Botschafter des Heils in Christo 1918

02/06/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1918Seite
Die letzte Posaune1
Das Bekenntnis des Räubers9
Die letzten Stunden Jesu nach der Darstellung15
des Evangeliums Lukas
In eurem Glauben reichet dar die Tugend."17
Ein Wahlspruch für jeden Knecht Christi30
Gott ist mein Heil (Gedicht).32
Das Geheimnis der Kraft33
Die Welt oder Christus?40
Ein letztes Zeugnis,46
Gottes Volk, blick hin zum Ziele! (Gedicht)48
Henoch wandelte mit Gott57
Was und wie Gott bewahrt62
Das beste Erziehungsmittel63
Ich komme bald! (Gedicht)64
Kommet her zu mir!"76
Wandelt als Kinder des Lichts."78
Was ist Christus für deine Seele?81
Eben Eser (Gedicht)87
Aufrecht wandeln96
Die Entrückung in den dritten Himmel und der97
Dorn im Fleische
Jesus vergoß Tränen."104
Bereitet den Weg des Herrn!"110
Ein einfaches Wort über Joh.6113
Im Anfang war das Wort."122
Du bleibst (Gedicht)126
„Es will Abend werden."128
Denn ich sage euch, daß ich nicht von dem Gewächs129
des Weinstocks trinken werde."134


Botschafter des Heils in Christo

Sechsundsechszigster Jahrgang

Elberfeld – Verlag von R. Brockhaus

1918

Die letzte Posaune

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 1ff

„Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn Posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden“ (1. Kor. 15, 51. 52).

Was ist die letzte Posaune? so ist schon oft gefragt worden und wird immer wieder gefragt, und indem man 1. Korinther 15, 52 mit Offbg. 8 — 11 oder mit Matth. 24, 31 in Verbindung bringt, kommt man zu allerlei unrichtigen Auslegungen. In den genannten drei Stellen ist allerdings von „Posaunen“ die Rede, aber damit ist noch nicht gesagt, dass sie auch dem Sinne nach zusammengehören. Dass 1. Kor. 15, 52 nichts mit den im Buche der Offenbarung beschriebenen sieben Posaunen zu tun haben kann, geht unwiderleglich aus dem einfachen Umstande hervor, dass die Offenbarung erst mehrere Jahrzehnte nach den Korintherbriefen geschrieben worden ist. Der Apostel Paulus kann also unmöglich auf eine Sache anspielen, die zur Zeit, da er schrieb, noch keinem Menschen bekannt war.

Was sodann Matth. 24 betrifft, so ist dort von einem ganz anderen Ereignis und von einer ganz anderen Zeit die Rede, als in 1. Kor. 15. Man bedenkt eben nicht, dass Posaunen oder Trompeten zu verschiedenen Zeiten ertönen werden, und dass ihr Schall ganz verschiedenen Zwecken dienen kann. Während in 1. Korinther 15 die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und das Versammeltwerden der himmlischen Heiligen zu Ihm hin in Frage steht (vergl. 2. Thess. 2, 1), ohne irgendwelche Mitwirkung von Engeln, redet Matth. 24 von der Erscheinung des Sohnes des Menschen und von der Sammlung der Auserwählten „von den vier Winden her“ und ihrer Einführung in das Reich mittels der Engel, der Boten des Herrn. Das erste Ereignis hat gar nichts mit der Erde und ihren Bewohnern zu tun und vollzieht sich ganz unbeachtet und unbemerkt von diesen; bei dem zweiten wird alles Fleisch die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen sehen. und Seinetwegen werden wehklagen alle Stämme des Landes. Im Mittelpunkt des ersten steht die Verwandlung und die Entrückung der himmlischen Heiligen ins Vaterhaus droben, im Mittelpunkt des zweiten das Gericht der Lebendigen und die Segnung der irdischen Heiligen auf dieser Erde. Beide Ereignisse sind also so verschieden voneinander, wie sie nur sein können, liegen auch der Zeit nach weit auseinander.

Wir müssen uns also nach einer anderen Erklärung umsehen, und zwar darf sie nicht weitabliegend gesucht werden. Die Empfänger des Briefes müssen mit dem Ausdruck „letzte Posaune“ oder „letzte Trompete“ gut bekannt gewesen sein, weil der Apostel es für unnötig hält, irgend eine erklärende Bemerkung hinzuzufügen. Wir werden also kaum die Meinung mancher Ausleger, Paulus nehme Bezug aus die jüdische Einrichtung der silbernen Trompeten oder der Hallposaunen (vergl. 2. Mose 23, 24; 25, 9; 4. Mose 10, 1 — 10), zu der unsrigen machen können. Es ist doch kaum anzunehmen, dass die jungen Gläubigen in Korinth, die der Mehrzahl nach aus der Finsternis des Heidentums gekommen waren, über die zeremoniellen Einrichtungen des Judentums genauere Unterweisung empfangen hatten, wenn auch der Apostel sie über die Geschichte des Volkes Israel und Gottes» Wege mit ihm belehrt haben wird. (Vergl. 1. Kor. 10, 1 — 13). Es kommt noch hinzu, dass in der Verordnung über die Trompeten oder Posaunen von einer letzten Posaune gar nicht die Rede ist; und das müsste doch der Fall sein, weil Paulus ganz unvermittelt von »der letzten Posaune«, als einer den Korinthern gut bekannten oder doch mindestens leicht verständlichen Sache, redet.“

Was also bedeutet der Ausdruck? Woran denkt der Apostel? Wir meinen, die Antwort sei nicht schwer.

„Es ist bekannt, dass Paulus in seinen Belehrungen gern Anschauungsunterricht erteilt, indem er allgemein bekannte bürgerliche oder militärische Einrichtungen als erklärende Bilder benutzt. So redet er häufig von den Kampfspielen, die in jener Zeit in· allen größeren griechischen und römischen Städten gebräuchlich waren. In 1. Kor. 4, 9 sagt er: „Wir sind der Welt ein Schauspiel geworden, sowohl Engeln als Menschen“. In diesem gewaltigen Schauspiel, das Gott vor die Augen der Himmels- und Erdenbewohner hingestellt hat, bildeten die Apostel gleichsam das letzte große Schaustück, den ergreifenden und überwältigenden Schlussakt der vorgeführten Spiele und Kämpfe. So wie bei den gewöhnlichen Schaustellungen dieser Art die letzten Kämpfer bis zum Tode des einen Teiles miteinander kämpfen mussten, so hatte Gott, wie es Paulus dünkte, „die Apostel als die Letzten dargestellt, wie zum Tode bestimmt“.

Im 9. Kapitel unseres Briefes erinnert er die Korinther an die Wettläufer in der Rennbahn und ermahnt sie, gleich jenen enthaltsam zu sein in allem, um so eine unvergängliche Krone, einen unverwelklichen Siegeskranz zu erringen (V. 24 — 27). Eine ähnliche, ganz ergreifende Bezugnahme auf den Wettlauf dem Ziele zu, zur Erlangung des herrlichen Kampfpreises, finden wir in Phil. 3, 14. In Kol. 2, 18 ermahnt er die gläubigen Kolosser, sich durch niemand den Kampfpreis entreißen zu lassen, in 2. Tim. 2, 5 den Timotheus, beim Wettkampf die göttlichen Regeln des Kampfspiels zu beachten; und immer wieder redet er von Kronen oder Kränzen des Ruhmes, der Gerechtigkeit u. s. w.

Fast noch häufiger bedient sich der Apostel militärischer Bilder. Die Gläubigen hienieden sind für ihn das streitende Heer seines Herrn, Kriegsleute Jesu Christi, vom Herrn angeworben (2. Tim. 2, 3. 4), in Seinen Sold gestellt (1. Kor. 9, 7), berufen, den guten Kampf zu kämpfen (1. Tim. 6, 12), „die ganze Waffenrüstung Gottes zu nehmen“ (Epheser 6, 13 — 17), „nüchtern zu sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Heim mit der Hoffnung der Seligkeit“ (1. Thess. 5, 8), mitzukämpfen mit dem Glauben des Evangeliums (Phil. 1, 27), mit dem Apostel zu kämpfen an dem Evangelium und in den Gebeten (Phil. 1,27; Röm. 15, 30) u. s. w. Immer wieder redet er von den Schutz- und Trutzwaffen des Gläubigen und weist auf militärische Einrichtungen hin. So fragt er in 1. Kor.14, 8: „Wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampfe rüsten?« Auch der Ausdruck: „ein jeder aber in seiner eigenen Ordnung“ in 1. Kor. 15, 23 ist der Militärsprache entlehnt; das im Griechischen für „Ordnung“ gebrauchte Wort bedeutet eigentlich: Abteilung, Heerhaufe.

Unter Berücksichtigung dieser Gewohnheiten des Apostels liegt es sehr nahe, ja, empfiehlt sich mit fast zwingender Gewalt, auch an unserer Stelle an einen militärischen Ausdruck zu denken, der den Korinthern umso geläufiger war, weil ihre Stadt als Hauptstadt der Provinz eine starke römische Besatzung besaß. So hatten sie jedenfalls täglich Gelegenheit, die Posaunen- oder Trompetensignale der römischen Legionen zu hören, und konnten deren Bedeutung, geradeso wie die Bewohner, einer Garnisonstadt heute mit den militärischen Signalen (Wecken, Lotsen, Nachtwache u. dergl.) vertraut sind. „Die letzte Posaune“ will also wohl nichts anderes bedeuten als der letzte Trompetenstoß, welcher der Truppe das Zeichen zum Abmarsch gibt. Es gab Trompetensignale, welche zum Abbruch des Lagers, zur Anlegung der Rüstung (vergl. 1. Kor. 14, 8) und endlich zum Antreten in Reih) und Glied riefen. Die letzte Trompete (Posaune) hieß: Marsch!

Wie einfach und schön erklärt sich auf diese Weise die Belehrung des Apostels! Wenn der Herr kommt, um Sein streitendes Heer nach dem letzten Kampf in die ewige Ruhe einzuführen, ruft Er es mit der „Posaune Gottes“ (1. Thess. 4, 16). Es ist die letzte Posaune, die gleichsam zum Aufbruch oder Abmarsch geblasen wird. „Denn posaunen wird es“, und der mächtige Schall des göttlichen Signals wird in die Gräber und in die Tiefen des Meeres dringen, und alle „Toten in Christo« werden ihn hören; er wird im Hades vernommen werden und wird hinaustönen zu allen lebenden Gläubigen auf dem ganzen Erdenrund. Die Toten werden auferweckt werden unverweslich (die „Geister der vollendeten Gerechten“ werden sich mit ihren auferstandenen Leibern vereinigen), und „wir werden verwandelt werden“. Alle, „die des Christus sind bei Seiner Ankunft“(V. 23), werden lebendig gemacht werden, und zwar in einem Nu, in einem Augenblick. Das mit „Nu“ übersetzte griechische Wort (atomos, daher das Wort „Atom“) bedeutet eigentlich: nicht zerschneidbar, unteilbar. Das will sagen: die ganze Sache — wird in einem so kurzen Zeitraum geschehen, dass er sich nicht mehr teilen lässt. Eine Sekunde lässt sich noch vielfach teilen, aber dieser Zeitraum nicht. Rascher als wir es aussprechen, ja, nur denken können, wird diese wunderbare „erste“ Auferstehung mit allen ihren Folgeerscheinungen sich vollziehen.

Die Mitteilungen des Apostels an die Thessalonicher bestätigen und vervollständigen das Gesagte. Die jungen Gläubigen in Thessalonich waren beunruhigt, über das Los einiger, die aus ihrer Mitte abgerufen worden waren. Aber sie hatten keine Ursache, sich zu betrüben „wie die übrigen, die keine Hoffnung haben“. Nein, die Entschlafenen werden mit dem Herrn kommen, wenn Er erscheinen wird, um Seine Herrschaft anzutreten und Sein Reich in Empfang zu nehmen. Sie werden keineswegs zu kurz kommen. Und nun folgt die erstaunliche Offenbarung „im Worte des Herrn“: „Der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein“.

Gleich einem Heerführer, der mit Donnerruf seine Scharen leitet und, wenn die Stimme nicht mehr ausreichen will, durch den Trompeter an seiner Seite den Truppen seinen Willen und seine Befehle kundgibt, so wird der Herr, der Führer Seines Heeres, der Seine Streiter so oft durch die silberne Trompete Seines Wortes und Geistes zusammengerufen und ihnen Seinen Willen kundgetan hat, bei der letzten Posaune sie heimrufen vom Kampfplatz und triumphierend mit sich einführen in die Wohnungen des Friedens, wo kein Kampfgetümmel und Waffengeklirr mehr gehört werden wird in Ewigkeit. Mit eines Erzengels Stimme und mit Gottes Posaune wird Er vom Himmel herniederkommen; dann werden die entschlafenen und noch lebenden Gläubigen (entweder auferweckt oder verwandelt) miteinander vereinigt und durch den Heiligen Geist dem Herrn entgegengeführt werden in die Luft. Die zahllosen Scharen aller derer, die je an Christum geglaubt haben und bis zu jener Stunde noch an Ihn glauben werden, werden in einem gewaltigen Heereszuge hinaufsteigen, „in Wolken“, ihrem geliebten Herrn entgegen. So wie einst eine Wolke Ihn, „den Himmlischen“, aufnahm, nur den Augen der nachschauenden Jünger sichtbar, so werden auch Wolken das Gefährt bilden, auf welchem wir, „die Himmlischen“, der Welt unsichtbar, emporgehoben werden. Dann wird sich das Wort erfüllen: „Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen“ (1. Kor. 15, 48. 49). Und: „Verschlungen ist der Tod in Sieg. Wo ist, o Tod, dein Stachel? Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ Das Verwesliche wird Unverweslichkeit und das Sterbliche Unsterblichkeit anziehen. Gott selbst wird uns diesen wunderbaren Sieg geben durch unseren Herrn Jesus Christus. Allem Kampf und Erdenleid für immer entrückt, werden wir bei unserem teuren Herrn sein allezeit.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass es durchaus keinen Grund gibt, weshalb die letzte Posaune nicht jeden Augenblick ertönen könnte. Sobald das Heer des Herrn vollzählig ist, sobald das letzte Glied Seinem Leibe eingefügt ist, steht Seinem Kommen zur Entrückung der Seinigen nichts mehr im Wege. Kein zeitliches Erkennungszeichen ist uns deshalb für dieses Kommen gegeben. Wohl mögen wir in den Ereignissen und Umwälzungen unserer Tage, in den furchtbaren Zuckungen, welche den ganzen Erdkreis erschüttern, Anzeichen des „Anfangs der Wehen“ erkennen, sowie in den Vorgängen in Palästina und den umliegenden Ländern deutliche Hinweise darauf erblicken, dass „die Tage des Endes“ ganz nahe gekommen sind; aber es wäre verkehrt, mehr als das darin zu sehen oder gar zu meinen, diese und andere Dinge müssten noch geschehen, ehe der Herr kommen könne, um Seine Braut heimzuführen. Wer so redet, beweist, dass er mit Gottes Gedanken über Christum und Seinen Leib, sowie über den Zweck des Weilens des Heiligen Geistes hienieden wenig bekannt ist und deshalb auch den Unterschied zwischen dem Kommen Christi als Morgenstern und Seiner Erscheinung als die Sonne der Herrlichkeit nicht genügend beachtet.

Der Geist und die Braut rufen: Komm! Ja, sie blicken so wenig auf Zeit und Umstände, rechnen so wenig mit Zeitpunkten und Zeitereignissen, dass sie jeden, der diesen Ruf hört, bedingungslos auffordern, ebenfalls zu rufen: Komm! Da ist nichts mehr vorher zu erwarten, da braucht nichts mehr vorher erfüllt zu werden. Die letzte Posaune kann jeden Tag, heute noch, ertönen, und die einfältige, ihren Herrn liebende Seele singt und sagt:

„O Jesu, dass ich heut’ dich säh!“

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Das Bekenntnis des Räubers

Bibelstelle: Lukas 23, 32 – 46

Botschafter des Heils 1918 S. 9ff

Der bekehrte Räuber hat in dieser Welt das Schicksal seines Genossen geteilt; im Himmel teilt er Jesu Los. Dass zwischen den beiden Räubern ein so großer Unterschied besteht, liegt nicht an den Umständen, sondern an dem Wirken Gottes. Gott kann sich der Umstände bedienen, aber sie üben, wie es auch die Geschichte dieser zwei Männer zeigt, häufig eine ganz entgegengesetzte Wirkung auf die Seelen aus. Im Grunde befindet sich jede errettete Seele in derselben Stellung wie der bekehrte Räuber; niemand ist jemals auf andere Weise errettet worden wie er. Man findet einen lebendigen Glauben in ihm, lebendiger als der vieler Christen, die ruhig ihren Weg durch diese Welt gehen.

Wir können von einem für den Räuber und von einem in ihm geschehenen Werke reden. So auch bei uns. Bei dem in uns geschehenden Werke genießen wir all die Wirkungen des für uns geschehenen. Will Gott uns über Grundsätze belehren, so stellt Sein Wort uns außerordentliche Fälle vor Augen. Die Sünde Adams ist keine andere wie die, welche wir begehen; aber wir erkennen in seinem Fall viel besser ihre Wirkungen, obwohl diese die gleichen sind wie bei unseren Sünden. Geradeso ähnelt die Rettung des Räubers durchaus der unsrigen.

Der Räuber hatte einen großen Glauben. Jesus war durch die bürgerliche Macht verurteilt worden, die Seinen hatten Ihn verlassen, die Welt Ihn verworfen. Er wurde behandelt wie ein Missetäter. Nichts an Ihm ließ den Sohn Gottes erkennen. Äußerlich gab es nichts, was einen Menschen hätte dahin bringen können, an Ihn zu glauben. Er nahm sogar einen noch niedrigeren Platz ein als der Räuber, indem dieser Ihn zu schmähen wagte, weil Er sich Christus, den Sohn Gottes, genannt hatte. Die ganze Feindschaft, der ganze Hass des fleischlichen Herzens war gegen Ihn entfesselt. Und doch nennt der andere Räuber Ihn gerade in diesem Zustande seinen Herrn und sieht in Ihm den Gesalbten.

Die Ungläubigen können alle möglichen religiösen Gebräuche, alle falschen Religionen, selbst Götzen und Götzendienst dulden. Man lässt in der Welt alles zu, nur das eine nicht, dass man Christum öffentlich predigt. So oft Satan die Rechte Christi hienieden verkündigen sieht, gerät er in Zorn. Selbst ein Räuber beschimpft Jesum, und Jesus erträgt die Schmach ruhig, ohne den Mund zu öffnen, indem Er sich so unter den stellt, der Ihn beleidigt.

Doch da ertönt eine andere Stimme. „Auch du fürchtest Gott nicht?“ fragt der Räuber, dessen Herz getroffen ist, seinen Gefährten. Sein Gewissen hat ihn in Gottes Gegenwart gestellt. Hier ist der Anfang der Weisheit. Der Glaube ist es, der Gott in Seinen Rechten anerkennt. Die Philosophie, der Verstand beurteilen Gott nach ihren Gedanken, aber von dem Augenblick an, wo das Gewissen in Tätigkeit tritt, nimmt der Mensch seinen Platz vor Gott ein und unterwirft sich. Die alIerschönsten Gedanken, die man über Gott haben mag, ändern als solche unsere Beziehungen zu Ihm nicht; das Gewissen wird dadurch nicht berührt. Nur wenn der Mensch sich als Sünder vor Gott stellt, unterwirft er sich Ihm. Solang ein Mensch in den Leiden, die ihn umgeben, und vor allem im Tode, nicht die Wirkungen der Sünde erkennt, versteht er nicht, dass die Sünde es ist, die uns aus dem Paradiese vertrieben und unter das Todesurteil gestellt hat.

Wo ein wirklich tiefes Gefühl in ein Herz einkehrt, da kommt es auch zum Ausdruck. Die Religion, die man für sich behält, ist eine recht schwache Sache. Der Anfang der Belehrung des Räubers ist Gottesfurcht. Er tadelt seinen Gefährten ernst. Gottes Gegenwart hatte den sittlichen Zustand und die Härte seines Herzens völlig verändert. Diese Gegenwart wird für ihn der alles beherrschende Gesichtspunkt. So ist es immer. Kommt ein Mensch in das Licht Gottes, so ist die Sünde nicht mehr das, was seinem guten Ruf schadet, sondern das, was Gott gerechterweise beleidigt. Einem solchen Menschen liegt nichts mehr an dem Urteil der Menschen, er denkt nur an das Urteil Gottes. Das Gewissen ist aufgewacht, und der Mensch fürchtet Gott. Vor dieser Furcht tritt alles andere in den Hintergrund. Die Seele ist ausschließlich mit Gott beschäftigt und mit ihrem Zustand vor Ihm. In Gottes Gegenwart beurteilt sich der Mensch so, wie Gott ihn beurteilt. Der natürliche Mensch sucht jeden Gedanken an Gott zu vermeiden und gibt sich alle Mühe, sein Gewissen zu betäuben und sich einzureden, dass Gott nicht an ihn denke. Aber Gott vergisst uns nicht. Der stärkste Beweis dafür liegt in dem Unbehagen, das uns befällt, sobald wir daran denken, dass wir es mit Gott zu tun haben.

Die Überzeugung, dass unsere Verurteilung gerecht ist, folgt dem Aufwachen des Gewissens unmittelbar. Dem schließt sich die christliche Freimütigkeit an, die Wahrheit im Herzen. Sobald das Urteil Gottes Eingang ins Herz gefunden hat, beurteilt der Mensch sich richtig. „Und wir zwar mit Recht«, sagt der bekehrte Räuber. Er verbirgt seine Sünde nicht und verliert nicht seine Seele, nur um seinen guten Ruf zu wahren, wie es leider so viele Leute tun. Er kennt Gott, und er kennt sich selbst, was die weisesten Menschen nicht tun, es sei denn dass sie, wie er, durch Gottes Gegenwart aufgeweckt worden sind.

Jesus war da, gekreuzigt, weil Er gerecht war, weil Er nichts Ungeziemendes getan hatte. Das hatten die Juden nicht erkannt, noch hatten die Jünger es verstanden. Der Räuber erkennt es. Er besitzt das Licht des Heiligen Geistes und einen erleuchteten Verstand, um den Herrn Jesus als Mensch zu erkennen. Er steht Ihn verlästert, erniedrigt, steht, wie Er nicht für eine einzige Schmähung Vergeltung übt, und sein Herz ist tief getroffen. Er ergreift die Partei Jesu und legt ein Zeugnis ab zu Seinen Gunsten. Er liebt Ihn. Es ist derselbe Beweggrund, der auch die Christen veranlasst, steh an Jesu Seite zu stellen denen gegenüber, welche Ihn verhöhnen. Der Räuber erkennt die Herrlichkeit und die Vollkommenheit Christi. Und nun sagt er weiter: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reiche kommst!“ Wann nennt er Ihn Herr? Nicht etwa inmitten einer ruhigen Welt, unter Kindern Gottes, wo man sich selbst — man sollte es nicht glauben! — manchmal schämt, Seinen Namen zu nennen. Nein, als ein durch die geistlichen und bürgerlichen Gewalten zum Verbrechertode Verurteilter wird Jesus hier als Herr bekannt von einem armen Räuber, und zwar mit einer Glaubenseinfalt und einer Überzeugung, die geradezu vollkommen sind. Dieser Mensch erwartet das Reich Christi, obwohl er Jesum nur auf dem Kreuze steht. Er hat etwas von der zukünftigen Herrlichkeit des Herrn verstanden; sein Herz und seine Zuneigungen gehören Ihm. Er vergisst seine großen körperlichen Leiden und denkt nur auch an den Herrn. Er bekennt Ihn und hat die Kraft, seinen Gefährten zu tadeln.

Gottesfurcht, Selbsterkenntnis, Erkenntnis Jesu, Glaube an Ihn und Sein Reich, ein völliges Sichselbstvergessen, der Wunsch, Teil und Genuss mit Ihm zu haben - alles das zeigt sich hier als Frucht des Glaubens, zu unserer tiefen Beschämung. Keiner von uns vermag sich eines solchen Glaubens zu rühmen, der so lebendig, so wirksam wäre. Das sind die großen Züge der Bekehrung.

Die Antwort· des Herrn kommt dem Vertrauen und den Hoffnungen des Mannes entgegen. Wie kam dieser Räuber, der das gerechte Urteil der Menschen über sich anerkennen musste, dazu, Jesum zu bitten, seiner zu gedenken? Der Grund ist: es gibt in Christo etwas, was das Herz ergreift. Er hat unser Gericht auf sich genommen! Das Bewusstsein von der Liebe Gottes und der Anblick des unser Gericht tragenden Jesus machen das Herz warm. So etwas erzeugt Vertrauen und lässt uns sagen: Gedenke meiner, Herr! Wenn nicht alle unsere Sünden vor Gott hinweggetan wären, so müssten sie an dem großen Tage des Gerichts offenbar werden. Das Vertrauen des Räubers war begründet. Ein Augenblick hatte alle seine Sünden getilgt.

„Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“, so durfte er hören. Dieser Räuber war der einzige Begleiter Jesu vom Kreuz ins Paradies. Jesus nahm mit ihm den Platz im Gericht ein; und er ging mit Jesu in den dritten Himmel und wird bald Seine Herrlichkeit teilen. Seine Sünde ist gänzlich getilgt. Durch das Werk Christi steht er rein vor den Augen Gottes da. Und dessen bedarf es, um wahren Frieden zu genießen. Wir befinden uns im Lichte, stehen in Frieden und Vertrauen vor Gott, weil unsere Sünde völlig vor Ihn gelegt worden ist, und weil Jesus sie getragen und gesühnt hat.

Der Räuber war würdig gemacht worden, „heute“ im Paradiese zu sein. Wenn wir glauben, so wird uns die gleiche Gnade zuteil. Wer Gott aufs Wort glaubt, wenn Er sagt, dass, das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, von aller Sünde reinigt, der kann heute völligen Frieden genießen.

„Mit mir“, sagt Jesus zu dem Räuber. Das war der einzige sichtbare Trost, den Jesus in jenem Augenblick hatte. Während Er noch auf dem Kreuze war, sah Er in dem Räuber das Ergebnis des Kreuzes.

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Die letzten Stunden Jesu nach der Darstellung des Evangelium Lukas

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 15ff

Lukas schildert den Kampf des Herrn in Gethsemane ausführlicher als die anderen Evangelisten, aber auf dem Kreuze zeigt er Ihn erhaben über die Leiden, die Er erdulden musste. Er erwähnt sie gar nicht. Der Herr steht über ihnen.

Johannes stellt die göttliche Seite des Gemäldes dar. In seinem Evangelium finden wir den Kampf in Gethsemane überhaupt nicht erwähnt. Statt dessen hören wir, dass Jesus die, welche Ihn greifen wollen, mit dem einen Worte: „Ich bin’s!“ zu Boden schmettert. Auf dem Kreuz vernehmen wir nicht Seinen Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ sondern Er übergibt, nachdem Er gerufen hat: „Es ist vollbracht!“ Gott Seinen Geist.

Im Evangelium Lukas ist es anders. Wir sehen dort in Gethsemane den Mann der Schmerzen, einen Menschen, der das vor Ihm Liegende in seiner ganzen Tiefe fühlt, und der zum Vater emporschaut. „Und als Er in ringendem Kampfe war, betete Er heftiger“ Auf dem Kreuz erscheint Er dagegen als ein Mensch, der sich unter den Willen seines Vaters gebeugt hat und in völliger Ruhe ist, der über dem Schmerz und den Leiden steht, wie unsäglich groß sie auch sein mögen. Schon auf dem Wege nach Golgatha sagt Er den weinenden Frauen, sie sollten nicht über Ihn, das grüne Holz, weinen, sondern über sich selbst, weil das Gericht über das schuldige Volk hereinbrechen würde. Er betet für die, welche Ihn ans Kreuz geschlagen haben. Er redet zu dem bekehrten Räuber von Frieden und himmlischer Glückseligkeit· Er selbst geht ins Paradies in der Erwartung der Aufrichtung des Reiches.

Das Gleiche zeigt sich bei Seinem Tode. Bei Johannes heißt es einfach: „Er übergab den Geist“. Aber Lukas führt die Worte an, die Jesus dabei sprach: „Vater, in deine Hände übergehe ich meinen Geist“. In Seinem Tode übergibt Er Seinen Geist dem Gott, den Er als Seinen Vater kennt. Im Evangelium Matthäus haben wir Sein Verlassensein von Gott und das Gefühl, welches der Herr darüber empfand.

Dieser Charakterzug des Evangeliums Lukas, das in ganz besonderer Weise Christum als den vollkommenen Menschen darstellt, ist von tiefstem Interesse. Mit Gott durch die Leiden gegangen, steht Er in völligem Frieden über allem, das Vertrauen auf Seinen Vater ist vollkommen. Er ist einen Pfad geschritten. den kein Mensch bis dahin gegangen war, und den auch die Heiligen niemals gehen werden. Mag der Jordan auch über alle seine Ufer treten, die in seine Tiefen hinabgestiegene Bundeslade hat einen trockenen Pfad für das Volk Gottes bereitet.

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In eurem Glauben reichet dar die Tugend

Bibelstelle: 2. Petrus 1,5

Botschafter des Heils 1918 S. 17ff

Wir werden in Hebr. 10, 38 ermahnt, auf unserem Wege, inmitten der Schwierigkeiten, aus Glauben zu leben. Der inspirierte Schreiber des Briefes beschreibt dann im 11. Kapitel, indem er eine Reihe von Beispielen aus dem Alten Testament anführt, diesen kostbaren Glauben, „der eine Verwirklichung dessen ist, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“.

Ein solcher Glaube wirkt —— wie der Apostel auseinandersetzt — in Verbindung mit vier Hauptgrundsätzen der Ratschlüsse und Gedanken Gottes: mit der Schöpfung, die durch Gottes Wort bereitet ist (V. 3); mit der Erlösung, die uns auf Grund des Opfers Jesu Christi, wie einst Abel, die Freiheit gibt, Gott zu nahen (V. 4); mit der Entrückung, dem Siege über den Tod, vorgebildet durch Henoch, der vor seiner Entrückung das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefalIen habe (V. 5. 6); und endlich mit der Bewahrung des jüdischen Überrestes vor dem kommenden Gericht, dargestellt durch Noah (V. 7).

Dieser Glaube äußert sich, wie der weitere Verlauf des Kapitels lehrt, auf dreierlei Weise: in ausharrendem Gehorsam und Vertrauen auf die Verheißungen Gottes (V. 8 — 22), in entschiedener Tätigkeit (V. 23 -31) und durch Kampf und Sieg (V. 32). Bemerkenswert ist, dass der Schreiber sich bei dieser Ausführung der vollkommenen Zahl 7 bedient, indem er für jede der drei Einteilungen je sieben Zeugnisse aus dem Alten Testament anführt, die alle (von V. 8 — 32) mit den Worten „durch Glauben“ eingeleitet werden.

Überhaupt ist hier der Glaube ganz unabhängig von der Unvollkommenheit des Menschen dargestellt. Fehler und Schwachheiten der Zeugen oder die Zucht Gottes mit ihnen werden hier nicht erwähnt, obschon in dem übrigen Teile des Briefes viel von der Verantwortlichkeit die Rede ist. Die ungetrübte Herrlichkeit der aus und durch den Glauben wirkenden Gnade strahlt uns überall entgegen. So hören wir nichts davon, dass Noah sich betrank und daher sein Erbteil einbüßte; dass Abraham sich auf dem Wege nach dem gelobten Lande aufhalten ließ, oder nach Ägypten zog und dort sein Weib verleugnete; auch wird uns nichts berichtet von Sarahs ungläubigem Lachen, oder von Isaaks Mangel an geistlichem Verständnis betreffs seiner zwei Söhne, und von Jakobs listigen Berechnungen. Ebenso verschweigt hier das Wort, dass Mose den Ägypter tötete und im Hören auf Gottes Wort träge war; es spricht nicht davon, dass Barak sich einem Weibe unterordnete, dass Simson in den Fesseln einer Delila sein Nasiräat verlor, und dass David sich des Mordes und des Ehebruchs schuldig gemacht hat. Es handelt sich hier nicht um die Wege der Menschen, sondern um die Wege Gottes mit ihnen in der Kraft des Glaubens.

Ein farbiges Gemälde von der Wirksamkeit des Glaubens steht vor uns, aus welchem sich die Herzenshingabe einer Reihe von Zeugen heraushebt, mit der diese Treuen Gott zu gefallen und die unsichtbaren Dinge zu verwirklichen suchten.

Eingedenk nun der Mahnung des Apostels Petrus, „allen Fleiß anzuwenden, um in unserem Glauben die Tugend (oder die geistliche Entschiedenheit) darzureichen“ (2. Petr. 1, 5), wollen wir aus der Wolke der in Hebr. 10 genannten Zeugen Mose herausnehmen und seine Geschichte, die als Beispiel für die Energie des Glaubens aufgestellt ist, ein wenig näher betrachten.

Es ist gut, dass wir bei der Betrachtung des Lebens Moses nicht allein auf die einfache geschichtliche Erzählung im 2. Buche Mose angewiesen sind. Das Neue Testament kommt uns dadurch sehr zu Hilfe, dass es auch aus die inneren Beweggründe, welche auf Mose und seine Eltern einwirkten, Licht wirft. So ist es uns denn durch die Mitteilungen in Hebr. 11, sowie durch die Rede des Stephanus vor dem Synedrium (Apstgsch. 7) vergönnt, einen tiefen Blick in das innere Leben Moses zu tun. Zugleich können wir auch in das Herz der Eltern Moses schauen und dort das Geheimnis eines Glaubens erkennen, der sie dem mächtigen Pharao mutig Trotz bieten ließ.

„Und ein Mann vom Hause Levi ging hin und nahm eine Tochter Levis. Und das Weib ward schwanger und gebar einen Sohn. Und sie sah, dass er schön war, und verbarg ihn drei Monate.“ So lautet der Bericht in 2. Mose 2, 1. 2. Von Mirjam und Aaron, den älteren Geschwistern Moses, wird nichts erwähnt. Wenn nicht aus späteren Mitteilungen hervorginge, dass sie vor ihm geboren wurden, würde man meinen, Mose sei der Erstgeborene. Aus diesem Umstand und aus den einfachen Worten: „sie sah, dass er schön war“, können wir schließen, dass das Mutterherz von der Schönheit ihres dritten Kindes tief bewegt war und sich daher umso mehr um seine Rettung bemühte. Doch das ist auch alles.

Von Stephanus erfahren wir schon etwas ·mehr: „Moses war ausnehmend schön, und er wurde drei Monate aufgezogen in dem Hause des Vaters“ (Apstgsch. 7, 20.) Wir ersehen daraus, dass es sich bei diesem Kinde nicht um eine Schönheit in gewöhnlichem Sinne, wie bei anderen Kindern, handelte, sondern um eine Schönheit, welcher Gott Sein Siegel ausgedrückt hatte, als hätte Er damit sagen wollen: „Dieses Kind gehört mir!“

Ein noch tieferes Verständnis erhalten wir, wenn wir im Hebräerbrief lesen: ,,Durch Glauben wurde Moses, als er geboren war, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, dass das Kindlein schön war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht“ (Hebr. 11, 23).

Dreimal stellt also das Wort fest, dass Mose schön war. Es will unsere ganze Aufmerksamkeit auf diese Tatsache richten. Zur Entdeckung dieser Schönheit und ihrer Bedeutung genügte das leibliche Auge nicht. Es bedurfte dazu des Auges eines Glaubens, der sich der Verheißungen erinnerte und Dem glaubte, welcher sie gegeben hatte. Nur der Glaube vermag die Zeichen der Zeit zu beurteilen (Vergl. Matth. 16, 3). Die Schönheit des Kindes und das Nahen der für die Befreiung Israels angekündigten Zeit - das waren die Zeichen für Amram und Jokebed, die Eltern Moses. (4. Mose 26, 59.) Ihr Glaube ahnte in diesem schönen Kindlein das Werkzeug, dessen Gott sich zur Rettung Seines Volkes, nach der dem Abraham gegebenen Verheißung, bedienen wollte (Vergl. 1. Mose 15, 13 mit 2. Mose 12, 40. 41).

In diesem Glauben reichten sie geistliche Entschiedenheit dar, denn „sie fürchteten das Gebot des Königs nicht“ (Hebr. 11, 23).

Das Kindlein wuchs heran und wurde, wie der geschichtliche Bericht lautet, der Tochter des Pharao gebracht, „und es wurde ihr zum Sohne, und sie gab ihm den Namen Mose“ (2. Mose 2, 10). Auch hier gibt uns Stephanus eine wertvolle Ergänzung. „Die Tochter Pharaos nahm ihn zu sich und zog ihn auf, sich zum Sohne. Und Moses wurde unterwiesen in aller Weisheit der Ägypter; er war aber mächtig in seinen Worten und Werken“ (Apstgsch. 7, 21. 22).

Wir erfahren dadurch, welch eine Bedeutung es für· Mose hatte, als Sohn der Tochter des Pharao betrachtet zu werden. Er wurde in aller Weisheit der Ägypter, in dieser in der ganzen alten Welt so berühmten Weisheit unterwiesen, die nicht nur die allgemeinen Wissenschaften, sondern auch das dem Volke geheim gehaltene, nur den Priestern bekannte religiöse Wissen umfasste.

Zwar war diese Weisheit menschlich und konnte nicht zur Erkenntnis des wahren Gottes führen. Dennoch war nach der Vorsehung Gottes ihr Erwerb für Seinen Diener nützlich, da es ihm. nicht nur bei den Ägypten: Ansehen und Autorität verlieh, sondern auch für seinen späteren Beruf von großer Bedeutung war. In 2. Mose 11, 3 heißt es: „Der Mann Mose war sehr groß im Lande Ägypten, in den Augen der Knechte des Pharao und in den Augen des Volkes“. Ohne Zweifel waren es vornehmlich die Zeichen, die Mose im Namen Jehovas tat, die ihn groß machten; aber wir dürfen wohl annehmen, dass auch seine in der Jugend erworbenen Kenntnisse mit dazu beitragen. Gott weiß Seine Werkzeuge immer so zuzubereiten, wie Er sie haben und gebrauchen will.

Paulus, der später spitzfindige rabbinische Streitfragen bekämpfen musste, hat vor seiner Bekehrung zu den Füßen Gamaliels gesessen; auch hat er, der berufen war, als Apostel der Nationen vor Statthaltern und heidnischen Königen zu zeugen, von dem, was man griechische Literatur nennt, eingehende Kenntnisse besessen, wie das verschiedene seiner Aussprüche bekunden.

Ähnlich war es ja auch bei dem großen Reformator Luther, den Gott in der Schule, dann im Kloster und schließlich in Rom selbst eingehend unterwies und gerade durch diesen Erziehungsweg in den Stand setzte, das Wort Gottes und den wahren Weg des Heils wieder auf den Leuchter zu stellen.

Es ist unnötig zu sagen, dass es bei all diesen treuen Männern mehr als der erworbenen Kenntnisse bedurfte. Die Bekehrung war in erster Linie für sie erforderlich, und der Heilige Geist musste ihr Licht und ihre Kraft werden; aber Gott bereitete sie und andere auch durch Unterweisung in den menschlichen Wissenschaften für den besonderen Dienst zu, für den Er sie berufen hatte.

Mose reifte zum Manne heran· Sein Verständnis nahm von Jahr zu Jahr zu, und sein Geist bereicherte sich an der Weisheit der Ägypten Die ganze Zeit hindurch stand es in seiner Hand, sich der zeitlichen Ergötzung der Sünde hinzugeben und die Reichtümer des Landes zu genießen. Nichts fehlte ihm in der Welt. Dennoch nahm sein Leben eine ganz andere Richtung. Was war die Ursache? Gott offenbarte sich seinem Herzen. Ob dies plötzlich geschehen ist, oder ob es nach und nach in seiner Seele Licht wurde, wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass die Wirkung dieses Eingreifens Gottes außerordentlich stark war. Ein strahlender Glaube drang aus seiner Seele hervor.

„Durch Glauben“, lesen wir, „weigerte sich Moses, als er groß geworden war, ein Sohn der Tochter Pharaos zu heißen und wählte lieber, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, indem er die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt, als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung“ (Hebr. 11, 24 -26.) Seine Wahl ist getroffen. Auf seine hohe Stellung verzichtend, wirft er die zeitliche Ergötzung der Sünde hinter sich und verbindet sich statt dessen mit seinen in Elend versunkenen Brüdern, koste es was es wolle.

Die Bekehrung des Mose — denn eine solche hat ohne Frage stattgefunden — offenbarte sich auf dreifache Weise, geradeso wie dass auch heute noch bei jedem Bekehrten geschieht, sobald sich mit dem Glauben die Entschiedenheit verbindet. Mose weigerte sich — wählte und — urteilte.

