Gottes Segensträger Jakob Kroeker

03/19/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

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Inhaltsverzeichnis
Gottes Dolmetscher . . . . . . . . . . . . . . .
Dunkle Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . .   
Wie wird man Gottes Segensträger? . . . . . . . 
Ein Bote des Lebens . . . . . . . . . . . . . . .
Im Schmelzofen zu Sarepta . . . . . . . . . . . . 
Der neue Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . 
Die große Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 
Der entmutigte Gottesknecht . . . . . . . . . . . 
Die Horeb-Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . 
Das Geheimnis der Kraft . . . . . . . . . . . . . 
Unfruchtbares Land . . . . . . . . . . . . . . . 
Eine neue Schale . . . . . . . . . . . . . . . . 
Gräben im Bachtal . . . . . . . . . . . . . . . . 
Verschuldetes Leben . . . . . . . . . . . . . . . 
Erstorbene Hoffnungen . . . . . . . . . . . . . . 
Eine kleine Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . 
Versagende Führer . . . . . . . . . . . . . . . . 
Innerliche Seelengröße . . . . . . . . . . . . . 
Ziehe hin in Frieden . . . . . . . . . . . . . . 
Der selbstsüchtige Prophetenjünger . . . . . . . 
Geöffnete Augen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das verlorene Werkzeug . . . . . . . . . . . . . 
Der letzte Dienst . . . . . . . . . . . . . . . .


Kapitel 1
Gottes Dolmetscher
Aber der Herr sprach zu mir: »Sage nicht: Ich bin zu jung! Sondern du sollst überall hingehen, wohin ich dich sende, und alles reden, was ich dich heiße!« (Jer.1,17).
Unser Gott ist ein Gott der Offenbarung. Er hat geredet und redet noch. Es hat nie Zeiten gegeben, wo Gott dauernd geschwiegen hätte. Denn dauerndes Schweigen wäre eine unerträgliche Vereinsamung Gottes. Gottes urewiges Leben und Wesen ist Offenbarung:
ist Selbstmitteilung. Was Er in Seiner unerschöpflichen Lebensfülle an Freude, an Energien, an Trost, an Friede, an Gerechtigkeit und an Segnungen in sich trägt, möchte Er in Seiner Liebe denen mitteilen, die bereit sind, sich von Ihm segnen zu lassen. Seine ganze Sehnsucht geht daher auf den ungetrübten Verkehr Ihm geistesverwandter Seelen. 

Zu allen Zeiten sehnte Er sich nach Persönlichkeiten, denen Er anvertrauen konnte, was Seine Seele bewegte und als Leben in sich trug. Seine Augen durchlaufen daher die Lande, um Seine Kraft an denen zu erweisen, die aufrichtigen Herzens Ihm zugetan sind. 2.Chronika 16,9. Denn
Leben ohne Möglichkeiten selbstloser Lebensmitteilungen ist immer seelische Vereinsamung, und zwar nicht allein für den Menschen, sondern auch für Gott.
Dauerndes Schweigen Gottes würde aber auch die Menschheit in ewige Nacht und Tod hüllen. So oft Gott die Möglichkeit fand, zu reden, wurde es Licht in der Schöpfung, und die Welt erfüllte sich mit Schönheit und Wachstum, mit Kraft und Leben. Gottes Reden schuf noch immer Welten, stoffliche und geistliche.
Offenbarungsgeschichte und Weltgeschichte sind daher die große Sammlung der von der Menschheit festgehaltenen Offenbarung und Lebensmitteilung Gottes. Es konnten daher auch die dunkelsten Zeiten der Geschichte unsern Gott nicht zum Schweigen bringen. Sein Licht erwies sich stärker als die Finsternis, Sein Leben stärker als der Tod. Es kam daher immer
wieder die Stunde, wo das Wort Fleisch wurde und unter uns wohnte. Als die Zeit erfüllt war, sandte Er immer wieder seine Propheten. Der Prophet war je und je in der Geschichte Gottes Dolmetscher und Bote. Denn Inspirationen werden immer zunächst von Einzelnen und nie vom Ganzen erlebt. 

Die Sehnsucht nach Erlösung vermag Gott in einem ganzen Volke zu erwecken, das Erlösungsprogramm empfängt zunächst jener Moses, dem Gott im brennenden Busch begegnen und eine ganz bestimmte Mission für seine leidenden Brüder anvertrauen kann. Das war nicht nur in der Geschichte Israel so. Wo Gott in der Geschichte Neues schaffen, Leben wecken, Völker erlösen, Gemeinden segnen konnte, so geschah es immer zunächst durch Einzelne.
So sehr auch das Volk unter der Knechtschaft der Chaldäer in Babel seufzte, seine Brüder zu trösten und ihnen neue Lebensperspektiven für die nahe Zukunft zu geben vermochte nur jener große Jesaja, der von sich bezeugen konnte: »Der Herr hat mir eine geübte Zunge gegeben, dass ich die Müden mit Worten zu erquicken wisse. Er weckt mich am Morgen, am Morgen weckt Er mir das Ohr, dass ich höre, wie die Geübten« (Jes. 50,4). 

