Botschafter des Heils in Christo 1872 +

02/08/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 1872Seite
Wie man Frieden erlangt5
Kurze Gedanken26
Die frohe Botschaft27
Christus und die Versammlung60
Auszug aus dem Briefe eines englischen Bruders
und Arbeiters im Werke des Herrn67
Der Vater und der verlorene Sohn69
Simon Petrus und die gesichtete Seele84
Der goldene Leuchter93
Hiob und seine Freunde95
Eine weise und sichere Sache179
Das Kennzeichen der Schafe Christi140
Und die Tür ward verschlossen141
Die Folgen des Unglaubens142
Der Heilige Geist - der himmlische Gast150
Die Alabaster-Flasche175
Die abgewiesene Versuchung183
Der Brunnen zu Bethlehem186
Das Gericht des Christentums oder
Warum kommen die Gerichte187
Die Entschuldigungen des Unglaubens207
„Friede euchV'210
Wie sollen wir unsere Sünden bekennen222
So spricht der Herr!227

Wie kann ich Frieden mit Gott erlangen? 
Er hat „Frieden gemacht durch das Blut Seines Kreuzes." 
Ich leugne das nicht; ich glaube es; und dennoch habe ich keinen Frieden. Wie kann ich ihn erlangen? 
„Da wir nun gerechtfertigt sind durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott." 
Ich weiß, daß es so geschrieben steht, aber ich weiß auch, daß ich keinen Frieden habe. Wie gern möchte ich ihn besitzen! Zuweilen denke ich, daß mir der Glaube ganz und gar fehlt. Ich 
sehe Sie glücklich, und ich frage: Wie kommt man zu diesem Glück? 
Sie betrachten es also nicht als eine Vermessenheit, im Frieden mit Gott, und zwar in der vollen Gewißheit Seiner Gunst und mithin unserer eigenen Errettung, zu sein? 
In bezug auf mich selbst würde ich so denken. Aber ich sehe es in der Schrift, und darum muß es die Wahrheit sein. Auch sehe ich etliche Personen, bei denen es ohne Zweifel Wirklichkeit ist, daß sie sich der göttlichen Gunst erfreuen. Aber ich weiß nicht, wie man dahin gelangt. Dieser Gedanke beunruhigt mich, obwohl ich wie andere Christen von Tag zu Tag vorangehe. Sobald diese Frage angeregt wird, erkenne ich, daß ich weder Frieden noch die Gewißheit habe, daß die göttliche Gunst auf mir ruht, deren Sie und andere sich erfreuen. Dies ist eine ernste Sache; denn wenn — wie Sie behaupten und wie die Schrift es ausdrückt — wir durch die Rechtfertigung aus Glauben den Frieden mit Gott haben, den ich aber nicht persönlich besitze: wie kann ich dann gerechtfertigt sein? 
Sie besitzen nicht die wahre Erkenntnis der Rechtfertigung aus Glauben. Ich will damit nicht sagen, daß Sie in den Augen Gottes nicht gerechtfertigt sind, aber Ihr Gewissen ist nicht be
ruhigt. Alle Reformatoren gingen darin weiter als ich; sie vertraten die Auffassung, daß jemand, der nicht die Gewißheit seiner Errettung hat, überhaupt nicht gerechtfertigt sei. Jeder 
aber, der an den Sohn Gottes glaubt, ist in den Augen Gottes gerechtfertigt. Doch solange er dies nicht als eine Lehre Gottes erkennt und den Wert des Werkes Christi nicht erfaßt, hat er 
kein Bewußtsein davon in seiner Seele und somit, falls er so ernstlich wie Sie darauf eingeht, auch keinen Frieden. Auch kann sein Friede erst dann fest gegründet sein, wenn er erkennt, daß Christus nicht nur für ihn starb, sondern, daß er selbst in Christo ist. Das tagtägliche Vorangehen der Christen, wie Sie sagen, ist eine falsche und törichte Sache, welche früher 
oder später abgebrochen werden muß. Gerade dadurch wird am Sterbebett oft viel Unruhe verursacht. 

Der Charakter der christlichen Tätigkeit ist gänzlich verunstaltet und zu einer Verrichtung geworden, die, anstatt das in der Kraft des Heiligen Geistes vollbrachte Werk einer im Frieden ruhenden Seele zu sein, als Mittel dienen soll, glücklich zu machen. Wenn eine Seele es ernst meint und vor Gott wandelt, so kann sie unmöglich eher ruhen, als bis sie Frieden mit Gott hat, und je tiefer und gründlicher diese Herzensübungen sind, desto besser. Doch „Er hat Frieden gemacht durch das Blut Seines Kreuzes". Wie der Pflug und die Egge auf dem Acker, so fördern solche Übungen das Unkraut zu Tage. In diesem Falle sind sie nützlich, ja notwendig; keineswegs aber sind sie die Frucht, die der Glaube an das vollbrachte Werk Christi hervorbringt. Sein Werk ist vollendet. „Er ist einmal in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart worden zum Wegtun der Sünde durch das Schlachtopfer seiner selbst" und „Er hat das Werk vollbracht, welches ihm der Vater zu tun gegeben hatte". 

Dieses Werk, welches unsere Sünde hinwegnimmt, ist vollkommen und von Gott angenommen. Wenn Sie durch Ihn zu Gott kommen und Ihre Sünden durch dasselbe nicht alle, und zwar völlig und für immer hinweggenommen sind, so kann dies nimmer geschehen; denn Er kann nicht wiederum sterben. Alles ist durch das „eine Opfer" zuwege gebracht; denn sonst „hätte er" — wie der Apostel in Hebr  sagt — „oftmals leiden müssen". Ich beginne jetzt einzusehen, daß es ein vollkommenes, ein für allemal vollbrachtes Werk ist. 


*) Es hat mich einige Überwindung gekostet, diese Wahrheiten in die Form eines .Zwiegesprächs zu kleiden, weil ich das Erdichtete in göttlichen Dingen nicht liebe. In Wirklichkeit jedoch habe ich nur verschiedene Unterhaltungen zusammengefaßt, um die Schwierigkeiten einer Seele klarer darlegen zu können. 


Was begehren Sie nun weiter noch, um Frieden zu haben? 
Das ist es eben, was ich wissen möchte. Bevor wir von Ihrem Zustand und den Hindernissen sprechen, möchte ich uns das Werk selbst klar vor die Seele stellen. Wer vollbrachte dieses Werk? 
Nun, Christus. 
Welchen Anteil haben Sie an dem Werk? 
Keinen. Ganz recht, keinen, wenn wir nicht etwa Ihre Sünden als Anteil bezeichnen wollen. Und auf welchen Zustand Ihrer Seele findet das Werk seine Anwendung — auf einen gottseligen oder auf einen gottlosen Zustand? 
Nun, muß ich denn nicht heilig sein? 
Gewiß: „ohne Heiligung wird niemand den Herrn schauen". Aber sehen Sie auch, wie schnell — und zwar mit einer instinktmäßigen Selbstgerechtigkeit — Sie sich von dem Werke 
Christi zu ihrer eigenen Heiligkeit, zu dem, was Sie sind, wenden? Ganz eigentümlich ist der Scharfsinn des Menschen bezüglich dessen, was ihn und seine Selbstgefälligkeit zunichte 
macht. Ihr Verlangen nach Heiligkeit ist jedoch das Verlangen des neuen Menschen. Wären Sie hierüber gleichgültig, so würde es nötig sein, Ihr Gewissen aufzurütteln und nicht vom Frieden zu reden, sondern vielmehr Ihren falschen Frieden zu zerstören. Doch jetzt sind wir mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise eine bekümmerte Seele Frieden finden kann. 
Ganz richtig. Ich bin öfters sehr gleichgültig, und das ist eine Ursache meiner Bekümmernis; doch ich habe keinen Frieden und möchte alles darum geben, ihn zu erlangen. Ohne Zweifel hindert Sie in einem gewissen Sinne diese Gleichgültigkeit an der Erlangung dieses Friedens; doch wir haben in Demut zu lernen, was wir sind. Ach, der Gewinn von Geld und Gut würde manche Seele zu weit größerem Eifer anspornen. Doch ich wiederhole meine Frage: Findet das Werk Christi auf Ihre Gottlosigkeit oder auf Ihre Frömmigkeit oder doch wenigstens auf irgendeinen veredelten Zustand Ihrer Seele seine Anwendung? 

Natürlich nur auf meine Gottlosigkeit. Ganz sicher, und folglich nicht auf Ihre Heiligkeit, wenn eine solche vorhanden wäre, und auch nicht auf einen in etwa veredelten Zustand. Und dennoch — auf was warten Sie, um Frieden zu erlangen? Warten Sie nicht auf einen verbesserten oder veredelten Seelenzustand? 
Freilich. Dann befinden Sie sich auf falschem Wege; denn das, wodurch Christus „Frieden gemacht", findet seine Anwendung auf Ihre Gottlosigkeit. Ihr Verlangen ist ein richtiges, aber Sie spannen, wie man zu sagen pflegt, den Karren vor das Pferd. Sie trachten nach der Heiligkeit, um Christum zu erlangen, anstatt nach Christo zu trachten, um die Heiligkeit zu erlangen. Aber ich rechne auf Seine Hilfe, um heilig zu werden. Ich glaube es; aber Sie trachten nach Seiner Hilfe, und nicht nach Seinem Werke oder der Blutvergießung, um Frieden zu 
erlangen. Sie bedürfen der Gerechtigkeit, nicht der Hilfe. Wir benötigen Seine Hilfe jeden Augenblick, wenn wir gerechtfertigt sind. Er ist der Urheber jedes guten Gedankens in uns. 
Doch das ist weder Frieden noch Seine Blutvergießung noch Gerechtigkeit. Freilich ist dieses Streben nach Heiligkeit nicht ohne Frucht; denn es führt Sie zu der Erkenntnis, daß Sie auf 
solche Weise das nicht finden, was Sie suchen. Sie werden auf diesem Wege weder Heiligkeit noch Frieden finden. Diese Erfahrung Ihres Unvermögens sowie die Entdeckung, daß, wenn 
auch „das Wollen" bei Ihnen ist, Sie dennoch „das Wirken dessen, was recht ist", nicht finden, wird Sie, indem Sie erkennen, daß nichts Gutes in Ihnen wohnt, zu dem führen, was 
den Frieden gibt, nämlich zu dem Werke Christi, nicht aber zu Ihrem Zustand oder dem Werke der Gnade in Ihnen. Dieses Werk bewirkt Gott; aber wir dürfen es nicht als ein Mittel zum 
Frieden betrachten, sondern müssen außer uns einfach und völlig auf das Werk Christi und auf Seine Annahme vor Gott schauen. Aber sagen Sie mir doch, wie Sie vor Gott stehen. Ich weiß es nicht. Das ist es eben, was mich beunruhigt. Sind Sie verloren? 

Ich hoffe nicht. Natürüch sind wir alle von Natur verloren, jedoch hoffe ich, daß Gott ein Werk in mir begonnen hat, obwohl ich zuweilen hierüber im Zweifel bin. Nehmen wir einmal an, Sie ständen jetzt vor Gott und Ihre Sache müßte entschieden werden. Wie würde es um Sie stehen, 
wenn die Entscheidung von Ihren Werken abhinge? Haben Sie Vertrauen? 
Ich hoffe, daß alles in Ordnung sein würde. Ich kann mich von dem Gedanken nicht trennen, daß ein Gnadenwerk in mir begonnen hat; aber dennoch kann ich nicht ohne Furcht an das 
Gericht denken. 
Auch ich glaube, daß ein Gnadenwerk in Ihnen begonnen hat, 
ja, ich hege durchaus keinen Zweifel darüber. Aber hier ist der 
Wendepunkt unserer Untersuchung. Es mangelt Ihnen, sich in der 
Gegenwart Gottes zu sehen und dort zu erkennen, daß Sie einfach 
verloren sind, wenn Gott mit Ihnen ins Gericht geht — wie dies 
in Gerechtigkeit und mit Rücksicht auf Ihren Zustand und auf 
Ihre Werke geschehen wird. Sie sind ein Sünder, und ein Sünder kann im Gericht vor Gott nicht bestehen. In der Gegenwart 
Gottes bedürfen wir nicht der Hilfe, sondern der Gerechtigkeit, 
und die haben Sie nicht erlangt — ich meine bezüglich Ihres 
Glaubens, durch welchen wir sie erlangen, und Ihres Gewissens, in welchem wir sie besitzen. Die Gerechtigkeit, und 
zwar die Gerechtigkeit Gottes, kann allein vor Gott genügen; 
denn wir besitzen keine/
 und eben diese muß gefunden werden. 
Auch das Werk der Gnade in uns bringt sie nicht hervor. Nur 
durch den Glauben, gewirkt durch das Werk Christi, und in 
Ihm besitzen wir sie; durch Ihn rechtfertigt Gott den Gottlosen. 
Das Beispiel des verlorenen Sohnes wird dies erläutern. Es war 
ein Werk Gottes in ihm; er „kam zu sich selbst", erkannte sich 
als verloren und machte sich auf zu seinem Vater. Indem er 
sich aufmachte, bekannte er seine Sünden mit der Beifügung: 
„Mache mich 2U einem deiner Tagelöhner!" Dort war Aufrichtigkeit, ein Gefühl von der Güte Gottes und ein Bewußtsein 
von Sünde; er zog Schlüsse auf seine Hoffnung, wenn er mit 
dem Vater zusammentreffen würde; und so steht es mit Ihnen. 
Er besaß, was die Christenwelt Demut und eine geringe Hoffnung nennt, und machte, gleich Ihnen, Folgerungen, welche be9 
wiesen, daß er nie dem Vater begegnet war. Er hätte nicht überlegen können, welche Aufnahme er bei der Begegnung mit 
seinem Vater finden würde, wenn er ihm je begegnet wäre. Es 
ist die Stellung einer Seele, die nie mit Gott zusammengetroffen 
ist, obwohl Gott in ihr gewirkt hat. Als er seinem Vater begegnete, finden wir nicht ein Wort, daß er ihn „wie einen seiner 
Tagelöhner" machen möchte. Das Sündenbekenntnis war ein 
vollständiges, und die vorhergehende Erfahrung hatte ihn in 
seinen „Lumpen", in seinen Sünden zu seinem Vater gebracht 
— nicht als ob er die Sünden liebte, aber er befand sich in ihnen 
und bekannte sie. Die Wirkung des Vorhergegangenen bestand 
also darin, daß er mit seinem Gewissen in seinen Sünden Gott 
begegnete; und das war alles. Jetzt, wo ihm der Vater um den 
Hals fiel, herrschte die Gnade; — das beste Kleid, Christus, die 
Gerechtigkeit Gottes, ward sein Teil. Nicht ein Wachstum im 
Guten war ihm gewährt worden, sondern er empfing etwas, das 
er vorher nicht besessen hatte, etwas ganz Neues war ihm verliehen worden. In der Gegenwart Gottes haben wir Christum 
und nicht ein Wachstum nötig; wir bedürfen durch Ihn der Gerechtigkeit und der Rechtfertigung, und nicht der Hilfe oder 
der Veredlung. Natürlich hat uns Gott Seine Hilfe gewährt; 
denn sonst hätten wir Seine Gegenwart nicht erreicht. Auch hat 
ein Wachstum stattgefunden, aber der Zweck war, uns in die 
Gegenwart Gottes zu bringen, und zwar nicht, damit über 
dieses Wachstum und über die daraus entspringende Hoffnung, 
sondern über die Sünde vor Seinem Angesicht ein Urteil gefällt 
werde, und damit wir erkennen möchten, daß Er sie nicht 
dulden kann, während wir zugleich Christum als Den erblicken, 
Der an unserer Statt eine vollkommene Aufnahme bei Gott gefunden, Der unsere Sünden getragen, und Der unsere vollkommene, unbedingte und ewige Gerechtigkeit ist. Das Betrachten 
unseres Wachstums bringt uns keinen Frieden; denn wäre dies 
der Fall, so müßte es heißen: „Da wir nun gerechtfertigt worden 
sind aus Erfahrung, so haben wir Frieden mit Gott". Doch dies 
sagt das Wort Gottes nirgends. Das wahre Wachstum besteht 
in dieser Beziehung darin, daß wir als völlig verlorene Sünder 
in die Gegenwart Gottes gebracht werden, indem wir unsere 
Sünden bekennen und zugleich das Bekenntnis ablegen, daß „in 
uns, das ist in unserem Fleische, nichts Gutes wohnt", und daher muß das Bewußtsein unseres Verlorenseins eine Sache der 
10 
Gegenwart sein. Es handelt sich nicht darum, was wir sein werden, sondern um die Entdeckung dessen, was wir jetzt sind — 
um unsere gegenwärtigen Sünden und unsere sündige Natur, 
als die wahre Plage jeder aufrichtigen Seele, und um die Erlangung Christi als des „vornehmsten Kleides", wenn wir uns 
in unseren Sünden in der Gegenwart Gottes befinden. Wir 
haben Christum gefunden und an Ihn geglaubt. „Er ist die 
Sicherung für unsere Sünden", indem Er sie an Seinem eigenen 
Leibe an dem Holze getragen hat; und besitzen wir Christum, 
so ist Er unsere Gerechtigkeit. Da Er ein Opfer für die Sünde 
geworden ist, so hat Gott die Sünde im Fleische verurteilt (Röm 
8, 3), und wir sind nicht „im Fleische", sondern „in Christo". 
Statt Adam und seiner, d. h. unserer Sünden haben wir Christum und den Wert Seines Werkes. Das hat Gültigkeit für 
jeden, der an Ihn glaubt und durch Ihn zu Gott kommt. Wären 
wir so einfältig wie die Schrift, so würden wir dies augenblicklich erkennen. Aber uns mangelt diese Einfalt, und wir müssen 
geheilt werden von der Eigengerechtigkeit unserer Herzen und 
als bloße Sünder vor Gott erkennen, daß Gott in Liebe die 
Frage unserer Sünden und unserer bösen Natur vor dem Tage 
des Gerichts ausgeglichen und für einen jeden, der durch Ihn zu 
Gott kommt, „ein für allemal" erledigt hat. Er hat Sich für 
immer mit den Sünden, über welche ich am Tage des Gerichts 
hätte Rechenschaft geben müssen, am Kreuze beschäftigt, und 
zwar in der Weise, daß Er sie nach Seiner eigenen Gerechtigkeit 
hinweggetan hat; — unsere ausgebildetste Sündenform im 
Fleische, d. i. die Feindschaft wider Gott, traf mit Gott zusammen, Der, Sich mit der Sünde beschäftigend, sie verurteilte, uns 
aber begnadigte. Die Sünde und Gott begegneten einander an 
dem Kreuze, als Christus für uns zur Sünde gemacht wurde; und 
durch Seinen Tod sind wir der Sünde gestorben und sind die 
Frucht Seiner Arbeit vor Gott. Er trug die Sünden Vieler, erschien, um die Sünde hinwegzutun und verherrlichte Gott in 
Gerechtigkeit in jener verhängnisvollen Stunde. Er nahm auf 
Sich, was ich verdient hatte; und ich empfange die Frucht 
dessen, was Er getan hat. Ich komme, sozusagen, wie Abel zu 
Gott; mit diesem Opfer in meiner Hand. Gott muß den Wert 
desselben anerkennen; ich habe den Beweis meiner Gerechtigkeit; Gott gibt Zeugnis zu meinen Gaben; meine Annahme ist 
in den Augen Gottes dem Werfe des Opfers Christi gemäß. 
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Indem ich hiermit komme, so bekenne ich, daß mein Ich rechtmäßig ausgeschlossen ist, ich stütze mich nicht auf eine Veredlung meines Zustandes. Ich komme sozusagen mit Christo, 
meinem geschlachteten Lamm, in meiner Hand, und Gott gibt 
Zeugnis zu meiner Gabe. Wenn ich mich mit dieser Gabe nahe, 
blickt Gott auf sie und nicht auf meinen Zustand, welcher, indem ich also komme, unleugbar derjenige eines Sünders ist, und 
zwar eines hinsichtlich seiner Ansprüche von Gott ausgeschlossenen Sünders. 
Aber muß ich denn Christum nicht annehmen? 
Ach, wie durchkreuzt das „Ich" doch stets die köstlichsten Zeugnisse von den in Gnade gegen uns handelnden Wegen Gottes! 
Ich sage: „Hier ist Christus von Seiten Gottes für Sie das Lamm 
Gottes"; und Sie antworten: „Aber muß ich denn nicht"? Es 
überrascht mich nicht. Ich will keinen Vorwurf machen; es ist 
eben die menschliche Natur, meine Natur im Fleische. Beherzigen Sie, daß in dem „Ich" nichts Gutes wohnt. Doch sagen Sie 
mir: Würden Sie sich nicht freuen, Ihn zu haben? 
Ja, gewiß! 
Dann handelt es sich in Wirklichkeit nicht darum, ob Sie Ihn 
annehmen wollen, sondern ob Gott Ihnen wirklich Christum 
und in Ihm das ewige Leben vorgestellt hat. Eine einfältige 
Seele würde ausrufen: „Was, annehmen! Ich bin dankbar, Ihn 
zu haben". — Da jedoch nicht alle einfältig sind, so will ich 
noch ein Wort hierüber hinzufügen. Wenn Sie jemanden schwer 
beleidigt hätten, und ein Freund bemühte sich, ihm eine Genugtuung anzubieten, wer müßte sie annehmen? 
Natürlich der Beleidigte. 
Ohne Zweifel. Und wer ist durch Ihre Sünden beleidigt worden? 
Gott. 
Und wer muß die Genugtuung annehmen? 
Kein anderer als Gott. 
Ganz sicher. Glauben Sie, daß Er Sie angenommen hat? 
Ohne Zweifel glaube ich das. 
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Und sollte Er zufriedengestellt sein? 
Jedenfalls. 
Und sind Sie es denn nicht? 
O, ich erkenne es jetzt! Christus hat das ganze Werk vollendet, 
Gott hat es angenommen, und darum kann von meiner Schuld 
oder Gerechtigkeit keine Rede mehr sein. Es ist meine Gerechtigkeit vor Gott. Wunderbar, und doch so einfach! Aber warum 
erkannte ich es nicht? Wie töricht war ich doch! 
Das ist der Glaube an das Werk Christi; nicht daß wir es 
freudig annehmen, sondern daß wir glauben, daß Gott es angenommen hat. Sie haben jetzt nicht nötig zu untersuchen, ob Sie 
glauben. Der Gegenstand des Glaubens ist vor Ihrer Seele und 
wird von ihr geschaut; was Gott geoffenbart, wird erkannt, 
indem es also durch den Glauben gesehen wird. Sie sind von 
diesem, nicht von Ihrem Zustande versichert, ebenso wie Sie 
die vor Ihnen stehende Lampe nicht deshalb sehen und unterscheiden, weil Sie den Zustand Ihres Auges erkennen; Sie erkennen den Zustand Ihres Auges, indem Sie das Licht sehen. 
Aber sie sagen: „Wie töricht war ich doch!" — Es ist immer 
so. Doch erlauben Sie mir die Frage: Was war es doch, wonach 
Sie verlangten? War es Christus oder war es eine Heiligkeit in 
Ihnen selbst und ein besserer Seelenzustand? 
Jedenfalls eine Heiligkeit und ein besserer Seelenzustand. 
Dann ist es kein Wunder, daß Sie Christum nicht sahen. Gott 
bezeichnet es als eine Unterwerfung unter Seine Gerechtigkeit, 
indem wir eine Gerechtigkeit finden, die weder von uns noch in 
uns ist, nämlich Christum, während der stolze Wille, durch die 
Gnade gebrochen, sich unterwirft, um durch das, was weder 
von noch in uns ist, gerettet zu werden. Es ist Christus und 
nicht unser Ich und unsere Stellung im Fleische. Wenn Sie 
Frieden erlangt hätten auf dem Wege, auf dem Sie ihn suchten, 
mit wem wären Sie dann zufrieden gewesen? 
Mit mir selbst. 
Ganz recht. Und was wäre dies gewesen? In der Tat nichts 
Wirkliches; und wenn auch, so war Christus ausgeschlossen, 
zwar nicht als ein Hilfsmittel, wohl aber als Gerechtigkeit und 
Frieden. Und da eine aufrichtige, von Gott unterwiesene Seele 
nicht mit sich selbst zufrieden sein kann, so bleibt sie, wenn 
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sie auch in einer gewissen Vertraulichkeit mit Gott verkehrt, 
dennoch vielleicht viele Jahre hindurch ohne Frieden, bis sie 
sich der Gerechtigkeit Gottes unterwirft. Nun merken Sie sich 
noch einen anderen Punkt; denn die Seele im Frieden mit Gott 
kann jetzt zu ihrer Unterweisung Christum betrachten. Er hat 
nicht nur unsere Sünden getragen, ist nicht nur der Sünde gestorben und hat nicht nur die ganze Geschichte des alten Menschen, indem er mit Ihm gekreuzigt ist, durch Seinen Tod für 
alle, die da glauben, abgeschlossen, sondern Er hat auch Gott 
in diesem Werke verherrlicht (Joh 12, 28; 17, 4. 5) und auf 
diese Weise für den Menschen einen Platz in der Herrlichkeit 
Gottes erlangt, und zwar einen Platz einer gegenwärtigen, 
unbedingten Annahme nach der Natur und Gunst des durch 
Ihn verherrlichten Gottes; und das ist unser Platz vor Gott. 
Nicht nur, daß der alte Mensch und seine Sünden vor dem Angesicht Gottes hinweggetan sind, sondern wir befinden uns 
auch in Christo vor Gott und haben das Bewußtsein dieser Stellung durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist (Joh 14, 20). 
Gott hat uns begnadigt in dem Geliebten, und das göttliche 
Wohlgefallen ruht auf uns wie auf Ihm. Ebenso wohnt Er auch 
in uns, und dies führt uns zu wahrer praktischer Heiligkeit. 
Wir sind geheiligt und durch Sein Blut für Gott abgesondert, 
indem wir Sein Leben oder Ihn als unser Leben sowie den Heiligen Geist besitzen; und Er Selbst wird der Maßstab unseres 
Wandels und unseres Verhältnisses zu Gott. Wir gehören uns 
nicht mehr an, sondern sind mit einem Preise erkauft, und 
nichts geziemt einem Christen, was mit Seinem Blute, dem 
teuer bezahlten Preise, und dessen Macht über unsere Herzen 
im Widerspruch steht. Dies ist bildlich im Alten Testament sehr 
schön ausgedrückt. Wenn ein Aussätziger gereinigt wurde, so 
mußten außer dem Opfer seine Ohren, sein Daumen und seine 
große Zehe mit Blut benetzt werden. Jeder Gedanke, jede Tat 
— alles, was in unserem Wandel die Probe dieses Blutes nicht 
bestehen kann, ist von den Gedanken und dem Wandel eines 
Christen ausgeschlossen. Und wie groß seine Freude auch sein 
mag, praktisch von dieser Welt und dem Leibe der Sünde befreit zu werden und dafür jenes kostbare Blut als Beweggrund, 
Maß und Sicherheit zu haben, so wird er doch zugleich auch 
fühlen, daß alles, was irgend den Heiligen Geist, durch welchen 
wir als Besprengte versiegelt sind, betrübt, für einen Christen 
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ungeziemend ist, da er weiß, daß Er in ihm wohnt. Ja, dieses 
kostbare Blut, das Er vergoß, und die Liebe, die Christus gezeigt hat, sind der Beweggrund — so wie der Heilige Geist die 
Kraft der Widmung und der Liebe ist — der uns wandeln läßt, 
wie Christus gewandelt hat. Wenn wir in Christo sind, so ist 
Christus in uns; das wissen wir durch den Sachwalter, Der uns 
gegeben ist (Joh 14). Wir sind der Brief Christi in dieser Welt; 
das Leben Jesu muß in unserem sterblichen Leibe geoffenbart 
werden. 
Aber Ihr Maßstab ist ein sehr hoher. 
Er ist einfach derjenige, den die Schrift gibt. „Wer da sagt, daß 
er in ihm bleibe, der ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, 
wie er gewandelt hat". Gott Selbst ist als Muster vor uns gestellt, indem Christus der Ausdruck des Göttlichen im Menschen ist. „Seid denn Nachahmer Gottes als geliebte Kinder, 
und wandelt in Liebe, gleichwie auch der Christus uns geliebt 
und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und 
Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch". Nirgends zeigt sich ein Grenze. „Hieran erkennen wir die Liebe, 
daß er für uns sein Leben dargelegt hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben zu lassen". „Nun seid ihr ein 
Licht in dem Herrn; wandelt als Kinder des Lichts". Aber merken Sie sich, daß hier nichts Gesetzliches ist, nichts, wodurch 
wir danach trachten sollen unsere Sache beiGott gut zu machen. 
Mancher mag vielleicht sagen, daß die vollkommene Gnade und 
Sicherheit uns Freiheit gebe zu tun, was uns beliebt, und daß 
infolge der vollkommenen Errettung der Beweggrund und die 
Notwendigkeit guter Werke für uns wegfalle. Das ist ein 
schrecklicher Grundsatz! Als ob wir keinen Beweggrund zum 
Wirken hätten als nur den, errettet zu werden, keinen, als 
gesetzliche Knechtschaft und Verbindlichkeiten! Haben die Engel denn keinen Beweggrund? Es ist ein äußerst grober Irrtum, 
wie wir ihn in menschlichen Dingen nicht machen könnten. Was 
würden wir von dem Verstände eines Menschen denken, welcher uns sagte, die Kinder eines Mannes seien von jeder Verbindlichkeit befreit, weil sie gewiß und für immer seine Kinder 
sind? Ich würde behaupten, daß gerade, weil sie gewiß und 
für immer seine Kinder sind, sie auch gewiß und stets Verpflichtungen haben, die sie nicht hätten, wenn sie aufhörten, 
Kinder zu sein. 
