Kinder

05/09/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Geschichten für Kinder

Nina Roesner, Debbie Hitchcock, Pulverfass Pubertät

08/06/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Nina Roesner

Nina Roesner ist die Leiterin von „Greater Impact Ministries“, einer christlichen Organisation, die Menschen dabei helfen will, persönlich und geistlich zu wachsen. Sie ist Expertin im Bereich Beziehungen und zwischenmenschliche Kommunikation und lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nahe Cincinnati.

Debbie Hitchcock
Debbie Hitchcock arbeitet bei „Greater Impact Ministries“. Sie ist eine vielgefragte Referentin bei Frauenwochenenden und -konferenzen, insbesondere zum Thema Erziehung. Zusammen mit ihrem Mann lebt die Mutter von vier erwachsenen Kindern in der Nähe von Cincinnati.

Ein Vorwort von Nina

Vielleicht haben Sie schon einige gute Erziehungsbücher gelesen, und dieses Buch ist nur ein weiterer Schritt auf Ihrem Weg. Vielleicht fühlen Sie sich überfordert und unsicher, wie Sie mit Ihren Kindern – den Teenies und denen, die die magische Grenze von 13 noch nicht ganz erreicht haben – umgehen sollen, und hoffen, dieses Buch kann Ihnen die nötigen Tipps geben, damit Sie Ihrem Erziehungsauftrag als Mutter besser nachkommen können.
Trösten Sie sich: Sie sind nicht allein.
Dieses Buch wendet sich an Mütter von angehenden und „ausgewachsenen“ Teenagern.
Uns ist natürlich bewusst, wie wichtig der Einfluss des Vaters auf die Familie ist, aber gleichzeitig wissen wir, dass die Mütter im Durchschnitt mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen als die Väter. Daher liegt der Fokus hauptsächlich auf der Rolle der Mutter, obwohl wir natürlich auch die Beziehung der Kinder zum Vater und die Erziehung innerhalb der ganzen Familie ansprechen.
Dieses Buch will Ihnen als Mutter helfen, die stürmischen Gewässer der Pubertät Ihrer Kinder zu durchschiffen.

Wir stellen Ihnen Kommunikations- und Beziehungsstrategien vor, die Sie umsetzen können, bevor die Probleme auftauchen. Dadurch wird es Ihnen gelingen, langfristig gesündere Beziehungen aufzubauen, auch wenn es natürlich weiterhin Konflikte geben wird, denen Sie nicht aus dem Weg gehen sollten. Wir hoffen von Herzen, dass Sie durch dieses Buch lernen, mit Konflikten kon-struktiv umzugehen. Natürlich werden Sie nach der Lektüre nicht die perfekte Supermutter sein. Und auch Ihr Kind wird durch die Umsetzung unserer Tipps kein Vorzeigeteenie. Wir verfolgen ein anderes Ziel.
Wenn Ihr Teenie Ihnen schon einmal an den Kopf geworfen hat: „Du verstehst mich einfach nicht!“, wollen wir Ihnen helfen, wie Sie eine bessere Beziehung zu Ihrem Kind entwickeln können.
Dieses Buch richtet sich auch an all die Mütter, denen es schwerfällt, die Kontrolle aus der Hand zu geben, während ihre Kinder älter werden. Darüber hinaus ist es für Mütter geschrieben, die ihre Identität vom Verhalten ihrer Kinder abhängig machen und deshalb Probleme haben. Wir wollen Ihnen helfen, Ihre Kinder so zu sehen, wie Gott sie sieht: als kostbare Menschen. Dann können Sie durch Empathie und aufmerksames Zuhören die Früchte einer starken Beziehung ernten. Und wir wollen Eltern dazu ermutigen, ihren Kindern Grenzen zu setzen und diese auch selbst zu respektieren.
Die Kindererziehung ist ein Bereich, den Gott dazu gebrauchen kann, dass wir unsere Identität nicht von Menschen abhängig machen, sondern von ihm. Es kommt entscheidend darauf an, was Gott über uns denkt, nicht, was unsere Kinder von uns halten.
Das erste und wichtigste Gebot ist, Gott mit unserem ganzen Herzen, unserer ganzen Seele, unserem ganzen Verstand und unserer ganzen Kraft zu lieben. Das zweite Gebot lautet, dass wir unsere Mitmenschen lieben sollen wie uns selbst. Beim Lesen der einzelnen Kapitel werden Sie Ihre Beziehung zu Gott vertiefen. Und das wird Auswirkungen auf Ihre Beziehung zu Ihren heranwachsenden Kindern haben.
Als Eltern erwarten wir oft von unseren Kindern, dass sie sich an alle Regeln halten. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass wir es mit unvollkommenen Menschen zu tun haben – genauso wie wir selbst unvollkommen sind. Es geht darum, sie zu begleiten, wenn sie Fehler gemacht haben und etwas wieder in Ordnung bringen müssen. Und wir wollen sie anleiten, wie sie Gott und ihre Mitmenschen lieben können.
Der Schlüssel zu einer solchen Beziehung ist der Respekt. Es mag ungewöhnlich klingen, dass Sie Ihren Kindern mit Respekt begegnen sollen. Viele Eltern glauben, dass Kinder ihre Eltern respektieren sollten – das sehen wir genauso –, aber wir finden auch, dass Eltern ihren Kindern Respekt entgegenbringen sollten. Die meisten Erziehungsexperten sagen, Charakter und Verhalten werden in erster Linie durch das Vorbild der Eltern geprägt und weniger durch Worte. Deshalb ist es unser Ziel, eine Einstellung und ein Verhalten zu fördern, das von gegenseitigem Respekt geprägt ist und in dem gesunde Beziehungen gedeihen. Das ändert nichts an Ihrer Autorität als Eltern und ändert auch nichts an der Verantwortung für die Familie, die Ihnen Gott übertragen hat. Aber wenn Sie Ihren Kindern mit Respekt begegnen, kann das langfristige negative Folgen verhindern und gesunde Beziehungen schaffen.
Wenn Sie dieses Buch durcharbeiten, wird Ihre Beziehung zu Gott vertieft und Sie werden wahrscheinlich erleben, dass Ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach und nach besser werden. Sie werden Tipps bekommen, wie Sie Konflikte lösen können, und Ratschläge von anderen Eltern, die erzählen, was ihnen geholfen hat. Aber viel wichtiger ist, dass Sie einen anderen Blick dafür bekommen, wie Sie mit Ihren Kindern umgehen.
Vergessen Sie aber vor allem eines nicht: Selbst Gott hatte Kinder, die nicht vollkommen waren und die ihm nicht gehorchten! Mich tröstet bei diesem Erziehungsabenteuer die Geschichte von Adam und Eva.
Wir wünschen uns, dass dieses Buch Sie ermutigt für Ihre große Erziehungsaufgabe an Ihren heranwachsenden Kindern. Suchen Sie immer wieder das Gebet und geben Sie nicht auf! Alle Kämpfe sind Teil des Weges, sowohl Ihres eigenen Weges als auch des Weges Ihrer Kinder. In der Bibel steht: „Bring dein Kind schon in jungen Jahren auf den richtigen Weg, dann hält es sich auch im Alter daran“ (Sprüche 22,6; Hervorhebung durch die Autorin). Das mit dem Alter bedeutet für mich, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Nina Roesner

Ein Vorwort von Debbie

2006 wusste ich bei einem meiner Teenager nicht mehr weiter. Ich hatte schon zahlreiche Erziehungsbücher gewälzt, um die Konflikte, die bei uns zu Hause immer irgendwie brodelten, zu lösen; ich hatte viel in der Bibel gelesen, Seminare besucht und auch den Rat von christlichen Seelsorgern gesucht. Verwandte und Freunde gaben mir Tipps, aber sie waren unterschiedlicher Meinung, was das Beste sei, und nichts schien wirklich zu helfen. Mein Mann und ich waren wie gelähmt. Uns graute vor der Zukunft. Nachdem wir monatelang gebetet und Seelsorge in Anspruch genommen hatten, trafen wir die schwerste Entscheidung, die wir je in unserem Leben getroffen haben: Wir brachten eines unserer Kinder für kurze Zeit in einer Einrichtung unter.
Wir hofften, dass der räumliche Abstand uns helfen würde, Ruhe in die Familie zu bringen, in der ein Krieg getobt hatte. Doch stattdessen erwartete uns in dieser Zeit viel Arbeit; die schwerste Arbeit, mit der ich je konfrontiert worden bin. Jede Woche fand ein Telefongespräch statt, bei dem mein Mann und ich an einem Ende der Leitung saßen und unser Teenager und der Therapeut am anderen Ende. In dieser Zeit fiel mir irgendwann auf, dass ich anfing, mir genau zu überlegen, was ich zu meinem Kind sagte, und mir die Worte zurechtlegte. Es waren Worte, die dem anderen gegenüber Verständnis, Offenheit, Respekt und Liebe zum Ausdruck brachten. Es war erstaunlich, wie sich unsere Gespräche veränderten, weil sich unsere Sichtweise geändert hatte und wir jetzt eine emotional gesunde Beziehung anstrebten.
Bei der Situation, in der wir steckten, ging es nicht nur um dieses Kind, sondern auch ganz stark um uns selbst. Wir konnten nur etwas bewirken, wenn wir unserem Kind halfen, in der Welt zurechtzukommen, und wenn wir zuließen, dass es aus den natürlichen Konsequenzen des Lebens lernt. Wir mussten damit aufhören, auf jede Situation emotional zu reagieren.
In dieser Zeit wurde in unserer Gemeinde ein Kurs für Frauen angeboten, von dem ich schon viel Gutes gehört hatte. Mein Interesse war geweckt, und schließlich meldete ich mich an. Diese Entscheidung hat im wahrsten Sinn des Wortes mein Leben verändert.
Bei diesem Kurs, der von Nina Roesner konzipiert worden war, ging es darum, das eigene Leben kritisch unter die Lupe zu nehmen: Was erlebe ich und wie reagiere ich auf das Erlebte. Wir lasen gemeinsam Texte und erhielten Aufgaben, denen wir uns stellen mussten. Sie ermutigten die Teilnehmer, das eigene Verhalten aktiv zu verändern. Dieser Kurs hatte deshalb eine so große Wirkung, weil die Trainingsmethoden auf der Bibel basierten und der Heilige Geist wirkte. Ich erlebte, wie ich selbst und die anderen Frauen radikal verändert wurden. Wir lernten, wie man mit schwierigen, konfliktreichen Beziehungen umgeht.
In dieser Zeit riefen mich immer wieder Eltern an, die Probleme mit ihren Kindern hatten. Dass mein Mann und ich erst kurz zuvor drastische Schritte mit einem unserer Kinder ergriffen hatten, war nicht unbemerkt geblieben, und plötzlich begleitete ich andere Eltern bei ihren Problemen. Ihre Situation war manchmal ganz anders als unsere, aber die Strategien, die ich gelernt hatte, ließen sich trotzdem anwenden. Ich sah, dass ich nicht die einzige Mutter war, die mit einer schweren Situation fertigwerden musste.
2011 führte ich dann zusammen mit Nina Roesner einen Kurs für Eltern durch. Mein Mann und mehrere Pastoren unterstützten uns dabei. Unser Ziel war es, Eltern mit der Kernaufgabe ihrer Erziehungsarbeit, die ihnen von Gott übertragen ist, vertraut zu machen: den Kindern helfen, selbständig in der Welt zurechtzukommen!
Im Laufe der Jahre konnte ich erleben, wie sich die Beziehungen in meiner eigenen Familie veränderten und wie Gott auch in anderen Familien wirkte. Ich bin dankbar, dass ich mit eigenen Augen sehen durfte, welche Veränderungen möglich sind, wenn sich Eltern bewusst dafür entscheiden, ihren Kindern respektvoll zu begegnen, und Zeit und Kraft in die familiären Beziehungen investierten.
Als Mütter müssen wir uns aktiv dazu entscheiden, die Kontrolle aus der Hand zu geben, unsere Ängste abzulegen, unsere Kinder mutig hinaus ins Unbekannte ziehen zu lassen und zu vertrauen, dass Gott für jeden Schritt, den unsere Kinder gehen, einen Plan hat. Wir dürfen Träume haben für unsere Kinder, aber wir brauchen unseren Selbstwert nicht von diesen wunderbaren Geschöpfen abhängig zu machen, die Gott uns als Leihgabe für eine gewisse Zeit anvertraut hat.
Dieses Buch wird Sie herausfordern, Gottes Wort zu lesen, seinem Auftrag gehorsam zu sein und Gewohnheiten aufzugeben, durch die Beziehungen oft zerstört werden. Gehen Sie das Risiko ein, sich selbst verändern zu lassen, um auf Ihre Familie einen positiven Einfluss zu haben.
Es ist meine Hoffnung und mein Gebet, dass Sie Gott durch dieses Buch auf tieferer Ebene kennenlernen. Möge es Ihnen den nötigen Antrieb geben, damit Sie Ihre Kinder ohne Angst in die Welt ziehen lassen können und gleichzeitig wissen, dass Gott alles unter Kontrolle hat.
Debbie Hitchcock

Erwartungen

Warum wollen Sie dieses Buch lesen? Weil Sie Kinder haben, die in der Pubertät sind oder kurz davorstehen? Weil Sie die Beziehung zu Ihrem Teenager verbessern wollen oder sich eine atmosphärische Veränderung in Ihrer Familie wünschen? Vielleicht sind Sie aber auch gar nicht sicher, ob Sie dieses Buch überhaupt brauchen. Wenn Sie sich mit anderen Familien vergleichen, wird Ihnen klar, dass es auch noch viel schlimmer sein könnte. Aber selbst wenn Sie eine gute Beziehung zu Ihrem Kind haben, wer sagt denn, dass sie nicht noch besser werden könnte?
Normalerweise haben wir Erwartungen an unsere Kinder; wir haben Träume, was sie im Leben einmal erreichen und was für Menschen aus ihnen werden sollen; wir wünschen uns, dass sie ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, besonders vor unseren Freunden. Bei diesen Erwartungen geht es um Dinge, die sie tun oder lassen sollen. Je nachdem, ob unsere Kinder diese Erwartungen erfüllen, können sie uns ein Lächeln aufs Gesicht zaubern oder in Verlegenheit bringen. Aber oft vergessen wir, auch an uns Eltern Erwartungen zu stellen. Wir kritisieren, fordern, stellen Regeln für unsere Kinder auf und hoffen auf positive Veränderungen. Aber trotzdem bleiben wir gefangen in diesem Teufelskreis aus Enttäuschung und Angst, dass unsere Träume vielleicht nie wahr werden. Dabei vergessen wir manchmal – oder uns ist vielleicht noch nicht bewusst geworden –, dass wir aus diesem Kreislauf auch ausbrechen können, wenn wir bereit sind, unsere Erwartungen an unsere Kinder aufzugeben, und stattdessen Erwartungen an uns selbst stellen.
Wenn wir in diesem Buch von Erwartungen sprechen, ist uns bewusst, dass dieses Wort sowohl positive als auch negative Aspekte hat. Es ist ungesund und wir setzen uns nur Enttäuschungen aus, wenn wir erwarten, dass unsere Kinder die Träume erfüllen, die wir selbst nie verwirklichen konnten. Dagegen ist es angemessen, wenn wir erwarten, dass wir uns selbst auf eine bestimmte Weise verhalten, um im Umgang mit unseren Kindern besser klarzukommen. Die meisten Eltern wünschen sich von ihren Kindern ein positives Verhalten, aber ohne das nötige Verständnis und die Grundlage für bleibende Veränderungen erreichen sie zwar vielleicht, dass sich ihre Kinder gut benehmen, aber mehr auch nicht. Letztendlich muss die Veränderung aus dem Herzen kommen, und Herzen werden durch Beziehungen verändert. Deshalb ermutigen wir Sie, die Erwartungen zu überprüfen, die Sie an sich selbst stellen, um Ihre Beziehung zu verbessern.
Eine Erwartung an Sie selbst könnte etwa so aussehen: „Ich werde nicht mehr laut, wenn ich sehe, dass mein Sohn sein Fahrrad abends draußen stehen lässt“ oder: „Ich werde keine kritischen Bemerkungen mehr über die neue Frisur meiner Tochter machen, auch wenn ich sie furchtbar finde“ oder: „Ich werde mich bewusst dafür entscheiden, mich ruhig auf einen Konflikt einzulassen, statt wütend oder ausweichend zu reagieren, wenn Probleme angesprochen werden müssen“.
Als Eltern sollten wir uns nicht darauf fixieren, dass unsere Kinder alle unsere Erwartungen erfüllen, sondern lieber Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich unser Kind zu dem Menschen entwickelt, zu dem Gott es geschaffen hat. Aber letztendlich entscheidet unser Kind selbst, was es tut. Vergessen Sie nicht: Unser Ziel ist es, eine gute Beziehung zu unserem Kind zu haben, es bedingungslos zu lieben und es in seinem Leben zu begleiten.
Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit und bitten Sie Gott, Ihnen drei greifbare Ergebnisse zu zeigen, an denen sichtbar werden würde, dass Sie Fortschritte dabei machen, alte Erwartungen aufzugeben, die Kontrolle aus der Hand zu geben und neue, angemessene Erwartungen zu entwickeln. Machen Sie sich bewusst: Wirklich beeinflussen und kontrollieren können Sie nur Ihr eigenes Verhalten. Achten Sie darauf, dass diese Ergebnisse messbar sind, damit Sie, wenn Sie die Liste später wieder durchgehen, erkennen können, ob sich etwas verändert hat. Auf diese Bereiche sollten Sie sich konzentrieren. Eine Seite in Ihrem Tagebuch könnte vielleicht so aussehen:

Erwartungen an mich als Mutter

Ich werde eine Möglichkeit finden, mir mindestens einmal am Tag 15 Minuten Zeit für meine Tochter Lisa zu nehmen und etwas mit ihr zu machen, das uns beiden gefällt: spazieren gehen, basteln, etwas Schönes einkaufen, über ein interessantes Thema diskutieren oder eine heiße Schokolade trinken.