Er weigerte sich, „ein Sohn der Tochter des Pharao zu heißen. Eine Weigerung, die von den Menschen verschieden beurteilt werden mochte, aber groß war in den Augen Gottes. Auch Abraham hat es einmal so gemacht und sich geweigert; und es gehörte in der Tat mehr geistliche Kraft dazu, dem König von Sodom zu sagen: „Ich hebe meine Hand auf zu Jehova, zu Gott, dem Höchsten, . . . wenn ich nehme von allem was dein ist“, als dazu, mit 318 Knechten die Heere von vier Königen zu besiegen.

Der Gläubige muss — alles zu seiner Zeit — sowohl ja, wie nein zu sagen verstehen. Auch Mose begnügte sich nicht mit einem Nein, mit einer Weigerung. Er wählte, d. h. er sagte auch ja. Und was wählte er? Er wollte lieber mit dem Volke Gottes Ungemach, Schmach und Armut teilen, als die kurze zeitliche Ergötzung der Sünde haben.

Und er tat das nicht etwa blindlings, ohne Nachdenken; nein, er beurteilte seinen Entschluss genau, er hielt die Schmach Christi für größeren Reichtum, als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung hin. Er setzte sich, nach dem Rat des Herrn, nieder und berechnete die Kosten (Luk. 14, 28). Die zukünftige Herrlichkeit leuchtete so hell vor seiner Seele, dass dadurch alles, wonach die Menschen trachten, in tiefen Schatten versank. Er verstand, dass der Herr für ihn Schätze der Zukunft in Bereitschaft hielt, aus denen er mit vollen Händen schöpfen konnte. Gott will ja nicht unser Schuldner bleiben, wenn wir etwas Seinetwegen aufgegeben haben. Er ist der Belohner eines Abel, eines Henoch (Hebr. 11, 6), eines Mose, kurz aller, die sich einem verworfenen Christus und Seinen leidenden Nachfolgern anschließen.

Mose hatte eine glückliche Entscheidung getroffen. Er hatte sich geweigert, hatte gewählt und im Blick auf die Zukunft geurteilt. Ebenso machten es später die gläubigen Thessalonicher. Sie weigerten sich, fernerhin den Götzenbildern anzuhangen, sie wählten, stattdessen dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, und sie erwarteten, den Blick auf „die Zukunft gerichtet, Seinen Sohn aus den Himmeln, Jesum, den Er aus den Toten auferweckt hat (Vergl. 1. Thess. 1, 10).

Jetzt erfüllte — wie das immer nach der Bekehrung der Fall ist — die Liebe zu seinen Brüdern das Herz des Mose. „Als er aber ein Alter von vierzig Jahren erreicht hatte, kam es in seinem Herzen auf, nach seinen Brüdern, den Söhnen Israels, zu sehen.“ So berichtet Stephanus in Apstgsch. 7, 23. Und was sah er? „Er sah ihren Lastarbeiten zu“ (2. Mose 2, 11). Hätte sein Herz ihn nicht dahin getrieben, so hätte er bei diesem Anblick denken können: „Ich bin doch froh, dass ich es besser habe. Welch ein Glück, dass ich solchem Los entronnen bin! Ich danke Gott, dass ich nicht bin wie diese elenden Sklaven“ — und wäre dann still wieder in den Palast Pharaos zurückgekehrt. Das wäre freilich krasse Selbstsucht und eines Gläubigen völlig unwürdig gewesen. Aber fragen wir uns, ob uns ein derartiges Gefühl so ganz unbekannt ist, und ob es uns noch nie veranlasst hat, uns in den Schutz unserer Vorrechte zurückzuziehen, anstatt den elenden Sklaven der Sünde, die doch unsere Mitmenschen sind, Hilfe zu bringen?

Für Mose hätte auch der Gedanke nahe liegen können: „Jetzt verstehe ich, warum Gott mich einen so wunderbaren Weg geführt hat. Angesichts dieses Jammers will ich doch meine hohe Stellung bei der Tochter des Pharao und meinen Einfluss am Hofe dazu benutzen, um die Befreiung meiner Brüder, oder wenigstens eine Erleichterung ihrer Leiden zu erwirken.“

Das ist aber nicht die Sprache eines lebendigen Glaubens, eines Herzens, das für Gottes Sache und Volk schlägt. Die Befreiung würde dann von Pharao und Mose, nicht aber von Gott durch Mose erfolgt sein, und das Volk wäre an dem Platze geblieben, den es nicht einnehmen sollte, weit von dem verheißenen Lande entfernt. Das Heil kann nur von Gott selbst kommen, und alle unsere Bemühungen, den Menschen eigene Mittel vorzuschlagen, die den Druck der Sünde erleichtern, das Gewissen beruhigen und Hoffnung für den Himmel erwecken sollen, sind einfach zwecklos. Nur in Ihm liegt das Heil. Zugleich ist der Glaube nicht damit zufrieden, etwas für das Volk Gottes zu tun, ihm seine Zuneigung und Gunst zu beweisen, nein, er muss gemeinsame Sache mit dem Volke machen, er muss dessen Los teilen, mag es auch alles kosten, was der Natur wertvoll ist.

Mose sah aber noch mehr, als er den Lastarbeiten des Volkes zuschaute. „Er sah einen ägyptischen Mann, der einen hebräischen Mann von seinen Brüdern schlug“ (2. Mose 2, 11). Man beachte, wie sorgfältig das Wort auf der Bezeichnung „Brüder“ besteht! Was tut nun Mose? Handelt er weiter in der Kraft und Entschiedenheit seines Glaubens? Leider nicht; er handelt nach eigenem Willen und in der Kraft des Fleisches. Der Glaubensbericht in Hebr. 11 bricht hier ab und hüllt sich über das, was jetzt geschieht, in Schweigen.

„Und er wandte sich dahin und dorthin, und als er sah, dass kein Mensch da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sande“ (V. 12). Es war Liebe zu seinen Brüdern, die Mose zu dem Totschlag veranlasste. In den Augen der Menschen war es vielleicht eine edle Tat, sie fand aber nicht den Beifall Gottes. Ebenso wenig wie es später bei Petrus der Fall war, der ohne Zweifel aus Liebe zu seinem Herrn das Schwert zog und dem Diener des Hohenpriesters das Ohr abschlug.

Mose dachte bei dieser Gelegenheit zwar nicht an sich, sondern meinte, nach Gottes Willen zu handeln. Stephanus sagt uns: „Er meinte, seine Brüder würden verstehen, dass Gott durch seine Hand ihnen Rettung gebe; sie aber verstanden es nicht“ (Apstgsch. 7, 25).

Das wurde ihm schon am nächsten Tage klar. „Und am folgenden Tage zeigte er sich ihnen, als sie sich stritten, und trieb sie zum Frieden, indem er sagte: Ihr seid Brüder, warum tut ihr einander unrecht? Der aber dem Nächsten unrecht tat, stieß ihn weg und sprach: Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt? Willst du mich etwa umbringen, wie du gestern den Ägypter umgebracht hast?“ (Apstgsch. 7, 26 - 28).

Mose hatte sich in dem Gedanken, der Befreier seines Volkes zu werden, ja nicht getäuscht; er konnte aus seiner wunderbaren Lebensgeschichte die Berufung zu diesem großen Werke erraten. Er fehlte aber darin, dass er auf die Stimme des Fleisches hörte und den Befehl zur Ausführung von Seiten Gottes nicht abwartete. Darum irrte er sich in Betreff des Zeitpunktes und auch der Art der Befreiung. Gott selbst wollte in weithin sichtbarer Weise Seine große Macht entfalten, nicht durch das Schwert eines Menschen, sondern durch die Offenbarung Seiner Gerichte.

Mose handelte hier also nicht nach der Energie des Glaubens, sondern in eigener Kraft, nach dem Antrieb seines Herzens, und musste unterliegen. Und weil das so war, hatte er Furcht. Wenn man Gottes Befehl befolgt, wendet man sich nicht „dahin und dorthin“ und sieht nicht, „ob kein Mensch da ist“; man hat nichts zu fürchten und beunruhigt sich nicht wegen irgend eines Menschen. Man ist ja unter den Augen und unter der Hand Gottes und kann sagen: „Was wird mir ein Mensch tun?“ (Hebr. 13, 6).

Später, als Mose nach vierzigjähriger Erziehung unter den Augen Gottes im Lande Midian, von Gott gesandt, in Seinem Auftrag, den Pharao drängte, das Volk in Frieden ziehen zu lassen, da beeilt sich der Schreiber des Hebräerbriefes zu erklären: „Durch Glauben verließ er Ägypten und fürchtete die Wut des Königs nicht, denn er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren“ (Hebr. 11, 27). Jetzt handelte er in der Entschiedenheit des Glaubens, zeigte keine Furcht, sondern verließ Ägypten mit dem ganzen Volke, das Gott befreit hatte. Vorher aber hatte er Furcht und musste aus Ägypten fliehen. Er „floh vor dem Pharao und ward Fremdling im Lande Midian“ (2. Mose 2, 15; Apstgsch. 7, 29).

Besonders wichtig für die Tage des Verfalls, in denen wir leben, ist die Entschiedenheit, die Energie des Glaubens, welche aus der in Hebr. 11 mitgeteilten Geschichte Moses hervorstrahlt. Mit dem Gehorsam des Glaubens beginnend, müssen wir mit der Energie des Glaubens fortfahren.

Es gehört viel Entschiedenheit dazu, um uns durch all die verderblichen Grundsätze um uns her hindurchzukämpfen, um nach allen Seiten hin eine scharfe Trennung vom Bösen aufrecht zu erhalten und treue Zeugen Gottes zu sein. Und diese Entschiedenheit ist umso notwendiger, je mehr der Verfall zunimmt. Mit großem Ernst schreibt Paulus dem Timotheus, der in Gefahr war, den Mut zu verlieren und sich des schwach werdenden Zeugnisses zu schämen, dass „Gott uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben hat, sondern der Kraft (dies steht an erster Stelle), und der Liebe und der Besonnenheit“. Auch ermahnt er seinen jungen Mitkämpfer, sich des Zeugnisses nicht zu schämen, sondern Trübsal mit dem Evangelium zu leiden nach der Kraft Gottes, in dem Bewusstsein, dass Er „mächtig ist, das Ihm anvertraute Gut auf den Tag des Herrn zu bewahren“. Des Weiteren fügt er die Worte hinzu: „Sei stark in der Gnade, die in Christo Jesu ist!“ (2. Tim. 1, 7 - 12; 2, 1).

So lasst uns denn auch stark sein in .dieser Gnade und allen Fleiß anwenden, um darzureichen in unserem Glauben die Tugend — die Energie — die Entschiedenheit!

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Ein „Wahlspruch“ für jeden Knecht Christi.

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 30ff

Ein „Wahlspruch“ für jeden Knecht Christi. Vor Jahren war ich Zeuge einer Unterredung zwischen einem alten, im Dienste seines Herrn ergrauten Diener Jesu und einem jüngeren Evangelisten, der mit großem Eifer und viel Segen die frohe Botschaft verkündigte. Zum Nutzen aller Mitarbeiter auf dem großen Erntefelde möchte ich die Schlusssätze dieser bemerkenswerten Unterredung hier wiedergeben.

Der Evangelist stand im Begriff, sich von jenem alten Bruder zu verabschieden, da er in eine andere Gegend reisen wollte, um dort seine Arbeit fortzusetzen. Bei dieser Gelegenheit richtete er eine Bitte an den Alten. Er sagte etwa folgendes:

„Wir haben uns heute zum ersten Mal gesehen, vielleicht auch zum letzten mal. Da Sie nun viele Jahre im Weinberge des Herrn gearbeitet und weit größere Erfahrungen gesammelt haben als ich, der ich noch ein Anfänger auf dem Arbeitsfelde bin, das Sie vielleicht bald verlassen werden, möchte ich Sie um ein Wort bitten, das mir als Wahlspruch von Nutzen sein könnte für den Fall, dass der Herr mir noch ein wenig für Ihn zu tun geben will.“

Ein Wahlspruch? Der eine oder andere Leser ist vielleicht geneigt, den jungen Evangelisten, der von einem Menschen einen Wahlspruch erbot, wo er doch das ganze Wort Gottes besaß, wegen seines niedrigen geistlichen Zustandes zu tadeln. Doch über die Lippen des alten, erfahrenen Bruders kam kein Tadel. Nie werde ich seine milde, von Herzen kommende und dabei so tiefe und inhaltreiche Antwort vergessen.

„Suchen Sie zuerst“, so sprach er, „in den Gewissen Ihrer Zuhörer ein tiefes Gefühl über die Sünde und einen Hass gegen dieselbe hervorzurufen. Dann aber, wenn einige dem Evangelium geglaubt haben, suchen Sie in den Herzen der Glaubenden eine wirkliche, wahre Liebe für die Person ihres Heilands zu wecken.“

So sprach der alte Knecht Christi, und ich kann nur dem Wunsch Ausdruck geben, dass alle diejenigen, welche das Vorrecht haben, den Menschen mit dem Evangelium Gottes zu dienen, ernstlich über diese Worte nachdenken möchten.

Dass in den Gewissen ein gründliches Werk vor sich gehe, ist besonders notwendig in diesen Tagen der trotz schwieriger Umstände. erschreckend großen Leichtlebigkeit und Gleichgültigkeit. Gewiss sollte das Evangelium den Zuhörern so einfach und fasslich wie möglich dargebracht werden. Aber darunter darf die Betonung des Ernstes der Sünde nicht leiden. Es ist unbedingt nötig, auf einer tiefen, wahren Buße zu Gott zu bestehen. Nicht weniger wichtig als das aber ist, dass wir zunächst in uns selbst und dann in jedem jungen Gläubigen eine aufrichtige Liebe zu der Person Christi pflegen, eine Liebe, die sich in einem allzeit bereiten, bedingungslosen Gehorsam kundgibt. „Wenn ihr mich liebet, so haltet meine Gebote“, sagt der Herr, und: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt . . . Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht“ (Joh. 14, 15. 21- 24). Wir können unsere Liebe zu Ihm dadurch beweisen, dass wir Seinen Willen tun, koste es was es wolle. Andererseits ist die Liebe zu Seiner Person wiederum Quelle und Triebkraft all unseres Gehorsams.

Die vorgebliche Zuneigung eines ungehorsamen Herzens weist der Herr zurück. »Was heißet ihr mich Herr, Herr, und tut nicht, was ich sage?“ Wer aber zu Ihm kommt und Seine Worte hört und tut, ist einem Manne gleich, der sein Hans auf den Felsen baut. Mag dann auch eine Flut kommen und der Strom an das Haus schlagen - es bleibt unerschüttert, denn es ist auf den Felsen gegründet. (Lukas 6, 46 — 48).

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Lichter in der Welt

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 32ff

Gott ist mein Heil.

O selig Teil!

Ich habe all mein Streben,

hab’ Freud’ und Schmerz,

mein ganzes Herz

in Seine Hand gegeben.

In Ihm ich ruh’ —

was Er auch tu’,

Sein Name sei gepriesen!

Zu aller Zeit,

in Kampf und Leid,

hat Er sich treu erwiesen.

Ja, wo ich steh’

und wo ich geh’,

Er väterlich mich leitet.

Im Wüstenbrand

hat Seine Hand

schon frischen Trank bereitet.

Bald ruh’ ich aus

im Vaterhaus

und fing’ in neuer Weise

am sel’gen Ziel

mit Harfenspiel

zu Seines Namens Preise.

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Das Geheimnis der Kraft

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 33ff

Die Frage, worin das Geheimnis der geistlichen Kraft besteht, ist für jeden von uns von ernster Bedeutung. Ihre Beantwortung sollte uns eigentlich nicht schwer fallen. Dennoch wird die Frage immer wieder gestellt, und so wollen wir suchen, die göttliche Antwort auf sie zu finden.

Da, wo geistliche Kraft wirklich gekannt wird, sind es vornehmlich zwei Dinge, die von den betreffenden Gläubigen verwirklicht werden. Diese sind: Gottes persönliche Gegenwart bei den Seinigen, und ihr eigenes gänzliches Unvermögen.

Es gibt Christen, die gern von einer Kraft sprechen, welche sie in längst vergangenen Tagen, vielleicht kurz nach ihrer Bekehrung, gekannt zu haben glauben, die jetzt aber, wie sie selbst bedauernd zugeben, nicht mehr vorhanden ist. Mit einer gewissen Befriedigung rufen sie wie Hiob aus: „O dass "ich wäre wie in den Monden der Vorzeit, wie in den Tagen, da Gott mich bewahrte, als Seine Leuchte über meinem Haupte schien, und ich bei Seinem Licht durch die Finsternis wandelte; wie ich war in den Tagen meiner Reife, als das Vertrauen Gottes über meinem Zelte waltete!“ (Hiob 29, 2 — 4). Ich wiederhole: sie tun das mit einer gewissen Befriedigung, die mit Trauer vermischt ist. Aber was kann eine solche Sprache ihnen selbst, was kann sie denen nützen, die sie hören? Ein solcher Seelenzustand ist sicherlich sehr verschieden von dem, welcher den Apostel Paulus sagen ließ: „Eines aber tue ich: Vergessend was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu“ (Phil. 3, 13. 14). Wesentlich verschieden von der Erfahrung Hiobs war auch die jenes anderen weisen Mannes, der weit früher als Paulus gelebt und erklärt hat: „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe“ (Spr. 4, 18). Aber fürwahr, die gleiche Erfahrung sollten wir alle machen. Je mehr ich mich dem Ziel meiner Wanderschaft nähere, desto heller und klarer sollte der Weg werden. Ist mir auch die Vergangenheit durch des Herrn Gegenwart erhellt worden, so bin ich Ihm doch heute näher als am Beginn meines Weges. Wie könnte ich deshalb die hinter mir liegenden Tage zurückwünschen? Waren es doch an und für sich Tage des Schattens und der Dunkelheit. „Jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben“ (Röm. 13, 11. 12); und unser Pfad führt aus der Nacht der Schatten — die freilich durch Seine Liebe erleuchtet wird — dem Tage entgegen, wo Seine Herrlichkeit offenbar werden wird. Und wenn einzelne Lichtblicke Seiner Macht und Gegenwart uns hienieden ermuntert und aufgerichtet haben, was wird es erst sein, droben bei Ihm im vollen Lichte zu wohnen?

Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit einer Stelle im Alten Testament zu, die uns zeigen wird, wie die Gegenwart Gottes sich in der Vergangenheit geoffenbart hat. Die Kraft dieser Gegenwart erwies sich in zwiefacher Weise, einmal im Hinblick auf Sein Volk Israel und dann im Hinblick auf alles, was diesem in den Weg trat. Die Stelle, die ich meine, lautet: „Als Israel aus Ägypten zog, das Haus Jakob aus dem Volke fremder Sprache, da war Juda Sein Heiligtum, Israel Seine Herrschaft. Das Meer sah es und floh, der Jordan wandte sich zurück; die Berge hüpften wie Widder, die Hügel wie junge Schafe. Was war dir, du Meer, dass du flohest? Du Jordan, dass du dich zurückwandtest? Ihr Berge, dass ihr hüpftet wie Widder? ihr Hügel, wie junge Schafe? Erbebe vor dem Herrn, du Erde, vor dem Gott Jakobs, der den Felsen verwandelte in einen Wasserteich, den Kieselfelsen in einen Wasserquell!“ (Psalm 114).

Welch ein Gemälde! Wer ist es, der da beim Licht des anbrechenden Tages aus Raemses’ Toren zieht? Etwa ein wohlgerüstetes Heer, fähig und geschickt, den erbitterten Feinden entgegenzutreten? Nein, es sind sechshunderttausend Mann zu Fuß, anscheinend alles dessen bar, was zu dem gefährlichen und beschwerlichen Marsch durch die Wüste nötig ist. Eine kraftlose, ungeschulte Menge, aller Voraussicht nach eine leichte Beute für die kriegsgewohnten Scharen des Pharao oder für die in der Wüste umherschweifenden Horden der Amalekiter! Aber vergessen wir nicht, dass ein mit Blut erkauftes Volk vor unseren Blicken steht, welches, wenn auch in sich kraftlos, doch keineswegs allein seine Straße zieht. Zu jener Zeit war „Juda Sein Heiligtum, Israel Seine Herrschaft«, lesen wir. Jehova zog in der Mitte Seines Volkes einher, und was war das Ergebnis? „Das Meer sah es und floh, der Jordan wandte sich zurück; die Berge hüpften wie Widder, die Hügel wie junge Schafe.“ Nun gibt es in der Natur kaum etwas Ruheloseres als das Meer (vergl. Jes. 57, 20), während andererseits nichts so unbeweglich und festgefügt erscheint wie die Berge (Vergl. Ps. 46, 2. 3; Matth. 17, 20). Aber beide erkennen die unumschränkte und oberste Gewalt an, beide beugen sich ihrer Gegenwart. Die Naturmächte zittern und fliehen vor der Gegenwart des Herrn. Ist es auch so mit der Ruhelosigkeit und dem unbeugsamen Sinn des Menschen, die in Meer und Berg passende Sinnbilder finden?

Solang die Kinder Israel im Gehorsam gegen Gott und im Vertrauen auf die Kraft Seiner Gegenwart in ihrer Mitte dahinzogen, ging alles gut· Diese Kraft zerschmetterte alle Widersacher, während sie für sie selbst Quellen in der Wüste bereitete. Gott war in Wahrheit für sie und gegen alle, die wider sie waren. Das kommt so schön in 4. Mose 24 zum Ausdruck, wo wir Bileam sagen hören: „Die dich segnen, sind gesegnet, und die dich verfluchen, sind verflucht!“ Ach! wäre Israel dessen nur immer eingedenk geblieben! Aber Gott konnte es nicht übersehen, wenn Sein Volk wankend wurde in Bezug auf die Tatsache Seiner Gegenwart in ihrer Mitte, wenn ihre Unbeständigkeit und ihr Eigenwille sie in Widerspruch brachten mit Seinem Willen. Gerade weil sie Sein Volk waren, musste Er dieserhalb mit ihnen ins Gericht gehen. Er musste sie wieder und wieder, und zwar oft auf ernste Weise, an diese Seine Gegenwart in ihrer Mitte erinnern. Vierzig Jahre lang musste Er sie in der Wüste umherirren lassen, um sie zu demütigen (5. Mose 8, 2. 3).

Einmal wünschten sie, dass Hobab mit ihnen gehen möchte, um ihr Auge zu sein in der Wüste (vergl. 4. Mose 10, 31 — 33), trotzdem der Herr bereit war, sich an ihre Spitze zu stellen, um ihnen einen Ruheort zu erkunden. Ein anderes Mal verglichen sie sich mit Heuschrecken gegenüber den riesigen Kindern Enaks und den „befestigten, sehr großen Städten“ im Lande Kanaan. Warum das alles? Weil sie Jehova außer acht ließen. Nur Josua und Kaleb, die Männer des Glaubens, handelten anders. Sie brachten Gott vor die aufrührerische Gemeinde und sagten: „Wenn Jehova Gefallen an uns hat, so wird Er uns in dieses Land bringen“. Doch das Volk verharrte in der einmal eingenommenen Stellung, und so mussten alle Männlichen, von zwanzig Jahren und darüber, in der Wüste sterben. Vierzig Jahre lang musste das Volk seine Ungerechtigkeiten tragen, „je einen Tag für ein Jahr“. „In dieser Wüste sollen sie aufgerieben werden“, lautete der göttliche Ausspruch, „und daselbst sollen sie sterben!“

„Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“. Das dürfen die Seinigen nie vergessen. Sie müssen diese Tatsache unbedingt für sich selbst anerkennen, ehe Kraft ausgehen und sich sichtbar für sie verwenden kann. Wir können das immer wieder bei den Gläubigen wahrnehmen, die vor uns den Glaubenspfad gegangen sind. Denken wir z. B. an Jakob. Solang er in Knechtesstellung in Paddan-Aram war, von Laban ausgenutzt und bedrückt (vergl. 1. Mose 31, 38 — 41), an einem Platze, der weit von der Stätte des Zeugnisses entfernt war, schritt Gott nicht zu seinen Gunsten ein. Aber als er sich auf dem Rückwege befand, — und diesmal ging er, der jetzt lahme Mann, den Weg des Gehorsams, — da heißt es: „Der Schrecken Gottes kam über die Städte, die rings um sie her waren“, und sie wagten nicht, Jakob nachzujagen. (Vergl. 1. Mose 35, 5). Worin lag das Geheimnis? Eben darin, dass Jakob gelernt hatte, dass er es mit Gott zu tun hatte und auf dem Wege zu dieser Erkenntnis lahm geworden war. Das ordnete alles. Jetzt ließ Gott die, welche Seinem armen Knecht in den Weg treten wollten, die Kraft Seiner Gegenwart fühlen. Genauso ist es noch heute. Selbst ein Paulus musste diese Wahrheit aus seinem Pfade lernen. „Daher“, sagt er, „will ich am allerliebsten mich meiner Schwachheiten rühmen, auf dass die Kraft des Christus über mir wohne“ (2. Kor. 12, 9).

So warf auch die Gegenwart dieser Kraft zunächst Hiob zu Boden, dann erst handelte sie mit seinen drei Freunden und segnete Hiobs ganze Familie (Vergl. Hiob 42, 5. 6). Ähnlich waren die Wirkungen jener Kraft aus die Propheten Jesaja (Jes. 6, 5) und Elia (1. Kön. 19, 11 — 13). Sie vermag, wenn es ihr gefällt, „die Berge zu zerreißen und die Felsen zu zerschmettern vor Jehova her“, aber dem Elia tat sie sich im „Ton eines leisen Säuselns“ kund. „Und es geschah, als Elia es hörte, da verhüllte er sein Angesicht mit seinem Mantel“ Er hatte die Stimme Jehovas erkannt. Ach, wenn auch wir alle nur eifriger lauschen wollten, um diese Stimme zu vernehmen!

Und wenn wir nun zum Schluss fragen, was uns als unsere Zuflucht in diesen letzten Tagen geblieben ist, so lautet die Antwort: die gesegnetste Offenbarung, die wir auf Erden haben können, nämlich die Verheißung: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Matth. 18, 20). Er ist da! Er will nicht etwa dahin kommen, bevor unser Versammeltsein zu Ende geht. Nein, Er ist da, wenn wir kommen.

Aber nun möchte ich weiter fragen: Genügt die Tatsache dieser Gegenwart, um bei den Versammelten alles zu ordnen? Verbannt sie alle jene Ruhelosigkeit und jenen Stolz der Natur, (von denen wir oben redeten, und die wir alle mehr oder weniger besitzen,) so dass wir Ihm ungehindert nahen können? Flieht angesichts dieser Gegenwart alles, was aus unserer Natur hervorkommt, mag es einen Namen haben wie es will? Mit einem Wort, begehren wir wirklich nach geistlicher Kraft, jeder einzelne für sich und in der Versammlung? Um» diese Fragen zu beantworten, müssen wir mit der Prüfung bei uns· selbst beginnen. Kann ich erwarten, diese Kraft zu erfahren oder ihre Wirkung auf andere zu beobachten, wenn sie über mich selbst keine Gewalt hat? Nur dann, wenn die Gegenwart des Herrn in Wahrheit verwirklicht wird, vermögen Natur und fleischliche Gesinnung keine Stätte zu finden. Möchte diese Tatsache uns dahin bringen, alles das in uns zu richten und zu verurteilen, was mit Seiner Heiligkeit nicht in Einklang ist!

Noch eine Frage: Wenn ein Gläubiger vorangeht, ohne im Gedächtnis zu behalten, was der Gegenwart des Herrn geziemt, muss und wird Gott dann nicht mit einem solchen handeln, früher oder später, um das hervorzubringen, was Ihm gebührt, und um den Gläubigen vom Bösen zu trennen? Wenn wir uns selbst beurteilen, so werden wir nicht gerichtet; wenn wir aber das Selbstgericht versäumen, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, aus dass wir nicht mit der Welt verurteilt werden (Vergl. 1. Kor. 11, 30 - 32). So schreibt Paulus an die gläubigen Korinther, und Petrus ermahnt die Gläubigen aus der Beschneidung: „Wie Der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es steht geschrieben: „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1. Petr. 1, 15. 16).

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Die Welt oder Christus

Bibelstelle: Richter 1,21 – 2,5

Botschafter des Heils 1918 S. 40ff

Das Buch Josua berichtet die Erfüllung der Verheißungen, die Gott einst dem Abraham gemacht hatte. Den Kindern Israel war bestimmt, eine Zeit in Ägypten zu weilen; dann, im vierten Geschlecht, sollten sie nach Kanaan zurückkehren, denn die Ungerechtigkeit der Amoriter war bis dahin noch nicht voll (Vergl. 1.Mose 15, 16). Die Kanaaniter waren ein Bild der Welt unter dem Einfluss Satans, der Welt, über die Gott das Gericht erst dann hereinbrechen lassen will, wenn ihre Bosheit das höchste Maß erreicht hat.

Das Buch der Richter ist das Buch der Untreue Israels. Von all den guten Worten, die Jehova über Sein Volk geredet hatte, war, wie Josua sagt, nicht ein Wort dahingefallen; sie waren ihnen alle eingetroffen (Jos. 23, 14). Aber „sie verließen Jehova, den Gott ihrer Väter. .. und vergaßen Jehovas, ihres Gottes, und sie dienten den Baalim und den Astaroth“ (Richt. 2, 11 ff.; 3, 7). Diese Untreue hatte die Züchtigung des Volkes durch dieselben Nationen zur Folge, welche es an seinen Grenzen hatte bestehen lassen. Diese plünderten die Israeliten, denn Gott hatte sie in die Hand ihrer Feinde verkauft. In ihrer Bedrängnis schrien sie dann zu Gott, und Er erweckte ihnen Richter, um sie aus der Hand ihrer Plünderer zu befreien.

Diese wenigen Züge geben uns ein Bild von der Geschichte des Menschen von Anfang an. Wo immer Gott ihn gesegnet hat, beraubt er sich selbst dieses Segens und fällt der Ungerechtigkeit und Sünde anheim.

Aber wie bereits gesagt, Gott bringt erst dann das endgültige Gericht zur Vollstreckung, wenn das Böse den Höhepunkt erreicht hat. Nun, dieser Höhepunkt ist sowohl von Seiten Israels als auch von Seiten der Welt erreicht worden in dem Tode Christi. Es ist deshalb auch über die Welt wie über ihren Fürsten ein unwiderrufliches Urteil ausgesprochen (Vergl. Joh. 16, 11). Wenn die Welt nicht bereits gerichtet wäre, so würde Gott ihr ein Gesetz zur Richtschnur geben, wie einst dem Volke Israel. Bevor Gott die Menschen verurteilte, hat Er alle nur möglichen Mittel angewandt, um auf ihre Herzen und Gewissen einzuwirken. Aber wenn Gott ihnen Seine Propheten sandte, so steinigten sie sie. Sandte Er ihnen Seinen Sohn, so überhäuften sie Ihn mit Beschimpfungen und kreuzigten Ihn. Seitdem ist die Welt gerichtet.

Aber bringt Gott heute schon Sein Gericht zur Ausführung? Nein, Er handelt in Gnade und sendet den Menschen Sein Evangelium. Er lässt in der Welt die frohe Botschaft von der Versöhnung verkündigen. Er versöhnt Seine Feinde mit sich selbst, macht sie zu Seinen Kindern und sondert sie von der Welt ab, weil die Welt gerichtet ist. Ist es da verwunderlich, wenn Jakobus sagt: „Wisset ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist“? Wenn ich gestern eine Stadt meinen Sohn hätte kreuzigen sehen, so könnte ich doch heute unmöglich der Genosse oder gar der Freund ihrer Bewohner werden. Das Evangelium der Gnade ist die einzige Sprache, die der Christ in dieser Welt reden kann. Wir sehen im Anfang der Apostelgeschichte, wie die Jünger sehr wohl die neue Stellung verstanden, die sie als Folge des Kreuzes Christi einnahmen. Sie konnten nicht Freunde des Hohenpriesters und der Obersten des Volkes sein, aber sie verkündigten ihnen die Gnade und die Barmherzigkeit Gottes.

Der Zustand der Welt ist heute im Grunde der gleiche wie damals. In ihren Grundsätzen hat sie sich keineswegs geändert. Das was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, findet sich heute ebenso gut in ihr wie damals; ja noch mehr, am Kreuze hat es sich erwiesen, wem sieh das Herz des Menschen endgültig ausgeliefert hat.

Zwischen dem Christen und der Welt besteht also eine unübersteigliche Schranke. Trotzdem sind wir, was unsere Neigungen und Gewohnheiten angeht, leider so häufig von der Welt. Israel wünschte Kanaan in Besitz zu nehmen, dennoch verlangte es in« der Wüste nach den Zwiebeln Ägyptens. Um den Himmel zu erlangen, müssen wir die Welt und ihre Gewohnheiten überwinden, und zwar in den Umständen, in denen wir uns befinden. Nur die Gnade Gottes und ein neues Leben vermögen uns dazu die nötige Kraft zu verleihen. Es genügt nicht, nach dem Himmel zu verlangen. Beharrlichkeit, ein Erzeugnis des Geistes Christi, muss in uns vorhanden sein, verbunden mit jener Entschiedenheit, die, wenn es nötig ist, das Auge ausreißt und die rechte Hand abhaut. Zuweilen gilt es, die zartesten Bande zu zerreißen. In solchen Fällen vermag nur das Bewusstsein, dass Gott unser Tun gutheißt, uns aufrecht zu erhalten und uns zu genügen. Wenn Gott uns in Beziehung zu sich bringt, so will Er, dass wir jede Verbindung mit der Welt abbrechen, denn sie ist gerichtet. Man kann nicht von der Welt und zu gleicher Zeit des Herrn sein.

Gott hatte ein weitem Maße Seine Macht zu Gunsten Israels im Lande Kanaan ausgeübt. Die Mauern Jerichos waren gefallen. Zweifellos hatte die Sünde Achans, der von dem Verbannten, d. h. den Dingen dieser Welt, nahm, das Volk geschwächt; aber Israel hatte sich wieder aufgerafft und war von Sieg zu Sieg geschritten. So oft es steh in einen Kampf einließ, war Jehova mit ihm, und es hatte die Oberhand. Der Feind war durch Gottes Macht geschlagen worden. Aber was finden wir nun im ersten Kapitel des Buches der Richter? Anstatt sich auf Jehova zu stützen, gestatten die Israeliten den Unbeschnittenen, unter ihnen zu wohnen; sie schließen Bündnisse mit Feinden, die unter Gottes richterlichen Urteil standen. Aber Gott kann nicht mit den Seinen sein, wenn sie sich mit dem verbinden, was Er verurteilt hat. Wenn die Kirche der Welt Zugeständnisse macht, so mag diese ihr manchmal helfen, aber sie wird die Sklavin der Welt. Sie verliert das glückselige Gefühl von der Allmacht Gottes und fällt.

In Gilgal war Israel für Jehova abgesondert worden. Dort befand sich der Engel Jehovas. Jetzt aber geht er von da hinauf nach Bochim. Bochim bedeutet „Weinende“. Jede Verbindung mit der Welt führt die Christen zu Trauer und Tränen. Jehova hatte Israel aus Ägypten heraufgeführt und alles getan, was ihm nützlich sein konnte; aber es hatte Seiner Stimme nicht gehorcht. O was hatten sie da getan! (Vergl. Kap. 2, 2). Jetzt lässt Gott, zum Gericht für Sein Volk, die Kanaaniter zu Israels Seiten sein. (V. 3). Er kann sie unmöglich anerkennen, wenn auch Israel es tut. Gott kann Seine Bestätigung nicht einer Welt geben, die Seinen Sohn verworfen hat.

In den Herzen der Israeliten hatte es zunächst an Vertrauen gegen Jehova gefehlt; dann hatten sie mit ihren Feinden unterhandelt. Fortan können sie nicht mehr ihre Freude an Jehova haben. Wer den Altar eines falschen Gottes an seiner Seite duldet, der wagt nicht mehr nach Jerusalem hinaufzugehen (Vergl. Kap. 1. 21). Die Gemeinschaft mit Gott und das klare Unterscheidungsvermögen schwinden. Das Gewissen selbst wird hart und vermag schließlich nicht mehr. das Böse zu richten. Bemächtigt sich dann eine fortwährende Traurigkeit der Seele, so ist das noch ein Gutes, denn wenn die Seele sich unter solchen Umständen wohl fühlte, so wäre das ein Beweis, dass der Geist Christi nicht mehr in ihr wäre.

Die Grundsätze der Welt annehmen ist die Quelle des Niedergangs des Christen und der Gemeinde im allgemeinen; denn man erkennt dann von neuem das an, was Gott gerichtet hat. Diese Untreue führt unfehlbar von Gilgal nach Bochim.

Gott mag einen solchen Rückgang zulassen, aber nie gibt Er ihm Seine Bestätigung. Er mag sich in Seiner Gnade der Feinde um uns her bedienen, um unsere Treue zu erproben und uns den Krieg zu lehren (Kap. 3, 2), bis die Ruhe kommt; aber niemals heißt Er die Verbindung mit ihnen gut.

Gott wirkt in uns, Satan wirkt in der Welt. Wenn wir das im Glauben festhalten und Gott dann in uns wirken lassen, sind wir immer die Stärkeren. Denn der in uns ist, ist stärker, als der in der Welt ist. Satan ist ein überwunder Feind.

Weil wir aus Ägypten ausgezogen sind, um das Volk Gottes zu sein, müssen wir all die trügerischen Gewohnheiten der Welt bekämpfen. Möchte Gott uns ein klares Auge schenken, damit wir durch Seinen in uns wohnenden Geist erkennen, was von der Welt ist, und uns davon absondern! Ein einziges Fehlen in dieser Erkenntnis beweist bereits, dass unser Auge nicht einfältig war. Ihr seid nicht von der Welt“, sagte der Herr zu Seinen Jüngern, „wie ich nicht von der Welt bin.“

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Ein letztes Zeugnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 46ff

Eine alte Christin lag auf dem Sterbebett. Schwächer und schwächer brannte das Lebenslicht, als die Stunden dahingingen. Bald sollte „die silberne Schnur zerrissen«, „die goldene Schale zerschlagen“ werden und „der Geist zu Gott zurückkehren, der ihn gegeben“ (Vergl. Prediger. 12, 6. 7).

Der Arzt trat ins Zimmer. Sein kundiges Auge nahm schnell die Anzeichen der bevorstehenden Auflösung wahr. Er mochte wohl fühlen, dass er angesichts des Todes die Wahrheit nicht verhehlen dürfe, und sagte deshalb: „Ich fürchte, Sie werden nicht mehr lange zu leben haben“.

Ein freudiges Lächeln glitt über die Züge der Greisin. „Ich freue mich, das von Ihnen zu hören. Bald werden wir uns droben zur Rechten Gottes wiedersehen.“

„Hoffentlich!“ lautete die Antwort.

„Hoffentlich? Hoffentlich?“ fragte die Kranke erstaunt. „Stehen Sie noch auf solchem Boden? Ich war der Meinung, dass Sie an Gottes Wort glaubten.“

Der Arzt erwiderte nichts. Nach einigen Minuten verließ er das Zimmer. Als er fort war, flüsterte eine Bekannte der Sterbenden zu: „Bald wirst du „sicher in Jesu Armen“ sein“. Da antwortete diese, im vollen Gefühl der Gegenwart Dessen, den sie liebte, und der Kraft Seiner „ewigen Arme“, ruhig und bestimmt: „Da bin ich schon“.

Kurz vor dem Ende kam der Arzt noch einmal. „Bald sind Sie in der Ruhe angelangt“, sagte er. Da begann die glückliche Greisin, gleichsam als Antwort auf diese Worte, mit leiser, aber verständlicher Stimme zu singen:

„Ruh’, Ruh’, Ruh’, Ruh’, himmlische Ruh’,

Im Schoße des Mittlers; ich eile ihr zu.“

Sie hatte immer gewünscht, „singend“ diese Erde verlassen zu dürfen. Ihr Wunsch ging in Erfüllung. Denn während sie noch von der Ruhe sang, die dem Volke Gottes übrigbleibt, stockte plötzlich ihre Stimme, und ihr Geist ging in die Ruhe ein. Sie verließ diesen Schauplatz, um „allezeit bei dem Herrn zu sein“.

Ist es nicht köstlich, so in« Gott zu ruhen, wie diese alte Christin es tat, und wie wir alle es tun dürfen? Ja, sie war an der Hand ihres „guten Hirten“ durch das Leben geschritten, und nichts hatte ihr gemangelt. Güte und Huld waren ihr gefolgt alle Tage ihres langen Lebens, und nun sollte sie zu Ihm gehen, den ihre Seele liebte, und dessen Treue sie so oft erprobt hatte. In Wahrheit traf aus sie jenes wunderbare Wort des Herrn aus Joh. 10, 27 — 30 zu, mit seinen sieben herrlichen Aussprüchen:

„Meine Schafe hören meine Stimme.

„Und ich kenne sie.

„Und sie folgen mir.