Es gibt Prophetenvollmachten, die immer über Volks- und Gemeindevollmachten hinausgehen werden. Wohl wird das Ohr der Gemeinde je und je die Sprache des Propheten verstehen und Gott durch ihn reden hören. Als Ganzes hatte jedoch noch nie ein Volk jenes zarte Gemerk, um Gott auch ohne Propheten zu verstehen; das heißt: ohne jene Gottgeweihten, die auch im Stimmengewirr der Zeiten ihre innere Warte hatten, wo der Mensch schwieg und Gott redete.
Unser Gott braucht daher Boten, die Er senden und Propheten, die Seine Sprache zu dolmetschen verstehen. Er brauchte einen Abraham, dem Er mitteilen konnte, welche Gerichte in den nächsten Tagen über Sodom und Gomorra hereinbrechen würden und wusste, dass dieser als Priester vor Ihm stehen bleiben und Rettung für die Gerechten dieser Städte herbeiflehen würde. Er brauchte einen Daniel, dem Er erschließen konnte, dass die Zahl der Jahre des Gefängnisses zu Ende gingen und die Stunde der Erlösung von der bedrückenden Schmach Babels nahe, denn Er wusste, dass dieser Mann auf den Knien vor Gott jene innere Herzensstellung für sich und seine Leidensgenossen suchen würde, welche Gott die verheißene
Erlösung möglich machen könnte.

Er brauchte einen Johannes den Täufer, denn Er wusste, dass er nach seiner Begegnung mit Jesus sein Volk auf den Gesalbten Gottes mit den Worten hinweisen würde: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!

Er brauchte einen Paulus, denn Er wusste, dass dieser Apostel nach seinem Christuserlebnis vor den Toren Damaskus’ der wartenden Welt einen Heiland und Retter bringen würde, der da nicht nur als geschichtliche Person einst lebte, sondern als Auferstandener auch nach seinem Kreuzestode lebt und zu retten vermag immerdar alle, alle die durch Ihn zu Gott kommen. Gott hatte dem Paulus einen lebendigen Heiland geoffenbart, einen lebendigen und gegenwärtigen Christus brachte er der bankrotten Welt. Gott brauchte einen Johannes Hus, einen Martin Luther, einen Menno Simons, einen John Knox und viele andere, denn er wusste, dass sie, frei gemacht von der eigenen Werkgerechtigkeit Roms, mit neuem Lichte von der lebenweckenden und vergebenen Gnade dolmetschen und die Erlösung als eine innerlich zu erlebende Heilstat Gottes ihrem so müden Zeitalter künden würden. 

Er brauchte einen Dr. Baedeker und einen Prediger Kargel, denn er wusste, dass diese beiden Männer eines Tages sich finden und gemeinsam durch Russlands große Gefängnisse und trostlose Verbannungsorte ziehen und in die Nacht des Verbrecherelends und in die Leiden der Verbannten etwas von jener Liebe Gottes hineintragen würden, die durch den Heiligen Geist ausgegossen war in ihre Herzen.
Auch dich und mich braucht dieser Gott der Offenbarung für eine Offenbarung. Es gibt einzelne, es gibt Kreise, es gibt Gemeinden, und es gibt auch ein Volk um dich, wo man Gott zunächst nicht versteht ohne einen Propheten. Dein Bruder wird schmachten und irren, bis du ihm zu dolmetschen vermagst, dass es auch für ihn einen Gott der Erlösung und des Trostes und einen Heiland und Arzt für seine blutenden Wunden gibt. Lass dir geben, und du wirst zu geben haben. Erlebe! Und du wirst von Leben zeugen. Horche! Und dir werden Aufträge für deine Brüder werden. 

Lerne schweigen! Und Gott wird mit dir reden können und du wirst mit geübter Zunge mit den Müden zur rechten Stunde zu reden wissen. So klein auch dein Leben, so beschränkt auch dein Kreis, unser Gott braucht auch kleine Dolmetscher für seine göttlichen Inspirationen. Die kleine israelitische Magd im Hause Naemans trug zwar äußerlich keinen Prophetenmantel und führte in ihrer Hand keinen Prophetenstab, aber unter ihrem schlichten Sklavinnen- und Arbeitskleide trug sie ein Prophetenherz. Daher fand sie zur rechten Stunde jenen Seufzer: Ach, dass mein Herr bei dem Propheten zu Samaria wäre, der würde ihn von seinem Aussatz heilen! 