Ich werde mich beherrschen und kein Wort darüber verlieren, wie sich Lisa kleidet, auch wenn ich es nicht gut finde, dass sie so viel nackte Haut zeigt. Sie kennt meinen Standpunkt und meine Worte stoßen sowieso auf taube Ohren. Deshalb beschließe ich, keine Diskussionen mehr zu diesem Thema anzufangen.
Ich entscheide mich, keinen Konflikt vom Zaun zu brechen, wenn Lisa zu spät nach Hause kommt. Ich werde einfach das Licht ausschalten, ihr eine gute Nacht wünschen und am nächsten Morgen, wenn wir beide ausgeschlafen haben, in aller Ruhe mit ihr sprechen.

Den Eltern, die mehrere Kinder in diesem Alter haben, empfehlen wir, sich immer nur auf ein Kind zu konzentrieren. Die Erfahrung zeigt: Wenn Sie sich auf das Kind konzentrieren, mit dem es aktuell am schwierigsten ist, lernen Sie neue Fertigkeiten, die Ihnen helfen, später auch die Beziehung zu Ihren anderen Kindern zu verbessern. Stellen Sie keine zu hohen Erwartungen an sich, sondern gehen Sie einfach viele kleine Schritte.
Auf einem anderen Blatt Papier notieren Sie unter der Überschrift „Erwartungen an mein Kind, die ich an Gott abgebe“ ähnlich wie oben als Beispiel vorgeschlagen drei greifbare, messbare Erwartungen, die Sie an Ihr Kind haben. Das können Ihre unerfüllten Träume für Ihr Kind sein oder etwas, das Sie sich wünschen, das aber nicht den Interessen oder Gaben Ihres Kindes und auch nicht Gottes Plan entspricht. Das könnte zum Beispiel der Wunsch sein, dass Ihr Sohn an eine bestimmte Universität geht und einen bestimmten Beruf ergreift. Erwartungen, die Sie loslassen sollten, können auch unrealistische Forderungen an das Verhalten Ihres Kindes sein; zum Beispiel, dass das Zimmer Ihrer Tochter immer aufgeräumt sein sollte.
Erzählen Sie Ihrem Kind und Ihrem Mann nichts von diesen Erwartungen, sondern nehmen Sie dieses zweite Blatt Papier und stecken Sie es in einen Umschlag. Kleben Sie diesen Umschlag zu und schreiben Sie das Datum von genau einem halben Jahr später darauf. Hängen Sie den Umschlag an das Kalenderblatt in 6 Monaten oder legen Sie ihn an eine Stelle, an der Sie ihn in einem halben Jahr wiederfinden. Notieren Sie in Ihrem Kalender den Tag, an dem Sie diesen Umschlag öffnen. Widerstehen Sie der Versuchung, sich Gedanken darüber zu machen oder ihn früher zu öffnen. Konzentrieren Sie sich einfach darauf, diese Erwartungen wirklich an Gott abzugeben. Wenn Sie den Umschlag nach sechs Monaten öffnen, werden Sie erstaunt sein, was sich in der Zwischenzeit verändert hat. (Wenn Sie Englisch können, könnten Sie auf die folgende Website gehen: http://www.greaterimpact.org/respect-dare/the-envelope/. Dort finden Sie weitere Anweisungen, was Sie mit der Liste, die Sie angefertigt haben, tun können.)
Tauschen Sie sich mit dem Vater Ihres Kindes über Ihre guten Vorsätze und die Erwartungen aus, die Sie an sich selbst haben. Das bringt Sie beide in Ihrer Beziehung weiter. Ermutigen Sie ihn, ebenfalls das eine oder andere Verhaltensmuster zu ändern, wenn er sieht, welche Wirkung die Veränderungen, die Sie vornehmen, haben, aber widerstehen Sie dem Drang, ihn zu korrigieren, wenn er Fehler macht. Seien Sie geduldig und ermutigen Sie sich gegenseitig, es das nächste Mal besser zu machen. Manchmal müssen wir uns den alten Spruch vor Augen halten: „Wenn es sich lohnt, etwas richtig zu machen, dann lohnt es sich auch, es so lange falsch zu machen, bis wir es richtig können.“ Lesen Sie regelmäßig die Liste mit Ihren persönlichen Erwartungen, die Sie in Ihrem Tagebuch notiert haben.
Denken Sie auch daran, dass Sie an den Vater Ihres Kindes keine Erwartungen stellen sollten. Diesen Weg geht jeder von Ihnen für sich allein. Das heißt, dass jeder das eigene Tempo einschlägt. Lassen Sie sich auf keinen Fall auf das „Ich bin besser als du“-Spiel ein, sondern freuen Sie sich, dass Ihr Kind wenigstens zu einem von Ihnen eine Beziehung hat, falls dies der Fall sein sollte. Machen Sie sich außerdem bewusst, dass sich die eigenen Erwartungen nicht von heute auf morgen in Luft auflösen. Verlieren Sie nicht den Mut, wenn dieser Kampf länger dauert.
Sie sollten nicht vergessen, dass jede Situation ihre eigenen einzigartigen Umstände mit sich bringt, ob Sie nun Teil einer Scheidungsfamilie, einer Patchworkfamilie, einer Familie mit nur einem Elternteil oder einer Familie mit beiden Elternteilen sind. Gott kann in jede Beziehung Heilung bringen, wenn wir bereit sind, uns zeigen zu lassen, wo wir nach seinem Willen wachsen sollen.
Beten Sie mit uns, bevor wir diesen Weg gemeinsam antreten:

Vater im Himmel,

ich bin dein geliebtes Kind. Du verstehst viel besser als ich, wie weh es tut, wenn die Beziehung zu den eigenen Kindern nicht gut ist. Genauso wie ich in meiner Beziehung zu dir, meinem himmlischen Vater, der mir mein Leben geschenkt hat, Fehler mache und deine Anweisungen nicht immer befolge, sehe ich das Gleiche bei meinem Kind. Genauso wie du für mich Hoffnungen und Träume hast, habe ich sie auch für mein Kind.
Gott, sei mir gnädig und höre mein Gebet, wenn ich dir meine Bitten hinlege und sehnsüchtig warte. Es gibt Zeiten, in denen ich vom Stöhnen ganz erschöpft bin; die ganze Nacht liege ich im Bett oder auf dem Sofa und weine, weil mein Kind Dinge tut, die mir nicht gefallen. Meine Seele findet nur in dir Ruhe. Dein Wort sagt mir, dass du mir Stärke gibst, wenn ich vom Kämpfen müde bin. Herr, du allein gibst mir Hoffnung. Hilf mir, dieses Rennen zu bestreiten, ohne müde zu werden.
Manchmal bin ich so fest entschlossen, die Dinge zu korrigieren, die mein Kind tut, dass ich vergesse, es zu ermutigen. Ich vergesse auch, mein eigenes Herz zu schützen. Ich versuche, meinen Erziehungsstil immer mehr deinem Stil anzupassen. Hilf mir, Herr, die Wahrheit über mein Kind zu erkennen. Hilf mir, das Gute zu sehen, die Dinge, die es richtig macht. Hilf mir, geduldig darauf zu warten, dass das, was ich pflege, auch wachsen wird.
Du hast mich an diesen Platz gestellt, auf diesen Weg mit meinem Kind, um mich zu verändern. Hilf mir, bei dir Weisheit zu suchen. Zieh mich immer näher zu dir hin, damit mich die Angst nicht überwältigt. Ich weiß, dass ich mich aus mir selbst heraus nicht ändern kann, aber für dich ist nichts unmöglich.
Herr, ich will die beste Mutter sein, die ich sein kann. Ich sehne mich nach einer Beziehung zu meinem Kind, die für künftige Generationen Frucht bringt. Mögen meine Bemühungen in deinen Augen angenehm sein.
Amen.

Übersetzt von Silvia Lutz
Originaltitel: With all due respect
246 Seiten, Buch, Paperback
Format: 13,5 x 20,5 cm
Bestellnummer: 331724
ISBN: 978-3-86827-724-1

Bibelverse für Kinder erklärt, Stefan und Susanna Weiler

07/10/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Bibellesen kann spannend sein! Wer war eigentlich Ehud? Und wo hat er wohl sein zweischneidiges Schwert gelassen, nachdem er sein Vorhaben ausgeführt hat? Gab es wirklich einen sprechenden Esel? Und hat schon einmal jemand 700 Jahre vor der Geburt eines Kindes eine Geburtsanzeige aufgegeben?256654.jpg?1720618790950

Antworten auf diese und viele weitere Fragen liefert die Bibel, das Buch der Bücher – und dieses Kinder-Andachtsbuch möchte dabei helfen: Pro Andacht wird jeweils ein Bibelvers unter die Lupe genommen, anschaulich gemacht und kindgerecht erklärt. Dabei wird der Vers mehrmals wiederholt – Ziel darf sein, ihn auswendig zu lernen.

VORWORT
Eigentlich waren es ja Radiosendungen für das Internet, genauer gesagt, für das DWGRadio. »DWG« steht für »Das Wort Gottes«. Aber dann kam die Frage: Gibt’s das auch als Buch? Da haben wir unsere ganzen Skripte für die Sendung »Bibelverse für Kinder erklärt« an den CLV- Verlag geschickt und nachgefragt, ob aus ausgewählten Sendungen vielleicht ein Buch entstehen könnte.
Das Ergebnis haltet ihr jetzt in den Händen!
Vielen Dank allen, die für unsere Arbeit beten.
Stefan und Susanna Weiler
Anmerkung des Verlags
Damit beim Lesen ganz deutlich wird, wo zitierter Bibeltext verwendet wurde, ist dieser im Fließtext jeweils kursiv gedruckt.

Zum Buch: Bibelverse für Kinder erklärt

DIE SCHÖPFUNG ENTDECKEN

Als Gott alles machte Und Gott sah alles, was er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag. 1. Mose 1,31
Gestern hat Mama angefangen, Marie zu erzählen, wie Gott alles geschaffen hat. Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster über der Tiefe. Und Gott sprach: »Es werde Licht!«
Und es wurde Licht. Das war am ersten Schöpfungstag. Am zweiten Tag schuf Gott den Himmel. Das führte dazu, dass es auf der Erde angenehm warm und feucht wurde.
Denn Gott ließ über dem Himmel eine Wasserdampfschicht entstehen. Die ganze Erde war ja mit Wasser bedeckt, deshalb sammelte Gott am dritten Tag das Wasser an einer Stelle und so entstand das Trockene. Darauf konnten die Bäume und die Blumen wachsen und ganz viel Gras, und Kräuter natürlich auch.

Während Marie darüber nachdenkt, was Gott am dritten Tag wohl so alles geschaffen haben könnte, hat sie ihre Kreidestifte auf den Boden gekippt und ist nun fleißig dabei, das oberste Blatt ihres Zeichenblocks mit bunten Blumen zu bemalen. Eigentlich sollte sie ihre Schultasche
packen, sie hat ja morgen Sport, aber wo ist die Sport hose?
Hat Mama sie nicht gewaschen? Sie hat eifrig in ihrem Kleiderschrank gewühlt, jetzt geht er gar nicht mehr richtig zu. Also, dritter Schöpfungstag. Eine Birke malt sie, sie liebt Birken. Dann malt sie drei Sonnenblumen. Tulpen und Osterglocken dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die
blühen immer im Frühling. An den letzten Frühling kann sie sich noch gut erinnern. Und Gras ließ Gott wachsen, das muss auch noch drauf.

Und Gott sah alles, was er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut. Und es wurde Abend, und
es wurde Morgen: der sechste Tag. 1. Mose 1,31
Da geht die Tür auf: »Was ist denn das für ein Tohuwabohu?«,
ruft Mama entsetzt.
»Wo … ist meine Turnhose?«, fragt Marie unschuldig zurück.
Mama schüttelt den Kopf. »Marie, jetzt müssen wir erst mal aufräumen, so geht das nicht.« Sie untersucht den Turnbeutel. »Da ist sie doch!« Mama zieht die Turnhose heraus. »Wie sieht die denn aus?«
»Wir hatten letztes Mal draußen Sport«, entschuldigt sich Marie.
»Gut, Marie, dann musst du morgen deine Jogginghose anziehen!«, entscheidet Mama, und damit ist der Fall erledigt.
Nachdem Mama und Marie gemeinsam für Ordnung gesorgt haben, setzt sich Mama auf Maries Bettkante und Marie kuschelt sich in ihre weiche Decke.
»Wo waren wir gestern stehen geblieben?«, fragt Mama.
»Beim vierten Schöpfungstag«, weiß Marie. Sofort fängt sie an zu singen: »Weißt du, wie viel Sternlein s t e h e n   … ?«

»Ja, Gott setzte die Sonne, den Mond und die Sterne an den Himmel, den er am zweiten Tag geschaffen hatte.« »Mama, du hast vorhin so ein komisches Wort gesagt, irgendwas mit Tohu…, oder so ähnlich.«
Mama lacht. »Das ist ein anderes Wort für Unordnung oder Chaos. Am Anfang war die Erde wüst und leer, also ein Tohuwabohu. ›tohu‹ und ›bohu‹, das sind hebräische Wörter. Ganz am Anfang war die Erde wüst, also ›tohu‹, und öde oder leer, also ›bohu‹.«
»Ach so. Genau wie mein Zimmer eben.«

»Jetzt kommen wir zum fünften Schöpfungstag. Da schuf Gott die Wassertiere und die Vögel«, fährt Mama fort. »Nach ihrer Art«, ergänzt sie.
»Was meinst du damit, Mama?«, will Marie wissen. Nach ihrer Art, das bedeutet, dass aus einem Kranichpaar keine Papageien kommen.«
»Aber Mama, du hast mir doch erzählt, dass letzten Frühling ein Bachstelzenpärchen einen Kuckuck bekommen hat.«
»Marie, du weißt doch, dass ein Kuckuck seine Eier in fremde Nester legt, oder hast du das vergessen? An dem Kuckucksei waren ein Kuckucksmännchen und ein Kuckucks weibchen beteiligt. Dann hat das Weibchen sein Ei in ein Bachstelzennest gelegt, fein grau gesprenkelt. Das sah so täuschend echt aus, dass die kleinen Bach stelzen das nicht gemerkt haben. Eine Kuckucksmama muss mehrere Eier legen, aber natürlich immer nur eins pro Nest.