„Und ich gebe ihnen ewiges Leben.

„Und sie gehen nicht verloren ewiglich.

„Und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.

„Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben“.

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Gottes Volk blick hin zum Ziele

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 48ff

Gottes Volk, blick hin zum Ziele,

halte hoch des Glaubens Schild!

Wartend stehn der Kämpfer viele,

bald ihr Sehnen sich erfüllt.

Sieh, des Himmels nächt’ges Dunkel

lichte Dämmerung schon bleicht,

und des Morgensterns Gefunkel

strahlend sich dem Auge zeigt.

Mitternacht ist längst vergangen,

und die Jungfrau’n sind erwacht,

um den Bräut’gam zu empfangen,

haben sie sich aufgemacht.

Ihre Lampen sind geschmücket,

und der Krug mit Öl versehen,

dass, wenn Er die Braut entrücket,

sie mit Ihm zur Hochzeit gehen.

Auf denn, alle! —— Seht, erkennet,

dass die Rettung nicht mehr fern!

Steht, von Sünd’ und Welt getrennet,

stark und treu zu eurem Herrn!

Rufet wartend Ihm entgegen:

Komm, Herr Jesus, komme bald!

Harret aus auf Seinen Wegen,

bis Sein Gegenruf erschallt!

Droben glänzt die Siegeskrone,

herrlich liegt sie schon bereit

dem, der treu gekämpft, zum Lohne

von dem Herrn der Herrlichkeit.

Drum lasst nimmer uns ermatten, -

vieles trägt sich mit dem Herrn, —-

bis der Leiden trübe Schatten

weichen vor dem Morgenstern!

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Innerhalb der geöffneten Tür

Bibelstelle: Offenbarung 5

Botschafter des Heils 1918 S. 49ff

„Nach diesem sah ich: und siehe, eine Tür war aufgetan in dem Himmel.“

Die Beschäftigung mit der Person des Herrn Jesus ist für das Herz des Gläubigen von besonderem Segen und befähigt ihn, mehr als alles andere, zu einem treuen Wandel und zum Ausharren auf seinem oft dornenvollen Pfade. Darum gehen die Bemühungen des Heiligen Geistes, der gekommen ist, Jesum „zu verherrlichen“, immer dahin, unser Glaubensauge auf diese kostbare Person zu richten. Gelingt es Ihm, uns mit Ihm allein zu beschäftigen, so werden die zartesten Saiten des Herzens zum Klingen gebracht, und es geht uns so, wie es den Jüngern auf dem Wege nach Emmaus erging: unsere Herzen beginnen zu brennen und vermögen, anstatt entmutigt und niedergeschlagen zu sein, anderen noch einen Segen zu bringen. (Vergl. Luk. 24, 13 — 35).

In dem Verse, der unserer Betrachtung voransteht, ist von einer offenen Tür im Himmel die Rede. Lasst uns durch sie im Geiste eintreten und uns ein wenig in der Nähe unseres geliebten Herrn niederlassen. Ist es nicht eine große Gnade, dass uns jetzt schon Blicke gestattet werden in die Zukunft, die kraft des Versöhnungswerkes Christi so wunderbar für uns gestaltet ist, und dass wir als Mittelpunkt von allem unseren hochgelobten Herrn schauen dürfen?

Die Kapitel 2 und 3 der Offenbarung führen und die Geschichte der Kirche, als verantwortliche Körperschaft betrachtet, vor Augen. Alle Überwinder werden ihr Teil bei Jesu finden, in der ewigen Herrlichkeit. Ihr Platz und ihre Beschäftigung droben werden uns in dem 4., 5., 19., 20. und 21. Kapitel der Offenbarung geschildert. Verweilen wir einen Augenblick bei dem Inhalt des 5. Kapitels

Wir hören zunächst, dass in der Rechten Dessen, der auf dem Throne sitzt, sich ein Buch befindet, „beschrieben inwendig und auswendig, mit sieben Siegeln versiegelt“. Was enthält dieses Buch? Die folgenden Kapitel machen uns mit seinem Inhalt bekannt; es enthält die richterlichen Wege Gottes mit der Erde und ihren Bewohnern. Diese Gerichte werden den Boden zubereitet: für die Aufrichtung der Friedensherrschaft unseres Herrn Jesus. Unmöglich können die durch die Propheten angekündigten Segnungen eher kommen. Sie müssen durch den Herrn eingeführt werden, und zwar auf dem Wege ernster Gerichte.

Der Mensch ist auf alle Weise aus die Probe gestellt worden, aber er hat die Probe nie bestanden; und so hat er nicht nur alle Segnungen verwirkt, sondern es schwebt auch über seinem Haupte Gottes feierlich ernstes: Meile, tekel — „du bist auf der Waage gewogen und zu leicht erfunden worden“. Selbst die herrliche Gnadenzeit, in welcher wir heute leben, wo Heil und Rettung umsonst angeboten werden, verscherzt der Mensch. Er erkennt die Zeit seiner Heimsuchung nicht, „vernachlässigt die große Errettung“ und muss am Ende das schreckliche: „Weichet von mir, ihr Übeltäter!“ hören. Ein Gericht ohne Barmherzigkeit wird dann ausgeführt werden, und wehe jedem, der von diesem Gericht erteilt wird!

Das ebengenannte Buch, oder richtiger die „Buchrolle“, ist beschrieben inwendig und auswendig. Das will sagen: dem Aufgeschriebenen ist nichts mehr hinzuzufügen, aber niemand vermag auch etwas von dem abzutun, was Gott aufgezeichnet hat und unverbrüchlich ausführen wird; denn „Gerechtigkeit und Gericht sind Seines Thrones Grundfeste“. Ein starker Engel erhebt mit lauter Stimme die Frage: „Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu brechen?“ Da niemand würdig dazu erfunden wird, weint der Prophet sehr.

Ach! der Mensch, der einst von Gott in die Mitte der Schöpfung als ihre Krone hingestellt und zum Verwalter derselben gemacht worden ist, hat, anstatt diesen Platz zu bewahren, durch seinen Ungehorsam sich und die Schöpfung unter den Fluch gebracht. Er ist deshalb „nicht würdig“, das Buch zu nehmen oder es nur „anzublicken“. Daher die Trauer des Propheten.

In dem weinenden Seher dürfen wir wohl ein Bild des jüdischen Überrests erblicken, der am Ende der Tage in Palästina versammelt fein wird, aber noch nicht in den Besitz der ihm von Gott gemachten Verheißungen eingeführt ist. Dieser Überrest wird sehnlichst danach verlangen, die Erfüllung der ihm verheißenen Segnungen zu sehen. Das Alte Testament schildert uns an manchen Stellen in ergreifender Sprache die Seufzer, die in jenen Tagen aus den Herzen der gläubigen Juden zu Gott emporsteigen werden.

Einer der vierundzwanzig Ältesten, die rings um den Thron des Lamms sitzen, der sinnbildlichen Vertreter des himmlischen Volkes des Herrn, spricht zu dem weinenden Propheten: „Weine nicht!“ Sie, die hienieden als Fremdlinge auf dem ihnen durch das Wort Gottes bezeichneten Wege gewandelt und Gott gedient haben, ohne sich durch die Lockungen des Feindes aushalten zu lassen, dürfen nun, am Ziele angelangt, schauen und genießen „was Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben“. Schon auf Erden belehrt ·über die Ratschlüsse Gottes und eingeführt in Seine Gedanken, erkennen sie jetzt vollkommen, so wie sie selbst erkannt worden sind (1. Kor. 13, 12). Der Überrest Israels, der die irdischen Segnungen erwartet, ist, wie gesagt, um diese Zeit noch unwissend bezüglich der Wege Gottes.

„Weine nicht!“ So klingt es tröstlich und beruhigend an das Ohr des Sehers. Wie schön ist dieses Wort! Johannes hat keine Ursache zu weinen. Denn nicht nur hat das Werk Christi die himmlischen Heiligen völlig der Welt entnommen und von der Macht des Feindes befreit, so dass sie jetzt als Hausgenossen Gottes, ja, als Kinder Gottes, Erben Gottes und Miterben Christi droben zu weilen vermögen; nein, dieses Werk hat noch andere Ergebnisse. Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar; darum müssen alle Verheißungen Gottes eingelöst werden. Infolge der Untreue des Menschen unmöglich geworden, geschieht es jetzt auf Grund des Werkes Jesu Christi. Kurz, aber deutlich hatte Johannes der Täufer schon darauf hinge- wiesen in dem bewundernden Ausruf: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt!“ (Joh. 1, 29). Ja, durch Gottes Gnade hat Christus für alles den Tod geschmeckt (Hebr. 2, 9). Darum lenkt der Älteste die Aufmerksamkeit des weinenden Propheten auf Jesum, „den Löwen aus dem Stamme Juda, die Wurzel Davids“. Er hat überwunden!

„Weine nicht!“ So sei auch dem betrübten Volke des Herrn heute zugerufen, besonders solchen, welche infolge der Leiden der Jetztzeit niedergebeugt und seufzend einhergehen. Blicke auf Jesum, teurer Mitpilger, und du wirst zu deinem Segen wahrnehmen, welch eine Veränderung ein solches Blicken im Glauben hervorruft. Es führt Licht ein in die Finsternis um dich her, es lindert den Schmerz, trocknet die Tränen, belebt die Hoffnung und schenkt Ausharren, um durch alles hindurch voraneilen zu können. Blicke auf Ihn, und auch du wirst „erheitert“ werden (Ps. 34, 5). Gleich der Witwe von Nain oder dem Synagogenvorsteher Jairus wirst du erfahren, das; Jesus an der Stätte des Todes, des Weinens und der Wehklage Leben, Freude und Danksagung einführen kann. Er ist Derselbe gestern und heute. Er nimmt Kenntnis von deiner Lage, deinem Schmerz und deinem Verlust, und wie Er einst zu helfen bereit war, ehe die Witwe Ihn bat, so ist Er auch dir heute nahe mit Seiner Hilfe. Hilft Er auch nicht immer so, wie wir es wünschen, so hilft Er doch so, wie es für uns nützlich und heilsam ist, so dass uns nichts anderes übrigbleibt, als ein Eben-Ezer nach dem anderen zu Seiner Verherrlichung aufzurichten.

Der Herr „hat überwunden“, da wo der Mensch unter den günstigsten Verhältnissen gefallen ist. Er hat den Weg des Menschen von neuem ausgenommen, und obwohl Satan alle seine Macht gegen Ihn ins Feld führte, ist Er Sieger geblieben. Er hat überwunden wie ein Löwe, der sich ohne Furcht auf den Weg begibt und seine Beute davonträgt. Allerdings schien am Ende Seines Weges alles verloren zu sein. Als Satan Ihn ans Kreuz brachte und seinen Rachen gegen Ihn aufsperrte, um Ihn zu verschlingen, meinte er des Sieges gewiss zu sein (Psalm 22, 21). Aber genau das Gegenteil ist eingetreten. Der Löwe aus dem Stamme Juda hat Satan besiegt. Er ist in das Haus des Starken eingedrungen und hat ihn völlig überwältigt. „Durch den Tod hat Er den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel“ (Hebr. 2, 14). Ja, am Kreuze hat Jesus „einen Triumph“ über Satan gehalten und die Fürstentümer und Gewalten ausgezogen und öffentlich zur Schau gestellt (Kol. 2, 15).

So dürfen wir Ihn denn jetzt als den Überwinder, als den großen Sieger von Golgatha, droben zur Rechten Gottes sehen, dürfen zu Ihm emporschauen und, durch Seine Kraft gestärkt, diese Welt als „Überwinder“ durchschreiten (Röm. 8, 37). Es ist ein überaus tröstliches Bewusstsein für den Pilger in der Fremde, dass Einer ihm den Weg gebahnt, unter den schwierigsten Umständen überwunden und sich nun, mit Ruhm und Ehre gekrönt, droben zur Rechten Gottes gesetzt hat. Und Derselbe, der droben „vor dem Angesicht Gottes für uns erscheint“, ist nach Seiner Zusage hienieden „bei uns alle Tage“.

Für die Gläubigen sind die Wellen der Leiden und Prüfungen oft hochgegangen und haben gedroht, das Schifflein zu vernichten. Auch in unseren Tagen wird das Volk des Herrn durch „die Leiden der Jetztzeit“ auf ernste Proben gestellt. Aber nie können diese Leiden so schwer werden wie diejenigen, welche den Herrn trafen. Und von Ihm, dem verherrlichten Haupte droben, fließt uns zu jeder Zeit die nötige Gnade, Kraft und Ermunterung zu. Für ein Heer, das mit starken und listigen Feinden kämpfen muss, ist es ein erhebender Gedanke, wenn sein Führer ein erprobter, aus vielen Schlachten siegreich hervorgegangener Feldherr ist. Und „der Anführer unserer Errettung“ ist ein solcher Überwinder, und Er kennt sowohl unsere Schwachheit, als auch die Macht und List des Feindes. Da Er die Seinigen, die in der Welt sind, liebt bis ans Ende, kann Er nie und nimmer zugeben, dass sie auf dem Wege umkommen. Er hat selbst diese Welt durchschritten und ihre Feindschaft Gott gegenüber geschmeckt; so weiß Er, wie es uns aus dem Pilgergange zu Mute ist, nimmt von allem Kenntnis und neigt sich voll innigen Mitgefühls zu uns herab. Immer wieder gießt Er neue Kraft ins Herz und lässt es angesichts der kommenden Herrlichkeit frohlocken. Der Vorgeschmack der vor uns liegenden Freude lässt uns selbst, wenn Gott es so erlaubt, den Raub unserer Güter mit Freuden erdulden, da wir wissen, dass wir für uns selbst eine bessere und bleibende Habe besitzen. O dass wir doch niemals dem Unglauben Raum in unseren Herzen gewähren möchten, wie Israel es einst tat und sich dadurch ernste Züchtigungen und großen Schaden zuzog!

Auch für Israel wird die Zeit kommen, wo es den „Überwinder“ sehen wird. Dann wird es erkennen, dass sein Messias kein anderer ist, als der von ihm verachtete und ans Kreuz geschlagene Jesus von Nazareth. Dann wird es auch den vollen Sinn des Wortes Davids verstehen: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße« Die gläubigen Israeliten — alle anderen werden in den Gerichten umkommen — werden Ihn als den Löwen aus dem königlichen Stamme Juda erkennen, aber auch als den wahren Schild d. h. den Friedenbringenden (vergl. 1. Mose 49, 9. 10), der sich Seines armen irdischen Volkes annehmen und ihm Frieden zuwenden wird, stark und tief wie des Meeres Wellen. Denn für „einen kleinen Augenblick“ hat Er sie verlassen, aber mit „großem Erbarmen“ wird Er sie sammeln; für „einen Augenblick« hat Er Sein Angesicht vor ihnen verborgen, aber mit „ewiger Güte“ wird Er sich ihrer erbarmen (Jes. 54, 7. 8). Dann werden sie diesem Löwen aus dem Stamme Juda, „der Wurzel Davids“, d. h. der Grundlage und Quelle aller" Segnungen und Verheißungen Davids, Ihm, dem sie einst einen Mörder vorzogen, zurufen: „Gepriesen sei der da kommt im Namen des Herrn!“ (Matth. 23, 39). „Und Er wird sein wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ein Morgen ohne Wolken: von ihrem Glanze nach dem Regen sprosst das Grün aus der Erde“ (2. Sam. 23, 4).

Durch Sein Überwinden hat Jesus steh das Recht erworben, das Buch zu öffnen und seine sieben Siegel zu brechen. Ihm, dem Sohne des Menschen, hat der Vater Gewalt gegeben, Gericht zu halten (Joh. 5, 27). So groß und herrlich die Gnade ist, die jetzt jedem angeboten wird, so furchtbar und schrecklich wird das Gericht sein, das alle treffen wird, welche die Gnade verachten oder auch nur vernachlässigen. Noch fordert Gott auf: „Küsset den Sohn, dass Er nicht zürne“ (Ps. 2, 12), oder im Sinne des Neuen Testamentes: „Tut nun Buße und bekehret euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden!“ (Apstgsch. 3, 19). — Denn „es ist in keinem anderen das Heil; denn auch kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in welchem wir errettet werden müssen“ (Apstgsch. 4, 12).

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Henoch wandelte mit Gott

Bibelstelle: 1. Mose 5, 21 – 24

Botschafter des Heils 1918 S. 57ff

Mitten in dem Geschlechtsverzeichnis der Patriarchen von Adam bis auf Noah, — deren Lebensläufe, trotzdem sie Jahrhunderte umfassen, in einigen Sätzen beschrieben und immer wieder beschlossen werden mit dem ernsten Wort: „und er starb«, — befindet sich die kurze und doch so inhaltreiche Lebensbeschreibung Henochs. In nur vier Versen wird uns mitgeteilt, dass Henoch geboren wurde, dass er als Mensch unter den Menschen, als Vater unter seinen Kindern gelebt hat, dass aber sein Leben ein Gott wohlgefälliges war und darum nicht im Tode, sondern in dem ewigen, himmlischen Leben ausmündete (Vergl. auch Hebr.11, 5).

„Henoch wandelte mit Gott“, so lesen wir zweimal. Fürwahr, ein schönes Zeugnis! Wir hören nichts von großen Taten Henochs, wohl aber von einer fortgesetzten Gemeinschaft mit seinem Gott, und das Hunderte von Jahren hindurch! O dass auch unser kurzer Erdenlauf diese Überschrift trüge: „er (sie) wandelte mit Gott!“

Kann der natürliche Mensch mit Gott wandeln? Unmöglich. Er ist in Feindschaft wider Gott. In Amos 3, 3 spricht der Geist Gottes: „Wandeln wohl zwei miteinander, es sei denn dass sie übereingekommen sind?“ Wie sollte ein Mensch mit Gott wandeln können, wenn er nicht vorher zu Ihm gekommen und durch den Glauben mit Ihm eins geworden wäre? Die Sünde trennt ihn von Gott und macht einen Wandel mit Ihm völlig unmöglich. Sie muss hinweggetan werden aus dem Wege eines aufrichtigen Selbstgerichts, durch den Glauben an das vollbrachte Werk des Herrn Jesus. Ist sie so aus dem Wege geräumt und Erlösung, Reinigung, Leben aus Gott dem Glaubenden zuteil geworden, dann gibt es keine Scheidewand mehr zwischen dem Menschen und Gott. Der von Natur Gott feindliche Sünder ist dann mit Ihm versöhnt durch das Blut Jesu Christi. Getauft mit dem Geiste Gottes, ist er ein Glied des Leibes geworden, von welchem Christus das verherrlichte Haupt ist. Das wunderbare Wort erfüllt sich an ihm: „Wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm“ (1. Kor. 6, 17.) Nunmehr kann der Mensch, wie Amos 3, 3 sagt, mit Gott wandeln. Durch den Sohn zum Vater geführt, des ewigen Lebens teilhaftig geworden, kann er Gemeinschaft haben mit dem Vater und dem Sohne. Ihm gilt jetzt das kostbare Wort: „Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, stehe, alles ist neu geworden“ (2. Kor. 5, 17). Er kann Gemeinschaft haben mit dem heiligen, lebendigen Gott, muss aber freilich als erste Botschaft hören, „dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in Ihm ist“ (1. Joh. 1, 5).

Worauf hat nun der Gläubige zu »achten, wenn er mit Gott wandeln will?

1. auf Gottes Weg· Nicht wir sollen unseren Weg wählen und dann bitten: „Herr, gehe mit uns!“ Nein, sorgfältig müssen wir Gottes Willen zu erkennen suchen, indem wir mit David in Psalm 63, 8 sprechen: „Meine Seele hängt dir nach“; mit anderen Worten: Ich sehne mich herzlich, aufrichtig danach, unmittelbar deinen Spuren zu folgen. Der Herr Jesus sagte einst zu Petrus: „Folge du mir nach“ (Joh. 21, 22), und mit Recht singen wir:

Scharf bezeichnet, klar zu sehen

ist der Weg, den ich zu gehen,

weil mein Jesus ging voran.

Ja, so sicher wie Sein Lieben,

ist Sein Weg, der hier geblieben;

furchtlos schreit’ ich fort auf Seiner Bahn.

Auf diesem Wege müssen wir bleiben, um mit Gott wandeln zu können. Aber leider ist in uns eine starke Neigung vorhanden, diesen Weg zu verlassen oder doch allmählich etwas breiter zu machen. Darum ist große Wachsamkeit nötig, wie der Heilige Geist uns in Eph. 5, 15 - 17 ermahnt: „Sehet nun zu, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die gelegene Zeit auskaufend; denn die Tage sind böse. Darum seid nicht töricht, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei.“ Achten wir auf diese Ermahnung, so wird unser Weg ein Weg des Friedens sein, und der schmale Pfad wird uns immer lieber werden, weil wir Jesum darauf finden und nur so mit Gott wandeln können.

2. müssen wir achten auf Gottes Zeit.

Wenn man mit einem Freunde wandeln will, muss man Schritt mit ihm halten; nicht träge zurückblicken, auch nicht eilig vorlaufen. Wir müssen gehen, wenn der Herr uns sendet; still warten, wenn uns Sein Wink nicht verständlich ist; nicht im Ungewissen tappen, sondern warten, bis uns volles Licht geschenkt ist. Dann lässt es sich gut mit Gott wandeln.

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Was und wie Gott bewahrt

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 62ff

Er bewahrt die Füße Seiner Frommen (1. Sam. 2, 9).

Er bewahrt den Weg Seiner Frommen (Sprüche 2, 8).

Er bewahrt die Seelen Seiner Frommen (Ps. 97, 10).

Er bewahrt Seine Frommen ewig, nie wird Er sie verlassen (Ps. 37, 28).

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Das beste Erziehungsmittel

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 63ff

(Ein Brief)

. . . Ihre Karte mit der Nachricht von der glücklichen Geburt eines Mädchens haben wir erhalten und danken Euch für die Mitteilung. Sie sagen ganz richtig: „Die Güte Gottes hat es uns geschenkt“. Gott gibt uns in den Kindern Gegenstände, die Wert für unser Herz haben, die wir lieben können und die wir lieben. Gott hat auch Euch wieder ein solches Geschenk gemacht. Doch ist dieses Geschenk ein lebendes Wesen, das eine unsterbliche Seele besitzt. Von denen, welchen Gott in Seiner Weisheit solche Wesen anvertraut, fordert Er: „Ziehet sie auf in der Zucht und Ermahnung des Herrn“. Also auch hier ist unser Herr und Heiland unser großes Vorbild. Nach Ihm und für Ihn dürfen wir als Seine Jünger unsere Kinder erziehen.

Das beste Mittel ist dabei das Gebet. Als Sie noch hier bei uns waren und einmal von Ihrem l.Vater erzählten, sagten Sie unter anderem: „Er hat viel für uns gebetet“. Ich muss immer wieder daran denken, dass meine Kinder doch auch einst dasselbe von mir sagen könnten. Ihre Worte sind mir oft ein Ansporn zum Gebet gewesen. Vielleicht ist es auch für Euch gut, wenn wir uns gegenseitig daran erinnern. Wir können ja nicht das Herz unserer Kinder dem Herrn zuwenden, aber wir können ihnen ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, und mit Jesu, unserem Herrn, vorleben, und das benutzt dann Gott in Seiner Gnade und Güte, um auch ihre Herzen zu erreichen. Ich für mein Teil muss nun sagen: Wenn ich in irgend einer Weise den Herrn nötig habe, dann in der Kindererziehung! Doch welch ein großer Trost für uns, dass der Herr in Seiner Liebe und Gnade über unseren Schwachheiten und Fehlern steht, und so suchen wir Sein Angesicht im Gebet. Der Herr wolle geben, dass auch Euer Töchterchen ein lebendiger Stein werde. an dem Hause Gottes und einst im ewigen Lichte dastehe zum Preise und zur Verherrlichung Jesu, unseres Herrn, als eine Frucht der Mühsal Seiner Seele!

In herzlicher Liebe grüßt Euch

Euer — —— .

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Ich komme bald

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 64ff

Ich komme bald! — Halt’ fest, was dir gegeben,

Sein heilig Wort, das dir gereicht zum Leben!

Halt’ fest, wie schwach auch deine Kraft mag fein,

Sein Wort trifft ein!

Ich komme bald! — Halt’ fest und überwinde,

All dein Vertrau’n auf Seine Liebe gründe.

Ja, halte fest! Der helle Morgenstern

ist nicht mehr fern.

Ich komme bald! — Halt’ fest dies süße Hoffen,

das dir schon zeigt der Heimat Tore offen.

Halt’ fest, dass; niemand deine Krone nimmt,

Er kommt bestimmt!

Ich komme bald! — O wonnevolle Stunde,

wie niemals eine auf der Erde Runde

so unvergleichlich herrlich ward gesehen!

Bald wird’s geschehen!

Sch.

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Innerhalb der geöffneten Tür

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 65ff

Nunmehr sieht der Seher „inmitten des Thrones ein Lamm stehen wie geschlachtet“. Der Löwe hat überwunden; aber wie? Als das Lamm. Und dieses Lamm erscheint inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen. Der Herr Jesus nimmt als das Lamm Gottes den ersten Platz, in diesem wunderbaren Schauspiel ein. Alles was gesprochen und getan wird, bezieht sich auf Ihn, und so werden auch unsere Augen mit unwiderstehlicher Gewalt auf Ihn gelenkt als Den, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat. Nur Seine Liebe konnte so unendlich Großes zuwege bringen.

Das Lamm erscheint also inmitten des Thrones, und zwar „wie geschlachtet“. Welch eine Fülle von Gedanken findet sich hier zusammengedrängt! Das Lamm steht „inmitten des Thrones“. Einst hatte unser geliebter Herr „keine Gestalt und keine Pracht“, niemand begehrte Seiner. Auf dem Pfade des Gehorsams und der Selbsterniedrigung ging Er bis zum Tode am Kreuze! Und nun steht Er inmitten des Thrones der Herrlichkeit und des Gerichts. Das ist die Antwort Gottes auf Sein Leben der völligen Hingabe zur Ehre und Verherrlichung Gottes. Der Mensch gab Ihm den Platz der tiefsten Schmach, Gott gibt Ihm den Platz der höchsten Ehre. Er ist „erhoben“, „erhöht“, ja, „sehr hoch“ geworden (Jes. 52, 13). Für diesen wunderbaren Herrn, der so tief hinabgestiegen und der „Allerverachtetste und Unwerteste“ geworden ist, gab es im Herzen Gottes nur eine Antwort, nur einen Platz: „Setze dich zu meiner Rechten!“ Mögen die Menschen Ihn auch heute noch verwerfen, Er ist dennoch der Mittelpunkt aller Ratschlüsse und Wege Gottes, und als solcher wird Er auch alles zum Ziele führen.

Durch das Lamm ,,wie geschlachtet« werden wir in alle Ewigkeit daran erinnert werden, welchen Preis Gott zu unserer Errettung bezahlt und in welchem Charakter Jesus das Werk der Erlösung ausgeführt hat. O wer vermöchte die Größe der Gabe, wer die Größe der Liebe Gottes zu ergründen! Wenn Paulus sie betrachtet, wird er zu dem Ausruf fortgerissen: „Gott aber sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe!“ (2. Kor. 9, 15).

Wir sagten schon, dass der Herr überwunden hat wie ein Löwe, aber vor Seinem Gott wandelte, lebte und gab Er sich hin wie ein Lamm. So ging Er hin, still und ergeben. Wie ein Lamm, das stumm ist vor seinen Scherern, tat Er Seinen Mund nicht auf. So legte Er sich als das Lamm Gottes auf den Altar.

Das an dieser Stelle für „Lamm“ gebrauchte griechische Wort bedeutet eigentlich „Lämmlein“. Es bringt also noch in erhöhtem Maße den Gegensatz zwischen „Löwe“ und „Lamm“ zum Ausdruck, erinnert vielleicht auch an die besondere Innigkeit und Zartheit des Verhältnisses zwischen Gott und Ihm. Nach errungenem Siege ist Er der Gegenstand der besonderen Zuneigung des Vaterherzens. Schon vor Seinem Tode sagte der Herr ja einmal: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse“.

Ich wiederhole: Das Lamm steht da! Es war einst tot, aber nun lebt es. Wohl hat unser Heiland den Tod schmecken müssen, auch wurden die Zeichen des eingetretenen Todes an Ihm wahrgenommen; aber durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt, lebt Er jetzt in die Zeitalter der Zeitalter. Darum heißt es-: „Und ich sah... ein Lamm stehen, wie geschlachtet“.

Nach Seiner Auferweckung sind dem Herrn die Nägelmale geblieben. So hat Er sich den Jüngern gezeigt. Die Wunden, welche Ihm um ihretwillen geschlagen worden waren, überführten selbst einen Thomas, so dass Er überwältigt ausrief: „Mein Herr und mein Gott!“ Ewig wird der Herr diese Male tragen, und sie werden uns immer von neuem daran erinnern, dass Er als das Lamm Gottes geschlachtet worden ist, um uns für Gott zu erkaufen.

Es sei hier noch auf eine kurze, aber wunderbare Unterredung hingewiesen, welche durch diese Wundenmale hervorgerufen werden wird, wenn der Herr Sein irdisches Volk Israel einmal in die Segnungen des Reiches eingeführt hat. Dieses Volk, oder richtiger der gläubige Überrest desselben, stellt Ihm die Frage: „Was sind das für Wunden in deinen Hånden?“, und Er antwortet voller Huld: „Es sind die Wunden, womit ich geschlagen worden bin im Hause derer, die mich lieben“ (Sach. 13, 6).

Wie dürfen wir hier sehen, was die Gnade zuwege gebracht, wie sie doch alles so völlig verändert hat! Einst rief dieses Volk voller Hass: „Hinweg, hinweg! kreuzige Ihn!“ Die Sprache ihres Herzens lautete: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“. Zur Zeit des Endes aber werden sie mit zerknirschtem Herzen bekennen: „Wir alle irrten umher wie Schafe“, werden aber auch, die Frucht Seines Werkes erkennend, hinzufügen: „Durch Seine Striemen ist uns Heilung geworden“ (Jes. 53, 5. 6). Sie, die „nicht willig gegen Ihn gewesen“, werden „voller Willigkeit sein“ am Tage Seiner Macht (Ps. 81, 11; 110, 3).

Das Lamm, das alle Macht und Weisheit besitzt, kommt zu Dem, der auf dem Throne sitzt, und nimmt aus Seiner Rechten das Buch. Daraufhin fallen die vier lebendigen Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamme. Welch ein erhabener Augenblick! Die Zeit der Gnade und Langmut Gottes ist vorüber. Die Fülle der Nationen ist eingegangen und als die Miterbin des Lammes um Jesum geschart. Wenn nun das Lamm das Buch nimmt, wenn, mit anderen Worten, Jesus als der erhabene, unbestechliche Richter auftritt, um Sein Erbteil zu reinigen, dann können die lebendigen Wesen und die himmlischen Heiligen nicht anders als niederfallen und das Lamm anbeten.

Ein jeder der vierundzwanzig Ältesten hat eine Harfe. Die Deutung ist nicht schwer. Die Harfe wurde im Alten Bunde gebraucht bei der Anbetung des Herrn, um andere durch ihre Töne zu erfreuen und das eigene Herz zu ermuntern. David begleitete seine Psalmen mit Harfenspiel. Der Prophet Elisa musste bei einer Gelegenheit, ehe er die Gnade Gottes kundtun konnte, einen Saitenspieler holen lassen. Die vierundzwanzig Sängerordnungen Davids ,,weissagten mit Lauten, Harfen und Zimbeln“ (1. Chron. 25, 1). In Psalm 137 werden die Gefangenen Zions aufgefordert, „eines von Zions Liedern“ zu singen. Doch die Lauten hingen still an den Weiden, und in dem tiefen Gefühl der züchtigenden Hand Jehovas antwortet das Volk mit den rührenden Worten: „Wie sollten wir ein Lied Jehovas singen auf fremder Erde?“ So möchten wir heute auch zuweilen sprechen; aber nicht mehr so droben.

Dort ruhen die Harfen in den Händen der Ältesten, sie werden nie mehr an die Weiden gehängt werden. Auch dienen sie nicht mehr dazu, ein betrübtes, niedergebeugtes Herz aufzurichten, oder einen trägen Sinn aufzuwecken; nein, sie werden nur gebraucht werden, um das Lamm zu preisen und zu erheben. Es ist gleichsam die vollkommene Fortsetzung dessen, was wir hier an jedem ersten Wochentage in großer Schwachheit tun, wenn wir uns am Tische unseres Herrn zusammenfinden, um Seinen Tod zu verkündigen. Von jener Zeit singen wir mit Recht:

Nicht mehr lange, dann erkennen

wir, o Herr, wie du uns hast erkannt; -

Unser Herz wird völlig brennen

in der Liebe, die uns hier schon band.

Ruhm und Preis und Dank und Lobgesänge

werden ewiglich nicht schweigen mehr,

und der Heil’gen Harfen süße Klänge

Tönen stets zu deines Namens Ehr’.

In dem 5. Verse gibt einer der Ältesten einem Trauernden Auskunft über den Überwinder, in den Versen 9 und 10 wenden sich aber die Ältesten unmittelbar an das Lamm. Sie singen ein neues Lied, welches vorher nie im Himmel gesungen wurde. Erst wenn die Heiligen dort eingeführt sind, wird es angestimmt werden. Welch eine Bewunderung wird das alles hervorrufen bei den himmlischen Heerscharen, die in weitem Kreise umherstehen! Die Heiligen singen, indem sie sich an ihren teuren Herrn persönlich wenden: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen“. Schon auf Erden war es ihr Vorrecht, zu bezeugen, dass Jesus der von Gott bestimmte Mann ist, durch welchen Gott „den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit“ (Apstgsch. 17, 31). Droben setzen sie mit Freuden ihr Zeugnis: „Du bist würdig!“ fort und geben auch die Gründe an, warum Er würdig ist.

Der erste Grund, den sie anführen, ist: „denn du bist geschlachtet worden“. Viele treue Zeugen Gottes sind schon auf der Erde geschlachtet worden. Nicht umsonst kündigt der Herr den Juden an, dass über sie kommen werde „alles gerechte Blut, das auf der Erde vergossen wurde, von dem Blute Abels, des Gerechten, bis zu dem Blute Zacharias“ (Matth. 23. 35). Von diesen Blutzeugen hat sich aber keiner durch seinen Tod das Anrecht erworben, das Buch öffnen zu dürfen. Ihr Tod war gewiss kostbar in den Augen Gottes, aber nichts lässt sich irgendwie vergleichen mit dem Tode des Sohnes Gottes. Die freiwillige Hingabe des Herrn in den Tod war für das Herz Gottes über alles kostbar und wertvoll, wie wir lesen: „Er hat sich selbst für uns hingegeben als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“ (Eph. 5, 2). Dieser Tod legte den Grund zur Ausführung aller Vorsätze und Ratschlüsse Gottes. Wer vermöchte zu ergründen, was es für den Vater war, als Sein geliebter Sohn, Sein „Eigener“, durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott zum Opfer darbrachte?

Andererseits ist der Tod des Herrn Jesus ein beredtes Zeugnis von dem Zustand der Welt. Er kam hernieder, von Gott gesandt, um der Welt Leben zu geben; Er wandelte unter den Menschen „voller Gnade und Wahrheit — aber man hat Ihn nicht gewollt. Anstatt Ihn anzunehmen, hat die Welt unter der Anführung ihres Fürsten Jesum ans Kreuz geschlagen. Diese furchtbare Sünde lastet jetzt auf der Welt, und sie wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Der zweite Grund der· Würdigkeit des Lammes ist: „Du hast für Gott erkauft“. Der Tod des Herrn hat Frucht hervorgebracht, und zwar kostbare Frucht. Liegt auch die Welt nach wie vor unter der Gewalt des Fürsten der Finsternis, so sind kraft des Todes des Herrn doch unzählige Menschenkinder aus der Gewalt dieses Fürsten befreit, errettet und zu Gott gebracht worden. Gott wollte solche vor sich haben, die Ihn anbeten könnten »in Geist und Wahrheit“. Der Mensch ist unfähig, in der Gegenwart Gottes zu erscheinen; sein Zustand und seine Sünden trennen ihn von Gott. Um dieses Hindernis zu entfernen, opferte der Herr Jesus sich selbst. War bis dahin der Weg zum Allerheiligsten „noch nicht geoffenbart“, so ist durch das Blut des Herrn Jesus jetzt ein „neuer und lebendiger Weg“ geschaffen worden. Durch den Vorhang hin (d. i. Sein Fleisch) dürfen jetzt alle, die ihre Zuflucht im Glauben zu Jesu nehmen, Gott mit Freimütigkeit nahen. Sie sind „für Gott erkauft“, sie gehören Ihm an und besitzen Wert für Ihn. Wie wunderbar ist das! Und doch nicht wunderbar, denn welch ein Preis ist für sie bezahlt worden: das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes! War auch das Leben des Herrn hienieden kostbar für das Herz Gottes, wie Gott es wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, so war es doch nicht imstande, den Menschen in dies Gegenwart Gottes einzuführen. Sollte „das Weizenkorn nicht allein bleiben«, so musste es in die Erde fallen und sterben. Der Tod musste eintreten. Nur so konnten die, welche im Tode lagen, befreit und aus dem Tode in das Leben hinübergebracht werden.

Als das „Eigentumsvolk“ Gottes, gesammelt ohne Unterschied „aus jedem Geschlecht und Sprache und Volk und Nation“, sind diese für Gott Erkauften nun zu Königen und Priestern Gottes gemacht» worden. Einst arme, verlorene Sünder, die nur die ewige Verdammnis zu erwarten hatten, sind sie jetzt Könige. Die Gnade hat ihnen den Platz, den Adam einst einbüßte, in viel herrlichem: Weise wiedergegeben. Kraft ihrer Verbindung mit Christo werden sie, wenn Er erscheint, um Seine Herrschaft anzutreten, mit Ihm regieren, von denen gesehen, die sie einst mit ihrem Herrn verworfen und verachtet haben. Als Priester werden sie das Räucherwerk ihrer Anbetung ewiglich zu Gott emporsteigen lassen und Ihm so das darbringen, was Ihm der Mensch stets vorenthalten hat.

Der letzte Abschnitt unseres Kapitels lässt uns sehen, wie die himmlischen Heerscharen und die ganze Schöpfung das Lamm erheben. Die Myriaden von Engeln, welche in weitem Kreise die lebendigen Wesen und die Ältesten umgeben, rufen mit lauter Stimme: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung“. Einen Lobgesang wie die Gläubiger: können sie ja nicht anstimmen; sie preisen das Lamm ihrer Stellung entsprechend und bezeugen, was es zu empfangen würdig ist.

Die Engel haben gesehen, wie tief der Herr sich erniedrigt hat, indem Er Knechtsgestalt annahm und so arm wurde, dass Er nicht einmal hatte, wohin Er Sein Haupt legen sollte. Sie waren Augen- und Ohrenzeugen, wie der Mensch in seiner Verblendung sich weiser dünkte als seinen Schöpfer und Ihn unter Spott und Hohn verwarf. Sie haben gesehen, wie ihr Herr hungerte und dürstete, wie Er den Widerspruch der Sünder still erduldete und, anstatt von Seiner Macht Gebrauch zu machen, schmerzerfüllt weiterging, wenn man Ihn nicht aufnehmen wollte. Sie hörten Sein Wort: „Meinst du, dass ich nicht jetzt meinen Vater bitten könne, und Er mir mehr als zwölf Legionen Engel stellen werde?“ und sahen, wie Er sich willig den Händen der Häscher übergab, während alle Seine Jünger Ihn verließen und flohen. Sie haben Ihn von Gott und Menschen verlassen am Fluchholze hangen sehen, blutig geschlagen, mit Dornen gekrönt. Das alles haben sie gleichsam mit ihrem Herrn und Meister durchlebt, soweit es „Knechten“, „Tätern Seines Wohlgefallens“, möglich war; und nun ist es für sie eine herrliche Freude und Genugtuung, mit lauter Stimme bezeugen zu dürfen, dass das Lamm „würdig ist zu empfangen“, und zwar alles das zu empfangen, worauf Er einst in Gnaden verzichtet und was Er freiwillig aufgegeben hat.