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Das ist klar genug, obwohl ich nie daran gedacht hatte. Sie 
wollen aber damit doch nicht sagen, daß wir keine Verpflichtungen hatten, bevor wir Kinder Gottes waren? 
Gewiß nicht. Aber wir hatten nicht die Verpflichtung eines 
Kindes. Sie können nicht die Verpflichtung haben, als ein 
Christ zu leben, bevor Sie ein Christ sind. Wir waren verpflichtet, als Menschen zu leben, als Menschen im Fleische vor Gott 
und dafür war das Gesetz der vollkommene Maßstab. Doch in 
diesem Verhältnis waren wir gänzlich verloren, wie wir gesehen haben. Wir aber als Glaubende sind vollkommen errettet und sind Kinder Gottes durch den Glauben an Christum 
Jesum. Unsere Pflichten sind die Pflichten eines Kindes Gottes. 
Alle Pflichten sowie auch die richtigen Neigungen fließen stets 
aus dem Verhältnis, in welchem man steht, und das Bewußtsein dieses Verhältnisses ist die Quelle und der Charakter der 
Pflicht, obwohl unsere Vergeßlichkeit die Verpflichtung nicht 
aufhebt. Die Sprache der Schrift bleibt immer: „Seid Nachahmer Gottes als geliebte Kinder!" „Ziehet denn an als Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen. . ." 
Die richtigen Neigungen und Pflichten entspringen der Stellung, 
in welcher wir uns bereits befinden und sind nie das Mittel, 
um in diese Stellung zu gelangen. Wir erfreuen uns unserer 
Stellung, wenn wir ihr gemäß wandeln, oder vielmehr wir genießen das Licht und die Gunst Gottes durch die Gemeinschaft 
mit Ihm in dieser Stellung. Aber merken Sie sich, daß selbst 
unser Mangel an Treue nicht ein Grund ist, an diesem Verhältnis zu zweifeln, sondern vielmehr eine Ursache, das bei 
uns zu richten, was mit diesem Verhältnis im Widerspruch 
steht. Hier findet nun die Stellvertretung Christi sowie manche 
Wahrheit ihren Platz, auf die ich jetzt nicht näher eingehen 
kann, wie köstlich sie auch sein mag. Beachten Sie aber bitte, 
daß die Stellvertretung nicht das Mittel ist, um die Gerechtigkeit zu erlangen, sondern daß sie auf diese Gerechtigkeit sowie 
darauf gegründet ist, daß Christus die Versöhnung für unsere 
Sünden gemacht hat. Auch nahen wir Ihm nicht, damit Er uns 
vertrete, sondern Er vertritt uns bei dem Vater, weil wir gesündigt haben. Christus hatte für Petrus gebetet, noch ehe er 
die Sünde begangen, und Er hatte gerade das erbeten, was ihm 
not tat: nicht, daß ihm die Sichtung erspart würde, deren er 
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bedurfte, sondern daß, wenn er gesichtet würde, sein Glaube 
nicht aufhören möge. Ach, wenn wir nur Ihm zu vertrauen verstanden! Sehen Sie, wie Er inmitten Seiner Feinde gerade in 
dem rechten Augenblick den Petrus anblickt, um ihm das Herz 
zu brechen! 
Wie einfach erscheint doch alles, wenn wir das Wort zur Hand 
nehmen, und wie sehr ändert es unsere Gedanken über Gott! 
Man befindet sich dann überhaupt in einem ganz neuen Zustand. 
Ganz gewiß; und das leitet uns zu zwei anderen Punkten, auf 
die ich gern aufmerksam machen möchte. Wir haben gesehen, 
wie in dem Werke Christi Gott befriedigt, ja verherrlicht worden ist, indem wir untersuchten, wie die Gerechtigkeit zu erlangen sei. Doch wir dürfen nicht vergessen, daß es die unumschränkte Liebe Gottes war, welche uns Christum schenkte, 
und zwar dieselbe Liebe, in der Er Sich Selbst für uns hingab. 
Für uns herrscht die Gerechtigkeit nicht. Dies wird sich zwar 
einst als wahr erweisen, wenn Gott kommen wird, um die Welt 
zu richten. Aber für uns herrscht die Gnade, die unumschränkte 
Güte, ja Gott Selbst durch Gerechtigkeit, die, wie wir gesehen 
haben, eine göttliche Gerechtigkeit ist und welche uns der Annahme Christi gemäß und gleich Ihm einen Platz in Herrlichkeit 
in der Gegenwart Gottes gibt. Es ist die unumschränkte Gnade, 
die einem Sünder mit dem Sohne Gottes einen Platz anweist 
und ihn Seinem Bilde gleichförmig macht. Doch dies ist gerecht; 
denn das Blut und das Werk erfordern notwendig eine solche 
Stellung, wie wir in Joh 13 und 17 sehen. Und jetzt „rühmen 
wir uns Gottes durch unseren Herrn Jesum Christum". Wir 
kennen Ihn als die Liebe und als die Quelle unserer Freude 
sowie unseres Segens. Wir sind gerecht in Christo; denn „Er 
ist für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm". Gott hat Sich uns in Liebe geoffenbart 
und wir sind mit Ihm versöhnt. Es ist eine gesegnete Stellung, 
eine Stellung heiliger Neigungen und einer friedlichen Ruhe. 
Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne 
Jesus Christus. Aber was ist Gemeinschaft? 
Nun, eine Gemeinschaft offenbart sich in der Gemeinschaft der 
Gedanken, der Freuden und der Gefühle. 
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Erinnern Sie sich stets daran, dal? es so ist mit dem Vater und 
Seinem Sohne Jesus Christus. 
Das ist wunderbar. Ich kann es kaum fassen. 
Nun, wir müssen danach trachten, daß der Christus durch den 
Glauben in unseren Herzen wohne und wir in Liebe gewurzelt 
und gegründet seien, um die Breite und Länge und Tiefe und 
Höhe erfassen zu können. Wenn aber der Heilige Geist, Der in 
uns wohnt, die Quelle unserer Gedanken, unserer Freuden und 
Gefühle ist, so können sie, wie schwache Geschöpfe wir auch 
sein mögen, nicht anders als im Einklang stehen mit denen des 
Vaters und des Sohnes. Hat das Herz des Christen nicht seine 
Wonne an Christo, an Seinen Worten, an Seinem Gehorsam, 
an Seiner Heiligkeit, an der Hingabe Seiner Selbst in den Willen des Vaters? Und hat nicht auch der Vater daran Seine 
Wonne? — wir zwar in einer sehr schwachen und armseligen 
Weise, Er aber in unendlich vollkommenerem Maße; doch der 
Gegenstand ist derselbe. Er ist von Gott auserwählt und kostbar, und ebenso kostbar ist Er auch den Glaubenden. Ohne 
hierin weiterzugehen, führe ich dies nur zur Erläuterung an. 
Es ist eine Sache Ihres täglichen Lebens und Ihrer fortdauernden Herzenstätigkeit; jedoch werden Sie verstehen, daß das, 
was von dem Heiligen Geist kommt, mit der Gesinnung des 
Vaters und des Sohnes im Einklang stehen muß. 
Das ist klar; aber mir ist alles noch so neu, als wenn ich in eine 
andere Welt gebracht worden sei. Wenn das wahr ist, wo befinden wir uns denn alle? 
Ich überlasse es Ihnen, darüber nachzudenken und danach zu 
forschen, ob diese Dinge sich so verhalten und ob die Schrift, 
jeden Christen anders betrachtet, obwohl sie die Übungen 
unserer Seele völlig anerkennt, die wir durchmachen, um hinzugelangen als Einem, dem vergeben und der begnadigt ist in dem 
Geliebten, und wenn er dies anerkannt, als Einen, welcher 
„nicht den Geist der Knechtschaft empfangen hat wiederum 
zur Furcht, sondern den Geist der Sohnschaft, in welchem wir 
rufen: „Abba, Vater". 
Aber wenn ich dies annehme, dann begreife ich die Stelle nicht, 
welche uns auffordert, „uns zu prüfen, ob wir im Glauben 
18 
sind"; denn was Sie gesagt haben, setzt, wie mir's scheint, das 
beiseite. 
Diese Stelle will das nicht sagen, was Sie meinen. Manche aufrichtige Seele ist mit dieser Prüfung ernstlich beschäftigt; und 
wir alle haben auf diesem Wege Erfahrungen gemacht. 
Aber wir finden es doch in der Schrift. 
Die Worte bilden den Teil einer Stelle in 2. Kor 13, 3—5, deren 
Anfang heißt: „Weil ihr einen Beweis sucht, daß Christus in 
mir spreche ". Dann folgt ein Zwischensatz, bis der Apostel 
zur Vollendung des Hauptsatzes fortfährt: „So prüfet euch 
selbst, ob ihr im Glauben seid". Es ist ein Verweis. Wie Sie 
in beiden Briefen wahrnehmen können, hatten die Korinther 
die Wirklichkeit des Apostelamtes des Paulus sowie die Tatsache, daß Christus in ihm spreche, in Frage gestellt. Daher 
führt er als Schlußbeweis die Worte an: „Prüfet euch lieber 
selbst, wie ihr dazu gekommen seid, Christen geworden zu 
sein"; — denn er war das Werkzeug zu ihrer Bekehrung gewesen. Deshalb fügt er auch hinzu: „Oder erkennet ihr euch 
selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist? es sei denn, daß 
ihr etwa unbewährt seid". — Wie kam er dazu? Er beruft sich 
auf ihre Gewißheit, um zu ihrer Beschämung sein Apostelamt 
zu beweisen; aber dies ist keineswegs eine Aufforderung zur 
Prüfung, ob jemand im Glauben sei. Ganz richtig ist es, wenn 
wir untersuchen, ob wir unserem Glauben gemäß wandeln; 
aber das ist eine ganz andere Sache. Ein Kind tut recht daran, 
sein Betragen als das eines Kindes zu prüfen; traurig aber wäre 
es, wenn es untersuchen wollte, ob es überhaupt ein Kind sei. 
Das Bewußtsein eines Verhältnisses und das Bestehen eines 
solchen sind zwei verschiedene Dinge, die nicht miteinander 
verwechselt werden dürfen. Der Verlust des Bewußtseins hinsichtlich eines Verhältnisses (ein Fall, der, wenn ein wirkliches 
Bewußtsein vorhanden war, meines Erachtens nur als göttliche 
Züchtigung für Sünden, eintreten kann) zerstört den Grund und 
Boden der Pflicht sowie die Möglichkeit entsprechender Neigungen. Betrachten sie einmal die Stelle. 
Ich verstehe sie jetzt völlig. Es ist nichts vorhanden, um den 
Satz: „Weil ihr einen Beweis sucht, daß Christus in mir 
spreche", vollenden zu können, wenn wir ihn nicht mit den 
Worten: „So prüfet euch selbst usw." in Verbindung bringen. 
19 
In jedem Fall ist es klar, daß die Kraft der Beweisführung des 
Apostels darin liegt, daß er sich auf ihre Gewißheit beruft: „Erkennt ihr nicht usw."? Dies hätte keinen Sinn, wenn er ihnen 
die Pflicht auferlegte, sich zu prüfen, ob sie gläubig seien. Aber 
wohin wären wir doch mit der Schrift gekommen? 
Oder vielmehr, wohin wären wir ohne die Schrift gekommen! 
Sie lesen und forschen nicht, wie Sie es tun sollten. Beginnen 
Sie damit, und die Wahrheit wird Ihnen klar werden. Nur 
bedürfen wir dazu der Gnade Gottes und des Hinschauens auf 
Ihn, um „wie neugeborene Kindlein die unverfälschte Milch" 
des Wortes in uns aufzunehmen. — Jetzt möchte ich noch einen 
Punkt kurz berühren, um über den Gegenstand, den wir betrachten, völlig klar zu werden. Indem wir Christum empfangen, sind wir des Lebens teilhaftig. „Dies ist die Botschaft", 
sagt Johannes, „daß Gott uns das ewige Leben gegeben hat; 
und dieses Leben ist in dem Sohne. Wer den Sohn hat, hat das 
Leben". Zwischen diesem Leben und dem Fleische besteht 
nichts Gemeinsames. Wenn wir die Erlösung nicht verwirklichen, so macht uns die Tatsache, lebendig geworden zu sein, 
die wir in Röm 7 finden, höchst unglückselig, indem sie uns die 
innewohnende Sünde aufdeckt, ohne uns von der Herrschaft 
des Gesetzes und dem Gefühl unserer Verantwortlichkeit zu 
befreien. Wenn wir die Erlösung kennen und durch den Geist 
versiegelt worden sind, so gelüstet zwar dennoch „das Fleisch 
wider den Geist, und der Geist wider das Fleisch"; sie sind stets 
einander entgegengesetzt. Wenn wir aber durch den Geist geleitet werden, so sind wir nicht unter Gesetz. Nun haben Sie 
versucht, aus dem Auffinden von Lebenszeichen in Ihnen hoffnungslose Schlüsse zu ziehen, indem Sie nur, was stets eine 
wahre Bekehrung begleitet, eine allgemeine, durch die Erkenntnis des Todes Christi bestätigte Vorstellung von der Güte 
Gottes besaßen. Dieses Grübeln über sich selbst war jedoch 
keineswegs der Glaube an die Erlösung. Es blieb Ihnen, obgleich 
mit einer besseren Hoffnung, stets noch eine Aussicht auf das 
Gericht; oder wenigstens erwarteten Sie immer noch eine Besserung Ihres Ich, obwohl Sie beim Hinschauen auf das Kreuz 
erkannten, daß dort etwas ist, dessen Sie als Sünder bedürfen. 
Sie konnten nicht sagen, daß in dem Kreuze das Ihr Teil sei, 
dessen Sie bedurften, ja, daß Sie bezüglich Ihres Zustandes vor 
20 
Gott die Frucht des Kreuzes seien; und wenn Sie Ihre Blicke 
dem Gericht zuwandten, dann fühlten Sie, daß Ihr Zustand 
Ihnen dort keine guten Dienste leisten würde. Das Leben ist 
nicht die Erlösung. Beide gehören dem Gläubigen, aber es sind 
verschiedene Dinge. Sie suchten Beweise des Lebens und waren 
der Meinung, daß Sie im Gericht bestehen könnten, wenn 
solche vorhanden seien, während Sie Christum auf unbestimmte Weise nur als Zugabe anführten. 
Ich glaube, Sie haben meinen Zustand ziemlich genau beschrieben. 
Wenn jemand in Einfalt des Herzens recht nahe bei Gott bleibt, 
so ist das Gefühl der Güte Gottes vorherrschend und der Duft 
der Gottseligkeit umgibt ihn; fehlen aber dieses Gefühl und 
dieser Duft, dann zeigen sich Unruhe und Unbehaglichkeit; das 
anklagende Gewissen tritt wieder seine Herrschaft an, und wir 
sind unglücklich sowie vielleicht äußerst beängstigt und in 
Furcht versetzt. Doch in diesem Fall fehlt die wirkliche Erkenntnis der Erlösung; man erkennt nicht, daß Christus unseren Platz im Gericht eingenommen und uns Seinen Platz in 
Herrlichkeit gegeben hat, so daß wir nur die Kindschaft, die 
Erlösung unseres Leibes, zu erwarten haben. Die Schrift vereinigt diese beiden Wahrheiten in der Auferstehung Christi. 
Sie ist die Kraft des Lebens sowie das Siegel der Annahme 
Seines Werkes — Sein Erscheinen, außerhalb der Folgen unserer 
Sünde, in einer anderen Stellung, und also wir in Ihm. Wir 
waren tot in Sünden, dem Gericht und dem Tode verfallen; 
Christus kommt vom Himmel und vollbringt durch Seinen Tod 
das Werk der Erlösung von unseren Sünden, und wir sind mit 
Ihm gestorben. Dann sind Er und wir mit Ihm auferweckt, als 
eine Folge Seines vollbrachten Werkes und der Annahme desselben von Seiten Gottes. Gott hat uns mit Ihm auferweckt, 
nachdem Er uns alle Vergehungen vergeben hatte. In der Auferstehung wird das Leben in seiner ganzen göttlichen Kraft 
dargestellt; es ist nicht nur die Mitteilung des ewigen Lebens, 
sondern auch die Erlösung aus dem Zustand, in welchem wir 
uns befanden, sowie unser Eintritt in einen anderen Zustand, 
und zwar nicht äußerlich, sondern durch den Besitz dieses 
Lebens. Unter Erlösung versteht man die Errettung aufgrund 
eines Preises aus einem Zustande, in welchem ich war, und die 
21 
Einführung in einen anderen, in einen befreiten Zustand. Daher reden wir von der Erlösung des Leibes, deren wir noch nicht 
teilhaftig geworden sind. Das Leben an und für sich gibt die 
Erlösung nicht; vielmehr empfinden wir dadurch die Bürde des 
alten Zustandes, in dem wir waren; aber wenn wir erkennen, 
daß wir erlöst sind, so wissen wir, daß wir mit dem Preise des 
Todes Christi aus dem alten Adamszustand herausgebracht 
und in Christum versetzt worden sind. Deshalb haben wir 
„Freimütigkeit am Tage des Gerichts, weil, wie er ist, auch wir 
sind in dieser Welt". 
Ich vermag nicht ganz dem Gedankengang der Schrift zu folgen, 
den Sie mir darstellen. Ich muß diese Dinge noch lernen. Jedoch 
sehe ich den Unterschied zwischen Erlösung und Leben, obwohl 
wir beide Vorrechte jetzt in Christo besitzen. Er ist gestorben 
und auferstanden. Ich denke, daß ich schon vorher das Leben 
besaß; aber ich habe jetzt auch einigermaßen die Erlösung begriffen. 
Ja, Sie waren jedenfalls erlöst. Und sicher hatte Gott, wie Sie 
sagten, in Gnade in Ihnen gewirkt; aber — wie bereits erwähnt 
— Sie beschauten dies mit einem auf den Gott des Gerichts gehefteten Blick, wobei Sie sich zwar etlicher Lichtblicke der göttlichen Liebe erfreuten, ohne jedoch an eine vollbrachte Erlösung 
zu glauben. Sehen Sie, wie die Beweisführung des Apostels 
hierzu paßt in Röm 5, 19: „Durch den Gehorsam des Einen 
sind die Vielen in die Stellung von Gerechten versetzt". „Dann" 
— sagt das Fleisch — „darf ich in der Sünde leben?" Wie lautet 
die Antwort? Etwa: „Du sollst nicht!" — Keineswegs. Denn das 
hieße, jemanden wieder unter die Botmäßigkeit des Gesetzes 
stellen und wieder zerstören, was bezüglich des Gehorsams 
Christi gelehrt worden ist. Die Antwort lautet: „Wir, die wir 
der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben 
leben?" Wir sind auf den Tod Christi getauft und sind Christen 
dadurch, daß wir an Seinem Tode teilhaben. Wie können wir 
denn, wenn wir mit Ihm der Sünde gestorben sind, in der 
Sünde leben? Wir sind jetzt freigemacht, um uns „als Lebende 
aus den Toten Gott darzustellen". 
Auf diese Weise entsteht, während die alten Grundlagen bleiben, etwas Neues aus der ganzen Sache. Es ist dies keineswegs 
22 
die gewöhnliche Darstellungsweise des Christentums. Ich muß 
noch etwas näher in diese Wahrheit einzudringen suchen; aber 
ich stehe schon, was den Grund meines Friedens betrifft, auf 
einem ganz anderen Boden oder vielmehr, ich habe jetzt Frieden, während ich vorher keinen hatte. Ich finde Ihre Worte in 
der Schrift begründet und muß sie näher erforschen. 
Leider gleicht die große Mehrheit aufrichtiger Christen denen, 
die draußen stehen in der Hoffnung, es werde alles gut gehen, 
wenn sie einmal hineinkommen, während sie drinnen sein und 
als ein Brief Christi der Welt zeigen sollen, wie es drinnen ist. 
Sie möchten uns wohl alle von Grund aus zu Christen machen, 
die, wie Sie sagen, der Welt und allem gestorben sind. 
Ganz gewiß. „Ein wankelmütiger Mann ist unstet in allen 
seinen Wegen7
'. Nur das einfältige Auge macht den ganzen 
Leib licht. Wir sind nicht unser. Der neue Mensch kann nicht 
hienieden seine Gegenstände haben. Er hat hienieden seinen 
Dienst, genau wie auch Christus, der nie Seine eigenen Zwecke 
verfolgte. Wir sind der Welt und die Welt ist uns gekreuzigt, 
und ebenso haben wir auch das Fleisch gekreuzigt mit seinen 
Leidenschaften und Lüsten. Nur erinnern Sie sich stets, daß das 
Fleisch wider den Geist gelüstet, so daß stete Wachsamkeit 
erforderlich ist. Der Apostel ruft mit Rücksicht auf den Weg 
durch die Wüste: „Bewirket eure Seligkeit mit Furcht und Zittern", — nicht weil unser Platz ein unsicherer ist, sondern weil 
Gott es ist, „der da in euch wirkt das Wollen und das Wirken"; 
und es ist eine ernste Sache, die Sache Gottes aufrechtzuerhalten, da das Fleisch in uns ist und Satan über die Welt herrscht, 
um uns zu hindern und zu betrügen. Lassen Sie sich aber nicht 
entmutigen; denn Gott wirkt in Ihnen, und größer als der, 
der in der Welt ist, ist Der, Der in uns lebt. Sie könnten sich 
nicht in den Schwierigkeiten der Wüste befinden, wenn Sie 
nicht aus Ägypten erlöst worden wären. „Meine Gnade ist dir 
genug", spricht Christus; „meine Kraft wird in Schwachheit 
vollbracht". „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?" Das Geheimnis liegt in der Demut des Herzens und dem Bewußtsein 
der Abhängigkeit, während wir mit Vertrauen auf Christum 
blicken, der uns errettet und berufen hat mit einem heiligen 
Rufe. Sie können nie zuviel Vertrauen auf Gott setzen, während Sie gegen sich selbst nicht mißtrauisch genug sein können. 
23 
Durch die Erlösung sind Sie Gott nahegebracht und befinden 
sich in der Stellung Seines Volkes und — wie wir jetzt sagen 
dürfen — Seiner Kinder und Seiner Versammlung; in diese 
Stellung sind Sie gesetzt, um Gott zu verherrlichen. Die wahre 
Erkenntnis der Erlösung bringt uns in vollkommenen Frieden, 
in die wirkliche und dauernde Abhängigkeit von dem Erlöser. 
Fehlt Ihnen jedoch diese Erkenntnis, so fehlen ihnen auch 
deren gesegnete Früchte; auch können Sie nicht mit Gott wandeln, wenn Sie nicht mit Ihm versöhnt sind. 
Es ist wahr. Denken Sie nur nicht, daß ich noch Schwierigkeit 
zu machen begehre; aber um über diese Dinge eine völlige 
Klarheit zu gewinnen, möchte ich noch gern eine Frage stellen. 
Man hat uns nämlich gelehrt, auf die Verheißung Gottes zu 
bauen und bezüglich unserer Errettung unser Vertrauen auf sie 
zu setzen. Dies ist die Sprache, die wir beständig hören, und 
wenn Ihre Meinung richtig ist, so weiß ich nicht, wie ich sie mit 
diesem Bauen auf die Verheißung in Einklang bringen soll. 
Sollen wir denn nicht auf die Verheißungen vertrauen? 
Die Antwort ist sehr einfach; ich bin sehr froh, daß sie diese 
Frage gestellt haben. Gerade diese Dinge müssen wir untersuchen. Auf Gottes Verheißungen zu vertrauen, ist sicher ganz 
richtig; denn wir haben köstliche Verheißungen. Doch sagen 
Sie mir: ist es noch eine Verheißung, daß Christus kommen, 
sterben und wieder auferstehen soll? 
Nein; Er ist gekommen, gestorben und auferstanden; jetzt 
sitzt Er zur Rechten Gottes. 
Dies kann also keine Verheißung sein; denn es ist eine vollendete Tatsache. Für Abraham war es eine Verheißung, und er 
tat recht, daran zu glauben. Für uns ist es eine vollendete Tatsache, und wir müssen an sie als an eine solche glauben. So 
spricht auch die Schrift: „Er glaubte, daß Gott, was er verheißen hat, auch zu tun vermag". Wir aber glauben, daß Er erfüllt 
hat, was zu unserer Erretrung nötig war. Es wäre Unglaube, dies 
noch als eine Verheißung zu betrachten; so steht es geschrieben: „Auch unsertwegen, denen es zugerechnet werden soll, 
die wir an den glauben, der Jesum, unseren Herrn, aus den 
Toten auferweckt hat". Sie werden diese beiden sich gerade 
auf diesen Punkt beziehenden Stellen am Ende des vierten 
24 
Kapitels des Briefes an die Römer finden. Was die Hilfe auf 
dem Wege betrifft, so gibt es viele köstliche Verheißungen. 
„Ich werde dich nicht versäumen, noch dich verlassen". „Gott 
wird nicht zulassen, daß ihr über euer Vermögen versucht werdet". „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben". „Welcher 
euch auch befestigen wird bis ans Ende, daß ihr an dem Tage 
unseres Herrn Jesu Christi tadellos seid". — Ich könnte noch 
viele andere Stellen anführen, die uns in unseren Schwierigkeiten auf dem Wege den größten Trost gewähren und von 
unendlichem Wert für uns sind. Doch das Werk, an welches ich 
zu glauben habe, das mich vor Gott rechtfertigt und mit Ihm 
versöhnt, das allein und vollkommen meine Sünden hinwegtut und mich zu Gottes Eigentum macht, ist nicht eine Verheißung und kann nicht als solche betrachtet werden. Es ist 
eine vollendete Tatsache, ein von Gott schon angenommenes 
Werk. 
Ich sehe es ganz klar ein; ja, es kann nichts Einfacheres und 
Eindeutigeres geben, sobald es in dieser Weise dargestellt wird. 
Was uns vor Gott rechtfertigt, ist durchaus keine Verheißung, 
sondern eine vollendete Tatsache. Ich hatte die Stelle in Röm 4 
gar nicht bemerkt. Sie ist sehr klar. Wie oberflächlich liest man 
doch die Schrift! Doch die Wahrheit Ihrer Behauptungen ist 
offensichtlich. 
Erlauben Sie mir, da wir diesen Punkt berührt haben, Ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes, nämlich auf die Form zu lenken, in welcher uns das Werk und das Zeugnis der Gnade dargestellt werden. Sie werden bemerken, daß es in der Stelle 
(Röm 4) nicht heißt — obwohl es auch zutrifft: „Die wir an 
Christum glauben", sondern: „Die wir glauben an den, der 
Jesum, unseren Herrn, aus den Toten auf erweckt hat". So sagt 
auch Petrus: „Die durch ihn an Gott glauben, der ihn auferweckt hat aus den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben 
hat". Und ebenso sagt der Herr Selbst bezüglich Seines Kommens in die Welt: „Wer mich hört und glaubt dem, der mich gesandt hat". — Wir kennen Gott nur durch Christum. Wenn ich Ihn 
also erkenne, so erkenne ich Ihn als unseren Gott-Heiland, als 
Den, Der um meinetwillen Seines eigenen Sohnes nicht geschont 
hat,—als Den, Der als Christus um unserer Sünde willen gestorben war, Ihn aus den Toten auferweckte. Kurz, ich glaube nicht 
25 
nur an Christum, sondern auch an Den, Der uns Christum gegeben und der Sein Werk anerkannt und dem Menschen in 
Ihm die Herrlichkeit geschenkt hat — an Den, Der gekommen 
ist zu erretten, und Der nicht wartet, um mich zu richten. Ich 
glaube an Ihn durch Christum. Nachdem die Kinder Israel das 
Rote Meer überschritten hatten, glaubten sie an einen Gott, Der 
sie errettet und zu Sich gebracht hatte, und ich glaube dasselbe. 
Ich kenne keinen anderen Gott als Diesen. Wenn ich an Ihn 
durch Christum glaube, so warte ich wohl auf eine Verheißung, 
nämlich auf die Erlösung des Leibes, auf die vollen Resultate 
Seines Werkes. So gibt uns also das Christentum für die Gegenwart im Frieden Gesinnungen der Liebe in einem erkannten 
Verhältnis und zugleich die anregende Kraft der Hoffnung, — 
zwei Dinge, welche einem Menschen aufgrund seiner Stellung 
Kraft und Segen verleihen. Die Liebe aber ist die Quelle, aus der 
alles fließt — Liebe gegen Gott, weil Er uns zuerst geliebt, und 
— indem wir unsere Freude in Ihm finden — Liebe gegen andere, weil wir Teilnehmer Seiner Natur sind, und weil Christus 
in unseren Herzen wohnt, so daß Seine Liebe uns drängt. 
Sie machen aus dem Christen eine wunderbare Person in der 
Welt; aber wir sind doch sehr schwach für eine solche Stellung. 
Ich könnte den Christen mit meinen Worten nicht so hoch 
stellen, wie Gott ihn in Seinem Wort gestellt hat. Was die 
Schwachheit betrifft, so ist es um so besser, je mehr wir sie 
fühlen; die Kraft Christi wird in der Schwachheit vollbracht. 
Kurze Gedanken 
Wenn Tage der Prüfung Dein Teil sind, dann verweile in der 
Gegenwart Dessen, Der ein Gott allen Trostes ist und Der nicht 
über Vermögen versuchen läßt; Du wirst erfahren, wie selbst 
die von Ihm gesandte Trübsal in Seiner Hand ein Mittel ist, 
Sein stets in Liebe tätiges, mitfühlendes Herz kennenzulernen, 
und wie Du ebenso Ursache hast, Ihm für die bösen wie für die 
guten Tage zu danken. 