Denn viele Eltern merken den Betrug und hacken das falsche Ei mit dem Schnabel auf. So viele Eier legen, das ist anstrengend. Aber leicht wird es für die Kuckucksmama auch hinterher nicht, obwohl sie mit der Aufzucht ihrer Jungen gar nichts mehr zu tun hat. Sie muss sich nämlich schon bald auf eine weite Reise vorbereiten für ihr nächstes Winterquartier. Manchmal geht’s nach Afrika an den Äquator, das sind über 7 000  Kilometer.«

»Was, so weit?«
»Ja, das ist auch so ein Schöpfungswunder, wie alles, was Gott geschaffen hat. Okay, große Wassertiere und Fische und die Vögel schuf Gott am fünften Tag. Was es in der Unterwasserwelt alles zu sehen gibt, ist überhaupt nicht zu beschreiben. Da kann man nur staunen über
Gott. Aber kommen wir jetzt zum sechsten Tag. Sonst bist du nachher wieder zu müde. Was hat Gott am sechsten Tag geschaffen?«

Marie muss nachdenken. »Na, Affen, Elefanten, Zebras …«, zählt Mama auf. »Was noch?«
»Ach so!« Da fällt Marie eine Menge ein. »Hamster, Katzen, Hunde, Pferde …« Sie zählt alle Tiere auf, die sie am liebsten auch zu Hause hätte. »Kaninchen und Meerschweinchen«,
ergänzt sie noch. »Und was noch?«, fragt Mama.
Die Bibel liegt noch auf Maries Nachtschrank. Mama nimmt sie und liest vor: »1. Mose 1 ab Vers 26: Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich; die sollen herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde, auch über alles Gewürm, das auf der Erde kriecht! Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.«

Mama schaut Marie an und erzählt: »Gott sagte dann zu den Menschen, dass sie sich vermehren sollten und über die Tiere und alles, was Gott geschaffen hat, herrschen sollten. Gott sorgte auch dafür, dass alle genug zu essen hatten.«
Und Gott sah alles, was er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut. Und es wurde Abend, und
es wurde Morgen: der sechste Tag. 1. Mose 1,31 »Weißt du eigentlich, was Gott am siebten Tag getan hat ?«

Marie überlegt. »Da ruhte Gott«, antwortet sie. »Ja, genau, am siebten Tag ruhte Gott von seinen Werken, die er gemacht hatte. Und du ruhst jetzt auch, nicht wahr, Marie?«
Nach einem kurzen Gutenachtgebet schaltet ihre Mutter das Licht aus. Und wir haben jetzt die Gelegenheit, den Vers zum Schluss noch einmal zu wiederholen: Und Gott sah alles, was er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag. 1. Mose 1,31.

Über die Vögel

Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Matthäus 6,26
Leonie ist ein absoluter Hundefan. Sie liebt Hunde über alles, besonders die kleinen Hundewelpen. Sie hat bisher immer am Wochenende in der Welpenstunde mitgeholfen.
Die ganze Woche über freut sie sich auf diese eine Stunde. Am liebsten würde sie nur noch mit den kleinen Hunden spielen, und am allerliebsten hätte sie natürlich selbst gerne einen Hund. Aber das haben die Eltern bisher nicht erlaubt.
Leonie geht derzeit nicht in die Schule, denn die Schulen sind seit einiger Zeit geschlossen. Wie viele andere Kinder lernt Leonie mit ihren Geschwistern von zu Hause aus.

Das ist alles nicht so schlimm, denn Leonie kann immerhin mit ihren Geschwistern noch im Garten spielen. Aber wenn Leonie an die kleinen Hundewelpen denkt, dann kommen ihr jedes Mal die Tränen. Denn auch die Welpenschule ist seit einigen Wochen geschlossen.
Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht
in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr
wert als sie? Matthäus 6,26.

Leonie liegt auf dem Trampolin und schließt die Augen. Die Vögel wissen nichts von Leonies Kummer. Sie zwitschern fröhlich ihr immer gleiches Liedchen und merken gar nicht, dass viele Erwachsene inzwischen Angst bekommen haben. Leonie blinzelt mit den Augen. Die Sonne
scheint heute besonders schön und es ist erstaunlich ruhig. »Ein Hamster!«, schießt es ihr durch den Kopf. »Wenn ich schon keinen Hund haben darf, vielleicht erlauben Papa und Mama ja einen Hamster.«

»Mama!« Leonie stürmt ins Haus. »Mama, wie wär’s mit einem Hamster?«
Leonies Mutter sitzt an der Nähmaschine und ist sehr konzentriert.

»Was nähst du da?«, will Leonie wissen. »Ich nähe Mundschutzmasken«, erklärt ihre Mutter.
Leonie hat schon öfter Leute gesehen, die solche Mundschutzmasken tragen. Damit man sich nicht ansteckt oder damit andere sich nicht anstecken. Aber Leonie fühlt sich überhaupt nicht krank, im Gegenteil. Sie fühlt sich kerngesund und ist voller Tatendrang. Dass sie noch nicht einmal mehr auf den Spielplatz darf …
»Mama …« Leonie versucht es ein zweites Mal. »Ach Mama, ich hätte so gerne einen Hamster, was meinst du?« Jetzt schaut Leonies Mutter auf. »Ja, das verstehe ich gut. Aber wir müssen gerade jetzt lernen, geduldig zu sein und zu warten.«
Leonie ist zum Heulen zumute. Langsam schlurft sie wieder nach draußen.
Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht
in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr
wert als sie? Matthäus 6,26.

Das Osterfest steht bevor, aber Leonie bleibt mit ihren Eltern und Geschwistern dieses Jahr zu Hause, damit sie sich nicht anstecken. Sie gehen noch nicht einmal in einen richtigen Gottesdienst, sondern sie schauen dieses Jahr den Ostergottesdienst auf dem Bildschirm. Aber
Ostereiersuchen, das geht natürlich richtig. Die Eltern haben immer für jedes Kind eine zusätzliche Kleinigkeit, die sie auch im Garten verstecken. Ostereiersuchen ist spannend,
und die Eltern haben immer so gute Verstecke. Als Leonard unter dem Rhododendronstrauch sein Osternest findet, strahlt er über das ganze Gesicht. 

Da hört er plötzlich einen Schrei. Leonie kommt mit weit aufgerissenen Augen aus dem Schuppen gelaufen. »Ein Hamster, ich habe einen Hamster!«, schreit sie aufgeregt.
Leonies Papa hilft ihr, den Käfig mit dem Hamster vorsichtig in den Flur zu tragen.
»Ach Papa, wir können ihn auch in mein Zimmer stellen«, meint Leonie.
Doch ihr Vater schüttelt den Kopf. »Ein Hamster ist nachtaktiv. Jetzt ist er ruhig und schläft meistens, aber nachts wird er sich sein Futter suchen, er wird trinken und spielen. Und was meinst du, wie viel Krach sein Laufrad macht! Das ist laut, da kriegst du nachts kein Auge zu.«
Aber das kriegt Leonie in dieser Nacht sowieso nicht. Sie ist total aufgeregt, und an Schlafen ist gar nicht zu denken.
Leise stellt sie sich vor den Käfig. Der Futternapf ist bis zum Rand mit Körnern gefüllt. Frisches Wasser hat der Hamster natürlich auch, und ein kleines Salatblatt. Da, endlich kommt er aus seinem Häuschen, und Leonie beobachtet voller Spannung, wie der kleine Hamster scheinbar
ein Korn nach dem anderen verschlingt. Die Backen des Hamsters werden immer dicker. Noch drei Körner, dann hat er sie alle. Aber es scheint einfach nicht mehr zu gehen. Hat er ein Korn in seine Backen gestopft, hat er das andere schon wieder verloren. Es bleibt ihm nichts anderes
übrig, als die letzten beiden Körner liegen zu lassen.
Nur mit Mühe kann er sich in sein Häuschen quetschen, um seinen Vorrat loszuwerden, so dick sind seine Backen geworden.
Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Matthäus 6,26.

Die Vögel werden uns in diesem Bibelvers als Vorbilder dargestellt, weil sie sich ganz offensichtlich nicht darum kümmern, woher sie ihr Futter bekommen. Sie zwitschern
auch in Krisenzeiten morgens ihr fröhliches Liedchen. Der Hamster ist ganz anders: Er muss sehen, dass er alles mitnimmt, was er vorfindet. Für den Hamster gibt es immer Krisenzeiten. Es gibt übrigens auch Hamster, die auf zwei Beinen laufen. Sie kaufen in der Krisenzeit besonders gern Nudeln und Toilettenpapier. Aber es gibt auch Menschen, die gerade in schweren Zeiten lernen, auf ihren Schöpfer zu vertrauen, dass er sie mit dem Nötigsten versorgt und ihnen gibt, was sie brauchen.

Wie immer, so wiederholen wir auch diesmal unseren Vers aus dem Matthäus-Evangelium. Versuche ruhig, ihn auswendig zu lernen:
Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht
in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr
wert als sie? Matthäus 6,26

Über die Ameisen

Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise. Sprüche 6,6.

Endlich Ferien. Sommerferien. Wie lange haben Julius und Anne schon darauf gewartet! Dieses Jahr freuen sie sich besonders, denn sie fahren gleich zu Beginn auf eine Gemeindefreizeit. Nun ja, schlafen tun sie zu Hause, aber morgens werden sie früh von den Eltern gebracht und
abends wieder abgeholt. Jeden Morgen gibt es eine gemeinsame Andacht. Der Vers für heute heißt:
Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise. Sprüche 6,6 Annes Augen sind nach vorne auf Renate gerichtet, die gerade von einem Ameisenhaufen berichtet, den sie kürzlich im Wald gesehen hat.

»Der war bestimmt einen Meter hoch. Aber ich habe gelesen, dass sie sogar bis zu drei Meter hoch werden können.
Die Roten Waldameisen suchen sich zum Beispiel einen morschen Baumstumpf. Dann tragen sie Tannennadeln, Moos und kleine Holzteile herbei. Das, was man von außen sieht, ist nicht der komplette Ameisenbau, sondern nur die Hälfte. Im Königreich der Roten Waldameisen leben
viele Königinnen. Das sind natürlich auch Ameisen.
Sie herrschen aber nicht. Ameisenköniginnen tun nichts anderes, als Eier zu legen. Dafür haben sie sich ein einziges Mal mit einem Männchen gepaart. Den Samen bewahren sie in einer Samentasche auf. So können sie ihr Leben lang Eier legen und diese auch selbst befruchten.
Eine Ameisenkönigin lebt etwa 20 Jahre. Sie kann selbst entscheiden, ob ein Männchen oder ein Weibchen entstehen soll. Aus unbefruchteten Eiern entstehen Männchen.
Aus den befruchteten entstehen Weibchen. Soll eine Königin daraus werden, geben die Arbeiterinnen den Larven ein besonderes Futter. Aus den meisten Eiern werden allerdings
Arbeiterinnen. Sie haben unterschiedliche Aufgaben.
Einige Arbeiterinnen schützen die Eier vor dem Austrocknen und füttern die Larven, dann gibt es Ameisen, die für das Herbeischaffen von Futter zuständig sind. Wieder andere verteidigen das Nest gegen Feinde. Wie ist das alles bloß möglich? Was denkt ihr?«



Renate schaut in die Runde. »Wie reden die Ameisen miteinander? Und wie bauen Ameisen Straßen?« »Durch Duftmarkierungen!«, weiß Paul.
»Genau. Ameisen haben etwa 20 verschiedene Düfte. Von ihrem Bau legen sie Duftstraßen zu den Futterquellen. Außerdem kommunizieren sie über Berührungen. Die Kinderzimmer der Ameisen befinden sich im Inneren des Baus. Da sind sie natürlich am besten geschützt. Es gibt
unterschiedliche Kammern für Eier, Larven und Puppen.
Wenn es regnet oder kalt ist, werden die Nesteingänge verschlossen. Dass die Rote Waldameise unter Naturschutz steht und man einen Ameisenhaufen nur anschauen und bewundern, aber nicht berühren darf, das brauche ich euch nicht extra zu sagen, oder? Das ist eigentlich selbstverständlich.
Ach übrigens, es gibt etwa 13 000 Arten von Ameisen, davon leben 200 Arten in Europa.
Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise. Sprüche 6,6
Ein Ameisenstaat funktioniert nur, wenn alle fleißig sind.
Wenn die Ameisen faul wären, würde der Ameisenstaat kaputt gehen. Das ist bei den Menschen auch so. Wo faule Menschen zusammen sind, wird bald alles chaotisch und unaufgeräumt. Auch in der Familie muss jeder seine Auf gabe gewissenhaft erfüllen. Genau das lernen wir von den
Ameisen.«
Anne meldet sich. »Woher wissen die Ameisen, was sie machen sollen, wenn die Königinnen nicht regieren?« »Das ist eine gute Frage, die ich mir auch gestellt habe.
Als ich mich auf den heutigen Tag vorbereitet habe, habe ich darauf keine Antwort gefunden. Ich glaube, Gott schuf die Ameisen und die ganzen anderen Insekten und die Tiere überhaupt, damit wir über Gottes Schöpfung staunen.
Wir können in der Bibel lesen, dass sogar Menschen, die Gott nicht kennen, ins Nachdenken kommen und Gott in der Schöpfung sehen können. Die Frage, wie das alles funktioniert bei der Ameise, lässt einen Menschen darüber nachdenken, wie überhaupt alles funktioniert.
Denn die Menschen, die die Verantwortung eines Staates tragen, also regieren, werden immer ratloser. Sie wissen oft gar nicht weiter und schieben einer dem anderen die Schuld in die Schuhe. Aber letztendlich lenkt Gott die ganze Welt, genauso wie den Zusammenhalt der Ameisen.
Ach übrigens, kann einer von euch den Vers für heute eigentlich schon auswendig?«
Elisabeths Finger geht nach oben. »Gut, sag ihn«, fordert Renate sie auf.
»Geh hin zur Ameise, du Fauler … Weiter weiß ich nicht«, gibt sie zu.

Renate hilft ein wenig nach. »Erinnere dich an die Ameisenstraßen und die Duftmarken, die sie setzen, damit die Ameisen den Weg zum Futter finden. Ach, das habe ich euch noch gar nicht erzählt, Ameisen können sogar kleine Mäuse gemeinsam zum Nest bringen. Das aber nur nebenbei. Der Vers fordert uns auf, die Ameisen zu beobachten, auf ihre Wege zu sehen und dabei weise zu werden. Weißt du jetzt weiter?«
»Geh hin zur Ameise du Fauler,
sieh ihre Wege und werde weise. Sprüche 6,6«
»Genau, jetzt haben wir den Vers. Aber wo steht er? Der König Salomo war weise und schrieb das Buch der Sprüche. Wenn man faul ist und zwei Sechsen auf dem Zeugnis
hat, bleibt man sitzen. Jetzt basteln wir das Ganze zusammen und schon ergibt sich: Sprüche 6,6. Ist doch kinderleicht, oder? Jetzt noch mal der Vers zum Mitsprechen für alle, und zwar mit Versangabe.«
Während Renate die Kinder zum Mitsprechen auffordert, wollen wir natürlich auch nicht faul sein, sondern uns den Vers ebenfalls gut merken und ihn gemeinsam sprechen:
Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise. Sprüche 6,6.

Von Ohren und Augen

Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die hat beide der HERR gemacht. Sprüche 20,12
Wieso können wir eigentlich hören? Vielleicht hattest du mal Wasser hinter deinem Trommelfell. Das ist sehr unangenehm, da hast du nur noch ganz dumpf gehört.
Aber dann weißt du immerhin, dass du ein Trommelfell hast. Aber was ist das eigentlich, dieses Trommelfell?
Man sagt dazu auch Membran. Dein Trommelfell ist also eine winzig kleine Trommel in deinem Ohr. Wenn du ein Geräusch hörst, gerät das Trommelfell in Schwingungen, das heißt, es vibriert. Wenn du deine Hand auf die Membran einer Trommel legst und dabei einen lauten Ton von dir gibst, spürst du Vibrationen unter deiner Hand. Das Trommelfell in deinem Ohr vibriert mehr
oder weniger stark, je nachdem wie laut oder leise die Geräusche sind, die wir hören. Hinter dem Trommelfell sind die Gehörknöchelchen, die alle sehr gut zusammenarbeiten und den Schall weiterleiten zum Innenohr.

Dort befindet sich die Gehörschnecke, auch Cochlea genannt. Diese Gehörschnecke ist mit einer Flüssigkeit gefüllt. Beim Zusammendrücken der Flüssigkeit durch einen dieser klitzekleinen Gehörknöchelchen werden die kleinen Haare in der Gehörschnecke bewegt. Der Hörnerv merkt: »Aha, die kleinen Haare haben sich gerade bewegt. Na, dann werde ich das mal ans Gehirn weiterleiten.«
Und du merkst: Ich höre etwas. Aber wir hören ja so unterschiedliche Dinge auf einmal. Das alles ist ja noch viel komplexer, als wir das hier gerade erklärt haben.
Dazu kommt, dass dein Hörnerv auch noch für dein Gleichgewicht zuständig ist.
Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die hat beide der HERR gemacht. Sprüche 20,12. Ja, und wie ist das mit dem Auge? Auch über das Auge darf man staunen. Was ist Sehen? Sehen bedeutet, dass Licht von außen durch das Auge bis zur Netzhaut gelangt. Um dir vorzustellen, wie dein Auge aussieht, stell dir einen weißen Ball vor. Dieser Ball ist mit einer durchsichtigen
geleeartigen Flüssigkeit gefüllt. Jetzt malst du auf deinen Ball einen schwarzen Punkt, irgendwo. 