Mit den Engeln erhebt die ganze Schöpfung ihre Stimme, um kundzutun, dass „Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit“ gebühren. Wir gedachten schon daran, dass die Schöpfung, obwohl „sehr gut“ aus Gottes Hand hervorgegangen, durch den Fall des Menschen unter den Fluch gekommen ist. Wohin man auch blicken mag, alles ist in Unordnung, überall zeigen sich Verfall und Verderben. Aber nicht immer wird es so bleiben. Wenn der Herr in Seiner Herrlichkeit erscheint und „die Söhne Gottes“ mit Ihm, um als Könige mit Ihm zu herrschen, dann ist der Augenblick gekommen, wo auch die« Schöpfung „freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbnisses“. Jetzt seufzt sie noch, und in dem sehnenden Verlangen nach der herrlichen Befreiung und Segnung, die ihr auf Grund des Werkes Christi zu teil werden wird, wünscht sie Dem, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamme „die Segnung und die Ehre und die Herrlichkeit und die Macht“. Als das Lamm Gottes einst auf Golgatha geschlachtet wurde, kam ob dieses Schauspiels die ganze Schöpfung in Bewegung und trauerte — „es kam eine Finsternis über das ganze Land“ —, „die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen“. Wenn der Herr aber erscheinen wird in Seiner Macht und Herrlichkeit, dann wird sie Ihm zujubeln und teilhaben an den auch für sie herrlichen Folgen des Erlösungswerkes. „Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse. Sie wird in voller Blüte stehen und frohlocken, ja, frohlockend und jubelnd . . Statt der Dornsträucher werden Zypressen aufschießen, und statt der Brennesseln werden Myrten aufschießen“ (Jes. 35, 1. 2; 55,13.) An vielen Stellen zeugt die Heilige Schrift von der Herrlichkeit, welche unter der Herrschaft des Friedensfürsten Sein ganzes Reich erfüllen wird.

Die Ältesten fügen dem allem ihr „Amen“ hinzu, indem sie es bestätigen und sich damit eins machen. Sie begnügen sich jedoch nicht damit, sondern „fallen nieder und beten an“. Das ist ihre gesegnete Beschäftigung in alle Ewigkeit, Ihn bewundernd zu betrachten und gleichsam in Ihm aufzugehen·

Teurer gläubiger Leser! Schlägt nicht heute schon dein Herz höher, wenn du Ihn, den „Geliebten“, so betrachtest? Droben wird nur von Ihm und zu Ihm geredet, auf Ihn hingewiesen und von dem gesungen werden, was Er getan hat. Obwohl Er in unserem Kapitel im Begriff steht, Gericht auszuführen, ist für die Seinigen doch ,,alles an Ihm lieblich", und wir können heute schon mit der Braut im Hohenliede ausrufen: „Das ist unser Geliebter und das unser Freund« (Hohel. 5, 16.) Und indem wir Ihn so betrachten, wird das Herz erhoben über die Umstände und Umgebung und sehnt sich danach, Ihn zu schauen von Angesicht zu Angesicht, Ihn zu sehen ,,wie Er ist“. Aus Seine Ankündigung: „Ja, ich komme bald!“ antwortet es mit liebendem Verlangen: „Amen, komm, Herr Jesu!“

Amen, Amen! Brich dein Schweigen,

lass uns nicht getrennt mehr gehen;

Lass uns bald in sel’gen Reigen

dort um dich versammelt stehen!

Komm, o Jesu, komm behende,

zeig’ uns deiner Liebe Macht!

Amen, Amen! O vollende,

was dein kostbar Blut gebracht!

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Kommet her zu mir

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 76ff

„Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen!“ So rief der Herr einst Seiner Umgebung zu. Und· wer sollte nicht irgend eine Last zu tragen haben, sei es in den Umständen des Lebens, sei es aus dem Gewissen oder aus dem Herzen, sei es bezüglich der eigenen Person oder in Liebe und Mitgefühl bezüglich anderer? Kummer her zu mir! so ruft Er heute noch, „ich will euch Ruhe geben“. Er, der Mensch gewordene Gottessohn, der selbst gewöhnt war, Lasten zu tragen, der Gott ergebene Diener und göttliche Lehrer, der die Macht und die Gnade besitzt, Seine Worte wahr zu machen, verheißt Ruhe allen, die zu Ihm kommen.

Heil allen, die Seiner Einladung entsprechen, ihre Lasten in wahrer Beugung und aufrichtiger Demütigung vor Ihm niederlegen, um dann in Ruhe des Herzens und Gewissens Sein Joch auf sich zu nehmen und von Ihm zu lernen! Sie erfahren, dass der Genuss der Liebe Gottes in Christo das Joch sanft und die zu tragende Last leicht macht. Sie lernen von Ihm, sanftmütig und von Herzen demütig zu sein.

O dass dieser Geist uns allezeit beseelte! Am Ende Seiner Laufbahn sagte der Herr: „Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein. Wenn mir jemand dient, so wird der Vater ihn ehren“ (Joh. 12, 26). Die treue Nachfolge Jesu brachte einst die Apostel Paulus und Silas nach Philippi. Ihr Vornehmen war, nach Bithynien zu reisen, aber der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht (Apstgsch. 16, 7.) Sie mussten nach. Mazedonien, und als treue Jünger und Diener folgten sie willig der erhaltenen Weisung. Und wie wurden sie geehrt! Um ihres Herrn willen durften sie Schmach, Verachtung, Geißelung und Kerker erdulden, Lydia und ihr Haus mit der frohen Botschaft von Jesu bekannt machen, die arme Magd aus Satans Macht befreien und endlich den schuldbewussten Kerkermeister zitternd zu ihren Füßen sehen mit der Frage auf seinen Lippen: „Ihr Herren, was muss ich tun, auf dass ich errettet werde?“ In Sieg und Triumph endete der Weg der Boten Gottes. Christus wurde verherrlicht. Der kleine, unscheinbare Anfang wuchs sich aus zu dem lieblichen Zeugnis, das später in Philippi zur Ehre des Herrn bestand, zu der reichgesegneten Versammlung, die der Apostel Seine „Freude und Krone“ nennt.

Die Wege und Führungen Gottes sind wunderbar. Sie bereiten dem Gläubigen Erfahrungen, die er nur hier in einer gottentfremdeten Welt machen kann. In der Schwachheit Seiner Diener offenbart der Herr so gern die Macht Seiner Gnade. Liegen sie im tiefsten Kerker, eingezwängt in Stock und Eisen, so erfüllt Er ihre Herzen mit seliger Freude und befähigt sie, Gott zu lobsingen, so das; ihre Mitgefangenen staunend ihnen zuhören.

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Wandelt als Kinder des Lichts

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 78ff

„Wandelt als Kinder des Lichts . . ., indem ihr prüfet, was dem Herrn wohlgefällig ist“ (Eph. 5, 8 — 10). Eine kurze Ermahnung, die dem Verständnis gar keine Schwierigkeiten bietet, aber darum nicht weniger wichtig ist. Eine Ermahnung auch, die für die Natur nichts Anziehendes hat, aber umso lieblicher ist für ein gottesfürchtiges Herz. Ist sie es auch für uns? Sind unsere Seelen geübt im Blick auf alle, auch die kleinen und anscheinend unwichtigen Dinge, die unser tägliches Leben ausmachen?

Johannes schreibt den „Kindlein“: „Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles“ (1.Joh. 2, 20.) Das ist wahr von allen Gläubigen, ob Väter, Jünglinge oder Kindlein in Christo; sie besitzen die Salbung von oben, den Heiligen Geist, und damit die Weisheit und Kraft, um das zu erkennen und zu tun, wozu der aus Epheser 5 angeführte Vers sie ermahnt. Es ist also wahr auch von dir, mein lieber gläubiger Leser. Aber nun lass mich fragen: Zeigst du dich in deinem Leben und Wandel als „ein Kind des Lichts“? „Die Frucht des Lichts besteht in aller Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Gibt es, wenn du dich und deinen Wandel prüfst, dem Herrn Wohlgefälliges auf deinem Wege? Trägst du, wie Henoch, das „Zeugnis“ in dir, „Gott wohlzugefallen“? Wenn es so ist, so setze mit Ausdauer deinen Weg fort. Erlaube niemand und nichts, dich von dem Pfade, auf dem du wandelst, von dem Werke, das du tust, abzulenken; denn der Herr ist mit dir darin, und was ließe sich damit vergleichen? Und wenn die ganze Welt wider dich wäre und dir zürnte, der Genuss Seiner Gegenwart und das Bewusstsein Seines Wohlgefallens und Seiner Anerkennung würden dich überströmend entschädigen.

Aber, möchte ich weiter fragen, gibt es auf deinem Wege, in deinem täglichen Leben auch Dinge, die dem Herrn nicht gefallen? Dinge, die das untrügliche Urteil des Wortes Gottes verurteilt, die nicht mit „Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit« in Einklang zu bringen sind? Wenn es so ist, dann lass dich bitten, diese Dinge zu richten und dich mit derselben Entschiedenheit von ihnen abzuwenden, wie du sie in der Ausübung alles Guten an den Tag legen sollst. Und tue das sofort! Zögere keinen Augenblick damit, und wenn es auch in liebgewordene Gewohnheiten und Verbindungen tief einschneiden sollte! Hier sind Schonung und zarte Rücksichtnahme nicht am Platze. Je rücksichtsloser du gegen alles vorgehst, was nicht die Anerkennung des Herrn hat, umso besser.

Warum? Weil deine Gemeinschaft mit dem Herrn durchaus davon abhängig ist. Er, der Heilige, kann nicht mit Unheiligem in Verbindung sein; und das Bewusstsein Seines Wohlgefallens und Seiner Begleitung auf dem Wege verlieren heißt alles verlieren, was das Leben wertvoll und lebengwert macht. Ohne dieses Bewusstsein ist es wahrlich nicht der Mühe wert, zu leben. Wie freude- und friedelos ist das Dasein eines Christen, der allein seinen Weg geht, der den „Gott des Friedens“ nicht zum Geleitsmann hat! (Vergl. Phil. 4, 8. 9). Und er muss allein gehen, wenn die praktische Verbindung und Gemeinschaft mit Gott unterbrochen ist, mögen andere Gläubige. ihn auch noch für recht treu und fromm halten.

Der Herr möchte dich nicht allein gehen lassen. Sein liebendes Herz verlangt nach Gemeinschaft mit dir. Ein wunderbarer Gedanke! Er, der Hohe und Erhabene, dessen Ausgänge von Ewigkeit sind, gesellt sich so gern zu den Menschenkindern, deren Herzen Ihm zugewandt sind, die von Ihm reden und Ihm zu dienen begehren. Seine Wonne ist bei ihnen. (Spr. 8, 31). Er hat die ernste Frage der Sünde für sie in Ordnung gebracht und sie, die Ungerechten und Fernstehenden, zu Gott geführt. Und nun will Er ihr täglicher, beständiger Begleiter sein, Freude und Leid mit ihnen teilen, sie beraten, trösten, ermuntern, belehren, mit einem Wort, Er will Gemeinschaft mit ihnen machen.

Was ist mein Christentum wert, wenn es mir diesen unaussprechlichen Segen nicht gibt? Hienieden Christi Nähe und Gemeinschaft genießen, wie einst das Haus in Bethanien sie genoss, wird nur durch eines übertroffen, und das ist: Ihn zu schauen von Angesicht zu Angesicht in der Heimat, die Er droben bereitet hat“

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Was ist Christus für deine Seele?

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 81ff

Der Gläubige ist stets in Gefahr, sich mit nebensächlichen Dingen und Fragen zu beschäftigen, anstatt mit Christo Selbst. Auf diese Weise verliert Christus allmählich Seinen Platz als der Gegenstand des Herzens, und Entfremdung tritt ein. Das ist es, was der Feind der Seele will, und er versteht es trefflich, sie in alle möglichen Dinge zu verstricken, die geeignet sind, Christum und „das was droben ist" beiseite zu schieben (Vergl. Kolosser 3,1-3).

Wissen wir nicht alle davon zu erzählen? Und sollte nicht auch heute vielen von uns, wie einst der Gemeinde in Ephesus, der Vorwurf gemacht werden können: „Du hast deine erste Liebe verlassen"? Es fehlte in Ephesus bekanntlich nicht an Treue und Entschiedenheit. Die Gläubigen dort hatten „Werke, Arbeit und Ausharren". Sie konnten Böse nicht ertragen. Sie hatten auch die Anmaßungen derer geprüft, die sich an die Stelle der Apostel setzten, und hatten sie als Lügner erfunden. Aber bei alledem hatten sie „ihre erste Liebe verlassen"'! So mögen auch wir in mancher Hinsicht recht tätig sein, mögen in Fragen, die das Werk des Evangeliums, Versammlungsangelegenheiten usw. betreffen, eine rege Wirksamkeit entfalten, aber wenn Christus den Ihm gebührenden Platz in unseren Herzen verliert, so wird alles hohl und kraftlos, und das Ende ist Stolz und Selbstgefälligkeit.

Der einzige wahre Prüfstein für alles, was an uns herantritt, ist daher die Frage: In welcher Weise wird unser Verhältnis zu Christo dadurch berührt? Unter Christen kommen Dinge vor, die gegenseitiges Ertragen erfordern. Wir sind noch auf der Erde und irren mannigfaltig. Manchmal gelingt es uns auch nicht, den Sinn des Herrn zu erfassen. Darum geziemt es uns, in allen äußeren Fragen dem anderen so weit wie irgend möglich entgegenzukommen, einander in Langmut und Liebe zu ertragen. Wenn es sich aber um Christum handelt, um Ihn Selbst, oder um Sein Werk und dessen Ergebnisse, so läßt die Schrift für irgendwelche Zugeständnisse keinen Raum. Hier Zugeständnisse zu machen, hieße einander auf Kosten der Wahrheit entgegenzukommen; es wäre Ungehorsam gegen Gott und Sein Wort. Meinungsverschiedenheiten zwischen Christen stehen auf einem ganz anderen Boden, als Fragen über Christum und Sein Werk. Gott schenke uns allen einen heiligen Eifer für die Aufrechterhaltung der Ehre Seines geliebten Sohnes!

Die einzelnen Teile der Wahrheit rücken in demselben Maße an den ihnen zukommenden Platz, wie Christus Seinen Platz in unseren Herzen einnimmt. Nehmen wir beispielsweise die Wahrheit von der Versammlung oder Gemeinde. Wenn wir uns mit der Gemeinde an und für sich beschäftigen, ohne sie mit Ihm in Verbindung zu bringen, dem Haupte „der Versammlung, welche sein Leib ist", so kann sie leicht zu einer Sache werden, deren wir uns rühmen, und so zur Selbsterhebung Anlass geben. Wenn wir sie dagegen im Blick darauf untersuchen, was die Versammlung, und zwar die ganze Gemeinde Gottes, für Christum ist, sowie in Verbindung mit der unendlichen, unumschränkten Gnade, die sich darin zeigt, dass Er sie mit einer Liebe liebt, die Ihn nicht nur veranlasst hat, sie zu erretten, sondern Ihn auch zu ihrem beständigen Diener macht, indem Er sie heiligt und reinigt, - so wird das Herz von dem eigenen Ich zu Christo hingelenkt, sowie zu der Betrachtung Seiner wunderbaren Liebe; und angesichts dieser Liebe erkennen wir unser völliges Nichts.

Nehmen wir weiter den Dienst, so haben wir das Gleiche. Im Dienst eifrig sein ist gewiss gut. Aber wenn Christus dabei nicht lebendig vor der Seele steht, wird der Dienst zu einer rein mechanischen Übung, wenn nicht gar zu etwas, das wir als Gutschrift auf unser Konto setzen. Es ist dann unser Dienst, unsere Arbeit, unser Mühen.

Betrachten wir das Studium des Wortes Gottes. Wir brauchen nicht zu betonen, wie wichtig es ist. Aber wenn wir die Schriften nur mit unserem Verstande erforschen, so wird es zu einer leeren, kraftlosen Sache, in welcher der Verstand sich gefällt, und die uns wiederum dahin bringt, uns unserer Erkenntnis zu rühmen. Suchen und finden wir dagegen Christum im Wort, sind wir eifrig, die kostbaren Wahrheiten herauszuschöpfen, die es dem Herzen über Ihn in Seinen mannigfaltigen Beziehungen zu uns darbietet, lernen wir weiter daraus, was Ihm wohlgefällt und entspricht, dann empfängt die Seele Nahrung. Angesichts Seiner Gnade entdecken wir, wie wenig wir Ihm noch gleichen. Wir werden von unserem eigenen Ich befreit, und Christus wird in ausschließlicherer und lebendigerer Weise der Gegenstand für unsere Seele.

Mit der Wahrheit von dem Kommen des Herrn ist es ebenso. Wenn nicht die Zuneigungen des Herzens zu Christo in Übung sind, so wird diese Wahrheit, so gesegnet sie ist, zu einer trockenen Lehre, die keinerlei praktische Wirkung auf Leben und Wandel des Christen ausübt. Steht aber der Kommende Selbst lebendig vor dem Herzen, so ertönt auf Sein Wort: „Ich komme bald!" die schnelle Antwort der Seele: „Amen, komm, Herr Jesus" ! Die Hand liegt auf dem Türdrücker, bereit, Ihm alsbald aufzutun, wenn Er kommt.

Nehmen wir schließlich die Anbetung. Wenn Christus in in all der Herrlichkeit Seiner Person, als der eingeborene Sohn des Vaters, voller Gnade und Wahrheit, geoffenbart in einer Welt der Sünde und der Sünder, als der vollkommene Ausdruck alles dessen, was im Herzen des Vaters ist, mit einem Wort, wenn E r, das fleischgewordene Wort, vor der Seele steht, so fließt das Herz über in Anbetung und Danksagung gegen Ihn und den Vater, der Ihn gesandt hat. Der Heilige Geist ist ja eigens zu dem Zweck herniedergekommen, um Christum zu verherrlichen, um unsere Seelen in ein tieferes Verständnis der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus einzuführen, Der - Gott Selbst von Ewigkeit her, das ewige Wort - Fleisch und Blut angenommen und als der demütige, abhängige Mensch auf Erden gewandelt hat.

Ich frage zum Schluß: Gibt es überhaupt etwas, das mit Christo zu vergleichen wäre? Steht nicht Seine Person und alles, was Ihn betrifft, ganz unvergleichlich über allem, was den Christen sonst beschäftigen könnte? Von wie vielen Gesichtspunkten aus können wir Ihn betrachten, und alle sind herrlich! Nennen wir einige: Da ist zunächst die Ihm eigene persönliche Herrlichkeit als der Sohn Gottes, Der stets im Schöße des Vaters war; dann Seine Herrlichkeit als das Leben, das Licht der Menschen, als das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung, als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt, als der Messias, der König Israels, als der Sohn des Menschen, der über alle Werke der Hand Gottes gesetzt ist, als unser Hoherpriester, Der stets Sein Volk an Seinem Herzen und auf Seinen Schultern vor Gott trägt, als unser Sachwalter beim Vater, Der unsere Sache vertritt und unsere Seele wiederherstellt, wenn wir gefehlt haben, als der Sohn über Sein Haus, dessen Haus wir sind, usw.

Es ist das geschriebene Wort, das uns Jesum so offenbart, und es ist die gesegnete Aufgabe des Heiligen Geistes, uns beim Lesen dieses Wortes immer neue Strahlen der Herrlichkeit und Vollkommenheit Jesu aufleuchten zu lassen, auf dass das Herz nicht nur für Ihn als den Heiland gewonnen, sondern auch Ihm nachgezogen werde, indem es in Ihm all sein Ergötzen findet.

Ein schönes Beispiel von dieser reinen Freude in Ihm finden wir bei Johannes, dem Seher auf Patmos, wenn der Name und die verschiedenen, mit der Person Jesu verbundenen Herrlichkeiten an ihm vorüberziehen und der besonderen Beziehung der Heiligen zu Ihm gedacht wird als „Dein, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blute". Er ruft aus, und jede Seele, die sich also in Jesu erfreut, kann nicht anders, als anbetend mit ihm ausrufen: „Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen".

Ein solches Betrachten Christi macht das Herz warm und nimmt ihm im Verkehr mit anderen die ihm sonst so eigene Selbstsucht und Härte. Man beschäftigt sich dann eben nicht mit den Fehlern und Mängeln der Heiligen, sondern mit dem, was sie für Christum sind. Die wachsende Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes wird uns gewiss eifersüchtig und vorsichtig machen, wenn es sich um Seine Person und Herrlichkeit handelt, aber andererseits auch geduldig (wie Er geduldig war) im Verkehr mit Seinen so häufig irrenden und fehlenden Jüngern.

Hier gibt uns der Apostel Paulus ein schönes, nachahmenswertes Beispiel. In welch einem Geist der Gnade handelte dieser treue Diener z. B. mit der Versammlung zu Korinth, obwohl er ihr sagen musste, daß er „aus vieler Drangsal und Herzensangst mit vielen Tränen" ihnen geschrieben habe! Das Gleiche finden wir in dem Briefe an die Galater. Dort handelte es sich um ernste Fragen, und der Apostel musste den Galatern sagen: „Ich fürchte um euch", „ich bin eurethalben in Verlegenheit". Trotzdem aber fügte er hinzu: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn". Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie die Wahrheit aufgeben würden. Ein harter Richtgeist ist nicht der Geist Christi. Ein solcher Geist zerstört die Zuneigungen, macht die Seele trocken und verrät Stolz und Ungebrochenheit. Jene rührende Liebe und Sorge, die selbst an die Schwächsten der Schäflein Christi denkt, fehlt ihm gänzlich. Er steht in unmittelbarem Gegensatz zu dem Sinn und Vorbild Jesu. Wenn Er, „der Herr und der Lehrer", unsere Füße gewaschen hat, sollten wir dann nicht bereit sein, auch einander die Füße zu waschen? Er Selbst hat uns ein Beispiel gegeben, auf dass, gleichwie Er uns getan hat, wir einander tun sollen.

Lasst uns über diese Dinge nachdenken, wir haben es nötig. Ja, lasst uns nicht aufhören, einander auf betenden Herzen zu tragen, füreinander einzutreten, indem wir stets vor Augen behalten, was Christus für die Seinen ist und was die Seinen für Ihn sind!

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Bis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 87ff

„Gleichwie es in den Tagen Noahs geschah, also wird es auch sein in den Tagen des Sohnes des Menschen: sie aßen, sie tranken, sie heirateten, sie wurden verheiratet, bis zu dem Tage, da Noah in die Arche ging und die Flut kam und alle umbrachte. Gleicherweise geschah es auch in den Tagen Lots“ (Luk. 17, 26 - 28).

„Eile, rette dich dorthin; denn ich kann nichts tun, bis du dorthin gekommen bist. . . Die Sonne ging auf über der Erde, als Lot in Zoar ankam. Und Jehova ließ auf Sodom und aus Gomorra Schwefel und Feuer regnen“ (1. Mose 19, 22 — 21). Desgleichen wird es an dem Tage sein, da der Sohn des Menschen geoffenbart wird“ (Luk. 17, 30).

„Und jetzt wisset ihr, was zurückhält, dass er zu seiner Zeit geoffenbart werde. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist“ (2. Thess. 2, 6 — 8).

In den hier angeführten Schriftstellen finden wir dreimal das kleine Wort „bis“, das einen Zeitabschnitt umfasst, dessen Ablauf unwiderruflich über das ewige Wohl oder Wehe der Seelen, von denen sie reden, entschieden hat und noch entscheidet.

Es ist ernst zu hören, das; unser Herr, als Er auf dieser Erde wandelte, die Aufmerksamkeit auf die beiden ersten Zeitabschnitte lenkte, und zwar als Warnung vor dem letzten. Trotzdem sagen die Menschen, genauso wie die Bibel es vorher angekündigt hat, in dem Stolze ihres Wohlergehens und in der Einbildung ihres hochgepriesenen Verstandes und auf Grund der vermeintlichen Ergebnisse der Wissenschaft: „Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter einschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an“ (2. Petr. 3, 4). Inzwischen aber schwebt diese dunkle Wolke, diese schreckliche kleine Zeitspanne „bis“ drohend über ihren Häuptern. Schnell und sicher eilen die Menschen ihrem Verderben entgegen.

Wie oft mag der alte, sechshundertjährige Noah die Zielscheibe des Spottes und der höhnenden Witzeleien seiner Zeitgenossen gewesen sein, als er, gehorsam dem Befehle Gottes, mit Eifer seiner Arbeit nachging, eine Arche zur Rettung seines Hauses zu bauen! Doch wenn einmal die Stimme Gottes das menschliche Ohr erreicht hat, wenn Herz und Gewissen wirklich getroffen sind, dann schenkt man der Stimme der Welt wenig Beachtung mehr. So berichtet denn auch die Schrift von unserem Patriarchen: „Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt eine Arche zur Rettung seines Hauses, durch welche er die Welt verurteilte“ (Hebr. 11, 7).

Auch der Leser dieser Zeilen ist schon oft von Gott gewarnt worden. Freilich nicht vor einer kommenden Flut, wohl aber vor dem kommenden Gericht, das, gleich der Flut in Noahs Tagen, hereinbrechen wird über alle, „die Gott nicht kennen“. Noch zögert Gott wie damals in langmütiger Gnade, um zu sehen, ob nicht noch jemand sich vor Seinem Worte beuge und den Bergungsort aufsuche, den Sein Erbarmen geschaffen hat. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“

Zweifellos würde jeder, der der Predigt Noahs Gehör geschenkt, dem Worte Gottes geglaubt und Eintritt in die Arche begehrt hätte, aufgenommen und gerettet worden sein, wie Noah und sein Haus. Aber wir lesen: „Die Erde war voll Gewalttat. Und Gott sah die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden. . . Und Jehova sprach zu Noah: Gehe in die Arche, du und dein ganzes Haus; denn dich habe ich gerecht vor mir erfunden in diesem Geschlecht“ (1. Mose 6, 12 und 7, 1). Noah mahnte und warnte, aber niemand hörte. Und so verrannen Stunde um Stunde, Tag um Tag. Monat um Monat. Die Menschen aßen, tranken, heirateten und wurden verheiratet, bis — o, dieses furchtbare „bis“! — bis zu dem Tage, da Noah in die Arche ging. An diesem Tage brachen auf alle Quellen der großen Tiefe, und die Fenster des Himmels taten sich auf. Und der Regen fiel auf die Erde vierzig Tage und vierzig Nächte. . . . Und nur Noah allein blieb übrig und was mit ihm in der Arche war“ (Vergl. 1.Mose 6 und 7).

Gott selbst hat heute eine Rettungsarche bereitet, um den sündigen, verlorenen Menschen vor jenem Gericht, das so schnell heraneilt, in Sicherheit zu stellen. Die meisten meiner Leser befinden sich wohl schon in dieser Arche. Aber wie ist es mit dir, der du diese Zeilen gerade liest? Kennst du jene Arche Gottes? „Ein Mann wird sein wie ein Bergungsort vor dem Winde und ein Schutz vor dem Regensturm“, sagt der Prophet Jesaja im Blick auf die Zeit des Endes; und der Prophet Sacharja ruft: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross!“ (Jes. 32, 2.; Sach. 6, 12).

„Ein Mann“ — „der Mensch Christus Jesus“. Keine andere als diese von Gott vorgesehene Zuflucht wird dir an jenem Tage helfen können. Hast du sie schon ergriffen? „Euer Leben“, schreibt der Apostel an solche, die es empfangen hatten, „ist verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol. 3, 3) Wie sicher! Wie gewiss! Wie weit entfernt von dem Bereich der Stürme, des Todes, der furchtbaren Schrecknisse dieses Zeitlaufs! Bist du dort geborgen? Bist du „in Christo“? Wenn ja, dann bist du sicher; denn da ist „keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind“ (Röm. 8, 1). Das Gericht wird diese arme, verurteilte Welt treffen; du aber wirst dich auf ewig über seinem Wirkungskreis befinden.

Ach, wie mancher sagt: „Ich hoffe auch einmal gerettet zu werden, aber ich kann vorläufig nicht über diese Dinge nachdenken; ich muss erst meinen Beruf begründet und meiner Familie ein sicheres Dasein verschafft haben, ich muss erst frei sein von den täglichen Sorgen meines Geschäfts. Wenn ich einmal älter geworden bin und mehr vom Leben gesehen habe, werde ich mich mit dieser Frage beschäftigen“ Alle, die so reden, bedenken nicht, dass Gott ebenfalls ein „Bis“ für sie hat — einen Zeitpunkt in ihrer Lebensgeschichte, wo Er ihnen zurufen wird: ,,Bis hierher und nicht weiter!“ Und dieser Augenblick könnte heute schon kommen! Der „reiche Mensch“ im Gleichnis sprach zu seiner Seele: „Seele, du hast viele Güter daliegen auf viele Jahre2, und er war wohl auch ein gesunder, starker Mann, der voraussichtlich noch manches Jahr zu leben hatte; aber Gott sprach zu ihm: „Du Tor! in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern“

„In dieser Nacht!“ Nicht nächste Woche oder nächsten Monat; nein, „in dieser Nacht“. Mein Leser! Könnte nicht auch dein Atem „in dieser Nacht“ langsamer und langsamer gehen, dein Herzschlag schwächer und schwächer werden, bis er zuletzt ganz aufhörte, ohne dass dir eine erneute Warnung zugerufen und dir auch nur ein Augenblick Zeit zur Vorbereitung gelassen würde? Dann würde dein Leib leblos daliegen, vielleicht in einem prunkvollen Schlafgemach, aber wo würde deine Seele, deine unsterbliche Seele sein?! Für den Gläubigen ist ein solch unerwartetes Ende nicht schlimm; aber wie ernst ist es für alle Unbekehrten! Wie furchtbar war das Schicksal der Einwohner von Sodom und Gomorra in den wasserreichen Ebenen des Jordan! Sorglos lebten sie dahin, unbekümmert um die Zukunft, unbekümmert um die Vergangenheit. Sie kauften und verkauften, pflanzten und bauten, ungeachtet der ihnen zugerufenen Warnung: „Machet euch auf, gehet aus diesem Orte; denn Jehova will die Stadt verderben«. Was Lot betrifft, so ist es allerdings kaum zu verwundern, dass die Worte eines Mannes, der so lange aus Eigennutz in der bösen Gesellschaft ihrer Hörer gelebt hatte, ohne Erfolg blieben. Aber diese waren verantwortlich für das, was sie gehört hatten. Darum: „An dem Tage, da Lot von Sodom ausging, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte alle um“! (Luk. 17, 29).

Friedlich wie immer dämmerte der Morgen zum letzten Male über der dem Verderben geweihten Stadt. Keine ungewöhnliche Naturerscheinung warnte die schuldbeladenen Bewohner. Klar und blau wölbte sich der Himmel über ihnen, und erfrischend strich der Morgenwind durch die noch stillen Straßen. Aber in dringendem Tone richtete sich die göttliche Mahnung an Lot, nach Zoar zu entfliehen. Nur um seinetwillen wurde ja das Gericht noch aufgehalten. „Eile, rette dich dorthin; denn ich kann nichts tun, bis du dorthin gekommen bist“. Und kaum hatte Lot Zoar erreicht, da bedeckte sich der Himmel mit dichter Finsternis; und als die Bewohner Sodoms und Gomorras erschreckt emporstarrten, „ließ Jehova Schwefel und Feuer regnen von Jehova aus dem Himmel“.

Nicht wahr? angesichts solch ernster Warnungen und Gerichte wäre es unklug, die Ankündigung eines anderen, nahe bevorstehenden Verderbens leicht zu nehmen. Und doch, wie viele sind so unklug! Höre, was der Apostel Paulus einst den weisen Athenern zurief: „Gott gebietet jetzt den Menschen, dass sie alle allenthalben Buße tun sollen, weil Er einen Tag gesetzt hat, an welchem Er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann (wieder dasselbe Wort wie oben !), den Er dazu bestimmt hat, und hat allen den Beweis davon gegeben, indem Er Ihn auferweckt hat aus den Toten“ (Apstgsch. 17, 31) Der Tag ist festgesetzt, das Gericht ist bereit. Aber Gott zögert noch, es auszuführen. Eins steht noch im Wege. Was ist das? Da ist einer, ,,welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist“ (2. Thess. 2, 7). Noch einmal dieses feierliche „Bis“! „Ich kann nichts tun, bis du dorthin gekommen bist“, sagte Gott zu Lot, als er der göttlichen Zufluchtsstätte zueilte. Und heute verbürgt uns Sein Wort: Der Tag des Herrn „kommt nicht, es sei denn dass zuerst der Abfall komme. . . . Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam, nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist“. Und der Herr selbst ruft Seiner auf Ihn wartenden Gemeinde zu: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche aus der Erde wohnen“ (Offbg. 3, 10). Nicht ein „Siegel“ des Buches der Gerichte kann gebrochen werden, nicht eine „Posaune“ wird ertönen, nicht eine „Schale des Grimmes Gottes“ ausgegossen werden, bis die Kirche Gottes, die auserwählte Braut Christi, in welcher der Heilige Geist wohnt, zu Ihm entrückt ist. Die „Toten in Christo“ werden zuerst auferstehen, die lebenden Gläubigen verwandelt werden, und dann werden alle miteinander „entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein“. (1.Thess. 4, 15 —17). Wenn damit Gottes Hindernis beseitigt ist und Satan ungehemmt seinen furchtbaren Einfluss auf die Menschen ausüben kann, wird er sie in „großer Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat“ (Offbg. 12, 12), einem schnellen Verderben entgegenführen.

Fragst du: „Wann wird dies geschehen? Wann wird der Herr kommen?“ so lautet die Antwort: Jeden Augenblick kann es eintreffen. Niemand vermag Tag oder Stunde zu bestimmen, aber niemand darf auch unerfüllte Weissagungen zwischen uns und dieses Ereignis stellen. „Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen“, waren die Abschiedsworte, die der Herr Seinen trauererfüllten Jüngern zurief. Er wusste, dass nichts anderes ihren Schmerz so zu lindern vermochte wie diese glückselige Hoffnung. Ähnlich tröstete auch der Apostel Paulus die betrübten Thessalonicher, indem er sie belehrte, dass sie ihre entschlafenen Lieben in dem Augenblick der Ankunft des Herrn wiedersehen würden. Und die letzte Versicherung, die Jesus uns in Seinem Worte gibt, lautet: „Ja, ich komme bald!“ Seine Wiederkehr war stets die herrliche Hoffnung des treuen Gläubigen, und Sein Gericht über die Erde und ihre schuldigen Bewohner wird so lang zögern, bis diese Hoffnung erfüllt ist. Wohl erkennt der Glaube in den schrecklichen Dingen unserer Tage die Anzeichen des kommenden Sturmes. Aber noch ist „der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist, und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch Seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung Seiner Ankunft“. Noch sind der Heilige Geist und die Gemeinde auf dieser Erde, noch hält Gott Ordnung und Autorität aufrecht, aber bald wird auch „das, was zurückhält“, hinweggetan werden, und alle Schranken, die der Offenbarung des Gesetzlosen, des Antichristen, im Wege stehen, werden zusammenbrechen.

„Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft?“ rufen die Spötter, ,,alles bleibt so von Anfang der Schöpfung an“ (2. Petr. 3, 4). Es mag sein, dass morgen, vielleicht auch übermorgen noch alles in gewohnter Weise vorangehen wird; vielleicht auch noch länger, aber nur so lang, bis die Stimme der Posaune Gottes in das Ohr der entschlafenen Heiligen dringen und sie daheim, in der Fremde, auf den Schlachtfeldern oder in der Tiefe des Meeres, „in einem Nu, in einem Augenblick« auferwecken und die Lebenden verwandeln wird. (1. Kor.15, 52.) Auf der ganzen Erde wird nicht ein Gläubiger zurückbleiben, kein Atom des erlösten Staubes der Kinder Gottes wird im Grabe gelassen werden.

Was hat diesen, für Gottes wartendes und bedrängtes Volk so heiß ersehnten Augenblick bisher verzögert? Wir sagten es schon: Gottes Langmut, welche „Errettung“ ist. Wir wissen, sie „harrte in den Tagen Noahs, während die Arche zugerichtet wurde“; und so harrt sie heute, damit noch Sünder errettet werden. Für viele ist sie in der letzten Zeit Errettung gewesen. Ach! möchte sie sich noch für viele, viele mehr als solche erweisen! Denn ,,jetzt ist die wohlangenehme Zeit, stehe, jetzt ist der Tag des Heils«. Niemand sage: „morgen“, wenn Gott ihm sagen lässt: „heute“! Zwei Dinge können eintreten, ehe der morgige Tag kommt: der Tod und die Ankunft des Herrn. Beide Ereignisse besiegeln in gleicher Weise das Schicksal der Unbelehrten. Beide sind ungewiss, aber beide sind nahe. Wenn der Herr in dieser Nacht für die Seinen erschiene, würden alle, die das große Heil Gottes verachtet oder vernachlässigt haben, zurückbleiben für die furchtbaren Gerichte, die dann die Erde treffen, und schließlich ,,ewiges Verderben« ernten ,,vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit Seiner Stärke“ (2. Thess. 1, 9).

„Wächter, wie weit ist’s in der Nacht? Wächter, wie weit in der Nacht? Der Wächter spricht: Der Morgen kommt, und auch die« Nacht. Wollt ihr fragen, so fraget! Kehret wieder, kommet her!2 (Jes. 21, 12.)

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Eben Eser

Bibelstelle: 1. Samuel 7

Botschafter des Heils 1917 S. 96ff

Bis hierher hat uns Gott gebracht,

gewiss, Er hilft auch weiter!

Und ginge selbst im Erdenlauf

manch Hoffen noch in Scheiter.

Ob Wolke auch auf Wolke dräut,

sich Well’ auf Welle türmet,

und ob von allen Seiten her

die Windsbraut uns umstürmet;

Ob Sorge sich zu Bergen häuft,

das Auge Tränen netzen,

der müde, wunde Fuß nicht weiß,

wohin die Sohle setzen —

Bis hierher hat uns Gott gebracht

mit starken Vaterhänden.

Was morgen kommt? — es sorgt mich nicht;

Ich könnt’s ja doch nicht wenden!

Ich stelle alles Ihm anheim,

vertraue Seinem Namen.

Bis hierher hat uns Gott gebracht,

Er hilft auch weiter! — Amen.

Sch.

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Aufrecht wandeln

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 97ff

„Ich bin Jehova, euer Gott, der ich euch aus dem Lande Ägypten heraufgeführt habe, dass ihr nicht ihre Knechte sein solltet; und ich habe die Stäbe eures Joches zerbrochen und euch aufrecht wandeln lassen“ (3. Mose 26, 13).

Sieh den müden Wanderer dort! Haupt und Rücken gebeugt, schleicht er mühsam dahin. Schwere Krankheit hat ihn seiner Kräfte beraubt. Oder jenes alte Mütterchen, wankend am Stabe! Des Lebens Last und Mühen haben ihren Rücken gekrümmt. Von der einfügen Rüstigkeit ist keine Spur mehr zu sehen. — Beide können nicht aufrecht wandeln. Ihre Kraft ist gebrochen, versiegt. Ein wehmütiges Bild!

Doch wer wollte jene tadeln? Sie können nicht anders. Wie aber, wenn Kinder Gottes den Kopf hängen lassen und scheinbar kraftlos ihre Straße ziehen? Ist das nicht betrübend? Ist es nicht schmerzlich für das Herz unseres treuen Herrn, der aus Seiner Fülle so gern darreicht Kraft um Kraft, Gnade um Gnade? Und ist es nicht demütigend für den Einzelnen und auch für die Gesamtheit der Erlösten? Dass aber in unseren an Sorgen reichen, von tiefstem Schmerz bewegten Zeiten mancher der geliebten Gläubigen in seinem inneren Leben den angeführten Bildern gleicht, vielleicht unbewusst, wer wollte es leugnen? Wie beschämend für uns! Die armen Weltkinder um uns her, die ohne Gott und ohne Hoffnung dahinleben, kennen nicht die Quelle der Kraft, haben keine Verbindung mit dem Sieger von Golgatha. Ihr Klagen und Verzagen ist begreiflich. Doch wir!?

Die oben angeführte Schriftstelle enthält eine treffliche Belehrung. So lang Israel in Ägypten war, schmachtete es unter der grausamen Herrschaft eines gefühllosen Tyrannen. Rohe Treiber mit der Peitsche überwachten die unter schwerer Lastarbeit Seufzenden. Ein getreues Bild von der Herrschaft Satans, der nur darauf aus ist, die Seelen zu plagen und zu erbittern! So waren die armen Hebräer gebeugt nach Leib und Seele. An ein freudiges, aufrechtes Wandeln war nicht zu denken. Gott aber hatte das Elend Seines Volkes gesehen, und fein Geschrei wegen seiner Treiber hatte Er gehört. Er sagt: „Ich kenne seine Schmerzen“ (2. Mose 3, 7). Er zerbricht die Stabe ihres Joches und führt sie mit starker Hand aus dem Lande der Knechtschaft herauf. Nun sind sie ein erlöstes Volk. Die Gnade und Macht ihres Gottes lässt sie aufrecht wandeln, hin nach Kanaan, dem verheißenen Lande. Und ob der Pharao in blinder Wut ihnen nachjagt, — sie dürfen furchtlos stehen und die Rettung Jehovas sehen (2. Mose 14, 13).