Durch diesen Seufzer dolmetschte sie von dem großen Können des lebendigen Gottes unter ihrem Volke und gereichte ihrer Umgebung zu einem unberechenbaren Segen. Philippus hat uns kein Evangelium geschrieben und keine Gemeindebriefe hinterlassen, aber als Jünger Jesu ließ er sich vom Geiste in die Wüste führen und dort dolmetschte er dem Kämmerer der Königin Kandace in einer Weise das wunderbare. Kapitel des Propheten Jesaja, dass der fremde Gottsucher in Jesus seinen Heiland und Erlöser fand und als Jünger des Auferstandenen in seine
ferne Heimat ziehen konnte. Sprich daher nicht: Ich bin zu jung! Wenn Gott einen Auftrag für dich hat und seine Worte in deinen Mund legen will. Das dir von Gott Anvertraute wird, zur rechten Stunde abgegeben, sich als Leben für deinen Bruder erweisen.

Solche Dolmetscher Gottes waren auch die beiden Männer Elia und Elisa, deren Dienste in den kommenden Kapiteln beleuchtet werden sollen. Was sie ihrer Zeit und auch uns von Gott zu dolmetschen hatten, das soll uns in den nächsten Kapiteln beschäftigen.

Kapitel 2
Dunkle Zeiten
Ahab machte auch eine Astarte, also dass Ahab mehr tat, den Gott Israels zu erzürnen, als alle Könige Israels, die vor ihm gewesen waren (1.Kön.16,33).
Mit zu den dunkelsten Zeiten in der Geschichte Israels wird jene Periode gezählt, wo Ahab und Isebel zu Samaria regierten. In jenen Tagen wurde im Fleisch vollendet, was in den Tagen eines David im Geist begonnen worden war. Weder am Hofe, noch im Volke herrschte eine geistliche Atmosphäre. Vielmehr hatte es den Anschein, als ob auf geistlichem Gebiet alles dem Untergang geweiht sei. Baal war Gott geworden
in Israel. Aus politischen Gründen hatte sich Ahab mit dem Phönizierkönig Ethaal verschwägert und dessen Tochter Isebel geheiratet. Dadurch wurde ein Freundschaftsbündnis zwischen den beiden Nachbarstaaten hergestellt, nicht nur zur Förderung der gegenseitigen Handelsinteressen, sondern um sich gegen die Gefahr zu decken, die Israel und Juda besonders auch von Assur her drohte. Diese Ehe sollte jedoch die schwersten Folgen haben für die innere Entwicklung Israels. Verschwägerung mit der Welt führt zum Wesen und zum Gericht der Welt. Das war bereits in den Tagen Israels so.


Beeinflusst durch seine Gemahlin erbaute Ahab dem phönizischen Hauptgott einen Tempel in Samaria und führte damit den Baalkultus auch in Israel ein. Dieser wurde in Israel nun in jeder Hinsicht von der Königin gefördert und geschützt, und eine ganze Anzahl von Priestern leitete den Kultus und die Verehrung Baals. Bald fand die phönizische Kultreligion mit all ihren Opferfesten und Ausschweifungen einen derartigen Anhang im Volke, dass die wahren Gottespropheten sich schwer bedrängt und hart verfolgt sahen.

Zwar hatte durch diese Duldung und sichtbare Unterstützung des phönizischen Baalkultus Ahab nicht
einfach den Gott seiner Väter verlassen. Das geht unter anderem aus den Namen hervor, die er seinen Söhnen gab, welche ihm von Isebel geboren wurden. Er nannte den einen Ahasjehu, d. h. »der Herr ergreift« und den anderen Jorem, d.h. »der Herr ist hoch«. In jener Zeit lag in solchen Namen zugleich ein Bekenntnis. Allein das Bekenntnis zu dem Gott der Väter bedeutet nicht auch ein Wandeln vor dem Gott der Väter. 

Bald zeigte sich, dass nicht der Gott Abrahams, sondern der Gott des Phönizierlandes für die Gesinnung und die Entscheidungen des Königs ausschlaggebend war. Denn schon jene Zeit stand unter dem Gesetz des Geistes, dass man nicht Gott und dem Mammon, nicht dem Licht und der Finsternis zu gleicher Zeit dienen kann. Baal herrschte und Baals Sünden wurden die Sünden des Volkes. Hinfort empfing Israel nicht mehr Leben vom Lebendigen, sondern den Tod vom Toten.