Dann suchst du dir eine Farbe aus: blau, braun, grün oder grünbraun, und malst um den schwarzen Punkt herum einen kleinen Kreis, den du mit einer dieser Farben anmalst. Der
schwarze Punkt ist die Pupille, der große braune oder blaue Kreis ist deine Regenbogenhaut oder auch Iris. Jetzt müssten wir noch die Hornhaut basteln, die muss durchsichtig sein und vorsichtig über die Pupille und die Iris gelegt werden, um sie zu schützen. Jetzt stell dir vor, du
könntest ein Bild durch den schwarzen Punkt, die Pupille, schicken. Das Bild trifft zunächst auf deine Linse, die sich im Ball, also im vorderen Teil des Auges, befindet.

Sie bündelt das Licht und kann sogar ihre Dicke verändern, damit du in der Nähe und in der Ferne gleich gut sehen kannst. Das Licht trifft danach auf die Innenseite deines Balls gegenüber deiner Pupille auf. Dort befindet sich die Netzhaut. Die Netzhaut besteht aus unglaublich
vielen Nervenzellen, die mit deinem Sehnerv verbunden sind, der alle Informationen an das Gehirn weiterleitet.
Nanu, das Bild ist ja auf dem Kopf? Ist da was schiefgelaufen?
Nein, nein, das war die Linse. Die hat einfach das Bild um gedreht. Aber dein Gehirn sortiert alles so, dass du das Bild richtig herum siehst. Auch das Auge haben wir nur ganz einfach erklärt, in Wirklichkeit ist es hoch kompliziert und unglaublich spannend.

Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die hat beide der HERR gemacht. Sprüche 20,12.
Wieso hast du eigentlich zwei Ohren und zwei Augen?
Wenn du hinter dir ein Geräusch hörst, drehst du dich um, denn du hörst, aus welcher Richtung das Geräusch kam. Das könntest du nicht, wenn du nur ein Ohr hättest. Mit zwei Augen kannst du sehen, ob ein Gegenstand weiter weg ist oder näher dran.
Du hast außerdem noch viele andere Möglichkeiten, Dinge wahrzunehmen. Du kannst fühlen, riechen und schmecken. Wie wunderbar hat Gott uns Menschen geschaffen!
Gott möchte, dass wir zu seiner Ehre leben. Er gab uns die Augen, damit wir uns auf dieser Erde zurechtfinden, aber auch, um ihn, den Schöpfer aller Dinge, in der Natur wahrzunehmen. Wenn man viel draußen in der Natur ist, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Auch mit den Ohren können wir Gottes Schöpfung bestaunen.

Und auch Musik können wir nur genießen, wenn wir hören können. Weil Gott alles so liebevoll geschaffen hat, sollten wir uns überlegen, was wir mit unseren Augen anschauen, und auch, was wir mit unseren Ohren hören. Es gibt schlechte Dinge im Leben, die ein Mensch sieht, die sich nicht vermeiden lassen, aber ein Mensch, der Gott lieb hat und ihm gefallen möchte, würde sich nie frei willig etwas ansehen oder anhören, was Gott nicht gefällt. Wenn wir etwas Wertvolles geschenkt bekommen, dann bemühen wir uns, damit ordentlich umzugehen.

Dass wir sehen und hören können, ist ein sehr wertvolles Geschenk Gottes an uns. Was sehen unsere Augen und was hören unsere Ohren? Darüber denken wir einmal nach, wenn wir zum Schluss wie immer den Vers wiederholen und ihn gemeinsam sprechen:
Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die hat beide der HERR gemacht. Sprüche 20,12.

Das Erntedankfest

Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Psalm 104,27.
Heute ist Erntedankfest. Der Erntedanktisch sieht wie immer wunderschön aus. Auf dem Boden stehen ein paar Körbe. In einem sind Kartoffeln, in einem anderen Zwiebeln, dazu gibt es Körbe mit roter Beete, Mohrrüben, Sellerie und Kohlköpfen. Auf dem Tisch steht eine Vase mit vielen Herbstblumen, dazu Getreidehalme und riesige Sonnenblumen. Kürbisse, Tomaten, Gurken, Maiskolben, Äpfel, Pfirsiche, Birnen und viele Weintrauben sind auf dem ganzen Tisch verteilt.

Die bunten Ahornblätter lassen das Ganze zu einem richtigen Kunstwerk werden. Einige Frauen haben auch Brot gebacken. Diese Weintrauben sehen aber auch zu lecker aus! Anna ist nach dem Gottesdienst sofort nach vorne gelaufen, um sich die vielen schönen Sachen etwas näher anzuschauen.

Aber sie ist nicht die Einzige, wie sie feststellt. Jan will sich gleich ein paar Weintrauben vom Tisch holen, aber da sagt eine ältere Dame: »Jan, du musst noch warten, wir haben heute Nachmittag unsere Erntedankfeier, da soll der Tisch noch schön aussehen. Kommt heute Abend nach dem Fest, dann bekommt ihr alle etwas.« Sie lächelt die Kinder liebevoll an, die anscheinend mit dieser Auskunft zufrieden sind und wieder auseinanderlaufen. Draußen spielen ein paar Jungen Fußball. Anna läuft auch nach draußen und hält dabei ihr kleines Kärtchen fest in der Hand, das sie vorhin in der Kinderstunde bekommen hat:
»Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Psalm 104,27«,
liest sie etwas stockend. Anna freut sich, dass sie schon lesen kann. Sie kann es gar nicht erwarten, heute Abend wieder zum Erntedanktisch zu laufen und etwas zu bekommen.
Am Nachmittag sind im ganzen Gemeinderaum Tische aufgestellt. Alles ist festlich gedeckt.
»Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr groß.« Diese Worte liest der Prediger vor. »Kennt ihr Kinder den Psalm 104?«, fragt er und schaut dabei genau Anna in die Augen. »Lasst uns mal einige Verse aus diesem wunderschönen Psalm lesen«, sagt er.

»Lobe den HERRN, meine Seele!
HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich;
du bist schön und prächtig geschmückt.
Licht ist dein Kleid, das du anhast;
du breitest aus den Himmel wie einen Teppich;
du wölbest es oben mit Wasser;
du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen
und gehst auf den Fittichen des Windes.
Kennt ihr das Wort ›Fittiche‹?« Der Prediger schaut von
seiner Bibel auf. »Das ist ein anderes Wort für Flügel. Vielleicht
kennt ihr den Ausdruck: ›jemanden unter seine Fittiche
nehmen‹. Das bedeutet: auf jemanden aufpassen,
und es soll an die Vogelmütter erinnern, die ihre Jungen
unter ihre Flügel nehmen. Wir müssen uns diesen Psalm
wie ein Gedicht vorstellen. Dazu sagt man auch Poesie.
Der Psalmist hat große Freude daran, die Schönheit Gottes
und seine Gaben mit kunstvollen Worten zu beschreiben.

Lesen wir mal weiter ab Vers 10:
Du lässt Brunnen quellen in den Gründen,
dass die Wasser zwischen den Bergen hinfließen,
dass alle Tiere auf dem Felde trinken
und das Wild seinen Durst lösche.
An denselben sitzen die Vögel des Himmels

und singen unter den Zweigen.
Du feuchtest die Berge von obenher;
du machst das Land voll Früchte, die du schaffest;
du lässt Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen,
dass du Brot aus der Erde bringest.«

Der Prediger weist auf den Tisch: »Seht mal, wie schön das alles aussieht. Was finden wir von dem eben Gelesenen auf unserem Erntedanktisch wieder?«
Heute dürfen die Kinder antworten: »Brot«, sagt eins.
»Früchte«, sagt ein anderes.
»Welche Früchte sehen wir auf dem Tisch?«, fragt der Prediger.
»Äpfel, Birnen, Weintrauben, Pfirsiche …«
»Ja, wir haben so viele gute Gaben, für die wir Gott
danken können. Er kümmert sich um alles, auch um die
Tiere. Ich habe gehört, dass ihr heute Morgen in der Kinderstunde
auch über einen Vers aus Psalm 104 gesprochen
habt. Kann ihn mir jemand sagen?«
Annas Finger geht sofort nach oben, und sie sagt fehlerfrei
auf:
»Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Psalm 104,27«

»Sehr gut. So, und jetzt wartet ihr sicher auch auf den leckeren Kuchen, nicht wahr?«, sagt der Prediger schmunzelnd und schaut wieder in seine Bibel.
»Die Ehre des HERRN ist ewig; der HERR hat Wohlgefallen an seinen Werken.
Er schaut die Erde an, so bebt sie;
er rührt die Berge an, so rauchen sie.
Ich will dem HERRN singen mein Leben lang
und meinen Gott loben, solange ich bin.«
Wie jedes Jahr packen auch in diesem Jahr einige Frauen aus der Gemeinde nach dem Erntedankfest viele Taschen mit Obst und Gemüse für die älteren Geschwister. Und jetzt
dürfen sich auch die Kinder etwas vom Tisch nehmen.
Eben haben wir viele Verse aus Psalm 104 gehört. Auswendig lernen wollen wir nun Vers 27. Wisst ihr ihn noch?
Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Psalm 104,27

DAS WORT GOTTES

Von Gott eingegeben Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit. 2. Timotheus 3,16 In der Vorweihnachtszeit wird in vielen Familien oft gebacken. So ist es auch bei Elisabeth, die ihrer Mutter immer gerne dabei hilft. Sie bindet sich eine Schürze um und krem pelt die Ärmel hoch. Wenn dann das ganze Haus nach den leckersten Weihnachtskeksen duftet, der erste Stollen
angeschnitten wird, die Adventskerzen auf dem Tisch leuchten, dann wird einem so richtig warm ums Herz.
»Mama, du machst den besten Stollen, den ich kenne«, lobt Daniel seine Mutter.

Inhalt VORWORT 7; DIE SCHÖPFUNG ENTDECKEN 8; Als Gott alles machte 9; Über die Vögel 15; Über die Ameisen 21; Von Ohren und Augen 26; Das Erntedankfest 31; DAS WORT GOTTES 36; Von Gott eingegeben 37; Ein Licht auf dem Weg 42; Lebendig und wirksam 46; Im Herzen bewahren 51; 

DAS EVANGELIUM VERSTEHEN 56; Alle sind Sünder 57; Das Kamel 61; Schuld bekennen und lassen 66; Wer wirklich zu Jesus gehört 73; Sicher bei Gott 78; Stärker als der Tod 85; 

JESUS CHRISTUS BESSER KENNENLERNEN 90; Unveränderlich 91; Leidend 95; Der Weinstock 99; Das Licht 104; Eine Geburtsanzeige aus der Zukunft 109; Das Brot des Lebens 115; Ein altes Versprechen 120; Mit Vollmacht und Autorität 127; Genau zur richtigen Zeit 133; Gott ist mit uns 138; Die Auferstehung und das Leben 143; Bereit zu sterben 149; Der gute Hirte 155; Meine Schafe 160;

ÜBER DAS BETEN 166; Nach Gottes Willen beten 167; Beten hilft! 171; Wie man beten kann 176; Ein schönes Versprechen 180; Mach dir keine Sorgen! 185;

VON JESUS IM ALLTAG LERNEN 188; Lerne von Jesus! 189; Sei treu! 193; Fang die kleinen Füchse! 197; Sei getrost! 202; Sei zufrieden! 206; Triff keine falsche Vorsorge! 212; Sei ein Friedensstifter! 219; Sei ein Täter des Wortes! 224; Hab keine Angst! 230; Halt an! 234

PERSONEN DER BIBEL TREFFEN 240; Abraham 241; Mose 246; Josua 252; Rahab 257; Bileam 262; Jona 267; Tochter Zion 272; König Asa 277; Die Emmaus-Jünger 282

Stefan und Susanna Weiler Hardcover, 288 Seiten Artikel-Nr.: 256654 ISBN / EAN: 978-3-86699-654-0 © 2020 by CLV · Christliche Literatur-Verbreitung

Bino - Was ist bloß mit Bino los, Zahnd Hildegard

12/15/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Martin steckt den Kopf durch die Türspalte. Mutter steht am Herd und rührt in einer großen Pfanne. Es duftet verheißungsvoll. Martin läuft das Wasser im Mund zusammen. Hm, Gulasch, sein Lieblingsgericht!
„Tag, Mama! Sieh mal her - ich kann wirklich nichts dafür!" Mit todtrauriger Miene hält er der Mutter seinen roten Anorak hin. „Ehrenwort, ich war es nicht. Bino hat ihn zerrissen."
Mutter dreht sich um. Seit Tagen die gleiche Begrüßung. „Was ist denn jetz wieder passiert?"
Die Windjacke, die morgens noch tadellos war, gleicht dem Prachtstück eines Lumpensammlers. Die Seitennaht ist geplatzt, die Tasche heruntergerissen. Die Kapuze hängt gerade noch an einem Fädchen, und der Reißverschluß baumelt einsam in der Luft.


Mutters Augen wandern von der mißhandelten Jacke zu ihrem schuldbewußten Besitzer.
>i5er bietet einen jämmerlichen Anblick. Schmutzige Hände, zerzauste Haare, an der linken Wange eine blutige Schramme Das Ge-
Mundwinkel klebt ein Stück undefinierbarer, schwarzer Masse - vielleicht Schokolade? Martins Augen blicken unsicher auf die Mutter. „Sei nicht böse, Mama, ich kann wirklich
nichts dafür!"