Dann ziehen sie durch das Rote Meer wie durch trockenes Land, um, nachdem Gott den Feind vernichtet hat, jenes herrliche Loblied anzustimmen, das in seiner Bedeutung und Schönheit heute noch vorbildlich ist für alle Lobgesänge der Erlösten Gottes. Es preist die herrliche Größe Gottes und Sein wunderbares Tun: „Wer ist dir gleich unter den Göttern, Jehova! wer ist dir gleich, herrlich in Heiligkeit, furchtbar an Ruhm, Wunder tuend! . . . Du hast durch deine Güte geleitet das Volk, das du erlöst, hast es durch deine Stärke geführt zu deiner heiligen Wohnung.“ Doch nicht nur dankbar rückwärts blicken jene glücklichen Sänger. Ihr Glaubensauge schaut auch das Ende der Wege ihres Gottes: „Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils, die Stätte, die du, Jehova, zu deiner Wohnung gemacht, das Heiligtum, Herr, das deine Hände bereitet haben“ (2. Mose 15, 11. 13. 17). Glückliches Volk! Einst Sklaven, jetzt Erlöste, von des Feindes Macht völlig Befreite. So ziehen sie unter Jehovas Führung und Geleit dem Lande entgegen, das von Milch und Honig fließt. Wohl sind sie noch in der Wüste, wo es weder Weizenfelder noch Fruchtgärten gibt; doch Jehova ist da, ihr Erlöser, der ihnen „Brot vom Himmel“ und „Wasser aus dem Felsen“ darreicht. Das ist genug. Wahrlich, im Blick auf das, was Jehova für sie getan hatte und täglich neu an ihnen tat, hatten sie alle Ursache, dankbar vorauszugehen, aufrecht zu wandeln! Ihr öfteres Murren auf dem Wege wäre uns kaum begreiflich, wenn wir nicht gar zu oft denselben traurigen Fehler machten.

O das menschliche Herz ist zu allen Zeiten ein trotziges und verzagtes Ding. Wie leicht erwacht in ihm eine Stimme der Auflehnung gegen Gottes Wege, wenn sie den eigenen Wünschen entgegengehen! Das ist Trotz. Und wie schnell sind Fragen, Zagen und Klagen da, wenn das Herz sich nicht in kindlichem Glauben über die Umstände erhebt und hinschaut auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens! Das ist Verzagtheit. In beiden Fällen aber ist des Feindes Absicht erreicht. Er will nicht, dass wir in kindlicher Zuversicht und Abhängigkeit aufrecht wandeln. Je widerspenstiger, oder trostloser und niedergebeugter wir sind, desto mehr frohlockt die alte Schlange. Ihre größte Freude wäre es, uns derart verzagt zu machen, dass wir, im Bilde geredet, nur noch dahinwankten wie ein Schwerkranker, dem kein Arzt mehr helfen kann, so dass Nachbarn und Bekannte mit Fingern auf uns weisen und höhnisch fragen könnten: „Was habt ihr nun von eurem Glauben und von eurem Jesus?“ Welch eine Schmach wäre das aber für den kostbaren Namen unseres teuren Herrn!

Deshalb, teure Mitpilger, lasst uns ablegen jede Bürde, die irgendwie das Herz beschwert und uns hindert, aufrecht zu wandeln! Lasst uns alles an das Herz unseres treuen Herrn legen, damit Er uns aufrichten und aufrecht halten kann, und wir trotz der Schwere der Umstände erhobenen Hauptes freudig Seiner Ankunft entgegenwandeln!

Und, beachten wir es wohl, Gott gibt dem Volke nicht den Befehl, aufrecht zu wandeln. Nein, Er lässt sie aufrecht wandeln, indem Er die Stäbe ihres Joches zerbricht. Es handelt sich um eine notwendige Folge des göttlichen Tuns, um eine von Gott gewirkte Tatsache. Die Jochstäbe liegen zerbrochen am Boden, zu Ende ist die Knechtschaft. Durch Jehovas Macht und Gnade befreit, wendet Israel, von der Wolken- und Feuersäule geleitet, Ägypten für immer den Rücken.

Und wie steht es heute mit uns? „Unser Herr Jesus Christus hat sich selbst für unsere Sünden hingegeben, damit Er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt“ (Gal. 1, 3. 4). Wir waren einst Sklaven der Sünde. „Freigemacht aber von der Sünde, sind wir Sklaven der Gerechtigkeit geworden“ (Röm. 6, 17. 18.) Auch unsere Jochstäbe sind zerbrochen. „Einst waren wir unverständig, ungehorsam, irregehend, dienten mancherlei Lüsten und Vergnügungen, führten unser Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend“, waren Knechte der Sünde auf alle Weise. Jetzt aber, „errettet“ und „gerechtfertigt durch Seine Gnade“, sind wir Erben — Erben Gottes und Miterben Christi — „nach der Hoffnung des ewigen Lebens“ (Tit. 3, 3 - 7). In dem herzerquickenden Sonnenschein solch überströmender Gnade lässt Gott auch uns aufrecht wandeln. Sklavensinn und Sklavenfurcht sind verschwunden. Er, den wir einst mit Recht fürchteten, ist unser Vater geworden und hat, wie der Herr Jesus Seinen Jüngern sagt, „selbst uns lieb“ (Joh.16, 27). Darum nahen wir Ihm nicht nur ohne Furcht, sondern mit kindlicher Zuversicht. In Christo haben wir die Freimütigkeit und den Zugang in Zuversicht durch den Glauben (Eph. 3, 12).

Aber der Feind und seine Macht!? Ach, sie sind vernichtet, wie einst der Pharao und sein Heer. Der Herr Jesus hat ,,durch den Tod den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreit, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren“ (Hebr. 2, 14. 15). Wie einst Israel am anderen Ufer des Roten Meeres, so stehen auch wir jetzt triumphierend als Sieger jenseits des Kreuzes, preisen Jesum und Seine Rettung und erwarten Seine Herrlichkeit. Auch wir sagen, und zwar in weit herrlicherem Sinne: »Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils, die Stätte, die du, Jehova, zu deiner Wohnung gemacht hast“ (2. Mose 15, 17). In dieser Glaubenszuversicht heben sich Herz und Haupt empor.

Wohl wandert unser Fuß noch durch den Sand der Wüste, und bei der Trübsalsglut der Gegenwart liegt das Ermatten nahe. Wer hätte das in unseren schweren Tagen nicht schon selbst erfahren? Aber lasst uns nicht vergessen, in diesem „dürren und lechzenden Lande ohne Wasser« fehlt nie „der Schatten des gewaltigen Felsen“ (Jes. 32, 2), nie der erfrischende, sichere Zufluchtsort am Herzen des Herrn Jesus. Immer wieder erfahren wir, dass Seine Güte besser ist als Leben, ja, dass wir jubeln dürfen in dem Schatten Seiner Flügel (Ps. 63).

Als Jonathan einst sehr ermattet war, „streckte er das Ende seines Stabes aus, der in seiner Hand war, und tauchte ihn in den Honigseim und brachte seine Hand wieder« zu seinem Munde, und seine Augen wurden hell“ (1. Sam. 14, 24 — 31). Das Wenige gab ihm neue Kraft und Frische. Die Fülle aber wurde dadurch nicht vermindert, denn „ein Strom von Honig“ war da.

Wollen wir nicht von Jonathan lernen? Die Zeichen der Pilgerschaft, Mühsal und Not aller Art begleiten uns, wie Jonathans Stab seinen Herrn. Sie erinnern uns bei jedem Schritt daran, dass wir noch im Leibe der Niedrigkeit aus der armen Erde pilgern. Und doch können gerade sie zur Vermittlung des kostbarsten Genuss es für unsere Herzen dienen. Je mehr wir uns daran gewöhnen, alles was uns drückt und quält an das Herz unseres Herrn Jesus zu legen, desto reichlicher werden wir genießen von dem „Strom von Honig“, der in Seiner teuren Person und Seinem kostbaren Worte unerschöpflich für uns fließt, und indem wir das tun, werden unsere Augen hell! Erhobenen Hauptes, mit sicheren Schritten, wandeln wir durch die Wirrsale dieser Zeit. Sinnend über das Tun des Herrn und Seiner Wunder von alters her gedenkend (Ps. 77), genießt das Herz inmitten der Leiden und Trübsale ein tiefes seliges Glück. Mögen dann auch in der Stille vor Ihm die Tränen noch fließen, der Wandel zeigt Kraft und Entschlossenheit. Es hält uns aufrecht Seine Rechte (Ps. 63, 8).

So empfängt die Welt ein wirksames Zeugnis von dem Wert und der Kraft des uns geschenkten neuen Lebens, während wir, am Boden liegend, niemand nützen; wir gleichen dann einem stummen Hunde.

Und, wie so oft gesagt worden ist, das Beste kommt noch. Vor uns liegt die ewige Heimat. Der Geliebte naht! Wie einst das Herz des gläubigen Israeliten durch die Hoffnung auf das gelobte Land immer neu belebt wurde, so verleiht uns der Ausblick auf den „Kommenden“, der kommen und nicht verziehen wird, stets neue Frische und Kraft, um aufrecht zu wandeln bis ans herrliche Ziel.

Freudig ziehen, voll Verlangen,

Gottes Pilger hin zum Vaterhaus;

Schauen aufwärts ohne Bangen,

das Erbarmen trieb die Furcht ja aus.

Wollen auch des Satans Pfeile schrecken,

drücken auch die Leiden dieser Zeit;

Nichts kann schaden —- Jesu Hände decken

sich zum Schilde über uns im Streit.

Wer darf zagen, wer darf klagen,

wer ermatten hier im Kampf und Lauf?

Der die Schuld gesühnt, getragen,

trägt zur heil’gen Stätt’ uns auch hinauf.

Bald, ja bald am Ziele, an der Schwelle,

bald tönt der Posaune froher Schall;

Und dann steigen auf aus ihrer Zelle

die entschlafenen Brüder ohne Zahl.

Ja, wir ziehen Dir entgegen,

nur bei Jesu, Dir, ist wahre Ruh’;

Stets erquickt durch Himmelssegen,

wallen wir der Heimat fröhlich zu.

Und den guten Kampf in Deinem Namen

kämpfend, rufen wir voll Sehnsucht: „Kommt“

„Ja, ich komme bald!“ — so sagst Du. — „Amen!“

O welch süßer Trost! – „Herr Jesu, komm!“

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Die Entrückung in den dritten Himmel und der Dorn im Fleische

Bibelstelle: 2. Korinther 12

Botschafter des Heils 1918 S. 104ff

Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Anfang und dem Ende unseres Kapitels (2.Kor. 12), zwischen dem in den dritten Himmel entrückten Apostel Paulus und den Christen in Korinth oder, mit anderen Worten, zwischen dem, was der Christ sein sollte, und dem, was er sein kann, bis wohin er hinab zu sinken vermag.

Der 2. Vers redet von einem großen Vorrecht. Paulus nennt sich da selbst einen „Menschen in Christo“. Das ist es, was jeden Christen kennzeichnet. Paulus wurde nicht in seiner Eigenschaft als Apostel in den dritten Himmel entrückt, sondern als ein Mensch in Christo, also auf dem gleichen Boden, auf dem die ganze Gemeinde Gottes steht. Wer einfältig an Christum geglaubt hat, ist eine neue Schöpfung, ein Mensch in Christo, und hat seinen Platz im dritten Himmel, obgleich wohl kein Mensch in Christo je in der Weise wie der Apostel dorthin entrückt worden ist oder je dahin entrückt werden wird. Aber wir sind alle zusammen mit Christo lebendig gemacht, alle zusammen in Ihm in die himmlischen Örter versetzt.

Paulus hat im dritten Himmel nicht eine Offenbarung für andere empfangen; nein, er hat dort Geheimnisse, unaussprechliche Worte gehört, welche der Mensch nicht sagen darf. Gottes Gegenwart ist dort für ihn in einer Weise wirklich geworden wie nie zuvor, und daraus hat er seine Kraft geschöpft. Wenn das Glaubensauge sich bis zu Gott erhebt, in Seine Gegenwart, so empfängt der Gläubige dort mit der Gemeinschaft die Kraft, um in allen Lagen und Umständen vor Ihm zu wandeln. Es handelt sich hier nicht, wie auf dem heiligen Berge, um den Anblick der zukünftigen Herrlichkeit Christi, — sondern, wie gesagt, um die Gemeinschaft mit Gott, an welcher der Leib nicht teil- haben kann, für die er selbst unempfindlich ist. Dem Grundsatz nach besteht diese Gemeinschaft für einen jeden von uns. Dem Grade nach ist sie verschieden, aber unser großes und gemeinsames Vorrecht findet in den Worten des Apostels Johannes seinen Ausdruck: „auf dass auch ihr mit uns (den Aposteln) Gemeinschaft habet; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus“ (1. Joh. 1, 3).

Im Epheserbrief, Kap. 1, 15—-20 und Kap. 3, 14 — 19, haben wir zwei Gebete, die inhaltlich sehr verschieden voneinander sind. Das erste hat die Erkenntnis der Herrlichkeit Christi und des damit in Verbindung Stehenden zum Gegenstand, das zweite drückt den Wunsch aus, dass unsere Seelen die Gemeinschaft mit Gott genießen möchten: Der Apostel fleht in dem zweiten Falle, dass wir durch den Heiligen Geist gestärkt werden möchten an dem inneren Menschen, auf dass der Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohne und wir mit der Erkenntnis der Liebe Christi erfüllt werden möchten bis zu der ganzen Fülle Gottes. Diese Segnungen aber können für uns nicht wirklich werden, so lang wir das suchen, was hienieden ist; denn dann betrüben wir den Heiligen Geist, und eine Schwächung des inneren Menschen ist die unmittelbare Folge.

Was war es denn, dessen der Apostel Paulus sich rühmte? War es das, was er war, oder das, was er getan hatte? Keines von beiden; er rühmte sich vielmehr seiner Schwachheiten! (V. 9). Wie ist das möglich? In der Gemeinschaft mit Gott hatte er verstanden, dass seine Kraft in Gott war. Wenn er in „Schwachheit des Fleisches“ (vergl. Gal. 4, 13) das Werkzeug zur Bekehrung vieler Menschen gewesen war, so lag das nur daran, dass „Gottes Kraft“ mit ihm war. Darum hatte er auch Wohlgefallen an Schwachheiten. an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten für Christum, kurz, an allem, was das Fleisch hasst, weil es ihm hindernd in den Weg tritt.

Sobald der Apostel das Bewusstsein seiner Gegenwart im Fleische wiedererlangt hatte, suchte das Fleisch sich zu erheben, und deshalb schickte Gott den Dorn. Das Fleisch sucht die Bequemlichkeit, es fürchtet Kämpfe und Schwierigkeiten; aber Gott erlaubt dem Fleische keine Bequemlichkeit zum Schaden der Seele. Man kann vielleicht um die Heilung von Krankheiten oder um Befreiung aus widrigen Umständen heiß und an- haltend flehen, und doch erhört Gott die Bitten nicht. Warum nicht? Weil unsere Abhängigkeit von Gott durch die Umstände vermehrt wird. Und beachten wir, wir sollen nicht nur suchen, Schwachheiten mit Fassung zu ertragen, nein, Gott will, dass wir Wohlgefallen an ihnen haben, weil die Kraft Christi steh darin an uns offenbaren kann.

Der Dorn im Fleische, welcher dem Paulus gesandt wurde, damit er sich nicht überhebe, bestand unzweifelhaft in etwas, das ihn bei der Verkündigung des Wortes verächtlich machte. (Vergl. Gal. 4, 13. 14). Es war ein Gegengewicht gegen das Vorrecht der Entrückung, dessen er gewürdigt worden war. Wir erhalten nicht notwendigerweise denselben Dorn wie Paulus. Gott wird uns einen für uns passenden Hemmschuh schicken. Und zwar benutzt— Gott Satan wider das Fleisch.

Satan wirkt „in verschiedenen Arten auf das Fleisch. Vor der Bekehrung, so lang das Gewissen verhärtet ist, steht das Fleisch unter der unmittelbaren Gewalt Satans. So war es bei Judas, der das Geld liebte und ein Dieb war. Nachdem er den Bissen genommen hatte, fuhr der Satan in ihn, um ihn zur Begehung seines entsetzlichen Verbrechens und, sobald er das Ergebnis desselben erblickte, zur Verzweiflung zu treiben.

Ferner wird das Fleisch durch die Verführungskünste Satans zum Handeln veranlasst. Nach der Bekehrung ist das Fleisch genauso vorhanden, wie vorher, und es kann wiederum unter die unmittelbare Einwirkung Satans kommen, wenn der Geist, das Siegel der Erlösung, Sein Werk der Befreiung noch nicht in uns vollendet hat. Man befindet sich dann in dem Falle des Petrus, der sich in fast allen Umständen und Lagen in Gegensatz zu Christo stellte. Als Jesus z. B. vor der Verklärung von Seinen zukünftigen Leiden redete. und Petrus in seiner fleischlichen Liebe Ihm dies ausreden wollte, musste der Herr ihm zurufen: „Gehe hinter mich, Satan!“ (Matth. 16, 23).

Schließlich möchte Satan uns mittelst des Fleisches sichten wie den Weizen. Jesus teilt dies Seinen Jüngern mit und betet besonders für Petrus, dessen Fleisch stark war. Bei jeder Gelegenheit stellte Petrus sich in den Vordergrund und brachte dadurch jedes Mal ans Licht, dass das Fleisch sich im Gegensatz zu Christo befindet. „Wachet und betet, auf dass ihr nicht in Versuchung kommet«, sprach Jesus zu den Jüngern. Die Wirkung des Gebets geht dahin, uns vor dem Sicheinlassen in die Sünde zu bewahren. Jesus betete, und als die Versuchung kam, vermochte sie nichts über Ihn. Die drei Jünger dagegen schliefen vor Traurigkeit ein, anstatt zu wachen und zu beten. Kam nachher die Versuchung, so fielen sie ihr zur Beute. Als alles, was das Herz des Herrn zu brechen vermochte, sich gegen Ihn verband, als Judas Ihn mit einem Kuss verriet, blieb Er doch ganz ruhig. Er überlieferte sich still den Händen der Häscher und erduldete willig die tiefsten Demütigungen. Petrus dagegen zieht das Schwert! Das Fleisch brachte ihn wohl in die Versuchung hinein, aber dann ließ es ihn im Stich. Es führte Petrus bis zum Hohenpriester. Aber welch ein Unterschied! Während der Herr dort ein herrliches Zeugnis ablegte, wurde Petrus, durch Satan betrogen, zu einem Verleugner! So ist es immer. Das Fleisch befindet sich stets im Gegensatz zu Christo. Und doch liebte Petrus den Herrn von ganzem Herzen.

Selbst nachdem Petrus den Heiligen Geist empfangen hat, sieht man ihn noch nach dem Fleische handeln. (Vergl. Gal. 2, 11 -— 21). Das Schlimme dabei ist, dass jedes Mal, wenn ein Christ fleischlich handelt, das, was an Frömmigkeit in ihm ist, dem Bösen, das er tut, in den Augen anderer eine gewisse Weihe gibt. Aus diesem Grunde sind, wenn das Fleisch in einem Christen zu wirken beginnt, die Folgen weit ernster, als wenn dies bei einem Unbekehrten geschieht. So riss Petrus durch sein Beispiel alle Juden von Antiochien, selbst den Apostel Barnabas, in seiner Heuchelei mit sich fort.

Selbst die Tatsache, im dritten Himmel gewesen zu sein, verändert das Fleisch in keiner Weise. Es bleibt stets, was es ist. So hätte es zu Paulus sagen können: „Da, wo du gewesen bist, ist noch nie jemand gewesen“. Darum erhält der Engel Satans die Erlaubnis, ihn mit Fäusten zu schlagen; aber indem er das tut, dient er einfach als Werkzeug der Güte Gottes, um Paulus vor Überhebung zu bewahren. Gott schlägt nicht selbst, sondern Er benutzt Satan, der den Kindern Gottes so gern Böses zufügt, als Werkzeug, um unserem Fleische da, wo es sich überheben und in den Vordergrund treten möchte, Widerwärtigkeiten zu bereiten.

Aber gerade die für das Fleisch schmerzlichsten Umstände sind es, welche unseren Seelen den größten Nutzen bringen. Es wäre zwecklos, wenn ein Vater seinem Kinde eine Züchtigung zuteil werden ließe, die für das Kind keine Züchtigung wäre. Gottes mächtiges Wirken in uns und andererseits unsere Schwachheit treten in den Schwierigkeiten zutage. Wenn uns eine schmerzliche Übung naht, so ruft Gott uns zu: „Meine Gnade genügt dir“. Er möchte uns in Seiner Gegenwart eine Freude genießen lassen, die das Fleisch nicht anzutasten vermag. Darum: alles was uns schmerzlich empfinden lässt, was das Fleisch ist, bringt uns Nutzen und geistlichen Gewinn.

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Jesus vergoss Tränen

Bibelstelle: Johannes 11, 35

Botschafter des Heils 1918 S. 110ff

Hienieden ist allem der Stempel der Vergänglichkeit und des Todes ausgedrückt. Wunderbar aber ist die Kraft, die das Evangelium Gottes dem Glaubenden verleiht angesichts des Todes und der Verwesung. Für die menschliche Natur ist der Gedanke an den Tod schrecklich. Schon eine verwelkende Blume, das Hinsterben der Blätter im Herbste stimmt traurig. Blumen in einem Sterbezimmer erwecken erst recht wehmütige Gefühle. Für den Glauben aber ist alles verändert. Gott selbst ist ins Mittel getreten, um den furchtbaren Folgen der Sünde zu begegnen, und Er schenkt Seinen trauernden oder sterbenden Kindern das Vorrecht, nicht das Sichtbare anzuschauen, sondern die Herrlichkeit der vor ihnen liegenden Wohnung im Vaterhause droben zu verwirklichen. Mag auch die ganze Macht Satans am Grabe in die Erscheinung treten, in Christo besitzen wir alles, was uns auszurichten und über Schmerz und Leid zu erheben vermag.

Wir alle, die wir „Kinder Gottes durch Glauben an Christum Jesum“ sind, befinden uns auf dem Wege zur Heimat. Wir dürfen zum Himmel emporschauen als zu dem Endziel unserer Reise, zu der wir unterwegs sind, wo wir heimatberechtigt sind. Das Evangelium Gottes stellt ewige Wirklichkeiten vor unsere Seele und zeigt uns, wie wir mit denselben in Verbindung gebracht worden sind. Christum besitzen heißt die Auferstehung und das Leben besitzen. Wir sehen in Ihm sowohl den Gott der Schöpfung als auch den Gott der Auferstehung. Durch eine und dieselbe Macht schuf Er den Menschen und weckt Er die Toten auf.

Wie wunderbar ist die Tatsache, dass unser Schöpfer als Mensch zu uns gekommen ist! Wie wunderbar, Ihn. „der da sprach, und es geschah“, in unserer eigenen Gestalt hienieden zu erblicken: „Gott, geoffenbart im Fleische“! Und weiter: Ihn jetzt droben auf Gottes Thron zu wissen, Gott und doch immer noch Mensch, mit vollkommen menschlichen Gefühlen, der Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten! Zu wissen, dass es keine Sorge, keinen Druck, kein Leid gibt, die wir nicht an Sein Herz bringen dürfen, zu Ihm, dem auferstandenen Jesus!

Ach, die Welt will einen solchen Herrn nicht! Obgleich sie voller Elend, Jammer und Herzeleid ist, stößt sie den Einen, der ihr allein zu helfen vermag, von sich! Und doch ist Jesus auf diese Erde herabgestiegen, um der armen, tief gefallenen und in Sünde und Satans Gewalt verstrickten Menschheit Leben und ewige Rettung zu bringen und ihr Sein ganzes Erbarmen, Seine unbegreifliche Liebe zu offenbaren.

Schauen wir Ihn bei Seinem Besuch der Schwestern des gestorbenen Lazarus! Er, der „die Auferstehung und das Leben“ ist, weint mit den Weinenden. Maria weiß wohl, was sie an Ihm hat. Sie geht nicht zu dem Grabe hinaus, sondern zu Christo. Von diesem Weibe können wir lernen. Wie viele Gräber gibt es auch in unseren Tagen! Aber lasst uns nicht die lieben Unsrigen unter den Toten suchen! Jesus ist Herr über Tod und Grab, und Jesus ist unser Herr.

Es liegt etwas unendlich Köstliches in dem Gedanken, dass Gott in menschlicher Gestalt hienieden war, um mit den Weinenden zu weinen und durch Seine Allgewalt und Liebe den Kummer des Menschen in Freude zu verwandeln. Jesus weinte nicht nur mit den Weinenden, Er gab auch dem Toten Leben. Zu diesem Zweck wandte Er Seine Schritte dem Trauerhause zu.

Was uns aber den Herrn bei dieser Gelegenheit menschlich so nahe bringt, das ist nicht die göttliche Macht, die Er an dem toten und schon in Verwesung übergegangenen Lazarus beweist, sondern vielmehr die Tatsache, dass Er, der Gott von Ewigkeit, angesichts der Tränen der trauernden Schwestern tief im Geiste seufzt, sich erschüttert und selbst weint. Gott in Menschengestalt stellt sich neben den Menschen und weint mit ihm! Wäre es nicht ein Meer von Tränen wert, nur diese kostbaren Tränen zu sehen? In der menschlichen Natur Christi tat das Herz Gottes sich kund:

,,Jesus vergoss Tränen“.

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Bereitet den Weg des Herrn

Bibelstelle: Matthäus 3,1 – 12

Botschafter des Heils 1918 S. 113ff

(Ein Brief).

Der Zweck der Sendung und des Dienstes Johannes des Täufers war, dem Herrn „ein zugerüstetes Volk zu bereiten“, das Ihn willkommen heißen und aufnehmen würde (Luk. 1, 17). Schon durch den Prophet Maleachi angekündigt, erschien er zur bestimmten Zeit als Vorläufer und Herold des Messias, des Königs der Herrlichkeit. Sein Dienst bezog sich ausschließlich auf Israel. Dennoch wollen wir an der Hand der Mitteilungen unseres Abschnittes versuchen, einige praktische Anwendungen zu machen, um so durch „die Stimme des Rufenden in der Wüste“ gleichfalls befähigt zu werden, als ein „zugerüstetes“ Volk den Herrn Jesus aus den Himmeln zu erwarten.

Zur Zeit des Auftretens des Täufers sah es traurig aus in Israel. Schon der Prophet Maleachi hatte ergreifend über das Volk geklagt, und seitdem war der Zustand nur noch schlimmer geworden. Genauso wie heute in der Christenheit. Es ist von Schlimmem zu immer Schlimmerem gekommen; und wie damals die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt war, so steht auch heute „der Richter schon vor der Tür“. Fürwahr, ein ernster Gedanke!

Der Verfall in den Tagen des Johannes war allgemein. Doch gab es einige, die sich nicht von dem Strome fortreißen ließen· Auf die Vorschriften und Unterweisungen ihres Gottes achtend, warteten sie inmitten all des Bösen sehnsüchtig auf den verheißenen Messias, „den Trost Israels“. Für sich selbst abgesondert, nahmen sie mit tiefem Schmerz das Überhandnehmen des Bösen wahr; indem dadurch gesegnete Übungen in ihren Herzen bewirkt wurden, fanden sie sich unwillkürlich zusammen, um miteinander zu reden und ihre Gefühle, wie Esra und Daniel es einst taten, vor Jehova zum Ausdruck zu bringen. (Vergl. Esra 3; Dan. 9). Wie wohlgefällig das vor Jehova war, ersehen wir aus den prophetischen Worten Maleachis: „Da unterredeten sich die Jehova fürchten miteinander, und Jehova merkte auf und hörte; und ein Gedenkbuch ward vor Ihm geschrieben für die, welche Jehova fürchten“ (Mal. 3, 16).

Bemerkenswert ist die Lebensweise und das Verhalten des Johannes. Er trug ein raues Gewand von Kamelhaaren und war umgürtet mit einem ledernen Gürtel. So stach schon sein Äußeres auffalIend ab von der Erscheinung der verwöhnten Bewohner Jerusalems. Das Kamel ist ein Wüstenbewohner. Ein Kleid von Kamelhaaren bringt deshalb neben dem Gedanken an Absonderung die Gesinnung der Fremdlingschaft zum Ausdruck, während die Umgürtung an den Dienst erinnert, in welchem Johannes stand, und dessen Ausführung keinen Aufschub erleiden durfte.

Und nun die Anwendung für uns: Wir sollten uns durch solch bildliche Sprache daran erinnern lassen, welche Gesinnung sich für solche geziemt, die um „einen Preis“ aus dem gegenwärtigen Zeitlauf erkauft find. Wir befinden uns noch in der Welt, aber nach den Worten des Herrn sind wir nicht von der Welt. Diese ist für die Nachfolger des Herrn vielmehr eine Wüste geworden, ein Fremdlingsland, in welches sie nur deshalb gesandt sind, um ihrem Herrn zu dienen und von Ihm zu zeugen (Joh. 17, 18). Dazu ist es nötig, in ein Kleid von Kamelhaaren eingehülIt und an den Lenden umgürtet zu sein, mit anderen Worten: als wahre Abgesonderte und Fremdlinge unseren Platz einzunehmen und uns nicht von der Welt beeinflussen zu lassen. Da unser Bürgertum im Himmel ist, gilt es, unaufhaltsam, in treuem, ausharrendem Dienst, diesem herrlichen Ziele zuzustreben. Die Welt hat Jesum verworfen; überall sieht man deutlich die Inschrift: „Er ist nicht hier«. Wenn dieses Bewusstsein im Herzen lebendig ist, so ruft es eine entschieden himmlische Gesinnung hervor, entsprechend den Worten des Apostels Petrus: „Geliebte, ich ermahne euch als Fremdlinge und als die ihr ohne Bürgerrecht seid, dass ihr euch enthaltet von den fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten, indem ihr euren Wandel unter den Nationen ehrbar führet“.

Die Nahrung des Johannes bestand aus dem, was die Wüste ihm bot, oder richtiger was Gott ihn da finden ließ; und das was er fand reichte aus, um ihn für seinen gesegneten, fruchtbringenden Dienst und zum Harren auf den Kommenden zu befähigen. Heuschrecken und wilder Honig bildeten seine Nahrung. Heuschrecken — wahrlich, keine begehrenswerte Kost *), aber für den Nasir Gottes genügte sie als Gottes Gabe und reichte zur Stillung seiner Bedürfnisse aus. Honig — ein Nahrungsmittel, dem nicht manches an Wohlgeschmack und Nährwert gleichkommt. So stand diesem Knechte Gottes einerseits das Geringe, wenig Geachtete, andererseits das Anziehende zur Verfügung und diente ihm zum Unterhalt. Gibt es für den Jünger des Herrn heute auch eine Speise, die einerseits genügt für die verschiedenen Lagen des Lebens auf dem Wege dem Herrn entgegen, und die andererseits süß und wohlschmeckend ist? Wir dürfen freudig mit »Ja« antworten. Unser Gott und Vater hat uns Sein Wort in die Hände gegeben. Und wenn es auch wahr ist, dass wir nur dieses Wort zu erwähnen brauchen, um den Ungläubigen zu einer Kritik desselben zu veranlassen, ja, seinen Spott und Hohn wachzurufen, gibt es doch wiederum nichts, was diesem kostbaren Schatze gleichkäme. Hier ist der unerschöpfliche Brunnen, aus welchem der Gläubige sich Kraft holen darf für seinen Weg und Dienst; und ebenso wie der Honig dem Gaumen wohltut, so ist das Wort Gottes für die Seele süßer als Honig und Honigseim. Kein Buch in der Welt ist wie dieses vermögend, „den Menschen weise zu machen zur Seligkeit“. Der Gläubige weiß auch aus Erfahrung, dass nichts sein Herz, so beleben, erfreuen und belehren kann, wie das Wort Gottes. Es war die Freude und Kraft der Männer des Glaubens zu aller Zeit.

Ein für unsere Tage überaus belehrendes Beispiel, wie man sich von dem Worte nähren und leiten lassen soll, gibt uns der Herr selbst in Matthäus 4. Nachdem Er lange Zeit gefastet hatte »und Ihn danach hungerte«, antwortete Er dem Teufel, der Ihn versuchen wollte, Seine abhängige Stellung Gott gegenüber aufzugeben: „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht“. Ein ergreifendes und herzerforschendes Wort für die Geschwister daheim wie für die Brüder im Felde! O möchten wir alle mit dem Psalmisten sagen können: „Wohlgeläutert ist dein Wort, und dein Knecht hat es lieb!“ Oder: „Die Rechte Jehovas sind köstlicher als Gold und viel gediegenes Gold, und süßer als Honig und Honigseim. Auch wird dein Knecht durch sie belehrt; im Beobachten derselben ist großer Lohn“ (Psalm 119, 140; 19, 9—11). Steht es so mit uns, dann wird unser Pfad dem des Gerechten gleichen, von welchem es heißt: „Er ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe“ (Spr. 4, 18).

Johannes richtete die Augen aller auf einen Gegenstand, auf den Messias, der kommen sollte, und verkündete mit lautem Rufe, was einem jeden angesichts dieses baldigen Kommens not tat. Er legte den Finger aus die Wunden und Schäden, die im offenen Widerspruch zu dem Kommenden standen und mit den Grundsätzen Seines Reiches unvereinbar waren.

Der anfangs erwähnte Überrest erwartete die Erscheinung des Messias, die durch die Ankündigung des Johannes als unmittelbar bevorstehend dargestellt wurde, mit großer Freude. Diese Erwartung übte auf die Treuen jener Tage einen gesegneten Einfluss aus und drückte all ihrem Tun und Lassen ihren Stempel auf. Bei ihnen handelte es sich nicht um ein bloßes Lippenbekenntnis, nein, ihr Herz schlug ungeteilt dem kommenden Herrn entgegen. Wie werden sie sich beeifert haben, den Weg des Herrn zu bereiten und Seine Steige gerade zu machen, d. h. alles aus dem Wege zu räumen, was Ihm mißfälIig und anstößig sein konnte! Die Stimme des Rufenden war ihr Sammelpunkt, ihr Leiter und Wegweiser.

Die Gläubigen unserer Tage bilden auch einen solchen Überrest. Ihr Platz, ihre Gesinnung und Erwartung sind klar niedergelegt in dem lieblichen Sendsehreiben an Philadelphia (Offbg. 3). Der Herr kündigt dort den Seinigen. die Sein Wort und Seinen Namen lieben, an: „Ich komme bald!“ Das ist eine Botschaft, die das Herz höher schlagen und deren Verwirklichung sehnlichst herbeiwünschen lässt, zugleich aber auch die ernste Frage erweckt: „Bin ich bereit für das Kommen meines Herrn?“ Was die Stellung des Gläubigen anbetrifft, so ist die Frage des Bereitseins ja geordnet. Das ein für allemal vollbrachte und für ewig gültige Erlösungswerk des Herrn Jesus hat für jeden Glaubenden alle Fragen, die erhoben werden könnten, Gott gemäß beantwortet. Wenn es sich jedoch um die Frage des praktischen Bereitseins handelt, so liegt die Sache anders, und wir glauben, dass der Dienst des Johannes in mehr als einer Hinsicht Berührungspunkte mit unserer Zeit bietet.

Johannes suchte auf Gewissen und Herzen einzuwirken, indem er dem Volke einerseits seine Untreue und Schuld und andererseits die herrliche Person des Messias vorstellte. Es galt nicht, augenblickliche Eindrücke wachzurufen, eine vorübergehende, wenn auch tiefe Gefühlsbewegung hervorzubringen. Die gleicht einem plötzlichen Windstoß, der für einen Augenblick alles in Bewegung bringt; sobald er aber nachlässt, liegt alles wieder so still und regungslos da wie vorher.

Auch wir bedürfen in unseren Tagen zartfühlende Gewissen dem Bösen gegenüber und ungeteilte Herzen für unseren Herrn. Die Predigt des Johannes: „Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade Seine Steige“, sollte deshalb auch in unseren Herzen einen lauten Widerhall finden. Denn das müssen wir alle bekennen: Vieles hat sich im Laufe der Zeit bei uns eingeschlichen und festgesetzt, was vom Herrn nicht gutgeheißen werden könnte, was uns bei Seiner Ankunft beschämen, ja, vielleicht tief beschämen müsste. Wir geben auch alle zu, dass in der gegenwärtigen Heimsuchung die Stimme des Herrn ernst mahnend zu uns redet. Hat nun diese Erkenntnis uns dahin gebracht, die Dinge hinwegzutun, die dem Herrn nicht gefallen können und Seinen Heiligen Geist betrüben? Hat sie Beugung, Umkehr, Furcht vor dem Bösen und heiligen Eifer hervorgebracht? Im Beginn der Drangsal haben sich allerwärts Gefühle geoffenbart, die Gutes erhoffen ließen, und sicher wird das Auge des Herrn auch heute noch manches Gute sehen und mit Wohlgefallen daraus ruhen. Aber passt nicht auf viele von uns das Bild von dem Windstoß?

Zwistigkeiten, Neid und übles Nachreden bestehen fort, während „herzliche Bruderliebe“ alle umschlingen sollte. Manche ungerichtete Sünde ist geblieben, neben unheiligen Gewohnheiten und Neigungen, weltlicher Gesinnung und Trachten nach irdischem Gewinn. „Bereitet den Weg des Herrn!“ ruft uns der Heilige Geist zu, und an anderer Stelle: ,,Machet gerade Bahn für eure Füße . . . jaget dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit!“ Sinnen wir wohl darüber nach, wer es ist, der da kommt, und zu welchem Zweck Er kommt? Sicher würde es uns behilflich sein, den Weg des Herrn zu bereiten und so in unserem praktischen Leben mehr der Mahnung zu entsprechen: „Welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit!“ (2. Petrus 3, 11).

Es ist Jesus, der da kommt, Er, der einst herniederkam, um zu suchen und zu erretten was verloren ist, der um unsertwillen arm wurde, auf dass wir durch Seine Armut reich würden. Es ist Der, dessen Liebe stärker war als der Tod, und der, von dieser Liebe getrieben, am Stamme des Kreuzes um unsertwillen in namenloser Pein ausrufen musste: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Und Er kommt zu dem Zwecke, uns zu sich zu nehmen, auf dass wir da seien, wo Er ist und, Ihm gleichgestaltet, Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen (Joh.14, 23;17, 24).

Teurer Leser! Kannst du angesichts einer solchen Erwartung, gegenüber einer solchen Liebe gleichgültig bleiben? Wird nicht unwillkürlich die Frage in dir laut: „Wie kann ich mich würdig vorbereiten auf den Augenblick der Ankunft meines teuren Herrn?“ Und wenn diese Frage entsteht, so liegt die Antwort nicht fern. Sie lautet: „Jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist“ (1. Joh. 3, 3). Kein geringerer Maßstab ist uns gegeben für unsere praktische Reinigung auf dem Wege Ihm nach und Ihm entgegen. Haben wir alle und haben wir zu aller Zeit diesen Maßstab angelegt? Wenn nicht, so möge der Ruf: „Bereitet den Weg des Herrn!“ uns dazu bewegen, sofort damit zu beginnen.

Als Jakob den Befehl erhielt, nach Bethel zu ziehen, wo ihm Jehova begegnen wollte, rief er seinem Hause zu: „Tut hinweg die fremden Götter, die in eurer Mitte sind, und reiniget euch, und wechselt eure Kleider“ (1. Mose 35, 2). „Reiniget euch!“ so forderte auch der Prophet Jesaja diejenigen auf, die im Dienste Jehovas standen (Jes. 52, 11), und mehr denn je gilt uns heute die Mahnung: „So lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen (2. Kor. 7, 1; Jak. 5, 8). Wollen wir nicht von Paulus lernen, der sich übte, „allezeit ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und den Menschen“? (Apstgsch. 24, 16). Er wandelte im Lichte des Richterstuhls Christi, vor welchem wir einmal alle geoffenbart werden müssen, „auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (2. Kor. 5, 10). Möchte einer von uns dort erscheinen mit verlorenen Tagen und Wochen, ohne Frucht und Lohn? Der Herr wolle es gnädiglich verhüten! Lasst uns vielmehr alle in dankbarer Hingabe Dem leben, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat! Dann werden wir an jenem Tage aus Seinem Munde auch das kostbare Wort: „Wohl, du guter und treuer Knecht!“ vernehmen dürfen.

Die Wahrheit von dem Kommen des Herrn ist uns allen gut bekannt, aber unser Verhalten entsprach nicht immer dieser Wahrheit. Darum, um uns aufzuwecken und unsere lautere Gesinnung wachzurufen, hat der Herr Seine Hand auf uns gelegt, und wer unter uns wollte nicht bekennen: „Der Herr hat mir etwas zu sagen“?

Lasst uns denn Sorge tragen, Seine Sprache deutlich zu verstehen und uns in Seinem Lichte zu prüfen! Lasst uns den oben erwähnten Maßstab unserer Reinigung rücksichtslos früh und spät anlegen, dann werden wir ganz von selbst den Weg des Herrn bereiten und mit glücklichem Herzen ,,des künftigen Tages« harren. Wir werden erkennen, „dass die Stunde da ist, dass wir aus dem Schlafe aufwachen sollen; denn jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben. Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe.

