird der Arbeiter Lohn empfangen; verbrennt sie, so wird er Schaden leiden, aber selbst gerettet werden, „doch so wie durchs Feuer“; ist er ein böser Arbeiter, der den Tempel Gottes verdirbt, so wird Gott ihn verderben (V.14 —- 17).

Wir haben hier also Gottes Bau vor uns hinsichtlich seiner Stellung in dieser Welt, aber der Mensch baut, und seine Verantwortlichkeit kommt in Betracht. Gott hat erlaubt, dass das Böse sich schon entwickelte, ehe die Augen derer sich schlossen, welche es mit göttlicher Weisheit zu beurteilen vermochten. Falsche Brüder schlichen sich ein, der Feind säte Unkraut unter den Weizen, das Geheimnis der Gesetzlosigkeit begann zu wirken, und antichristlische Personen traten auf· Paulus, der weise Baumeister, dem vor allen anderen der Dienst und die Sorge für die Kirche Christi anvertraut war, betrachtete auch mit besonders scharfem Auge das Tun des Feindes und dessen Wirkungen und gab den Gläubigen die nötigen Weisungen und Warnungen. Eine der bekanntesten Stellen in dieser Beziehung ist 2. Tim. 2, 19 — 22. Der Mensch Gottes findet hier genaue Anweisungen, wie er sich in dem Zustand der Dinge, der damals schon sich zeigte und seitdem immer mehr herangereift ist, verhalten soll.

In seinem ersten Briese an Timotheus nennt der Apostel das Haus Gottes den Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit. Aber was ist unter der Verantwortlichkeit des Menschen daraus geworden? Ein „großes Haus" *), das nicht nur goldene und silberne Gefäße enthält, sondern auch hölzerne und irdene, die einen zur Ehre, die anderen zur Unehre. Wir brauchen uns nicht darüber zu verwundern. Ist es wahr, dass das Haus der Verwaltung des Menschen übergeben worden ist, so können wir mit Sicherheit Rückgang und Verfall erwarten. Doch Gott sei gepriesen! Sein fester Grund steht; er überdauert alle Zeiten und Proben, und er trägt ein doppeltes Siegel: einerseits kennt der Herr alle, die Sein sind (Gottes Ratschlüsse sind sicher und fest), und andererseits sollen die, welche den Namen des Herrn nennen, von der Ungerechtigkeit abstehen (der Mensch ist verantwortlich). Der Apostel weist dementsprechend die Gläubigen an, sich von den Gefäßen zur Unehre zu reinigen und nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden zu streben mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen -— Absonderung und Sammlung um Ihn, dessen Name „der Heilige und der Wahrhaftige“ ist. Was aus der großen Masse der Bekenner wird, zeigt uns 2. Tim. 3: sie haben eine Form der Gottseligkeit, aber verleugnen ihre Kraft. Das Ende ist der völlige Abfall, welcher den Menschen der Sünde, den Antichristen, einführt (2. Thess. 2).

So sehen wir denn, dass das Haus Gottes unter zwei oder gar drei ganz verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden kann und im Worte Gottes so betrachtet wird. In diesem Punkte (wie in manchen anderen) unterscheidet sich das „Haus“ von dem „Leibe“. In dem Leibe Christi kann es niemals tote Glieder geben; bloße Bekenner ohne geistliches Leben sind da völlig ausgeschlossen, weil der Heilige Geist es ist, der den Leib bildet. Doch wir werden hierauf, so Gott will, später zurückkommen. Die Nichtbeachtung dieser Tatsache hat schon viel Verwirrung hervorgebracht und tut es immer noch.

Doch fassen wir noch einmal kurz zusammen, was wir miteinander betrachtet haben.

1. Christus, als Messias von Seinem Volke Israel verworfen, baut Seine Versammlung (Gemeinde) auf dieser Erde. Das, was in den Ratschlüssen Gottes bis dahin verborgen und den Geschlechtern der Menschen nicht kundgetan war, entfaltet sich. Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der Leben, göttliches Leben, in sich selbst hat (erwiesen in der Auferstehung), ist die Grundlage dieses Gebäudes und verleiht ihm Festigkeit und Dauer. Satan vermag nichts gegen dasselbe. Das endliche Ergebnis dieses Werkes des göttlichen Baumeisters ist ein vollständiger Sieg. Alle, die zu diesem Bauwerk gehören, sind lebendige Steine und heilige Priester.