Der Junge schlüpft wieder zur Tür hinaus, froh darüber, so glimpflich davonzukommen Aber so schnell ist Mutter nicht zufrieden - obwohl es bald zwölf Uhr ist und sie eigentlich keine Zeit hat, sich mit zerrissenen Windjacken
zu beschäftigen.
„Martin, komm her! Sag mal, wie kommt es eigentlich, daß du jeden Tag Löcher in den Kleidern hast? Einmal in der Hose, dann im Pullover. Gestern hatte die Kappe keine Quaste mehr, und heute ist die Jacke nur noch ein Lumpen! Was treibt ihr denn in der Schule?"
Mutter Stimme tönt nicht mehr so sanft und verständnisvoll wie gestern und vorgestern. Ist ja begreiflich - in den letzten Tagen hatte sich Martin allerhand geleistet. Das heißt, nicht er—er war nur mitbeteiligt. Bino, ein Junge aus der Nachbarschaft, sorgt dafür, daß Frau Denners Flickkorb täglich Zuwachs erhält.
„Mama, glaub es doch, ich kann wirklich nichts dafür. Er hat nach der Schule auf mich gewartet und mich niedergeboxt Ich mußte mich doch wehren - dabei ist die Jacke zerrissen."
6
Mit hängendem Kopf steht der Junge da; Ein Bild des Jammers. Mutter muß heimlich lächeln, nur gerade in den Mundwinkeln zuckt es. Sie fährt dem Bürschchen übers Haar.
„Wasch deine Hände! Dann komm und deck den Tisch. Dabei kannst du mir erzählen, wie du zu den vielen Löchern und der Schramme im Gesicht gekommen bist."
Gehorsam dreht sich Martin um und verschwindet im Badezimmer. Heute wagt er nicht, die Mutter daran zu erinnern, daß der Bruder Küchendienst hat. Diese blöde Jacke!
„Gibt es Suppe?" Auf Mutters Nicken holt Martin Suppenteller, Besteck, Gläser und Servietten aus dem Schrank. Auffallend langsam geht das Tischdecken vor sich. Er muß der Mutter haargenau erzählen, was in der letzten Zeit alles passiert ist.
„Der Bino ist ein Ekel. Letzte Woche stieß er Gabi die Treppe hinunter. Sie hatte ein großes Loch im Kopf. Fräulein Salberg mußte ihrer Mutter telefonieren. Die brachte sie sofort ins Krankenhaus. Der Arzt hat die Wunde genäht. Jetzt trägt sie ein dickes Pflaster über der Stirn und hat immer Kopfweh."
„Und was geschah mit Bino?"
„Er mußte zum Direktor. Aber diesem Jungen ist alles Wurst. Er lachte nur und sagte, es geschehe ihr recht."
„Geht Bino nicht mit Heiner in, die gleiche Klasse?” erkundigt sich Mutter. Es scheint ihr,
als hatte sie den Namen schon gehört. Heiner ist Martins älterer Bruder. „Wer ist denn Binos Freund?"
„Freund? Hat er keinen Mit dem will niemand gehen."
Martin erzählt noch viel von Bino. Die Mutter erfährt, daß er vor einem Jahr mit den Eltern aus Italien gekommen ist. Der Vater ist Schreiner, die Mutter arbeitet in einem Restaurant.
„Stell dir vor, Mama, seine Großmutter kommt jeden Tag auf den Schulhof. In der großen Pause gibt sie acht, daß er keine Dummheiten macht Aber es nutzt nichts Er verhaut doch immer jemand."
„Hallo, Mama - was gibt's zu essen?" Im Treppenhaus poltert es. „Ich bin halb tot vor Hunger!" ruft Heiner vor der • 'für. Zweistimmig grölt es: „Ich habe Hunger, Hunger, Hunger!"
Die Mappen fliegen in die Ecke. Im Badezimmer schubst jeder den anderen zur Seite. „Ich war zuerst da!"
Endlich sitzen alle am Tisch. Fast aller- der Vater ist noch nicht da Er kommt zu spät. Wie ..üblich. Mutter stimmt das Tischlied an „Vater, wir danken dir." Das Essen. schmeckt. Nach vier Stunden Schule hat man sich das Mittagessen wohl verdient Hetty, mit ihren zwölf Jahren beinahe eine junge Dame, beklagt sich über die Französischlehrerin.
„Weißt du, Mama, sie ist einfach zu ungerecht. Gestern hab ich s000 gebüffelt. Und heute, bei der Klassenarbeit, stellt sie ganz andere Fragen! Ich weiß wirklich nicht, wie die Arbeit wurde Na, schlechter als ungenügend kann sie ja nicht sein."
„Schwacher Trost", stellt Heiner trocken fest.
Mutter bedauert die. geplagte Tochter ausgiebig und bittet sie, mit ihrem Klagelied erst zu beginnen, wenn die Klassenarbeit zurük-kommt.
Da erscheint Vater im Türrahmen.. „Du kommst wieder einmal reichlich spät. Die Suppe ist fast kalt!" begrüßt ihn die Mutter.
„Macht nichts. Wie geht's, ihr Knöpfe?"
„Gut danke. Du, Papa, heute ist bei uns eine Stinkbombe losgegangen", berichtet der zehnjährige Heiner. „Wir müssen unseren neuen Lehrer testen Klaus und Andreas haben die Bombe abgefeuert Herr Grossen hat nichts bemerkt Uhhh, haben wir gelacht' Mir tut jetzt noch der Bauchweh!" .In Gedanken an die duftende Gesangsstunde
9
prustet Heiner los. Sein Gelächter wirkt so ansteckend, daß alle einstimmen. Sogar Papa, der zuerst ganz finster dreinschaute, schließt sich dem Lachquintett an.
„So, jetzt aber wieder vernünftig", mahnt er endlich. „Sonst wird alles kalt. Außerdem möchte ich auch einmal zu Wort kommen."
Als sich die Kinder beruhigt haben, wendet sich Vater an Heiner: „Wie ist das mit eurem Lehrer? Wozu soll er getestet werden? Ich denke, es ist an ihm, euch zu testen?"
„Na schon. Aber wir müssen doch herausfinden, ob er ein netter Kerl ist. Er sieht so komisch aus - trägt eine furchtbar dicke Brille. Die Augen dahinter sehen wie winzige Steck-nadelköpfe aus."
„Eine solch dicke Brille zu tragen ist wahrhaftig kein Vergnügen. Ich hoffe, du hast dich an der Bombenaktion nicht beteiligt?" Streng blickt der Vater seinem Sprößling in die Augen.
„Wo denkst du hin, Paps! Gelacht hab ich natürlich auch! Vielleicht ist Herr Grossen gar nicht übel, wenn man ihn näher kennt."
Herr Denner ist Pastor. In den Augen der Kindef ein unmöglicher Beruf. Sie geben ihn in der Schule mit gemischten Gefühlen an, wenn man sie danach fragt. Inzwischen wissen es alle, 'Lehrer und Schüler.
Vor zwei Jahren, als Herr Denner in die schöne Stadt am See versetzt wurde, mußte jedes der Kinder sich in der Schule vorstellen und von daheim erzählen.
Hetty und Heiner machten es kurz und bündig. Werner, damals in der ersten Klasse, er-, zählte gerne. Es machte ihm auch nichts aus, daß einige der Jungen sich anstießen und kicherten. Martin kam gerade in den Kindergarten. Zum Glück ging die Mutter mit und stellte sich selbst vor, so daß ihm die peinliche Angelegenheit erspart blieb.
„Wie geht es übrigens dem kleinen Peter?" wendet sich Frau Denner an ihren Mann. Er hat heute vormittag verschiedene Leute seiner Gemeinde besucht. Peter ist ein kleiner, schwerkranker Junge. Unheilbar krank. Die Mutter pflegt ihn voller Hingabe. Der Arzt hat ihm nur noch wenige Wochen gegeben. Heute hat Herr Denner wieder nach dem Kind gesehen.
„Er ißt kaum noch. Etwas Milch und Fruchtsaft, mehr kann ihm Frau Fehr nicht geben. Er freut sich darauf, bald zu Jesus in den Himmel zu kommen."
„Papa, kommt Peter gewiß in den Himmel?" erkundigt sich Martin. Daß der kleine Junge, den er seit zwei Jahren kennt, der zur Sonntagsschule kam, bald nicht mehr •hier sein wird,
10
macht ihm schwer zu schaffen. „Kann der Doktor ihm denn gar nicht helfen?"
„Nein, Martin. Gegen seine Krankheit gibt es noch kein Medikament. Peter hat keine Angst vor dem Sterben. Er weiß, daß es im Himmel schön ist. Dort hat er keine Schmerzen mehr; Dort kann er mit anderen Kindern spielen. Darauf freut er sich sehr. Hier muß er immer das Bett hüten. Weißt du noch, wie mager seine Arme und Beine waren, wie wenig Kraft er hatte? Deshalb wollen wir nicht traurig sein, nicht wahr, Kinder?"
Die fröhliche Stimmung ist wie weggeblasen. Per Gedanke an den kleinen Peter hat sogar Heiners Lachmuskeln lahmgelegt.
Vor ihren Augen steht der kleine Peter, wie sie ihn zuletzt gesehen haben. Bleich, mager, müde - wie einwelkes Blümchen hat er neben Martin gesessen. Und jetzt geht er bald in den Himmel?
Nach dem Essen nimmt Mutter die Bibel aus der Schublade. Es ist keine richtige Bibel, sondern das „Erzählbuch der Biblischen Geschichte" von Anne de Vries.
Die Kinder hören interessiert zu. Sogar Mar tin, der Zappelphilipp, hält seine Beine still und will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Meistens beten zwei Kinder und der Vater. Nur heute bleibt alles stumm. Martin denkt an die zerrissene Jacke, Heiner: an die Stinkbombe und Hetty grübelt ihren Fehlern in der Französischarbeit nach
„Werner, willst du beten?" fragt Vater den Drittklassler.
Nach Tisch macht sich jedes an die Arbeit Abwaschen, abtrocknen, Geschirr versorgen Heute sind Heiner und Martin an der, Reihe Ohne Murren geht die Sache nicht ab Abwaschen und abtrocknen, wie schrecklich' Man sollte endlich in jedem Haushalt Papiergeschirr einführen zur Entlastung der armen, geplagten Kinder!
Heiner kann es kaum erwarten, bis der letzte Teller gewaschen ist. Christoph steht auf der Straße und pfeift ungeduldig.
Struppi, der Vierbeiner, hat den Pfiff auch verstanden; Er sitzt wartend vor der Tür. Man: könnte ihn für einen Pudel halten, aber der Schein trügt. Struppis Vorfahren setzen sich aus mindestens drei verschiedenen Rassen zusammen Er ist die perfekte Promenadenmischung. Und der beste Freund der Kinder. Er folgt, wenn es ihm paßt. Im anderen Fall ist er furchtbar schwerhörig.
Jetzt sitzt er da und wartet ungeduldig Er halt den Kopf schief und wedelt mit dem Schwanz. Die großen, schwarzen Kulleraugen schauen Heiner bettelnd an „Beeil dich, ich
11
will hinaus! Siehst du nicht, wie schön die Sonne scheint?"
Heiner versteht sehr gut. Auch ihn zieht es an allen Haaren hinaus. Christoph und Stefan, die Jungen von nebenan, haben schon zu lange gewartet. Die beiden sind immer schneller fertig mit dem Essen. Bei ihnen gibt es keine Andacht!
Hetty hat mit Mutter eine wichtige Besprechung. Morgen hat Heiner Geburtstag. Er wird zehn Jahre alt. Da Hetty eine gute Köchin ist, übernimmt sie die Verantwortung für die Torte. Zum Glück hat sie an diesem Nachmittag schulfrei. Sie will sich sofort an die Arbeit machen. Aber Mutter hebt warnend den Finger. „Zuerst Klavierspielen!"
Das Klavier ist ein Problem für sich. Seit drei Jahren hat Hetty Unterricht. Aber sie ist immer viel zu beschäftigt, um ans Üben zu denken. Zuerst kommen die Hausaufgaben, dann die neuesten Bücher, manchmal eine Handarbeit und schon ist es Zeit, zu Bett zu gehen. Abends, wenn die Mutter fragt: „Hetty, hast du heute geübt?" schüttelt ihre Tochter bestürzt den Kopf. „Ganz vergessen!"
Heute sorgt Mutter dafür, daß Hetty das Üben nicht vergißt. Nach einer endlos langen Stunde am Klavier klappt das Kind den Deckel energisch zu. Schluß für heute!
Gegen Abend wird noch einiges eingekauft und schnell ein letzter Stich an der Buchhülle angebracht. Hetty hat sie mit viel Liebe aus Jute genaht und bestickt Ob Heiner das wertvolle Geschenk auch mit gebührender Ehrfurcht behandeln wird?
Abends herrscht im Hause Hochbetrieb Einige Kinder kommen zum Religionsunterricht, andere lernen Gitärre spielen, eine dritte Gruppe verzieht sich in den Keller, um ein Theaterstück zu proben.
Dienstagabends gibt's bei Denners meistens Stehbuffet. Jeder kommt zu einer anderen Zeit nach Hause und muß schleunigst wieder weg. Für die Mutter bedeutet das Küchendienst am laufenden Band, für die Kinder ein willkommenes Ausbrechen aus der üblichen Ordnung. Gut, daß alles zwei Seiten hat!
Als Mutter abends ans Bett kommt, um zu beten und gute Nacht zu wünschen, packt Hei-ner sie am Arni. „Mama, du hast es doch nicht vergessen - morgen habe ich Geburtstag' Ich freue mich ja s000 darauf -• besonders auf den Nachmittag. Da kommen Christoph, Stefan und Urs."
„Und Mädchen?" erkundigt sich Hetty. „Kommt auch ein Mädchen aus deiner Klasse? Ich will nicht immer nur mit euch Bengeln zusammen sein!"
12
„Mädchen sind doof — die lade ich nicht ein”, erklärt Heiner. „Du bist die große Ausnahme, das weißt du ja", fügt er schnell hinzu, als er bemerkt, daß Hetty die Stirn kraus zieht.
Die Schwester darf er heute auf keinen Fall verärgern, sonst kann er sich morgen seinen Geburtstagstee selber machen.
„Nicht wahr, Hetty, du bist morgen unsere Kellnerin?" bettelt Heiner mit schmeichelnder Stimme. „Kriegst dafür das größte Tortenstück! Wenn es nur schon morgen wäre!"
„Kommt, Kinder, wir wollen beten und Gott für alles Schöne danken, das er uns heute geschenkt hat. Es ist nicht selbstverständlich, daß wir immer genug zu essen haben. Viele Menschen müssen hungern. Nicht einmal ein Bett hat jeder!"
Heiner weiß das. Aber heute hat er keine Zeit, daran zu denken. Heute hat nur der Gedanke an seinen Geburtstag Platz in seinem Kopf.

2
Der Tisch im Kinderzimmer ist hübsch gedeckt. Zehn Kerzen brennen. Neben Heiners Teller liegen bunte Päckchen. Ein riesiger Blumenstrauß aus dem Garten prangt in der Mitte. Heiner und seine Freunde zappeln ungeduldig vor der Tür.
„Dürfen wir jetzt hinein?"
„Wartet noch einen Augenblick - gleich bin ich fertig!' antwortet Hetty.
Langsam öffnet sie die Tür. Mit lautem „Ahhh" und „Ohhh" bestaunen die Jungen die festliche Tafel. „Du, so eine Schwester möcht ich auch", raunt Christoph seinem Freund ins Ohr, „Meine Mutter macht es viel weniger feierlich."
Als die Kinder am Tisch sitzen, kommt auch Mama schnell herein, um die Gäste ihres Sohnes zu begrüßen. Alle stimmen in den Song ein: „Happy birthday to you!" Englisch können die Jungen zwar nicht, aber sie singen wacker mit - mehr oder weniger verständlich!
Hettys Tone wird gebührend bewundert. Das Mädchen trägt eine kleine weiße Schürze und bedient die Bürschchen wie eine ausge-

Für Jungen von 8— 12 Jahren


ISBN:    9783877397404
Format:    18 x 11 cm
Seiten:    130
Gewicht:    113 g
Verlag:    Schulte & Gerth
Erschienen:    1977
Einband:    Taschenbuch

Der verschlossene Garten Patricia St.John

11/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

»Es war einmal ein Mann da«, murmelte Eliane.

»Früh am Morgen, der schaute ins Fenster.« »Mit dieser Aussage wirst du der Polizei einen Dienst erweisen können. Peter wird ja schon eifersüchtig sein, wenn du einen regelrechten
Einbrecher gesehen hast«, meinte Pfarrer Morton erfreut. Eliane, das egoistische Mädchen
aus der Stadt, erlebt mit ihren Freunden Janet und Peter viele Abenteuer auf dem Land –
Einbrecher, Muscheldiebstahl, Zeltferien am abgelegenen Baggersee ... Gemeinsam entdecken
sie dabei, dass ungetrübte Lebensfreude dort zu finden is ...
Wenn Sie ein "echtes" Buch bevorzugen oder diesen Artikel verschenken möchten, können
Sie diesen Download-Artikel ggf. auch käuflich erwerben, solange verfügbar.

