Es ist schon längere Zeit her, als eine alte Chinesin müde und gebückt nach der Stadt Huang-yen wanderte Sie wohnte ungefähr dreißig Kilometer von der Stadt entfernt in einem kleinen Dorfe, wo ihr Mann Polizeidiener war. Als fromme Buddhistin hatte sie alles versucht, um für ihre Seele Frieden zu finden, aber vergeblich. Sie hatte manche Wallfahrt nach berühmten Heiligtümern gemacht und sich redlich mit tausenderlei religiösen Verrichtungen abgeplagt, aber' ihr Herz war unglücklicher denn je. Nun kam das Alter, und wenn all ihre Kasteiungen und Bußübungen nichts fruchteten, was soll dann mit ihr geschehen)
Heute nun war Markttag in Huang-yen, da hatte sie manches zu besorgen Als sie mitten unter den Leuten auf dem Markte stand, horte sie auf einmal von den «Jesus-Leuten» reden und von Missionaren, welche diese neue Lehre verkündigten. Die Missionare hatten vor kurzem in der Stadt eine Station gegründet. Sie lauschte dem Gespräch eine geraume Weile und wurde bestärkt in dem Gefühl: «Ich muß zu diesen Jesus-Leuten gehen.
» Sie fragt nach deren Station und eilte so schnell sie konnte und ihre alten Fuße sie zu tragen vermochten, in die bezeichnete Straße. Dort wurde sie von dem eingeborenen Missionar Tschu Sienjeng freundlich aufgenommen Er merkte bald, daß er es mit einer tiefbetrübten. Seele zu tun hatte und machte sie mit der wunderbaren Liebe Gottes bekannt und dem vollbrachten Erlösungswerk des Herrn. Jesu. «Du brauchst nichts mehr für deine Errettung zu tun, Lao-Nai-Nai, der Herr Jesus hat schon alles für dich getan. Im Kreuze findest du volle Erlösung und. Frieden für deine Seele«, erklärte ihr Tschu Sienjen. Das war wirklich Balsam für ihre heilsverlangende Seele Wie verwundert und wie beglückt war die arme Alte, als . sie hier zum erstenmal in ihrem Leben hörte, daß man ohne Geld und ohne Kaufpreis, ohne schwere Werke und ohne Mar-
tyrium, frei und umsonst Vergebung der Sünden .und das ewige Leben erlangen kann. Voll Glück und Frieden kehrte Lao-Nai-Nai in ihr Dorf zurück.
Bald darauf durfte sie eine wunderbare Erfahrung davon machen, wie der große Gott, den sie kennengelernt, mächtig ist zu helfen. In dem Landbezirk, für den ihr Mann verantwortlich war, wurde ein Mord verübt. Der Verbrecher entkam und konnte nicht ausfindig gemacht werden. Der Mandarin wurde deshalb sehr erzürnt und verhängte über den Polizeibeamten, den Gatten unserer Lao-Nai-Nai, eine Strafe, weil derselbe, wie er meinte, den Verbrecher hatte laufen lassen. <'Laßt ihn den Mörder suchen», rief er wütend, <'und verhaftet unterdessen seinen Sohn, bis der Uebeltäter selbst gefunden ist!»
So wurde der einzige Sohn des armen, alten Elternpaares, ein hoffnungsvoller, braver junger Mensch ins Gefängnis geliefert und ihm sogar die Todesstrafe angedroht, wenn der eigentliche Uebcltäter nicht bald zum Vorschein käme. Zu diesem letzteren war nun gar keine Aussicht, und so brach den armen alten Leuten fast das Herz. Tief betrübt wanderte die Mutter nach Huang-yen, um sich bei dem Missionar Trost zu holen. Als er ihre Sache hörte, sagte er: «Liebe Frau, es steht uns kein anderes Mittel zu Gebote, als uns mit dieser Not an den großen Gott und Vater im Himmel zu wenden; Er hat die Herzen aller Menschen in Seiner allmächtigen Hand; Er kann auch das Herz des Mandarins lenken, daß er deinen Sohn los gibt.