26 
Sind aber Tage der Ruhe Dein Teil, dann verweile erst recht 
in der Nähe des Herrn. In solchen Tagen droht Gefahr; denn 
wie leicht schleicht sich dann Trägheit und Gleichgültigkeit ins 
Herz, und wie schnell gewinnen die Dinge dieser Welt einen 
Reiz für uns, wenn der Weg des Christen glatt und eben ist. 
Die frohe Botschaft 
„Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengelie, sondern ewiges Leben habe" (]oh 3, 16). 
1. 
Es gibt etliche Stellen der Heiligen Schrift, welche in wenigen 
Zeilen ein ganzes Buch der kostbarsten Wahrheit zu enthalten 
scheinen. Zu diesen gehört auch der oben angeführte Vers. Er 
bildet einen Teil der beachtenswerten Unterhaltung des Herrn 
mit Nikodemus und gibt in gedrängter Form eine höchst vollständige Darstellung der evangelischen Wahrheit — eine Darstellung, die mit Recht als „frohe Botschaft" bezeichnet werden 
kann. 
Sowohl die Prediger als auch ihre Zuhörer sollten stets daran 
denken, daß es der große Zweck des Evangeliums ist, Gott 
und den Sünder in einer Weise zusammenzubringen, daß dadurch die ewige Rettung des Sünders festgestellt wird. Es offenbart einen Gott-Heiland einem verlorenen Menschen. Es 
stellt mit anderen Worten Gott vor die Seele des Sünders in 
einem Charakter, Der dessen Bedürfnisse völlig entspricht. Ein Erretter ist dem Verlorenen ebenso angemessen, 
wie ein Rettungsboot dem Ertrinkenden oder wie ein Arzt 
dem Kranken bzw. wie Brot dem Hungrigen. Der eine paßt 
für den andern; und wenn Gott als ein Erretter und der Mensch 
als ein verlorener Sünder sich einander begegnen, ist die ganze 
Frage für immer gelöst. Der Sünder ist gerettet, weil Gott ein 
Erretter ist. Er ist gerettet nach der Vollkommenheit, welche 
27 
Gott in jedem Charakter, den Er trägt, in jeder Tat, die Er ausführt, und in jedem Verhältnis, das Er aufrechterhält, angemessen ist. Wenn man die vollkommene und ewige Errettung 
einer gläubigen Seele in Frage zieht, so leugnet man, daß Gott 
ein Erretter ist. Ebenso ist es in bezug auf die Rechtfertigung. 
Gott hat sich als ein Rechtfertiger geoffenbart, und daher ist 
der Gläubige gerechtfertigt nach der Vollkommenheit Gottes. 
Wenn noch irgendein einziger Flecken an dem Titel auch des 
schwächsten Gläubigen entdeckt werden könnte, — es würde 
für Gott, als einen Rechtfertiger, eine Unehre sein. Man räume 
mir aber ein, daß Gott mein Rechtfertiger oder Freisprecher 
ist, so liefere ich jedem Widersacher und jedem Ankläger gegenüber den Beweis, daß ich vollkommen gerechtfertigt bin und 
sein muß. Ebenso räume man mir nach demselben Grundsatz 
ein, daß Gott Sich Selbst als ein Erretter geoffenbart hat, und 
ich werde mit ungetrübtem Vertrauen und heiliger Kühnheit 
den Beweis liefern, daß ich vollkommen gerettet bin und sein 
muß. Ich ruhe keineswegs auf etwas, was in mir ist, sondern 
einfach und gänzlich auf dem, wie Gott Sich Selbst geoffenbart 
hat. Ich weiß, daß Er in jeder Beziehung — und daher auch als 
mein Erretter — vollkommen ist. Ich bin also vollkommen errettet, insofern die Herrlichkeit Gottes in meine Rettung mit 
eingeschlossen ist. „Es ist sonst kein Gott außer mir, ein gerechter und rettender Gott ist keiner außer mir". Und was ist 
zu tun? „Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle ihr 
Enden der Erde; denn ich bin Gott, und keiner sonst" (Jes 45, 
21. 22). Ein gläubiges Hinwenden zu einem gerechten und 
rettenden Gott sichert dem verlorenen Sünder eine ewige Errettung zu. Wie einfach! Hier heißt es nicht: „Wirket — tut — 
betet — fühlet —" o nein; hier heißt es nur: „Wendet euch zu 
mir". Und was wird folgen? Errettung — ewiges Leben. Es muß 
so sein, weil Gott ein Erretter ist; und die kurze Aufforderung: 
„Wendet euch!" schließt dies alles in sich, soweit dadurch die 
Tatsache festgestellt wird, daß die Errettung, deren ich bedarf, 
in Ihm gefunden ist, Dem ich mich zuwende. Dort ist alles für 
mich zubereitet; ein einfaches Hinwenden sichert es mir für 
immer zu. Es ist nicht eine Sache für heute und morgen; sie ist 
eine ewige Wirklichkeit. Das Bollwerk der Errettung, hinter 
das der Gläubige sich zurückzieht, ist von Gott Selbst — von 
dem Gott-Heiland — auf dem unerschütterlichen Fundament 
28 
des Versöhnungswerkes Christi aufgerichtet worden; und keine 
Macht der Erde oder der Hölle kann es je erschüttern. „Denn 
es ist in der Schrift enthalten: Siehe, ich lege in Zion einen 
Eckstein, einen auserwählten, kostbaren; und wer an ihn 
glaubt, wird nicht beschämt werden" (Jes 28, 16; 1. Petr 2, 6). 
Doch wenden wir uns zurück zu der tiefen und weitumfassenden Stelle, die den besonderen Gegenstand dieser Zeilen bildet. 
Sicher vernehmen wir darin die Stimme eines Gott-Heilandes 
— die Stimme Dessen, Der vom Himmel herniederkam, um Gott 
in einer Weise zu offenbaren, wie Er vorher nie offenbart worden war. Es ist eine bewundernswürdige Tatsache, daß Gott in 
dieser Welt offenbart worden ist, so daß wir — sowohl der 
Schreiber als auch der Leser dieser Zeilen — Ihn in der ganzen 
Wirklichkeit dessen, was Er ist, mit der größten Gewißheit 
erkennen und uns mit Ihm beschäftigen können in all der 
gesegneten Vertraulichkeit der persönlichen Gemeinschaft. 
Lieber Leser, denke bitte einmal über dieses staunenswerte 
Vorrecht nach! Du kannst für Dich selbst Gott kennen als 
Deinen Erretter, als Deinen Vater, als Deinen eigenen Gott, Du 
kannst Dich mit Ihm beschäftigen, kannst Dich auf Ihn stützen, 
an Ihm hangen, mit Ihm wandeln, leben und weben, kannst 
Seine gesegnete Gemeinschaft genießen in dem glänzenden 
Sonnenschein Seines freundlichen Antlitzes, unmittelbar unter 
Seinem Auge. 
Dies ist Leben und Frieden. Es ist nicht nur eine theologische 
Wissenschaft. Sie mag ihren Wert haben; aber man vergesse 
nicht, daß ein noch so gegründeter Theologe dennoch ohne Gott 
leben und sterben und verlorengehen kann. Welch ein ernster, 
schreckenerregender Gedanke! Sicher kann jemand, der alle 
Dogmen der Theologie an den Fingern herzuzählen vermag, in 
die Finsternis und Dunkelheit einer ewigen Nacht, zur Hölle 
hinabfahren. Mag jemand das Amt eines Professors bekleiden, 
als ein großer Lehrer und als begabter Prediger anerkannt werden; mögen Hunderte zu seinen Füßen sitzen und lernen, Tausende an seinen Lippen hängen und von ihm hingerissen werden; — dennoch muß er letztlich hinabsteigen in die Tiefe des 
Verderbens und mit dem gemeinsten und unsittlichsten Geschöpfen ein ewiges Elend teilen. 
29 
Jedoch verhält es sich nicht so mit dem, der Gott kennt, wie Er 
im Angesicht Jesu Christi geoffenbart ist: er hat das ewige 
Leben erlangt. „Dieses aber" — sagt Christus — „ist das ewige 
Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du 
gesandt hast, Jesum Christum, erkennen" (Joh 17, 3). Wenn 
jemand alle theologischen Lehrsätze kennt, so hat er darum 
nicht das ewige Leben. Er kann sie mit Eifer studieren, wie man 
Jura, Medizin, Astronomie und Chemie studiert; dennoch kann 
Er ohne alle Erkenntnis Gottes, d. h. ohne göttliches Leben sein 
und am Ende verlorengehen. Also verhält es sich mit der Religiosität. Es mag jemand der größte Frömmler in der Welt sein; 
er mag mit Eifer alle Dienstleistungen verrichten und alle Vorschriften der systematischen Religion sorgfältig beachten; er 
mag fasten und beten, lange Predigten anhören und Gebete 
hersagen; er mag hinsichtlich der Religion das höchste Muster 
sein: bei all diesen Dingen weiß er am Ende nichts von Gott 
in Christo, lebt und stirbt ohne Gott und stürzt für ewig hinab 
in die Hölle. Man blicke auf Nikodemus. Wo hätte man ein 
besseres Beispiel menschlicher Natur-Religion finden können 
als in ihm? Er war ein Mensch aus den Pharisäern, ein Oberster 
der Juden, ein Lehrer in. Israel, er war überdies ein Mann, der 
in den Wundern des Herrn die Beweise für Seine göttliche 
Sendung unterschied; dennoch galt ihm das Wort: „Du mußt 
von neuem geboren werden". Es wird nicht nötig sein, weiterzugehen, um zu zeigen, daß jemand nicht nur religiös, sondern 
sogar ein Führer und Lehrer anderer sein kann, ohne einen 
Funken göttlichen Lebens in seiner Seele zu haben. 
So aber verhält es sich nicht mit jemandem, der Gott in Christo 
kennt: er hat das Leben und ein Ziel. Er hat Gott Selbst als 
sein unschätzbares Teil. Er kennt Gott, vertraut Ihm und erfreut sich in Ihm. Dies ist eine unverkennbare Wirklichkeit, 
Es ist die Seele der Theologie, die Grundfeste der Frömmigkeit, 
das Leben der wahren Religion. Es gibt nichts in der ganzen 
Welt, das dem gleichkäme. Es ist die wahre Bekanntschaft mit 
Gott, das wahre Vertrauen zu Gott und die wahre Freude in 
Gott. 
Vielleicht erhebt der Leser die Frage: „Wie kann ich diesen 
kostbaren Schatz erlangen? Wie kann ich für mich selbst Gott 
erkennen in dieser lebendigen, mächtigen Weise? Wenn es 
30 
wahr ist, daß ich ohne diese persönliche Erkenntnis auf ewig 
v2rlorengehen muß, wie kann ich sie denn erlangen? Was muß 
ich tun, und wie muß ich sein, um Gott zu erkennen?" — Die 
Antwort ist: Gott hat Sich Selbst geoffenbart. Wäre dies nicht 
der Fall, so könnten wir mit Bestimmtheit sagen, daß weder 
das, was wir tun, noch das, wie wir sein können, ja daß nichts 
in uns oder von uns fähig wäre, uns mit Gott in Bekanntschaft 
zu setzen. Wenn Gott Sich nicht Selbst geoffenbart hätte, würden wir über Ihn für immer in Unwissenheit geblieben und in 
unserer Unwissenheit verlorengegangen sein. Aber nachdem Er 
aus undurchdringlicher Dunkelheit ans Licht getreten ist und 
Sich gezeigt hat, so können wir Ihn erkennen nach der 
Wahrheit Seiner eigenen Offenbarung und in dieser Erkenntnis ewiges Leben und eine Segensquelle finden, aus der unsere 
erlöste Seele während des goldenen Zeitalters der Ewigkeit hindurch trinken und ihren Durst stillen wird. 
Wir kennen nichts, was einen so klaren und unumstößlichen 
Beweis von der Unfähigkeit des Menschen, etwas zur Hervorbringung des Lebens zu tun, liefern könnte, wie die Tatsache, 
daß der Besitz dieses Lebens auf die Erkenntnis Gottes gegründet ist und diese Erkenntnis muß auf der Offenbarung Gottes 
ruhen. Mit einem Wort: Gott zu kennen, bedeutet Leben; über 
Ihn unwissend zu sein, bedeutet Tod. 
Aber wo kann Er erkannt werden? Dies ist gleicherweise eine 
ernste Frage. Mancher hat schon mit Hiob ausgerufen: „Ach, 
daß ich ihn zu finden wüßte!" Wo ist Gott zu finden? Kann 
ich mich in der Schöpfung nach Ihm umschauen? Ohne Zweifel 
ist dort Seine Hand sichtbar; aber ach! was nützt es mir? Gott 
als Schöpfer ist dem verlorenen Sünder nicht angemessen. Die 
mächtige Hand wird einem armen, schuldigen Elenden, wie ich 
bin. nichts nützen. Ich bedarf eines liebenden Herzens. Ja, ich 
bedarf eines Herzens, das mich in all meiner Schuld und in all 
meinem Elend lieben kann. Wo finde ich ein solches? Soll ich 
mich umsehen in dem weiten Gebiet der Vorsehung und in 
der weit ausgedehnten Sphäre der Regierung Gottes? Hat 
Sich Gott dort in einer Weise geoffenbart, daß Er mir, einem 
armen, verlorenen Sünder, begegnen kann? Wird die Vorsehung, wird die Regierung Gottes jemandem nützen, welcher 
sich als ein verdammungswürdiger Sünder erkannt hat? Sicher 
31 
nicht. Wenn ich auf diese Dinge schaue, dann verwirrt und beunruhigt mich alles, was ich sehe. Ich bin kurzsichtig und gänzlich unfähig, mir das Wie und Warum eines einzigen Ereignisses sowohl in meinem eigenen Leben als auch in der Geschichte dieser Welt zu erklären. Kann ich die Tatsache fassen, 
daß oft ein höchst wertvolles Leben plötzlich abgeschnitten, 
während ein augenscheinlich nutzloses verlängert wird? Hier 
ist ein Gatte und der Vater einer großen Familie; er scheint für 
seinen häuslichen Kreis durchaus unentbehrlich zu sein; dennoch wird er plötzlich hinweggerafft, und die Seinigen sind in 
die größte Trauer versetzt. Dort hingegen erblickt man einen 
armseligen bettlägerigen Greis, der alle seine Verwandten überlebt hat und ganz und gar von den Gaben eines Kirchspiels 
oder von persönlicher Wohltätigkeit abhängig ist. Jahrelang 
hat er vielleicht das Bett gehütet und ist eine Bürde für den 
einen und ohne Nutzen für den andern. Kann ich mir diese 
Rätsel lösen? Bin ich fähig, die Stimme der Vorsehung in ihrer 
wunderbaren Fügung zu erläutern? Sicher nicht. Ich habe nichts 
in mir, um die Irrgänge oder das Labyrinth dessen zu erforschen, welches Vorsehung genannt wird. Ich finde dort keinen 
Gott-Heiland. 
Wohlan denn — soll ich mich zu dem Gesetz, zu der mosaischen 
Haushaltung wenden? Werde ich dort finden, was ich wünsche? 
Wird ein auf der Höhe eines brennenden Berges stehender 
Gesetzgeber, Der, gehüllt in Wolken und in dichte Finsternis, 
Blitze und Donner herabschleudert, wird Er, Der hinter einem 
Vorhang Verborgene, mir helfen können? Ach! ach! Ich kann 
Ihm nicht begegnen; ich kann Seine Forderungen nicht erfüllen 
noch Seinen Bedingungen entsprechen. Ich bin aufgefordert, 
Ihn zu lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und aus 
allen meinen Kräften — aber ich kenne Ihn nicht. Ich bin blind 
und kann daher nicht sehen. Ich bin entfremdet dem Leben aus 
Gott, ein Feind durch gottlose Werke. Die Sünde hat meinen 
Geist verblendet, mein Gewissen abgestumpft und mein Herz 
verhärtet. Der Teufel hat mein moralisches Dasein völlig verderbt und mich in einen Zustand bestimmter Empörung gegen 
Gott gebracht. Die ganze Quelle meines Wesens muß erneuert 
werden, bevor ich tun kann, was das Gesetz fordert. Wie kann 
ich also erneuert werden? Nur durch die Erkenntnis Gottes. 
32 
Aber Gott ist im Gesetz nicht geoffenbart. Nein, er ist verborgen — verborgen hinter einer undurchdringlichen Wolke, hinter 
einem nicht zerrissenen Vorhang. Deshalb kann ich Ihn dort 
nicht kennenlernen. Ich bin genötigt, mich von dem brennenden 
Berge, von dem nicht zerrissenen Vorhang und also von jener 
ganzen Haushaltung zurückzuziehen, von denen dieser Berg 
und dieser Vorhang die charakteristischen Züge bildeten, die 
gleichsam immer ausriefen: „Ach, daß ich Ihn zu finden wüßte!" Also ist, mit einem Worte, weder in der Schöpfung noch 
in der Vorsehung noch in dem Gesetz „ein Gott-Heiland zu 
finden". In der Schöpfung erblicke ich einen Gott der Macht, in 
der Vorsehung einen Gott der Weisheit, in dem Gesetz einen 
Gott der Gerechtigkeit. Einen Gott der Liebe finde ich nur in 
dem Angesicht Jesu Christi. „Gott war in Christo, die Welt mit 
sich selber versöhnend" (2. Kor 5, ig). 
Wie steht es mit Dir, geliebter Leser? Bist Du noch einer von 
denen, die Gott nicht kennen? Darüber klar zu sein, ist von 
äußerster Wichtigkeit. Gott zu erkennen, ist der erste Schritt. 
Es ist nicht genug, etwas über Gott zu wissen. Es ist nicht 
genug, daß die alte Natur sich zur Religion wendet, daß man sie 
zu veredeln trachtet, daß man bestrebt ist, das Gesetz zu halten. Nein, lieber Leser, keines dieser Dinge kann Dir nützen. 
Nur Gott ist's, und zwar erkannt in dem Angesicht Jesu Christi. 
„Denn der Gott, der aus der Finsternis das Licht leuchten ließ, 
ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der 
Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi". 
Dies ist das tiefe und gesegnete Geheimnis der ganzen Sache. 
Der Leser ist, soweit es sich um seinen natürlichen Zustand 
handelt, in einem Zustand der Finsternis. Nicht die geringste 
Spur geistlichen Lichts ist vorhanden. Er befindet sich geistlich 
und moralisch in demselben Zustande, in dem sich die Schöpfung physisch befand, bevor über die Lippen des allmächtigen 
Gottes die Worte kamen: „Es werde Licht!" — Alles ist finster 
und verworren; denn „der Gott dieser Welt hat den Sinn der 
Ungläubigen verblendet, damit der Lichtglanz des Evangeliums 
der Herrlichkeit des Christus, welcher das Bild Gottes ist, nicht 
ausstrahle" (2. Kor 4, 4—6). 
Hier gibt es zwei Dinge: der Gott dieser Welt, der den Sinn 
33 
verblendet und das Hineinleuchten der kostbaren, Leben gebenden Strahlen des Lichtes der Herrlichkeit Gottes verhindert, 
und andererseits Gott in Seiner wunderbaren Gnade, der in das 
Herz leuchtet, um das Licht der Erkenntnis Seiner Herrlichkeit 
im Angesicht Jesu Christi zu geben. So hängt also alles ab von 
der großen Wirklichkeit der Erkenntnis Gottes. Wo irgend 
Licht ist, da ist Gott wirklich erkannt. Wo Finsternis ist, fehlt 
diese Erkenntnis. Ohne Zweifel gibt es verschiedene Maße in 
der Erfahrung und Äußerung dieses Lichtes; aber das Licht ist 
da, wenn die Erkenntnis Gottes vorhanden ist. Ebenso hat auch 
die Finsternis ihre verschiedenen Formen: die eine ist häßlicher 
als die andere; aber die Finsternis ist da, wenn die Erkenntnis 
Gottes nicht vorhanden ist. Diese Erkenntnis ist Licht und 
Leben. Die Unkenntnis über Gott ist Finsternis und Tod. Es 
mag sich jemand mit allen Schätzen der Wissenschaft und der 
Literatur bereichern; aber wenn er Gott nicht kennt, so ist er 
in einer finsteren, ewigen Nacht. Andererseits mag jemand 
bezüglich menschlicher Wissenschaft völlig unwissend sein; 
dennoch kann er, wenn er Gott kennt, im hellsten Tageslicht 
wandeln. 
2. 
In der angeführten Schriftstelle (Joh 3, 16) findet sich eine 
höchst bemerkenswerte Erläuterung des Charakters des ganzen 
Evangeliums nach Johannes. Es ist unmöglich, sie zu betrachten, ohne bei dieser interessanten Tatsache zu verweilen. In 
dieser Stelle werden wir zu Gott Selbst geführt, um den Charakter und die Natur Dessen zu schauen, Der die Welt geliebt 
und Seinen Sohn hingegeben hat. Auch finden wir darin nicht 
nur die „Welt" als ein Ganzes, sondern auch den einzelnen 
Sünder, bezeichnet durch das Wörtchen: „jeder". Also Gott und 
der Sünder sind zusammen — Gott, als Der da liebt und gibt, 
und der Sünder, als der da glaubt und empfängt. Es ist nicht 
Gott als Richter und Forderer, sondern Gott als die Liebe und 
als der Geber. Das erste war Gesetz, das letzte ist Gnade; jenes 
war das Judentum, dies ist das Christentum. In dem einen 
sehen wir Gott, Gehorsam fordernd als Bedingung des Lebens, 
welches niemand erlangt; in dem andern sehen wir den Men34 
sehen, das Leben empfangend als eine freie Gabe durch Glauben an den Herrn Jesum Christum. Das ist der Kontrast zwischen den beiden Systemen — ein Kontrast, der nicht greller 
hervortreten könnte. „Das Gesetz war durch Moses gegeben; 
die Gnade und Wahrheit aber sind durch Jesum Christum geworden" (Joh l, 17). 
Doch merken wir uns die Art und Weise, in welcher dies in 
unserem Text entwickelt wird. „Also hat Gott die Welt geliebt". Hier haben wir eine weite Aussicht auf die Liebe Gottes. 
Sie beschränkt sich nicht auf eine besondere Nation, auf einen 
Stamm oder auf eine Kaste oder Familie. Sie umfaßt die ganze 
Welt. Gott ist die Liebe; und weil dies also ist, so handelt es 
sich nicht um die Tauglichkeit oder den Wert des Gegenstandes 
Seiner Liebe. Er ist, was Er ist. Er ist die Liebe und kann nicht 
etwas anderes sein. Dies ist die wahre Energie und Tätigkeit 
Seiner Natur. Das Herz mag bezüglich seines Zustandes und 
Verhältnisses vor Gott manche Frage und manche Übung 
haben; und gerade dies sollte der Fall sein; — der Heilige Geist 
mag solche Übungen hervorrufen und solche Fragen erheben; 
aber nach allem zeigt sich die große Wahrheit, daß Gott die 
Liebe ist, stets in ihrem vollsten Glänze. Ja, Gott ist die Liebe, 
was wir auch sein mögen, und was die Welt auch sein mag; wir 
wissen, daß die Wahrheit in betreff Gottes die tiefe und reichhaltige Schicht bildet, auf welcher das ganze System des Christentums ruht. Die Seele mag unter dem Gefühl ihres eigenen 
Elends den schweren und trostlosen Kampf ihrer irdischen 
Bahn durchpilgern; Zweifel und Befürchtungen mögen ihr begegnen; finstere Wolken mögen sich über ihr zusammenhäufen; Wochen, Monde, Jahre mögen unter dem Gesetz zugebracht sein, und zwar lange nachdem der bloße Verstand zu 
den Grundsätzen und Lehren der evangelischen Religion seine 
Zustimmung gegeben hat; aber nach allem müssen wir in unmittelbare persönliche Verbindung mit Gott Selbst gebracht 
worden sein — mit dem, was Er ist, mit Seiner Natur und 
Seinem Charakter, gerade so wie Er Sich in dem Evangelium 
geoffenbart hat. Wir haben uns mit Ihm bekanntzumachen; 
und Er ist die Liebe. 
Man beachte es wohl, daß nicht nur gesagt ist: „Gott liebt", 
sondern: „Gott ist die Liebe". Nicht, als ob die Liebe nur eine 
35 
Eigenschaft Seines Charakters sei, nein, sie ist die wahre Tätigkeit Seiner Natur. Wir lesen nicht, daß Gott die Gerechtigkeit 
oder die Heiligkeit ist; Er ist gerecht, und Er ist heilig. Aber 
es würde nicht die volle und gesegnete Wahrheit ausdrücken, 
wenn nur gesagt würde: „Gott liebt"; — vielmehr: „Er ist die 
Liebe". Wenn daher der Sünder dahin gebracht ist, seinen 
völligen Ruin, seine hoffnungslose Armseligkeit, seine Schuld 
und sein Elend sowie die äußerste Nichtigkeit und Wertlosigkeit dessen, was in ihm und urn ihn her ist, zu sehen, wenn er 
erkennt, daß nichts in der Welt sein Herz, und nichts in seinem 
Herzen Gott und sein eigenes Gewissen befriedigen kann — 
wenn sein Auge in irgendeiner Weise über diese Dinge geöffnet ist, dann hat er durch diese große wesentliche Wahrheit 
gefunden, daß „Gott die Liebe ist", und daß Er also die Welt 
geliebt hat, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab. 
Hier sind Leben und Ruhe für die Seele. Hier ist für den armen 
schuldbeladenen, verlorenen Sünder eine vollkommene, freie 
und ewige Errettung — eine Errettung, die nicht auf etwas 
ruht, das in oder von dem Menschen ist, nicht auf etwas, das 
er ist, sein kann, getan hat oder tun kann, sondern einfach auf 
dem, was Gott ist und was Er getan hat. Gott liebt und gibt — 
der Mensch glaubt und empfängt. Dies steht weit über der 
Schöpfung, über der Regierung und über dem Gesetz. In der 
Schöpfung sprach Gott, und es geschah. Er rief Welten ins 
Dasein durch das Wort Seines Mundes. Aber in der ganzen 
Geschichte der Schöpfung finden wir nichts von Gott als Dem, 
Welcher liebt und gibt. Ebenso ist es bezüglich Seiner Regierung. Wir sehen, wie Gott inmitten der Heere des Himmels und 
inmitten der Kinder der Menschen Seine Herrschaft in unausforschlicher Weisheit ausübt, aber wir können Ihn nicht begreifen. Endlich ist das Gesetz von Anfang bis zu Ende ein 
vollkommenes System von Geboten und Verboten — vollkommen in seiner Handlung, indem es den Menschen prüft und 
dessen gänzliche Entfremdung von Gott offenbart. „Das Gesetz 
bewirkt Zorn". Und wiederum: „Durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde". Aber was konnte ein solches System in 
einer Welt voller Sünder tun? Konnte es das Leben geben? 
Unmöglich! Warum? Weil man seine heiligen Forderungen 
nicht zu erfüllen vermochte. „Denn wenn ein Gesetz gegeben 
36 
wäre, das lebendig machen könnte, dann wäre wirklich die Gerechtigkeit aus Gesetz". Aber nein; das Gesetz war ein Dienst 
des Todes und der Verdammnis (siehe 2. Kor 3). Die einzige 
Wirkung des Gesetzes ist gegenüber dem, der sich darunter 
befindet, der Stempel des Todes auf die Seele und der Stempel 
der Strafe und der Verdammnis auf das Gewissen. Es kann bei 
einer aufrichtigen Seele unter dem Gesetz unmöglich anders sein. 
Was ist daher notwendig? Nichts anderes als die Erkenntnis 
der Liebe Gottes und der kostbaren Gabe, welche diese Liebe 
verliehen hat. Dies ist das ewige Fundament von allem: die 
Liebe und die Gabe der Liebe. Denn wir müssen uns stets daran 
erinnern, daß die Liebe Gottes uns nimmer anders hätte erreichen können als nur durch diese Gabe. Gott ist heilig, und 
wir sind sündige Geschöpfe. Wie könnten wir in Seine Nähe 
kommen? Wie könnten wir in Seiner heiligen Gegenwart verweilen? Wie könnten Sünde und Heiligkeit beieinander wohnen? Unmöglich! Die Gerechtigkeit fordert die Verurteilung 
der Sünde; wenn die Liebe den Sünder erretten will, so bedarf 
sie dazu nichts weniger als die Gabe des eingeborenen Sohnes 
Gottes. Darius liebte Daniel und bemühte sich sehr, ihn von 
der Löwengrube zu erretten, aber seine Liebe war machtlos gegenüber dem unbiegsamen Gesetz der Meder und Perser. Er 
brachte die Nacht in Traurigkeit und Fasten zu. Er konnte 
weinen vor der Öffnung der Grube; vermochte jedoch nicht, 
seinen Freund zu erretten. Seine Liebe war gänzlich ohne 
Macht, Wenn er sich selbst für seinen Freund den Löwen 
geopfert hätte, so wäre dies eine höchst ruhmvolle Tat gewesen; aber er tat es nicht. Seine Liebe brachte nur nutzlose 
Tränen und Wehklagen hervor. Das Gesetz des persischen 
Königreichs war mächtiger als die Liebe des persischen Königs. 
Das Gesetz in seiner ernsten Majestät triumphierte über eine 
ohnmächtige Liebe, die nichts als fruchtlose Tränen ihrem 
Gegenstand darzubringen vermochte. 
Aber die Liebe Gottes gleicht nicht derjenigen des Perserkönigs. 