Götzen können zwar Götzendienst, aber nicht lebenspendenden Umgang mit dem Lebendigen geben.
Wohl gab es Siebentausend, die sich in ihren Tagen nicht beugten vor dem Geist ihrer Zeit. Aber sie mussten sich so verborgen halten, dass sie nicht einmal von einem Prophetenauge zu finden waren. Denn Elia glaubte, dass er allein übrig geblieben sei, der nicht sein Knie vor Baal gebeugt habe. So geistesarm kam ihm seine Zeit vor. Die Siebentausend waren so versteckt, bildeten so wenig das Salz ihrer Zeit, standen so wenig als Leuchte ihres Volkes da, dass selbst ein Prophet sie nicht sehen konnte: Heilige, die wohl noch von Gott, aber nicht mehr von ihren Brüdern gesehen wurden. In diese dunkle Zeit der Geschichte Israels fielen die Aufträge Gottes an den Propheten Elia und die spätere Berufung des Propheten Elisa. 

Denn Gott hatte auch solch einer Zeit etwas zu sagen und Er fand Männer, die im Auftrage Gottes ihrem Volk etwas zu sagen haben. Das war je und je das Große in Israel, dass Gott immer wieder in den entscheidenden Augenblicken der Geschichte dieses Volkes Männer fand, die ihren Brüdern etwas im Auftrag Gottes zu dolmetschen hatten. Daher erlebte das Volk nie Gericht, bevor es nicht
rechtzeitig vor dem Weg zum Gericht gewarnt worden war. Und es erlebte immer wieder mitten im Gericht den Beginn einer neuen Heilsgeschichte, denn Er konnte dem Volke Propheten geben, die Ewigkeitskräfte in die Zeit der Vergänglichkeit, Rettung in die Nacht der Knechtschaft ihrer Brüder zu tragen vermochten.


Denn unser Gott macht nie Heilsgeschichte ohne zuvor Träger der neuen Geschichte zu geben. Zu seiner Stunde sandte er noch immer seine Propheten. Fand Er erst die Möglichkeit, die Welt mit einer neuen Heilszukunft zu segnen, dann berief Er sich zuvor Knechte, die fähig waren, Seine Organe zu sein: Persönlichkeiten, die Ihn verstanden, aber die auch ihre Brüder verstanden und ihnen im Auftrage Gottes zu dienen wussten. So ein Organ waren Ihm auch die beiden Propheten Elia und Elisa. Durch sie wurde göttliches Licht in die Nacht ihres Volkes getragen. Alle Schwankenden
und Unentschiedenen fanden in ihnen jene heilige Entschiedenheit und jenen Eifer für Gott, die auch sie zur Entscheidung drängten. Entweder Gott oder Baal, entweder Leben oder Tod, entweder Gottes Stimme oder der Menschen Stimme, zu dieser Entscheidung führten sie immer wieder die Einzelnen und das Ganze. Ihr Wort und Dienst bedeutete daher Leben für jene dunkle Zeit, in welche sie sich hineingestellt sahen. Denn in der Geschichte Gottes liefen Gericht und Erlösung in der Regel sehr nahe nebeneinander her.


Gott hat noch immer verstanden, mitten in die Geschichte einer alten Welt die Segensanfänge einer neuen hineinzuweben. Über die chaotischen Zustände einer untergegangenen Welt brütete stets der Geist des Lebens und rief mit seinem neuschaffenden: Es werde! Eine neue Schöpfung ins Leben. Und Gottes Propheten dienten bei dieser Neuschöpfung immer als Seine Dolmetscher. Gott redete durch den Mund seiner Knechte, und diese erweckten das Gewissen des Volkes, zeigten die Quellen des Segens, eröffneten neue Perspektiven, weckten neue Hoffnungen, und bahnten in der Seele ihres Volkes den Weg für eine neue Zukunft an. Würden uns alle großen Anfänge der nahen und
fernen Vergangenheit mehr gegenwärtig sein, ich meine, würde die Geschichte des Reiches Gottes als solche, wie Gott sie in den Jahrtausenden gegeben hat, in ihrer Wirklichkeit mehr vor unserer Seele stehen, wir würden sehen, wie alle großen Anfänge damit begonnen haben, dass zunächst Einzelne da waren, die etwas zu künden und zu erwarten wagten, wo andere nichts mehr erwarteten. Sie erhoben sich im Glauben über die Trümmer einer alten Welt und sahen ein Neuland
der Zukunft nahen. Bewegt und gebeugt standen sie auf dem Totenfelde ihrer Zeit und erhielten plötzlich den Auftrag von Gott: Weissage diesen, dass sie leben sollen! 

Sie hörten das Rauschen unter den Totengebeinen, sahen Neugestaltungen und Bildungen in die
Erscheinung treten und weissagten dem Odem Gottes, dass er sie mit seinem Leben durchdringen möge. Und eines Tages durfte ihr Auge sehen, was einst niemand für möglich gehalten hatte: Vor ihnen stand ein sehr großes Auferstehungsheer!