'> Dann betete er in aller Einfalt und Zuversicht mit ihr uni die Freilassung des Sohnes. '<So, Lao-Nai-Nai», sagte er dann, «jetzt haben wir die Sache in Gottes Hand gelegt. Geh' nun nach Hause, gehe in Frieden! Deinen Kummer, dein Anliegn hast du jetzt dem Herrn übergeben, da mußt du es nun auch lassen.>' Völlig getröstet ging Lao-Nai-Nai davon, und als sie in ihrem Dorfe ankam, erzählte sie voll Freude, ihr Sohn werde bald aus dem Gefängnis befreit werden. Die Nachbarn, die den harten und ungerechten Mandarin kannten, glaubten ihr das natürlich nicht, warteten, aber doch neugierig den Ausgang der Sache ab.
Als jedoch nach wenigen Tagen wirklich der Mandarin den jungen Mann, nachdem er ihn fast zu Tode geprügelt, freiließ, kannte ihre Verwunderung keine Grenzen. Die dankbare Mutter indessen kniete inmitten der aufgeregten Bekannten mit ihrem Schrie nieder und dankte dem großen Gott, ihrem guten Gott und Vater, öffentlich für Seine wunderbare Erhörung und Rettung. Die Nachbarn bekamen nun auch Verlangen, das Evangelium zu hören, und Gott segnete es. -
Aus <'Geschichte der China-Inland-Mission».
Ein Gewitter im Gebirge
Zwei Kinder spielten am Abhang eines Berges, als ein schreckliches Gewitter losbrach. Bald darauf begann es auch zu schneien und tiefer Schnee bedeckte in kurzer 'Zeit die Erde, so daß die Kinder die Wegrichtung verloren und sich verirrten. Schließlich wurde es derart kalt, daß sie nicht weitergehen konnten. Durchnäßt und vom Schlaf überwältigt legten sie sich an einen Felsblock geschmiegt nieder, der ihnen ein wenig Schutz bot. Vor dem Einschlafen sagte der jüngere zu seinem Bruder:
«Beten wir, so wie wir es bisher jeden Abend getan haben!»
Beide knieten nieder und begannen zu beten. In demselben Augenblick ging nahe an der Stelle, wo sich die Kinder befanden, ein Mann vorüber. Da er fürchtete, sich in der Nacht zu verirren, beschleunigte er seine Schritte, um bald sein Haus zu erreichen, hatte aber heftig gegen Wind und Schnee zu kämpfen; da hörte er in nächster Nähe eine sanfte Stimme sprechen. Er blieb stehen, horchte und folgte der Richtung, aus welcher die Stimme herkam. Und gleich darauf entdeckte er die vor Kälte fast erstarrten Kinder.
Er nahm sofort das, kleinere der beiden Kinder auf seinen Arm und führte das andere an der Hand. Nach kurzer Zeit mußte er aber beide Kinder tragen, weil auch das ältere vor Kälte nicht mehr zu gehen imstande war.
Unter einer solchen Last konnte er nur ganz langsam vorwärts kommen, begegnete aber glücklicherweise dem Vater der Kinder, der sich mit einer Laterne versehen hatte und sie zu suchen ausgegangen war. Welch eine glückliche Begegnung! Alle dankten Gott an diesem Abend, daß der Retter die Stimme des kleineren Knaben gehört hatte, als er vor dem Einschlafen betete.
Aus der Dunkelheit zum Licht
«Begraben im Schutt der Augenlust und Eitelkeit», so erzählt uns eine Freundin, «lag immer ein stiller Zug zu Gott in meinem Herzen, denn treue Muttergebete hauen meine Kindheit umhegt, und sie war mir ein Vorbild gewesen, diese gute Mutter, der ich treuer hätte nachfolgen sollen. Abe'r zunächst war ich darauf aus, die Welt zu sehen und zu geniessen. Ich ging als Erzieherin nach England und fand sehr angenehme Stellung und viel freie Zeit, lernte die Großstadt kennen mit all ihrem bunten Leben und Treiben, vertiefte mich in Kunst und Wissenschaft, fatid aber auch liebe, ernste Freunde, die einen tiefgreifenden Einfluß auf mich ausübten. Eine liebe Dame besonders war's, eine entschiedene freundliche Christin, die mich oft
einlud und mir viel erwies.
