Besiegte Schwermut, Richard Kriese

04/19/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die „depressive Welle"BN1521-3.jpg?1681900836011

Bei einem „Hearing" vor dem Gesundheitsausschuß des Bundestages - so meldete die Presse - erklärten 13 Wissenschaftler, daß 8 bis 10 Prozent der Bevölkerung psychiatrische Hilfe brauchen. Gestützt wird diese statistische Aussage durch eine Mitteilung der Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bei Bielefeld. Es wird nämlich darauf hingewiesen, daß in der Bundesrepublik 6 bis 7 Millionen Menschen „einer psychiatrischen Versorgung in unterschiedlicher Form" bedürfen. Anderen Meldungen zufolge ist jeder zehnte Student psychisch krank, und 30 Prozent der akademischen Führungskräfte leidet unter „neurotischen Symptomen oder Tendenzen". Diese Zahlen, die vermutlich sprunghaft ansteigen, wenn man die Dunkelziffer dazurechnet, beweisen, daß psychogene Krankheiten rapide zunehmen.

Kommt eine „depressive Welle" auf uns zu, wie manche meinen? Vieles deutet darauf hin. Ärzte fordern strukturelle Änderungen der Krankenhäuser und sprechen sich dafür aus, daß bei Neubauten psychiatrische Kliniken eingeplant werden - ein Zeichen dafür, wie aktuell die Problematik seelischer Erkrankungen geworden ist. In die gleiche Richtung weist ein Zitat von Prof. Viktor von Weizsäcker, der behauptet hat, die Bundesrepublik habe 4000 Psychiater zu wenig. Und Rauschgiftexperten wissen längst, daß der Trip ins Drogenparadies vorwiegend von solchen gewagt wird, die zur „traurigen Generation" gehören. Während man also fortschrittsgläubig die Welt von morgen entwirft und am Horizont bereits den Supermenschen aufmarschieren sieht, der chemisch gesteuert unsere Erde in ein Paradies verwandelt, stellen Nobelpreisträger fest, daß der „moderne Mensch immer mehr degeneriert".

Man könnte den Eindruck haben, daß die „Wohlstandswelle" und „Sexwelle" von einer gefährlichen Unterströmung getragen wird, die immer häufiger Tausende in den Sog der Depressionen reißt. Gewiß kann man diese geradezu alarmierende Entwicklung den Experten überlassen mit dem einleuchtenden Satz: „Sorgt dafür, daß die depressive Welle' eingedämmt wird, und denkt darüber nach, unter welchen Bedingungen sie wieder abebbt." Solange die Frage, ob Schwermütigen geholfen werden kann, nur andere angeht, kann man sich das Problem der Depression mit solchen Sprüchen einigermaßen - wenn auch nicht immer mit gutem Gewissen - vom Leibe halten. Was aber, wenn die Schwermut in die eigene Familie lautlos einbricht und sich wie eine schwarze Dunstglocke über jede freie Stunde legt? Manche sind dann schnell dabei, den Mann oder die Frau, den jungen oder das Mädchen, den Vater oder die Mutter in eine Nervenklinik abzuschieben. Andere, die möglicherweise nach Monaten, vielleicht sogar nach Jahren nervenärztlicher Behandlung keinen Erfolg sehen, qualifizieren den Schwermütigen ab - bewußt oder unbewußt - mit dem viel zu leichtfertig dahergeredeten Satz: „Ein Psychopath!"
Abgesehen davon, daß damit nicht viel gesagt ist und bekanntlich jeder seine „Macke" hat, jagt man mit einem solchen Umhängeschild seelisch Leidende in die Isolierung, aus der nicht wenige entweder im Rausch oder im Selbstmord ausbrechen.