Am ergreifendsten sehen wir dieses wohl in der Zeit der großen Propheten in Israel. So voll die uns überlieferte Literatur der Propheten auch von Gerichten ist, sie ist dabei doch nie ohne Hoffnung. Denn das erleuchtete Auge des Propheten sah mehr als nur Gericht: Es sah auch das neue Leben, das Gott zu geben vermag nach dem Gericht. So dunkel auch das Gewölk war, das sich zur Entladung über ihre Zeit zusammenzog, es vermochte ihrem Glauben doch nicht den Blick zu nehmen für den Anbruch eines neuen Tages. Aus all dem Wirrwarr ihrer Tage, aus all der Empörung und Wehklage ihrer Zeit stellten sie sich auf die prophetische Warte und sagten: Hüter, ist die Nacht bald hin?
Mit dem Ohr eines Geübten horchten sie, ob nicht das Rauschen der Morgenlüfte eines neuen Tages in den Wipfeln ihrer Zeitereignisse zu hören sei. Das machte sie stark im Tragen des Gegenwärtigen und groß im Hoffen auf das Kommende.

Von dieser Hoffnung getragen stiegen sie unter ihre Brüder und trösteten die Gebeugten, weckten Buße und Umkehr im Volk, lenkten den Blick auf das Neue, das Gott zu geben vermag, und stärkten die Schwachen, die unter der Last der Not und des Elends völlig im Vertrauen zusammenzubrechen drohten. Das Kommende schauend, hoben sie ihre Brüder über die Leiden der Gegenwart hinaus.
Wie vieles sich aus jenen fernen Vergangenheiten mit unserer Zeit berührt, ist nicht schwer zu sehen.
Eine so große, eine so allgemeine und gewaltige Gerichtszeit hat die Welt noch nicht durchlebt, wie wir sie durchlebt haben und noch durchleben. Der Weltrand war Wirklichkeit geworden. Und der Gerichtsengel Ägyptens hat nicht nur die Erstgeburt der Völker, sondern auch so manche unserer Väter und Greise genommen. Unnennbares Herzeleid und Wehklage ist fast in jedem Hause geschaffen. Das dunkle Gewölk, das man schon längst am politischen Himmel sich zusammenziehen sah, hat sich entladen, es folgte Schlag auf Schlag, einer härter als der andere, so dass
die Völker bebten, Königreiche wankten und die Thronen der Erde mit ihren Herrlichkeiten zusammenbrachen. Gott redete mit der Völkerwelt in der Sprache Seiner Gerichte, deren Machtwehen uns noch in Furcht und Spannung halten.


Aber dürfen denn auch wir etwas erwarten für die Zukunft? Kann Gott auch aus dem gegenwärtigen
Chaos eine neue Welt schaffen? Eins steht fest: Auch in unseren Gerichtstagen liegen bereits verhüllt die Anfänge einer neuen Segenszeit. Mag uns das auch zunächst noch so dunkel und unmöglich erscheinen. Gottes letztes Wort in solchen Zeiten war nie Gericht, sondern Gnade. Sie liegt auch für unsere Zeit im Schoße der Zukunft und harrt auf ihre Auslösung und Betätigung: auf die Gefäße, durch welche sie unter eine gerichtete Menschheit getragen werden kann. Wird Gott diese Gefäße finden?
Viele, von denen wir annehmen konnten, dass sie von Gott könnten gebracht werden, weilen nicht mehr in unserer Mitte. Sie gingen heim. Gott gab ihnen höhere Dienste. Und so sehr wir sie auch suchen mögen, wir werden sie – wie einst die Prophetenjünger den Elia – nicht finden. Arm kommt uns daher unsere Zeit vor. Und es ist das nicht nur eine Täuschung.
Sie ist wirklich arm an solchen Kräften, die im Auftrage Gottes zu segnen und von seinen schöpferischen Lebenskräften zu dolmetschen verstehen. Und doch wird Gott Propheten finden auch für unsere Zeit. Sehen wir auch noch nicht, wo sie sind, weil Gideon noch seinen Weizen drischt, Elisa noch seine Ochsen treibt, David noch seine Schafe hütet,
Hesekiel noch ohne Worte unter den Weinenden am Bache Chebar sitzt, Saulus noch die Gemeinde Gottes verfolgt: Aber Gott vermag sie zu finden. Ist erst Seine Stunde gekommen, dann wird Er sie rufen und senden.
Wird Er auch dich rufen? Wird Er dich rufen können? Oder wird dir die Schuld der Menschheit so groß erscheinen, dass du keine Gnade groß genug findest, um sie als die rettende Gotteskraft unter das leidende Volk zu tragen? Ich weiß es nicht. Das sind Fragen, die du persönlich vor deinem Gott wirst zu entscheiden haben.