Inhaltsverzeichnis

Der Kloß im Hals ................................................................. 7
Der erste Tag ...................................................................... 17
Eine Vorahnung .................................................................. 27
Unter dem Schnee .............................................................. 35
Der fremde Mann ............................................................... 43
Das offene Fenster ............................................................. 51
Die Regenbogen-Muschel .................................................. 59
Im Buchenwald .................................................................. 69
Leben im Licht! .................................................................. 81
Weiße Kleider .................................................................... 89
Der lebendige Garten ......................................................... 97
Bist du gut? ...................................................................... 107
Der unvergessliche Geburtstag .........................................115
Die unerwartete Begegnung ............................................. 125
Vor der Tür ....................................................................... 133
Das Zeltlager am See ....................................................... 141
Barbaras Tag .................................................................... 151
Im Nebel ........................................................................... 159
Die Rettung ...................................................................... 167
Der richtige Weg? ............................................................. 177

7
Der Kloß im Hals
Der Zug ratterte im gleichmäßig eintönigen Takt. Die Landschaft Mittelenglands raste am Fenster vorbei. Die Luft im Wagen war warm und dick und mit den verschiedensten Gerüchen der vielen anderen Reisenden durchsetzt.
Meine Mutter hatte mich einer Dame anbefohlen, die von London nach Irland fuhr. Aber ich war nicht gerade ein liebenswürdiges Kind – nach der scheußlichen Verabschiedungszeremonie von vorhin erst recht nicht – und schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, sodass auch sie mich bald nicht mehr beachtete.
Ich kuschelte mich in die Ecke meiner Sitzbank und las in meinen Comic-Heften, die mir meine Mutter kurz vor der Abfahrt auf dem Bahnhof am Kiosk gekauft hatte. Von Zeit zu Zeit steckte ich mir ein Gummibärchen in den Mund und schaute zum Fenster hinaus. Kilometerweit konnte ich nichts als nasse, gelbliche Felder und kahle, dunkle Hecken und Bäume erblicken, hinter denen die Ferne sich im Nebel verlor. Alles sah so kalt und schmutzig, einsam und hässlich aus,
dass ich es bald satt hatte hinauszuschauen.
Stattdessen gingen meine Gedanken spazieren. Erst vor drei Tagen hatte mich meine Mutter vor die Tatsache gestellt, dass ich zum Schulbeginn nach den Winterferien aufs Land fahren
müsse. Sie hätte eine interessante Arbeit im Ausland erhalten
und könne sich so einen lang ersehnten Wunsch erfüllen. Leider könne sie mich nicht mitnehmen.
Meine Mutter war dabei gewesen, meine Haare zu frisieren, als sie mir diese Neuigkeit an den Kopf geworfen hatte. Noch jetzt konnte ich meinen verdutzten Gesichtsausdruck im Frisierspiegel sehen. Mit einem Lächeln im Gesicht versuchte sie mir zu erklären, dass sie eine nette Familie für mich gefunden
8
hätte: Eine frühere Schulfreundin würde mich liebend gern in ihre Familie aufnehmen. Sie hätte selber sechs Kinder. Janet wäre nur ein paar Monate jünger als ich. Mit ihr zusammen könnte ich die Schule besuchen. Die Gedanken an diese letzten drei Tage schwirrten mir durch den Kopf, während die Räder der Eisenbahn gleichmäßig stampften. In meinem Hals saß ein dicker Kloß. Würde
ich – verwöhnt als Einzelkind, eitel und meist sehr egoistisch, wie mir Frau Moody, unsere Haushälterin, oft gesagt hatte – würde ich es je aushalten bei einer Familie? Würde ich die
Stadt London, mein schön eingerichtetes Zimmer und Frau Moody nicht schrecklich vermissen? Könnte ich je wieder glücklich werden?
Die Landschaft veränderte sich kaum. Hässlich und einsam sah sie aus – genauso, wie ich mich fühlte. Es gab aber kein Zurück mehr. So fügte ich mich in mein Schicksal, kuschelte mich
noch tiefer in die Ecke meiner Sitzbank und schlief fest ein.
Hätte mich die gute Dame nicht geweckt, ich hätte den Zeitpunkt des Aussteigens glatt verschlafen. So aber stolperte ich mit meinem großen Koffer aus dem Wagen und blieb
abwartend, noch ganz schläfrig und verwirrt, auf dem Bahnsteig stehen. Der Zug fuhr sofort weiter. Das Erste, was mir hier – nach der Großstadt London – auffi el, war die Stille:
kein Verkehr, kein Getrampel von tausend Füßen – nur das gedämpfte Rauschen des Meeres jenseits der Bahnhofshalle und das weiche Rieseln von Wellen über Kieselsteine. Ich schnupperte. Die Luft roch salzig und frisch.
In diesem Augenblick sah ich eine Frau auf mich zueilen, so schnell, wie drei kleine Kinder, die an ihren Händen und an ihrem Mantel hingen, es ihr erlaubten. Sie hatten am anderen Ende des Bahnsteigs gewartet. Ich nahm an, dass das die Mortons sein müssten. Ich ging ihnen nicht entgegen, sondern blieb ruhig bei meinem Koffer stehen. Dann streckte
9
ich meine behandschuhte Hand aus und sagte in dem kühlen, unverbindlichen Gesellschaftston meiner Mutter, mit dem sie Leute begrüßte, die ihr unsympathisch waren: »Guten Tag,
Frau Morton!«
Sie war sichtlich überrascht, und im trüben Licht jenes Februarnachmittags wechselten wir stumm einen abwägenden Blick. Dann huschte eine Bewegung über ihr Gesicht, die ich nicht zu deuten wusste: Wollte sie lachen oder weinen?
Jedenfalls schob sie meine Hand beiseite, küsste mich sanft auf beide Wangen und sagte: »Wie schön, dass du zu uns kommst, Eliane! Wir sind alle ganz aufgeregt. Peter und Janet
sind traurig, dass sie nicht rechtzeitig aus der Schule heimkommen konnten, um dich abzuholen. Aber Johnny, Rosmarie und Robert sind hier, und die anderen erwarten dich zu
Hause. Komm, das Taxi steht bereit.«
Johnny, Rosmarie und Robert schienen ebenso wenig wie ich zu wissen, was wir voneinander halten sollten. Ich nahm an, sie erwarteten ein Wort oder einen Kuss von mir. Aber ich hatte keine Ahnung vom Umgang mit kleinen Kindern. In ihren wollenen Kappen, dicken Mänteln und festen Stiefeln sahen sie fast ebenso breit wie lang aus.
Als wir das Taxi erreichten, kugelten sie alle drei auf den Rücksitz und begannen unter einer Decke miteinander zu tuscheln. Ich saß vorn neben Frau Morton, antwortete »Ja« oder
»Nein« auf ihre Fragen und fühlte mich schrecklich schüchtern und elend.
Wir ließen die kleine Stadt hinter uns. Die Gegend, durch die wir fuhren, war die trübseligste Gegend, die ich je gesehen hatte. Es herrschte ein kaltes, dunstiges Zwielicht, und Bäume und Hügel blieben unsichtbar. Ich konnte nichts erkennen außer nassen Straßen und eine trostlos eintönige Landschaft.
Und nirgends eine Menschenseele! Was in aller Welt konnte man hier den ganzen Tag treiben?
10
Ich hörte nicht mehr, was Frau Morton sagte, und starrte aus dem Fenster. Die Kleinen streckten wie Häschen ständig die Köpfe unter der Decke hervor, kicherten und verschwanden wieder. Ich glaube, es war ihre Art, Annäherungsversuche zu machen, aber ich achtete nicht darauf.
Auf einmal rief Johnny: »Da ist unser Haus!« Er stieß mich ziemlich unsanft in den Rücken und zeigte nach vorn.
Ich folgte, plötzlich gespannt, mit den Blicken seinem Zeigefinger.

Wir waren zwischen Baumreihen dahingefahren; jetzt fuhren wir wieder auf offener Straße. Dort am Abhang leuchteten uns die hellen Fenster eines Hauses entgegen. Es waren die einzigen Lichter in jener Richtung, denn das Haus stand abseits vom Dorf, und sie schienen Wärme und herzlichen Empfang zu verheißen. Ich warf einen scheuen Blick auf Frau Morton.
Sie lächelte mir zu. »Willkommen im Pfarrhaus, Eliane, hier sind wir zu Hause!«
Als das Taxi durch das Gartentor fuhr, öffnete sich die .
Haustür, und zwei stämmige Kinder samt einem gewaltigen Schäferhund stürzten uns unter Hallogebrüll und Gebell entgegen. Ich verabscheute laute Kinder und schreckte zurück.
Aber sie schienen es nicht zu merken. Sie tanzten wie wild um ihre Mutter herum, und als ich schließlich doch ausstieg, sprang der Hund an mir hoch, legte mir die Vorderpfoten auf
die Schultern und versuchte, mir das Gesicht zu lecken. Die Kinder jauchzten vor Vergnügen, denn gerade das hatten sie ihm anscheinend beigebracht. Ich aber meinte, er wolle mich
beißen, und schrie vor Entsetzen laut auf.
Frau Morton hatte mich im Nu befreit und beruhigte die aufgeregte Gesellschaft. »Er will dich nur begrüßen, Eliane«, erklärte Janet. »Er kann dir auch die Hand schütteln. Streck die Hand aus, dann streckt er dir die Pfote entgegen. Er ist ein sehr höfl icher Hund.«
11
Aber ich fand ihn grässlich und wich immer weiter zurück. Die Kinder waren höchst erstaunt. Sie konnten nicht begreifen, dass jemand sich vor Nero fürchtete. Ich bemerkte, wie
Janet und Peter einen belustigten Blick austauschten, während wir irgendwie allesamt den Gartenweg hinaufgingen und durch die Haustür ins Haus gelangten. Es war klar: Ich hatte
einen schlechten Anfang gemacht.
Janet nahm einen neuen Anlauf, mich willkommen zu heißen, und sagte freundlich: »Du schläfst bei mir. Ich will dir das Zimmer zeigen und dir beim Auspacken helfen.«
Damit führte sie mich die Treppe hinauf, und Peter kam mit dem Koffer hinterher. Sie öffnete die Tür zu einem kleinen Schlafzimmer, in dem zwei Betten nebeneinander standen.
Es gefi el mir nicht, und ich gab mir auch keine Mühe, dies zu verbergen. In London hatte ich ein eigenes Zimmer bewohnt mit elektrischer Heizung, einem dicken Teppich, einem kleinen Büchergestell aus Eichenholz, einem bequemen Sessel und einem Spielzeugschrank – alles für mich ganz allein. Dies hier war, so fand ich, ein schäbiges, kaltes, kleines Zimmer. Ich sah nicht die vielen Willkommenszeichen, die die Kinder liebevoll darin angebracht hatten: die Hyazinthenknospe auf der Kommode, Rosmaries liebsten Teddybär auf meinem Bett, Peters Lieblingsbild, ein Schlachtschiff, das an der Wand über meinem Kissen klebte, und das winzige Moosgärtchen, das in einem Blechdeckel auf meinem Stuhl lag.
Janet beobachtete mich gespannt, aber ich zeigte nicht die kleinste Regung einer Freude, und der erwartungsvolle Ausdruck auf ihrem Gesicht erlosch. Schüchtern wies sie auf mein
Bett und meine Schubladen und sagte, sie müsse ihrer Mutter beim Zubereiten des Abendessens helfen.
Ich spürte, dass sie froh war wegzugehen, und ich selbst war froh, dass sie ging. Widerwillig betrachtete ich die dünnen Bettvorleger, die alten Vorhänge und Bettdecken, und da-
12
bei bemerkte ich zwei klebrige Karamellen und einen welken Zweig Winter-Jasmin auf meinem Kissen. Ich schleuderte alles zornig in den Papierkorb. Mama und Frau Moody würden nie dulden, dass auf dem Kissen eines Gasts solches Zeug läge, und ich verstand nicht, wie Frau Morton dies erlauben konnte. Ich öffnete meinen Koffer und begann, meine Kleider in den Schrank zu hängen. Es tat mir wohl zu sehen, dass sie viel hübscher waren als Janets Kleider. Mein neues Nachthemd mit den vielen Fältchen breitete ich in seiner ganzen Pracht auf dem Bett aus. Vielleicht hatte ich Janet doch einiges voraus, auch wenn ich mich vor Hunden fürchtete!
Als ich gerade dabei war, die Fältchen hübsch zu legen, erschien Frau Morton mit dem Jüngsten auf dem Arm, einem rundlichen, strampelnden Baby, das noch kein Jahr alt sein konnte.
»Das ist Klein-Anne«, sagte sie. »Ich hoffe, du hast kleine Kinder gern. Ich zähle nämlich auf deine Mithilfe. Sechs Kinder machen eine ganze Menge Arbeit, und du wirst nun meine
älteste Tochter sein. Du bist doch elf, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte ich und schaute gebannt auf Klein-Anne, die plötzlich einen glucksenden Laut von sich gab und breit lächelte, wobei zwei Zähnchen sichtbar wurden. Es war mir
ganz neu, dass man von mir irgendwelche Mithilfe im Haushalt erwarten konnte. Zu Hause verrichtete Frau Moody alle Arbeit allein. Ich spielte oder saß vor dem Fernseher oder
las. Nun wusste ich nicht recht, was ich von diesem neuen Gedanken halten sollte. Das Baby pfl egen zu helfen, würde vielleicht Spaß machen. Ich konnte es jedenfalls einmal versuchen. Und wenn es mir dann nicht gefallen sollte, würde ich es einfach wieder bleiben lassen. Denn ich wollte auf meine Weise glücklich sein. Und das bedeutete: haben, was ich wollte, und tun, was mir gefi el. Von irgendeinem anderen Glück wusste ich nichts.
13
Ich sah zu, wie Frau Morton Anne in ihr Bettchen legte und zudeckte, und folgte ihr dann ins Esszimmer hinunter. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass der riesige Kartoffelauflauf, der soeben aufgetragen wurde, von einem rotbackigen Mädchen namens Emma auf den Tisch gestellt wurde. Ich hatte schon befürchtet, es sei keine Hausangestellte da und man erwarte von mir, dass ich das Geschirr spülen oder Staub wischen solle, was ich auf keinen Fall vorhatte.
Als alles bereit war, kam Pfarrer Morton aus seinem Studierzimmer. 

Er war ein großer, schlanker Mann mit ernsten Zügen, aber freundlichen blauen Augen. Er hob Robert hoch, über den er beinahe gestolpert wäre. Dieser hatte ihm nämlich, sobald die Tür aufgegangen war, die Arme um die Beine geschlungen. Er begrüßte mich sehr herzlich. Nachdem er das Tischgebet gesprochen hatte, setzten wir uns unter unbeschreiblichem Stimmengewirr zu Tisch. Der Pfarrer war eben erst von seinen Hausbesuchen zurückgekehrt, und da Peter
und Janet ihn seit dem Frühstück nicht mehr gesehen hatten, wussten sie ihm unglaublich viel zu erzählen. Johnny und Rosmarie schienen seit dem Mittagessen ebenfalls unerhört
viel erlebt zu haben und platzten fast vor Neuigkeiten.
»Papa«, begann Peter, »ich sitze jetzt neben Glyn Evans. 
Er sagt, er würde mir für ein paar Marken und eine Schleuder zwei Kaninchen geben. Darf ich sie nehmen, Papa?«
»Papa«, fi el Janet ein, »vielleicht komme ich zur Basketball-Mannschaft. Könnten wir nicht im Garten einen Pfosten einschlagen, damit ich üben kann?«
»Darf ich, Papa?«, fragte Peter.
»Papa, Papa«, schrie Johnny, weil ihm plötzlich etwas ungeheuer Aufregendes einfi el, »wir sind gerade auf der Brücke gewesen, als der Zug unten durchgefahren ist, und der ganze
Rauch ist rings um uns heraufgekommen!« 
»Können wir, Papa?«, wiederholte Janet.
14
»Wir haben zwei ganz kleine Lämmer auf dem Feld gesehen, ich hab sie schreien hören«, sagte Rosmarie laut genug, um ihren Vater über all den Lärm hinweg zu erreichen. Sie strahlte ihn selig an, da sie ihre Neuigkeit ohne Zweifel für die allerwichtigste hielt. Und er strahlte zurück, denn er wusste genau, wie viel solche Erlebnisse seiner Fünfjährigen bedeuteten.
»Darf ich, Papa?«, fragte Peter wieder. Er war ein sehr ausdauernder Junge, wie ich später herausfi nden sollte. »Können
wir, Papa?«, rief Janet fast gleichzeitig. 
»Ich glaube, ja«, erwiderte der Vater ruhig. »In der Garage liegt ein alter Pfosten, Janet. Wir könnten einen Ring aus Draht daran befestigen und ihn im Garten aufstellen. Und ich
will sehen, ob ich eine Kiste und etwas Drahtgefl echt für deine Kaninchen auftreiben kann, Peter. Wie steht’s mit dir, Eliane? Spielst du auch Basketball?«
»Manchmal schon«, murmelte ich und wünschte, man würde mich in Ruhe lassen. Ich fühlte mich schrecklich verlegen all diesen fröhlichen, zutraulichen Kindern gegenüber. Wie
unangenehm, dass Janet so versessen auf Basketball war! Ich selbst hatte mir nie viel aus Spielen gemacht. In den Ferien war ich entweder im Haus geblieben oder mit meiner Mutter
einkaufen oder spazieren gegangen. Ich hatte nie gelernt herumzutollen, zu springen und zu spielen.
Der Kartoffelaufl auf schmeckte mir auch nicht. Ich wäre gern nach Hause gegangen. Die Tränen stiegen mir in die Augen und wären vielleicht gefl ossen, hätte ich nicht plötzlich bemerkt, dass Rosmarie mich geheimnisvoll ansah, das runde Gesicht voll mühsam unterdrückter Erregung.
»Hast du sie gesehen?«, fl üsterte sie. Ihre Frage blieb von den anderen ungehört, weil eine heftige Diskussion zwischen Peter und Janet entbrannt war. Es ging bei den beiden anscheinend darum, ob sie weiße oder braune, alte oder junge, männliche oder weibliche Kaninchen haben wollten. Es schien da zahllose Möglichkeiten zu geben.
»Was?«, fl üsterte ich schüchtern zurück.
»Meine Überraschung«, erklärte sie leise, mit glänzenden Augen. »Was ich auf dein Kissen gelegt habe – hast du’s gesehen?«
Da fi elen mir die klebrigen Karamellen und der welke Zweig ein. Ich hatte gemeint, es sei wertlos, aber nun merkte ich, dass es kostbare Dinge sein mussten. »Ja«, sagte ich, »ich
hab’s gesehen … Danke, Rosmarie.«
Plötzlich trat Stille ein. Johnny legte eine Bibel vor seinen Vater auf den Tisch. Der Vater schlug sie auf, und sofort wurde die ganze lebhafte Schar ruhig. Ich hatte immer gedacht,
die Bibel sei ein todlangweiliges Buch, aber hier schien jedermann aufmerksam zu werden, sogar die kleine Rosmarie.
Ich selbst machte gar keinen Versuch zuzuhören, war ich doch davon überzeugt, dass ich auch beim besten Willen nichts verstehen würde. Es war von einem Weinstock und ein
paar Reben die Rede, aber erst der letzte Vers ließ mich aufhorchen.
»Ich habe euch dies gesagt, damit meine Freude euch erfüllt und an eurer Freude nichts mehr fehlt.« (Johannes 15,11)
Der Klang dieser Worte gefi el mir; ich sagte sie in Gedanken noch einmal auf. Da schlossen auch schon alle die Augen und neigten die Köpfe zum Gebet. Ich merkte es, weil Frau Moody mich manchmal das Vaterunser hersagen ließ. Aber ich spürte auch sofort, dass dies hier etwas anderes war. Pfarrer Morton sprach wie zu jemandem, der bei uns im Zimmer war, und sein Gebet schloss uns alle auf geheimnisvolle Weise in eine große Geborgenheit ein: Mama weit weg in London, die Kinder rund um den Tisch, die schlafenden Kleinsten in ihren Bettchen – wir alle wurden jemandem nahegebracht, der sich um uns kümmerte und uns gut und glücklich machen wollte.