Die Gemeinde Jesu darf sich eine solche Haltung nicht leisten. Sie ist dazu aufgerufen, in der Kraft ihres auferstandenen Herrn sich auch bei seelisch Leidenden im besten Sinne des Wortes mitmenschlich zu engagieren. Sie darf, je länger je mehr, ihre Türen nicht nur solchen öffnen, mit denen man das gemeindliche Image aufpolieren kann, sondern auch - vielleicht sogar in erster Linie - solchen, die man draußen als „seelische Krüppel", als „Strandgut der modernen Gesellschaft", als „lästige Psychopathen", in die Randzonen und damit in die Bedeutungslosigkeit abdrängt. Es ist ein Gebot der Stunde, daß sie Psalm 34, 19 ernst nimmt: „Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben." Gott will die „Niedergeschlagenen aufrichten" (Ps. 146, 8), also den Schwermütigen helfen; nicht nur durch den Facharzt, sondern auch durch Menschen, die an der Landstraße des Lebens schlicht, aber deshalb nicht minder wichtig, wie ein barmherziger Samariter helfen.
Dabei können allerdings verhängnisvolle Fehler gemacht werden, die den Heilungsprozeß verzögern, wenn nicht gar verhindern. Die Rundfunkseelsorge hat mir das mehr als einmal deutlich gezeigt. Weil sich in jedem Jahr auch einige hundert Rundfunkhörer melden, die an Depressionen leiden und nicht wissen, wie sie sich richtig verhalten sollen, Angehörige fragen, wie man mit Schwermütigen umzugehen hat, und Seelsorger anscheinend immer häufiger darüber nachdenken, an welchen Stellen sich Grenze und Möglichkeit seelsorglichen Handelns abzeichnet, möchte ich einige Beobachtungen, Erfahrungen und Einsichten weitergeben, die ich nicht zuletzt christusgläubigen Nervenärzten verdanke. Damit ist bereits angedeutet, daß dieser Beitrag nicht so verstanden werden darf, als könne man mit einer Handvoll guter Tips auf den Nervenarzt in jedem Fall verzichten. Im Gegenteil! Es soll deutlich werden, wie Schwermütige und Angehörige, die einen seelisch Leidenden zu betreuen haben, die Bemühungen des Arztes vorbereiten, unterstützen, ergänzen und -wo es um die geistliche Dimension geht - vielleicht auch je und dann korrigieren. Der Gemütskranke kann nicht immer sofort in eine Klinik eingewiesen werden. Wochenlange Wartezeiten sind heute durchaus keine Seltenheit. In der Zwischenzeit kommt es darauf an, unnötige Fehler zu vermeiden. Das gilt auch für die Zeit nach einer klinischen Behandlung.

Wenn wir uns das, was ein Laie über Ursache, Verlauf und Heilungsprozeß depressiver Erkrankungen wissen kann, angeeignet haben, uns geduldig und liebevoll um den Menschen kümmern, der als Schwermütiger auf unsere Hilfe wartet, und dabei dem Arzt nicht vorschnell in den Arm fallen, können wir dazu beitragen, daß Schwermütigen geholfen wird. Eine schwere, aber auch eine schöne Aufgabe, bei der wir entdecken können: „Der Herr richtet auf, die niedergeschlagen sind" (Ps. 146, 8).