Ich weiß nur, dass Gott durch die Not deiner Umgebung auch bei dir anklopfen wird: Wer will mein Bote sein, wen darf ich senden? Wie der Dienst im einzelnen in der Zukunft sein wird, können wir noch nicht sagen. Noch liegt das große Geschehen unserer Tage zu verhüllt vor uns. Doch lässt sich weder das Einzelne noch das Ganze überblicken. Aber eins können wir jetzt nach dem Kriege mit noch größerer Gewissheit sagen, als man es während des Krieges zu tun wagte: Es wird in Zukunft wie nie zuvor Dienst geben für solche Knechte und Mägde Gottes, die Vollmacht von Gott haben und das Lieben in der Zeit der Gerichte nicht verlernten.


Je mehr die Zeit ihren Bankrott erlebt, desto mehr wird sie ausschauen, wo die Männer sind, die in der Zeit der Gerichte nicht ihre Kraft und nicht das Ziel verloren haben. Ihre Wunden, die sie geschlagen hat, werden nach jener Salbe aus Gilead rufen, die auch das tiefste Weh zu heilen vermag. Es wird unendlich viel zu trösten, zu verbinden, zu heilen, aufzuerbauen geben. Die Menschheit wird ausschauen nach Männern, die da fähig sind, ihr höhere, göttlichere Grundsätze zu geben, auf denen die Zukunft aufgebaut werden kann, nach Männern, die nicht nur Gott, sondern auch die Menschheit verstehen in ihrem Suchen und Harren, in ihrer Totheit und in ihrem Weh, nach
Männern, die nicht strafend und richtend vor einer aus tausend Wunden blutenden Welt stehen bleiben, sondern ihr jenen großen Retter zu bringen vermögen, der eine ganze Welt voll Weh und Tränen zu retten vermag.
Das wird der Kern der hohen und großen Mission der Zukunft sein. Und möchten wir in dieser Zeit der Prüfung innerlich vorbereitet werden, dass, wenn Gott ruft, wir mit gereinigten Lippen antworten können: »Hier bin ich, sende mich!«

Kapitel 3
Wie wird man Gottes Segensträger?
Und Elia, der Tisbiter, aus Tisbe-Gilead, sprach zu Ahab: So wahr der Herr, der Gott Israels lebt, vor dessen Angesicht ich stehe (1. Kön. 17,1). Da verließ Elisa die Rinder, lief dem Elia nach und sprach: »Lass mich noch Vater und Mutter küssen, dann will ich dir nachfolgen« (1.Kön. 19,20).
Auch die Propheten Gottes haben ihr Werden und ihre Geschichte. Sie kennen innere Konflikte und Entwicklungen und reifen vielfach unter vielen Stürmen und Kämpfen zu jenen Zeugen aus, durch die Gott reden kann. Noch nie stieg ein Prophet wie ein Engel Gottes von der Zinne des Tempels unter das Volk und verkündete demselben jene neue Lebensbotschaft, die die Sehnsucht nach dem kommenden Gottesreiche wecken und die Wartenden innerlich auf das Kommen derselben vorbereiten sollte. Auf diesem Wege sendet Gott uns seine Boten nicht.


Nicht einmal Jesus ist so zu uns gekommen. Auch nahm zu an Gnade und Weisheit und wuchs auf in der Mitte jenes Volkes, dem zu dienen er zunächst berufen war. Hatte auch die jüdische Messiashoffnung solche Vorstellungen und Erwartungen in der Seele des Volkes geweckt und genährt, dass der kommende Gesalbte unmittelbar von Gott erscheinen würde, und dass man nicht wissen werde, woher er komme, so waren das noch nie die Wege, auf denen Gott uns seine Boten sandte.
Nun ist zwar alles organische Werden zunächst von Geheimnissen umgeben. Auch die Anfänge von dem Werden der Gottesknechte. Nur selten wird es möglich sein, tief in diese hineinzuschauen. Lässt sich auch ein und die andere Erscheinung mit der Zeit beurteilen, die Geheimnisse des ersten Werdens werden uns doch mehr verborgen bleiben. Sie gehören zunächst noch in das Allerheiligste unseres Gottes. Die Schrift nennt es Erwählung. Erst mit der innerlich erlebten Berufung liegt das Werden der Gottesknechte mehr offenbar vor uns. Von da ab erkennen wir, wo die Quellgebiete ihres Lebens liegen und was ihr Dienen so reich und gesegnet macht, auch das der beiden Propheten Elia und Elisa.