Ewig sei Sein herrlicher Name dafür gepriesen! Seine Liebe ist 
mächtig, um zu erretten. Sie herrscht durch Gerechtigkeit. Wodurch ist dies möglich geworden? Weil „Gott die Welt also 
geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gegeben hat". Das 
Gesetz hatte in Worten des schrecklichsten Ernstes erklärt: 
37 

„Welche Seele sündigt, soll des Todes sterben". War dieses 
Gesetz weniger streng, weniger kräftig, weniger majestätisch 
als das Gesetz der Meder und Perser? Keineswegs. Wodurch ist 
denn seine Macht gebrochen? Es war von Gott Selbst eingeführt 
und bestätigt. Kein Jota und kein Strichlein sollte vom Gesetz 
beiseite gestellt werden. Wie nun konnte die Schwierigkeit gelöst werden? Drei Dinge mußten geschehen: das Recht des Gesetzes mußte erfüllt, die Sünde verdammt und der Sünder 
errettet werden. Wie aber konnten diese großen Resultate 
erzielt werden? An dem Kreuze Jesu fand die Sünde ihre Verurteilung und der Sünder seine Errettung. Welch eine kostbare 
Wahrheit! Möge jeder bußfertige Sünder sie vernehmen und 
glauben! Das war die bewunderungswürdige Liebe Gottes, daß 
Er Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns 
alle dahingab. Seine Liebe kostete Ihn nichts geringeres, als 
den Sohn Seines Schoßes. Als es sich um die Erschaffung der 
Welten handelte, kostete Ihn das nur ein Wort Seines Mundes; 
aber als es sich darum handelte, eine Welt voll Sünder zu 
lieben, kostete Ihn dies Seinen eigenen Sohn. Die Liebe Gottes 
ist eine heilige Liebe, eine gerechte Liebe, eine Liebe, die in 
Übereinstimmung mit allen Eigenschaften Seiner Natur und 
den Forderungen Seines Thrones handelt. „Die Gnade herrscht 
durch die Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum Christum, unserem Herrn". 
Sicher kann die Seele nicht eher in Freiheit gesetzt sein, als bis 
diese Wahrheit völlig vor ihr aufgeschlossen ist. Es mag eine 
unbestimmte Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes sowie 
ein gewisses Maß an Vertrauen auf das Versöhnungswerk Jesu 
vorhanden sein; die wahre Freiheit des Herzens aber kann 
unmöglich eher genossen werden, als bis erkannt und verstanden ist, daß Gott in der Weise Seine Liebe geoffenbart hat, daß 
Er Seinen Sohn hingab. Das Gewissen würde nimmer beruhigt 
und Satan nimmer zum Schweigen gebracht werden können, 
wenn die Sünde nicht vollkommen gerichtet und hinweggenommen worden wäre. Aber „also hat Gott die Welt geliebt, daß 
er seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, auf daß jeder, der 
an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe". 
Welche Tiefe und welche Kraft liegt in dem Wörtchen „also"! 
38 
3. 
Es mag hier am Platze sein, einer Schwierigkeit zu begegnen, 
vor welcher ängstliche Seelen nicht selten zurückschrecken. Es 
ist die Frage der Zuneigung. Tausende sind auf der einen oder 
der anderen Station ihrer geistlichen Geschichte durch diese 
Frage gequält und beunruhigt worden, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß der eine oder andere Leser dieser Zeilen sich der 
wenigen Worte über diesen Gegenstand erfreuen wird. Mancher möchte vielleicht fragen: „Wie kann ich erfahren, ob diese 
Liebe und die Gabe der Liebe für mich bestimmt sind? Welche 
Bürgschaft habe ich für den Glauben, daß das „ewige Leben" 
für mich ist? Ich kenne den Ratschluß der Erlösung; ich glaube 
an das Vollgenüge des Versöhnungsopfers Christi zur Sündenvergebung und Rechtfertigung aller, welche glauben. Ich bin 
von der Wahrheit alles dessen überzeugt, was die Bibel lehrt. 
Ich glaube, daß wir alle Sünder sind und zu unserer Errettung 
nichts zu tun vermögen — daß wir durch das Blut Jesu abgewaschen und durch den Heiligen Geist belehrt und geleitet 
werden müssen, bevor wir hienieden Gott Wohlgefallen und 
hernach bei Ihm wohnen können. Alles das glaube ich völlig; 
dennoch habe ich keine Gewißheit meiner Errettung; ich begehre zu wissen, welcher Autorität ich zu glauben habe, daß 
meine Sünden vergeben sind und ich das ewige Leben habe". 
Sollte dies die Sprache des Leser sein, um seiner Ungewißheit 
einen Ausdruck zu verleihen, so würden wir zunächst seine 
Aufmerksamkeit auf zwei Wörtchen lenken, die wir in unserem 
kostbaren Text (Joh 3, 16) finden, nämlich auf die Wörtchen 
„Welt" und „jeder". Wer vermöchte die Anwendung dieser 
beiden Wörtchen von sich abzuweisen? Für wen — möchte man 
fragen — gilt die Bedeutung des Ausdrucks „Welt"? Wen 
schließt dieser Ausdruck ein, oder vielmehr, wen schließt er 
nicht ein? Wenn unser Herr erklärt, daß „Gott die Welt also 
geliebt", aus welchem Grunde kann sich dann der Leser von 
dem Bereich, dem Ziel und der Anwendung dieser göttlichen 
Liebe ausschließen? Es gibt in der Tat für ihn dazu keinen 
Grund, solange er nicht beweisen kann, daß er allein nicht der 
Welt, sondern einer anderen Wesens-Sphäre angehört. Wenn 
gesagt wird, daß „die Welt" hoffnungslos verdammt ist,könn39 
te dann jemand, der einen Teil dieser Welt ausmacht, die Anwendung dieses Urteils von sich abweisen? Könnte er sich 
selbst davon ausschließen? Unmöglich! Wie aber kann er und 
warum sollte er sich ausschließen, wenn es sich um die freie 
Liebe Gottes und um die Errettung durch Christum Jesum handelt? 
Und was ist, möchten wir weiter fragen, die Bedeutung und 
die Kraft des Wörtchens „jeder"? Ist jemand ausgeschlossen? 
Sicher nicht! Wenn aber jeder gemeint ist, warum dann nicht 
der Leser? Es ist besser, weit sicherer, weit genügender das 
Wörtchen „jeder" in dem Evangelium zu finden, als wenn dort 
mein eigener Name zu lesen wäre, da es zwar möglich sein 
könnte, daß tausend Personen in der Welt denselben Namen 
führten, während das Wörtchen „jeder" sich aber so bestimmt 
auf mich anwenden läßt, als wenn ich mich allein auf der Oberfläche der Erde befände. 
Wir sehen also, daß gerade die Ausdrücke, die gebraucht werden, um die frohe Botschaft zu verkünden, ganz und gar geeignet sind, jede Schwierigkeit bezüglich ihrer Zuneigung zu beseitigen. Wenn wir auf den Herrn in den Tagen Seines Fleisches lauschen, so hören wir die Worte: „Also hat Gott die 
Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß 
jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges 
Leben habe". Und wiederum, wenn wir auf Ihn lauschen nach 
Seiner Auferstehung, so vernehmen wir die Worte: „Gehet hin 
in die ganze Welt, predigt die gute Botschaft der ganzen 
Schöpfung" (Mark 16). Und lauschen wir endlich auf die 
Stimme des von einem auferstandenen, aufgefahrenen und 
verherrlichten Herrn gesandten Heiligen Geistes, so hören wir 
die Worte: „Derselbe Herr von allen ist reich über alle, die ihn 
anrufen. Denn wer irgend den Namen des Herrn anrufen wird, 
wird errettet werden" (Röm 10, 12. 13). 
Alle diese, die Botschaft des Heils verkündenden Stellen lassen 
für niemanden Raum übrig, deren Anwendung abzuweisen. 
Wenn „die ganze Welt" der Schauplatz und „die ganze Schöpfung" der Gegenstand des kostbaren Evangeliums für Christum ist, wer hätte dann irgendwie ein Recht, sich selbst auszuschließen? Wo gibt es außerhalb der Hölle für irgendeinen 
Sünder eine Vollmacht zu sagen, daß die frohe Botschaft des 
40 
Heils nicht für ihn sei? Es existiert keine. Das Heil oder die 
Errettung ist eine so freie Gabe wie die Luft, die wir einatmen, 
wie die Regentropfen, welche die Erde erfrischen, und wie die 
Sonnenstrahlen, welche unseren Fußpfad beleuchten; und wenn 
jemand versucht, sie einzuschränken, so befindet er sich weder 
in Harmonie mit dem Geiste Christi, noch in Übereinstimmung 
mit dem Herzen Gottes. 
„Aber" — möchte vielleicht jemand fragen — „wie ist denn die 
Frage der Auserwählung aufzufassen?" Unsere Antwort ist: 
„Man lasse sie dort, wohin Gott sie als einen Grenzstein in dem 
Erbteil des geistlichen Israels und nicht als einen Stein des 
Anstoßes auf dem Pfade des ängstlichen Forschers hingestellt 
hat". — Dieses wird nach unserer Meinung die richtige Einstellung zu der wichtigen Lehre der Auserwählung sein. Je 
tiefer wir in diesen Gegenstand eindringen, desto völliger sind 
wir überzeugt, daß es falsch ist, wenn der Evangelist oder der 
Prediger des Evangeliums seine Botschaft durch die Lehre von 
der Auserwählung oder Prädestination schwächt, seinen Gegenstand verwirrt und seine Zuhörer beunruhigt. Er hat es in der 
Erfüllung seines Dienstes mit verlorenen Sündern zu tun. Er 
begegnet den Menschen, wo sie sich befinden, nämlich auf 
dem breiten Boden unseres gemeinsamen Verderbens, unserer 
gemeinsamen Schuld, und unserer gemeinsamen Verdammnis. 
Er begegnet ihnen mit der Botschaft einer vollkommenen, 
freien, gegenwärtigen, persönlichen und ewigen Errettung — 
mit einer Botschaft, die frisch und brennend aus dem Herzen 
Gottes hervorströmt. Sein Dienst ist, wie der Heilige Geist in 
2. Kor 5 erklärt, „ein Dienst der Versöhnung", dessen herrlicher 
Charakter sich in den Worten ausdrückt: „Gott in Christo — 
die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen 
nicht zurechnend", und dessen wunderbares Fundament darin 
besteht, daß Gott „Jesum, der Sünde nicht kannte, für uns zur 
Sünde gemacht hat, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden 
in ihm". 
Beeinträchtigt dieses in etwa die gesegnete und klar festgestellte 
Wahrheit der Auserwählung? Keineswegs. Es läßt sie in ihrer 
ganzen Ausdehnung und in ihrem vollen Werte, als eine Fundamental-Wahrheit der Heiligen Schrift, genau auf dem Platze, 
wohin Gott sie gestellt hat, nämlich nicht als eine dem Kommen 
41 
des Sünders zu Jesu vorhergehende Frage, sondern als einen 
höchst kostbaren Trost und als eine Ermutigung für den, der 
gekommen ist. Wenn ein Sünder berufen wäre, im voraus die 
Auserwählungsfrage entscheiden zu müssen, wie sollte er es 
anfangen? Wohin sollte er sich wenden, um sich zu befragen. 
Wo soll er eine göttliche Bürgschaft für den Glauben finden, 
daß er einer der Auserwählten sei? Gibt es in der Schrift eine 
einzige Stelle, auf der er seinen Glauben bezüglich seiner Auserwählung gründen könnte? Sicher ist keine vorhanden. Er 
kann eine Menge Steller. finden, die ihm erklären, daß er strafbar, untauglich und verloren ist — ein Menge Stellen, die ihm 
Gewißheit geben über sein gänzliches Unvermögen, etwas in 
der Angelegenheit seiner eigenen Errettung tun zu können — 
Hunderte von Stellen, welche die freie Liebe Gottes, sowie den 
Wert und die Kraft des Versöhnungsopfers Christi vor seinem 
Auge entfalten und ihn eines herzlichen Willkommens versichern, wenn Er kommt wie Er ist und die kostbaren Früchte 
göttlichen Heils für Sich gewinnt. Wäre es hingegen nötig für 
ihn, die Frage der Auswahl zuerst in Ordnung zu bringen, dann 
würde sein Zustand hoffnungslos sein, und nichts würde für 
ihn übrig bleiben als trostlose Verzweiflung. 
Und befinden sich in diesem Augenblick nicht Tausende in 
einer solchen Lage wegen der verkehrten Anwendung der 
Lehre von der Auserwählung? Wir glauben dieses; und darum 
ist es unser Bemühen, die Sache vor den Augen unserer Leser 
in das rechte Licht zu stellen. Wir halten es für durchaus notwendig, daß ängstliche Seelen es klar erkennen, daß nicht die 
Auserwählung, sondern das erkannte Verderben der Standpunkt ist, von wo aus man das Kreuz Christi anschauen muß. 
Die Gnade Gottes begegnet dem Menschen als einem verlornen, 
toten, schuldigen Sünder, und nicht als einem Auserwählten. 
Es ist für ihn eine unaussprechliche Gnade, sich als verloren zu 
erkennen; aber er kann erst dann wissen, ob er ein Auserwählter sei, wenn das Evangelium in Macht zu ihm gekommen ist. 
Der Apostel sagt zu den Thessalonichern: „Wissend, von Gott 
geliebte Brüder, eure Auserwählung". Wie konnte er sie wissen? Er sagt weiter: „Denn unser Evangelium war nicht bei 
euch im Worte allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen 
Geiste und in großer Gewißheit" (1. Thess 1, 4. 5). Paulus 
42 
brachte den Thessalonichern, als verlorenen Sündern, das Evangelium, und als sie dasselbe als Verlorene aufgenommen hatten, 
wandte er sich an sie als Auserwählte. 
Dies stellt die Auserwählung an den rechten Platz. Wenn der 
Leser für den Augenblick sein Auge auf Apg 17 richten will, 
so wird er dort sehen, wie Paulus unter den Thessalonichern 
sein Werk als Evangelist betrieb. „Nachdem sie aber durch 
Amphipolis und Apolloma gereist, kamen sie nach Thessalonich, wo die Synagoge der Juden war. Nach seiner Gewohnheit aber ging Paulus zu ihnen hinein und redete an drei Sabbathen mit ihnen aus den Schriften, indem er eröffnete und 
darlegte, daß der Christus leiden und aus den Toten auferstehen mußte, und daß dieser, der Jesus, den ich euch verkündige, der Christus ist. Und etliche aus ihnen glaubten und gesellten sich zu Paulus und Silas, und von den anbetenden Griechen 
eine große Menge". Ebenso lesen wir in i. Kor 15 die beachtenswerten Worte: „Ich tue euch aber kund, Brüder, das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, welches ihr auch angenommen, in welchem ihr auch stehet, durch welches ihr auch 
errettet werdet, (wenn ihr an dem Worte festhaltet, das ich 
euch verkündigt habe), es sei denn, daß ihr vergeblich geglaubt 
habt. Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: daß Christus gestorben ist für unsere Sünden, 
nach den Schriften, und daß er begraben und daß er auf erweckt 
worden am dritten Tage nach den Schriften" (V. 1—4). 
Aus diesen Schriftstellen, denen wir noch eine zahlreiche Menge 
beifügen könnten, ersehen wir, daß der Apostel nicht eine 
bloße Lehre, sondern eine Person verkündigte. Er predigte nicht 
die Auserwählung. Er belehrte die bereits Erretteten über diesen Punkt; aber er machte denselben den Sündern gegenüber 
nicht zu einem Gegenstand seiner Predigt. Dieses sollte zu 
allen Zeiten den Evangelisten als Beispiel dienen. Wir finden 
nirgends, daß die Apostel die Auserwählung predigten. Sie verkündigten Christum; sie enthüllten die Liebe Gottes — Seine 
Gnade — Seine große Barmherzigkeit — Seine vergebende Liebe 
— Seine gnadenreiche Bereitwilligkeit, um alle aufzunehmen, 
die in ihrem wahren Charakter und Zustand als verlorene 
Sünder kommen würden. Dies war ihre Art und Weise zu 
predigen, oder vielmehr die Art und Weise des Heiligen Geistes 
43 
in ihnen, und dies war die Art und Weise des Herrn und Meisters Selbst. „Kommet her zu mir alle ihr Mühseligen und 
Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben". — „Wenn jemand 
dürstet, der komme zu mir und trinke". — „Wer zu mir kommt, 
den werde ich nicht hinausstoßen". 
Hier gibt es keinen Anstoß für eine ängstliche Seele; hier gibt 
es keine Fragen, die vorher entschieden, keine Bedingungen 
die erfüllt, keine theologischen Schwierigkeiten die gelöst werden müssen. Nein, der Sünder wird empfangen auf dem Boden, 
auf dem er sich befindet — empfangen, wie er ist — empfangen 
in demselben Augenblick. Es gibt Ruhe für den Mühseligen, 
Speise und Trank für den Hungernden und Dürstenden, Leben 
für den Toten, Vergebung für die Schuldigen, Errettung für 
den Verlorenen. Berührt diese freie Einladung die Lehre von 
der Auserwählung? Keineswegs. Mit andern Worten, ein freies 
Evangelium, läßt die große und höchst wichtige Wahrheit der 
Auserwählung völlig unberührt; und die Wahrheit der Auserwählung auf ihrem geeigneten Platz läßt das Evangelium von 
der Gnade Gottes auf seiner breiten und gesegneten Grundlage 
und in all seiner göttlichen Länge, Breite und Fülle. Das Evangelium begegnet uns als Verlorenen und errettet uns und dann, 
wenn wir uns gerettet wissen, zeigt uns die kostbare Lehre von 
der Auserwählung die Tatsache, daß wir nie mehr verloren 
gehen können. Es war nie die Absicht Gottes, ängstliche Seelen 
durch theologische Streitfragen und Lehrpunkte zu beunruhigen. Vielmehr — gepriesen sei Sein Name! — ist es Sein gnadenreicher Wunsch, daß der heilende Balsam Seiner vergebenden 
Liebe und die reinigende Kraft des Versöhnungsblutes Jesu auf 
die geistlichen Wunden einer jeden bußfertigen Seele angewandt werden. Und was die Lehre von der Auserwählung betrifft, so hat Er sie in Seinem Worte enthüllt, um Seine Heiligen zu trösten, nicht aber, um die Sünder zurückzuschrecken. 
Die Auserwählung ist sicher ein kostbarer Edelstein; allein es 
war nie beabsichtigt, sie als einen Stein des Anstoßes auf den 
Weg eines nach Leben und Frieden seufzenden Sünders zu 
legen. Sie ist niedergelegt in die Hände des Lehrers, um inmitten der Familie Gottes enthüllt zu werden; aber sie ist nicht 
dem Evangelisten anvertraut, der den gesegneten Beruf hat, 
sich an die Landstraßen und Zäune einer verlornen Welt zu 
44 
stellen. Sie ist dazu bestimmt, die Kinder zu nähren und zu 
trösten, nicht aber die Sünder zu schrecken und ihnen Anstoß 
zu geben. Wir möchten daher allen Evangelisten mit Ernst zurufen: „Vermengt eure Predigten nicht mit theologischen Streitfragen, sondern predigt Christum. Enthüllt die tiefe, ewige 
Liebe eines Gott-Heilandes. Trachtet danach, die in ihrem Gewissen beunruhigten Seelen in die unmittelbare Gegenwart 
einer vergebenden Liebe Gottes zu bringen. Schildert, wenn es 
nötig ist, mit den düstersten Farben die Schrecken vor dem 
weißen Thron, die Schrecken des Feuersees und des ewigen 
Feuers; aber laßt es euch auch angelegen sein, die in ihrem Gewissen Getroffenen unter der versöhnenden Kraft des Blutes 
Christi zur Ruhe zu bringen. Dann könnt ihr die Früchte eures 
Dienstes dem göttlich befähigten Lehrer übergeben, um solche 
in den tieferen Geheimnissen des Glaubens an Christum zu 
unterweisen. Ihr könnt versichert sein, daß, wenn ihr eure 
Pflicht als Evangelisten treu erfüllt, ihr das Gebiet theologischer 
Streitfragen nicht betreten werdet". 
Dem ängstlichen Sucher aber möchten wir mit dem gleichen 
Ernst zurufen: „Laß dich durch nichts auf dem Wege zu Jesu 
aufhalten. Horche auf nichts anderes, als auf die Stimme Jesu, 
Der sagt: Kommt zu mir. Sei versichert, daß es kein Hindernis, keine Schwierigkeit, keine Frage, keine Bedingung gibt. 
Du bist ein verlorener Sünder; und Jesus ist ein vollkommener 
Erretter. Setze auf Ihn dein Vertrauen, und du wirst für ewig 
gerettet sein. Glaube an Ihn, und du wirst deinen Platz unter 
den „Auserwählten Gottes" erkennen, welche „zuvorbestimmt 
sind, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu werden". Bringe 
deine Sünden zu Jesu; und Er wird sie vergeben und durch 
Sein Blut auslöschen, und wird dich bekleiden mit einem flekkenlosen Kleid göttlicher Gerechtigkeit. Möge der Geist Gottes 
dich leiten, dich einfach und ganz auf diesen kostbaren, völlig 
genügenden Heiland zu werfen". 
Wir schließen diese Zeilen mit einer kurzen Bemerkung über 
zwei verschiedene Übel, die aus der falschen Anwendung der 
Auserwählungslehre hervorgehen: 
i. Es wird dadurch eine Entmutigung bei wahrhaft ernsten 
Seelen hervorgerufen, die der Ermunterung bedürfen. Sind 
45 
solche Personen durch die Frage der Auserwählung zurückgeschreckt, so muß das Resultat ein im höchsten Grade trauriges 
sein. Wenn ihnen gesagt wird, daß die frohe Botschaft des 
Heils nur für den Auserwählten sei, daß Christus nur für einen 
solchen Sein Leben gegeben habe, und daher auch nur ein solcher gerettet werden könne; — wenn ihnen gesagt wird, daß, 
wenn sie nicht auserwählt sind, sie kein Recht haben, die 
gesegneten Wirkungen des Todes Christi auf sich anzuwenden; — wenn sie, mit einem Wort, von Christo und dem liebenden Herzen eines vergebenden Gottes hinweg zu den kalten 
Streitfragen einer förmlichen Theologie getrieben werden, 
dann ist es unmöglich zu berechnen, wo sie auf dieser abschüssigen Bahn enden werden. Jedenfalls nehmen sie entweder 
zum Aberglauben oder zum Unglauben ihre Zuflucht. Welchem 
Bekenntnis sie sich auch äußerlich anschließen werden, es wird 
ihnen der lebendige, liebende, kostbare und völlig genügende 
Christus fehlen, Der die einzige wahre Speise für ängstliche 
Seelen ist. — 
2. Andererseits wird bei leichtfertigen Seelen durch die Lehre 
von der Auserwählung deren Leichtfertigkeit nur noch mehr 
gefördert. Werden solche Menschen auf ihren Zustand und 
ihre Zukunft hingewiesen, ergreifen sie ihre Waffen und sagen: 
„Ich kann nicht glauben, wenn mir Gott nicht die Kraft dazu 
gibt. Wenn ich auserwählt bin, so bin ich errettet; andernfalls 
sind meine Anstrengungen nutzlos. Ich kann nichts tun, sondern muß die Zeit Gottes abwarten". — Alle diese falschen und 
leichtfertigen Schlüsse werden einmal bloßgestellt und zerstört 
werden; nicht einen Augenblick werden sie im Licht des göttlichen Richters bestehen können. Ein jeder wird dort erfahren, 
daß die Auserwählung keine Entschuldigung gibt, und zwar aus 
dem Grunde, weil Gott dieselbe nie als Hindernis, um errettet 
zu werden, hingestellt hat. Das Wort gilt: „Wer da will, nehme 
das Wasser des Lebens umsonst". Dieses Wort, das den Anstoß 
vor den Füßen eines ängstlich Suchenden hinwegnimmt, entreißt 
jeder Ausrede, die den Lippen eines leichtfertig Verwerfenden 
entschlüpft, die Grundlage. Niemand ist ausgeschlossen. Alle 
sind eingeladen. Es gibt weder einerseits ein Hindernis, noch 
andererseits eine Entschuldigung. Alle sind willkommen; aber 
auch alle sind verantwortlich. Wenn es daher jemand wagt, sich 
46 
zu entschuldigen, indem er das Heil Gottes, das so klar wie das 
Licht der Sonne ist, dadurch verwirft, daß er sich auf die Ratschlüsse Gottes, die verborgen sind stützt, so wird er sich einmal schrecklich getäuscht finden. 
Mit einem Wort, die kostbare Lehre von der Auserwählung ist 
nicht da, um für den Ängstlichen ein Anstoß zu sein, aber auch 
nicht, um dem Leichtfertigen einen Grund zur Entschuldigung 
anhand zu geben. Möge daher der Heilige Geist den Leser vor 
beiden Klippen bewahren! — 
4. 
Nachdem wir nun jede durch den Mißbrauch der kostbaren 
Lehre von der Auserwählung entstehende Schwierigkeit hinweggeräumt und dem Evangelisten und Lehrer gezeigt haben, 
daß für die völlige und aufrichtige Annahme der freien Gabe 
Gottes und der Gabe Seines eingeborenen Sohnes, kein Hindernis besteht, bleibt uns nun noch übrig, nach allen Seiten hin 
die Ergebnisse zu betrachten, wie diese uns in den Worten 
unsers Herrn Jesu Christi vorgestellt sind. „Denn also hat Gott 
die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf 
daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern 
ewiges Leben habe". 
Wir haben hier also das unerschütterliche Ereignis für jeden, 
der einfach an Jesum glaubt. Er wird nicht verlorengehen, sondern ewiges Leben haben. Aber wer könnte das, was in dem 
Wörtchen „verloren" enthalten ist, deutlich darstellen? Welche Zunge eines Sterblichen könnte die Schrecken jenes Sees 
schildern, der mit Feuer und Schwefel brennt, wo der Wurm 
nicht stirbt und das Feuer nicht erlöscht? Wir glauben sicher, 
daß niemand außer Ihm, Der jenes Wort an Nikodemus richtete, 
eine richtige Erklärung über dasselbe geben kann; aber wir 
fühlen uns gedrungen von der ernsten Wahrheit der ewigen 
Verdammnis ein unzweideutiges Zeugnis abzulegen. 
Es ist eine ernste und traurige Tatsache, daß der Feind der Seelen und der Wahrheit Gottes Tausende sowohl in Europa als 
auch in Amerika verleitet hat, die höchst wichtige Frage der 
ewigen Verdammnis der Gottlosen in Frage zu stellen. Er tut 
47 
dies auf verschiedenen Gebieten und durch mannigfaltige Beweismittel, die er den Gewohnheiten und Gedanken, dem 
moralischen Zustande und dem geistlichen Standpunkt der 
betreffenden anzupassen sucht. Vor allem sucht er die Menschen zu überreden, daß Gott zu gütig sei, um irgend jemand 
an den Ort des Schreckens zu senden, und daß es Seiner Liebe 
und Seiner gütigen Natur ganz und gar widerspricht, über eines 
Seiner Geschöpfe eine solche Pein zu verhängen. 
Wir möchten nun allen, die auf diesem Boden stehen oder zu 
stehen vorgeben, die wichtige Frage ans Herz legen: „Was wird 
mit den Sünden derer geschehen, welche unbußfertig und ungläubig sterben?" Wie stark man auch betonen mag, daß Gott 
zu gütig sei, einen Sünder zur Hölle senden zu können, so ist 
sicher noch bestimmter hervorzuheben, daß Gott zu heilig ist, 
als daß Er die Sünde in den Himmel einführen könnte. „Du 
bist zu rein von Augen, um Böses zu sehen" (Hab l, 13). Gott 
und das Böse können nie beieinanderwohnen. Das ist klar. Was 
muß nun geschehen? Wenn Gott die Sünde nicht im Himmel 
dulden kann, was hat dann der Sünder zu erwarten, der in 
seinen Sünden stirbt? Er muß unbedingt verlorengehen. Und 
was will das sagen? Versteht man darunter eine Vernichtung, 
die völlige Vertilgung und Auslöschung der gänzlichen Existenz 
des Leibes und der Seele? Keineswegs. Ich zweifle nicht, daß 
viele dieses wünschen. Die Worte: „Laßt uns essen und trinken, 
denn morgen sind wir tot", passen für Tausende der Söhne und 
Töchter des Vergnügens, welche nur an den gegenwärtigen 
Augenblick denken und die Sünde als einen Leckerbissen betrachten, nach dem ihr Gaumen lechzt. Sicher gibt es Millionen 
auf dem Erdboden, welche bereit wären, ihr ewiges Glück für 
wenige Stunden strafbaren Vergnügens zu vertauschen; und 
der listige Feind strengt sich an, um das Menschengeschlecht zu 
überreden, daß es weder solch einen Platz gebe wie die Hölle 
noch solch ein Ding wie der See, der mit Feuer und Schwefel 
brennt; und um für diese schreckliche Verlockung festen Fuß 
zu behalten, gründet er sie auf die scheinbare und Ehrfurcht 
gebietende Idee der Güte Gottes. 
O mein Leser, traue nicht dem Lügner von Anfang! Gott ist 
heilig. Er kann die Sünde nicht in Seiner Gegenwart dulden. 
Wenn du in deinen Sünden stirbst, so bist du verloren; und 
48 
dieses Wörtchen „verloren" faßt nach den klaren Zeugnissen 
der Heiligen Schrift ewiges Elend, ewige Qual in der Hölle in 
sich. Bedenke, was unser Herr Jesus Christus in Seiner ernsten 
Schilderung des Gerichts über die Nationen sagt: „Dann wird 
er auch sagen zu denen zu seiner Linken: Gehet hin von mir, 
Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und 
seinen Engeln" (Mt 25, 41). Und wenn du lauschest auf diese 
schrecklich feierlichen Ausdrücke, dann erinnere dich, daß das 
Wörtchen „ewig" siebenzigmal im Neuen Testament angeführt 
ist. Denn es ist dort die Rede von „ewigem Feuer" — von „ewigem 
Leben" — von „ ewiger Straf e" — von „ewiger Verdammnis" — von 
„ewigen Wohnungen" — von „dem ewigen Gott" — von „dem 
ewigen Gewicht von Herrlichkeit" — von „ewiger Zerstörung" — 
von „ewigem Trost" — von „ewiger Herrlichkeit" — von „ewiger Errettung" — von „ewigem Gericht" — von „ewigem Erbteil" — von „ewigem Königreich" — von „ewigem Feuer". 