Können Sie, mir helfen?
So fragen nicht nur Leute, die gelegentlich einen guten Tip brauchen Wenn diese Frage bei Schwermutigen oft mühsam und halb verzweifelt über die Lippen kommt, wird sie unversehens zu einer stillen, aber darum nicht minder eindringlichen Herausforderung, die den Gesunden an einer entscheidenden Stelle provoziert. Der
Depressive will gesund werden. Aber er weiß oder aNnit
zumindest, daß er dazu einen Menschen notig hat, der bereit ist - vielleicht sogar über eine längere Wegstrecke hinweg - an seiner Seite zu bleiben Dazu zwei Briefzuschriften, die das verdeutlichen können. Ein 22 Jahre alter Verwaltungsangestellter hat geschrieben:
„Ich stehe unter einem seelischen Streß, wie ich ihn mit Worten nicht beschreiben kann. Mit meinem Leben kann ich nichts mehr anfangen Alles erscheint mir einfach sinnlos. Das Wort ‚allein' löst bei mir fast Wahnvorstellungen aus. Mein großes Problem: Wie finde ich einen Menschen, einen Freund, 'der mit mir lacht und mit mir weint? Ich habe die Suche aufgegeben, weil ich keine Kraft mehr habe. In meinen Augen ist alles ohne Sinn. Seit Jahren habe ich Sorgen, Sorgen, Sorgen und nicht eine einzige Freude. Heute kann ich ganz einfach nicht mehr, habe keinen Lebenswillen. Zehn Jahre seelische ‚Depressionen: das hinterlaßt in einem Menschen Spuren"
So ahnlich hat es auch eine Rundfunkhörerin mittleren Alters formuliert
„Keiner hat Zeit', ‚einen richtig anzuhören. Ach, man möchte auch nicht mehr 'davon reden (Depressionen). Von Zeit zu Zeit melde ich mich, aber die Monate gehen dahin. Nichts! Keine Zeit! Ich bin abends zu müde und traurig, um zu beten. Aber ich gehe dabei.
• kaputt, weil ich niemanden habe, der von meinem• Leid weiß und es mittragt Ich habe kein Vertrauen mehr. Jetzt heule ich nur noch In den Boden mochte ich mich verkriechen vor lauter Leid und Traurigkeit.«
In solchen Briefen steht gleichsam zwischen den Zeilen die Frage »Können Sie mir helfen?« Es ist nur allzu verständlich, wenn Schwermutige so fragen Die Depressionen haben sich wie ein Bazillus ins Gemüt eingeschlichen Sie blockieren die Gedanken, ersticken die Freude, lahmen den Willen Das Leben ist zu einem dunklen Labyrinth ohne Hoffnung geworden Die Kraft zum Leben fehlt Weltanklagen und Selbstver-
achtung sitzen wie Dornen in der wunden Seele Man kann kaum noch die Augen heben und fühlt sich bedruckt, erschöpft, todmüde. Das ist Schwermut Das sind Depressionen, die Hunderttausende erleiden und Millionen furchten Wer kann diesen Menschen helfen?
Sind es hochquahfizierte Fachärzte, die mit der breiten Skala psychologischer Arbeitsmethoden haarscharf Diagnosen stellen und eine Therapie empfehlen können, die den Erfolg geradezu garantiert Abgesehen davon, daß zuweilen auch der beste Psychiater sehr bald vor einem „ungeklärten Rest" kapitulieren muß und demzufolge auch je und dann in seinen therapeutischen Maßnahmen unsicher ist, kann dem Depressiven letztlich nur geholfen werden, wenn ihm im Arzt so etwas wie eine therapeutische Persönlichkeit begegnet, die sich in gewisser Weise mit dem Gemütskranken identifiziert, sich also in die Situation einfühlt, geduldig Tatbestände re-
gistriert und zuordnet, vor allen Dingen aber den Patienten zu akzeptieren bereit ist und die Sache des Schwermutigen zu seiner eigenen Sache macht Diese Haltung ist mir vor allen Dingen bei christusgläubigen Arzten in einer solchen Intensität begegnet, daß ich
mich als Seelsorger zuweilen beschämt fühlte.
Identifikation mit dem Schwermütigen - das ist der entscheidende Punkt, auch für solche, die sich seelsorglich um einen Gemütskranken muhen Der gute Seelsorger wird nicht in erster Linie an einem großen Volumen psychologischen Wissens erkannt, das er wohlproportioniert in einem theologischen Überbau unterbringt Man erkennt ihn auch nicht daran, daß er sich in seiner Mitmenschlichkeit darum bemüht - koste es, was es wolle -‚ die autoritative Seelsorge zugunsten einer kommunikativen zu ersetzen, geduldig und sorgfältig Problemkerne einkreist und dann schließlich eine bunte Palette verschiedener Problemlosungen anbietet Wer als Seelsorger nicht in die Seelsorge gewissermaßen mit seiner ganzen Person „eingeht" - sich also mit dem Schwermutigen identifiziert -‚ bleibt letztlich im Vorfeld und wird bewußt oder unbewußt an einem Menschen schuldig, der, von Depressionen gequält, wissen mochte ,Können Sie mir helfen«
Sprachlich hat das Wort Identifikation folgende Bedeutung Gleichsetzung, jemanden oder etwas genau wiedererkennen, völlig wesensgleich sein (auch von Per-sonen),vollkommene Gleichheit bzw. Übereinstimmung zweier Dinge oder Personen. Kann man sich mit dem Depressiven so in eins setzen, die Sache des Kranken ganz zu seiner eigenen machen - nicht nur mitleidig sein, sondern mitleiden -'ohne daß man dabei selbst das psychische Gleichgewicht verliert Eine berechtigte Frage, die jeder kennt, der einen Schwermutigen zu betreuen hat Identifikation mit einem seelisch Leidenden ist „Arbeit der Seele", die gelegentlich von uns das Letzte an geistiger und geistlicher Substanz fordert, die aber auch ganz entscheidend dazu beitragt, daß diese Identifikation zu einem Lauterungsprozeß wird, aus dem wir als barmherzige Menschen hervorgehen
Was Identifikation mit Leidenden bedeutet, wird bei Jesus ablesbar. Er weinte mit den Weinenden, als man ihm sagte, daß Lazarus, sein Freund, gestorben sei. »Als er das Volk sah, jammerte ihn desselben", so wird Matthäus 9, 36 in den älteren Lutherübersetzungen wiedergegeben. In neueren Übersetzungen steht: »Es packte ihn ein tiefes Erbarmen« oder: „Er empfand Mitleid mit ihnen." Der Bericht von der Heilung eines Taubstummen kann das veranschaulichen. In. Markus 7, 33-35
ist zu lesen: »Er führte ihn von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel. Dann sah er auf gen Himmel, seufzte und sprach zu ihm: Hepatha! das ist: Tu dich auf! Und sofort taten sich seine Ohren auf, und das Band seiner Zunge ward los, und er redete recht."
Das ist Identifikation. Jesus fühlt nicht nur mit dem Leidenden. Er tut das, was der Taubstumme nicht tun kann, und zwar so, als wäre er selbst taubstumm.
Im Blick auf die Evangelisation sagte D. T. Niles:
„Könnt Ihr die Namen von Menschen nennen - zwei oder drei vielleicht, um die Ihr echte Sorge tragt, weil sie keine Christen sind? Es sind gute Menschen, gute
Freunde; aber immer, wenn Ihr an sie denk; fühlt
Ihr einen Schmerz in Eurer Seele, weil sie nicht Jesus Christus dienen. Gibt es solche Menschen in Euren, Leben? Wenn nicht, dann seid Ihr keine Evangelisten, ganz gleich, wieviel evangelistische Arbeit Ihr leisten mögt." Die Formulierung „Schmerz in der Seele« sagt, was mit Identifikation gemeint ist. Das gibt es doch: Man kann körperlich darunter leiden, daß Menschen' an Jesus Christus vorbeigehen und mit offenen Augen in die Hölle taumeln. Liebe leidet. Wie kann doch eine Mutter oder ein Vater die Schmerzen des kranken Kindes geradezu physisch mitfühlen! Das ist Identifikation. Allerdings darf diese Identifikation weder im Empfinden noch in Worten steckenbleiben.
Das zeigt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Wenn wir dieses Gleichnis in einzelne Szenen aufteilen
und sie uns dann gleichsam im Zeitlupentempo anschauen, könnten wir sagen: Der barmherzige Samariter sieht den Mann, den die Räuber halbtot geschlagen hatten, »es jammert ihn", er empfindet also Mitleid, identifiziert sich mit dem Verwundeten, sieigt von seinem Lasttier, geht an den Mann, der auf der Straße liegt und sich in seinen Schmerzen krümmt, ganz dicht heran, kniet neben ihn hin, schaut sich die Wunden an, behandelt sie mit CM und Wein, richtet den Stöhnenden auf, hebt ihn auf sein Lasttier - so vorsichtig wie nur irgend möglich -‚ sucht ein Gasthaus, legt den Verwundeten so, daß er ihn gut pflegen kann, spricht mit dem Wirt und bittet ihn, daß er sich um den Schwerverletzten küziimert, bezahlt die Pflegekosten, verabschiedet sich und verspricht wiederzukommen.
Schwermütige sind zwar nicht äuß undet wie jener Mann, der von Jerus em nach Jericho hinabging und von Räubern blutig geschlagen wurde. Aber ihre
el& ist wund. Die Räuber widriger Lebensui1ia falscher Entscheidüngen, körperlicher Beschwerden, unglücklicher Veranlagungen, okkulter Praktiken haben sie auf der Landstraße des Lebens „niedergeschlagen". Und nun warten sie auf einen, der die Schmerzen lindert und sich um sie kümmert.
Eigentlich sollten das Priester und Leviten tun, also Seelsorger und Gemeindemitarbeiter. Aber sie gehen zu oft - viel zu oft - vorüber. Und doch: Seien wir barmherzig! Manche sind selbst innerlich wund und haben einfach keine Kraft, auch noch zusätzlich anderen Wunden zu verbinden. Gewiß, man sieht es ihnen äußerlich nicht immer an. - Als ob psychische Erkrankungen sofort zu erkennen wären! - Und doch bluten sie heimlich aus vielen Wunden, ganz ähnlich wie der schwerverwundete Mann, der von Räubern überfallen, ausgezogen, geplündert und zusammengeschlagen worden ist. Andere haben Angst vor den Banditen und