Eine Stunde später, nachdem Frau Morton uns einen Gutenachtkuss gegeben hatte und Janet neben mir eingeschlafen war, lag ich wach in meinem Bett, noch ganz benommen von
allem, was ich erlebt hatte. Waren bereits Jahre vergangen, seit das Taxi in London um die Ecke gebogen und Frau Moody meinen Blicken entschwunden war? Wieder füllten sich meine Augen mit Tränen der Verlassenheit, und ich sehnte mich nach Hause zurück. Doch da stiegen jene seltsamen Worte in mir auf, die irgendwie einen wunderbaren Trost zu versprechen schienen: »Ich habe euch dies gesagt, damit meine Freude euch erfüllt und an eurer Freude nichts mehr fehlt.«
»Was war mit ›dies‹ gemeint? Was hat er wohl gesagt?«,
fragte ich mich. Und ich wünschte, ich hätte besser zugehört.


Taschenbuch, 192 Seiten
Artikel-Nr.: 255564
ISBN / EAN: 978-3-89397-564-8

Originaltitel: »Rainbow Garden«
erschienen bei: Scripture Union (Bibellesebund), London
©1960 by Patricia St. John
Deutsch von Elisabeth Aebi
© der deutschsprachigen Ausgabe:
1986 by Verlag Bibellesebund, Marienheide
Umschlag: Georg Design, Münster
Illustrationen: Lena Franke
Satz: CLV
Druck: Ebner & Spiegel, Ulm
ISBN 978-3-87982-717-6 (BLB)
ISBN 978-3-89397-564-8 (CLV)

Wanja ein russischer Hengst - PferdeLiteratur, Danica Langenstein

07/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Smetankas Sohn

Ein eisiger Wind pfiff durch den Innenhof des Gestüts, dessen Umrisse in der Morgendämmerung nur schemenhaft zu erkennen waren.
Oleg schüttelte sich und vergrub seine Hände noch tiefer in den Taschen des pelzgefütterten Ledermantels. Schnee
knirschte unter seinen Stiefeln. -
Völlig unerwartet hatte der nächtliche Wettersturz den nahenden Frühling. zurückgetrieben. Oleg grummelte ein paar unverständliche Worte und versuchte sein Gesicht hinter dem hohen Kragen zu verbergen
Am Stutenstall angekommen, verharrte er einen Moment und lauschte angespannt. Als er nur das entfernte Heulender wilden Hunde hörte sowie das Ächzen und Knarren hölzerner Pfosten und Bretter im Wind, öffnete er die Stalltur. Vorsichtig trat er ein und tastete nach dem Lichtschalter. Kaum leuchtete die spärliche Lampe auf, raschelte es in den Ecken der Holzboxen, und dicke, graue Ratten flitzten fiepend durch den Stall zu ihren Schlupflöchern.
Oleg stieß mit der Stiefelspitze nach einer Ratte, verfehlte sie aber. Am liebsten hätte er sie mit der Mistgabel gejagt, ließ es aber, um die Stuten nicht aufzuschrecken.

Aus der ersten Box blinzelte verschlafen und ein wenig geblendet eine Schimmelstute. Oleg strich ihr im Vorbeigehen aber die Nase
„Nein, mein Mädchen, du bist noch nicht soweit." Seine rauhe Stimme nahm einen zärtlichen Klang an
Vor der großen Abfohlbox am Ende des Stalles spürte Oleg sein bekanntes Kribbeln in der Magengegend. Fünfzehn Jahre lebte und arbeitete er auf dem Achal-Tekkiner-Gestüt, südlich der Stadt Alma-Ata. Viele Fohlen waren mit seiner Hilfe auf die Welt gekommen, doch vor jeder Geburt zitterte er wieder, ob alles gutgehen würde.
Er entriegelte die Boxentür und schob sie zur Seite. Die zierliche, dunkelbraune Stute wendete ihm den Kopf zu. Schweißnaß glänzten ihr Hals und die bebenden Flanken. Unruhig schlug ihr Schweif hin und her.
Mehr als vierzehn Stunden waren vergangen, seit der kleine Anatol aufgeregt ins Verwalterhaus gerannt gekommen war und verkündet hatte, bei Smetanka sei schon Milch ins Euter eingeschossen. Da nun die Geburt sehr schnell eintreten konnte, war Oleg sofort zu ihr gegangen. Um ein Verlegen der Stute während des Geburtsvorganges zu verhindern, mußte die .Box an den Wänden mit Strohballen abgepolstert werden. Alle Anzeichen hatte dafür gesprochen, daß Smetan-ka noch m dieser Nacht abfohlen wurde, aber bis jetzt hatten noch nicht einmal die Austreibungswehen eingesetzt.
Oleg überlegte kurz, ob er den Tierarzt selbst verständigen sollte Schnell schob er den Gedanken wieder fort, denn er, als alter kasachischer Gestutswarter, haue nur dem Verwalter Meldung zu machen Seine asiatischen Gesichtszuge verfinsterten sich. ». .
Smetanka wandrte in ihrer Box auf und ab, gelegentlich hielt sie an und drehte den Kopf zu ihrem Bauch Die Schweißbildung verstärkte sich zusehends Das ungute Kribbeln in Olegs Magengegend wurde deutlicher. Als erfahrener
Pferdemann spürte er instinktiv,, daß Schwierigkeiten bevor. standen Eilig verließ er den Stall und marschierte zum Verwalterhaus Draußen war es inzwischen hell geworden. 

Die Pfleger hatten mit der morgendlichen Arbeit begonnen. Von allen Seiten ertönte das erwartungsvolle Wiehern und Prusten der Pferde, dazu das gewohnte Klappern .der Futterwagen. Oleg genoß diesen Augenblick, er vergaß für einen Moment die Sorge um die trächtige kleine Stute Tief atmete er die kalte, klare Luft ein Er liebte dieses vertraute Stuck Erde vor dem gewaltigen, von ewigem Schnee bedeckten Vorgebirge des Tienschan Hier, bei seinen Pferden, war er zu Hause, hier war er glücklich.
Siedend heiß fiel ihm dann Smetanka wieder ein, und er beschleunigte seine Schritte Fast stolperte er über die Schwelle des großen Steinhauses, als er hastig die grüne Tür aufstieß; „Andreji Pecrowitsch! Andreji Petrowitsch!" rief er laut durchs Treppenhaus.
Im ersten Stock erschien der Sowchosenleiter am Geländer. „Was ist in dich gefahren' Warum kommst du nicht in mein Büro, wenn du etwas von mir willst?«
Olegs Mut war wie weggeblasen Verlegen drehte er seine Pelzmutze zwischen den Fingern ‚Ich wollte nur sagen", stammelte er, „daß die Smetanka aus Stall eins wohl Probleme beim Abfohlen hatl« Wütend auf sich selbst setzte er seine Mutze wieder auf. Er hatte sich fest vorgenommen, energisch nach einem Tierarzt zu verlangen, und nun war er vor dem Verwalter wieder unsicher wie ein Kind Andreji Petrowitsch mußte lächeln. 

Nur zu gut kannte er den besten und treuesten seiner Gestutswarter. Keiner konnte besser mit Pferden umgehen als der mürrische, schweigsanie Oleg. Petrowitsch hatte sich auch damit abgefunden'daß der alte Asiate ihn zwar als Vorgesetzten akzeptierte, nicht jedoch als Pferdemann »Meinst du, daß es notwendig ist, den Tierarzt zu holen? Wir sollten noch mal nach ihr schauen;'Petrowitsch zwängte sich in die Lederstiefel, warf sich den reich bestickten Ledermantel über die Schulter und setzte seine Pelzkappe auf.

Als sie Seite an Seite zum Stutenstall stapften, trafen sie auf einige Männer der Belegschaft, die sofort stehenblieben und grüßten. Dankend hob Petrowitsch die Hand, obwohl er di&se militärische Ehrenbezeugung nicht mochte. Er wollte einer, von ihnen sein und nicht, nach über einem Jahr, immer noch der Neue aus Moskau
Oleg war vorausgegangen. Als Petrowitsch die Abfohlbox erreichte, hockte Oleg neben der auf der Seite liegenden, schwer atmenden Stute und redete beruhigend auf sie ein. Heftige Wehen ließen Smetanka aufstöhnen.
„Das sieht nach Preßwehen aus", murmelte der Verwalter. Oleg sah zu ihm auf. „Scheint so."
Kurz nach Beginn der Preßwehen sollten die beiden Vorderhufe des Fohlens im Schamspalt sichtbar werden, wenig später Mund, Nüstern und Stirn des Fohlenkopfes, meist noch mit der Fruchthülle bedeckt Das wußten die Manner.
Auf einmal kam Bewegung in Andreji Petrowitsch. „Ich werde dafür sorgen, daß sofort der Tierarzt kommt Richte du alles Notwendige her?'
Oleg wußte, was er zu tun hatte: Schweif umwickeln, Spannstricke zurechtlegen, eine saubere Ablagemöglichkeit und wihnes Wasser bereitstellen. So würde der Tierarzt sofort nach seinem Eintreffen mit der Untersuchung beginnen können. Zunächst hieß es dann allerdings, Smetanka zum Aufstehen zu bewegen. Ein Blick auf das stöhnende Pferd genügte, um zu wissen, daß dies nicht einfach werden würde Als Oleg fertig war, setzte er sich wieder neben die Stute
„Smetanka, Dua, du schaffst es schonl' Leicht strih er ihr über die fiebrig glänzenden Augen Wo blieb nur Petrowitsch mit dem Tierarzt. Es schien eine Ewigkeit her, seit der Verwalter fortgegangen war. 
In seiner Hilflosigkeit nahm Oleg zwei Strohbüschel und begann den Hals und die Schulter des Pferdes trockenzureiben Mit ziemlicher Sicherheit lag das Fohlen verkeilt im Mutterleib und drohte zu ersticken oder die Mutter erheblich zu verletzen.

Endlich wurde die Stalltür aufgerissen und. Petrowitsch stürmte mit dem Tierarzt herein
„Hier, Dr. Fedossejew, das ist sie, schon seit Stunden überfällig." 
Der Tierarzt musterte die Stute kurz „Sie muß aufstehen, schnell, holt noch jemanden, der euch helfen kann!" . - Schon bei den ersten Worten war Oleg aufgesprungen und kam atemlos mit dem kleinen Anatol zurück. Gemeinsam brachten sie Smetanka mit energischen Zurufen und Klapsen auf die Beine. 
Dr. Fedossejew hatte Mantel und Jacke abgelegt und einen. langen Plastikhandschuh über den Arm gestreift, den er mit Gleitcreme versah »Habt ihr sie fixiert?" . .
„Ja, alles fertig'"
„Anatol, lenk Smetanka ein bißchen ab, sprich mit ihr!'
Schnell und geübt untersuchte der Tierarzt die Stute und ertastete die Lage des Fohlens „Verdammt, der Kopf ist nach hinten verdreht, ich komme nur an die .Vorderbeine heran!" »Und nun?" Olegs Stimme zitterte.
Dr. Fedossejew antwortete unterdrückt:
gehen; ich muß versuchen, den Kopf an der Nase nach vorn zu ziehen Bisher fühle ich allerdings nur die Ohren'"
Die drei Männer starrten wie gebannt auf den Tierarzt Wurde es Dr. Fedossejew gelingen, das Fohlen in die richtige Lage zu drehen? Und wenn ja, welche Überlebenschancen hatte das Kleine noch? Anatol vergrub seine Finger in die weichen Schopfhaare der Stute und flüsterte ihr leise Worte ins Ohr. „So, jetzt noch ein kleines Stück, dann ist es geschafft!" Mehr zu sich selbst als zu den Männern preßte der. Tierarzt die Worte heraus Dann fuhr er fort Da haben wir Gluck gehabt!" Mit einem erleichterten Seufzen streifte der 'Arzt den Handschuh ab.. „Am besten lassen wir sie nun in Ruhe. Innerhalb der nächsten fünf, Minuten müßte das Fohlen da sein. Ich glaube, sie schafft es jetzt allein!"
Tatsachlich beruhigte sich Smetanka bald und legte sich auf dem dick eingestreuten Stroh nieder. Dann ging alles ganz schnell. In weniger 'als. einer Viertelstunde hatte Smetanka ohne Hilfe ein kräftiges Hengstfohlen auf die Welt gebracht. Rabenschwarz, noch mit feuchtem, verklebtem Fell, lag es quer zur noch liegenden Mutter. Olegs Augen funkelten vor' Freude und Stolz, so als wäre er selbst der Vater.
„Ist er nicht wunderschön? Ein prächtiger Bursche!" Er kniete neben dem Fohlen und säuberte dessen Nüstern und' den. Maulspalt von übrigen Schleimresten. Energisch schüttelte der Kleine den Kopf. -
„Du bist ihm jetzt schon lastig", lachte Andreji Petrowitsch erleichtert »Aber kümmere dich nur um deinen Schützling. Der Doktor und ich werden erst mal einen 'Schluck auf unseren.Neuzugang'tl'inken. Kommen Sie, Dr. Fedossejew!" Als er sich schon auf den Weg machen wollte, hielt ihn der Arzt' zurück.
„Warten Sie,, mir gefällt Smetanka nicht. Schauen Sie, sie ‚iußte langsam wieder aufstehen!" Smetanka hatte 'aber nur den Kopf gehoben und suchte ihr Neugeborenes, das Oleg kräftig trockenrieb.
„Hier ist dein Baby. Es tut ihm keiner etwas!" Oleg schob 'den  Kleinen etwas in ihre Blickrichtung. Ganz leise wieherte Smetanka.
Langsam und mühsam stand sie auf. Für einen Moment sah es aus, als könne sie ihr Gleichgewicht nicht finden. Unsicher näherte sie sich ihrem Bohlen und begann es abzulecken. Als das Hengstchen versuchte,. Kopf, Hals und Vorderbeine zu strecken, um sich aufzurichten, wich Smetanka plötzlich stark schwankend zurück.
„Schnell, haltet sie fest!" Der Arzt hatte die Stute nicht aus den Augen gelassen.' Er war sehr besorgt. „Ich muß sofort nachschauen, was mit ihr los ist!-
Blitzschnell zog er einen neuen Handschuh über. Auf das Fixieren der Stute verzichteten sie. Es mußte schnell gehen, - und Smetanka war ohnedies viel zu geschwächt, um sich zu wehren. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und zitterte vor Erschöpfung. In ihren großen, .dunklen Augen zeichneten sich unsagbare Angst', und starke Schmerzen ab. Immer wieder sah sie sich nach dem kleinen Hengst um, der seine Aufstehversuche unermüdlich fortsetzte.'
Dr. Fedossejew untersuchte sie gründlich. Dann wurde sein Gesicht hart und kantig Die Adern traten an den Schlafen hervor, und der Schweiß rann ihm über die Stirn
„Sie wird es nicht überleben", stieß er hervor. Ein Gebar-mutterriß. Ich kann ihr nicht mehr helfen. Sie verblutet innerlich."
„Das kann doch nicht sein, tun Sie doch irgend etwas! Das Fohlen!" Oleg zerrte an seinem Arm.
„Ich kann nicht mehr für sie tun, als ihr Leiden zu verkürzen", sagte. der Arzt resigniert.