Wenn wir nun auch nicht das erste Werden und das Geheimnis der Persönlichkeit bei jenen Männern, die Gott zu Trägern seiner Segnungen berief, zu zergliedern vermögen, da sich so vieles bei ihnen verborgen im Allerheiligsten ihres Innenlebens abspielte, so gab es doch anches, das allen gemeinsam war. Zunächst stand wohl bei allen fest, die Gott je zu seinen Propheten und Segensträgern berief, dass sie Persönlichkeiten waren, die lieben und leiden konnten,
bevor sie zu dienen verstanden. Eine leidende Welt kann nur durch Mitleidende gesegnet werden. Nicht durch Machtmittel der Kraft, sondern durch die Opfer der Liebe wird eine verlorene Welt erlöst. Wer nie innerlich trug das Leid der Welt, wird auch äußerlich nie die Not der Welt zu stillen vermögen. Erst die mitleidende Seele vermag Mittel zu finden und Wege zu gehen, die für sie vielleicht ein Opfer, für den Nächsten jedoch eine Erlösung bedeuten werden.


Gideon ist dafür ein typisches Beispiel. Er drosch Weizen auf der Tenne seines Vaters, als er vom Engel zum Richter Israels berufen wurde. Er hatte die Ernte nachts eingebracht, damit sie nicht in die Hände der Feinde fiele. Denn was in seinen Tagen Israel säte, das ernteten die Midianiter. Diese Schmach seines Volkes legte sich wie eine unerträgliche Last auf seine Seele.
Als nun Gottes Bote ihm erschien und ihn grüßte: »Der Herr mit dir, du streitbarer Held!«, da rang sich seine Seele gleich die Frage los: »Ach, mein Herr, ist der Herr mit uns, warum geht es uns dann so?«
Solche leidenden Seelen kann Gott gebrauchen, die findet er, wenn sie sich zunächst auch noch auf der Dreschtenne wie ein Gideon, oder beim Ochsenpfluge wie ein Elisa, oder im Diensthause eines Naeman wie die israelitische Magd, oder wie beim Sykomorenzüchten wie ein Amos, oder bei der Schafherde wie ein David aufhalten. Wäre es uns möglich, den Pulsschlag der Seele eines jungen Wichern, eines von Bodelschwingh, eines Moody, eines Luther, eines Hus
oder anderer zu hören, wir würden offenbar sehen, wie sehr sie innerlich litten und liebten, bevor sie gesandt wurden.
Weiter war allen Segensträgern gemeinsam die erlebte göttliche Berufung. Sie wussten sich von Gott berufen und nur von Gott gesandt. Von Gott empfingen sie ihre Aufträge und Gott gegenüber wussten sie sich verantwortlich für die Botschaft, die sie ihrem Volke und den einzelnen Gliedern desselben zu künden hatten. Was sie dienen ließ, waren nicht äußerliche Beweggründe, sondern innere Nötigungen, die Gottes Sendung zur Quelle hatten. Sie dienten auf Grund innerer Erlebnisse. Daher lehrten sie nicht, sondern dolmetschten, daher waren sie nicht Schriftgelehrte, sondern Propheten.
Sie hatten jene Warte gefunden, wo sie die Dinge ihrer Zeit in göttlichem Licht schauten. »So wahr der Herr lebt, vor dessen Angesicht ich stehe«, bezeugt Elia daher vor dem König Ahab. Gottes Angesicht, das war die Quelleihres Lichtes. Sie schöpften aus der Ewigkeit,
daher kündigten sie Ewiges. Es war weder eine religiöse noch eine nationale Warte, wo sie das Höchste schauten und das Tiefste erlebten. Es war das Sichversetztwissen in die unmittelbare Gegenwart Gottes. Was sie hier erlebten, war weit mehr als allein religiöse Reflexion und Anschauung, und was sie hier schauten, war weit mehr als eine national eingestellte politische Orientierung. Hier lernten sie die innere und äußere Stellung ihres Volkes und die Ereignisse der Zeit vom göttlichen Standpunkt aus beurteilen. Daher waren sie fähig, durch ihr Wort plötzlich völlig neues Licht auf die Verhältnisse ihrer Zeit fallen zu lassen. In der Beleuchtung, die sie den Dingen und Verhältnissen gaben, nahm alles einen ganz anderen Charakter an. 

