V. Limerick (5)

01/20/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

V. LIMERICK

(1) Bereits etwa 1820 bestanden in Schottland und Nordirland viele kleine freie Kreise von Gläubigen, vor allem durch den Dienst von James und Robert Haldane und James Buchanan. In diesen Kreisen brach man Brot; teilweise waren noch Pfarrer und/oder Älteste vorhanden, andere Gruppen kannten jedoch einen völlig freien Dienst am Wort. 1828 besuchte Cronin einen gewissen i. Mahon in Ennis, der wahrscheinlich bereits in Absonderung Brot gebrochen hatte, bevor dies in Dublin geschah. 

Da Darby von dem Bestehen dieser Kreise Kenntnis hatte, begann er nach der zweiten Pawerscourt‑Konferenz (Oktober 1832) eine Rundreise durch Irland. Auf dieser bedeutungsvollen Reise besuchte er u.a. Meath, Westmeath, Enniskillen, Armagh, Trim und Granard, wobei er während vierzehn Tagen zwei oder drei Orte pro Tag besuchte, um sie zu untersuchen oder dort zu predigen. An sich war solch eine Reise nicht ungewöhnlich; es gab mehr Geistliche, die das taten, und auch andere "Brüder". 1832 entstanden kleine Versammlungen in Ennis und Rathkeale nach dem "Muster" von Plymouth.

Etwa um diese Zeit besuchte Darby auch Limerick. Er arbeitete dort nahezu Tag und Nacht, predigte jeden Abend, manchmal mehrmals am Tag, unter viel Widerstand seitens der Geistlichkeit. Doch konnte er sein Predigen fortsetzen, sogar in einer kleinen Kirche, wo das Predigen des Evangelium vordem einem verbrechen gleichgekommen war. Man begann, wöchentliche Wortbetrachtungen zu halten, zwei davon in den beiden weltlichsten Häusern von Limerick. Die Umtände für diese Arbeit waren günstig, weil sowohl der Bischof als auch der Pfarrer der Unabhängigen Kirche sowie ein weiterer Pfarrer abwesend waren, so daß Darby länger blieb, als er zuvor beabsichtigt hatte. Es fanden Zusammenkünfte mit evangelischen Pfarrern und sogar mit Katholiken statt, nicht ohne Frucht.

(2) Nach kurzer Zeit entstand in Limerick eine kleine Versammlung, geradeso wie die in Plymouth. Thomas Maunsell, mit dem Darby lange zusammen arbeitete, wurde dort für viele Jahre ein führender Bruder. Trotz aller Schwachheit gab der Herr soviel Segen, daß der wachsende Kreis bereits Anfang 1833 in ein öffentliches Lokal umziehen mußte. Bis dahin hatte man mit der Sonntagnorgenzusamnenkunft um 8 Uhr begonnen, damit sie nicht mit den kirchlichen Gottesdiensten zusammenfiel, die um zwölf Uhr begannen; doch nun sprach man davon, die Morgenzusammenkunft ebenfalls auf zwölf Uhr zu verlegen, was Darby auch hier Sorgen bereitete (vgl. oben), weil er jeden Anschein von Sektierertum vermeiden wollte. 

Doch der Herr tat das Werk; überall wuchs das Verlangen nach Kenntnis der Gedanken Gottes. Sogar viele Geistliche bildeten Bibelkreise, wo zwar kein Brot gebrochen wurde, wo aber alle Christen willkommen waren. Ein junger Pfarrer im Norden, der eine Versammlung auf derselben Grundlage gebildet hatte, wie die "Brüder" es verstehen gelernt hatten, doch der als Prediger in diesem Kreis nicht das Abendmahl feierte, kam zu Darby mit der Frage, wie zwischen all diesen kleinen Kreisen ein Briefwechsel eingerichtet werden könnte, um sich gegenseitig als Brüder in Gemeinschaft anzuerkennen, wenn sie einander besuchten. Mit derartigen Versammlungen war der Norden übersät. Es entstand eine gewisse Unentschlossenheit, als der Bischof einigen dieser Pfarrer zu predigen verbot, doch glücklicherweise hielten viele stand.