möchten das letzte Bißchen geistlicher Substanz bei einer zwar notwendigen, letztlich aber doch mit vielen Risiken verbundenen mitmenschlichen Aktion nicht aufs Spiel setzen. Und schließlich wird es auch solche geben, die zwar den-Mann auf der Straße sehen, aber weder „Cl" noch „Wein« haben, um die Wunden richtig zu behandeln.
Und darum nimmt Gott immer wieder einmal „Laien«,
die es einfach nicht fertig bringen, an dem Mann, der unter die Räuber gefallen ist, vorüberzugehen. Sie sind zwar auch unterwegs wie Priester und Leviten, aber sie haben einen klaren Blick für Leute, die auf der Strekke geblieben sind. Und weil sie nicht vor lauter Id christlichem Management, theologischen Einsichten und falsch verstandener Frömmigkeit gewissermaßen 10 Zentimeter über der Straße schweben, können sie zupacken. Sie tun! das, denn sie identifizieren sich mit dem seelisch Leidenden, der aus vielen Wunden blutet; knien neben ihn nieder, nehmen sich Zeit, korrigieren ihre Terminpläne und behandeln dann psychische Wunden nicht mit ätzender Kritik oder stachligen Willensappellen, sondern „weinen mit den Weinenden", beten, trösten, richten auf und geben weiter, was sie selbst empfangen haben: barmherzige Liebe in der Kraft des Heiligen Geistes.