Es wurden Tiefen offenbar, über die man sich bisher hinweggetäuscht hatte, es traten Gefahren in Sicht, die man nicht hatte sehen wollen, es wurden Schäden offengelegt, die den Ruin und den Zusammenbruch des Volkes unbedingt vorbereiten mussten.
Das bezeugen auch die Dienste der beiden Propheten Elia und Elisa. Sie sahen, was ihre Zeit nicht sah, sie redeten, was das Ohr ihres Volkes von anderen nicht hörte. Ihre Seele litt unter den herrschenden Zuständen im Volke und ihr Auge sah, dass ohne innere Beugung und Umkehr die Wege des Volkes in Gericht und Verderben führen müssten.
Und doch brannte ihre Seele in dem Verlangen, ihr Volk zu retten und ihren Brüdern zu dienen. Daher war ihr Wort so voll Feuer und Kraft, welches sie zu künden hatten. Sie rangen innerlich um das Leben des Volkes, daher stellten sie sich vielfach in direkten Gegensatz zum Volke und redeten wie ein unbestechliches Gewissen, das man nicht zum Schweigen bringen kann. Durch ihr Wort und Zeugnis stellten sie ihre Zeit immer wieder vor die Entscheidung und die
Wahl, mit Gott den Weg zum Leben, oder ohne Gott den Weg des Todes zu gehen.
Weiter ist auch allen Gottesknechten gemeinsam:
der Weg der Entsagung. Sie können Gegenwärtiges opfern, um Höheres zu empfangen.
Einen Elisa fand der Herr beim Pfluge. Als nun die göttliche Berufung an ihn erging, ein Bote Gottes und ein Segensträger für seine Brüder zu werden, so galt es für ihn, den Bruch mit seiner bisherigen Lebensstellung zu vollziehen. Das gemütliche Bauernleben musste er vertauschen mit dem unstetigen Leben eines Wanderpropheten mit all seinen Einschränkungen und
Entbehrungen. Auch mit der Feindschaft musste er rechnen, die in seinen Tagen gegen die wahren Propheten Gottes bestand, namentlich gegen Elia.
Aber wie später Paulus besprach er sich nicht lange mit Fleisch und Blut, sondern alsbald ließ er den Pflug und Ochsen und opferte dem Herrn. Denn er wusste sich hinfort an Gott gebunden.

Es gibt keine Segensträger, es sei denn, sie sind bereit, diesen Opferweg zu gehen. Jeder Segen für andere ist mit einem vorangehenden Opfer verbunden. Auch heute noch. Wer nicht im Glauben diese Opfer zu verbringen vermag, wird unfähig bleiben, seine Brüder zu segnen. Elisa konnte als reicher Bauernsohn ein frommer Israelit, aber kein Prophet Gottes sein.
Den Segen eines Prophetendienstes fand er erst, als er bereit war, Ochsen und Beruf liegenzulassen, um hinfort an Gott allein gebunden zu sein und von Ihm sich senden zu lassen.
Soll damit nun gesagt werden, dass auch ein jeder von uns seinen Beruf, seine Aufgaben in der Familie und so weiter aufgeben müsse, bevor man ein Segensträger für andere werden könne? Das liegt dem Zeugnis der Schrift völlig fern. Auf diesem Wege würde von uns niemals das erreicht werden, was Gott erreichen möchte. Aber wie es für einen Elisa Vorbedingungen gab, die erfüllt werden mussten, wenn er Gottes Bote sein wollte, so gibt es solche auch für uns.


Wenn man nun sagen sollte, worin diese für uns bestehen, dann müsste ich offen sagen: im einzelnen Fall weiß ich das nicht! Denn jeder Einzelne wird ganz individuell von Gott geführt und erzogen. Aber ganz allgemein darf man das sagen: Was sich uns je und je als Hindernis erweist, um für andere ein Segen zu werden, das gilt dem Herrn als Opfer freiwillig zu Füßen zu legen. Wer dazu bereit ist, mag äußerlich verlieren, aber wird innerlich Vollmacht erhalten, seinen Brüdern zu dienen.

Kapitel 4
Ein Bote des Lebens
So wahr der Herr, der Gott Israels lebt, vor dessen Angesicht ich stehe, es soll diese Jahre weder Tau noch Regen fallen, es sei denn, dass ich es sage! (1.Kön.17,1).
Es gibt viele Menschen, die sind nur das, was ihre Zeit aus ihnen machte. In der Gesinnung, in der Anschauung und Geistesrichtung ihrer Zeit finden sie das Programm ihres Lebens. Es gibt aber auch einzelne Persönlichkeiten, die das sind, was Gott aus ihnen machte.
Sie lassen sich von ihrer Zeit nicht das Programm ihres Lebens geben, sondern werden durch ihr Leben für ihre Zeit zum Programm. Denn sie haben sich innerlich nicht auf ihre Zeit hin, sondern auf Gott hin eingestellt. Ihre innerliche Orientierung finden sie nicht
im Geiste ihrer Zeit, sondern im Licht und in der Gesinnung Gottes. Sie sind nicht irdisch, sondern himm