Im Scnmr 1833 predigte Pfarrer Edward Hardman aus Westport in Limerick über die Briefe an die sieben Versammlungen (Offenbarung 2 und 3). Er äußerte den Gedanken, daß Sardes den Protestantismus darstelle und Philadelphia die Trennung kleiner Kreise von Gläubigen, die zwar nur eine kleine Kraft hätten, aber den Herrn auf ihrer Seite. Darby wurde durch diese Auslegung stark angesprochen. 

Hardman war ein geachteter evangelischer Pfarrer, der sich sehr zu den "Brüdern" hingezogen fühlte, sich jedoch weigerte, aus der Kirche auszutreten, bis er aufgrund irvingianischer Ideen aus seinem Amt entlassen wurde. In seinem Amtssitz Westport gab es noch mehr Aufwachen unter der Geistlichkeit. Der evangelische Pfarrer Charles Hargrove aus dieser Stadt wagte es, in Limerick ohne die Zustimmung seines Bischofs zu predigen. Der Streit hierüber wurde so heftig, daß Hargrove schließlich austrat und sich 1835 den "Brüdern" anschloß. Ein anderer Pfarrer in Westport, John M. Code, hatte eine Zusammenkunft eigens für wahre Gläubige angefangen, kam aber ebenfalls in Konflikt mit der Staatskirche und schloß sich 1836 den "Brüdern" an. 

Er sollte eine führende Rolle in Cork spielen und den größten Teil seines Lebens in der "offenen" Versammlung in Bath (England). Die junge Versammlung in Cork wurde eines der wichtigsten Zeugnisse in Irland. Auch Bellett war in dieser zeit aktiv im Besuchen der kleinen Versammlungen, wobei er sich freute über ihren Eifer, obwohl wenig Gaben vorhanden waren. Doch dies sollte sie lehren, schrieb Darby 1834, auf den Herrn zu vertrauen und nicht auf Brüder ‑ und der Herr sorgte in der Tat für das Notwendige, so daß die Versanmlungen nicht ausschließlich abhängig waren von auswärtigen Brüdern.

VI. Bristel (6)

01/20/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

VI. BRISTOL

(1) Während dieser Zeit fanden auch neben der Bewegung in Plymouth erstaunliche Entwicklungen in England statt, und zwar vor allem durch die Arbeit von drei vertrauten Freunden, Craik und Müller in Bristol und Chapman in Barnstaple. Dem erstgenannten Bruder sind wir bereits mehrere Male begegnet. Henry Craik, ein Schotte, 1805 geboren und 1825 bereits ein begabter Kenner der Philosophie, klassischen Sprachen, Theologie und Geschichte, kam 1826 zur Bekehrung und wurde in demselben Jahr (wie wir sahen) Privatlehrer von A.N. Groves in Exeter, der durch seinen noblen Charakter und seine geistliche Gesinnung tiefen Eindruck auf ihn machte. 

Als Groves 1828 von einem weiteren Studium absah, mußte Craik sich um eine andere Stelle bemühen und wurde dann (wie bereits gesagt) Hauslehrer bei John Synge in Teignmuth (Devonshire). Dort setzte er sein Studium in der hebräischen Sprache fort, veröffentlichte eine Studie darüber und predigte an verschiedenen Orten. Im April 1831 wurde er Prediger der kleinen Baptistenkapelle im benachbarten Shaldon.

Im Jahre 1829 war er zum erstenmal George MIller in Teignmuth begegnet. Küller war ein junger Preuße, ebenfalls 1805 geboren, der zum lutherischen Pfarrer aus gebildet worden war, aber ein zügelloses Leben geführt hatte. 1825 kam er während einer Stubenversamlung zur Bekehrung, und in ihm erwachte der Wunsch, in die Mission zu gehen.

Deshalb ging er 1829 nach London, um sich dort für die Mission unter den Juden ausbilden zu lassen. Er studierte so intensiv, daß er nach zwei Monaten schon Überarbeitet war; die Vorsehung des Herrn führte ihn zur Wiederherstellung nach Teignmouth, wo er sogleich mit Craik eine echte Freundschaft fürs Leben schloß. Mit ihm teilte er eine große Bewunderung für Groves (der gerade nach Bagdad übergesiedelt war); dessen Auffassungen brachten ihn dazu, seine Bindungen an die jüdische Missionsgesellschaft zu brechen, und während eines zweiten Besuches beschloß er, in Teignmouth zu bleiben, wo er Prediger einer kleinen Baptistenkapelle wurde (1830). 