Fußnote:

*) besonders nicht für unsere Gefühle; im Morgenlande ist es anders, dort werden heute noch von ärmeren Leuten Heuschrecken, geröstet, gekocht oder geschmort, vielfach gegessen.

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Ein einfaches Wort über Johannes 6

Bibelstelle: Johannes 6

Botschafter des Heils 1918 S. 122ff

Das Wunder von der Speisung der fünftausend Mann ist das einzige, welches uns von allen vier Evangelisten berichtet wird. Diese Tatsache ist zweifellos bedeutungsvoll. Es gab eine Prophezeiung über den Messias, die verkündete, dass Er „Seine Armen mit Brot sättigen“ würde (Ps. 132, 15), und wir dürfen sicher sein, dass diese Verheißung hinsichtlich der Regierung des Messias den Armen in Juda wohlbekannte war. So ist es leicht begreiflich, dass nach der Speisung der fünftausend Mann durch den Herrn die Volksmenge sagte: ,“Dieser ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll“, und dass sie Ihn zum König machen wollte (V. 14. 15).

Wir wissen, dass der Tag, da Jesus in königlicher Macht über die jetzt in Leid und Elend versunkene Welt herrschen wird, noch zukünftig ist. Es wird eine Zeit kommen, wo der Herr die Speise Seines Volkes reichlich segnen und seine Armen mit Brot sättigen wird. Aber diese Zeit war noch nicht da. Heute ist Christus das Brot des Lebens, die Speise unserer Herzen und die Befriedigung unserer Seelen. Kein Sünder, der hungrig Ihm naht, geht heute leer fort. Der „Arme im Geiste“ findet, trotz des wachsenden Unglaubens und der stetig zunehmenden Zweifelsucht unserer Zeit, immer noch, dass Er in Wahrheit das Brot des Lebens ist, und dass, wer zu Ihm kommt, nicht hungert (V. 35).

Die Leute damals meinten allerdings, die Stunde, Jesum zum König zu machen, sei gekommen. Des Menschen Zeit dazu war da, aber nur wegen des Brotes, das Jesus ihnen gegeben hatte. Denn wo wäre der Mensch, der nicht die zeitlichen Gaben Gottes willkommen hieße? Aber wie hätte Jesus diesem rein fleischlichen Verlangen entsprechen können? So lesen wir denn von Ihm: »Er entwich wieder auf den Berg, Er selbst allein“.

Anstatt König zu werden, nahm der Herr gleichsam den Platz, des Priesters ein. Das trat bei jener Gelegenheit freilich nur im Bilde hervor; heute aber ist es Tatsache. Gott hat zu Ihm gesagt: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße“; und: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks“ (Ps. 110, 1. 4; Hebr. I, 13). Während Er dort auf das Reich wartet, ist Er unser barmherziger und treuer Hoherpriester, um sich für Seine armen, schwachen und geprüften Jünger zu verwenden und ihnen zu helfen in ihren Leiden und Schwachheiten. „Denn worin Er selbst gelitten hat, als Er versucht wurde, vermag Er denen zu helfen, die versucht werden“ (Hebr. 2, 18).

Während der Herr nun auf jenem Berge war, brach die Nacht herein und entzog Ihn den Augen Seiner Jüngers. Sie waren allein, — denn „Jesus war noch nicht zu ihnen gekommen“, — wenn sie auch einander Gesellschaft leisteten. Sie stiegen in ein Schiff und fuhren auf den See hinaus. Der Herr war nicht bei ihnen, und, ach! der Wind war ihnen entgegen, „und der See erhob sich, indem ein starker Wind wehte“. Die Umstände waren ihnen also sehr ungünstig. Welch ein Unterschied gegenüber dem wunderbaren Ereignis, das noch wenige Stunden vorher stattgefunden hatte, wo sie aus Seiner Fülle genug empfangen hatten, um nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse, sondern auch die der Fünftausend zu befriedigen!

Der hier beschriebenen Nacht gleicht die unsrige. Der Tag, an welchem der Herr auf Erden weilte, Kranke heilend und den Armen helfend, ist vorüber. Dass Er nicht mehr hienieden ist, zeigen deutlich die Umstände; denn Kampf und Not sind das Teil des Schiffers, der sein Fahrzeug durch die wildbewegten Wogen des Lebensmeeres steuert, und niemand ist da, der die Wellen glättet. Die Umstände sind auch uns nicht günstig, aber wir dürfen und sollen Seine Allgenugsamkeit und Seine Sorge für uns gerade in diesen widrigen Umständen kennen lernen. Und, nicht wahr? das dürfen wir selbst von den bittersten Kümmernissen unserer Seele sagen: „Es ist der Mühe wert, mit Jesu durch sie hindurchzugehen. Seine Gegenwart macht selbst das Bitterste süß.“

Noch ist es Nacht, aber die Nacht ist weit vorgerückt. Die Reisezeit hat bald ein Ende, und die heimatliche Küste winkt. Du lieber, hart rudernder Schiffer, dein Fahrzeug eilt dem Ufer zu! Du hast einen bestimmten Punkt, auf den du zusteuerst. Die Jünger des Herrn haben bei ihrer Meerfahrt ein sicheres Ziel vor Augen, ganz anders als die Kinder dieser Welt, deren Schifflein auch auf dem Meere auf und ab tanzt, die aber nicht wissen, wohin die Fahrt geht. Sie haben am anderen Ufer keinen Gegenstand für das Herz. In Nacht und Einsamkeit treiben sie dahin. Kein Freund ist da in den Schwierigkeiten, und kein Heim winkt ihnen freundlich zu, wenn einmal der Sturm für den Augenblick nachlässt.

Wie ganz anders die Jünger des Herrn! Sie kennen Ihn, wenn sie Ihn auch nicht sehen; und Er steigt von dem Berge zu ihnen herab und wandelt auf dem See. Er ist Herr über alles. Alle Kräfte Seiner Schöpfung sind Ihm untertänig. Der unstete, stürmische See trägt seinen Schöpfer auf seinem Rücken, wenn Er sich dem mit den Wogen ringenden Boot nähert. Zuerst fürchten sich die Jünger, als sie Seine Gestalt erblicken, aber als sie erkennen, wer es ist, den ihr Auge schaut, da schwindet ihre Furcht. Seine Gegenwart vertreibt stets die Furcht. Sie nehmen Ihn in das Schiff, und siehe da! Alsbald ist das Schiff an dem Lande, zu welchem sie fahren.

So wird es einst mit dem Überrest jenes Volkes sein, zu dem Jesus als König kam, aber von welchem Er verworfen wurde. Die gläubigen Juden der letzten Tage werden wild umhergeworfen werden auf dem Völkermeere. Aber plötzlich wird ihr Messias erscheinen, und alsbald werden sie am Lande sein. Auf jene Zeit weist der Vorgang auf dem See Tiberias zweifellos hin. Doch auch wir warten auf den Herrn inmitten der Trübsale unserer Zeit. Er kommt, und dann wird Er uns dahin bringen, wohin wir uns sehnen — heim!

„Der Kommende wird kommen“ Bald wird Er vom Himmel herabsteigen, und wir werden Seine Stimme hören. Sein Kommen mag eine Überraschung für uns bedeuten, aber groß wird die Freude sein, Ihn zu sehen. Denn dann wird der lang ersehnte, unaussprechlich selige Augenblick gekommen sein, wo unsere Erwartungen sich erfüllen. In einem Augenblick, „in einem Nu“, werden wir unsere Reise beendet haben und für immer im Vaterhause sein.

„Und alsbald war das Schiff an dem Lande, zu welchem sie hinfuhren“.

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Im Anfang war das Wort

Bibelstelle: Johannes 1

Botschafter des Heils 1918 S. 126ff

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh. 1, 1). Das Wort, der Ausdruck alles dessen, was Gott ist, hat ein ewiges Dasein, ist eine bestimmt unterschiedene Persönlichkeit und besitzt nicht nur Göttlichkeit, göttliches Wesen, sondern Gottheit, d. h. es ist Gott. Das Wort, der Logos, war, ehe die Zeit begann. Nicht im Anfang der Schöpfung, nein, vorher, ehe alles erschaffen wurde, war das Wort bei Gott. Wir können uns in unseren Gedanken vor den 1. Vers der Bibel, d. i. vor die Schöpfung, zurückversetzen; aber soweit wir auch zurückdenken mögen — das Wort war schon da. Es war — nicht es wurde, wurde erschaffen, begann zu bestehen; nein es war im Anfang aller Dinge, wurde nicht nur nicht erschaffen, sondern war der Schöpfer aller Dinge.

„Das Wort war bei Gott« Vater, Sohn und Heiliger Geist waren da. „Das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Ich wiederhole noch einmal, denn es ist nötig, in unseren Tagen darauf zu bestehen, dass das Wort nicht zu der Schöpfung gehört, dass es nicht etwa, wie man heute in lästerlicher Weise behauptet, „ein Gott“ war, in dem Sinne wie auch die Engel an einzelnen Stellen „Götter“ genannt werden; sondern alles, was geschaffen worden ist, Engel, Menschen und Dinge, ist erst durch das Wort geworden. Das Wort war vor allem, und „alles ward durch dasselbe, und ohne dasselbe ist auch nicht eines, das geworden ist“ (V. 3).

„Dieses war im Anfang bei Gott.“ Es ist also nicht zu irgend einer Zeit entstanden, sondern ist in Seinem Dasein und in Seiner Natur ewig; es war da, ehe irgend ein Geschöpf zu bestehen begonnen hatte. Es ist auch nicht ein Ausfluss der Gottheit, sondern ist selbst Gott.

Im Beginn des 1. Buches Mose lesen wir: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“. Wer war der Schöpfer? Gott, das lebendige, ewige Wort. Und nun, dieses Wort „ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir haben Seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater“! (V. 14).

Wunderbare Offenbarung! Wer hätte sie uns machen können, als nur Gott allein durch Seinen Geist! Er hat Johannes als Werkzeug dazu benutzt, und alles, was Er durch ihn uns hat mitteilen lassen, sollten wir in einfältigem Glauben festhalten, genauso wie wir es empfangen haben. Nur dann können wir die Anerkennung erwarten: „Du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet“.

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Du bleibst

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 128ff

Jesus Christus ist derselbe, gestern und heute und in Ewigkeit (Hebr. 13, 8).

Ob alles wankt auf dieser Erde,

ob alles täuscht, ob alles trügt,

was je mit lächelnder Gebärde

sich willig meinem Wunsch gefügt;

ob alles stürzt im Weltgetriebe,

ja, ob die Erde selbst sich neigt:

Ich ruhe, Herr, in Deiner Liebe,

die keines Wechsels Schatten zeigt.

Du bist und bleibest stets derselbe,

der Du seit Ewigkeiten bist,

in Deines Himmels Lichtgewölbe

Du keins der Deinen je vergisst.

Du bleibst derselbe, gleich an Gnade,

an Liebe, Güte, Treu’ und Macht,

Du bist’s, der auf des Lebens Pfade

mich täglich leitet und bewacht.

Drum mag auch alles hier vergehen

und schwinden in dem Strom der Zeit,

mag ich auch vieles nicht verstehen:

Du bleibst, Du Fels der Ewigkeit!

Du hältst mit göttlich großer Liebe

mich unzertrennlich fest an Dir,

und wenn auch sonst mir nichts verbliebe:

Du bleibst, und das genüget mir.

Sch

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Es will Abend werden

Bibelstelle: Lukas 24,29

Botschafter des Heils 1918 S. 129ff

„Herr, bleibe bei uns, es will Abend werden“, so möchten auch wir heute mit jenen beiden einsamen Wanderern auf dem Wege nach Emmaus ausrufen. Auch wir sind oft „niedergeschlagen“ und in Verlegenheit über alles das, was sich zuträgt. Und so wie der Herr sich damals den trauernden Jüngern zugesellte und sieh herablies, mit ihnen zu pilgern und sie zu belehren, so nimmt Er auch heute Kenntnis von unseren innersten Gefühlen und hat Mitleid mit uns.

Doch versetzen wir uns einen Augenblick in die Lage der Jünger. Zu dem gläubigen Überrest Israels, wenn auch nicht zu der Zahl der Elfe, gehörend, hatten sie, gleich diesen, in Jesu den verheißenen Messias erkannt. Allein „die Decke“ (2. Kor. 3) lag noch auf ihren Augen und Herzen, und sie hatten das „Ihn“ Betreffende im Gesetz, in den Psalmen und Propheten (Luk. 24, 27. 44) nur ganz unvollkommen verstanden. Sie hatten gemeint, Er werde Israel durch irgend eine mächtige Handlung erlösen. Und nun hatten Leiden und Tod den über alles geliebten Meister getroffen. Er lag im Grabe, und Israel war nicht erlöst worden! Kein Wunder, dass sie über die Maßen bestürzt und beunruhigt waren. Ihr Glaube war auf’s tiefste erschüttert worden. Bange Fragen bestürmten sie. Überdies hatte die Kunde sie erreicht, das Grab sei leer gefunden worden, und Engel hätten verkündigt, Jesus lebe. So wanderten sie einerseits gebeugt und traurig, andererseits voll gespannter Erwartung einher und tauschten ihre Gedanken über das Unerhörte aus. Da nahte der Herr selbst sich ihnen!

O wunderbare, herablassende Liebe! Wo irgend ein Herz niedergebeugt ist und in seiner Not mit Ihm sich beschäftigt, da ist Er selbst bereit, die brennenden Fragen zu beantworten und das arme, geängstigte Gemüt zu beruhigen. Die Jünger sollten nichterschrecken. Mehr noch: Der Fremdling offenbarte ihnen Geheimnisse und erklärte aus den ihnen bekannten Schriften das „Ihn“ Betreffende in einer Weise, dass ihre Herzen zu brennen begannen! Unterdessen näherten sie sich dem Dorfe, wohin sie gingen, und das Bedürfnis, den wunderbaren Fremdling länger bei sich zu haben, drängte ihnen die Bitte aus die Lippen: „Bleibe bei uns, denn es ist gegen Abend, und der Tag hat sich schon geneigt“. Ahnten sie schon Seine Größe? Noch halb unbewusst, drückten sie durch ihre Bitte aus: „Was sind wir ohne dich?“

Wir sagten bereits: auch heute bitten gläubige Herzen mit Recht: „Herr, bleibe bei uns!“ Dabei ist Er uns kein unbekannter Fremdling. Nein, wir kennen Ihn sehr wohl, und wenn unsere Herzen in der rechten, wartenden Stellung sind, so wird Er uns auch heute das Verständnis auftun und uns mehr und mehr Einsicht geben über die Dinge, die uns heute in besonderer Weise zu wissen nottun. Fürwahr, auch jetzt ist es gegen Abend; der Tag der Gnade hat sich schon geneigt! Die weltbewegenden Ereignisse unserer Zeit, an denen wir alle mehr oder weniger beteiligt sind, all das schwere Leid, der Schmerz und Jammer, die Ströme von Blut und Tränen, die dieser Krieg kostet, sagen es uns, dass wir dem „Ende der Tage“ nahe gekommen sind. Hier und da ist die bange Frage in den Herzen der Gläubigen aufgestiegen: Hat der Herr vergessen, dass Seine geliebte Braut noch hienieden ist? Hört Gott nicht mehr das Rufen Seiner Auserwählten? — Aber wie könnte die teure Braut, der Gegenstand der Liebe und zärtlichen Fürsorge des Herrn von jeher, wie könnten die Kinder, die „nach Vorsatz“ berufen sind, jemals vergessen sein? Wäre es nicht geradezu vermessen, so zu urteilen? Hat der Herr doch verheißen, bei uns zu sein alle Tage, bis zur Vollendung des Zeitalters!

Nein, Er hat uns nicht verlassen. Er hat nicht Seine Erbarmungen im Zorn vergessen, noch ist Seine Güte für immer zu Ende (Ps. 77, 8. 9). Wohl aber geziemt es uns, dass wir in Seiner heiligen Gegenwart und vor Seinem alles durchdringenden Auge uns immer wieder fragen, warum die ernsten Prüfungen, durch die wir gehen, so lang anhalten. Wir wissen alle sehr gut, dass die allgemeine Zerrissenheit des Volkes Gottes, der geistliche Tiefstand und die zunehmende Welt- und Eigenliebe so vieler Kinder Gottes die Ursache find, dass der Vater solch bitterernste Wege mit uns gehen muss. Aber sind durch diese Erkenntnis Zweck und Ziel der Wege Gottes bei uns erreicht worden? Ist es nicht bei vielen von uns nur bei einem „Wort der Lippen“ geblieben? O möchte der Herr uns allen mehr die Gefühle und die Gesinnung Daniels schenken, wie sie in seinem Gebet zum Ausdruck kommen (Dan 9), und wie sie sich wahrlich auch für uns heute geziemen! „Siehe, du hast Lust an der Wahrheit im Innern“, sagt David zu Gott (Ps. 51, 6).

Doch wie alles in der Welt, so hat auch unsere Frage zwei Seiten. Neben der dunklen, demütigenden gibt es eine lichte, erhebende Seite. Viel, sehr viel Gutes ist schon aus dem schweren Druck, der auf uns lastet, hervorgegangen. Gleich zu Anfang des Krieges sind viele Kinder gläubiger Eltern, die vorher lang in der Irre gingen, im Donner der Schlachten von dem guten Hirten gefunden worden. Wunder über Wunder haben wir geschaut in der Weise der Ausbreitung des Evangeliums. Tausende und Hunderttausende von Soldaten, Gefangenen und Verwundeten sind unter den Bereich und Schall des Wortes Gottes gekommen. Wo alles menschliche Tun unzulänglich war, da ist Gott ins Mittel getreten und hat der Verkündigung Seiner guten Botschaft Wege gewiesen, die der Menschengeist nie gefunden hätte. Fürwahr, „Er tut große Dinge, die wir nicht begreifen“ (Hiob 37, 5).

So haben wir viel Ursache, zu danken. Dennoch wollen wir die Frage nicht von uns weisen: Hat der Herr bei einem jeden von uns, hat Er bei mir Seinen Zweck erreicht? Wie steht’s in meinem Hause? Wie im Geschwisterkreise? Stehen wir da als wachende, wartende Knechte? Hat Sein schmerzliches Liebesmühen – denn es schmerzt Ihn, wenn Er uns wehe tun muss — unser aller Herz und Gewissen getroffen?

Neben dem Genannten haben wir auch die Nichtigkeit und Unbeständigkeit alles Irdischen in schmerzlichster Weise kennen gelernt. Sollten wir nun nicht uns selbst und alles, was Er uns anvertraut hat, Ihm rückhaltlos zur Verfügung stellen?

Unsere Herzen antworten: Ja! Lasst uns dem Wort die Tat folgen lassen! Dann brauchen wir selbst im Blick auf das Böse um uns her und die unheimlich zunehmende Wirksamkeit der Mächte des Abgrundes nicht zu zagen. Sehen wir auch das unaufhaltsam wachsende Verderben, so dürfen wir doch „unsere Häupter emporheben, weil unsere Erlösung naht“. Wir vernehmen den ermunternden Zuruf unseres Herrn: „Euer Herz werde nicht bestürzt, sei auch nicht furchtsam!“

Zum Schluss möchte ich noch aus ein sehr beherzigenswertes Wort in Psalm 11 hinweisen. Wir lesen dort in Vers 3: „Wenn die Grundpfeiler umgerissen werden, was tut dann der Gerechte?“ Und die Antwort lautet: „Jehova ist in Seinem heiligen Palast, Jehova — in den Himmeln ist Sein Thron. Seine Augen schauen, Seine Augenlider prüfen die Menschenkinder. Jehova prüft den Gerechten“ (V. 4. 5).

Ist es nicht auch heute so, als ob alle Grundpfeiler, jede bestehende Ordnung umgestoßen werden sollten? Und wie viele Fragen umschwirren uns von allen Seiten, die keines Menschen Witz und Verstand beantworten können! Da liegt die Gefahr nahe, von dem allgemeinen Strom mit fortgerissen zu werden. Ehe wir’s uns versehen, klagen und urteilen wir wie die Welt und mit der Welt, als ob wir von der Welt wären. Da mögen wir wohl flehen: Herr, schenke uns eine heilige Wachsamkeit, damit wir ,,an dem bösen Tage zu widerstehen und, nachdem wir alles ausgerichtet haben, zu stehen vermögen“! Herr, erhalte uns ein zartes Gewissen, damit wir auch in dieser schweren Prüfungszeit dich verherrlichen!

Und wenn wir zurückblicken, hat der Herr nicht über Bitten und Verstehen getan? Hat Er uns vergolten nach unserer Untreue und unserem vielen Zukurzkommen? Nein, mehr denn je hat Er Seine Gnade gegen uns groß gemacht und ,,vielfach Seine Wundertaten und Gedanken gegen uns erwiesen«. (Ps. 40, 5.) Wie mancher hat in Ps. 4, 7 einstimmen müssen: ,,Du hast Freude in mein Herz gegeben, mehr als zur Zeit, da ihres Kornes und ihres Mostes viel war«! Doch wir wollen daneben die Ermahnung von Psalm 11, 7 nicht vergessen: „Gerecht ist Jehova, Gerechtigkeiten liebt Er. Sein Angesicht schaut den Aufrichtigen an.“

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Denn ich sage euch dass ich nicht von dem Gewächs des Weinstocks trinken werde

Bibelstelle: Lukas 22, 14 – 30

Botschafter des Heils 1918 S. 134ff

An demselben Tische, an welchem der Herr in der Einsetzung des Abendmahls von Seiner Erniedrigung bis zum Tode redete, stritten die Jünger miteinander über die Frage, wer von ihnen für den Größten zu halten sei! Sie hatten noch nicht verstanden, dass das Kind Gottes, der Jüngere Jesu, berufen ist, zu dienen, ein Diener aller zu sein, kraft der Liebe Gottes, die in ihm wirkt. Hienieden groß zu sein ist genau das Gegenteil von dem, was der Christ sucht. Die Welt setzt den Wohltätern der Menschheit Denkmäler. Das einzige Denkmal, das sie Christo errichtet hat, ist das Kreuz.

Das Fleisch ist immer bereit, sich zu erheben, ist aber außerstande, irgend einer Schwierigkeit zu begegnen. Wie in dem Falle des Petrus vermag es uns wohl mitten in die Gefahr hineinzubringen, aber niemals bringt es uns wieder heraus. Vor den Hindernissen bricht es zusammen, oder es schläft ein. Und doch waren jene Jünger dieselben Männer, denen Jesus sagt, dass sie mit Ihm ausgeharrt hätten in Seinen Versuchungen!

Während Seines Weilens hienieden. trat der Herr als Israelit und als Messias unter den Israeliten auf. Aber alles veränderte sich, sobald Er diese Erde verließ. Für uns ist es von Wichtigkeit zu verstehen, dass unsere Beziehungen mit einem verherrlichten Christus geknüpft sind, nicht mit einem Christus aus der Erde. Paulus würde Ihn, selbst wenn er Ihn nach dem Fleische gekannt hätte, hernach nicht mehr also gekannt haben. (2. Kor. 5, 16.) Diese beiden Dinge dürfen nicht miteinander vermengt werden; sonst kommt man in Gefahr, auf die gegenwärtige Haushaltung Grundsätze anzuwenden, welche nicht uns, sondern nur die Juden angehen. Irdische Reichtümer z. B., welche für den Israeliten eine Segnung bedeuteten, sind für den Christen ein ernster Fallstrick. Da unsere Berufung himmlisch ist, sind wir umso freier, je weniger uns mit dieser Erde verbindet. Ruhm, Anerkennung, Reichtümer sind ebenso viele Bande, die uns leicht an die Erde fesseln und in demselben Maße unsere Bande mit dem Himmel lockern.

Mit der Tatsache, dass man Christum, den Schöpfer des Weltalls, ans Kreuz schlug, sind alle Grundlagen umgestürzt worden. Diesseits des Kreuzes ist der Mensch fortan bankrott und verloren; im Kreuze findet er sein Heil. Aber wir müssen noch üb er das Kreuz hinausgehen.

Alles, was die Juden besaßen, war äußerlich und irdisch. Es waren „die Elemente der Welt“. Christus aber hat sich selbst hingegeben, um uns loszukaufen von dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf. Die Welt ist so durch das Kreuz Christi gerichtet worden. Indem sie Christum verurteilte, hat sie sich selbst das Urteil gesprochen, und jedes Band zwischen ihr und Gott ist damit zerrissen worden. Fortan ist die Gnade der einzige Grundsatz, nach welchem Gott handeln kann; anders würde ein unerbittliches Gericht die Welt treffen.

Vor der Einsetzung des Abendmahls, als Jesus zum letzten mal mit Seinen Jüngern das Passah gefeiert hatte, offenbarte Er sich in einem neuen Charakter. Er nimmt einen Kelch (nicht den Abendmahlskelch), lässt die Jünger ihn unter sich teilen, ohne dass Er selbst davon trinkt. und fügt dann die Worte hinzu: „Ich sage euch, dass ich nicht von dem Gewächs des Weinstocks trinken werde, bis dass das Reich Gottes komme“ (V. 18). Damit nimmt Er in offenkundiger Weise den Charakter eines Nasirs an, d. i. eines von den Sündern völlig abgesonderten Menschen. Er war in die Mitte der Sünder getreten, Er selbst ohne Sünde, um sie zu suchen und zu erretten. Fortan nimmt Er den Platz der Absonderung zur Rechten Gottes ein. Durch die Auferstehung ist Jesus als Sohn Gottes in Kraft erwiesen worden dem Geiste der Heiligkeit nach. Diese Auferstehung ist eine öffentliche Kundgebung von der Kraft des Lebens Gottes und von der Heiligkeit Christi. Christus ist jetzt offenbarlich von den Sündern abgesondert (Vergl. Röm. 1, 4; Hebr. 7, 26). Wenn Er wiederkommt, wird Er „ohne Sünde“ erscheinen für die Seinigen. Er wird dann die Sünde aus Seiner Gegenwart verbannen, während Er auf Erden der Freund der Zöllner und Sünder war.

Das 6. Kapitel des 4. Buches Mose macht uns mit den Kennzeichen eines Nasirs bekannt. Der Wein ist das Sinnbild der Gemeinschaft und der Beziehungen zwischen Tischgenossen. Deswegen heißt es, dass der Wein Götter und Menschen erfreut (Richter 9,13). Aber der Nasir trank keinen Wein. Der Christ soll die Sünder lieben, aber sich von der Sünde absondern. Er ist ein Nasir wie Jesus. Seine Heiligkeit entspricht der Stellung, die der Herr jetzt einnimmt, nach Seinen Worten: „Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“. Durch den Tod und die Auferstehung hat Jesus diesen Platz der Absonderung non Welt und Sündern eingenommen. Wenn aber das Reich Gottes kommen wird, werden wir alle zusammen mit Ihm in Seine Freude eingehen. Wenn die Tage der Absonderung des Nasirs erfüllt waren, durfte er Wein trinken (Vergl. 4. Mose 6, 20).

Der Christ ist ganz gewiss auch jetzt nicht ohne Freude, aber andererseits hat er Traurigkeit. Er kann hienieden nicht fröhlich sein mit der Welt, die seinen Heiland getötet hat. Eine lange, lange Zeit ist seit dieser Tat verstrichen, aber die Zeit hat in dieser Hinsicht keine Änderung bewirkt, der Charakter der Welt bleibt derselbe. Man muss von neuem geboren werden, man muss „umkehren“, belehrt werden, um ihr nicht mehr anzugehören. Wenn unser Herz Jesu angehört und für Ihn schlägt, können wir in der Welt unmöglich etwas anderes als Traurigkeit haben. Die Welt tanzt auf dem Grabe des Heilandes Der Christ trauert.

Aber andererseits freut sich der Christ in seinem Herrn, er freut sich seines himmlischen Teils, von dem die Welt nichts kennt. Die Freude des Christen ist eine Zukunft voller Herrlichkeit, „die Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“. Aber so lang er hienieden pilgert, bleibt er ein Nasir; er kann in dieser Welt keine Freude und Herrlichkeit haben. Er ladet die Sünder ein, er ·beschwört sie, sich zu bekehren, aber Gemeinschaft kann er nicht mit ihnen haben. Jesus ist von der Welt verworfen und in den Himmel aufgenommen worden; das ist auch die Stellung des Christen. Unser großer Hoherpriester ist höher als die Himmel geworden und hat uns jetzt im Abendmahl ein Andenken an Seine Liebe hinterlassen. Wenn Er nicht mehr hienieden bei uns weilt, so hat das seinen Grund darin, dass Er sich selbst für uns hingegeben hat. Seine Abwesenheit ist nicht etwa ein Zeichen von Gleichgültigkeit, denn in dem Abendmahl besitzen wir das Gedächtnis Seiner vollkommenen Liebe für uns.

Christus führt uns mittelst eines ganz neuen Lebens in das himmlische Reich ein. Wir sind nicht versetzt in das Reich des geliebten Sohnes Gottes, ohne Sein Leben zu besitzen, das des letzten Adam, der ein lebendig machender Geist ist. Wir sind Teilhaber der göttlichen Natur geworden. Die Bekehrung ist nicht nur eine sittliche Veränderung, sondern die Mitteilung eines Lebens, das uns früher unbekannt war, eines in Christo verborgenen Lebens, abgesondert von den Sündern, abgesondert von der Welt. „Wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen“, jetzt schon, und vor uns liegt die Verwandlung in Sein Bild (Vergl. 1. Korinther 15, 48. 49). Wir werden Ihn sehen, wie Er ist.

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Umhängen von Gold

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 139ff

Die „heiligen" Frauen im Alten Bunde schmückten sich, wie der Apostel Petrus sagt, mit dem „unverweslichen Schmuck des sanften und stillen Geistes, welcher vor Gott sehr köstlich ist". Sie waren ihren Männern unterwürfig, setzten ihre Hoffnung auf Gott und wandelten in Gottesfurcht und stiller Zurückgezogenheit. Sarah wird mit Namen genannt als eine Frau, die den rechten Platz einnahm; die gläubigen Frauen von heute sollten begehren, ihre „Kinder" zu werden (vgl. 1. Petrus 3,1 - 6).

Dass eine Frau sich gern schmückt, liegt in ihrer Natur. „Vergisst auch eine Jungfrau ihres Schmuckes, eine Braut ihres Gürtels?" (Jeremia 2,32). Die wichtige Frage ist, wie sie sich schmückt, vor allen Dingen, wie eine Christin sich schmückt, die ihrem Herrn und Heiland gefallen möchte. Tut sie es aus Eitelkeit, um die Augen anderer auf sich zu ziehen, so handelt sie gewiss nicht nach Gottes Gedanken. Die Apostel Petrus und Paulus, der eine ein verheirateter, der andere ein unverheirateter Mann, warnen, durch den Geist geleitet, in fast den gleichen Ausdrücken vor den Gefahren der Eitelkeit und der Gefallsucht. Petrus ermahnt die Frauen zu einem in Furcht keuschen Wandel, „deren Schmuck nicht der auswendige sei durch Flechten der Haare und Umhängen von Gold und Anziehen von Kleidern" (1. Petrus 3,3), und Paulus schreibt an Timotheus: „Ich will nun, ... dass die Weiber in bescheidenem Äußeren, mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit sich schmücken, nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarer Kleidung" (1. Timotheus 2,8. 9). Beide fordern die gläubigen Frauen auf, sich in aller Stille „durch gute Werke" oder durch „Gutes tun" auszuzeichnen und darin ihren Schmuck vor Gott und Menschen zu suchen.

Von jeher sind alle geistlichen Erweckungen und Neubelebungen durch einen heiligen Eifer gekennzeichnet gewesen, alles Auffällige oder gar Anstößige in der äußeren Erscheinung abzulegen. Gold und Perlen, Samt und Seide verschwanden, und würdige Einfachheit in Tracht und Sitte trat an die Stelle der früheren Putzsucht - sicherlich nicht zum Nachteil der Frauen und Mädchen, auch nicht zum Schaden des Zeugnisses der Welt gegenüber. Im Gegenteil, der Friede und das Glück der Herzen wurden vermehrt, und manches eitle Weltkind wurde beschämt.

So war es auch im vorigen Jahrhundert, als durch Gottes gnädiges Wirken viele Gläubige aufwachten und ihre Stellung und Berufung in Christo tiefer erkannten; als zugleich Hunderte und Tausende auf der ganzen Erde von der Macht des Evangeliums ergriffen und zu dem Herrn Jesus geführt wurden. Man legte allen überflüssigen Schmuck ab und trachtete nach Einfachheit der Kleidung, nach Schlichtheit der Wohnung und deren Ausstattung, nach würdigem Ernst in Wort und Auftreten. Die Gläubigen unterschieden sich vorteilhaft von ihrer Umgebung.

Sieht man auch heute noch den Unterschied zwischen Gotteskindern und Weltkindern schon in der äußeren Erscheinung? Wer offene Augen hat, sieht seit langem ein Nachlassen und Nachgeben in dieser Hinsicht, eine Abnahme der geistlichen Kraft und Entschiedenheit. Anstatt dem immer erschreckender zunehmenden Hang zur Eitelkeit und Gefallsucht unserer Tage einen Damm entgegenzustellen, hat man die in früherer Zeit abgelegten Ringe, Halsketten, Armspangen und dergleichen wieder hervorgeholt oder neu angeschafft, und man schmückt sich damit wie die Welt und für die Welt - zum eigenen Schaden, und zum Anstoß für die unbekehrte Umgebung.

Ihr lieben Schwestern, und ich wende mich jetzt besonders an die jüngeren unter euch, darf ich ein Wort herzlicher Liebe und brüderlicher Sorge an euch richten? Betrachtet euch einmal, nicht in eurem Wand- oder Handspiegel, sondern in dem untrüglichen Spiegel des Wortes Gottes, in der heiligen Gegenwart des Herrn Jesus! Betrachtet euch genau und eingehend, euch selbst, nicht eure Mitschwestern! Und dann fragt euch: Ist in meiner Kleidung und äußeren Erscheinung alles so, wie der Herr es zu sehen wünscht, ja, wie ich selbst es sehen möchte, wenn Er heute käme? Sollte da nicht manches wieder verschwinden, was vielleicht aus Nachahmungstrieb, ohne besondere Überlegung, vielleicht aber auch aus Eitelkeit angelegt worden ist? Könnte und sollte nicht dieses Kleid, jener Hut oder Mantel anders, einfacher gehalten sein? Bedenkt: Der Herr ist nahe! „Sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung geht vor ihm her" (Jesaja 62,11). Nicht mehr lange könnt ihr Ihm beweisen, dass ihr Ihn liebhabt, und dass Seine Anerkennung euch wertvoll ist.

„Aber", sagt ihr vielleicht, „dieses Schmuckstück hat mir eine liebe Freundin geschenkt; was würde sie sagen, wenn ich es nicht tragen würde?" Oder: „Diesen Ring, diese Kette trage ich zum Andenken an eine liebe Entschlafene; ich denke gar nicht daran, mich damit schmücken zu wollen." Oder: „Man darf auch nicht zu engherzig sein; früher ist man doch wohl etwas zu weit gegangen." Wenn man etwas gern behalten möchte, ist man ja meist um Ausreden nicht verlegen. Ihr lieben Schwestern, ihr habt es nicht mit mir oder mit irgendeinem Menschen zu tun, sondern mit eurem Herrn. „Was irgend Er euch sagen mag, tut!"

Zum Schluss noch ein kurzes Wort an die Väter und Mütter. Ihr tragt die ernste Verantwortung, über eure Häuser und Familien zu wachen. Wie wichtig ist die treue väterliche Sorge, vor allem aber das Vorbild der Mutter, von der es heißt: „Sie überwacht die Vorgänge in ihrem Hause"! (Sprüche 31,27). Unwillkürlich richten sich die Töchter nach der Mutter, freilich immer bereit, wenn die Mutter selbst zur Eitelkeit neigt, noch einen bedeutenden Schritt weiter zu gehen als sie. O wie viel Leid ist schon über so manches Haus gekommen, weil die Eltern die Anfänge des Bösen nicht erkannten und ihnen nicht rechtzeitig entgegentraten! Darum, ihr Eltern, haltet die Augen offen und wacht mit anhaltendem Gebet über euch und eure Häuser! Macht eure Kinder auf die bösen Neigungen des natürlichen Herzens aufmerksam, tretet allem Hochmut, allen Auswüchsen der Eitelkeit und Augenlust mit heiliger Entschiedenheit entgegen und hütet die euch anvertraute Herde mit der Sorgfalt und Treue des Erzhirten! Habet acht auf die „kleinen Füchse, die die Weinberge verderben"! Wollt ihr wissen, was der Herr über den Hochmut des Menschen denkt und wie Er über all die eitlen Modeerzeugnisse urteilt, dann lest Jesaja 3,16 - 26.

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Gedanken

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 143ff

Wenn ich meine Errettung betrachte, so liegt der höchste und erstaunlichste Gedanke nicht so sehr in der Errettung selbst, als vielmehr darin, dass Gottes Herz in ihr Seine Befriedigung findet, dass Er mich zu Seiner Verherrlichung errettet hat. Ist es nicht wunderbar, dass der sündige, gegen Gott sich auflehnende Mensch wie ein Stück Ton aus dem gewaltigen Friedhof der Welt herausgenommen und in unumschränkter Gnade als Stoff benutzt wird, der die ganze göttliche Herrlichkeit zur Darstellung bringen soll? Und zwar so vollständig, dass Gott im Blick auf ihn sagen kann: „Das ist mein Werk, meine eigenste Arbeit, die mir völlig entspricht und auf ewig zu meiner Befriedigung dient“?

Warum wurde Christus von dem Menschen verworfen? Weil der Mensch Gott hasste. Das war der Grund, weshalb Christus ermordet wurde. Der Mensch hasste das Licht, „denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Lichte, auf dass seine Werke nicht bloßgestelIt werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Lichte, aus dass seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind“ (Joh. 3, 20. 21). „Die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse.“ Das ist ihre große Sünde, dass sie das Licht aus der Welt entfernt haben.

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Gleichwie Er ist sind auch wir in dieser Welt

Bibelstelle: 1. Johannes 4, 17

Botschafter des Heils 1918 S. 144

Er ist gestorben (Röm. 6, 10).

Wir mit Ihm (Röm. 6, 2; Kol. 3, 3).

Er ist auferweckt (1. Kor. 15, 20; Röm. 6, 9.10).

Wir mit Ihm (Kol. 2, 12.; 3, 1; Eph. 2, 6).

Er ist in den himmlischen Örtern (Eph. 1, 20).

Wir in Ihm (Eph. 2, 6).

Er ist vollendet oder vollkommen gemacht (Hebr. 5, 9).

Wir durch Ihn (Hebr. 10, 14).

Er ist Erbe aller Dinge (Hebr. 1, 2).

Wir mit Ihm (Röm. 8, 17).

Er wartet (Hebr. 10, 13).

Wir mit Ihm (1. Kor. 1, 7; Phil. 3, 20; Tit. 2, 13).

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Die Gnade die durch Gerechtigkeit herrscht

Bibelstelle: 2. Samuel 14

Botschafter des Heils 1918 S. 145ff

Es ist unmöglich, Frieden zu haben, solang man nicht verstanden hat, dass die Gnade regiert, und zwar auf Grund einer völlig befriedigten Gerechtigkeit, mit anderen Worten, dass die Gnade auf dem Throne der Gerechtigkeit das Zepter führt. Der an Jesum Glaubende genießt die Gunst Gottes, ohne dass den gerechten und heiligen Forderungen Gottes in irgend einer Weise Eintrag geschehen wäre.

Gott bleibt der gerechte Gott, indem Er den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesum ist. Er ist imstande dazu auf Grund der Versöhnung, die in Christo Jesu ist. Das Blut des Lammes Gottes ist der Boden, auf welchem ein Sünder gerechterweise gerettet werden kann. Es scheint, dass David einst seinem Sohne Absalom Gnade erwies, ohne dass die Gerechtigkeit gebührend berücksichtigt wurde. O wie viel besser wäre es für Absalom und auch für David gewesen, wenn dieser anders gehandelt hätte! Es war keine unwichtige, kleine Sache, um derentwillen jener schöne, hochmütige Mann in die Verbannung geschickt worden war — er trug die Schuld an der Ermordung seines Bruders Amnon. „Absalom aber entfloh und ging nach Gesur; und er war daselbst drei Jahre“ Aber das Herz Davids stand nach seinem Sohne; er trauerte über ihn alle Tage, und er „sehnte sich, zu Absalom hinauszuziehen“ (2. Sam. 13, 37 39).

Als Joab, der gewandte Mann, merkte, wie die Dinge lagen, leitete er vermittelst des tekoitischen Weibes die Zurückführung Absaloms in die Wege. Diese kluge Witwe verstand die Gefühle des Königs so zu bearbeiten und die Sache so zu drehen, dass David „wie schuldig erschien, wenn er seinen Verstoßenen nicht zurückholen ließ“. Sie erinnerte ihn daran, dass „Gott nicht das Leben «wegnimmt, sondern darauf sinnt, dass der Verstoßene nicht von Ihm weg verstoßen bleibe“ (V.13. 14).