2. Die Versammlung ist die Behausung Gottes im Geiste. Gott wollte ein Haus hienieden haben, in welchem Er durch den Geist wohnen konnte. So sind Juden und Heiden zusammengebracht worden, um diesen Tempel, die Wohnstätte Gottes aus Erden, zu bilden. Früher gab es einen Tempel aus natürlichen Steinen, ein irdisches Haus; jetzt gibt es einen heiligen Tempel, ein geistliches Haus. In Christo „wächst der ganze Bau, wohl zusammengefügt, zu einem heiligen Tempel im Herrn“, und in Offbg. 21, 3 finden wir ihn in strahlender Herrlichkeit wieder als „die Hütte Gottes bei den Menschen«, Es wird nicht gesagt, wer der Baumeister dieses Tempels ist, weder in 1. Petr. 2, noch in Eph. 2: das Haus wird aufgebaut und wächst seiner Vollendung entgegen, die Steine kommen herzu, und zwar nur lebendige Steine. Ohne Zweifel war das Haus auch nach außen hin anfänglich das, was es nach Gottes Plan und ewigem Ratschluss immer ist: ein heiliges Haus, bestehend aus lauter wahren Gläubigen. Aber es blieb nicht lange so. Kommen wir zu der tatsächlichen Ausführung des Werkes, wie es sich hienieden vor den Augen des Menschen entwickelte, so tritt das menschliche Element hinzu, und wir haben

3. das Haus Gottes unter der Verantwortlichkeit des Menschen. (1. Kor. 3.) Es ist auch jetzt noch ,,Gottes Bau«, aber Er hat „Mitarbeiter“. Menschen sind die Bauenden, und da kann es selbstverständlich nicht lange währen, bis der Verfall sich zeigt. Die Grundlage war gut, aber der Aufbau mangelhaft. Schon in der allerfrühesten Zeit wurden durch Arbeiter, welche die Wahrheit nicht so festhielten, wie die Apostel sie ihnen überliefert hatten, verkehrte Lehren aufgestellt und Seelen in die Mitte der Gläubigen eingeführt, welche kein Leben aus Gott hatten. Dies nahm so reißend zu, dass der Apostel Paulus kurz vor seinem Ende seinem Kinde Timotheus.

4. das große Haus und das, was es in sich barg, vor Augen stellen musste. Der feste Grund Gottes stand

zwar unbeweglich wie immer, aber die Zugehörigkeit zum Hause bot keinerlei Gewähr mehr, vor der Verbindung mit Bösem und Unreinem geschützt zu sein. Absonderung inmitten des Hauses wurde nötig, doch darauf folgend nicht etwa Vereinzelung, sondern ein Zusammenschluss der also Abgesonderten, der

Gefäße zur Ehre, „geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet“. (2. Tim. 2, 21). In Verbindung damit stehen schwere, gefahrvolle Zeiten, in welchen die Mehrzahl der christlichen Bekenner nur noch eine äußere Form der Gottseligkeit hat, ohne innere Kraft, und viele sich völlig vom Christentum abwenden, indem „sie die gesunde Lehre nicht mehr ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehren aufhäufen, indem es ihnen in den Ohren kitzelt“ (Vergl. 2. Tim. 3, 3. 4). Das Ende ist die Entrückung der wahren Gläubigen in den Himmel und, wie schon gesagt, der völlige Abfall der zurückbleibenden Masse.

Fußnote:

*) Wenn der bereits angeführte Schreiber zu dieser Stelle sagt: »Wir haben hier unstreitig an dasselbe Verhältnis zu denken, wie wir’s in Matth. 13, 38 finden; dort sagt der Herr, dass auf dem Weltacker Weizen und Unkraut beisammen „sind“, so setzt er sich dadurch mit den besten Auslegern in unmittelbaren Widerspruch. Das Bild von dem Hause (vergl. auch den Ausdruck „der feste Grund“ in V. 19 — dasselbe Wort wie in 1. Kor. 3, 11) schließt die Vergleichung mit dem „Acker“ geradezu aus.

@@@@@

Jesus rief und sprach

Bibelstelle: Johannes 12, 44 - 46

Botschafter des Heils in Christo 1911, S. 334ff

Jesus aber rief und sprach: Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an Den, der mich gesandt

hat; und wer mich sieht, sieht Den, der mich gesandt hat. Ich bin als Licht in die Welt gekommen, auf dass jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe. (Joh. 12, 44 - 46.)