Nach und nach begann er jedoch einzusehen, daß es nach den Gedanken des Herrn sei, jeden Sonntag Brot zu brechen und allen Brüdern Gelegenheit zu geben, ihre Gaben auszuüben. Dazu wurden besondere offene Zusammnkünfte abgehalten. Im Oktober 1830 heiratete er Groves' Schwester Mary, und in demselben Monat kündigte er an, daß er fortan auf ein geregeltes Gehalt verzichten und auf freiwillige Gaben vertrauen wolle. Dieser Beschluß war nicht leicht in der kleinen Versamlung (18 Personenl) und führte häufig zu tiefer Anmt. Die kleine Gemeinde wuchs jedoch bis Mai 1832 auf 51 Glieder; verschiedene ihrer Brüder (NI‑aien"l) predigten in einigen umliegenden Dörfern. Müller selbst predigte an zahllosen Orten in der weiteren Umgebung, häufig zusamen mit seinem Freund Craik. Im Februar 1832 besuchte er die Versammlung in Plymouth.

(2) Bereits seit 1829 waren aus Bristol dringende Bitten an Craik ergangen, sich dort niederzulassen. Ende 1831 predigte er dort 14 Tage lang in verschiedenen Kapellen, doch konnte er damals nicht dort bleiben wegen der Krankheit seiner Frau, die er kurz zuvor geheiratet hatte, die ihm jedoch im Februar 1832 schon entrissen wurde. Im März darauf erreichte ihn eine noch dringendere Bitte aus Bristol, und zwar von der Gideonskapelle, die ohne Prediger dastand. 

Craik ging für einen Monat dorthin und predigte in überfüllten Kirchen; am dritten Sonntag waren tausend Personen in der Kapelle, und zweihundert standen draußen. Ein großes Arbeitsfeld schien vor ihm zu liegen, doch er wollte nicht ohne seinen treuen Partner Müller in Bristol bleiben, und so bat er diesen, herüberzukcmmn. Müller kam, und zusamnen kehrten sie darauf nach Teignmuth zurück, um dort in aller Ruhe zu erforschen, was der Wille des Herrn wäre. Nach sehr vielem Gebet und tiefen Seelenübungen zogen sie im Mai 1832 endgültig nach Bristol. Dort predigte Craik in der Gideonkapelle, während Küller Prediger wurde in einer größe­ren, leerstehenden Kapelle, der Bethesda‑Kapelle.

Obwohl die Versaffmlung in Bristol klerikale Elemnte behalten sollte (in Wirk­lichkeit blieben es zwei Baptistengemeinden, als deren Prediger Craik und güller bekannt waren), bekannten sie sich zu Grundsätzen, die allerorts von den "Brü­dern" befolgt wurden. Die Unterwerfung unter die Autorität der Schrift und Ab# sonderung von der Welt standen obenan. Jeden Sonntag wurde Brot gebrochen, und es gab einen freien Dienst am Wort. Müller und Craik hatten keine "Anstellung" und kein festes Gehalt. 

Sie betrachteten sich auch durchaus nicht als die einzi­gen, die in der Versammlung seelsorgerische und unterweisende Aufgaben ausübten, obwohl sie in der Praxis sehr wohl "die" Führer waren. Im Oktober 1832 besuchte Darby sie, predigte in beiden Kapellen und schrieb mit Wertschätzung über das Werk in Bristol; allein wünschte er etwas mehr Offenheit der Gemeinschaft, so daß nicht nur gleichgesinnte Baptisten, sondern alle wahren Gläubigen zugelassen würden. Viel später, im Jahre 1848, mußte er den Brüdern in Bristol vorwerfen, daß sie ins andere Extrem gefallen waren, indem sie Gläubige zuließen, auch wenn sie verderb liche Verbindungen hatten ...