Wir fragen jetzt jeden aufrichtigen, urteilsfähigen Leser, aus 
welchem Grunde man das Wort „ewig", wenn auf Gott angewandt, als immer fortdauernd betrachten kann, während man 
dasselbe, wenn auf das höllische Feuer und die Strafe der Gottlosen angewandt, als vorübergehend deutet? Wenn unter dem 
Worte „ewig" in dem einen Falle eine ununterbrochene Fortdauer zu verstehen ist, warum nicht in dem anderen? Ist es 
recht, unter gewissen Umständen demselben eine entgegengesetzte Deutung zu geben? Ein solches Verfahren ist im höchsten Grade verwerflich und eine Schmach, die man dem Worte 
Gottes antut. Nein, mein Leser, du kannst nicht das Wörtchen 
„ewig" auf einen Fall anwenden, ohne es auch in seiner vollen 
Bedeutung zugleich auf alle siebenzig Fälle, worin es vorkommt, anzuwenden. Es ist ein gefährliches Ding, mit dem 
Worte Gottes zu spielen. Es ist weit besser, sich unter die 
heilige Autorität desselben zu beugen. Ich möchte es um keinen 
Preis wagen, dieses auf die unsterbliche Seele des Menschen angewandte Wort „verloren" in seiner vollen Bedeutung und 
Kraft zu schwächen. Es schließt ohne allen Zweifel die schreckliche, namenlos schreckliche Wirklichkeit einer fortdauernden 
Qual in den Flammen der Hölle in sich. Das ist es, was die 
Schrift unter dem Wort „verloren" versteht. Der Anbeter weltlicher Vergnügungen oder der Freund des Geldes mag, um 
49 
dieses zu vergessen, im Glase oder durch geschäftlichen Verkehr mit anderen jeden Gedanken daran zu ersticken suchen. 
Der gefühlvolle Schwärmer mag schwatzen über das göttliche 
Wohlwollen; der Zweifler mag mit großen Worten die Möglichkeit eines ewigen Feuers in Frage stellen; aber wir wünschen 
von ganzem Herzen, daß diese Zeilen in dem Herzen jedes 
Lesers die feste und unerschütterliche Überzeugung wecken 
möchte, daß die Bestrafung aller derer, die in ihren Sünden 
sterben, ebenso eine ewige in der Hölle, wie die Segnung derer, 
die im Glauben an Christum sterben, eine ewige im Himmel 
ist. Wenn es nicht also wäre, so würde der Heilige Geist ganz 
gewiß hinsichtlich des ersten Punktes andere Worte gebraucht 
haben als es beim letzteren Punkt der Fall ist. Dieses steht außer 
allem Zweifel. 
Doch gibt es noch einen andern Einwand, der wider die Lehre 
von der ewigen Verdammnis erhoben wird. Es ist oft gesagt 
worden: „Wie können wir voraussetzen, daß Gott eine ewige 
Vergeltung als Strafe für so wenige Jahre der Sünde auferlegen 
sollte?" Wir erwidern: Man greift die Sache an dem verkehrten 
Ende an, wenn man in dieser Weise streitet. Es handelt sich 
hier nicht um eine von menschlichem Standpunkte aus betrachtete Zeitfrage, sondern um die von Gott gemessene Größe der 
Sünde. Und wie kann diese Frage erörtert werden? Nur im Blick 
auf das Kreuz. Wenn man wissen will, was die Sünde in den 
Augen Gottes ist, so muß man hinschauen auf das, was es Ihn 
gekostet hat, um sie hinwegzunehmen. Nur das unendliche 
Opfer Christi ist der einzige Maßstab, um die Größe der Sünde 
messen zu können. Die Menschen mögen ihre wenigen Jahre 
mit der Ewigkeit Gottes vergleichen; sie mögen die kurze 
Spanne ihres Lebens neben die Ewigkeit stellen, die sich jenseits des Grabes bis ins Unendliche ausdehnt; sie mögen die 
wenigen Jahre der Sünde in die eine, und eine Ewigkeit der 
Qual und des Wehes in die andere Waagschale legen; aber 
dieses alles wird kein Beweis gegen die Wahrheit sein. Die 
Frage ist und bleibt: War eine solch unendliche Versöhnung 
nötig, um die Sünde wegzunehmen? War dieses der Fall, dann 
muß auch die Bestrafung der Sünde eine ewige sein. Wenn nur 
ein solches Opfer von den Folgen der Sünde zu befreien vermochte, dann müssen sicher diese Folgen ewig sein. 
50 
Mit einem Wort, wir müssen die Sünde aus einem göttlichen 
Gesichtspunkt beschauen und sie mit Seinem Maße messen; 
denn sonst erlangen wir nicht die Fähigkeit, um beurteilen zu 
können, was sie verdient. Es ist der höchste Grad der Torheit, 
wenn der Mensch den Versuch macht, die der Sünde schuldige 
Vergeltung nach seinem Ermessen zu bestimmen. Gott allein 
ist dazu fähig. Und überdies, was war es, wodurch fast sechstausend Jahre hindurch all das Elend und der Jammer, Krankheit und Traurigkeit, Tod und Verwüstung erzeugt worden ist? 
War es nicht eine einzige Handlung des Ungehorsams — das 
Essen einer geringen Frucht? Kann ein Mensch dieses Rätsel 
lösen? Kann die menschliche Vernunft es sich erklären, daß eine 
einzelne Tat ein solch überschwengliches Maß von Elend erzeugen konnte? Gewiß nicht. Und wenn sie dieses nicht vermag, wie kann sie es denn versuchen, das Strafmaß der Sünde 
bestimmen zu wollen? Wehe allen, die sich in diesem wichtigen 
Punkte ihrer Leitung anvertrauen? 
Ach, mein Leser! Du mußt einsehen, daß Gott allein die Sünde 
und deren gerechte Vergeltung abschätzen und uns darüber 
Aufschluß geben kann. Ja, wahrlich, Er hat die Sünde gemessen 
an dem Kreuze Seines Sohnes, und dort hat Er auch in der 
unzweideutigsten Weise ins Licht gestellt, was sie verdient. 
Hast du die Bedeutung des furchtbaren Schreies Jesu verstanden: „Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?" 
Wenn Gott Seinen eingeborenen Sohn verließ, als er zur Sünde 
gemacht war, sollte dann die Sünde nicht eine endlose, ewige 
Strafe verdienen? Diese Folgerung kann nicht umgestoßen werden. Die Unendlichkeit der Versöhnung beweist unwiderlegbar 
die Lehre der ewigen Verdammnis: Dieses fleckenlose und 
kostbare Opfer ist ein für allemal das Fundament unseres 
ewigen Lebens und unserer Befreiung vom ewigen Tode. Es 
erlöst uns vom ewigen Zorn und führt uns in die ewige Herrlichkeit; es errettet uns von der endlosen Qual der Hölle und 
verschafft uns die endlose Segnung des Himmels. Von welcher 
Seite wir daher auch das Kreuz betrachten mögen, wir sehen 
stets, daß die Ewigkeit ihren Stempel darauf gedrückt hat. Beschauen wir es von den finsteren Tiefen der Hölle oder von den 
sonnigen Höhen des Himmels aus, stets sehen wir die unendliche, ewige, göttliche Wirklichkeit. Ja, das Kreuz allein ist die 
51 
einzig richtige Meßschnur der Segnung des Himmels als auch 
des Elends der Hölle. Die, welche ihr Vertrauen auf Ihn setzen, 
Der am Kreuze starb, empfangen ewiges Leben und ewige 
Glückseligkeit, während alle, die Ihn verwerfen, in eine nimmer 
endende Verdammnis hinabsinken. 
Es ist indes keineswegs unsere Absicht, diese wichtige Frage 
theologisch zu behandeln, oder alle diese Beweise hervorzusuchen, deren man sich zur Verteidigung der Lehre von der 
ewigen Verdammnis bedient; aber es gibt eine andere Erwägung, die uns geeignet scheint, den Leser zu einer bestimmten 
Entscheidung zu leiten, und das ist die Unsterblichkeit der 
Seele. „Und Gott hauchte in die Nase des Menschen den Odem 
des Lebens, und der Mensch ward zu einer lebendigen Seele" 
(i. Mo 2, 7). Der Sündenfall des Menschen berührt in keinerlei 
Weise die Unsterblichkeit seiner Seele. Wenn aber die Seele 
unsterblich ist, so ist ihre Vernichtung unmöglich. — Die Seele 
muß für immer leben. Schrecklicher Gedanke! Für immer! Für 
immer! Für immer! Das ganze moralische Dasein versinkt unter 
der entsetzlichen Größe dieses Gedankens. Er übertrifft jede 
Vorstellung und macht jede geistige Berechnung zunichte. Die 
menschliche Rechenkunst kann sich nur mit dem, was ein Ende 
hat, beschäftigen. Sie hat keine Ziffern, durch welche sie eine 
nimmer endende Ewigkeit darstellen kann. Aber der Schreiber 
wie der Leser dieser Zeilen, beide werden eine Ewigkeit hindurch leben, sei es in der glänzenden und gesegneten Welt 
droben, oder an jenem finsteren Platze, wo der Rauch der Qua! 
aufsteigen wird von Ewigkeit zu Ewigkeit. 
Möge der Geist Gottes unsere Herzen mehr und mehr erfüllen 
mit dem ernsten Gedanken an die Ewigkeit sowie an die Seelen, 
welche zur Hölle hinabfahren. Wir ermangeln in der beklagenswertesten Weise des Gefühls in betreff dieses so wichtigen 
Punktes. Wir befinden uns täglich in Verbindung mit den Menschen; wir kaufen und verkaufen und kommen in vielfacher 
Weise in Berührung mit solchen, welche für immer leben, und 
dennoch benutzen wir so selten die Gelegenheiten, um ihnen die 
Schrecklichkeit der Ewigkeit sowie den jammervollen Zustand 
aller, welche ohne persönlichen Anteil an dem Blute Christi 
sind, ans Herz zu legen. — Oh, möchten wir mehr wandeln in 
dem Lichte der Ewigkeit, dann würden wir auch andere mit 
52 
größtem Eifer warnen, daß sie dem zukünftigen Zürn entfliehen 
möchten. 
5. 
Es bleibt uns nun noch übrig, den letzten Ausspruch der uns 
vorliegenden Schriftstelle etwas näher ins Auge zu fassen. Wir 
finden hier das bestimmte, unausbleibliche Resultat des einfachen Glaubens an den Sohn Gottes, nämlich die Tatsache, daß 
ein jeder, der an Jesum Christum glaubt, ein Besitzer des 
ewigen Lebens ist. Nicht nur sind — wie gesegnet diese Wahrheit auch ist — seine Sünden für ewig ausgelöscht und nicht 
nur ist er für immer von den Folgen der Sünde befreit, sondern 
er hat ein neues Leben, und dieses Leben ist in dem Sohne 
Gottes. Er ist ganz und gar auf einen neuen Boden gestellt. Er 
wird nicht mehr in dem Zustande des alten Adams, sondern in 
dem des auferstandenen Christus betrachtet. 
Es gibt leider in den Herzen vieler Christen eine höchst unvollkommene Erkenntnis von dem, was wir durch den Glauben an 
Christum erlangt haben. Manche scheinen das Erlösungswerk 
Christi nur als ein Heilmittel für die Sünden in unserer alten 
Natur, oder als eine Abtragung der in unserem früheren Zustande gemachten Schuld zu betrachten und sicher ist dieses 
eine gesegnete und kostbare Wahrheit. Aber dieses Werk 
schließt viel mehr in sich. Nicht nur sind durch dasselbe die 
Sünden getilgt, sondern es ist auch der alte Mensch durch das 
Kreuz Christi als gestorben beiseite gesetzt, so daß der Gläubige aufgefordert ist, sich für „tot zu halten". Nicht nur sind 
die in unserem alten Zustande gemachten Schulden gelöscht, 
sondern der alte Zustand wird von Gott als beseitigt betrachtet 
und muß auch von dem Gläubigen also angesehen werden. 
Diese große Wahrheit ist in 2. Kor 5 schriftgemäß entwickelt; 
denn hier lesen wir: „So denn, wenn jemand in Christo ist — 
eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist 
neu geworden" (V. 17). Der Apostel sagt nicht: „Wenn jemand 
in Christo ist, so sind seine Sünden vergeben, seine Schulden 
getilgt". Alles dieses ist göttlich wahr. Aber das Resultat geht 
viel weiter. Der Mensch in Christo ist ganz und gar eine neue 
Schöpfung. Die alte Natur fand keine Vergebung, sondern ist, 
53 
und zwar mit allem, was damit zusammenhängt, so völlig 
beiseite gesetzt worden, daß auch nicht eine Spur von dem 
alten Zustande zurückgeblieben ist. „Das Alte ist vergangen, 
siehe, alles ist neu geworden". 
Das ist unendlich tröstlich für das Herz. Unmöglich kann eine 
Seele in die volle Freiheit des Evangeliums eintreten, solange 
sie nicht in irgendeinem Grade die Wahrheit der „neuen Schöpfung" begriffen hat. Man mag in Christo die Vergebung erblicken, mit einer unbestimmten Hoffnung, durch Ihn in den 
Himmel zu kommen, und mit einem gewissen Maße von Vertrauen auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes, und dennoch 
mangelt es vielleicht an der richtigen Erkenntnis in betreff des 
„ewigen Lebens" sowie an dem glücklichen Bewußtsein, eine 
„neue Schöpfung" zu sein, und an dem wahren Verständnis der 
großen Tatsache, daß die Natur des alten Adams gänzlich beiseite gesetzt und der Gläubige von seinem früheren Zustande 
völlig befreit ist. 
Es ist sogar möglich, daß manche unserer Leser über die Bedeutung der Ausdrücke, wie: „die alte Natur Adams" — „der alte 
Zustand" — „das Fleisch" — „der alte Mensch" — in Ungewißheit sind. Und in der Tat werden diese Ausdrücke dem Ohr 
solcher Leser, an welche wir hauptsächlich diese Zeilen richten, 
höchst seltsam klingen; und dennoch sind es Ausdrücke, deren 
sich das Wort Gottes bedient. So lesen wir z. B. in Röm 6, 6: 
„Indem wir dieses wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt ist, auf daß der Leib der Sünde abgetan sei, daß wir der 
Sünde nicht mehr dienen". Was versteht nun der Apostel unter 
dem „alten Menschen"? Augenscheinlich versteht er darunter 
die alte Natur Adams — jene Natur, die wir von unseren ersten 
Eltern erbten. Und was versteht er unter dem „Leibe der 
Sünde"? Jedenfalls den ganzen Zustand, in welchem wir uns als 
unwiedergeborene, unerneuerte Menschen befanden. Die alte 
Adamsnatur wird uns nun als gekreuzigt dargestellt, und der 
ganze Zustand der Sünde durch den Tod Christi als zerstört 
betrachtet. Daher hat jede Seele, die an den Herrn Jesum Christum glaubt, das Vorrecht zu wissen, daß ihre alte Natur, ihr 
sündliches, schuldiges „Ich" von Gott vollständig als tot und 
beseitigt betrachtet wird. Der „alte Mensch" hat in den Augen 
Gottes keine Existenz mehr; er ist gestorben und begraben. 
54 
Ja, es kann nicht stark genug betont werden, daß nicht nur 
unsere Sünden vergeben sind, sondern daß auch der Zustand, 
in welchem wir diese Sünden begingen, für immer beseitigt ist. 
Es ist nicht die Art und Weise Gottes, unsere Sünden zu vergeben und uns zugleich in der sündigen Natur zu lassen, in der 
wir die Sünden begangen haben. Nein, Er hat in Seiner wunderbaren Gnade und nach Seinem unermeßlichen Ratschluß die 
alte Adamsnatur mit allem, was damit zusammenhängt, für 
den Gläubigen auf ewig gerichtet und vertilgt, so daß sie fernerhin in keiner Weise mehr anerkannt wird. „Wer gestorben 
ist, ist freigesprochen von der Sünde". Die Stimme der Heiligen Schrift bezeichnet uns als gekreuzigt, als gestorben, als 
begraben und als mit Christo auferweckt. Gott Selbst fordert 
uns in Seinem Worte auf, uns für tot zu halten. Es ist dieses 
nicht eine Sache des Gefühls, sondern eine Sache des Glaubens. 
Wenn ich mich von meinem Gesichtspunkte aus betrachte oder 
mich nach meinen Gefühlen beurteile, so werde ich diese Wahrheit nimmer verstehen können. Und warum? Weil ich nach 
meinem Gefühl eine ebenso sündliche Kreatur bin wie früher. 
Ich fühle, daß die Sünde in mir ist, daß in meinem Fleische 
nichts Gutes wohnt, daß meine alte Natur in keinerlei Weise 
verändert oder veredelt ist, daß sie wie früher noch immer dieselben Neigungen hat, und daß sie sich, wenn nicht durch die 
Kraft des Heiligen Geistes unterdrückt und niedergehalten, 
stets in ihrem wahren Charakter zeigen würde. 
Und dieses ist gerade der Punkt, über den so viele aufrichtige 
Seelen in Unklarheit und darum beunruhigt sind. Sie blicken 
auf sich selbst und beurteilen alles nach dem, was sie sehen und 
fühlen, anstatt in der Wahrheit Gottes zu ruhen und sich für 
das zu halten, was sie nach dem Ausspruche Gottes sind. Sie 
finden es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, das, was sie in 
sich fühlen, mit dem, was sie im Worte Gottes lesen, in Einklang zu bringen. Aber wir müssen uns erinnern, daß der 
Glaube Gott in Seinem Wort ergreift und mit Ihm in allen 
Punkten übereinstimmt. Der Glaube nimmt das an, was Er 
gesagt, und zwar weil Er es gesagt hat. Wenn daher Gott mir 
sagt, daß mein alter Mensch gekreuzigt ist, meine alte Natur 
vor Seinen Augen beseitigt ist, so daß Er mich nicht mehr sieht 
in dem alten Zustande Adams, sondern in dem auferstandenen 
55 
Christus, so habe ich, gleich einem kleinen Kinde, zu glauben, 
was Er mir sagt und nach diesem Glauben Tag für Tag zu 
wandeln. Wenn ich in mir selbst den Beweis der Wahrheit 
dessen suche, was Gott gesagt, so ist das keineswegs der 
Glaube. „Abraham sah nicht an seinen eigenen, erstorbenen 
Leib, weil er fast hundert Jahre alt war, und nicht den erstorbenen 
Mutterleib der Sarah, und zweifelte nicht an der Verheißung 
Gottes durch Unglauben, sondern ward gestärkt im Glauben, 
Gott die Ehre gebend" (Röm 4, 19. 20). 
Dieses ist der erhabene Grundsatz, auf den das ganze christliche 
System sich stützt. „Abraham glaubte Gott". Das ist der wahre 
Glaube; wir besitzen denselben, wenn wir die Gedanken Gottes 
anstatt unserer eigenen annehmen. Wenn wir dieses dem vor 
uns liegenden Gegenstande anpassen, so ist die Sache sehr einfach. „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das ewige Leben". 
Hier ist — man bemerke es wohl — nicht von jemandem die 
Rede, der etwas in betreff Jesu glaubt, sondern von jemandem, 
der an Ihn glaubt. Es ist eine Frage des einfachen Glaubens an 
die Person Christi; und ein jeder, welcher diesen Glauben hat, 
ist der Besitzer des ewigen Lebens. Dieses ist das direkte und 
bestimmte Zeugnis unseres Herrn in dem Evangelium, ein 
Zeugnis, das oftmals wiederholt wird. Und nicht nur besitzt 
der Gläubige in dieser Weise das ewige Leben, sondern ist auch 
in den Stand gesetzt, in dem Licht, das die Episteln auf diese 
große Frage werfen, zu sehen, daß sein altes Leben, welches 
der Apostel als „das Fleisch" oder als „den alten Menschen" 
bezeichnet, von Gott als gestorben und begraben betrachtet 
wird. Dieses mag schwer zu begreifen sein; aber möge der 
Leser sich erinnern, daß er nicht das, was er begreift, sondern 
das, was dm Worte Gottes geschrieben steht, zu glauben hat. 
Wir lesen nicht: „Abraham begriff Gott", sondern „er glaubte 
Gott". Wenn das Herz glaubt, wird das Verständnis erleuchtet. 
Suche ich dieses Verständnis vorher, dann begehre ich dasselbe 
als eine Stütze, anstatt mich in kindlichem Glauben dem Worte 
Gottes zu unterwerfen. 
Mein teurer Leser! Erwäge dieses in deinem Herzen. Du magst 
es nicht begreifen können, wie deine sündige Natur, deren Vorhandensein du beständig fühlst, als tot und beseitigt zu betrachten sei; aber dennoch erklärt das ewige Wort Gottes, daß, 
56 
wenn dein Herz an Jesum glaubt, dieses alles in betreff deiner 
wahr ist; denn dann hast du das ewige Leben, bist von allem 
gerechtfertigt, und bist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; alles ist neu geworden; und alles ist von Gott. Mit 
einem Worte: du bist „in Christo"; und „wie er ist, bist auch 
du in dieser Welt" (1. Joh 4, 17). 
Und ist dieses nicht weit mehr als Vergebung deiner Sünden, 
als Tilgung deiner Schuld, oder als Rettung deiner Seele von 
der Hölle? Ganz gewiß. Nun sage mir, auf welche Autorität du 
dich stützest, indem du an die Vergebung deiner Sünden 
glaubst? Ist es, weil du fühlst, oder verwirklichst, oder begreifst? Nein, sondern weil geschrieben steht: „Diesem geben 
alle die Propheten Zeugnis, daß ein jeglicher, der an ihn glaubt, 
Vergebung der Sünden empfangen wird durch seinen Namen" 
(Apg 10, 43), und wiederum: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt von allen Sünden" (1. Joh 1, 7). Und siehe, 
auf eben dieselbe Autorität hin kannst du glauben, daß dein 
alter Mensch gekreuzigt ist, daß du nicht mehr im Fleisch, nicht 
in der alten Schöpfung, nicht in dem Zustande des alten Adams 
bist, sondern im Gegenteil, daß du von Gott wirklich in dem 
auferstandenen und verherrlichten Christus geschaut wirst, und 
daß Er dich wie Christum anblickt. 
Leider ist es wahr, daß das Fleisch in dir ist und daß du dich 
tatsächlich in dieser alten Welt befindest, welche unter dem 
Gericht steht. Aber höre, was der Herr bezüglich deiner zum 
Vater sagt: „Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der 
Welt bin"; und wiederum: „Wie du mich gesandt hast in die 
Welt, so habe ich sie in die Welt gesandt". Wirst du dich nun 
unter das Wort Gottes beugen? Wirst du nicht urteilen nach 
dem, was du in dir siehst oder fühlst, oder über dich denkst, 
sondern einfach glauben, was Gott sagt, so wirst du auch eintreten in den gesegneten Frieden und in die heilige Freiheit, 
hervorfließend aus der Tatsache, daß du dich nicht im Fleisch, 
sondern im Geist, nicht in der alten, sondern in der neuen 
Schöpfung, nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade befindest. 
Du hast den alten Platz, den du als ein Kind der Natur und als 
ein Glied des ersten Adams bewohntest, verlassen und hast, 
als ein Kind Gottes und als ein Glied des Leibes Christi eine 
durchaus neue Wohnstätte bezogen. 
57 
Wir finden bezüglich dieser Wahrheit in der Sündflut und der 
Arche ein treffendes Vorbild (siehe 1. Mo 6—8). „Und Gott sah 
die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte 
seinen Weg verderbt auf Erden. Und Gott sprach zu Noah: Das 
Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen; denn die Erde ist 
voll Gewalttat durch sie, und siehe, ich will sie verderben mit 
der Erde". — Hier war also vorbildlich das Ende der alten 
Schöpfung. Alles ward den Fluten des Gerichts preisgegeben. 
Was war daher nötig? „Mache dir eine Arche von Gopherholz". 
Hier wird uns eine neue Sache vorgestellt. Die Arche, friedlich 
schwimmend über die finsteren Wasserschlünde, war ein Vorbild Christi, in welchem der Gläubige sich befindet. Die alte 
Welt fand samt den Menschen in den Wogen des Gerichts ihr 
Grab. Der einzig überbleibende Gegenstand war die Arche — 
jenes sicher und im Triumph über die Wellen dahingleitende 
Rettungsboot. Also ist es jetzt in Wahrheit und Wirklichkeit. 
Vor dem Auge Gottes steht ein auferstandener, siegreicher und 
verherrlichter Christus und Sein mit Ihm verbundenes Volk. 
Das Ende alles Fleisches ist vor Gott gekommen. Das ist das 
feierlichst ausgesprochene göttliche Urteil. Und was folgt dann? 
Ein auferstandener Christus. Nichts anderes. Gott schaut alle 
in Ihm an, wie Er Ihn Selbst anschaut. Alle außer Ihm sind 
unter dem Gericht. Alles dreht sich um die eine Frage: „Bin ich 
in oder außer Christo"? 
Ja, mein Leser! Bist du in Christo? Glaubst du an Seinen Namen? Hast du Ihm das Vertrauen deines Herzens geschenkt? 
Nun, dann hast du auch „das ewige Leben", bist eine „neue 
Schöpfung", und das „Alte ist vergangen". Das alles durchdringende Auge Gottes sieht an dir keine Spur mehr von dem 
alten. „Alles ist neu geworden, und alles von Gott". Magst du 
auch, wie du einwendest, dieses alles nicht fühlen, so sollte es 
dir dennoch genug sein, daß Gott gesagt hat: „Das Alte ist 
vergangen"; ja, es ist dein glückseliges Vorrecht, zu glauben, 
was Er sagt und dich für das zu „halten", wofür Er dich hält. 
Er sieht dich nicht im Fleische, sondern in Christo. Es ist außer 
Christo absolut nichts vor dem Auge Gottes; und selbst der 
schwächste Gläubige wird ebensowohl als ein Teil Christi betrachtet, wie deine Hand ein Teil.deines Körpers ist. Getrennt 
von Christo hast du keine Existenz, kein Leben, keine Gerech58 
tigkeit, keine Heiligkeit, keine Weisheit, keine Macht. Von ihm 
getrennt bist du nichts und kannst du nichts tun. In Ihm hast 
du alles und vermagst du alles; du bist ganz und gar eins mit 
Christo. Welch ein tiefes Geheimnis ! welch eine kostbare Wahrheit! Es handelt sich hier nicht um eine Vervollkommnung 
oder um ein Fortschreiten, sondern um den festgestellten Standpunkt selbst des schwächsten Gliedes der Kirche Gottes. Freilich gibt es verschiedene Grade in betreff der Erkenntnis, der 
Erfahrung und der Widmung; aber es gibt nur ein Leben, 
einen Standpunkt, eine Stellung vor Gott, und zwar in Christo 
Jesu. Es existiert kein höheres oder niedrigeres christliches 
Leben. Christus ist das Leben des Gläubigen, und es kann von 
keinem höheren oder niedrigeren Christus die Rede sein. „Wer 
an den Sohn Gottes glaubt, hat das ewige Leben". 
Dies ist eine erhabene Wahrheit; und wir flehen ernstlich zu 
Gott, daß Sein Geist das Herz des Lesers für dieselbe öffnen 
möge. Wir sind überzeugt, daß ein klareres Verständnis derselben Tausende von düsteren Wolken zerstreuen, Tausende 
von Fragen beantworten und Tausende von Schwierigkeiten 
auflösen würde. Wenn Christus mein Leben ist — wenn ich in 
Ihm und eins mit Ihm bin, dann habe ich nicht nur Teil an 
Seiner Annahme bei Gott, sondern auch an Seiner Verwerfung 
durch die gegenwärtige Welt. Diese beiden Dinge gehen zusammen. Sie bilden die zwei Seiten der einen großen Frage. Wenn 
ich in Christo und wie Christus vor Gott bin, so ist dieses auch 
meine Stellung vor der Welt; und ich werde nicht einerseits das 
Resultat dieser Vereinigung vor Gott annehmen, und anderseits 
dieses Resultat angesichts der Welt ausschlagen. Wenn wir das 
eine haben, muß auch das andere selbstredend unser Teil sein. 
Alles dieses ist in Joh 17 vollständig entwickelt. Dort lesen wir 
einerseits: „Und die Herrlichkeit, die du mir gegeben, habe ich 
ihnen gegeben, auf daß sie eins seien, gleichwie wir eins sind. 
Ich in ihnen und du in mir, auf daß sie in eins vollendet seien, 
und auf daß die Welt erkenne, daß du mich gesandt und sie 
geliebt hast, gleich wie du mich geliebt" (V. 22, 23). Andererseits aber lesen wir: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben; und 
die Welt hat sie gehaßet, weil sie nicht von der Welt sind, 
gleichwie ich nicht von der Welt bin" (V. 14). Wir sehen also, 
59 
daß alle, welche an Jesum glauben, sowohl droben Seine Annahme als auch hienieden Seine Verwerfung teilen. Diese beiden Dinge sind unzertrennlich. Das Haupt und die Glieder 
haben gemeinschaftlichen Anteil an der Annahme im Himmel 
und gemeinschaftlichen Anteil an der Verwerfung auf Erden. 