Nur dreimal berichtet der Evangelist Johannes, dass Jesus rief und sprach, hier und in Kap. 7, 28 und 37 — ein Beweis, dass es sich an diesen drei Stellen um besonders wichtige Dinge handeln muss. Und es ist in der Tat so. Bei allen drei Gelegenheiten richtet der Herr die Aufmerksamkeit Seiner Hörer auf Seine wunderbare Person, auf Seine Beziehung zum Vater, sowie auf die gesegneten Ergebnisse einer Verbindung des Herzens mit Ihm und auf die furchtbaren Folgen der Verwerfung Seiner Person. Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen; - jeder, der an mich glaubt, wird nicht in der Finsternis bleiben; - „wer mich verwirft, hat den, der ihn richtet.

Was die Worte unseres Herrn in Joh. 12, 44 — 50 so besonders ernst macht, ist der Umstand, dass es Seine letzte Rede an das Volk Israel war. Fortan sollten sie Ihn nicht mehr sehen und Seine Stimme nicht mehr hören. Vom 13. Kapitel an redet Er, und zwar nur zu Seinen Jüngern, von Seinem Abschiede aus dieser Welt, von dem neuen Verhältnis, in welches die Seinigen infolge Seines Hingehens zum Vater kommen würden, von der Sendung des Heiligen Geistes usw.; aber für das Volk als solches war die Zeit Seines Zeugnisses vorüber. Noch einmal sagt Er ihnen, dass Er als Licht in die Welt (nicht nur zu Israel, Sein Volk hatte Ihn ja verworfen) gekommen sei, und dass das ewige Wohl und Wehe eines jeden Menschen davon abhänge, wie er sich zu Jesu stelle. Wer an Ihn glaube, werde nicht in der Finsternis bleiben, sondern das Licht des Lebens haben, ja, ein Sohn des Lichtes werden (vergl. Kap. 8, 12 und hier V. 36), wer aber Ihn und Sein Wort verwerfe, habe den, der ihn richte: Das Wort, das ich geredet habe, wird ihn richten an dem letzten Tage (V. 48). Jesus hatte nicht aus sich selbst geredet, sondern der Vater, der Ihn gesandt hatte, hatte Ihm ein Gebot gegeben, was Er sagen und reden solle. Und dieses Gebot war ewiges Leben. (V. 49. 50.) Wer also Ihn verwarf, verwarf den Vater, und wer an Ihn glaubte, glaubte an den Vater, ja, wer Ihn sah, sah den Vater.

Wie ernst und inhaltsschwer ist dieser letzte Gnadenruf unseres Herrn und Heilandes! Er wusste, dass die Stunde des Menschen und die Gewalt der Finsternis« (Luk. 22, 53) im Anzuge war, und so wendet Er sich zum letzten male mit Worten ergreifenden Ernstes und doch zugleich tiefen Erbarmens an die Massen, die zur Feier des Passahfestes in Jerusalem zusammengeströmt waren. Er rief und sprach. Jeder sollte es noch einmal hören. Jeder sollte persönlich vor die ernste Entscheidung gestellt werden, ob er an Ihn glauben und so Licht und Leben finden, oder ob er Ihn und Sein Wort verwerfen und dann in Finsternis und Tod bleiben wolle. Jedem sollte es zum Bewusstsein kommen, dass es sich nicht nur um die Annahme oder Nichtannahme des demütigen Jesus von Nazareth, sondern um die endgültige Verwerfung des Vaters und des Sohnes handelte.

O wie groß ist die Gnade, in welcher Jesus gekommen ist! Selbst in dieser feierlichen Stunde, wo die Donner des Gerichts schon vernehmlich in der Ferne grollen, sagt Er: Ich bin nicht gekommen, auf dass ich die Welt richte, sondern . aus dass ich die Welt errette (V. 47).

So ist es heute noch. Eine wunderbare Gnadenzeit umgibt uns. Aber wieder geht ein Jahr zu Ende. Der Zeiger auf Gottes Gnadenuhr ist nochmals einen Strich vorgerückt. Die Stunde des abgefallenen, aufrührerischen Menschen und der völlig geoffenbarten Macht der Finsternis ist im Anzuge. Der Mensch der Sünde, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit«, steht vor der Tür. Noch einmal möchten wir deshalb unsere Stimmen laut erheben und allen, die noch fern von Jesu sind, bittend zurufen, an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm (2. Kor. 5, 20. 21).