Aus einem alten Brief, Matthias Claudius

12/29/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

„Es geht mir eben so, Andres, wenn ich in der Bibel von einem alten und neuen Bunde, von einer Verbindung und einem Verkehr zwischen dem HOCHSTEN Wesen und unserem Geschlecht lese, ich mache auch oft das Buch zu und falte die Hände, daß die Menschen vor Gott so hoch geachtet und wert sind!

Und man kann und kann den Mittler zwischen beiden nicht genug ansehen und lieben und mochte Ihn für 'andere mitlieben, die es nicht besser wissen
Aber es macht Dir graue Haare, schreibst Du, unseren HErrn Christus verkannt und verachtet zu sehen
- Du liebe gerechte Seele, mag es doch! Wer sie um Ihn tragt, der tragt mit Ehren graues Haar.
Zwar Seinetwegn brauchst Du Dir keine wachsen zu lassen Er will wohl bleiben, was Er ist So viele ihrer die Wahrheit nicht erkennen und nutzen, die haben des freilich Schaden, aber was kann es ihr schaden, ob sie erkannt und genutzt wird oder nicht? Sie bedarf keines, und es ist die Große und Herrlichkeit ihrer Natur, daß sie immer bereit ist, von Undank nicht ermüdet wird und wie die aufgehende Sonne mit den Wolken und Dunsten ringt, um sie zu reinigen und zu vergolden

Laß sie denn ringen, Andres, und brich Dir auch, um was Du nicht ändern kannst, das Herz nicht.
Wer nicht an Christus glauben will, der muß sehen, wie er ohne Ihn raten kann Ich und Du können das nicht Wir brauchen jemand, der uns hebe und halte, weil wir leben, und uns die Hand unter den Kopf lege, wenn wir sterben sollen, und das kann Er überschwänglich, nach dem, was von Ihm geschrieben steht, und wir wissen keinen, von dem wir's lieber hatten Keiner hat uns so geliebt. 

Und so etwas in sich Gutes und in sich Großes, als die Bibel von ihm saget und setzet, ist nie in eines Menschen Herz gekommen und über all sein Verdienst und Würdigkeit. Es ist eine heilige Gestalt, die dem armen Pilger wie ein Stern in der Nacht aufgehet und sein innerstes Bedürfnis, sen geheimstes Ahnden und Wünschen erfüllt.
Wir wollen an Ihn glauben, Andres, und wenn auch niemand mehr an Ihn glaubt Wer nicht um der anderen willen an Ihn geglaubt hat, wie kann der um der anderen willen auch aufhören, an Ihn zu glauben'
Doch dem sei, wie ihm wolle, Andres, wir glauben der Bibel aufs Wort und halten uns schlecht und recht an das, was die Apostel von Christus sagen und setzen
Die Ihn selbst gesehen und gehört haben und an Seiner Brust gelegen sind, die sind Ihm doch naher gewesen als wir und die anderen Und was auch bisher unter den Gelehrten erfunden sein mag, und wie gut sie auch wissen und verstehen mögen, so scheint es doch die Wahrheit, zu sagen, daß die Apostel es besser wissen und verstehen müßten.
Lebe wohl, Andres, und schreibe bald wieder.

Dein Matthias Claudius'

Bin volles Heil für Jeden Schaden
für jedes Herz ein volles Heil!
Schöpf aus dem reichen Born der Gnaden
dein zugesagtes volles Teil!
Was mit dem höchsten Preis errungen,
mit Christi Leiden Christi Blut
das ist - o glaub es dankdurchdrungen -
ein unverkürzt vollkoninines Gut
H. J. Breiter

Samenkörner