Möchte doch das Volk des Herrn mehr in diese Wahrheit eintreten und sie verwirklichen! Möchten wir doch alle mehr Gemeinschaft machen mit dem im Himmel angenommenen und 
auf Erden verworfenen Christus! 
Christus und die Versammlung 
(Ein Auszug aus einer Betrachtung überEpheser 5) 
Wenn Gott im Herzen Eingang gefunden hat, so ist es nicht zu 
verwundern, daß die Beurteilung des Guten und Bösen sich 
für uns verändert, wie es in der Tat der Fall ist: „Denn einst 
wäret ihr Finsternis, jetzt aber Licht in dem Herrn" (Eph 5, 8). 
Nicht nur waren wir in der Finsternis, sondern wir waren selbst 
Finsternis; nun aber sind wir „Licht". Aus Finsternis sind wir 
Licht geworden; das ist die Veränderung, die mit demjenigen 
vor sich geht, der zu Gott bekehrt wird. Ich bin von Natur ein 
schlechter Baum, und darum ist es auch ganz natürlich, daß ich 
schlechte Früchte trage. Das natürliche Herz ist zum Bösen geneigt; es ist die Sünde oder der Baum, der die Sünden als 
Früchte hervorbringt. Sobald aber eine neue Natur in uns ist, 
richten wir das, was von uns ist, und wir unterscheiden das 
Gute vom Bösen. 
Wir können mit Paulus sagen: Ich weiß, daß in mir, das ist in 
meinem Fleische, nichts Gutes wohnt (Röm 7, 18). Ehe wir des 
Lebens Christi teilhaftig wurden, war schon etwas in uns, und 
zwar die Sünde; selbst das natürliche Gewissen erkannte zuweilen die Sünden, aber wir „waren noch Finsternis". Es ist 
gut, sich zu erinnern, wovon wir ausgegangen sind. 
Es ist klar, daß sich alles gänzlich ändert, wenn Gott Sich offenbart; denn das Licht offenbart alles, und man sieht die Dinge 
60 
ganz anders, als man sie ehedem sah, ja alles bildet sogar einen 
Gegensatz zur früheren Anschauungsweise. 
Das Maß dessen, was wir sein sollten, findet sich in diesen 
Worten: „Seid nun Nachahmer Gottes" (Eph 5, 1). Weil Er 
liebt, sollen auch wir lieben; weil Er vergibt, sollen auch wir 
vergeben, damit man in uns den Charakter unseres Vaters sehe. 
Wir sollen den Charakter der Familie tragen: was Gott ist, 
sollen wir sein; Er ist das Muster, das wir nachzuahmen haben. 
Als Jude war Christus unter dem Gesetz, weil Er unter dem 
Gesetz geboren wurde. Er, Der Gott ist, wurde Mensch und hat 
Sich als Solcher als Muster hingestellt. Gott hat Sich im Fleische 
geoffenbart, und das ganze Leben Jesu war nicht nur die Beobachtung des Gesetzes, sondern auch die vollkommene Darstellung dieser Offenbarung Gottes im Fleische. Darum, nachdem der Apostel gesagt hatte: „Seid nun Nachahmer Gottes", 
fügt er hinzu, „und wandelt in Liebe, gleichwie auch der Christus uns geliebt hat" (Eph 5, 1. 2). Welch ein Glück für uns, 
daß diese Dinge nicht nur in abstrakter Weise, d. h. in Gott, 
sondern auch in dem Menschen Jesu dargestellt worden sind. 
Das Mittel dafür, Gottes Nachahmer zu sein, ist: mit „dem 
Geiste erfüllt" zu sein. (Ich spreche jetzt nicht von den Gaben 
des Geistes). „Und berauscht euch nicht mit Wein, in welchem 
Ausschweifung ist, sondern seid mit dem Geiste erfüllt" (Eph 
5, 18). 
Es ist klar, daß eine mit dem Geist erfüllte Seele Beweggründe 
hat, die mit den Beweggründen Gottes übereinstimmen, und 
daß in einer solchen Seele in praktischer Hinsicht alles gänzlich 
erneuert ist. So ist denn Gott das Maß unseres Wandels; das 
Mittel, dies zu verwirklichen, ist die Kraft des Heiligen Geistes, 
und Christus, Der in Seiner Menschheit das Muster hiervon 
ist, wirkt in dieser der Seele verständlichen Verbindung, indem 
Er uns alles, was Er Selbst hat, mitteilt. 
Will man Heiligkeit oder ein gewisses Betragen erzwingen, so 
erreicht man nichts. Nie hätte ich unter dem Gesetz etwas zustande bringen können; denn das Gesetz stellt wohl die Grundsätze dessen, was der Mensch sein sollte, auf, aber es teilt die 
Liebe nicht mit, die dazu befähigt, das zu erfüllen, was es 
61 
verlangt. Durch die Liebe ergreifen wir das, was die Triebfeder 
unseres Handelns ist: wenn Jesus diese Triebfeder ist, so haben 
wir den gleichen Gegenstand, den Gott Selbst hat; indem wir 
Ihn durch die Liebe erfassen, trachten wir danach, Ihm ähnlich 
zu sein. — Gott sei gepriesen, daß Er uns berufen hat, dem 
Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein! — Wenn ich alles das, 
was Er gefühlt und getan hat, betrachte, bringt es dann nichts 
in meinem Herzen hervor? 
„Und ein Jeglicher, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich 
selbst, gleichwie er rein ist" (1. Joh 3, 3). Auf Ihn blicken, 
bewirkt Liebe — und die Folge davon ist, daß man das, was 
man in Christo sieht, zu verwirklichen wünscht. Es ist unmöglich, daß ich sehe, was Jesus hienieden war, ohne daß der 
Wunsch in mir erweckt werde, daß auch ich so sein möchte. Vor 
allem aber müssen wir diese Gnade wohl verstehen, welche uns 
an den Platz gebracht hat, wo Gott uns haben will. Das ist die 
Grundlage. — Um den Genuß der Stellung zu haben, die Gott 
für uns erwirkt hat, bedarf es für uns des Bewußtseins, daß 
wir darin sind: ich muß das Bewußtsein haben, Kind zu sein, 
um meinen Vater als solchen zu lieben. Diese Gnade muß verstanden sein, um die Liebe in uns zu bewirken; — wir lieben 
Gott, sobald wir wissen, daß Er uns zuerst geliebt hat. Ist mein 
Gewissen nicht gereinigt, ist die Frage bezüglich meiner Sünden nicht erledigt, so ist die Liebe nicht da. Es kann sich nicht 
um Liebe handeln, solange das Gewissen nicht gereinigt ist 
und solange um Gottes willen, unter Androhung der Verdammnis, die Erfüllung gewisser Bedingungen von uns gefordert wird. Aber indem Jesus uns von unseren Sünden gewaschen und zu uns gesagt hat „Ihr seid rein", hat Er uns in 
Gottes Gegenwart gestellt, und zwar ohne irgendeinen Gedanken, als nur den Seiner Liebe. — Er hat alles getan, was 
nötig war. Wenn ich auf das vertraue, was Gott, um mich zu 
zu reinigen, getan hat, so sage ich: die richtige Beurteilung 
fehlt Ihm nicht. Der die Sünde aller vollkommen kennt, Er hat 
Sich damit beschäftigt und sie in Christo nach den Anforderungen Seiner Heiligkeit gerichtet. Ich selbst kenne nicht alle 
meine Sünden, denn je mehr man in die Gegenwart Gottes 
kommt, desto mehr lernt man die Dinge ganz anders beurteilen, und man sieht Böses da, wo man es früher nicht sah. 
62 
Wenn mein Gewissen durch den Glauben an das Werk Christi 
in völlige Ruhe gebracht ist, so versteht mein Herz, daß Gott 
mich geliebt hat, damit ich Ihn liebe, und daß zwischen meiner 
Seele und Ihm nichts mehr ist als die Freude Seiner Liebe. 
Wenn man dahin gekommen ist, fängt man auch an zu verstehen, was Gott in anderer Hinsicht für uns tun will, und 
man lernt dies in Christo. Das Ende dieses Kapitels beschäftigt 
sich speziell mit der Offenbarung dessen, was Christus für die 
Kirche ist, und nicht mit dem, was sie sein sollte. „Christus hat 
die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben" 
(V. 25). Es ist hier nicht die Rede von der Versöhnung, die Er 
für die Sünden der Kirche zustandegebracht hat, sondern von 
jener Energie des Herzens, durch welche Sich Christus Selbst 
für sie hingegeben hat. „Er hat sich selbst hingegeben". Es ist 
in seinem Herzen kein einziger Gedanke, kein einziges Gefühl, 
das nicht für die Kirche in Bewegung gesetzt worden wäre, wie 
es auch im Ratschluß und in den Absichten Christi nichts gibt, 
wovon sie nicht der Gegenstand ist. Er ist voll Güte gegen alle 
armen Sünder; aber wenn es sich um die Versammlung handelt, so hat Er nach dem Vorsatz Seiner Hingabe Sich Selbst für 
sie hingegeben. 
Man kann damit rechnen, daß jeder Gläubige, welches auch 
sein Zustand sei, gesegnet wird: man kann auf die Macht der 
Gnade vertrauen, daß sie ihn aufrichten wird, wenn er gefallen 
ist, weil man weiß, daß Christus Sich vorgesetzt hat, die Versammlung Sich Selbst ohne Flecken und tadellos darzustellen 
(V. 27). Der Glaube rechnet auf diese Macht Christi und verhindert die Entmutigung, die sich unser bemächtigen könnte, 
wenn wir eine schwache und kranke Seele sehen. Ist eine 
schwache Seele durch ihren eigenen Zustand oder den der anderen entmutigt, so soll sie an diese Macht denken, welche die 
ermatteten Hände und die entkräfteten Kniee wieder aufzurichten vermag (Hebr 12, 12). Nachdem der Apostel Paulus 
gesagt hatte: „Ich bin eurethalben in Verlegenheit" (Gal 4, 20), 
fügt er, sobald sich sein Geist bis zu Christus erhoben hat, 
hinzu: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn" (Gal 5, 10). 
Welch ein Glück ist es für ein Herz, das die Christen liebt, 
daran festhalten zu dürfen, daß, weil sie Christo angehören, 
sie gesegnet werden. 
63 
In V. 26 heißt es: „Auf daß er sie heiligte". Ich finde auch hierin eine Quelle des Glückes. Jesus will, daß unsere Herzen vom 
Bösen getrennt werden und daß sie nach dem Verständnis, das 
Er ihnen gibt, erfassen, was Er in Seiner Gnade und Herrlichkeit ist. Dann zeigt Er, welches das Mittel zu dieser Heiligung 
ist, nämlich „die Waschung mit Wasser, durch das Wort" 
(V. 26). In Kol 1, 28 heißt es: „Den (Christum) wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, auf daß wir jeden Menschen vollkommen darstellen in Christo" — d. h,, damit Christus unseren 
Herzen nach Seiner Fülle geoffenbarr werde und sie gemäß 
dieser völligen Offenbarung alles dessen, was Er ist, geistlich 
gebildet werden. 
Ich verstehe Euch, wenn Ihr sagt: Ich habe mit dieser Sünde, 
mit jener Lust zu tun; aber Christus ist stärker als alles. Er 
wirkt durch den Geist und stellt Sich vor Euch: findet Ihr Ihn 
nicht liebendswürdiger als alles, was die Lust Euch darbieten 
kann? — Wenn ich geizig bin und meinen Blick auf das Geld 
richte mit der Absicht, es zurückzustoßen, so würde meine 
Hand es doch alsbald wieder ergreifen; wenn es aber Christus 
ist, den ich anschaue, dann liebe ich Ihn und vergesse das Geld 
ohne Mühe. Ich habe dann nicht mehr nötig, es zurückzustoßen; 
denn mein Herz ist anderswo. — Um die Versammlung zu 
heiligen, hat Jesus sie gellebt; „Er hat sich selbst für sie hingegeben" (V. 25), und Er bemüht Sich, ihre Zuneigungen auf 
Sich zu richten und sie durch die Offenbarung Seiner Selbst zu 
bilden. Und welch ein Glück, daß wir berufen sind, unsere 
Wonne zu finden, wo Gott mit Wonne ruht! Welch ein Glück, 
mit Gott denselben Gegenstand zu besitzen und dieselben 
Neigungen zu teilen! — Das macht das Herz glücklich. 
Je mehr ich verstehe, was Christus ist, desto mehr nimmt auch 
mein geistliches Leben zu; dann beurteile ich die Dinge ganz 
anders als früher. Es heißt nicht: „Auf daß die Versammlung 
ohne Flecken sei!" sondern „auf daß er sich selbst die Versammlung verherrlicht darstellte" (V. 27). Er will sie für Sich 
haben, und das ist die Quelle unseres Glücks. Sein Herz will 
uns also haben, für Sich Selbst, Er, Der für uns das verborgene 
Manna sein wird, welches dem Überwinder verheißen ist. Es 
64 
ist der erniedrigte und in dieser Erniedrigung gekannte Christus, Der aufbewahrt ist, damit ich Ihn genieße. In 1. Thess 
4, 16 steht geschrieben: „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und mit der 
Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten 
in Christo werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die 
Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden 
in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft, und also werden 
wir allezeit bei dem Herrn sein". Das Glück wird darin bestehen, nicht nur mit Ihm zu herrschen, mit Ihm zu richten 
(obwohl diese Dinge wahr sind), sondern darin, „allezeit bei 
dem Herrn zu sein". Ist diese Verheißung die Freude Eurer 
Herzen? Beglückt Euch der Gedanke, immer bei Ihm zu sein? 
Habt Ihr geschmeckt, daß Er gütig ist, habt Ihr Seine Liebe 
genug empfunden, um sagen zu können: alles, was ich wünsche, 
ist, immer bei dem Herrn zu sein. Ist dieser oder jener Gegenstand, welcher Eure Herzen beschäftigt und gefangennimmt, 
würdig, sie aufzuhalten? Blickt auf Jesum, und Ihr werdet alles 
Übrige fahren lassen können. Wenn ihr seht, wie liebenswürdig Er ist, so werdet ihr lernen, daß nur ein Gegenstand 
Eurer Liebe würdig ist. Von Seiten Christi fehlt das Verlangen 
nicht, uns bei Sich zu haben. Nicht nur wünscht Er es, sondern 
Er will auch, daß wir bei Ihm seien, wie es in Joh 17 ausgesprochen ist. Er will uns bei Sich haben, und man sieht in 
diesem zuletzt angeführten Kapitel, daß die Freude, die wir 
dann mit Ihm genießen sollen, sich jetzt in unserer Liebe verwirklicht, und zwar mit einer geistlichen Einsicht, welche unsere 
Herzen nach der Ähnlichkeit dessen, was geoffenbart ist, 
bildet und sich so auf unseren gegenwärtigen Zustand anwendet. Es ist klar, daß Christus uns jetzt schon Sich ohne 
Flecken darstellen will. Dieser Wille Christi sollte der unsrige 
sein, und wir sollten jetzt schon danach trachten, ohne Flecken 
zu sein, indem wir diese Vollkommenheit durch den Glauben 
im Herzen verwirklichen. Nicht, als ob das Fleisch nicht mehr 
da sei; es ist noch da und wird beim Fortschreiten im christlichen Leben gleichsam noch schlechter sein, weil es angesichts 
eines größeren Lichtes wirkt. Wenn aber der Geist in uns ist, 
so wird es trotz der Kämpfe den Sieg nicht davon tragen. Das 
Herz wird die Sünde nicht mehr lieben. — Man kann nicht aus 
der Abhängigkeit Gottes heraustreten, ohne einen Fall zu tun, 
65 
und eben deshalb sündigt man so oft, obwohl man die Sünde 
nicht mehr liebt. 
„Niemand hat jemals sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern er 
nährt und pflegt es, gleichwie auch der Christus die Versammlung" (V. 29). Er tut also zwei Dinge, Er nährt sie, und Er 
pflegt sie. Die Kirche (Versammlung) ist in einem so elenden 
Zustand, daß man sich fragen möchte, ob Er sie noch nährt und 
pflegt. — Wenn man das betrachtet, was durch die langen Jahrhunderte hindurch aus ihr geworden ist, so sieht man hierin 
einen Beweis der unveränderlichen Liebe Jesu. 
(Was mich betrifft, so habe ich in bestimmter Weise gesehen, 
daß, welches auch das Unvermögen der Kirche sei, die Glieder 
Christi zu pflegen, Er Selbst die schwächste Seele durch alles 
hindurch nährt und pflegt und Sich selbst des Bösen bedient, 
um ihr Gutes zu tun). Es ist unmöglich, daß Er nicht dafür 
sorge, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, und damit Er sie Sich ohne Flecken und tadellos darstelle (Eph 5, 27). Glaubt Euer Herz, daß Jesus Sich in dieser 
Weise mit Euch beschäftigt, daß Er unaufhörlich Euer Wohl 
im Auge hat? .. . Ich fordere Euch auf, daran zu denken. Glaubt 
Ihr, daß in Seinem Herzen keine einzige Bewegung ist, die nicht 
Euer Glück zum Zwecke hat? Wenn Ihr Ihn zu verherrlichen 
wünscht, so bleibt ruhig, friedlich, glücklich, was auch geschehen möge! Vertraut auf Ihn, weil Ihr wißt, daß Güte 
und Huld Euch folgen werden alle Tage Eures Lebens und Ihr 
im Hause Jehovas wohnen werdet auf immerdar (Ps 23, 6). 
Rechnet auf eine Macht, auf eine Liebe, welche diejenigen nährt 
und pflegt, die sie zum Gegenstand hat. Ruhet in dieser Zuversicht in Ihm, in diesem Vertrauen auf Ihn. Erinnert Euch 
daran, daß das Ziel, das Er Euch zeigt, dasselbe ist, das Er Sich 
Selbst vorgesetzt hat, nämlich Euch „ohne Flecken und tadellos 
vor sich hinzustellen", damit Eure Liebe an Ihn sich fessele und 
in Ihm eine überreiche Quelle der Freude finde. Er will daß, 
Ihr schon hienieden Seine lebendige Braut seid. Wünscht Ihr, 
daß es so sei, dann wird die Verwirklichung für Euch nicht 
schwer sein, wenn Ihr auf Jesu blickt. Moses strengte sich nicht 
an, um die Herrlichkeit Gottes wieder von sich ausstrahlen zu 
lassen, es geschah, ohne daß er daran dachte, weil er die Herrlichkeit Gottes angeschaut hatte. Seid versichert, daß wir nichts 
66 
anderes zu tun haben, als Jesum zu betrachten und uns nahe 
zu Ihm zu halten. — Achtet auf die gewöhnlichen Verhältnisse 
des Lebens, von welchen uns die nachfolgenden Verse sprechen: 
Wenn ich Knecht bin und einen bösen Herrn habe, so ist es 
nicht dieser Herr, den ich anschauen soll, sondern Christus; 
Ihm soll ich dienen. Auf diese Weise wird mir alles leicht werden. 
Befleißiget Euch, Christum zu kennen als Den, der Er ist, damit 
die Gnade Euch Ihm ähnlich mache. Die Freude und das Glück 
bestehen darin, unter Seinen Augen und im Genuß der Fülle 
Seiner Liebe zu wandeln. (Nach J.N.D.) 
Auszug aus dem Briefe 
eines englischen Bruders und Arbeiters 
im Werke des Herrn*) 
Mein lieber Bruder im Herrn! 
Ich bin tief bewegt worden durch Erlebnisse, durch die ich 
soeben gegangen bin. Unser Gott und Vater will, daß das 
Zeugnis über Seinen Sohn überall auf der Erde verkündigt 
werde. — Ich habe mehrere Inseln der Antillen besucht, die Holland, Frankreich, Spanien, Portugal und England angehören. 
Auch befindet sich dort eine gewisse Anzahl Deutscher und 
Schweizer. Aber ich frage mich, ob wohl das Evangelium von 
Christo in Einfachheit auf diesen Inseln verkündigt worden 
ist? Es scheint nicht so, obwohl auf einigen von ihnen achtenswerte Christen aus den Hermhutern und ebenso etliche von 
den Wesleyanern sind. 
Was ist zu tun? Ich fühle mich ermutigt durch den Glauben an 
Gott und Seine Gnade, Ihn zu bitten, daß Er Arbeiter für dieses 
Werk senden möge, und indem ich mich erinnere, wie Er 
seinerzeit die Gebete der Seinigen für Frankreich, die Schweiz, 
*) Um diesen Brief vielen Geschwistern schnell zur Kenntnis zu geben, ver= 
öffentlichen wir ihn im „Botschafter" und schließen uns dem Wunsch des Schrei= 
bers an, daß der Inhalt uns alle zur gemeinsamen Fürbitte für die Ausbreitung 
des Evangeliums in der Nähe und Ferne anspornen möge. 
67 
Preußen, Schottland, Irland, England und Amerika beantwortet 
hat, sage ich mit Vertrauen: man wird nicht vergebens für diese 
Inseln beten. 
Ich wünsche, alle diejenigen anzuregen, denen es am Herzen 
liegt, daß das Zeugnis Gottes verbreitet werde — alt oder jung, 
Männer oder Frauen, Engländer, Franzosen oder Deutsche, — 
daß sie sich vereinigen, für diese Sache zu beten. 
Die genannten Inseln sowie Australien, Neu-Seeland, Italien, 
Spanien, Portugal und Ostindien liegen mir am Herzen. Weder 
Sie noch ich können jemanden senden, selbst wenn Brüder 
bereit wären abzureisen; aber wir kennen den Herrn der Ernte, 
und wir können uns auf Ihn verlassen, wenn wir diejenigen 
ermutigen, die sich berufen fühlen sollten, sich diesem Dienst 
hinzugeben. 
Wie wenige gibt es in unseren Tagen, die sich dem Dienst der 
Heiligen widmen (l. Kor 16, 15)! Wie wenige findet man, die 
mit der Schrift sprechen: „Ich habe geglaubt, darum habe ich 
geredet", siehe 2. Kor 4. 13, und „Die Zerstreuten nun gingen 
umher und verkündigten das Wort" (Apg 8, 4). 
Wenn Gott — wie ich hoffe — es ist, der mir diese Wünsche 
ins Herz gegeben hat, so darf ich auch auf Ihn warten und mit 
Seinem Segen rechnen. Es ist Sein Wille, daß der Sohn überall 
gepredigt werde, damit der Geist wirken kann (Offb 22, 14). 
Hat der Herr nicht eine junge Schwester, die Ihm auf diese 
Weise dienen möchte? Es steht geschrieben: „Und der Geist 
und die Braut sagen: komm! Und wen da dürstet, der komme; 
wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst". 
Keine Seele, welche beten kann, kann sagen: „Von meiner Seite 
kann ich nichts für diese Sache tun". Es ist wahr, daß dieser 
Dienst „Männer in Christo" erfordert, und nicht kleine Kinder. 
Aber es gibt Evangelisten, die Proben von ihren Gaben abgelegt haben. Mögen sie darüber nachdenken, was sie darin tun 
könnten. 
Wenn der Herr mir gestattet, nach London zurückzukehren, 
würde es mir Freude machen, unseren Brüdern so viel wie möglich Auskunft zu erteilen. Es ist Glauben nötig, die Reise zu 
unternehmen, und man muß bereit sein, im Notfall, allein zu 
68 
wandeln mit Gott, aber: „Ich bin mit Euch", sagt der Herr, und 
das ist genug für den „Mann des Glaubens". 
Ihr Sie liebender Bruder 
(gez.) G. V. Wigram 
Nur in Jamaica, Barbados und Demerara gibt es Brüder, welche 
die Arbeiter des Herrn aufnehmen könnten. 
Per Vater und der verlorene Sohn 
(Nach einem Vortrag über Lukas 15) 
Es ist köstlich, jemanden zu kennen, der Gott nicht nur in 
Seinen Worten, sondern auch in Seinen Werken und Wegen so 
treffend zu offenbaren vermochte, wie der Herr Jesus. 
Wir mögen — und sicher ist dies von höchster Wichtigkeit — 
die Sünde des Menschen wie auch unsere Sünden als eine Frage 
betrachten, die in dem Licht der Gerechtigkeit vor Gott gerichtet werden muß; aber dennoch bewegt sich Gott in gewissem 
Sinne über allem Bösen und behauptet Sein Recht, indem Er 
zeigt, was Er ist. Es ist gesegnet für uns, daß Gott trotz der 
Sünde Gott sein will. Gott ist die Liebe; und wenn Er Gott sein 
will, so muß Er die Liebe sein, und zwar trotz aller wider Ihn 
erhobener Bedenken und Einwendungen des menschlichen Herzens. Gott will, wenn ich so sagen darf, nach den Gefühlen 
Seines Herzens handeln, indem Er sie ihren Weg in das Herz 
der Menschen finden läßt. Das ist der Grund, daß uns in gewissen Stellen des Wortes Gottes, wie oft wir sie auch betrachten 
mögen, stets eine solche Frische anweht, weil Sich Gott darin 
besonders offenbart. Gott ist unfehlbar; sobald Er spricht und 
Sich offenbart, haben wir stets die ganze Segensfülle Dessen, 
was Er ist. Er Selbst, der hochgelobte Gott, ist es, Der mit Macht 
an unsere Herzen herangetreten ist. Er will in keiner Weise den 
Charakter des Menschen an Sich tragen. Er hat mit der Sünde 
zu handeln und zu zeigen, was sie ist und wie Er sie hinweggetan hat; dennoch will Er über allem und durch alles Sich. 
Selbst offenbaren. Darin nur finden unsere Herzen Ruhe. Wir 
69 
haben das Vorrecht, in dem Hause und an dem Herzen Gottes 
mit uns selbst abgeschlossen zu haben. 
Der Mensch hätte die Offenbarung Gottes in dem Glanz Seiner 
Herrlichkeit nicht ertragen können; darum hüllte Er Sich in die 
Person des Sohnes des Menschen. Er kleidete Sich in Fleisch; 
aber die bösen und herzlosen Schlüsse des verdorbenen Urteils 
des Menschen hatten den Erfolg, daß Er Sich genötigt sah, Sich 
als das, was Er war, als Gott, zu offenbaren. In Seiner Erscheinung als Messias, als der Sohn des Menschen, als der Erfüller des Gesetzes etc. offenbarte Er nicht die ganze Fülle 
Gottes. Der Mensch verwarf, tadelte und mißbilligte beständig 
diese und jene Dinge, mit denen er nicht übereinstimmen konnte; aber durch sein Drängen und Treiben zwang er Christum, 
sich um so völliger als Den zu offenbaren, der Er wirklich war. 
In den Kapiteln, die dieses darstellen, fühlt sich die Seele gefesselt und befindet sich mit rückhaltloser Sicherheit in der 
Gegenwart Gottes selbst — in der Gegenwart der Liebe. Dort 
erlangen wir Ruhe und Frieden. 
Dasselbe finden wir in dem vorliegenden Kapitel. Er war gezwungen, die ganze Wahrheit zu sagen, nämlich daß Gott — 
Gott sein wollte. Wenn Gott — wie es in diesem Gleichnis ausgedrückt ist — das fand, was ihn „fröhlich" machen konnte, 
dann genoß Er trotz aller Einwendungen der Menschen Seine 
eigene Freude — eine Freude, die bei der Begrüßung des verlorenen Sohnes so deutlich zutage tritt. Das ist es aber, was die 
Menschen in Frage stellen. Sie leugnen nicht (ich rede hier 
natürlich nicht von offenbaren Ungläubigen), daß Er die Menschen richten werde; auch stellen sie im allgemeinen nicht in 
Abrede, daß Gott gerecht sei, weil ihr Stolz sie glauben läßt, 
daß sie Ihm auf diesem Boden begegnen können; aber sobald 
Er Sich in Seiner Ihm eigenen, vollen Freude zeigt und offenbart 
was die Freude des Himmels ist, beginnt der Mensch mit seinen 
Einwendungen. Nein, nicht alles darf aus Gnaden sein; in solcher 
Weise darf Gott nicht mit Zöllnern und Sündern handeln! Und 
warum nicht? Nun, was sollte dann aus der Gerechtigkeit des 
Menschen werden? Die Gnade macht nichts aus der Gerechtigkeit des Menschen; „es ist kein Unterschied; denn alle haben 
gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes". Christus 
70 
bezeugte dies durch die Offenbarung des Lichtes, das der 
Mensch haßte. Unmöglich kann der Mensch das ertragen, was 
seinen moralischen Zustand so tief erniedrigt. Es ist das, was 
Gott erhöht und den Menschen erniedrigt. 
Es ist das stete Trachten des Menschen, einen Unterschied zwischen der Gerechtigkeit des einen und des andern Menschen zu 
machen, damit seine Würde ungeschmälert aufrecht erhalten 
bleibe. Man brachte, wie wir in Joh 8 lesen, eine Sünderin zu 
Jesu, die nach dem Gesetz gesteinigt werden mußte und schuldig 
war. Man hoffte, daß Er entweder Seine Barmherzigkeit oder 
Seine Gerechtigkeit verleugnet. Man dachte, Ihn auf diese 
Weise in eine unlösbare Schwierigkeit versetzt zu haben; denn 
sprach Er die Schuldige frei, so übertrat Er das Gesetz Moses; 
gebot Er hingegen ihre Steinigung, so tat Er nichts anderes, als 
was auch Moses getan hatte. Wie aber handelte Er? Er ließ dem 
Gesetz und der Gerechtigkeit vollen Lauf, rief aber den Anklägern zu: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe zuerst 
den Stein auf sie". Jetzt begann das Gewissen in Tätigkeit zu 
treten; ja, das Gewissen — wenn auch nicht, da sie nur um ihren 
guten Namen besorgt waren, in angemessener Weise — erhob 
seine Stimme, und sie entfernten sich aus der Gegenwart des 
Lichtes, weil das Licht offenbar machte, was sie waren, und sie 
als Sünder erwies. Alle — vom Ältesten bis zum Jüngsten — 
gingen hinaus. Derjenige, dessen Ansehen es gestattete, am 
längsten standzuhalten, war froh, der Erste sein zu können, 
um jenem Auge auszuweichen, Dessen Blick alles durchdrang 
und das Verborgenste entdeckte. Alle entfernten sich und ließen 
Jesum mit der Sünderin allein. Er will das Gesetz nicht vollstrecken; denn Er ist nicht gekommen um zu richten, sondern 
sagt: „So verurteile auch ich dich nicht; gehe hin und sündige 
nicht mehr". Das, was hier sichtbar wird, ist nur Liebe. 