Sie denken und handeln so konkret, so umsichtig, so liebevoll, daß sie nicht nur im richtigen Augenblick den Arzt konsultieren, der für eine qualifizierte Pflege - wenn nötig, für eine klinische Behandlung - sorgt, sondern kümmern sich um den Depressiven such dann noch, wenn ärztliche Bemühungen vorerst abgebrochen werden. Das ist Identifikation mit psychisch Leidenden in letzter Konsequenz.
Solche Leute können Schwermütigen helfen. Ob der Einsatz und das Risiko nicht zu groß sind? Eine Rundfunkhörerin hat folgendes geschrieben:
16 „Eine ältere Frau wurde wegen Suizidversuches eingeliefert. Tagelang saß sie mit starken Depressionen im Tagesraum. Sie machte sich ständig Vorwürfe, daß sie ihre ganze Familie damit geschändet habe und konnte sich an nichts mehr beteiligen, nicht einmal an einem Gespräch mit anderen Patienten. Ich versuchte täglich, mit dieser Frau ins Gespräch zu kommen und sagte ihr, daß Jesus auch für ihre Sünde gestorben sei und daß er ihr alle Schuld vergeben wolle, wenn sie ihm ihr Leben anvertraut. Und doch hatte ich jedesmal den Eindruck, als redete ich gegen eine Wand, als würde mich diese Frau gar nicht anhören, weil sie immerzu mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt war. Als ich sie einmal fragte, ob sie denn beten würde, sagte sie: ‚Ich kann nicht mehr beten. Nach einigen Tagen verlor ich den Mut, irgend etwas zu unternehmen. Da erinnerte ich mich daran, daß bei Gott kein Ding unmöglich ist. Ich bat ihn, diese Frau von den Depressionen zu befreien. Dann wartete ich noch einige Tage und sprach erneut mit ihr; Nichts geschah. Dann kam ich in eine andere Abteilung. Als ich nach etwa zwei Wochen dieselbe Patientin wieder traf, strahlte sie mir schon von weitem entgegen. Sie sah sehr glücklich aus. Als ich sie dann fragte, ob sie verstanden habe, was ich ihr vor einigen Wochen gesagt hatte, antwortete sie: ‚Ja, und beten kann ich auch wieder.' Diese Erfahrung hat mich tief beeindruckt."
Wer solche und ähnliche Dinge aus nächster Nähe miterleben darf, ist nicht nur für die „Arbeit der Seele" entschädigt. Er ist um eine geistliche Erfahrung reicher geworden, wird nicht mehr vorschnell und unqualifiziert seelisch Leidende als lästige Psychopathen abwerten, kann sicherlich auch bei anderen Vorurteile gegenüber psychisch Kranken abbauen und weiß: Gott kann!


ISBN: 9783920345420
Format: 18 x 11 cm
Seiten: 206
Gewicht: 185 g
Verlag: @Francke Buchhandlung
Erschienen: 1974
Einband: Taschenbuch