«Kind», sagte sie einmal und schaute mich so ernst und eindringlich an, «Kind, ich möchte es dir doch so gerne wün$hen, daß du eine wahre Christin würdest!»
«Wie? Sie meinen, das sei ich nicht? Ich gehe doch oft zur Kirche und tue doch wirklich nichts Böses?»
«Wohl, aber wenn ich deine Eitelkeit sehe, dein ganzes Wesen und Leben betrachte. .
Ich war ihr erMtlich böse und wollte sie nicht wieder besuchen, wenn sie nur nicht so gut, so herzensgut gewesen wäre! Sie brachte mich doch zum Nachdenken. ich wollte gerne fromm und gut werden und brachte es aber nicht fertig. Oft nahm ich mir morgens vor, während ich mir die Locken brannte und ausgedehnte Toilette machte: «Heute willst du einmal ganz für Gott leben», und wenn ich dann abends mein Tagewerk überblickte, war wieder mit allem nichts geworden und ich fühlte mich sündig, unrein und unglücklich.
Da wechselte ich meine Stellung und wurde Reisebegleiterin bei einer anderen Dame. Sie war vornehm, klug und liebenswürdig, an Mitteln fehlte es nicht, nichts brauchte sie sich zu versagen. An Gott und den Himmel glaubte sie nicht, sie wollte sich den Himmel auf Erden schaffen. Wir reisten durch Frankreich, die Schweiz und Italien und ich sah ein herrlich Stück Gottesnatur. Dann gings nach Spanien. Mir aber wuchs trotz allen Lebensgenusses still und tief im Herzen die Sehnsucht nach Gott. Ich liebte die grossen spanischen Kathedralen und flüchtete mich gerne in ihr geheimnisvolles Halbdunkel; all die bunten Sehenswürdigkeiten liessen mich unberührt ich versuchte zu beten - o, hätte ich's nur gekonnt!
Aber «Gott wohnt nicht in Tempeln mit Menschenhänden gemacht«. Dann fuhren wir von Gibraltar hinüber nach Marokko. Es war ein zauberhaftes land und jeder Tag brachte neue Eindrücke. Aber was ich suchte, fand ich nicht. Eines Abends vor Sonnenuntergang stand ich allein auf der Veranda unseres Hotels; in purpurner Glut sank die Sonne im Westen ins Meer und beleuchtete tausendfarbig den stillen Hafen mit seinen vielmastigen Schiffen, die Stadt mit ihen vielen Türmen, die Felsen, die weite feierliche See.
Es war mir so wunderbar, so heimwehvoll zu Mut und meine Seele spannte ihre Flügel aus, der unbekannten Ewigkeit entgegen. Da trat aus einem Hause ein Araberjunge heraus in langem weißen Gewand, der Ausdruck seines Gesichtes war ernst und voll echter Andacht, und er warf sich in dem kleinen Hofraum zum Gebet nieder, das Antlitz nach C*ten gewandt. Die letzten Sonnenstrahlen vergoldeten seine jugendliche Gestalt. ich wußte, er betete wirklich zu seinem unbekannten Gott, und ich eine «Chri-
stin», die soviel vom wahren Gott wußte, von Jugend an auf Jesus hingewiesen war, konnte nicht beten Ein bitterer Schmerz durchdrang meine Seele, ein Strom von Tranen brach mir aus dem Auge - die Sonne war gesunken, schnell folgte die Dunkelheit. Ich aber schlüpfte allein hinauf in mein Stübchen; ich horte nicht die lärmende Tanzmusik, die von unten heraufdrang; ich warf mich vor Gott nieder wie jener Araberjunge und versuchte zu beten Ich meinte Ihn finden zu müssen, meine Seele schrie nach Ihm.