„Es nahten aber zu ihm alle Zöllner und Sünder, ihn zu hören; 
und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sagten: 
Dieser nimmt Sünder auf und isset mit ihnen". — Es mag in 
der Tat vielen seltsam erscheinen, daß Christus als Gott geoffenbart im Fleische durchaus keine Notiz von der Gerechtigkeit des Menschen nahm, sondern die Gesellschaft der Zöllner 
und Sünder aufsuchte, wodurch alle sittlich gerechten Begriffe 
der Menschen über den Haufen gestoßen wurden. Aber eben 
71 
hierzu ist Gott gezwungen, weil diese Begriffe der richtigen 
Grundlage entbehren. 
Diese Gleichnisse werden zeigen, in welcher Gesinnung die 
Gnade verworfen ist. Wir finden in ihnen den großen Gedanken, daß Gott Sich geoffenbart hat. Es ist als wollte Er sagen: 
„Stellt euch nach Belieben einen Menschen in dem schlechtesten und lasterhaftesten Zustande vor, einen, der sich durch 
sein Betragen bis zum Schweinehirten heruntergebracht hat. 
Doch hinter all' diesem gibt es ein etwas, das Ich in's Licht zu 
stellen beabsichtige — ein etwas, das eure natürlichen Herzen 
anerkennen sollten, nämlich die Wonne des Vaters bei der Rückkehr eines Kindes. Das Herz des Vaters wird, mag der Zustand 
des Kindes sein, wie er will, Sich Selbst durch Seine eigeneGüte 
rechtfertigen". 
Der Herr Jesus durchschritt die Welt, die sich ihrer Moral 
rühmte, aber fand keine Stätte, wo ein ermüdetes und gebrochenes Herz Mitgefühl und Ruhe finden konnte, um aufgeschlossen und belebt zu werden. Da kam Er, um zu zeigen, 
daß das, was die Welt dem müden Herzen nicht zu geben vermochte, in Gott gefunden werden konnte. Wie gesegnet ist es, 
daß endlich das arme, seiner eigenen Wege und der Welt überdrüssige Herz in der Glückseligkeit des Vaters Ruhe findet. 
Jetzt kann es, was ihm bisher an jedem anderen Platze versagt 
war, nachdem es Gott gefunden, in voller Aufrichtigkeit mit 
demPsalmisten sagen: „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem 
Jehova die Ungerechtigkeit nicht zurechnet, und in dessen Geist 
kein Trug ist" (Ps 32,1. 2)! Solange ich noch fürchte, getadelt zu 
werden, ist Trug im Herzen; sobald ich aber weiß, daß alles 
vergeben und daß mir nichts als Liebe entgegenströmt, kann ich 
vor Gott mein ganzes Herz ausschütten. Das einzige, was die 
Wahrheit im „Innern" hervorbringt, ist die Gnade, die nichts 
zurechnet. In den Worten: „Bei dir ist Vergebung, damit du 
gefürchtet werdest", liegt das Geheimnis der Macht Gottes, die 
Herzen mit Sich in Einklang zu bringen. Es ist ein großer Unterschied zwischen einem Menschen, den man seines Gewissens 
wegen fliehen sieht, und einem, der in Gott das findet, was in 
Wahrheit ein völlig überführtes Gewissen erleichtert und heilt. 
Wir können, wenn wir unter dem Gesetz sind, und seine Ge72 
rechtigkeit anerkennen, es in unserm natürlichen Zustande 
nicht gebrauchen. Wenn ich das Gesetz nehme, um dich damit 
zu schlagen, so töte ich mich selbst; es ist zu scharf, um es zu 
handhaben. Der Mensch, der die Ehebrecherin hätte steinigen 
wollen, wäre selbst gesteinigt worden. „Ich elender Mensch \" 
So bin ich verloren. 
Wir haben in unserm Kapitel drei Gleichnisse. Die Quelle, die 
uns darin gezeigt wird, ist die Liebe. Wir finden dort: 
1. Den Hirten, der das verlorene Schaf suchte. 
2. Das Weib, das die verlorene Drachme suchte. 
3. Der Vater, der den verlorenen Sohn wieder zurückempjhv,. 
In dem letzten Gleichnis handelt es sich nicht um das Suchen, 
sondern um die Art und Weise, wie der zurückkehrende Sohn 
empfangen wurde. Manches Herz sehnt sich, zurückzukehren, 
aber es weiß nicht, wie es empfangen wird. Der Herr Jesus 
zeigt uns die Gnade Gottes zuerst im Suchen und dann im Aufnehmen. In den beiden ersten Gleichnissen haben wir das 
Suchen, in dem letzten die Aufnahme durch den Vater. Ein 
erhabener Grundsatz zieht sich durch alle drei hindurch: es ist 
die Freude Gottes, den Sünder zu suchen und aufzunehmen. 
Er handelt Seinem eigenen Charakter gemäß. Ohne Zweifel ist 
es Freude für den Sünder, aufgenommen zu werden; aber hier 
ist es die Freude Gottes, ihn aufzunehmen. Nicht bloß sollte 
das Kind sich freuen, im Hause des Vaters zu sein, sondern Er 
sagt: „Lasset uns essen und fröhlich sein!" 
Geliebte Freunde! Das ist eine trostreiche Wahrheit. Es ist der 
Ton, den Gott angestimmt hat und der im Himmel in jedem 
Herzen nachklingt. Die von Gott berührte Seite ruft das Echo 
des Himmels wach; und so sollte es hienieden in jedem Herzen 
sein, das durch die- Gnade gestimmt worden ist. Welch' einen 
Mißklang muß daher die Selbstgerechtigkeit hervorbringen! 
Jesus verkündigte die in dieser Weise handelnde Freude und 
Gnade Gottes und stellt dieses in den Gegensatz zu den Gefühlen des älteren Bruders oder — obschon derselbe eigentlich die 
Juden repräsentiert — eines jeden selbstgerechten Menschen. 
Das ist der Ton, der in Liebe vom Himmel herabklingt und den 
wir hienieden im Herzen Jesu entdecken; doch wie süß diese 
73 
Klänge auch sein mögen, so sind sie doch in einem gewissen 
Sinne hier unten noch lieblicher, als dort oben. Hier unten ist 
diese Liebe Gottes (und sie muß es sein, wenn der Mensch 
erreicht werden soll) anbetungswürdig; im Himmel ist sie 
natürlich. Hier auf Erden hat Gott uns geoffenbart, was Er ist 
und daß es Seine Wonne ist, verlorene Sünder zu retten, worin 
die Engel hineinzuschauen begehren. 
Der Hirte legt das Schaf auf seine Schultern und trägt es heim 
mit Freuden. — Hat Gott nicht das Recht, verlorene Sünder zu 
suchen und Sich Zöllnern und Sündern zu nahen? Dieses mag 
einem „ehrbaren" Menschen nicht gefallen; aber es ist Gott 
angenehm; es ist Sein Vorrecht inmitten der Sünde zu wandeln 
und den verlorenen Sündern zu nahen, weil Er sie aus ihrem 
Zustande befreien kann. Der Hirte hat das Schaf auf den Schultern und freut sich; er nimmt dasselbe auf und scheut keine 
Mühe. Es ist gleichsam sein eigenes Interesse, so zu handeln, 
weil das Schaf ihm wert und teuer ist; es ist sein und er bringt 
es heim. Das ist die Darstellung des Hirten. — Und also ist es 
mit „dem großen Hirten der Schafe". Er stellt es als Sein Interesse dar, „zu suchen und zu erretten, was verloren ist". Ja, Sein 
Interesse steigert sich zu dem Gefühl der innigsten Liebe; denn 
Er bringt das Schaf heim mit Freuden. (Dies ist die Stärke und 
Macht der Errettung). Aber wie fängt Er dies an? Wir fordern 
zuweilen die Menschen auf, Christum zu suchen. Nun, in einem 
gewissen Sinne ist das auch richtig; denn es ist wahr, daß „wer 
sucht, der findet". Aber Er hat nicht gesagt: „Kommet zu 
mir"! bevor Er zuerst zu ihnen gekommen war, und zwar um 
„zu suchen und zu erretten, was verloren ist". Er hat dieses 
Wort nicht vom Himmel her gesprochen; denn dorthin konnte 
der Sünder nicht gelangen. Aber eben weil der verlorene Sünder 
nicht zum Himmel gehen konnte, um Christum zu suchen, ist 
Christus auf die Erde gekommen, um ihn zu suchen. Er rief 
nicht dem armen Aussätzigen zu: „Komm herauf in den Himmel", sondern Er kam Selbst hernieder und sagte: „Sei gereinigt". Hätte ein anderer die Hand dem Aussätzigen aufgelegt, 
so würde derselbe ebenso verunreinigt worden sein, wie er 
selbst; aber Christus konnte die Macht des Bösen in dem Aussätzigen berühren, und anstatt von demselben befleckt zu werden, beseitigt Er es. Er sagt: „Kommet her zu mir, alle ihr 
Mühseligen und Beladenen und ich werde euch Ruhe geben"! 
74 
Man findet hier ebensowenig Ruhe, wie die Taube Noahs, die 
inmitten der Sintflut keinen Platz fand, um ihren Fuß darauf 
setzen zu können. „Ich habe die Welt nach allen Seiten hin 
geprüft; sie ist ein Meer voll des größten Übels; kommt zu mir, 
und ihr werdet Ruhe finden". Wer außer Jesum hätte dieses 
sagen können? 
Dann finden wir in dem zweiten Gleichnis noch eine andere 
Sache, nämlich die Beharrlichkeit, mit der diese Liebe das Verlorene sucht. Hier ist nicht ein Schaf, sondern ein Geldstück der 
verlorene Gegenstand. Alles wird angewandt, um das Verlorene wiederzuerlangen. Das Weib zündet ein Licht an; 
sie kehrt das Haus; unmöglich kann sie in der Arbeit 
ihrer emsigen und tätigen Liebe innehalten, bevor die verlorene Drachme wiedergefunden ist. Wiederum handelt es 
sich um ihre Angelegenheit und um ihr Interesse. Und dann 
sehen wir ihre Freude, nachdem ihr Eigentum wiedergefunden 
ist; sie gibt gleichsam allen in ihrer Umgebung den Ton an, und 
andere werden herzugerufen, um Anteil an ihrer Freude zu 
nehmen: „Freuet euch mit mir, denn ich habe die Drachme 
gefunden, die ich verloren hatte". Und das ist die Art und 
Weise des Herrn. So haben wir also in diesem, wie in dem 
vorigen Gleichnis denselben großen Grundsatz. In beiden 
Gleichnissen zeigt sich die ausharrende Tätigkeit der Liebe, bis 
das Resultat erreicht ist. Hier war es die Freude des Weibes, 
dort die des Hirten. Als erster hervorragender Punkt zeigt sich 
hier sowohl die energische Macht und Tätigkeit dieser Gnade, 
als auch der gute Wille. Bei dem Schaf, wie bei der Drachme 
herrschte volle Untätigkeit. Der Hirte und das Weib verrichteten alles. Zwar zeigt sich zu gleicher Zeit ein höchst wichtiges 
Werk — eine Wirkung, die in dem Herzen dessen hervortritt, 
der von seinem falschen Weg zurückgeführt ist. Darum hören 
wir das dritte Gleichnis, das uns sowohl die Gefühle des Verirrten, als auch seine Aufnahme zeigt. Wir haben hier mit 
einem Wort nicht nur die Art und Weise des inneren Wirkens, 
sondern auch eine Kundgebung des Herzens des Vaters. Nicht 
der Wert, den der Wiedergefundene auf diese Liebe legt, sondern die Kundgebung des Vaterherzens Selbst befriedigt alle 
Seine Gedanken. Hier gilt die einfache Tatsache, daß der Vater 
ihm um den Hals fiel und ihn sehr küßte; und dieses zeigte 
ihm, was in Diesem Herzen ist. 
75 
Der Herr führt hier einen Fall an, durch den Er den Einwürfen 
der Pharisäer gegen Seine Aufnahme der Zöllner und Sünder 
begegnet. Er sagt gleichsam: Ich will den Fall setzen, ein 
Mensch sei bis (man muß sich erinnern, was das Schwein für 
den Juden war) zum Schweine hüten heruntergekommen. Stellen wir ihn so schlecht, so unwürdig als nur möglich uns vor. 
und dann will Ich euch zeigen, was Gnade — was Gott ist. Doch 
merkt euch, daß, ob wir dem Laster fröhnen oder nicht, wir 
alle Gott den Rücken gewandt haben. Der verlorene Sohn war 
damals, als er noch im Besitze seines Vermögens, die Türschwelle seines Vaters überschritt, ein ebenso großer Sünder 
als hernach, da er sich wie die Schweine im fernen Lande 
nährte; er wollte unabhängig von Gott handeln, und das ist 
Sünde. Er erntete ohne Zweifel die Früchte seiner Tat; aber 
darum handelt es sich nicht. In gewissem Sinne waren die 
Folgen seiner Sünde Wohltaten für ihn; denn sie zeigten ihm, 
was Sünde war. 
Aber der Mensch macht Unterschiede zwischen Sündern und 
Sündern. Darum wählt der Herr einen Fall, bei dem der Sünder 
nach menschlichem Urteil den höchsten Grad des Bösen erreicht 
hat, indem Er zugleich zeigt, daß trotzdem dieses Böse nicht 
über die Gnade Gottes hinausreicht. Dieser Fall stellt in wunderbarer Weise die Wahrheit ans Licht, daß da, „wo die Sünde 
überströmend geworden, die Gnade noch überschwenglicher 
geworden ist". Dieser junge Mann ging weg (V. 13), um seinen 
eigenen Willen zu tun; das ist der Ursprung aller unserer 
Sünden. Unser Kind sündigt wider uns, und wir fühlen es; 
wir sündigen wider Gott und fühlen es nicht. Wir sind alle 
große Kinder. 
„Und daselbst vergeudete er sein Vermögen, indem er ausschweifend lebte". So wie jemand, der über seine Verhältnisse 
lebt, den Schein des Reichtums zur Schau trägt, so scheint auch 
der seiner Seele schadende Sünder glücklich zu sein. „Als er 
aber alles verzehrt hatte, ward eine große Hungersnot in jenem 
Lande; und er selbst fing an, Mangel zu leiden. Und er ging hin 
und hängte sich an einen Bürger jenes Landes, und er schickte 
ihn auf seine Äcker, Schweine zu hüten. Und er begehrte seinen 
Bauch zu füllen mit den Trabern, welche die Schweine fraßen; 
76 
und niemand gab ihm" (V. 14—16). In fernem Lande ist das 
„Geben" nicht üblich. Satan verkaufte alles, und zwar sehr 
teuer; — unsere Seelen sind der Preis. Wenn ihr euch dem Teufel verkauft, so werden Traber eure Speise sein; er wird euch 
nie irgend etwas anderes geben. Wünscht ihr einen Geber zu 
finden, dann müßt ihr zu Gott kommen. Die Herzen finden 
es nicht leicht in der Welt; man überlasse einen Menschen nur 
etliche Stunden sich selbst, und er wird bald darben. „Und er 
fing an Mangel zu leiden"; aber sein Wille war noch nicht 
getroffen. Es gibt wenige Herzen, die, nachdem sie eine gewisse 
Lebensstufe erreicht, nicht „anfingen, Mangel zu leiden". Sie 
suchen in den Vergnügungen oder im Laster etwas zu ihrer 
Befriedigung. Das Letzte, woran der Mensch denkt, ist Gott; 
und zwar erst dann, wenn er überzeugt ist, daß nichts anderes 
helfen wird. Er denkt nicht an das Haus des Vaters, denn er 
kennt es nicht. Wenn er je an Gott denkt, so ist es Gott im 
Gericht, nicht aber in Gnade. So war es bei dem verlorenen 
Sohne. 
„Als er aber zu sich seihst kam, sprach er: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluß an Brot; ich aber komme 
hier um vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem 
Vater gehen, und ich will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, 
dein Sohn zu heißen; mache mich wie einen deiner Tagelöhner" 
(V. 17—19). Er hatte noch nicht verstanden, wie seine Aufnahme sein würde, wohl aber, daß Liebe in diesem Hause zu 
finden war. Der geringste Tagelöhner hatte Überfluß an Brot; 
und in betreff seiner selbst erkannte er nicht bloß, daß er 
hungrig war, sondern auch, daß er vor Hunger umkam. Dort 
herrschte völliges Glück; sogar die Tagelöhner waren glücklich, 
während da, wo er sich befand, alles zur Neige gegangen war. 
Die Not seiner Lage — alles drängt ihn zur Rückkehr. „Ich 
will mich aufmachen". Jede Seele, die zu Gott zurückkehrt, 
rechnet auf diesem Wege mit der Güte Gottes. 
Bei Petrus finde ich dasselbe. Er geht hin und fällt zu den 
Füßen Jesu und sagt: „Gehe von mir hinaus, denn ich bin ein 
sündiger Mensch, Herr". Welch' ein Widerspruch! Er liegt zu 
Jesu Füßen und heißt Ihn dennoch hinauszugehen. Und dieser 
scheinbare Widerspruch zeigt sich stets, wenn die Gnade in dem 
77 
Gewissen und Herzen zu wirken beginnt. Wir fühlen, daß wir 
Gott nötig haben; und doch sagt das Gewissen: „Ich bin zu 
sündig"! Petrus fühlte seine Unwürdigkeit; er fühlte, daß 
Jesus zu heilig, zu gerecht sei, um bei einem solchen, wie er 
war, verweilen zu können; und dennoch konnte er nicht anders 
als zu Ihm zu gehen. 
Der verlorene Sohn kehrt zurück und sagt: „Vater, ich habe 
gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr 
würdig, dein Sohn zu heißen". Er verstand nicht, was sein 
Vater — was ein Vaterherz war. Es zog ihn zu dem Hause des 
Vaters; aber sein Gedanke blieb stets: „Mache mich wie einen 
deiner Tagelöhner". Im Bewußtsein dessen, was er gewesen, 
und des Bösen, in welches er sich verstrickt hatte, setzte er nur 
ein geringes Maß von Liebe beim Vater voraus; er hoffte, die 
Stellung eines Tagelöhners einnehmen zu können. Es gibt in 
diesem Zustand eine Menge von Seelen, die (ich rede nicht von 
ausgeprägter Selbstgerechtigkeit) das, was der Vater zu lur. 
hat, nach ihrer eigenen Tauglichkeit abmessen; sie haben stets 
noch Überreste von Gesetzlichkeit, die ihnen einen Platz als 
Tagelöhner im Hause anweist. 
„Mache mich wie einen deiner Tagelöhner". Allein das genügt 
dem Vater nicht, wenn es auch dem Sohne genügen würde; es 
würde das Herz des Vaters beständig mit Betrübnis erfüllen, 
wenn er einen Sohn als Tagelöhner im Hause hätte. Und wo 
wäre für den Tagelöhner im Hause der Beweis für die Liebe 
des Vaters? Nein, der Vater kann nicht Söhne als Tagelöhner 
im Hause haben. Wenn Seine grenzenlose Liebe sie hineinbringt, so muß der Empfang Seiner Vaterliebe würdig sein. Der 
verlorene Sohn war noch nicht zu völliger Demut geführt, um 
zu fühlen, daß, wenn ihm nicht unumschränkte Gnade zuteil 
werde, er nichts zu erwarten habe. 
Doch der Vater läßt ihm nicht einmal Zeit, um zu sagen: 
„Mache mich wie einen deiner Tagelöhner". Er läßt ihn sagen: 
„Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin 
nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen"; — aber weiter nichts; 
denn Er hängt an seinem Halse und küßt ihn. Wie hätte der 
Sohn noch sagen können: „Mache mich wie einen deiner Tagelöhner", nachdem die Umarmung des Vaters das Bewußtsein 
geweckt hat, daß er Sohn war? 
78 
Das Urteil des verlorenen Sohnes über den Vater wird jetzt 
aus dem, was dieser wirklich ist, und nicht aus der selbst gebildeten Vorstellung geschöpft. Der eine war Vater, wenn der 
andere sich auch nicht als Sohn fühlte. Und auf diesem Wege 
empfangen wir das Evangelium der Gnade Gottes. Es ist nicht 
das Wirken des menschlichen Verstandes betreffs dessen, was 
ich vor Gott bin, sondern eine durch den Heiligen Geist bewirkte Offenbarung betreffs dessen, was der Vater für mich 
ist. Wenn Er aber Vater ist, so bin ich Sohn. 
Ich verweile hierbei, weil ich weiß, daß es viele Seelen gibt, die 
sozusagen nicht völlig den Geist der Kindschaft empfangen 
haben, indem sie weder wissen, daß sie als Söhne im Hause des 
Vaters sind, noch ihre Ruhe in der ihres Vaters finden. Man 
betrachte noch einmal die Art der Aufnahme des verlorenen 
Sohnes. Sein Sinn war erneuert und er sagte: „Ich will mich aufaufmachen etc.". Aber „als er noch fern war", und bevor er 
das väterliche Haus erreicht hatte und die sich vorgesetzten 
Worte sagen konnte, erblickte ihn der Vater und ist innerlich 
bewegt. Der Pfad des Sohnes endet jetzt in der Liebe des 
Vaters; der Vater eilt ihm entgegen, fällt ihm um den Hals und 
küßt ihn. Dem Sohn bleibt nichts übrig als das Bekenntnis 
seiner Unwürdigkeit. Nachdem er wieder aufgenommen, ist 
es gewissermaßen uns überlassen, im Blick auf das Tun des 
Vaters zu erkennen, welches Seine Gedanken und Gefühle sein 
mochten. 
Hier zeigt sich völlig der Wert der Errettung. Es bleibt uns 
anheimgestellt zu erforschen, was wir in der Liebe des Vaters 
sind. Der Vater hängt an dem Halse des Sohnes, während 
dieser noch in die Lumpen des fernen Landes gehüllt ist. Der 
Vater hält sich nicht damit auf, ihn um irgend etwas zu fragen, 
er wußte und die ganze Erscheinung des Sohnes bezeugte alles. 
Aber hier handelte es sich nicht um die Würdigkeit des Sohnes. 
Der Vater handelt für Sich Selbst, wie es Seiner als eines 
Vaters würdig ist. Er hängt an dem Halse Seines Sohnes, weil 
es Ihm gefällt, dieses zu tun. 
Doch er tut noch etwas anderes. Die Knechte werden herbeigerufen, um den Sohn in würdiger Weise in das Haus einzuführen, wo alles bereitet wird, um „zu essen und fröhlich zu 
79 
sein". Es ist die Erkenntnis der Liebe des Vaters, die mich 
fühlen läßt, was ich bin. Aber wenn ich weiß, daß meine Sünden vergeben sind, und daß ich mich in den Armen meines 
Vaters befinde, dann bin ich, je mehr ich meine Sünden erkenne 
und zugleich die Liebe des Vaters genieße, um so glücklicher. 
Vorausgesetzt, ein Kaufmann hätte Verbindlichkeiten, die er, 
wie er selbst weiß, nicht erfüllen kann — würde er nicht mit 
Furcht seine Bücher durchblättern? Aber wenn irgendein Freund 
die Schuld bezahlt hätte, und er, nachdem alles bezahlt ist, noch 
ein großes Vermögen übrig bleibt, würde er sich auch dann 
noch scheuen, die Aufstellung seiner frühern Schulden anzuschauen? Keineswegs; vielmehr würde die Erinnerung an 
die Größe seiner alten Verpflichtungen nur das Bewußtsein 
der Liebe seines Freundes erhöhen. Wenn er fände, daß seine 
Schuld statt 1000 Mark 10 ooo Mark betragen habe, würde er 
sicher sagen: „Da bin ich ja aus einer schlimmeren Lage befreit, 
als ich dachte". Und wenn sich endlich nach weiterer Prüfung 
die bezahlte Schuld auf 100 ooo Mark erhöhte, so würde er 
sicher ausrufen: „Wahrlich, es gibt keinen Freund gleich diesem 
Freunde". Die Gnade hat alles getilgt; und die Erkenntnis der 
Sünde dient, wenn wir die Vergebung kennen, nur dazu, die 
Liebe zu erhöhen und die Freude zu mehren. Wenn der Vater 
mich küßt, so beweist gerade das Bewußtsein, daß Er dieses 
tut, während ich noch in den Lumpen bin, welch' einer Vergebung ich mich erfreue. Jeder in der ganzen Welt, sieht, bevor 
der Vater an meinem Halse hing, nur meine Lumpen. 
„Der Vater aber sprach zu seinen Knechten: Bringet das beste 
Kleid her und ziehet es ihm an, und tut einen Ring an seine 
Hand und Sandalen an seine Füße, und bringet das gemästete 
Kalb her und schlachtet es, und lasset uns essen und fröhlich 
sein" (V. 22. 23). Gott erweist Seine Liebe gegen uns als arme 
Sünder; aber dann bekleidet Er uns mit Christo. Er bringt uns 
in das Haus, wo die Knechte sind, mit nichts Geringerem als 
all' der Ehre, mit der Er uns überhäufen kann. Seine Liebe 
heißt uns willkommen, während wir noch in Lumpen sind. Aber 
hier handelt dieselbe Liebe in anderer Weise. Er führt uns in 
Sein Haus, um uns dort zu haben im Blick auf den Wert, den 
der Sohn für den Vater hat. Wir finden hier das gemästete 
Kalb, das beste Kleid, den Ring und das Festmahl. Die Mei80 
nung des Vaters war, daß Sein Sohn dieser Dinge würdig ist, 
und daß es Seiner Selbst würdig sei, sie ihm zu geben. Wie 
wenig hätte es sich eines in Gnaden handelnden Vaters geziemt, den Sohn als Knecht im Hause zu behalten! Manche 
mögen den Wunsch, Knecht im Hause zu sein, für Demut 
halten. Aber dies verrät nur ihre Unkenntnis von der Gesinnung des Vaters. Ich lese die Worte: . . . auf daß er den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade in Güte gegen uns erwiese in Christo Jesu" (Eph 2, 7). Wenn man nun von diesem 
Wort aus die Gesinnung und Gnade des Vaters anschaut, 
würde es dann Seiner würdig gewesen sein, uns mit einer beständigen Erinnerung an unsere Sünde und Schande, an unsere 
frühere Unehre und Erniedrigung in das Haus des Vaters geführt zu haben? Und würde es des Vaters würdig gewesen sein, 
wenn ein Gefühl der Scham — die geringste Spur aus dem 
„fernen Lande" zurückgeblieben wäre? Sicher nicht. „Die den 
Gottesdienst Übenden haben einmal gereinigt, kein Gewissen 
mehr von Sünden". Der Zustand dessen, der einen Platz im 
Hause Gottes findet, muß Gottes würdig sein. Vielleicht mögen 
unsere elenden, ungläubigen Herzen sagen: „Ach, das wird 
ganz wahr werden, wenn wir einmal dort — wirklich droben im 
Vaterhause sind". Doch fragen wir uns: „Was sagt der 
Glaube"? Der Glaube urteilt, wie Gott urteilt. Ich sehe die 
Sünde im Licht der Heiligkeit Gottes. Ich richte sie gerade, wenn 
ich ihre Feindschaft gegen Gott erkenne, und auch wie sehr 
ich mich gegen Ihn schuldig gemacht habe. Auch lerne ich die 
Gnade in dem Herzen meines Vaters kennen. „Wer da glaubt, 
versiegelt, daß Gott wahrhaftig sei". Der Glaube allein gibt 
Sicherheit, nicht die Vernunft. Diese mag für die Dinge dieser 
Welt ihren Wert haben; aber wenn Gott spricht, nimmt es der 
Glaube an. Der Glaube hält das, was Gott sagt, nicht etwa nur 
für möglich, sondern drückt sein Siegel darauf, daß Gott wahrhaftig ist. Im Besitz dieses Glaubens bin ich von der Wahrheit 
Seiner Worte und Werke so völlig überzeugt, als ob ich bereits 
im Himmel wäre. „Abraham glaubte Gott"; (nicht an Gott, 
obwohl auch das der Fall war) er glaubte, daß das, was Gott 
sagte, wahr ist. Und das sollten wir stets tun. Gott glauben, 
nimmt den ersten Platz ein. Was sagt Er mir, wenn ich an 
Seinen Sohn glaube? — Daß meiner Sünden und meiner Gesetzlosigkeiten nicht mehr gedacht werde; ich glaube es und 
81 
glaube, daß ich das ewige Leben habe; es ist Sünde, daran zu 
zweifeln. Wenn ich nicht glaube, was Gott mir versichert, begehe ich ein Unrecht gegen Ihn. Es ist Sünde, wenn ich mich 
nicht als Sohn betrachte, und wenn ich nicht glaube, daß ich, 
durch das Blut des Lammes von jedem Flecken der Sünde gereinigt, vor Gott stehe. Der Glaube ergreift es. Wenn es sich 
um meine eigene Gerechtigkeit handelte, so könnte sie nie bestehen; aber es handelt sich um das Blut des Lammes. Und 
was hat dieses Blut getan? Hat es mich nur zur Hälfte von 
meinen Sünden gereinigt? Die Frage ist: Welchen Wert hat 
dieses Blut vor Gott? Glaubt ihr, daß Gott die Wirkung des 
Blutes in irgendeiner Weise beschränke? Sicher nicht; vielmehr 
versichert Er uns in Seinem Worte: „Das Blut Jesu Christi 
reinigt von aller Sünde". Und ferner: „Welcher selbst unsere 
Sünden an seinem Leibe auf das Holz getragen hat". Ist hier 
nur von etlichen unserer Sünden die Rede? Nein, es heißt: 
„Unsere Sünden". Wenn nun meine Seele einerseits den Wert 
des Blutes des Lammes vor Gott kennt, so weiß ich andererseits, daß ich die Quelle von allem in der Liebe des Vaters zu 
suchen habe. An dieser Liebe zu zweifeln, wäre höchst tadelnswert, wie es auch dem verlorenen Sohne, während der Vater 
ihn küßte, übel angestanden hätte, zu sagen: „Ich trage aber 
noch die Lumpen aus fernem Lande an mir". Dachte er wohl 
in diesem Augenblicke an seine Lumpen, als das, was die im 
Herzen seines Vaters wohnende Liebe nicht zum Ausdruck 
bringen könnte? Wenn ich das Zeugnis höre, das Christus, gezwungen durch die Selbstgerechtigkeit der Pharisäer, ablegt, 
nämlich, was Gott mir gegenüber als Sünder ist, dann müssen 
angesichts einer solchen Gnade alle Zweifel des menschlichen 
Herzens zum Schweigen gebracht sein. 