Der König lauschte nur zu gern auf die Beweisführungen des Weibes, und auf seinen Befehl „machte Joab sich auf, ging nach Gesur und brachte Absalom nach Jerusalem“ (V. 23) Åußerlich war kein Mann in Israel „wegen seiner Schönheit so sehr zu preisen wie Absalom“, aber wie ganz anders stand es innerlich! Äußerlich war „von seiner Fußsohle bis zu seinem Scheitel kein Fehl an ihm« zu entdecken, aber vor den Augen eines heiligen Gottes war „nichts Gefunden“ an ihm, nicht so viel wie ein Nadelknopf hätte bedecken können (Jes. 1, 6). Und wie mit Absalom, so ist es mit jedem Menschen von Natur. Nichts Gesundes an ihm! „Da ist keiner, der Gutes tue, da ist auch nicht einer“ (Röm. 3, 10 — 12).

Anfänglich gebot David in Bezug auf Absalom: „Er soll sich nach seinem Hause wenden und mein Angesicht nicht sehen“. Und so wohnte Absalom zwei volle Jahre zu Jerusalem und sah das Angesicht des Königs nicht (V. 28). Hier ließ Joab ihn auch; weiter brachte er ihn nicht. Joab dachte nicht daran, Absaloms Gewissen hinsichtlich des Geschehenen aufzuwecken, ihn in die Gegenwart Gottes zu bringen und so die Angelegenheit gründlich zu ordnen. Joab weilte selbst nicht dort. Schließlich aber verlangte Absalom dringend danach, zum König zu kommen. Was auch seine Beweggründe gewesen sein mögen, er wünschte das Angesicht des Königs zu sehen. Mein Leser, beachte hier die Blindheit, welche ihn, wie so viele andere unbekehrte Menschen, kennzeichnete. Er sagte zu Joab: „Wenn eine Ungerechtigkeit an mir ist, so töte er mich“. Gab es denn noch ein „Wenn“ in seinem Falle? Ungerechtigkeit war an ihm, und wahrlich, keine geringe! Es hätte ihm geziemt, offen seine Missetat zu bekennen und um Gnade zu flehen; aber daran dachte er nicht, und sein ganzes späteres Verhalten beweist, dass er sich nicht als einen Menschen betrachtete, der Gnade bedurfte.

Leider behandelte David, wie bereits bemerkt, die Sache auch nicht, wie es nötig gewesen wäre. In seinem Verhalten zeigt sich ein beklagenswerter Mangel an Gerechtigkeitssinn. Wohl „bückte sich Absalom auf sein Antlitz zur Erde vor dem König“; aber das kann man tun, ohne dass Herz und Gewissen irgendwie in Tätigkeit treten. So war es bei Absalom. David, durch seine Schwäche dem „schönen“ Sohne gegenüber verleitet, „küsste Absalom“, und nicht lange danach schaffte dieser sich Wagen und Rosse an und machte eine Verschwörung, um seinen eigenen Vater vom Throne zu stürzen.

So geht es, wenn Gnade aus Kosten der Gerechtigkeit geübt wird. Die Folgen werden immer böse sein. Gerechtigkeit ist eine notwendige, gesunde Sache — das hat mancher Vater auf schmerzlichem Wege lernen müssen. Bei Gott ist sie genauso vollkommen und unbestechlich, wie Seine Liebe und Gnade groß sind· Er kann- und will Sünden vergeben, aber sie ungestraft lassen oder leicht über sie hinweggehen wird Er niemals.

Vielleicht wendet der Leser ein: Aber der verlorene Sohn empfing doch die Küsse des Vaters, als er noch in seinen Lumpen war (Luk. 15). Es ist so; aber die Lumpen waren ein Gegenstand des Abscheus für den Sohn. Stelle die Sprache des verlorenen Sohnes derjenigen Absaloms gegenüber, und du wirft den Unterschied sofort. erkennen. Hier vernehmen wir kein stolzes, verächtliches „Wenn“. Nein — „Vater, ich habe gesündigt. gegen den Himmel und vor dir!“ so tönt es“ ergreifend an unser Ohr, „ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ Das waren andere Laute. Hier herrschte eine andere Gesinnung. Und hier war es am Platze, wenn der Vater, ohne irgend zu zögern, seinen Knechten zurief: „Bringet das beste Kleid her und ziehet es ihm an!“ Niemals erweist Gott Gnade auf Kosten der Gerechtigkeit. Die Gnade herrscht, aber nur „durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn“. Die Liebe kommt dem Verlorenen entgegen, aber nur indem sie ihm die Lumpen aus- und das beste Kleid anzieht; eine Liebe, wie der Dichter sie mit den Worten besingt:

Gerechte Liebe, deren Huld

am Kreuzesstamme sich bewährt,

die Zahlung heischt für schwere Schuld,

eh’ sie den Schuld’gen frei erklärt.

Die Liebe, die das Urteil fällt,

eh` sie den Sünder schuldlos heißt;

Die vor dem Zorne sicher stellt

und doch Gerechtigkeit erweist.

Ja, das ist die Liebe, die wir bedürften und die allein dem heiligen Gott entspricht. Die Liebe Davids blieb weit hinter dieser Liebe zurück. Sie war menschlich, nicht göttlich, weichlich, nicht treu; sie vergab, aber nicht auf gerechter Grundlage, nicht ohne die Forderungen der Gerechtigkeit gröblich zu verletzen. Darum waren die Folgen auch so ernst.

Ich wiederhole: Niemals kann Gott also handeln. Wer daher in Sünde und Gleichgültigkeit vorangeht und meint, alles werde am Ende noch zurechtkommen, weil Gott doch gnädig und barmherzig sei, geht einer entsetzlichen Enttäuschung entgegen. Er wird erfahren, dass es furchtbar ist, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Bileam wünschte auch einst: „Meine Seele sterbe den Tod der Rechtschaffenen, und mein Ende sei gleich dem ihrigen!“ — aber dabei liebte er die Ehre bei den Menschen und den Lohn der Ungerechtigkeit. Und wie war sein Ende? Er wurde mit den Midianitern erschlagen! Er starb wie er gelebt hatte, und fand das Ende der Gottlosen trotz seiner so fromm klingenden Worte.

Saul zeigte gleichfalls im Anfang seines Weges menschlich schöne Züge und war nachher mehr als einmal bis zu Tränen gerührt; aber es kam nie zu einem wahren Zusammenbruch vor Gott, und so endete sein Weg in Finsternis und Verzweiflung.

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Aufgeschaut

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 150ff

Es ist eine ernste, schwere Zeit. Überall, wohin wir blicken, Tod, Elend, Mühsal, Not. Warum das alles? „Warum, wenn es einen Gott gibt, lässt Er diese schrecklichen Dinge zu?“ so fragen sich die Menschen und warten vergeblich auf Antwort.

Der Christ, der das Vorrecht besitzt, alle Dinge« „im Heiligtum“ betrachten zu dürfen, der im Lichte des Wortes Gottes weilt, „in Seiner Gegenwart, fern von dem Gezänk der Menschenzunge“ (Ps. 31, 20), weiß die Frage zu beantworten. Er versteht, dass das heutige Gericht Gottes ein ernster Mahnruf an die ganze Menschheit ist, doch das aus Gnaden angebotene Heil anzunehmen, ehe es für ewig zu spät sein wird; und er weiß, dass der gewaltige Krieg ein weithin hallendes Zeugnis für Gottes Gerechtigkeit in Seinen Regierungswegen ist. „Wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises«, sagt der Prophet (Jes. 26, 9).

Er erblickt in den schwarzen Wolken, die sich über der Erde zusammengebalIt haben, ernste Vorboten des letzten furchtbaren Kampfes zwischen den Mächten des Lichts und denen der Finsternis. Er entdeckt in dem Weltkriege den Vorläufer von „dem kommenden Zorn“, den Schatten, welchen die prophetisch angekündigte „Stunde der Versuchung“ vorauswirft. Dieser böse Tag selbst ist noch nicht gekommen. Noch kann der Mensch ihm entfliehen; noch ist die Gnade am Werk, noch ist durch den Glauben an Jesum Rettung möglich. Aber wehe allen denen, die trotz der Warnung die angebotene Rettung verschmähen und den Retter von sich stoßen! Die Schrecken dieser Tage sind nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was bald kommen wird.

Für die Gläubigen unserer Tage ist das nahende Endgericht kein Schrecken. Ehe dasselbe hereinbricht, nimmt der Herr sie zu sich in den Himmel. Sie werden „errettet von dem kommenden Zorn“ (1. Thess. 1, 10), werden „bewahrt vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen“ (Offbg. 3, 10). Das Gericht trifft sie nicht. Die Versuchung bleibt ihnen erspart.

Wohl haben auch sie in gewissem Sinne ihre „Stunde der Versuchung“, durch welche alle hindurchgehen müssen, die nicht auf der Erde wohnen, sondern „ihre Hütte im Himmel haben“. Diese Stunde der Versuchung währt von dem Tage ihrer Errettung bis zum Ende ihres Hierseins und hat gewiss einen Höhepunkt in der heutigen kriegsbewegten Zeit erreicht.

Der Herr muss ja fortwährend bemüht bleiben, die Seinigen zu reinigen, zu läutern, zu heiligen, „auf dass Er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstelle, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei“ (Eph. 5, 26. 27). Und das bedingt fortlaufende Prüfungen für uns, durch welche wir geübt werden sollen. Dazu kommt, dass „auch unser Gott ein verzehrendes Feuer ist“ (Hebr. 12, 29), und dass gerade für unsere jetzige Zeit die Worte Petri in besonderer Weise gelten: „Die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Hause Gottes“.

Werfen wir nur einen Rückblick aus die langen Jahre des Friedens und der äußeren Wohlfahrt, die hinter uns liegen! Richten wir ein jeder sein Herz auf seinen Weg! (Hagg. 1, 7). Wie haben wir den schmalen Pfad, der zum Leben führt, in jenen Jahren verbreitert, wie haben wir gesucht, ihn bequemer und gangbarer zu machen! Müssen wir nicht alle bekennen, dass wir, der eine mehr der andere weniger, trotz vieler Verwarnungen, von „unserer ersten Liebe“ zu irdischem Wesen und Denken herabgeglitten und vielfach weltförmig geworden sind? Müssen wir nicht zugestehen, dass unsere Lenden nicht immer umgürtet, unsere Lampen nicht dauernd brennend waren, dass wir vielfach nicht Menschen glichen, die aus ihren Herrn warten? War nicht eine Reinigung, eine Sichtung durch die Leiden des gewaltigen Krieges notwendig geworden?

Wir alle werden diese Fragen rückhaltlos bejahen. Dennoch werden die schmerzlichen, ja, teilweise erschütternden Erfahrungen, die wir machen, ohne bleibende Wirkung sein, wenn sie uns nicht dahin bringen, das Wort Gottes fleißiger zur Hand zu nehmen und eifriger darüber zu sinnen. Das Wort ist es, durch welches der Herr Seine Gemeinde reinigt- und heiligt, wie Paulus an die Epheser schreibt. Unsere Herzen sind von Natur erschreckend leichtfertig. Selbst die tiefsten Eindrücke verwischen sich gar schnell. Damit sie dauernder wirken, kommt uns das Wort. zu Hilfe, das Wort, »das lebendig und wirksam ist, und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens“ (Hebr. 4, 12).

Wenn wir nun in dem Lichte des Wortes unser Leben in den Friedensjahren betrachten, so werden wir bald erkennen, dass ein Hauptgrund für die Trägheit und Gleichgültigkeit, in welche wir nach und nach gefallen sind, darin bestand, dass das beständige Warten auf Christum in unseren Herzen nachgelassen hatte. Die natürliche Folge davon war, dass wir immer weniger Kraft in uns fühlten, uns von der Welt und ihren Reizen loszumachen. Es genügt eben nicht das bloße Wissen, dass der Herr wiederkommen wird. Wir können über diese Wahrheit ganz klar unterrichtet sein, auch sie mit Freuden in unser Herz aufgenommen haben, und doch Ihn nicht erwarten.

Vor mehr als 80 Jahren ging der „Mitternachtsruf“: Siehe, der Bräutigam! durch die Lande, und sein Schall erreichte die schlummernde Kirche. Unzähligen Kindern Gottes kam es damals zum Bewusstsein, dass der Herr nahe sei.

Lange Zeit ist seitdem verflossen. Wohl klingt noch heute der Ruf in unseren Herzen und weckt freudigen Widerhall; aber das sehnliche Harren hat nachgelassen. Wir erwarten den Herrn nicht mehr so sehnsuchtsvoll wie früher; ja, viele erwarten Sein Kommen wohl für „bald“, aber nicht für „heute“. Es ist noch so manches auf dem Wege, das die Herzen fesselt und zurückhält.

Da ist dann plötzlich der Krieg gekommen, dieses furchtbare Weh, das die ganze Welt und mit ihr die Kinder Gottes trifft. Gott benutzt ihn als Zuchtrute, um unsere Herzen von der Welt zu lösen und die kostbare Hoffnung aus die Wiederkehr unseres teuren Herrn neu zu beleben. Nicht als ob der Krieg ein Zeichen Seiner Ankunft für uns wäre; nein, das Wort Gottes spricht von keinem Vorzeichen, keinem Weltereignis in Verbindung mit dem Kommen des Herrn zur Aufnahme der Heiligen. Wir haben auf Ihn zu warten, ohne irgendwelcher Zeichen zu bedürfen. Mit Absicht hat uns der Herr über den Zeitpunkt ganz im Ungewissen gehalten, auch stellt uns das Wort denselben nie anders als gegenwärtig oder kurz bevorstehend vor.

Jesus sagte Seinen bekümmerten Jüngern: „Wenn ich weggehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen“ (Joh.14,3). Er sagte nicht: „ich werde die zu mir nehmen, die dann noch leben“.

Wenn der Apostel von der Aufnahme der Heiligen spricht, sagt er: „Wir, die Lebenden“, nicht etwa: „die, welche bei der Ankunft des Herrn noch leben werden“ (1. Thess. 4, 15).

Den unter schweren Verfolgungen leidenden Hebräern wird zugerufen: „Werfet eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat . . . Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen« (Hebr. 10, 35 — 37).

Nach dem Worte des Herrn an Johannes, am Ende seines Evangeliums, glaubten die anderen Jünger, dass Johannes nicht vor der Wiederkehr des Herrn sterben würde; aber Johannes berichtigt gleich den Irrtum: „Jesus sprach nicht zu ihm, dass er nicht sterbe“. Jeder von ihnen hatte dem Herrn zu folgen, was auch das für jeden bestimmte Los sein mochte.

Darum: was sich auch in dieser Welt ereignen mag, nichts soll unser beständiges Warten auf den Herrn stören. Die Gläubigen aller Zeiten haben sich die Worte des Herrn und die der Apostel anzueignen, ohne irgendwie die seitdem verflossene Zeit dabei in Rechnung zu stellen. Unbekümmert um Zeit und Zeiten, auch unbekümmert um die eigenen Umstände und Prüfungen, sollte allein die Liebe und Sehnsucht zum Herrn die Worte auf unsere Lippen legen: „Herr Jesu, komm!“ So war es bei den Thessalonichern. Ihr ganzes Leben war so von dieser beständigen Erwartung durchflochten, dass der Apostel jedes Kapitel des ersten an sie gerichteten Briefes mit einem Hinweis auf das Kommen des Herrn schloss.

Was sich also vor oder bei dem Kommen des Herrn zu unserer Ausnahme ereignet oder nicht ereignet in dieser Welt, wissen wir nicht. Es ist deshalb zwecklos, darüber zu sinnen, inwieweit der heutige Krieg damit in Verbindung gebracht werden kann. Wohl aber dürfen wir in den Kriegsereignissen Zeichen der Zeit erblicken, die laut verkünden, dass die Ankunft des Herrn zum Gericht nahe gekommen ist. Und das soll uns eifrig und willig machen, der verlorenen Welt die frohe Botschaft des Heils zu bringen, ehe es zu spät ist, und soll uns anderseits an die Mahnung aus Offbg. 18, 4 erinnern: „Gehet aus Babylon hinaus, mein Volk, auf dass ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet!“

Ferner wissen wir: Der Herr will, dass die Leiden und Unruhen dieser Zeit dazu beitragen, um bei uns das anhaltende beständige Warten auf Sein Kommen von neuem zu merken bzw. es zu vermehren. Denn in demselben Maße, wie ich Christum erwarte, strebe ich danach, dass alles, womit ich in Verbindung bin, passend für Ihn sei. Und umgekehrt, je mehr ich für Seine Ankunft bereit bin, umso stärker wird meine Erwartung werden, und umso inniger mein Wunsch, Ihn zu sehen. Und — welch herrlicher Gedanke! — auch unser Herr sehnt sich nach uns und wird nicht ruhen, bis Er alle die Seinigen zu sich genommen hat. Ja, Gott wird nicht eher befriedigt sein, als bis Er uns vor sich steht in der gleichen Herrlichkeit mit unserem Herrn und Heilande, „gleichförmig dem Bilde Seines Sohnes“ (Röm. 8, 29).

Darum: Aufgeschaut, selige Braut! — „Jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben. Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe“ (Röm. 13, 11. 12).

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Aufgeschaut

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 150ff

Es ist eine ernste, schwere Zeit. Überall, wohin wir blicken, Tod, Elend, Mühsal, Not. Warum das alles? „Warum, wenn es einen Gott gibt, lässt Er diese schrecklichen Dinge zu?“ so fragen sich die Menschen und warten vergeblich auf Antwort.

Der Christ, der das Vorrecht besitzt, alle Dinge« „im Heiligtum“ betrachten zu dürfen, der im Lichte des Wortes Gottes weilt, „in Seiner Gegenwart, fern von dem Gezänk der Menschenzunge“ (Ps. 31, 20), weiß die Frage zu beantworten. Er versteht, dass das heutige Gericht Gottes ein ernster Mahnruf an die ganze Menschheit ist, doch das aus Gnaden angebotene Heil anzunehmen, ehe es für ewig zu spät sein wird; und er weiß, dass der gewaltige Krieg ein weithin hallendes Zeugnis für Gottes Gerechtigkeit in Seinen Regierungswegen ist. „Wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen Gerechtigkeit die Bewohner des Erdkreises«, sagt der Prophet (Jes. 26, 9).

Er erblickt in den schwarzen Wolken, die sich über der Erde zusammengebalIt haben, ernste Vorboten des letzten furchtbaren Kampfes zwischen den Mächten des Lichts und denen der Finsternis. Er entdeckt in dem Weltkriege den Vorläufer von „dem kommenden Zorn“, den Schatten, welchen die prophetisch angekündigte „Stunde der Versuchung“ vorauswirft. Dieser böse Tag selbst ist noch nicht gekommen. Noch kann der Mensch ihm entfliehen; noch ist die Gnade am Werk, noch ist durch den Glauben an Jesum Rettung möglich. Aber wehe allen denen, die trotz der Warnung die angebotene Rettung verschmähen und den Retter von sich stoßen! Die Schrecken dieser Tage sind nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was bald kommen wird.

Für die Gläubigen unserer Tage ist das nahende Endgericht kein Schrecken. Ehe dasselbe hereinbricht, nimmt der Herr sie zu sich in den Himmel. Sie werden „errettet von dem kommenden Zorn“ (1. Thess. 1, 10), werden „bewahrt vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen“ (Offbg. 3, 10). Das Gericht trifft sie nicht. Die Versuchung bleibt ihnen erspart.

Wohl haben auch sie in gewissem Sinne ihre „Stunde der Versuchung“, durch welche alle hindurchgehen müssen, die nicht auf der Erde wohnen, sondern „ihre Hütte im Himmel haben“. Diese Stunde der Versuchung währt von dem Tage ihrer Errettung bis zum Ende ihres Hierseins und hat gewiss einen Höhepunkt in der heutigen kriegsbewegten Zeit erreicht.

Der Herr muss ja fortwährend bemüht bleiben, die Seinigen zu reinigen, zu läutern, zu heiligen, „auf dass Er die Versammlung sich selbst verherrlicht darstelle, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei“ (Eph. 5, 26. 27). Und das bedingt fortlaufende Prüfungen für uns, durch welche wir geübt werden sollen. Dazu kommt, dass „auch unser Gott ein verzehrendes Feuer ist“ (Hebr. 12, 29), und dass gerade für unsere jetzige Zeit die Worte Petri in besonderer Weise gelten: „Die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Hause Gottes“.

Werfen wir nur einen Rückblick aus die langen Jahre des Friedens und der äußeren Wohlfahrt, die hinter uns liegen! Richten wir ein jeder sein Herz auf seinen Weg! (Hagg. 1, 7). Wie haben wir den schmalen Pfad, der zum Leben führt, in jenen Jahren verbreitert, wie haben wir gesucht, ihn bequemer und gangbarer zu machen! Müssen wir nicht alle bekennen, dass wir, der eine mehr der andere weniger, trotz vieler Verwarnungen, von „unserer ersten Liebe“ zu irdischem Wesen und Denken herabgeglitten und vielfach weltförmig geworden sind? Müssen wir nicht zugestehen, dass unsere Lenden nicht immer umgürtet, unsere Lampen nicht dauernd brennend waren, dass wir vielfach nicht Menschen glichen, die aus ihren Herrn warten? War nicht eine Reinigung, eine Sichtung durch die Leiden des gewaltigen Krieges notwendig geworden?

Wir alle werden diese Fragen rückhaltlos bejahen. Dennoch werden die schmerzlichen, ja, teilweise erschütternden Erfahrungen, die wir machen, ohne bleibende Wirkung sein, wenn sie uns nicht dahin bringen, das Wort Gottes fleißiger zur Hand zu nehmen und eifriger darüber zu sinnen. Das Wort ist es, durch welches der Herr Seine Gemeinde reinigt- und heiligt, wie Paulus an die Epheser schreibt. Unsere Herzen sind von Natur erschreckend leichtfertig. Selbst die tiefsten Eindrücke verwischen sich gar schnell. Damit sie dauernder wirken, kommt uns das Wort. zu Hilfe, das Wort, »das lebendig und wirksam ist, und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens“ (Hebr. 4, 12).

Wenn wir nun in dem Lichte des Wortes unser Leben in den Friedensjahren betrachten, so werden wir bald erkennen, dass ein Hauptgrund für die Trägheit und Gleichgültigkeit, in welche wir nach und nach gefallen sind, darin bestand, dass das beständige Warten auf Christum in unseren Herzen nachgelassen hatte. Die natürliche Folge davon war, dass wir immer weniger Kraft in uns fühlten, uns von der Welt und ihren Reizen loszumachen. Es genügt eben nicht das bloße Wissen, dass der Herr wiederkommen wird. Wir können über diese Wahrheit ganz klar unterrichtet sein, auch sie mit Freuden in unser Herz aufgenommen haben, und doch Ihn nicht erwarten.

Vor mehr als 80 Jahren ging der „Mitternachtsruf“: Siehe, der Bräutigam! durch die Lande, und sein Schall erreichte die schlummernde Kirche. Unzähligen Kindern Gottes kam es damals zum Bewusstsein, dass der Herr nahe sei.

Lange Zeit ist seitdem verflossen. Wohl klingt noch heute der Ruf in unseren Herzen und weckt freudigen Widerhall; aber das sehnliche Harren hat nachgelassen. Wir erwarten den Herrn nicht mehr so sehnsuchtsvoll wie früher; ja, viele erwarten Sein Kommen wohl für „bald“, aber nicht für „heute“. Es ist noch so manches auf dem Wege, das die Herzen fesselt und zurückhält.

Da ist dann plötzlich der Krieg gekommen, dieses furchtbare Weh, das die ganze Welt und mit ihr die Kinder Gottes trifft. Gott benutzt ihn als Zuchtrute, um unsere Herzen von der Welt zu lösen und die kostbare Hoffnung aus die Wiederkehr unseres teuren Herrn neu zu beleben. Nicht als ob der Krieg ein Zeichen Seiner Ankunft für uns wäre; nein, das Wort Gottes spricht von keinem Vorzeichen, keinem Weltereignis in Verbindung mit dem Kommen des Herrn zur Aufnahme der Heiligen. Wir haben auf Ihn zu warten, ohne irgendwelcher Zeichen zu bedürfen. Mit Absicht hat uns der Herr über den Zeitpunkt ganz im Ungewissen gehalten, auch stellt uns das Wort denselben nie anders als gegenwärtig oder kurz bevorstehend vor.

Jesus sagte Seinen bekümmerten Jüngern: „Wenn ich weggehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen“ (Joh.14,3). Er sagte nicht: „ich werde die zu mir nehmen, die dann noch leben“.

Wenn der Apostel von der Aufnahme der Heiligen spricht, sagt er: „Wir, die Lebenden“, nicht etwa: „die, welche bei der Ankunft des Herrn noch leben werden“ (1. Thess. 4, 15).

Den unter schweren Verfolgungen leidenden Hebräern wird zugerufen: „Werfet eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat . . . Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen« (Hebr. 10, 35 — 37).

Nach dem Worte des Herrn an Johannes, am Ende seines Evangeliums, glaubten die anderen Jünger, dass Johannes nicht vor der Wiederkehr des Herrn sterben würde; aber Johannes berichtigt gleich den Irrtum: „Jesus sprach nicht zu ihm, dass er nicht sterbe“. Jeder von ihnen hatte dem Herrn zu folgen, was auch das für jeden bestimmte Los sein mochte.

Darum: was sich auch in dieser Welt ereignen mag, nichts soll unser beständiges Warten auf den Herrn stören. Die Gläubigen aller Zeiten haben sich die Worte des Herrn und die der Apostel anzueignen, ohne irgendwie die seitdem verflossene Zeit dabei in Rechnung zu stellen. Unbekümmert um Zeit und Zeiten, auch unbekümmert um die eigenen Umstände und Prüfungen, sollte allein die Liebe und Sehnsucht zum Herrn die Worte auf unsere Lippen legen: „Herr Jesu, komm!“ So war es bei den Thessalonichern. Ihr ganzes Leben war so von dieser beständigen Erwartung durchflochten, dass der Apostel jedes Kapitel des ersten an sie gerichteten Briefes mit einem Hinweis auf das Kommen des Herrn schloss.

Was sich also vor oder bei dem Kommen des Herrn zu unserer Ausnahme ereignet oder nicht ereignet in dieser Welt, wissen wir nicht. Es ist deshalb zwecklos, darüber zu sinnen, inwieweit der heutige Krieg damit in Verbindung gebracht werden kann. Wohl aber dürfen wir in den Kriegsereignissen Zeichen der Zeit erblicken, die laut verkünden, dass die Ankunft des Herrn zum Gericht nahe gekommen ist. Und das soll uns eifrig und willig machen, der verlorenen Welt die frohe Botschaft des Heils zu bringen, ehe es zu spät ist, und soll uns anderseits an die Mahnung aus Offbg. 18, 4 erinnern: „Gehet aus Babylon hinaus, mein Volk, auf dass ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet!“

Ferner wissen wir: Der Herr will, dass die Leiden und Unruhen dieser Zeit dazu beitragen, um bei uns das anhaltende beständige Warten auf Sein Kommen von neuem zu merken bzw. es zu vermehren. Denn in demselben Maße, wie ich Christum erwarte, strebe ich danach, dass alles, womit ich in Verbindung bin, passend für Ihn sei. Und umgekehrt, je mehr ich für Seine Ankunft bereit bin, umso stärker wird meine Erwartung werden, und umso inniger mein Wunsch, Ihn zu sehen. Und — welch herrlicher Gedanke! — auch unser Herr sehnt sich nach uns und wird nicht ruhen, bis Er alle die Seinigen zu sich genommen hat. Ja, Gott wird nicht eher befriedigt sein, als bis Er uns vor sich steht in der gleichen Herrlichkeit mit unserem Herrn und Heilande, „gleichförmig dem Bilde Seines Sohnes“ (Röm. 8, 29).

Darum: Aufgeschaut, selige Braut! — „Jetzt ist unsere Errettung näher, als da wir geglaubt haben. Die Nacht ist weit vorgerückt, und der Tag ist nahe“ (Röm. 13, 11. 12).

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Dennoch

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 160ff

Drohend schlagen wilde Wogen

rundumher an unser Land.

Dennoch strahlt der Regenbogen

hell auf dunkler Wolkenwand.

Drückend legen schwere Sorgen

sich auf manches Herz und Haus.

Dennoch führt’s vielleicht schon morgen

herrlich unser Gott hinaus.

Brennend schmerzen tausend Wunden,

dennoch kann’s nicht anders sein:

Wenn die Stunden sich gefunden,

bricht die Hilf mit Macht herein.

R. B.

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Der Hirte Seiner Schafe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 161ff

Mannigfaltig und reich sind die Namen und Titel unseres geliebten Herrn. Einer der lieblichsten ist der Name „Hirt“. Schon im Alten Bunde spricht Jehova von sich als dem Hirten Seiner Schafe: „Siehe, ich bin da, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen. Wie ein Hirt sich seiner Herde annimmt an dem Tage, da er unter seinen zerstreuten Schafen ist, also werde ich mich meiner Schafe annehmen und werde sie erretten“ (Hesekiel 34, 11. 12). Als der „Hirte Israels“ (Ps. 80, 1) hatte Er Sein Volk durch die Hand Moses und Aarons aus Ägypten herausgeführt und es „Wie eine Herde“ durch die Wüste geleitet. (Ps. 77, 20). „Wie ein Hirt“ wird Er bei Seiner Wiederkehr „Seine Herde weiden, die Lämmer in Seinen Arm nehmen und an Seinem Busen tragen, die Säugenden sanft leiten“ (Jes. 40, 11).

Als „Hirt“ erschien Er in der Fülle der Zeit inmitten Seines irdischen Volkes, das führerlos umherirrte, wie Schafe, die keinen Hirten haben (Mark. 6, 34). Er trat „unter Seine zerstreuten Schafe, um sich ihrer anzunehmen und sie zu erretten“. „Ich bin der gute Hirte“, so sprach Er selbst, „der gute Hirte lässt Sein Leben für die Schafe“ (Joh. 10, 11). Nichts weniger als das genügte, um sie wirklich zu Seinen Schafen zu machen. Er musste für sie sterben , und als der gute Hirte ist Er für sie gestorben. Er hatte „Gewalt, Sein Leben zu lassen, und Gewalt, es wieder zunehmen“. Niemand konnte es Ihm nehmen, wenn Er es nicht freiwillig ließ. Aber also hat Er die Schafe geliebt, dass Er Sein teures Leben für sie opferte.

So haben sie Leben empfangen in Ihm, dem Sohne Gottes, der den Tod zunichte gemacht und Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat, „Leben in Überfluss“ (Joh. 10, 10). So sind sie mit Ihm in Verbindung gekommen und kennen nun Ihn, und Er sie, gleichwie der Vater Ihn hienieden kannte und Er den Vater kannte (V.14. 15). Leben und Nahrung, Friede und Freude, Trost und Ermunterung — alles finden sie in Ihm, dem guten Hirten. Und niemand wird sie, die Seine Stimme hören und Ihm folgen, aus Seiner Hand rauben. Er kennt sie, und Er gibt ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich (V. 27. 28).

Im Hebräerbrief ist ebenfalls von dem Herrn als dem Hirten die Rede, und zwar wird Er dort „der große Hirte der Schafe“ genannt. „Der Gott des Friedens aber, der aus den Toten wiederbrachte unseren Herrn Jesus Christus, den großen Hirten der Schafe, in dem Blute des ewigen Bandes, volIende euch in jedem guten Werke, um Seinen Willen zu tun, in euch schaffend was vor Ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum“ (Hebr. 13, 20. 21).

Treten in dem ersten Falle die Gnade und Liebe, wie sie sich in der Dahingabe unseres hochgelobten Herrn gezeigt haben, in den Vordergrund, hier hören wir von einer wunderbaren Kraft und geistlichen Energie ,die in den Gläubiger, der Herde des großen Hirten, wirken und sie befähigen, alles vor Gott Wohlgefällige zu tun. „Der Gott des Friedens“ — kostbarer Name, den der Apostel Paulus Gott so gern beilegt! — hat den Frieden durch den Tod Christi begründet und völlig gesichert, und zwar auf Grund des Blutes des ewigen Bundes. Die Worte „ewig“ und „besser“ sind kennzeichnend für den Hebräerbrief. Im Gegensatz zu dem jüdischen Religionssystem, das dem Verschwinden nahe war und das nur zeitliche, vorübergehende Ergebnisse hervorbrachte, gibt es jetzt ein ewiges Heil, eine ewige Erlösung, ein ewiges Erbe, einen ewigen Bund, ja, sogar der Geist wird der ewige Geist genannt; ebenso hören wir von einem besseren Bunde, von einer besseren Hoffnung, von besseren Verheißungen, von besseren Opfern, von einer besseren Auferstehung und schließlich von dem „Besseren, das Gott für uns vorgesehen hat“.

Die Segnung des Gläubigen hängt jetzt nicht ab von dem Alten Bunde, unter welchem Gott die eine und der Mensch die andere Partei bildete, und der deshalb gebrochen werden konnte, sondern von dem Gott, der aus all den Wogen und Wellen, die über unserem heiligen Stellvertreter zusammenschlugen, aus Satans Macht und Gewalt, ja, „aus den Toten wiederbrachte unseren Herrn Jesus Christus, den großen Hirten der Schafe“. Alles das, was Gott je und je bezüglich des Gerichts wider die Sünde verkündigt hatte, alles was die finstere Macht Satans über Jesum bringen konnte, lastete am Kreuze auf Ihm; aber Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt. Als alle unsere Sünden auf Ihn gelegt und Er für uns zur Sünde gemacht worden war, ist Gott in gewaltiger Macht eingeschritten und hat Ihn wieder.-gebracht „in dem Blute des ewige n Bundes“, in dem kostbaren Blute, das alle Ansprüche Gottes vollkommen befriedigt hat und ebenso wohl der Beweis der Liebe Gottes zu dem Sünder wie die Bestätigung Seiner Gerechtigkeit wider die Sünde ist.

Und nun darf der Gläubige seinen Weg gehen in Gemeinschaft mit dem Gott des Friedens, der in ihm wirkt und in ihm schafft „was vor Ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum“. Nachdem das Kreuz allen Forderungen der Heiligkeit und Wahrheit des lebendigen Gottes begegnet ist, kann Gott sich jetzt als „der Gott des Friedens“ uns offenbaren. Er ruht in dem auf Golgatha vollbrachten Werke« und hat zum Beweise Seiner völligen Verherrlichung Jesum aus den Toten auferweckt und Ihm einen Platz zu Seiner Rechten gegeben. Da wo Gott ruht, ruhen auch wir, und da wir, „gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht Seiner Herrlichkeit«, „in die Gemeinschaft Seines Sohnes berufen“ sind, kann Gott uns jetzt „vollenden zu jedem guten Werke“. Wir vermögen „würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werke fruchtbringend“ (Kol. 1, 10. 11).

Wie wunderbar ist also die Kraft, die jetzt durch Jesum Christum, den großen Hirten der Schafe, durch Ihn, den auferstandenen und verherrlichten Herrn, uns von Gott zuströmt und in uns wirksam werden soll zum Preise Dessen, „der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes Seiner Liebe“! Was sind Umstände und Schwierigkeiten, was Sorgen und Kümmernisse dieser Kraft gegenüber! Der Gläubige darf sie alle auf Gott werfen. Gott selbst will sich mit allem beladen, was uns Sorge machen möchte, und Ihn kann nichts beunruhigen oder in Verlegenheit bringen. So ist der Gläubige berufen, seinen Weg zu gehen „in allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden“. O möchte der Wunsch des Apostels bei uns allen in Erfüllung gehen, damit wir allezeit treu und stark erfunden werden auf Gottes Wegen, bis unser Lauf in der ewigen Herrlichkeit endet!

Das führt uns zu der dritten Stelle, wo unser Herr als Hirte vor die Augen unserer Herzen gestellt wird. In Verbindung mit der Ermahnung an „die Ältesten“, die Herde Gottes, die bei ihnen war, treu zu hüten und als Vorbilder der Herde die Aufsicht mit herzlicher Bereitwilligkeit zu führen, nicht um schändlichen Gewinnes willen, schreibt der Apostel Petrus: „Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen“ (1. Petr. 5, 4). Unwillkürlich werden wir bei diesen Worten an den Jubelruf der Söhne Korahs am Schlusse des 84. Psalms erinnert: „Gnade und Herrlichkeit wird Jehova geben, kein Gutes vorenthalten denen, die in Lauterkeit wandeln“ (V. 11). Gnade und Herrlichkeit: die beiden Endpunkte des Wüstenpfades des Gläubigen; und auf dem Wege zur Herrlichkeit liegt alles für ihn bereit, was er bedarf: Kraft, Trost, Ermunterung, mit einem Wort: alles Gute. Freilich unter der einen ernsten Bedingung: wenn er in Lauterkeit wandelt. Für den Unlauteren und Unaufrichtigen gibt es keine Verheißung. Sein Weg liegt nicht in dem Lichte des Angesichts Gottes.

Die „Åltesten“, an welche Petrus seine Ermahnung richtete, waren Hirten der Herde Gottes, Aufseher der Versammlung oder Gemeinde. Es war nicht ihre Herde, sondern die Herde Gottes. Christus war der Erzhirte, sie gleichsam die Unterhirten, von Ihm berufen und unter Seiner Leitung tätig. Die liebende Sorge des Erzhirten um Seine Herde, Seine nie fehlenden Treue sollte ihr Vorbild sein, das Muster, nach dem sie sich zu bilden hatten. Nicht ihr Wohl, nicht ihre Bequemlichkeit, nein, das Beste der Herde war ihr einziger Beweggrund. So sollten sie Ihm nachzuahmen suchen, der alles aufgegeben hat und ganz arm geworden ist, um Seine Schafe reich zu machen.

Sein Weg hatte durch end- und namenlose Leiden geführt, und Petrus mit den übrigen Jüngern war Zeuge dieser Leiden gewesen. Jetzt thronte Er in der Herrlichkeit droben. Das Ziel war erreicht, und bald würde Er wiederkommen, um in Seiner Herrlichkeit vor aller Augen geoffenbart zu werden. Petrus redet nicht von dem Kommen Christi zur Aufnahme oder Entrückung der Seinigen, sondern von Seiner Erscheinung mit ihnen in Herrlichkeit, wenn Er aufs Neue mit dieser Erde und mit Seinem irdischen Volke (Israel) in Verbindung treten wird. Dann, wenn Er, der Erzhirte, offenbar geworden ist, der auf Seinem Haupte die „vielen Diadem“« trägt (Offbg. 19, 12), werden auch Seine Unterhirten den Lohn ihrer Liebe und Treue, die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit, empfangen und so „Teilnehmer der Herrlichkeit werden, die geoffenbart werden soll“.

Welch eine Aussicht! Welch eine Ermunterung, allezeit getrost zu sein, ja, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn! Da ist Fürsorge getroffen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Gnade, überströmende Gnade ist uns, begegnet, als wir tot in Sünden und Übertretungen waren; Kraft, göttliche Kraft, wird uns dargeboten für unseren ganzen Weg; und Herrlichkeit, ewige Herrlichkeit, samt einer unvergänglichen Krone, liegt uns bereit am Ziele unserer Wanderung.

„Ich bin glücklich“, schrieb kürzlich ein Gläubiger, der sich auch nach der ihm verliehenen Gnade um das Wohl der Herde Gottes bemüht, „ich bin glücklich, dass der Herr eine Krone mitbringt und uns dadurch in die Lage versetzt, Ihm, dem Lamme, die Krone zu Füßen legen zu können. Er allein ist würdig, alle Kronen zu tragen“

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Feiertage

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 167ff

Von besonderen Festtagen erwartet man gern besondere Freude. Nicht selten aber bringen gerade sie große Enttäuschungen. Da war von der Familie eine Wanderung durch die Frühlingsgefilde geplant und sorgsam vorbereitet, aber — es regnet. Oder es sollte eine Reise zu Verwandten gemacht werden, aber — durch plötzliche Erkrankung eines Familiengliedes kann sie nicht stattfinden. Oder man erwartet Besuch, aber — er bleibt aus. So ist man schließlich froh, wenn der zuvor sehnlichst erwartete Tag vorbei ist.

In unserer Kriegszeit bringen die Feiertage den meisten Familien einen besonderen Wermutstropfen. Männer, Väter, Söhne weilen fern von ihren Lieben, dort wo es unter dem strengen Gebot der Pflicht überhaupt keine Feiertage gibt. Auf beiden Seiten wird an solchen Tagen das Getrenntsein in besonderem Maße empfunden. Daran ändert der schönste Rotdruck im Kalender nichts. Ist aber der Krieg zu Ende, und sie kehren heim — Gott schenke es in Gnaden bald! - so gibt’s in den Familien eine Reihe von Feiertagen, denn Tage der Freude sind in Wahrheit Feiertage. Ein frohes Herz kann ja jeden Werktag zum Festtag machen, selbst bei großer Arbeitslast. Salomo sagt schon: „Ein fröhliches Herz ist ein beständiges Festmahl“ (Spr. 15, 15).