Aber ich fand keinen Durchbruch! Ich litt und schwieg
Wir reisten zurück nach England und verbrachten den Winter in den Vergnügungen der Hauptstadt Von da an las ich aber viel in der Bibel, ging von einer Kirche zur anderen und wartete vergeblich auf das erlösende Wort. Wie leer schienen mir jetzt all die Dinge, die mich früher so angezogen haften. Nur aus Pflicht begleitete ich meine Dame an all die Orte des Glanzes und der Pracht Sie mußte wohl viel Geduld mit mir haben in jener Zeit.
Aber Gott war nahe und suchte meine Seele. Ein Herr, der viel in unserem Hause verkehrte, schlug mir einmal vor, ihn doch in eine Versammlung zu begleiten, die nicht weit von unserer Wohnung gehalten wurde und der am Sonntag Tausende zuströmten. Ich hielt diesen Vorschlag erst für Scherz und wies ihn ab. Es schien mir nicht schicklich und fein für eine Dame, an einen Ort zu gehen, wo die Masse des Volks sich drängte! Aber mein Begleiter war ein so freundlicher und geachteter Mann, daß ich schließlich meine Zustimmung gab Eine Freundin schloß sich uns an und er verschaffte uns Plätze in der vordersten Reihe.
Tief traf mich der Blick des Redners, eines würdigen älteren Mannes; es ging Kraft und Geist von ihm aus und eine brennende Jesusliebe sprach aus all seinen Worten. Schon als er das Lied ausgab: «Du gnadenreicher Gott, Du Zuflucht aller Armen», erzitterte ich im tiefsten Herzen; ich wußte, er redete ftir mich, und das Bild des Gekreuzigten stand mir vor der Seele wie nie zuvor; der Feuerfunke des Heiligen Geistes fiel auch in mein Herz in jener Stunde.
Daheim habe ich lange gekämpft und gerungen, ehe ich Frieden fand, es war eine Nacht, in der Satans Macht auf dem Plan war, um mich zurückzuhalten und irre zu machen. Endlich aber schrie ich aus tiefster Not: «Herr, erbarme Dich meiner! Rette mich, denn Du starbst für Sünder!»
Da endlich wurde es licht in meinem Herzen und göttliche Freude überflutete mich, Freude, die mich nie mehr verlassen hat. Es war, wie wenn in einer lauen Nacht die grüne Frühlingsknospe am Baum die braune Schale sprengt und mit Macht hervorbricht. Ich war gerettet, und in mir erklang ein Dankespsalm Seither hat es mich immer wieder zur Arbeit an den Gefallenen und Verlorenen gezogen, mein Leben genießen, das war nicht mehr meines Daseins Zweck, nein, leben mit Gott und 9hm dienen und arbeiten zur Ehre meines Herrn, das wurde meine höchste Freude.»
Der Landpfleger Pontius Pilatus
In Bezug auf die Stellungnahme zu der Person des Herrn gibt es keine Neutralität. Entweder bekennt man sich zu Jesus Christus, oder man tut es nicht Das mußte auch der romische Landpfleger, Pontius Pilatus, erfahren Er hafte zu entscheiden, ob Christus schuldig oder nicht schuldig war. Vergeblich versuchte er durch allerhand Ranke dieser Entscheidung auszuweichen Wenn auch der ganze Leidensweg des Herrn nach der göttlichen Vorausschau diesen Weg nehmen mußte, so war doch Pilatus für alles, was er tat, voll verantwortlich. Aus den Berichten der Evangelien geht klar hervor, dass der Landpfleger die wahre Absicht der Juden, Jesus zu töten, wohl erkannte, und daß sie also einen gemeinen Justizmord von ihm verlangten. Cceirnal bestätigte Pilatus die Unschuld des Herrn. Aber warum gab er denn den Herrn dennoch nicht. frei! Einerseits mußten die Gedanken Gottes der
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