Aber sollte jemand unter uns wohl zu behaupten wagen, daß 
die göttliche Gnade die Sünde erlaube? Nun ein solcher möge 
sein Urteil in der Gesinnung des altern Bruders lesen, aber 
zugleich auch sehen, wie die Gnade zu ihm redet. „Sein Vater 
aber ging hinaus und drang in ihn" (V. 28) — der nicht nur 
verloren, sondern auch elend war, indem er die allgemeine 
Freude nicht teilte. Die Knechte verkündigten in freudigem 
Ton: „Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wieder erhalten 
82 
hat" (V. 27). Alle nahmen Teil an der Freude, nur einer nicht; 
— und wer ist dieser eine? Der Mensch, der mit seinem „Ich" 
und seiner eigenen Gerechtigkeit beschäftigt war; deshalb „ging 
der Vater hinaus und drang in ihn". 
Habt acht, daß eure Herzen beim Anblick der einem Sünder 
erwiesenen Liebe und Gnade Gottes nicht mit Bitterkeit erfüllt 
werden. Der ältere Bruder „wollte nicht hineingehen", wiewohl 
der Vater ihm die Erklärung gibt: „Es geziemte sich aber fröhlich zu sein und sich zu freuen; denn dieser, dein Bruder, war 
tot und ist wieder lebendig geworden, und war verloren, und 
ist gefunden worden" (V. 32). Er blieb draußen; er teilte 
weder das Glück, noch die Freude, sondern zeigte ein Widerstreben des Herzens gegen die Reichtümer der Gnade des 
Vaters. 
Kennt ihr Gott in dieser Weise? Ihr wünscht auch euch selbst 
zu kennen. Nun, dies ist in der Tat gut; aber stellt deshalb 
nicht das Herz Gottes in Frage. Wie kann ich dieses Herz 
kennen lernen? Etwa dadurch, daß ich in mein eigenes Herz 
schaue? Keineswegs. Nur die Gabe Seines Sohnes gewährt mir 
diese Kenntnis. Der Gott, mit dem wir zu tun haben, ist der 
Gott, der Seinen Sohn für Sünder hingab; und wenn wir dies 
nicht erkennen, dann erkennen wir ihn ganz und gar nicht. Laßt 
uns nicht zu Gott sagen: „Mache uns, wie einen deiner Tagelöhner". Der Dienst muß aus der Erkenntnis Seiner Selbst hervorgehen. Messet nicht die Güte Gottes nach euren eigenen 
Herzen. Unsere Herzen zeigen stets eine starke Neigung, zur 
Gesetzlichkeit zurückzukehren und dieses als Demut zu betrachten. Die einzige, wahre Demut, die einzige Kraft und 
Segnung besteht darin, daß wir unser Ich in der Gegenwart 
und Segnung Gottes zur Seite stellen. Die Demut besteht nicht 
darin, daß wir schlecht von uns denken, wozu uns ein demütigender Vorfall gebracht haben mag, sondern wir haben das 
Vorrecht, uns selbst zu vergessen in der Offenbarung der Liebe 
unseres Gottes und Vaters, Der für uns die Liebe ist. 
Der Herr gebe euch, daß ihr als Sünder durch Jesum Gott erkennen möget, der sich also in Liebe geoffenbart hat! — 
83 
Simon Petrus oder die gesichtete Seele 
Geliebte Freunde! Es ist ein köstliches Vorrecht, auf den Herrn 
blicken zu können; denn müßten wir die Augen stets auf uns 
selbst richten, so würden wir nicht nur keine Fortschritte machen, sondern auch bald wegen des in uns wohnenden Bösen 
ganz entmutigt sein, indem es gerade die Beschäftigung mit 
dem Bösen in uns ist, die uns zur Überwindung desselben 
jeglicher Kraft beraubt. 
Es ist wichtig, die Natur des Fleisches und die Verblendung des 
menschlichen Herzens zu erkennen sowie den Lauf der Gedanken zu verfolgen, welche, selbst in der Nähe des Herrn, in 
uns das Bewußtsein der Dinge rauben, die unsere Herzen in 
Anspruch nehmen sollten, und deren Wirkungen um uns her 
fühlbar sind. Dieses sehen wir in der vor uns liegenden Betrachtung. 
Der Herr Jesus war im Begriff, Sein unvergleichliches Werk 
zu vollbringen und den letzten Schritt zu tun, um den Zorn 
Gottes für uns arme Sünder auf Sich zu nehmen. Er befand 
sich in Umständen, die geeignet waren, die Herzen Seiner 
Jünger zu erschüttern. Soeben hatten sie noch bei Gelegenheit 
des Passahmahles die rührendsten Worte aus Seinem Munde 
vernommen; und dort war ihnen sogar angekündigt worden, 
daß einer von ihnen Ihn überliefern würde. Das alles hätte vor 
ihren Augen sein und ihre Herzen erfüllen sollen; aber statt 
dessen streiten sie miteinander, wer von ihnen für den größten 
zu halten sei. Für uns, die wir diese Geschichte lesen, ist der 
Schleier gelüftet; und weil wir wissen, um welche ernste Sache 
es sich in jenem Augenblicke handelte, so können wir es kaum 
begreifen, wie die Jünger sich damals mit solchen Dingen beschäftigen konnten. Und dennoch, wie viele Dinge können auch 
uns, obwohl wir uns eines größeren Maßes von Licht erfreuen, 
von dem ablenken, was das Herz Jesu beschäftigte! Ja, so ist 
das menschliche Herz angesichts der ernstesten und feierlichsten Ereignisse. Ach! der Tod Jesu übt auf uns oft eine ebenso 
geringe Macht aus wie auf die Jünger. 
84 
Der Herr ist unter uns, wenn wir zu zwei oder drei in Seinem 
Namen versammelt sind, aber wir wissen alle, welch eine Kette 
von Gedanken dann unseren Geist durchzieht. Die Jünger 
geben hierfür einen Beleg, und zwar unter Umständen, die 
ganz und gar geeignet waren, das Herz zu bewegen. Er teilt 
ihnen mit, daß Er auf dem Punkte stehe, Sein Blut für sie zu 
vergießen; und Seine Worte: „Die Hand dessen, der mich überliefert, ist mit mir über Tische; und des Menschen Sohn geht 
zwar dahin, wie es beschlossen ist; wehe aber jenem Menschen, durch den er überliefert wird" (Lk 22, 21. 22), wecken 
bei ihnen die Frage, wer unter ihnen diese Tat wohl begehen 
möchte. Man hätte voraussetzen müssen, daß sie sich jetzt ausschließlich mit dem Tode ihres guten Herrn beschäftigen würden; aber statt dessen „ward ein Streit unter ihnen, wer von 
ihnen für den größten zu halten sei" (V. 24). Ach! geliebte 
Freunde, wenn wir unser eigenes Herz erforschen, so finden 
wir gar oft zwei nebeneinanderstehende Dinge, nämlich in 
diesem Augenblicke solche Gefühle, die in der Tat von unserer 
Liebe zu Jesu zeugen, und dann vielleicht wieder in der nächsten halben Stunde solche Neigungen, die nicht besser als jene 
Streitigkeiten der Jünger sind. Dieses zeigt uns die Torheit und 
Eitelkeit des menschlichen Herzens, ähnlich dem Staube, der 
sich an die Waage hängt. 
Der Herr, stets voll Langmut und Milde, vergißt sich selbst, um 
Sich mit Seinen Jüngern zu beschäftigen, indem Er sagt: „Der 
Größte unter euch sei wie der Jüngste, und der Leiter wie der 
Dienende" (V. 26). Auch benutzt Er diese Gelegenheit, um 
ihnen durch Sein eigenes Beispiel die Größe der Liebe, Gnade 
und Treue Gottes verständlich zu machen. Was hatten sie nötig, 
sich zu erhöhen, da doch Sein Vater ihre Erhöhung in die Hand 
genommen hatte. „Ihr seid es, die mit mir ausgeharrt haben in 
meinen Versuchungen; und ich verordne euch ein Reich, gleich 
wie es mir mein Vater verordnet hat, damit ihr esset und trinket an meinem Tische in meinem Reiche und auf Thronen 
sitzet, richtend die zwölf Stämme Israels" (V. 28—30). Anstatt 
dieses scheußliche Benehmen der Jünger mit harten Worten 
zu rügen, zeigt Er ihnen, daß, wenn sich bei den Menschen 
keine Gnade findet, doch in einem Menschen, und zwar in Ihm, 
diese Gnade zu finden sei. In Jesu offenbart sich dieselbe voil85 
kommen; und sie ist der Grund, auf welchen Er die Jünger 
trotz ihres traurigen Benehmens stellt und dadurch die Torheit 
des unter ihnen wirkenden Fleisches ins Licht setzt. Es ist, als 
hätte Er gesagt: „Ich habe nur Gefühle der Gnade für euch 
und vertraue euch das Reich". — 
Geliebte Freunde! Auch wir sind unter die Gnade gestellt; und 
sie versichert uns, daß wir trotz unserer Schwachheit mit Jesu 
ausgeharrt haben; und Jesus gibt uns das Reich, wie es Ihm 
der Vater gegeben hat. Allein ebenso nötig ist es, daß der, 
welcher sich dieses Genusses erfreuen soll, geübt werde. Der 
Mensch muß sehen, was das Fleisch ist; und dieses macht die 
vielen Prüfungen, die wir durchzumachen haben, notwendig. 
Aber Jesus, weil wir Ihm angehören, bewirkt unser Ausharren. Wenn Er zu Seinen Jüngern sagt: „Ich verordne euch 
ein Reich; und ihr werdet, richtend die zwölf Stämme Israels, 
auf Thronen sitzen", so zeigt Er ihnen auch andererseits, was 
das Fleisch ist. 
„Simon, Simon! Siehe, der Satanas hat euer begehrt, euch zu 
sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, auf daß 
dein Glaube nicht aufhöre" (V. 51). Der Herr sagt nicht zu 
dem Jünger: „Du wirst nicht versucht werden; denn ich werde 
Satan verhindern, dich zu sichten". O nein, vielmehr sieht man 
hier, daß Gott oft Seinen Kindern gegenüber den Feind wirken läßt, ohne ihn zu vernichten; aber er wacht angesichts 
dieses Feindes über die Seinigen. Dieses finden wir deutlich in 
Offb 2, 10, wo wir die Worte lesen: „Siehe, der Teufel wird 
etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr geprüft 
werdet . . . Sei getreu bis zum Tode, und ich will dir die Krone 
des Lebens geben". 
Petrus hätte wohl zu Jesu sagen können: „Du wirst schon 
Sorge tragen, daß mir dieses nicht widerfährt". Ebenso dachten 
auch Martha und Maria, daß Jesus den Tod des Lazarus hätte 
verhindern können. Und sicher liegt es außer jedem Zweifel, 
daß Er, Der die Krone des Lebens geben kann, uns auch vor 
jeder Versuchung zu bewahren vermag; allein Er tut es nicht, 
damit wir geprüft werden. So hatte Satan auch den Hiob zu 
sichten begehrt, und Gott erlaubte es ihm. — In gleicher Weise 
86 
geschieht es auch mit uns. Oft fragen wir: „Warum hat mich 
Gott dieser oder jener Trübsal ausgesetzt? Warum muß ich in 
diesen oder jenen Schmelztiegel?" — Antwort: Satan hat es begehrt, und Gott hat es ihm erlaubt. Sicher geschehen oft Dinge, 
von denen wir uns keine Rechenschaft zu geben vermögen; 
aber jedenfalls ist es ihre Bestimmung, uns aufzudecken, was 
das Fleisch ist. 
Wenn Gott Sich eines Christen für Sein Werk bedienen will, so 
nimmt er den, welcher in der Prüfung am weitesten vorgerückt 
ist. Dieses ist hier der Fall. Obwohl Er durch die Worte: „Satan 
hat euer begehrt, euch zu sichten", allen die Gefahr vorgestellt, 
so wendet Er Sich doch nur an Petrus, indem er sagt: „Ich habe 
für dich gebetet". Er unterscheidet ihn von allen anderen, weil 
er weiter vorgerückt und deshalb auch, obwohl beim Tode Jesu 
alle gesichtet wurden, am meisten der Versuchung ausgesetzt 
war. Ja, keinem der Jünger sollte die Sichtung erspart werden; 
aber die an Petrus gerichteten Worte: „Und bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder" (V. 32), zeigen deutlich, 
daß d'eser Jünger am meisten der Prüfung ausgesetzt werden 
sollte und darum auch am fähigsten sein würde, seine Brüder 
zu stärken. Wie wenig kannte er vor der Versuchung sein 
Fleisch! Dieses zeigt uns sein Selbstvertrauen, welches ihn die 
Worte sagen läßt: „Herr, mit dir bin ich bereit, auch in Gefängnis und Tod zu gehen". Er aber sprach: „Ich sage dir, Petrus, 
der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet 
hast, daß du mich kennest" (V. 33, 34). 
In dem Augenblick, wo das Fleisch in Petrus wirksam war, 
hatte es nur Kraft, ihn bis zur Prüfung zu bringen; aber kaum 
beginnt diese Prüfung, so verleugnet Petrus den Herrn in Seiner nächsten Nähe. Wäre das Herz des armen Jüngers nicht von 
seinem Heilande abgewandt gewesen, so hätte er Ihn sehen 
können. Jesus sah ihn; aber dennoch verleugnet Petrus seinen 
Herrn mit den Worten: „Ich kenne ihn nicht". Er war gewarnt 
worden, aber der Herr erlaubte nicht, daß die göttliche Macht 
ihn bis zu jenem Augenblicke bewahre, weil er erfahren sollte, 
was er in sich selbst war. 
Wenn man auf alles, was Christus getan hat, seinen Blick richtet, so wird man bald finden, daß Er während der ganzen 
&7 
Dauer dieser Prüfung in Gnaden und mit großer Sorgfalt über 
den Jünger wachte. Ja, Seine Gnade ging demselben voraus; 
denn noch ehe die Versuchung kam, hörten wir die Worte: „Ich 
habe für dich gebetet". — Es war nicht die Reue Petri, die zur 
Fürbitte Jesu Veranlassung gab, sondern vielmehr war es die 
Fürbitte Jesu, welche die Reue in dem Herzen des Jüngers hervorrief. Er hatte für ihn gebetet und „Jesus blickte den Petrus 
an". Judas hatte den Herrn überliefert und als sein Gewissen 
berührt wurde, machte er seinem Leben durch Selbstmord ein 
Ende. Bei Petrus aber offenbart sich die Wirkung des Gebets 
darin, daß er im Grunde seines Herzens den Glauben bewahrte, 
und, sobald Christus ihn anblickte, Tränen der Reue vergoß. 
„Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an . . . Und 
Petrus ging hinaus und weinte bitterlich" (V. 61, 6z). Also 
handelt der Herr auch mit uns. Er betet für uns und läßt uns 
der Versuchung entgegengehen. Wenn Er uns zu derselben 
führt, so fordert Er uns zwar zur Wachsamkeit und zum Gebet 
auf, „damit wir nicht in die Versuchung hineingehen", aber 
Gott erlaubt alles disees und hat Seine weisen Absichten dabei. 
Hätte Petrus das Gefühl seiner Schwachheit gehabt, so würde 
er sich sicher nicht in die Nähe der Priester gewagt haben. Er 
kam in diese Trübsal, weil sein Fleisch wirksam war; aber Gott 
wollte ihn gebrauchen und ihn in Seinem Werke an die Spitze 
stellen. Sein Selbstvertrauen, eine Wirkung seines Fleisches, 
gab die Veranlassung zu seinem Fall; aber nach der Weisheit 
Gottes lernte er die Macht der Sichtung Satans erkennen. Die 
übrigen Jünger, welche nicht wie Petrus dieses starke Selbstvertrauen, diese Kraft des Fleisches besaßen, flohen augenblicklich; 
aber Gott überläßt den sich selbstvertrauenden Jünger dem 
Satan, und Jesus bittet für ihn, selbst während des Falles, damit 
sein Glaube nicht aufhöre. Nachdem Petrus gefallen ist, richtet 
Jesus Seinen Blick auf ihn, und die Folge davon ist nicht, dem 
Petrus den Frieden zu schenken, wohl aber eine tiefe Beschämung in ihm hervorzurufen. Er „geht hinaus und weint bitterlich", und alles ist in Ordnung. Er hat sein Fleisch kennengelernt; er hat gefehlt, seine Sünde ist begangen, unmöglich ist 
es, sie ungeschehen zu machen. Es war jetzt die Sache des 
Herrn, sie zu vergeben, sie auszulöschen. Petrus konnte nicht 
vergessen, daß er den Herrn verleugnet hatte; aber Jesus be88 
diente sich dieses Falles, um ihn von seiner Vermessenheit zu 
heilen. Ebenso verhält es sich mit uns. Es geschieht nicht selten,. 
daß wir im Vertrauen auf uns selbst Fehler begehen, die unmöglich wiedergutgemacht werden können. Aber was ist zu 
tun, wenn diese Unmöglichkeit erwiesen ist? Wir müssen uns 
der Gnade Gottes überlassen — das ist alles, was wir tun können. Wenn das Fleisch zu stark ist, so läßt Gott es zu, daß Fehltritte geschehen, weil wir uns nicht in jener Abhängigkeit befinden, in der wir allein bewahrt bleiben können. Jakob hatte 
sich zu sehr an Esau versündigt, um nicht seinen Zorn fürchten 
zu müssen; jedoch läßt ihn Gott nicht in den Händen seines 
Bruders; Er gibt ihm den Glauben, welcher genügt, um aus 
diesem Kampfe siegreich hervorgehen zu können. Gott kämpft 
mit Jakob, und dieser trägt den Sieg davon. Aber er hat vorher 
in seinem Herzen fühlen müssen, was es heißt, mit dem Bösen 
zu schaffen gehabt zu haben; und dann erlaubte Gott nicht, daß 
er der Bosheit Esaus überliefert wurde, und Jakob konnte am 
Ende seiner Laufbahn sagen: „Der Gott, der mich geweidet hat, 
seitdem ich bin bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöset 
hat von allem Übel . . ." (i. Mo 48, 15. 16). 
Wenn Gott auf diese Weise die Herzen übt und sie sozusagen 
den Schlägen Satans preisgibt, so läßt Er doch nie die Gewissen Seiner Kinder in den Händen dieses Widersachers. Das Gewissen des Judas war in den Händen Satans; darum fiel er der 
Verzweiflung anheim. Das Herz Petri war für einen Augenblick 
unter der Macht Satans, sein Gewissen aber nie. Darum, anstatt 
wie Judas ein Opfer der Verzweiflung zu werden, genügte ein 
Blick voll Liebe von Seiten des Herrn, um sein Herz zu rühren. 
Sobald die Gnade im Herzen wirkt, gibt sie das Gefühl der 
Sünde; aber zugleich ist auch das Gewissen von dem Gefühl 
der Liebe Christi erfaßt; und je tiefer das letztere der Fall ist, 
desto tiefer ist auch das Gefühl der Sünde. 
Petrus konnte seine Sünde nimmer vergessen, wiewohl er vollkommene Vergebung Jiatte.Und noch mehr: Sein Gewissen war 
in den Händen Jesu, als ihm der Heilige Geist später die Fülle 
des Herzens Jesu offenbarte. Sein Gewissen wurde vollkommen gereinigt, so daß er die Juden der Sünde anklagen konnte, 
die er selbst unter den ernsten Umständen begangen hatte, 
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indem er ihnen sagte: „Ihr habt den Heiligen und Gerechten 
verleugnet" (Apg 3, 14). Das Blut Christi hatte sein Gewissen 
völlig gereinigt; wenn es sich aber um die Kraft seines Fleisches 
handelte, so mußte er stets von sich sagen: „Ich habe den Herrn 
verleugnet, und ohne Seine unendliche Gnade dürfte ich meinen 
Mund nicht öffnen". In keiner der Unterredungen, die Jesus 
mit Petrus hatte, wirft Er ihm je seine Sünde vor; Er fragt nie. 
„Warum hast du mich verleugnet?" Nein, nicht ein einziges 
Mal erinnert Er ihn an seinen Fehltritt; Er handelt im Gegenteil 
gemäß der Worte der Liebe des Heiligen Geistes: „Ich werde 
ihrer Sünden nicht mehr gedenken". Aber dennoch hatte Er 
dem armen Petrus noch etwas zu sagen. Er mußte ihm zeigen, 
welches die Wurzel seines Fehltritts war. Die Versuchung Satans und der Mangel an Liebe in dem Herzen Petri hatten 
seinen Fall bewirkt und sein Selbstvertrauen erschüttert. Jetzt 
aber, nachdem sein Gewissen erreicht war, mußte sich das geistliche Verständnis bilden. Petrus hatte sich gerühmt, den Herrn 
mehr zu lieben als alle andern Jünger, und er war tiefer gefallen als sie alle. Darum richtet der Herr die Frage an ihn: „Liebst 
du mich mehr als diese?" Wo war jetzt das frühere Selbstvertrauen Petri? Ohne ihn direkt an seine Geschichte zu erinnern, 
richtet Jesus dreimal die Frage an ihn: „Liebst du mich?" — und 
Petrus antwortet: „Du weißt alles — du erkennst, daß ich dich 
lieb habe". Er beruft sich auf die göttliche Kenntnis Jesu, der 
ihn gewarnt und seinen Fall vorausgesagt hatte. Was hatte auch 
Petrus auf die Frage: „Liebst du mich mehr als diese?" anders 
sagen können, als daß er, seine Schwachheit bekennend, im 
Grunde weniger Liebe gezeigt habe als alle die andern Jünger. 
Sicher, die Verbindung zwischen Jesu und Seinem Jünger ruht 
nur auf einer vollkommenen Gnade. Es gibt für Petrus keinen 
anderen Ausweg, als sich Jesu anzuvertrauen; er hat die Macht 
des Blickes Jesu erfahren und kann nun Sein Zeuge sein. 
Es ist gerade, als wollte Petrus sagen: „Ich lasse es auf dich 
ankommen; du weißt, daß ich dich verleugnet habe; aber du 
weißt auch, daß ich dich liebe; mache mit mir, was du willst!" 
— Und Jesus unterstützt nun das Herz Seines Jüngers, damit 
Satan ihn nicht seiner Zuversicht beraube. Petrus war zurückgekehrt und fähig gemacht, seine Brüder zu stärken. Infolge 
seiner Verleugnung hatte er das, was das Fleisch ist, so völlig 
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kennengelernt, daß er nichts verspricht, sondern der Überzeugung Raum gibt, daß er nichts anderes tun kann, als sich Gott 
zu überlassen. Wie groß auch seine Unfähigkeit im Widerstände gegen Satan sein mochte, so konnte er doch seine Zuflucht zu der Gnade Dessen nehmen, Der alles wußte. Was ihn 
stark machen konnte, war das Bewußtsein, daß er auf Jesum 
rechnen durfte. Erst nachdem der Herr ihn an die Ohnmacht 
seines Fleisches erinnert hatte, vertraut Er ihm mit den Worten: „Weide meine Lämmer"! die Seinigen an; denn nun erst 
war er fähig, seine Brüder zu stärken. Das Fleisch setzt ein 
gewisses Vertrauen auf das Fleisch; und dieses ist eine Torheit, 
in der wir uns oft befinden. Es ist daher nötig, daß wir im 
Kampfe mit Satan uns selbst kennenlernen. Es gibt sicher nicht 
einen Chirsten, der nicht durch die Umstände, in denen er sich 
befand, wenigstens in einem gewissen Maße das Bewußtsein 
dessen, was er ist, erlangt hätte. Um unsere eigenen Herzen 
kennenzulernen, läßt Gott es zu, daß wir von Satan gesichtet 
werden. Wäre genug Treue und Demut bei uns vorhanden, um 
von Herzen zu sagen: „Ich kann nichts ohne den Herrn", so 
würde Er sicher nicht nötig haben, uns die traurige Erfahrung 
unserer Schwachheit machen zu lassen. 
In der Tat, wenn der Christ nicht in dem beständigen Gefühle 
seiner Schwachheit wandelt, so wird Gott es dem Satan erlauben müssen, als Werkzeug zur Selbsterkenntnis desselben zu 
dienen. Dann folgen Fehltritte, die oft nicht wiedergutzumachen 
sind. Jakob mußte während des Restes seines Lebens hinken, 
weil er in moralischer Beziehung 21 Jahre lang gehinkt hatte. 
Er mußte einen peinlichen Kampf bestehen, wo er, wiewohl 
Gott ihn nicht den Händen Esaus überlieferte, die Erfahrung 
machen konnte, daß er nur ein schwaches Wesen im Fleische 
sei. 
Wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn der Herr uns vielfachen Schwierigkeiten preisgibt, denn dieses geschieht, weil 
etwas in uns ist, was niedergehalten werden muß und uns auf 
diesem Wege zum Bewußtsein gebracht wird. Doch bei allem 
ist die Gnade tätig. Christus handelt nur in Gnade; und wenn 
Er auch oft, damit wir uns selbst kennenlernen, uns preiszugeben scheint, so ist Sein Tun uns gegenüber doch stets Gnade, 
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ja vollkommene Gnade. Nicht erst dann, nachdem Petrus vorher sein Auge auf Jesu gerichtet hatte, blickte dieser ihn an; 
denn schon vor seinem Falle hatte der arme Jünger die Worte 
seines Herrn vernommen: „Ich habe für dich gebetet". Die 
Gnade geht stets voran. Jesus weiß, was Satan begehrt, und Er 
gibt uns diesem Begehren preis; aber zugleich trägt Er Sorge, 
daß wir bewahrt bleiben. Petrus weinte nicht, indem er auf den 
Herrn blickte sondern er weinte bitterlich, nachdem der Herr 
ihn angeblickt hatte. Die Liebe Jesu kommt den Seinigen stets 
zuvor. Er geht unseren Schwierigkeiten voraus und begleitet 
uns durch alle Hindernisse hindurch. Während Er uns den 
Händen Satans überläßt, damit wir erfahren, was wir sind, 
stellt Er Sich stets für uns in den Riß und weiß uns vor der List 
des Feindes zu bewahren. Dieses zeigt uns die vollkommene 
Güte und Gnade Dessen, Der uns nicht nur, wenn unsere Herzen auf uns gerichtet sind, völlig liebt, sondern Der Sich auch 
aller Fehler unseres Charakters annimmt, damit wir nach den 
Ratschlüssen Gottes völlig und ganz gesegnet seien. Alles 
dieses sollte uns lehren,.uns „unter die mächtige Hand Gottes 
zu demütigen", um zur rechten Zeit getröstet und gestärkt werden zu können. 
Wenn ich nach einem Fehltritt im Blick auf mich selbst niedergebeugt bin, so sollte ich nicht, wie natürlich dieses auch ist, 
sofort Trost, sondern zu allererst Christum suchen; denn ich 
habe eine Lektion zu lernen, in der mich Gott unterweisen will. 
Wenn ihr sagt, daß ihr Gott in den schwierigen Verhältnissen, 
worin ihr euch befindet, nicht verstehen könnt, so kennt doch 
Er den Zweck dieser Schwierigkeiten und läßt euch in denselben, 
damit ihr gesichtet und durch dieses Mittel zu einer tieferen 
Erkenntnis sowohl betreff Seiner als auch eurer selbst geführt 
werdet. Er will euch alles zeigen, was Er in euch gesehen hat; 
und man muß daher, anstatt sich zu bemühen, dieser Sichtung 
auszuweichen, vielmehr danach trachten, die uns durch dieses 
Mittel bereitete Unterweisung des Herrn uns zunutze zu machen; und sicher wird man dann eine weit tiefere Erkenntnis 
dessen erlangen, was Er für uns ist. 
Wir müssen — mit einem Wort — lernen, unter Seiner mächtigen Hand zu bleiben, bis Er uns wieder aufrichtet. Gott 
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schenke uns die Gnade, Ihn kennenzulernen! Würde es sich nur 
darum handeln, uns selbst kennenzulernen, so würden wir 
bald gänzlich entmutigt sein. Aber durch die Erkenntnis, die 
Er uns zugleich von Seiner Gnade gibt, wird Er uns zum Ziele 
führen, so daß wir sagen können: „Fürwahr, Güte und Huld 
werden mir folgen alle die Tage meines Lebens, und ich werde 
wohnen im Hause Jehovas in Länge der Tage" (Ps 23, 6). 
Nach J.N.D.