Seinem irdischen Volke Israel gab Gott einst eine Reihe von Festen zur ständigen Beobachtung (Siehe 3. Mose 23). Ein jedes derselben gab dem auserwählten Volke Kunde von dem wunderbar machtvollen und gnädigen Tun seines Gottes, somit Ursache zu Freude und Dank. Und wenn die Scharen hinaufzogen zum Hause Gottes mit der Stimme des Jubels und des Lobes, um ihre Dankopfer auf dem Altar Jehovas niederzulegen, so waren sie in der Tat schon eine „feiernde“ Menge (Ps. 42, 4), ehe noch der eigentliche Festtag angebrochen war. Die Freude an Jehova war der Kern ihrer Feier, in ihr lag ihre Stärke (Neh. 8, 10).

Dem himmlischen Volke Gottes ist kein Gebot zur Feier besonderer Tage gegeben. Selbst die Abendmahlsfeier ist nicht durch ein Gebot an einen bestimmten Tag gebunden. Das entspräche nicht unserer Stellung in Christo. Als Gegenstände einer vollkommenen Gnade sind Christi Glieder von Gott berufen »zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade«. (Eph. 1, 6.) Sie sind »ein heilige; Priestertum, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesum Christum“ (1. Petr. 2, 5.) Und das nicht nur an besonderen Tagen, nein, jeden Tag, vom Augenblick der Errettung an. Aufs innigste mit Gott in Verbindung gebracht und durch Seine Gnade in Christo zu unvergleichlicher Würde erhoben (vergl. auch Eph. 2, 19. 22; 1. Petr. 2, 9; 1. Joh. 3, 2), könnten und sollten sie ununterbrochen eine „feiernde“ Menge sein. Besitzt doch der Schwächste und Unscheinbarste unter ihnen durch Gottes Gnade ein Glück so groß, wie alle Schätze und Reichtümer der Welt zusammen es nicht zu geben vermögen; ja, ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil liegt für ihn im Himmel aufbewahrt (1.Petr.1, 4). Wo immer eine Seele in diesen Dingen „lebt“, da ist jene tiefe, wahre Freude zu Hause, deren Quelle im Heiligtum, in der Gegenwart Gottes sprudelt. Da ist immer Feiertag.

„Aber wer kann denn bei dem furchtbaren Leid, bei den Tränenströmen unserer Tage, auch bei den täglichen kleinen Nöten und Ärgerlichkeiten, die sich bis zur Unzahl vermehrt haben, noch fröhlich sein?“ Im Blick auf die Umstände niemand, weder Schreiber noch Leser dieser Zeilen. Die Umstände waren aber auch in besseren Zeiten niemals die Quelle wahrer Freude, und sie werden es nie sein. Der Vergänglichkeit angehörend, zeigen sie im besten Falle nur die Unvollkommenheit alles Irdischen. Die ihnen entspringende Freude ist immer mit Unruhe und Sorge verknüpft. Wie ganz anders dagegen die Freude am Herrn! Sie beschäftigt und verbindet das Herz mit „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater“ (Offbg. 1 5. 6); - mit dem „Fels der Zeitalter“, der in jeder Sturmflut der Umstände völlige Sicherheit bietet, — mit unserem treuen und barmherzigen „Hohenpriester“, der vor dem Angesicht Gottes sich allezeit für uns verwendet, damit unser Glaube nicht aufhöre, -— mit dem „Morgenstern“, der in unseren Herzen bereits aufgegangen ist und der uns zuruft: „Siehe, ich komme bald!“ Das alles gibt dem von Natur so unruhigen, verzagten Herzen Ruhe, tiefe, selige Ruhe, verbunden mit einer Freude, welche die Welt nicht kennt. Ist ein Tag, an dem diese Dinge genossen werden, nicht ein Feiertag? Und könnte unser Leben nicht eine liebliche Kette solcher Feiertage sein?

Vielleicht haben wir in früheren Zeiten oft nicht verstanden, einen klaren Unterschied zu machen zwischen der Freude am Herrn und einer günstigen Umständen entspringenden Fröhlichkeit. Ob nicht z. B. manchem „gemütlichen“ Beisammensein im Hause gastfreier Geschwister die wahre Weihe gefehlt hat, weil Er, an dem „alles lieblich“ ist, nicht im Mittelpunkt des Interesses stand? Und dabei wunderte man sich über den Mangel an geistlicher Frische und Kraft!

Ich glaube, hier ist ein wunder Punkt, auf den Gott in ernster Weise Seinen Finger gelegt hat. Er lässt die dürren Blätter irdischer Genüsse zur Erde rascheln, zu Staub vergehen, damit wir die „grünen Auen“ und „stillen Wasser“ Seiner Gegenwart wieder mehr schätzen und genießen. Für die Natur ein schmerzlicher Weg! Doch wir dürfen nicht verzagen. Das Feuer der Trübsal entfernt nur die Schlacken. Der Meister sucht Gold, kostbares Gold, zu unserem Glück und zu Seiner Ehre.

Solang wir im Leibe der Niedrigkeit wallen, stehen die Leiden der Jetztzeit der Entfaltung der Freude entgegen. Wir, die in der Hütte sind, seufzen beschwert. Wir möchten „überkleidet“ werden, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben, und nichts mehr uns hindere an dem Vollgenuß der Person unseres verherrlichten Herrn und unserer himmlischen Freude. Dennoch sind wir auch jetzt „gutes Mutes“ und „beeifern uns, Ihm wohlgefällig zu sein“ (2. Kor. 5, 4 - 9) — wohlgefälIig durch ein dankbar frohes Herz und einen Wandel in Demut und Reinheit.

Die täglichen großen und kleinen Übungen aber, alle unsere Fragen und Verlegenheiten geben unserem treuen Gott stets neue Gelegenheit, uns zu umgeben mit „Rettungsjubel“ (Ps. 32, 6. 7), vorausgesetzt dass wir etwas davon kennen, alle unsere Anliegen durch Gebet und Flehen mit Danksagung vor Ihm kundwerden zu lassen. So stehen wir in einem Kreislauf des Segens. Die Freude am Herrn (an Seiner Person und Seinem Werke für uns) erhebt unsere Herzen, macht uns stark, mehrt das Vertrauen. Kindlich sagen wir Ihm alles, Kleines und Kleinstes, Großes und Größtes. Ledig aller Sorgen, genießt das Herz den Frieden Gottes, reine, tiefe Freude, die sich naturgemäß in der Stimme des Jubels und des Lobes zurückwendet zu ihrem Ausgangspunkt, zu Jesu, unserem geliebten Herrn.

So dürfen wir es in unseren Tagen erfahren, und dann genießen wir Feierstunden und Feiertage inmitten von Drangsal und Not, sowohl die Brüder an der Front und in der Gefangenschaft, in Etappe, Lazarett und Garnison, als auch die Geliebten daheim in allen ihren Schwierigkeiten. Und wenn dir, liebe einsame Mutter, das Herz einmal gar zu schwer werden will, so stimme mit deinen Kindern an:

Solang mein Jesus lebt ·

und Seine Kraft mich hebt,

muss Furcht und Sorge von mir fliehn,

Mein Herz in Lieb’ erglühn.

Oder:

Weil ich Jesu Schäflein bin,

freu’ ich mich nur immerhin

über meinen guten Hirten,

der mich wohl weiß zu bewirten;

der mich liebet, der mich kennt

und bei meinem Namen nennt.

Dann wird der Kummer schwinden und dem Frieden des Himmels Platz. machen. Solch feierliche Stunde aber bleibt den Kindern unvergesslich. „Sie fingen an fröhlich zu sein“, heißt es in Luk. 15, 24. Dieses Wort sagt uns neben anderem, dass wir auf Erden nur den Anfang der Freude genießen. „Fülle von Freuden“ aber ist vor Seinem Angesicht. Bald wird sie uns zuteil werden, wenn Jesus kommt und uns einführt in die Herrlichkeit droben.

Dann wird mein Lauf sich enden,

dann schau’ ich droben Dich;

o seliges Vollenden!

Ich feire ewiglich.

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Anbeter Gottes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 173ff

Niemand hat Gott je gesehen. Wie könnten wir Ihn also kennen, wenn es Ihm nicht gefallen hätte, sich uns zu offenbaren? Wir könnten Ihn wohl in Seinen Werken und Wegen bewundern, könnten Seine Weisheit, Größe und Allmacht in der Schöpfung sehen, aber Ihn selbst, der Licht und Liebe ist, kännten wir nicht. Wir wüssten nichts von Ihm als Vater. So hat Er sich nur in Seinem Sohne geoffenbart, und diese Offenbarung konnte nur im Sohne geschehen.

Als die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott Seinen Sohn, geboren von einem Weibe. Jesus kam aus dem Schoße des Vaters auf diese Erde, um Ihn kundzumachen. Welch eine wunderbare, ergreifende Tatsache! Schon vor Grundlegung der Welt hatte Gott Seinen Geliebten „zuvor bestimmt“, diesen Weg zu gehen, in diese Welt herabzusteigen und als der abhängige, gehorsame Jesus von Nazareth den Willen des Vaters zu tun. Das war der Ratschluss, den Gott in Seiner Liebe zu den Menschen und zu Seiner eigenen Verherrlichung gefasst hatte. Welch eine Freude erfüllt das arme Menschenherz, wenn es diesen Ratschluss kennen lernt! Wie haben wir gejubelt und Gott gedankt, als wir zum ersten mal zu dem Bewusstsein gelangten, ein Kind Gottes zu sein, Ihn Abba- Vater nennen zu dürfen! Und dieser Dank hört nicht auf, sondern vertieft sich, je weiter wir in die Gedanken Gottes eingeführt werden, und er ist kostbar für das Herz Gottes!

Diese Erde — nur ein Stäublein im Weltall, nur ein Sandkorn im Vergleich zu den sie umgebenden gewaltigen Welten — ist von Gott ausersehen zum Wohnort der Menschen, zur Offenbarungsstätte für Seinen geliebten Sohn. Die Menschen auf ihr, obwohl sie sich großer Dinge rühmen, wunders was von sich denken, ja, sich auflehnen gegen ihren Schöpfer, sind doch so klein und unscheinbar, so arm und nichtig, dass Gottes Urteil über sie lautet: „allesamt leichter als ein Hauch“. Und in der Mitte dieser armen, gefallenen Wesen, in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde, ist der Sohn Gottes erschienen! Aus der Zahl dieser verlorenen, feindseligen Geschöpfe hat Gott sich einige erkoren, die Ihn als Vater kennen und Ihn anbeten sollen in Geist und Wahrheit. So wollte es die erlösende Liebe, so war es der Ratschluss des ewigen, heiligen Gottes.

Jesus sagt in Seinem Gebet zum Vater am Ende Seines Leidensweges: „Ich habe deinen Namen geoffenbart den Menschen, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben“ (Joh. 17, 6). Als vom Vater Ihm gegeben, waren diese an Ihn glaubenden Menschen das kostbarste Geschenk, das der Vater Ihm geben konnte. Sie waren bereits Gottes Eigentum nach Seinem ewigen Vorsatz, und nun empfing Er sie aus des Vaters Hand, um sie für ewig zu besitzen. Mit diesen aus der Welt um den Preis des Blutes Seines Sohnes Erkauften will der Vater sich in Ewigkeit umgeben; sie sollen in Seinem Hause wohnen, mit dem Erstgeborenen vieler Brüder in ihrer Mitte. Und nicht nur in der Ewigkeit, nein, heute schon will Er sie um Ihn geschart sehen, zu Seinem Namen hin versammelt, und will aus ihrem Munde die Danksagung empfangen, zu welcher der Geist ihre glücklichen Herzen drängt, und welche die Liebe aus ihre Lippen legt.

„Der Vater sucht solche als Seine Anbeter“ (Joh. 4, 23). Mein lieber gläubiger Leser! Ist es dir schon zum tiefen Bewusstsein gekommen, was diese Worte deines Herrn und Heilandes bedeuten? Kennst du den Platz als „wahrhaftiger“ Anbeter Gottes in Geist und Wahrheit, nicht in Jerusalem oder auf dem Berge Gerisim, sondern in der „wahrhaftigen“ Hütte, im Heiligtum droben? Kennst du ihn in der Mitte der „Versammlung“, in welcher dein Herr selbst zugegen sein und das Lob anleiten will, nach Seinen eigenen Worten: „Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“? Nimmst du ihn ein mit „wahrhaftigem“ Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, und schätzest du ihn mehr und mehr, je länger du ihn kennst?

Unbegreiflich ist die Liebe, die Menschen, wie wir waren, auserwählen und zu diesem Platze führen konnte. Unwillkürlich rufen wir mit dem Apostel: »Was sollen wir hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer wider uns!« Glücklich alle, die zu der erlesenen Schar der Anbeter Gottes gehören! Und das nicht durch eigenes Verdienst, durch eigenes Wirken, nein, einzig und allein durch die überströmende Gnade Gottes, durch Ihn, den die Liebe des Vaters uns gegeben hat.

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Das Herz des Menschen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 176

Des Menschen Herz ist voll von eitlen Sorgen.

Streut er die Saat an seinem Lebensmorgen,

so spricht er schon, noch halb in Kindesträumen:

Wird sie auch keimen?

Und hat der Saft das Samenkorn durchdrungen,

und hat der Keim sich kräftig losgerungen,

dann fragt er gleich mit bangen Zweifelsmienen:

Wird es auch grünen?

Und ob sich nun auch Blatt um Blatt gestaltet,

und ob sich Stamm und Krone reich entfaltet,

der Mensch muss doch die Stirne fragend ziehen:

Wird er auch blühen?

Und ob der Baum in schönster Blüte pranget,

und ob sein Haupt voll zarter Früchte hanget,

das arme Herz, es spricht mit leisem Zagen:

Wird er auch tragen?

Und wehen linde Lüfte noch so schonend,

und lockt die Ernte ihm auch noch so lohnend,

Er seufzet doch —— wer kann das Herz begreifen! —

Wird sie auch reifen?

Und ist sie reif, und liegt sein Schoß voll Früchte,

was liest man dann aus seinem Angesichte?

Dank gegen Gott für Seine reichen Gaben?

Nein, mehr zu haben.

O Menschenherz, du schwankend Rohr im Winde!

Unglaube heißet deine größte Sünde.

Fest wirst du erst auf deinem Pilgerpfade

durch Gottes Gnade.

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Wache auf

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 177ff

Manche Seelen begnügen sich mit dem Bewusstsein, dass sie betreffs ihrer Zukunft gesichert sind. Sie besuchen zwar regelmäßig die Versammlungen, versäumen auch nicht das tägliche Lesen des Wortes im Familienkreise, aber das Verlangen nach einer innigeren Bekanntschaft mit Gott, dem Vater, und nach der persönlichen Gemeinschaft durch den Heiligen Geist mit dem Herrn Jesus fehlt ihnen, mehr oder weniger. Sie kennen nicht die wundersamen Reize eines persönlichen, verborgenen Verkehrs mit Ihm, und bewegen sich gewissermaßen mechanisch im christlichen Leben, „wie die Tür sich dreht in ihrer Angel“ (Spr. 26, 14). Da nun der schläfrige Zustand des Einzelnen auf seine Umgebung ansteckend wirkt, so ist es kein Wunder wenn hier und da bei örtlichen Versammlungen das vom Prediger Salomo gezeichnete Bild zutrifft: „Durch Faulenzen senkt sich das Gebälk, und durch Lässigkeit der Hände tropft das Haus“ (Prediger 10, 18). Das Ganze wächst nicht das Wachstum Gottes; das- „Gebälk“ — das geistliche Leben, die Einheit und Kraft der Versammlung — verfällt, und es wird nach und nach so unbehaglich in ihr wie unter einem „tropfenden Dach“.

In einem solchen Falle erreicht man erfahrungsgemäß dadurch wenig, dass man den allgemeinen Zustand beklagt; wenn nicht das Gewissen des Einzelnen ausmacht und jeder beginnt, bei sich Einkehr zu halten, sein Herz auf seinen Weg zu richten, so bleibt trotz des Klagens alles beim alten.

Ich wende mich darum an den Leser persönlich und rufe ihm die Worte des Apostels an die Epheser zu: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“ (Eph. 5, 14). Wache auf! Denn es ist eine elende Zeit, diese Zeit des Schlafens. Ein schlafender Christ führt kein glückliches Leben.

Der Schlaf ist ein Bild des Todes. So wie der leiblich Tote für die Reize der ihn umgebenden Natur unempfindlich ist, mag die Sonne noch so schön und warm am Himmel stehen, so ist auch der schlaftrunkene Gläubige kalt und gleichgültig gegen die wunderbaren Schönheiten des ihn umflutenden neuen Lebens. Da ist kein „Singen und Spielen dem Herrn“ im Herzen, keine wahre, warme Freude in der Seele. Ja, das Leben eines solchen Gläubigen ist nicht allein kein glückliches, es ist auch ein verlorenes Leben, ein Leben, das seinen eigentlichen Zweck verfehlt; denn der Schlaf ist auch ein Bild von der Untätigkeit. Die Seele wacht in der Fessel des Schlafes, bemerkt, was um sie her vorgeht, hat auch Wünsche und selbst gute Vorsätze; es fehlt ihr aber der feste Wille und die Kraft, sich zu irgend einer Tätigkeit aufzuraffen.

Nun hat aber Christus sich nicht allein hingegeben, um uns von aller Gesetzlosigkeit loszukaufen und unserem Gewissen Ruhe zu geben, sondern auch „um sich selbst ein Eigentumsvolk zu reinigen, eifrig in guten Werken“ (Tit. 2, 14). „Ihr seid um einen Preis erkauft worden“, schreibt Paulus an die Korinther, „verherrlichet nun Gott in eurem Leibe“ (1. Kor. 6, 20).

Darum: Wache auf, der du schläfst! Erkenne deinen schläfrigen Zustand und bekenne ihn! Bekenne und demütige dich! Bringe in schonungslosem Erforschen deines Herzens alles vor Gott, was dir den freudigen Genuss Seiner Gnade und Liebe geraubt hat! Tue es ernst und aufrichtig — und Er, der treu und gereiht ist, wird dir vergeben und den Schlaf aus deinen Augen reiben.

Bleibe aber nicht beim Erwachen stehen, stehe auf aus den Toten, d. h. brich entschieden mit deinem ganzen irdischen, weltlich gesinnten Zustand! Du wirst schnell wieder in den alten Schlaf zurücksinken, wenn du dich nicht völlig von den Toten abwendest, wenn du deinen alten, liebgewordenen Torheiten, Neigungen und Gewohnheiten nicht ganz entsagst. Lass die alten guten Vorsätze, die launenhaften Augenblicksentschlüsse, all das matte und träge Wünschen fahren! Was du jetzt nötig hast, ist eine feste Absicht, ein Herzensentschluss, ein demütiges, aber klares, bestimmtes Vornehmen, wie wir es bei Daniel sehen. Er „nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht mit der Tafelkost des Königs und mit dem Weine, den er trank, zu verunreinigen“ (Dan. 1, 8). Nimm es ernst damit, wie Paulus, der an sein treues Kind Timotheus schreiben konnte: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz . . .“ (2. Tim. 3, 10.) Hast du aber durch des Herrn Gnade einen festen Vorsatz gefasst, so bitte Gott, dass dieser Herzensentschluss auch durch Seine Gnade zur Ausführung komme. Mache es dabei nicht wie früher, indem du bloß über deine Schwachheit in der Ausübung der guten-Vorsätze vor dem Herrn klagst. sondern bitte Ihn in ganz bestimmter Weise um Gnade und Kraft für die gerade vor dir liegende Aufgabe.

Begnüge dich auch fortan nicht mit dem jedesmaligen Verurteilen deiner Handlungen, — die hast du früher schon vielfach verurteilt, — sondern „prüfe dich selbst“, übe ein gründliches, dauerndes Selbstgericht. Wenn du dich selbst in der Gegenwart Gottes richtest, wirst du nicht nötig haben. deine Wege zu verurteilen. Selbstgericht ist das Gericht über die Wurzel des Bösen, während das Verurteilen unserer Handlungen nur ein Gericht über die Frucht ist. Also: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten.

Christus selbst, im Strahlenglanz Seiner Schönheit, die alles hienieden verdrängt und überstrahlt. Will das Licht deines Lebens werden. Dieses Licht erhellt alle Dunkelheit deines Herzens und leuchtet weit und klar über deinen Weg. In diesem Lichtkreis flieht der Schlaf; die Seele bleibt wach, und das Auge hell und schnell für alles, was an dich herantritt.

Zum beständigen Aufenthalt in diesem Licht, zu dieser Gemeinschaft mit Jesu Christo, sind wir berufen. Er hat den anderen Sachwalter, den Heiligen Geist, gesandt, damit Er in uns wohne und uns die von Gott geschenkten Dinge nicht nur kennen lehre, sondern auch in der Gemeinschaft des Herrn genießen lasse. Nur in dieser Gemeinschaft gewinnen und bewahren wir die innere Herzensstellung, die unseren Dienst, unsere Tätigkeit fruchtbar machen kann. Das Erste, wozu Jesus Seine zwölf Jünger bestellte — so lesen wir in Mark. 3, 14 — war, „auf dass sie bei Ihm seien“, und dann erst, „auf dass Er sie aussende, zu predigen und Gewalt zu haben, die Krankheiten zu heilen und die Dämonen auszutreiben“. „Auf dass sie bei Ihm seien“ —- und ,,Gewalt haben“. Diese beiden Dinge sind auch heute noch miteinander verbunden, und derjenige wird am meisten Kraft oder Gewalt offenbaren, der sich am meisten in der Gegenwart des ihm leuchtenden Christus aufhält.

Um der Seele diese wichtige und kostbare Gemeinschaft mit dem Herrn zu erhalten, empfiehlt uns die Heilige Schrift zweierlei: fleißigen Gebrauch des Wortes und anhaltendes Gebet. Wort und Gebet, das ist ein unzertrennliches Paar. In der Schrift werden sie oft nebeneinander gestellt.

Paulus ermahnt die Kolosser: „Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen“ (Kol. 3, 16), und kurz nachher: ,,Beharret im Gebet!“ (Kolosser 4, 2). — Der Schreiber des Hebräer-Briefes spricht, gleich nachdem er das Wort Gottes lebendig, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert genannt hat, von dem Hohenpriester, der mit unseren Schwachheiten Mitleid zu haben vermag, und von dem Gnadenthron, zu welchem wir mit Freimütigkeit hintreten sollen, um Barmherzigkeit zu empfangen und Gnade zu finden zur rechtzeitigen Hilfe. (Hebr. 4.) Und in Lukas 10 finden wir die liebliche Erzählung von der Maria, die, zu den Füßen Jesu sitzend, auf Sein Wort lauschte; und gleich daran schließt sich die Anweisung des Herrn, wie Seine Jünger beten sollten.

Wort und Gebet, das sind die zwei Segens - mittel, welche Gott uns zum gemeinschaftlichen, besonders aber auch zum persönlichen Genuss geschenkt hat. Das persönliche Genießen der Gemeinschaft, das Alleinsein vor dem Herrn wird leider vielfach nicht genügend geschätzt. Ein gut Teil der Mattigkeit und Schläfrigkeit in unserer Mitte wird wohl darauf zurückzuführen sein, dass so manche Gläubige sich mit dem Hören des Wortes in der Versammlung und mit dem Besuch der Gebetsstunden begnügen und darüber das Lesen des Wortes im Verborgenen und das Beten im Kämmerlein vernachlässigen. Und doch kann kein gemeinschaftliches Lesen und Beten das stille Verweilen vor dem Herrn, fern von den Augen der Menschen, ersetzen, weil die Stunde im Kämmerlein, mehr als alles andere, uns tiefe Blicke in das eigene Herz, in die innersten persönlichen Bedürfnisse, aber auch in das-Herz Jesu, in all Seine Gnade und Herrlichkeit tun lässt. Wir erfahren da so manches unmittelbar von Seinen Lippen, was uns, mit anderen vereinigt, verloren geht.

Im Alleinsein vor dem Herrn liegt der wirkliche Ausgangspunkt eines Lebens in Heiligkeit. Dort verwirklichen wir unsere nahe Beziehung zum Vater und vernehmen das für unsere Seele bestimmte Wort. Dort kann der Herr mit uns reden, wie ein Mann zu seinem Freunde redet, kann uns seine ganze Liebe kundtun und sich uns persönlich offenbaren. Dort nur gab es so vertraute Mitteilungen, wie sie ein Abraham unter einsamem Sternenhimmel, ein Mose in der Wüste, ein Daniel und ein Hesekiel in Babylon, oder ein Johannes aus Patmos empfing. Und heute noch will der Herr Seine Knechte lehren und Herz und Mund. mit Worten Seiner Liebe und Güte füllen.

Wie wichtig ist es daher, in der stillen, verborgenen Gemeinschaft mit dem Herrn nach Erkenntnis Seines Willens zu forschen, Sein Wort für den heutigen Tag in unsere Herzen aufzunehmen, unsere Samentücher stets aufs neue zu stillen, so dass wir Vorrat haben zum Säen und Ausstreuen! Wie wichtig auch, Ihm in solchen Stunden des Alleinseins im Gebet alles zu sagen, was in unseren Herzen ist, Ihm alle Einzelheiten unserer Arbeit vorzulegen in Selbstprüfung und Selbstgericht, Ihm, Trost suchend, alles vorzutragen, was unser Herz bedrückt, und vor allem in ungestörter Andacht Ihn zu loben und zu preisen wegen Seiner großen Gnade, Liebe und Barmherzigkeit!

Wie innig kann sich gerade auch in solchen Stunden das Beten für andere gestalten! Und Fürbitte sollte viel bei uns gefunden werden! Lasst uns doch oft an Epaphras denken, „den Knecht Christi, der allezeit rang in den Gebeten“ für seine Brüder, die Kolosser (Kol. 4, 12), und auch den Apostel zum Muster nehmen, der in der Gefangenschaft zu Rom „nicht aufhörte“, für seine zerstreuten Freunde und Kinder in Christo mit Namensnennung zu beten und sie in zarter Fürsorge dem Herrn vorzustellen!

Wenn aber diese Stunden „allein vor dem Herrn“ von so großer Wichtigkeit für unser ganzes Innenleben find, sollte es sich da nicht jeder von uns zu einer festen Gewohnheit machen, jeden Tag wenigstens für eine kurze Zeit für sich die Bibel zu lesen und dabei Gott zu bitten, das gelesene Wort lebendig und wirksam für die Seele zu machen? und sollte nicht das tägliche, stille, verborgene Gebet eine Lebensregel für uns werden, die wir nie versäumen? Der Leser antworte selbst und handle! Doch selbst im Kämmerlein heißt es wachsam sein; denn man kann auch in der Stille das Wort so förmlich und gewohnheitsmäßig lesen, dass die Seele keine Nahrung dadurch erhält, und man kann so nachlässig und geschäftsmäßig beten, wie ein Mietling seine Arbeit tut, nur um sie getan zu haben. Darum: ob wir lesen oder beten, ob wir es öffentlich oder im Verborgenen tun, lasst uns nie vergessen, dass der große, allmächtige und heilige Gott zu uns redet, oder wir zu Ihm! Er ist im Himmel, und wir sind auf der Erde (Prediger 5, 2). Wir bedürfen der Ermahnung, „besonnen und nüchtern zu sein zum Gebet und allezeit in demselben zu wachen“ (1. Petrus 4, 7; Kol. 4, 2).

Wie reich ist doch das Leben eines Gläubigen, das in dem Lichte des ihm leuchtenden Christus, in geheimer Berührung, in stillem Einverständnis und in verborgener Gemeinschaft mit Ihm gelebt wird! Es ist ein Leben, verborgen in seinen inneren Erfahrungen, aber nicht verborgen in seiner äußeren Offenbarung und in feinem Einfluss auf andere. Lies nur häufig in der Stille, allein vor dem Herrn, das Wort und beharre in dem verborgenen Gebet im Kämmerlein, und bald wird es sich zeigen, dass du nicht (wie vielleicht früher) ein Hindernis, sondern eine Hilfe für die Versammlung bist. Deine in dem Lichte des Christus, in Seiner Gemeinschaft gewonnene Frische teilt sich dem einen und anderen mit, und Gott kann Gnade geben, dass dein Erwachen aus dem Schlafe den Anstoß dazu gibt, dass die Versammlung nicht mehr einem Hause mit sinkendem Gebälk und tropfendem Dach ähnelt, sondern dasteht „als ein Spross Seiner Pflanzung, als ein Werk Seiner Hände, zu Seiner Verherrlichung“ (Vergl. Jes. 60, 21).

Wäre das nicht der Mühe wert?

Darum noch einmal: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“

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Das Haus des Brotes

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 185ff

Wenn man die Leser dieser Zeilen fragen würde, ob sic je von einem ,,Hause des Brotes« gehört hätten, so würden die meisten wohl verneinend den Kopf schütteln und verwundert sein zu vernehmen, dass in der Schrift häufig von einem solchen die Rede ist. Der Name Bethlehem bedeutet nämlich nichts anderes als „Haus des Brotes“. Untersuchen wir, inwiefern der kleine, unscheinbare Ort diese Bezeichnung verdient.

Wie wir wissen, war Bethlehem die Geburtsstätte Davids, des zweiten Königs von Israel. Vor allem ist aber ein Größerer als David dort geboren, unser hochgelobter Herr selbst.

In 1. Sam. 16 ist zum ersten Mal von David die Rede. Nachdem Jehova Saul, den König nach dem Herzen des Menschen, endgültig verworfen hatte, sandte Er Samuel zu Isai, dem Bethlehemiter, mit den Worten: „Ich habe mir unter seinen Söhnen einen König ersehen“. In Apstgsch. 13, 22 wird die Botschaft Jehovas an Seinen Knecht in folgender Weise angeführt: „Ich habe David gefunden, den Sohn Jesses, einen Mann nach meinem Herzen, der meinen ganzen Willen tun wird“. David ist hier ein schönes Vorbild von dem Sohne Gottes, der da kam, um Seines Vaters Willen zu tun (Vergl. Hebräer 10, 7.9). Welch einen Weg dieser Wille Ihn gehen hieß, wissen wir. Wollte Gott den Menschen erretten, so musste Er Seinen eingeborenen Sohn in tiefster Niedrigkeit erscheinen und durch den Tod gehen lassen; denn nur Jesu Blut vermochte Sühnung zu tun für die Sünde. Gottes Wille hatte also den großen und herrlichen Zweck, den Menschen zu segnen. Ähnlich war es bei David. Zum Wohle Seines Volkes Israel erwählte Gott aus der Schar der Söhne Isais den Jüngsten, an den niemand dachte; ihn zog Er den sämtlichen sieben älteren Söhnen vor, obwohl diese ein königlicheres Aussehen gehabt haben mögen, als der jugendliche Hirte. Wenigstens meinte Samuel selbst, Eliab, der älteste, müsse der Gesalbte Jehovas sein. Gott sieht aber nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Er schaut auf das Herz, und da erblickte Er in dem Herzen Davids, als die Frucht Seiner in ihm wirkenden Gnade, Eigenschaften, die den Jüngling für den hohen Platz eines Fürsten Israels geeignet machten. David war über weniges treu« erfunden worden, und er sollte ,,über vieles gefetzt« werden. Mit eigener Lebensgefahr hatte er in der Wüste „Juda für die Schafe seines Vaters gesorgt, indem. er sie aus dem Rachen des Löwen und aus den Klauen des Bären rettete. (Vergl. 1. Sam. 17, 34. 35).

So wurde David von den Hürden der Schafe, hinter den säugenden weg geholt, um Jakob, das Volk Jehovas, zu weiden und Fürst über Israel zu sein (Vergl. 1.Chron. 11, 2 und Ps. 78, 70). Wie David seiner Aufgabe gerecht geworden ist, das ersehen wir aus dem letzten Verse des 78. Psalms: „Er weidete sie nach der Lauterkeit seines Herzens, und mit der Geschicklichkeit seiner Hände leitete er sie“. Mit Recht kann daher Bethlehem, als die Geburtsstätte eines solchen Königs und vor allem des Einen, der „die Speise Seines Volkes reichlich segnen und seine Armen mit Brot sättigen wird“ (vergl. Ps. 132, 15), ein „Haus des Brotes“ für Israel genannt werden.

So wie die Israeliten Schafen glichen, die keinen Hirten hatten, die ohne die göttliche Zwischenkunft „auf dem Wege verschmachtet“ wären, also „irrten auch wir umher wie Schafe, wir wandten uns ein jeder auf seinen Weg“. Es ist bekannt, dass Schafe sich leicht verirren; und man sagt, dass ein Schaf, wenn einmal verirrt, nie mehr von selbst den Weg zur Herde zurückfinde. Wenn das aber so ist und wir mit solchen Schafen verglichen werden, so bedürfen wir wahrlich auch eines Hirten, der die Verirrten sucht, die Versprengten zurückbringt und die ganze Herde in Iiebender Sorge weidet. Ein solcher Hirte ist uns aus Bethlehem, dem „Brothause“, erstanden.

Vor fast zweitausend Jahren hüteten in der Nähe von Bethlehem etliche arme Hirten des Nachts ihre Herden. Da erschien ihnen ein Engel, und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie. Die Folge war Furcht und Schrecken. Aber es lag kein Grund zur Furcht vor. Der Engel verkündete ihnen die wunderbare Botschaft: „Euch ist heute ein Erretter geboren in Davids Stadt, welcher ist Christus, der Herr. Und dies sei euch das Zeichen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“ Kaum waren diese Worte gesprochen, als aus der Menge der himmlischen Heerscharen, die sich zu dem einen Engel gesellt hatten, der Chor ertönte: „Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen!“ (Luk. 2, 8 — 14).

Voll heiliger Freude eilen die Hirten nach Bethlehem, um „die Sache zu sehen, die geschehen war, welche der Herr ihnen kundgetan hatte“. Diese einfachen Hirten waren Männer des Glaubens. Ohne irgendwie zu zweifeln oder zu fragen, nahmen sie im Glauben an was Gott ihnen gesagt hatte. Das Kindlein in der Krippe war für sie der Messias, der Jehova ihres Volkes, mit einem Wort, Gott, geoffenbart im Fleische. Sie verstanden „das Geheimnis der Gottseligkeit" nicht (1. Tim. 3, 16), — „anerkannt groß“, wie es ist, wer vermöchte es zu ergründen? — aber sie glaubten es und freuten sich. Und voller Eifer, Ihre Freude auch anderen mitzuteilen, kehrten sie um und „machten überall das Wort kund, welches über dieses Kindlein zu ihnen geredet worden war“ (V. 17 — 20).

Es gab auch noch andere gläubige Seelen, die über das in Bethlehem geschehene Wunder frohlockten. Da war« ein alter Glaubensmann, namens Simeon. Lange Zeit hatte er auf den „Trost Israels“ gewartet. Als sich nun endlich erfüllte, was er jahrelang erhofft hatte, da wurde ihm das Vorrecht zuteil, das Kindlein in seinen Armen zu halten, in welchem der Glaube den Heiland der Welt erblickte. — Und aus fernem Osten zogen weise Männer gen Bethlehem, die den neugeborenen „König der Juden“ sehen wollten. Und als sie das Kindlein in der Krippe erblickten, fielen sie vor Ihm nieder und huldigten Ihm. Auch sie erkannten durch den Glauben Den, der als wahrhaftiger Gott in diese Welt hinein geboren worden war, unbeachtet von der Welt, nichts habend als eine Krippe — den Sohn Gottes, der später am Kreuze hangen sollte, ausgestoßen von der Welt. Ach! sie wollte nichts von Ihm wissen, trotzdem Er von sich sagen konnte: „Das Brot Gottes ist Der, welcher aus dem Himmel herniederkommt und der Welt das Leben gibt…Ich bin das Brot des Lebens: wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten“ (Joh. S, 33 — 35).

Wer je in seinem Leben erfahren hat, was Seelenhunger ist, und dann zu Dem gekommen ist, der einst in Bethlehem, dem „Hause des Brote?“, geboren wurde, der weiß auch, wie „das Brot aus dem Himmel“ solchen Hunger zu stillen vermag. Alles andere, was als Seelenbrot dargeboten wird, ob Kunst und Wissen, ob Freuden und Vergnügungen, ob fromme Übungen und religiöse Brauche — nichts vermag die Seele zu sättigen. Im Gegenteil, alle diese Dinge wirken je länger je mehr nagendes Unbefriedigtsein, öde Leere. Nur wer „das Brot des Lebens“ genießt, den wird nicht hungern. Alle, die ein Eigentum Jesu geworden sind, wissen das aus Erfahrung. Und doch greifen wir noch allzu oft nach anderer Speise. Glücklich der Mensch, der sich ständig nährt von dem „wahrhaftigen Brot aus dem Himmel“!

O Lebenswort! wer dankt genug,

dass du im Fleisch gekommen,

und nach der Liebe tiefstem Zug

das Knechtsbild angenommen!

Du schämtest dich der Sünder nicht,

gingst selber für sie ins Gericht

und starbst für ihre Sünden.

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Was heißt glauben?

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1918 S. 190ff

Glauben heißt rechnen:

  1. mit der Liebe Gottes, wie sie sich auf Golgatha in der Dahingabe Seines Sohnes geoffenbart hat. Wenn ich glaube, dann rechne ich mit der Tatsache: Gott bat mich lieb. Wenn Er das Wertvollste, das Er hatte, den einzigen Sohn, für mich hingab, dann wird Er auch Minderwertiges, wie z. B. Essen und Trinken, mir darreichen.
  2. mit der Allmacht Gottes. Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein? Ist Ihm nicht gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden? Glauben heißt rechnen mit der Tatsache: Der Herr vermag alles. Er kann aus jeder Not erretten. Er kann große Dinge tun. Wir haben in Jesu Christo einen allmächtigen Heiland.
  3. mit der Treue Gottes. O, wie treu ist unser Gott! Wie treu hält Er Seine Verheißungen, und wie viele der etwa 30 000 Verheißungen, die in der Bibel stehen, hat Er schon erfüllt, und die übrigen wird Er auch noch erfüllen! Denn es ist unmöglich, dass Gott lüge.
  4. mit der Weisheit Gottes. Seine Treue ist weise. Er macht keinen Fehler. Er führt immer auf rechter Straße, auch wenn es ein Dornenweg ist. Es muss uns alles zum Besten dienen.
  5. mit der Allgegenwart Gottes· „Siehe, ich bin bei euch alle Tage« bis an der Welt Ende“ — Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!“ So hat unser Herr ausdrücklich gesagt. Und wenn Er, der starke Gott, bei uns ist, dann brauchen wir uns nicht zu fürchten. Was können uns die Menschen tun, wenn Gott uns beisteht?
  6. mit dem unausforschlichen Reichtum Christi. (Eph. 3, 8.) Jesus ist so unermesslich reich, dass Seine Bank nie leer wird, mag sie auch noch so sehr von Hilfeflehenden in Anspruch genommen werden. Er ist gnädig und barmherzig. Darum komm zu Ihm mit deinen Anliegen, wenn du in Not bist! Er gibt gern und mit vollen Händen.
  7. mit der Heiligkeit Gottes. Wenn ich mit der Tatsache rechne: Gott ist heilig, dann hüte ich mich, in irgend eine Sünde zu willigen oder etwas wider Seine Gebote zu tun. Dann vermeide ich alles, was Ihn betrüben könnte, und tue alles, was Ihm gefällt. Wenn wir in bewussten Sünden leben, erhört Gott unsere Gebete nicht. — Rechne ich mit der Heiligkeit Gottes, dann befolge ich auch Sein Wort: „Seid heilig, denn ich bin heilig!“ Was heißt heilig sein? Für Gott da sein, den eigenen Willen darangeben und Gottes Willen als allein maßgebend erachten. Glauben heißt also auch: mit der Heiligkeit Gottes rechnen. Gott erhört Gebete, aber oft nicht so, wie wir es uns gedacht haben.

Die vorstehenden Gedanken fanden sich in dem hinterlassenen Notizbuch eines im vorigen Jahre in Frieden heimgegangenen Knaben. Wenn auch fast nicht anzunehmen ist, dass sie von ihm selbst stammen, (die ihn gekannt haben, halten es zwar nicht für unmöglich, da er viel im Worte Gottes und in Erbauungsschriften forschte,) so zeugt doch schon die Tatsache, dass er: sie in sein Büchlein eintrug, um sie immer wieder lesen zu können, von einem ungewöhnlichen Ernst und dem sehnlichen Verlangen, so jung er war, in Glauben und Treue vor Gott zu wandeln.

Besitzt ihr auch solche Notizbücher, ihr lieben jungen Geschwister? Welch eine liebliche, trostreiche Erinnerung ist das Büchlein jenes Knaben für die ganze Familie! Und welch eine ernste Mahnung für euch!