» Sie tun ihr einen Gefallen, wenn ich es- schnell machen kann«, wandte er sich. an Petrowitsch
Der Verwalter nickte stumm, sagen konnte er nichts.
„Die Stute muß in einen anderen Stall gebracht werden Oleg soll beim Fohlen bleiben."
Zu dritt führten sie die inzwischen völlig . entkräftete Smetanka aus der Box Kläglich rief der Kleine seiner Mutter nach, die ihm leise, aus immer größerer Entfernung, antwortete;
Oleg traten die Tranen in die Augen Schluchzend druckte er sein Gesicht in das weiche Fell des Fohlens..
„Sei ganz ruhig, mein Kleiner"; stammelte er. .Dir passiert nichts! Der alte Oleg läßt dich nicht allein. Wird gut für dich sorgen, der alte Kerl!" Er wischte sich mit dem Anne! die Tränen aus dem Gesicht. „Paß nur auf, eines Tages wirst du
der schnellste und stärkste Hengst von . ganz Kasachstan sein!"
Unaufhörlich redete der alte Gestütswärter auf das neugeborene Fohlen ein, um das klagende Wiehern Smetankas zu übertönen. Gleichzeitig rieb er wieder mit einem Strohwisch das noch immer feuchte Fell des Kleinen ab.
Nach einer Weile gab er ihm einen zarten Klaps auf die Krippe »Wie war's mit Aufstehen, mein Sohn'"
Als: hätte das Hengstchen ihn verstanden, stemmte es die - Vorderhufe ins Stroh und stellte sich mit einer gewaltigen Kraftanstrengung ruckartig auf die Beine. Er bekam den Namen Wanja.

Wanja bekommt einen Freund
Wolkenlos bläu spannte sich der Frühlingshimmel über Alma-Ata am Fuß des Berges Weringina. Wiesen und Felder hatten ein saftiges Grün angenommen und die endlosen Obstgärten an den Hängen der Stadt waren von einem hellrosa Schimmer überhaucht.
Auch vor den Toren des Gestüts hatte der Frühling nicht haltgemacht. Die Belegschaft war emsig damit. beschäftigt, neben der täglichen Arbeit die Winterschäden an den Gebäuden auszubessern. Das ganze Gestüt schien nach dem langen, harten Winter von neuem Leben erfüllt. Endlich konnten die schweren Stalltüren offen bleiben und die hölzernen Fensterläden zurückgeklappt werden.

Mit dem ersten Vogelgezwitscher begannen die Stuten und ihre Fohlen unruhig zu werden und ins Freie zu drängen. Auch Smetankas Fohlen Wanja wurde von Tag -zu Tag übermütiger.
Wie ein großer, schwarzer Hund verfolgte er Oleg auf Schritt und Tritt. Es hatte eine Weile gedauert, bis das kleine: Hengstehen seine Mutter vergessen und Oleg als. Ersatz angenommen - hatte. Seitdem aberließ es den- alten. Pfleger kaum aus den Augen. -
Oft, wenn Oleg keine Zeit hatte, sich- mit ihm -zu beschäftigen, versuchte Wanja mit auffälligem Benehmen auf sich aufmerksam zu machen. Meist stakste er zunächst ganz nahe an den Gestütswärter heran und schnoberte ihn prustend von oben bis unten ab, um ihn gleich darauf mehr oder weniger heftig mit seiner samtweichen Nase anzustoßen. 

@Mundus Verlag

BARRI

05/09/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Blog%20Barri1.jpg?1683615939169

Vor etwa 150 Jahren war der Große St-Bernhard-Paß ein beliebter Übergang von der Schweiz nach Italien. Wohl war der Weg beschwerlich und gefährlich zugleich, denn neun Monate bedeckten Schnee und Eis das Gelände. Auf der Höhe des beinahe 2500 Meter hohen Ubergans steht an einem kleinen, düsteren See das St -Bernhard-Kloster, dessen Ursprung wohl bis ms Jahr 1000 nach Christus zurückgeht Die Mönche des Klosters haften die Verpflichtung ubernommen, jeden vorüberziehenden Wanderer, der ihrer Hilfe und Unterstützung bedurfte aufzunehmen und jeden Kranken bis zu seiner völligen Genesung zu pflegen Auch übten sie rechte Saina-riterdienste an den unterwegs Verunglückten, die sie mit Hilfe ihrer treuen Begleiter, der großen Bernhardmerhimde, aufsuchten Wer kennt ihn nicht, den stattlichen Bernhardiner, der wegen seines Spürsinns, seiner Treue und Klugheit bekannt ist! An erster Stelle darf man wohl Barri nennen der über 40 Menschen das Leben gerettet hat Zum Dank dahin hat man ihn nach seinem Tod ausgestopft im Naturhistorischen Museum in Bern wird er aufbewahrt, und dort kann man ihn heute noch sehen.

Es war im Jahr 1817 Der Weg über den Großen St Bernhard war schon lange wieder ganz verschneit und eines Abends wehte aufs neue ein fürchterlicher Sdmeesturm Heulend pfiff der Wind ums Haus, und undurchsichtiges Schneetreiben herrschte auf der einsamen Hohe
Heute wird wohl niemand des Weges kommen, dachte Bruder Lau-rentius und freute sich der warmen Stube und des hell auflodernden Feuers. 

Aber Bann, der treuste und fleißigste unter seinen Hunden, war anderer Ansicht. Ihm war es hinter dem Kamin nicht am wohlsten. Er wollte hinausgehen und Verirrte suchen. 
Ja, er wurd ‚ganz unwillig, als sein Herr Ihn nicht ziehen lassen wollte. Mit seinen Pfoten scharrte er an der Tür und bellte auch einigemal, wie wenn er zornig wäre. So ließ ihn denn sein.Herr gwähren. Er hing ihm ein Körbchen um in das er belebende und stärkende Nahrungsmittel gepa&t hatte Dann öffnete er dem Hund che Tur und ließ ihn hinaus in das tobende Unwetter. - Es war um Mitternacht, als Barri wieder heimkehrte Aber wie erschrak der Mönch und war beschämt zugleich, als er sah daß das Tier nicht allein kam sondern einen kleinen Burschen auf seinem Rücken -trug,

Am Morgen jenes Tages so berichtete dieser, war er mit seiner
Mutter ins Gebirge gegangen Im Schneetreiben und Sturmesbrausen aber hatte er sie verloren und obwohl er sie lange gesucht doch nicht gefunden Er war immer hoher und hoher gestiegen bis ihn die Nacht überfiel Und weil er so müde war, setzte er sich endlich auf einen Stein am Weg und srhlief ein Das hatte seinen Tod bedeutet denn wäre er bis zum Moren sitzengeblieben hätten ihn Eis und Schnee ganz eingehüllt und er wäre darunter erstarrt Kaum war er aber eingeschlafen da erwachte er wieder und sah einen großen Hund vor sich stehen Erst wollte er sich furchten Aber das Tier war so anschmiegend, daß alle Angst schwand Barri ließ ihn das Körbchen das er am Hals trug fühlen und ruhte nicht,bis er dessen Inhalt untersuchte 0 wie freute sich der Kleine, als er darin etwas für seinen knurrenden Magen fand! Der Hund sah ihm zu wie ihm die Leckerbissen schmeckten ohne aufdringlich zu werden.Barri2.jpg?1683616754082

 Als er aber merkte, daß -dieser mit dem Essen fertig war, kroch er ihm unter die Beine und trug ihn wie ein Pferd seinen Reiter, dem Kloster zu - Nach wenigen Tagen brachte ein Mönch 'den kleinen Findling heim zu seiner Mutter, die den totgeglaubten Sohn an ihr Herz schloß und es nächst Gott dem treuen Barri dankte daß ihr Kind noch am Leben war.

***

Der Indianermissionar jung arbeitete jahrelang in Nordkanada. Um seinem Beruf recht nachzukommen und den armen Heiden die Froh-botschaft von Jesu Sunderhebe bringen zu können, hatte er eine großere Anzahl Hunde nötig die ihn in seinem Schlitten durch stundenweite Schnee- und Eisfelder brachten Er hat große Gefahren mit ihnen bestanden und auch manch heiteres Erlebnis mit ihnen gehabt
Zuerst besaß er zwölf Eskimohunde Aber weil es nicht moghdi war, diesen Tieren das Stehlen abzugewöhnen, bewegte er den Gedanken, sie abzuschaffen und sich ein Gespann Bernhardmerhunde heranzuziehen
Der erste Bernhardiner, den der Missionar als Geschenk empfing hieß lack Er war ein ,äußerst kluges treues und großes Tier. Solange er an

St.-Johannis-Verlag  Nr.465 

Die verschwundene Diskette, Christian Ellwein

05/04/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

1. Der rätselhafte Überfall

Verzweifelt raunte Matthes den langen Gang entlang. Die Zeit wurde • langsam knapp. Es war ein kalter, ungemütlicher Betongang, den Matthes entlanglief. An der Decke waren in kurzen Abständen häßliche Lampen angeschraubt. Mies war sehr technisch und ohne Leben hier.
Zuerst hatte er die Wächter draußen im Garten mhigtellen müssen. Mit ein bißchen

Betäubungsmittel war das schnell geschehen. Auch die Alarmanlage auszuschalten: war mit dem Schaltplan nicht allzu schwer gewesen. Aber es hatte doch alles Zeit gekosteL Vielleicht schaffte er. es noch. Er rannte, was das Zeug hergab.
Da war auch schon die Tür zu dem letzten Zimmer. Schnell war sie aufgesperrt. Die Zeit wurde knapp - noch 30 Sekunden!
Matthes süchte überall. Er hatte den Schlüssel noch nicht gefunden. 19 Sekunden. Aber es hing doch so viel an ihm! Wenn er jetzt versagte
11 Sekunden. Immer .noch kein Schlüssel.
Es gab keine Chance mehr. Die Stadt war verloren. Alles umsonst. Matthes wußte, daß er verloren hatte. Da sah er es auch schon: Die Bombe explodierte, roter Feuerschein zuckte über das Bild gor seinen Augen Er horte das ohrenzerreißende Ichen der Explosion. Die Atombombe war gezündet. In allen
Farben, die sein Computer darstellen konnte, erstrahlte der Monitor. Wütend warf er den Joystick', mit dem er das Spie gesteuert hatte, auf den Tisch
»Immer wieder dieselbe Stelle Das ganze Spiel kenne ich jetzt schon Immer in diesem blöden Zimmer - wo kann denn der Schlussel nur noch sein"
Jedesmal ging es bei seinem Computerspiel hier nicht weiter. Er fand den Schlüssel einfach nicht, mit dem er die letzte Tür aufsperren konnte Nie schaffte er es, die Stadt vor dem Anschlag der Terroristen zu schützen und die Bombe zu entschärfen.
Ein Joystick ist ein Gerät um Computerspiele
Er stand auf. „Aufräumen müsste ich auch noch«, fiel ihm wieder ein, als er sein Zimmer sah Dreimal hatte seine Mutter ihn schon ermahnt, und das letzte Mal hatte sie nicht mehr sehr freundlich geklungen
Als er durch den Flur in die Küche ging, besserte sich seine Stimmung schon wieder, langsam Er dachte nämlich daran, daß er heute Nachmittag mit Michael, seinem besten Freund, zum Baden an den Baggersee fahren wollte In der Küche war seine Mutter gerade mit den letzten Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt. „Ah, Matthes - hast du dein Zimmer schon aufgeräumt?" fragte sie, wobei Matthes den etwas scharfen Klang in ihrer Stimme deutlich horte „Also, schon fast ", verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, das Thema zu wechseln. „Morgen ist das Zimmer Tip Top! Verstanden?"
Matthes hatte verstanden. Eigentlich war er sowieso noch gut davongekommen, daß sie ihn nicht für heute Nachmittag dazu verdonnert hatte. Dann wäre der Ausflug zum See ins Wasser. gefallen.
„Heute Abend ist noch genug Zeit«, beruhigte er sich.
Da fiel sein Blick auf die Wochenendausgabe der Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Tisch lagBN2891-1.jpg?1683618955887


RÄTSELHAFTER ÜBER-FALL AUF "CHEMO-TECH" las er da in dicken Lettern oben äuf der Seite CHEMO-TECH - das war jedem der in dem Meinen Städtchen ein Begriff. Ein Freund von ihm,
der schon 20 Jahre alt war, arbeitete dort. Die Firma entwickelte und produzierte Kunststoffe.
Interessiert las Matthes den Artikel:
In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde auf die Firma ‚CHEMO-TECH' ein rätselhafter Überfall verübt, der die Polizei bis jetzt völlig im Dunkeln tappen läßt. Die Täter haben an den Türen und Schlössern keine Gewalt angewendet, wie die Polizei mitteilte. ‚Gestohlen wurde eine Diskette' aus dem Tresor des Geschäftsführers. Diese Diskette enthielt die Formeln und Herstellungsanleitungen für einen neuen Kunststoff. Das Gefährliche an dem Überfall ist, daß der Kunststoff während eines bestimmten Arbeitsschrittes ein hochexplosiver Sprengstoff ist. „Das steht natürlich auch auf der Diskette", teilte der Geschäftsführer mit. Auf unsere Frage hin, sagte er, daß diesen Sprengstoff jeder herstellen könne, der ein bißchen was von Chemie verstehe. Die Polizei schließt einen Terroranschlag nicht mehr aus.
„Das ist ja ein Hammer! Klauen die eine Diskette mit der Formel für einen Sprengstoff, den sich jeder daheim in der Küche selbst herstellen kann", staunte Matthes. „Hast du das schon in der Zeitung gelesen? Das mit dem Sprengstoff?" fragte er seine Mutter.
2 Auf einer Diskette kann man Programme oder Daten von einem Computer speichern. Sie ist so ähnlich wie eine CD oder eine Musikkassette.
„Ja, das ist wirklich schlimm. Hoffentlich fassen sie die Täter bald."
Das Zimmer war vergessen. Vielleicht wußte Michael etwas Neues darüber. „Sein Vater arbeitet ja schließlich bei der Polizei.«
Zum Mittagessen gab es Leber auf chinesische Art. Eigentlich mochte Matthes Leber überhaupt nicht, aber heute aß er sie tapfer.
„Nur keinen: Streit erzeugen", sagte er sich. „Sonst fällt Mutti nur noch das Zimmer ein, und ich kann nicht an den See.«
Seine Sorge war nicht unberechtigt: In letzter Zeit hatte es oft Streit daheim gegeben. Meistens waren es nur ganz nebensächliche Dinge gewesen, aber trotzdem war die Stimmung zur Zeit nicht besonders gut. Schließlich war aber auch das Essen vorbei, und Matthes schwang sich auf sein Rad, und schon ging es los. Zuerst den Berg in der Siedlung hinunter, dann über den alten Marktplatz. Beim Stadtturm rechts, und-da war auch schon der Brunnen, an dem er sich mit Michael verabredet hatte.
Der wartete schon ungeduldig. „Hast du heute schon die Zeitung gelesen?" rief er Matthes schon von weitem aufgeregt zu. -
Matthes bremste scharf mit der • Rücktrittbrewse seines Rades, damit eine schone Bremsspur stand. Zufrieden schaute er zurück.
Inhalt
1. Der rätselhafte Überfall 7
2. Besuch am Tatort 25
1 Der Anschlag 43
4. Spielschulden 59
5. In der Schule 73
6. Der Name 87
7. Das Computerspiel 101
8. Das fluch 111
1. Auflage 1994
2, Auflage 1996
0 der deutschen Ausgabe 1994
by CLV Christliche Literatur-Verbreitung
Postfach 110135 33661 Bielefeld
Illustrationen Ute Casarini
Jktischlag Dieter Orten, Bergneustadt
zt Enna Schrift & Bild, Bielefeld
tick und Bindung Ebner Ulm
3-89397-750-3