Die Brüder in Bristol arbeiteten mit reichen Früchten. 1832 versammelten sich 68 Gläubige in beiden Kapellen; Ende 1834 waren es 295, Ende 1839 waren dort 475 in Gemeinschaft, und Ende 1844 waren es 668. Im Jahre 1837 wurden die beiden Gruppen zu einer "Versammlung" vereinigt. Unmittelbar nach ihrer Ankunft waren gül­ler und Craik vor ernste Prüfungen gestellt worden. Im Juli traf eine schwere Choleraepidemie die Stadt. Die beiden jungen Männer hielten jeden Morgen eine Gebetsstunde und besuchten überall die Kranken und Sterbenden. 

Anfang 1833 kam eine zweite Prüfung. Der Mission in Bagdad schien es schlecht zu gehen; beinahe alle Frauen waren kurz nacheinander gestorben: Groves' Frau und Töchterchen und Cronins Mutter und Schwester, die kurz zuvor mit Parnell getraut worden war. Auch Newman, Cronin und Groves hatten mit ernsten Krankheiten zu kämpfen. Letz­terer appellierte dringend an seinen früheren Lehrer Craik und seinen Schwager güller, nach Bagdad zu kommen. Nach langer Unentschlossenheit sahen die beiden Brüder es jedoch als den Willen des Herr, an, daß sie in Bristol blieben.

(3) In dieser Zeit empfand Müller besonderes Mitleid mit der großen sozialen Not in Bristol, vor allem mit den armen Straßenkindern. Selbst ohne Geld und abhängig von Gaben, schenkten die Müllers" was sie hatten, den Armn; sie bekümmerten sich vor allem um die Erziehung und das geistliche Wohl dieser Mittellosen. 1834 gründete Müller die "Anstalt zur Ausbreitung der Schriftkenntnis mit dem Ziel, christliche Schulen zu gründen, die Bibel zu verbreiten und die Mission auf der Grundlage des Glaubens zu unterstützen. 

Für diese Ziele sollten nur gläubige Helfer eingesetzt werden, von Ungläubigen wollte man kein Geld erbitten, und es sollten keine Schulden gemacht werden. Im Glauben und Vertrauen auf Gott wurde das Werk begonnen, ohne jedes Anfangskapital. Anfang 1835 hatte die Anstalt be­reits fünf Tagesschulent (Gerade während dieser Zeit besuchte Groves Europa; Müller begleitete ihn als Dolmetscher auf einer sechswöchigen Reise durch Deutschland.) Obwohl manchmal praktisch keine Mittel vorhanden waren, brauchte das Werk nicht eingestellt zu werden. Mitte 1835 betreute das Institut 439 Kin­der.

Ende dieses Jahres faßte er den Entschluß, auch ein Waisenhaus nach dem Vorbild der Francke'schen Waisenhäuser in Halle zu errichten; hiermit begann ein Werk, das später das "Bristol‑Wunder" genannt wurde. Von Anfang an nahm Müller sich dabei zwei Dinge vor: niemals einen Menschen um Hilfe zu bitten, sondern nur Gott; weiterhin niemals einem Außenstehenden die augenblickliche finanzielle Lage mitzuteilen, wie groß die Not auch sein würde. 

Sein Ziel war nicht nur, den Waisen zu helfen, sondern auch den Glauben der Kinder Gottes zu stärken und den Unbekehrten zu zeigen, daß Gott noch immer ein Erhörer der Gebete ist. Müller gab seine Pläne einfach bekannt, und schon bald strömten soviele Gaben herbei, daß bereits im April 1836 das erste Waisenhaus errichtet wurde. Im Oktober ent­stand ein zweites Waisenhaus und ein Jahr später ein drittes. In den ersten Jahren prÜfte der Herr den Glauben sehr schwer; niemals hatten sie Mangel, aber immer gab der Herr lediglich für einen Tag, manchmal sogar nur für eine Stunde. 

Aber Er gab auch Gnade, um auszuharren; niemals machte Müller Schulden, niemals bat er um Geld oder machte er seine mißliche Lage bekannt ‑ und niemals wurde er in seinem Glauben beschämt. Und das, während er schließlich die Verantwortung hatte für fünf Waisenhäuser, ungefähr zweitausend Waisen und Hunderte von Hel­fern, mit einem jährlichen Umsatz von 30.000 Pfundl Für alles dieses hatte er keine anderen Mittel als einen einfältigen Glauben an Gott und Sein Wört und viele Stunden des Gebets.

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