Lied
Jerusalem, du Königsstadt,
Du einzige, die Dauer hat,
Wann alle Städte sinken!
Wann diese Erde wird vergehn,
Wann Sonn und Mond wie Spreu verwehn,
Dann wird dein Licht uns blinken
Zwölf Edelsteine sind gelegt,
Apostelnamen eingeprägt
In deiner Mauer Gründe;
Auf deiner Perlentore Höhn
Die Namen von zwölf Fürsten stehn
Des Volks der ewgen Bünde.
So sind, soweit das Auge blickt,
Dir Gottes Wunder aufgedrückt.
Doch wird, wann wolkenlos das Licht
Durch die kristallne Mauer bricht,
Sein Sonnenglanz sich mildem.
Wer aber kann das Strahlenmeer,
Das sich vom Thron des Lammes her
Ergießt, nach Würden schildern?
Da schaute jedes Aug sich krank,
Das nicht vom Lebensstrome trank.
Hier ist die Friedensstadt zu sehn,
Wo stets die Tore offenstehn;
Den Tag drückt keine Hitze,
Und von den Nächten weiß sie nichts;
Es wallen Ströme ewgen Lichts
Von ihres Königs Sitze.
Der seligen Bewohner Kleid
Ist fleckenlose Heiligkeit.
o selges Volk in edler Zier,
o wär ich heute schon bei dir
Und säß in deiner Mitte!
Noch wall ich mild die Pilgerbahn,
Auf der Gefahren mich umfahn,
Mit ungewissem Schritte;
Doch blick ich hoffend stets empor
Zu deinem hohen Perlentor.
(Christian Barth, 1799-1862)