VI. Bristel (6)

01/20/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

VI. BRISTOL

(1) Während dieser Zeit fanden auch neben der Bewegung in Plymouth erstaunliche Entwicklungen in England statt, und zwar vor allem durch die Arbeit von drei vertrauten Freunden, Craik und Müller in Bristol und Chapman in Barnstaple. Dem erstgenannten Bruder sind wir bereits mehrere Male begegnet. Henry Craik, ein Schotte, 1805 geboren und 1825 bereits ein begabter Kenner der Philosophie, klassischen Sprachen, Theologie und Geschichte, kam 1826 zur Bekehrung und wurde in demselben Jahr (wie wir sahen) Privatlehrer von A.N. Groves in Exeter, der durch seinen noblen Charakter und seine geistliche Gesinnung tiefen Eindruck auf ihn machte. 

Als Groves 1828 von einem weiteren Studium absah, mußte Craik sich um eine andere Stelle bemühen und wurde dann (wie bereits gesagt) Hauslehrer bei John Synge in Teignmuth (Devonshire). Dort setzte er sein Studium in der hebräischen Sprache fort, veröffentlichte eine Studie darüber und predigte an verschiedenen Orten. Im April 1831 wurde er Prediger der kleinen Baptistenkapelle im benachbarten Shaldon.

Im Jahre 1829 war er zum erstenmal George MIller in Teignmuth begegnet. Küller war ein junger Preuße, ebenfalls 1805 geboren, der zum lutherischen Pfarrer aus gebildet worden war, aber ein zügelloses Leben geführt hatte. 1825 kam er während einer Stubenversamlung zur Bekehrung, und in ihm erwachte der Wunsch, in die Mission zu gehen.

Deshalb ging er 1829 nach London, um sich dort für die Mission unter den Juden ausbilden zu lassen. Er studierte so intensiv, daß er nach zwei Monaten schon Überarbeitet war; die Vorsehung des Herrn führte ihn zur Wiederherstellung nach Teignmouth, wo er sogleich mit Craik eine echte Freundschaft fürs Leben schloß. Mit ihm teilte er eine große Bewunderung für Groves (der gerade nach Bagdad übergesiedelt war); dessen Auffassungen brachten ihn dazu, seine Bindungen an die jüdische Missionsgesellschaft zu brechen, und während eines zweiten Besuches beschloß er, in Teignmouth zu bleiben, wo er Prediger einer kleinen Baptistenkapelle wurde (1830). 

Nach und nach begann er jedoch einzusehen, daß es nach den Gedanken des Herrn sei, jeden Sonntag Brot zu brechen und allen Brüdern Gelegenheit zu geben, ihre Gaben auszuüben. Dazu wurden besondere offene Zusammnkünfte abgehalten. Im Oktober 1830 heiratete er Groves' Schwester Mary, und in demselben Monat kündigte er an, daß er fortan auf ein geregeltes Gehalt verzichten und auf freiwillige Gaben vertrauen wolle. Dieser Beschluß war nicht leicht in der kleinen Versamlung (18 Personenl) und führte häufig zu tiefer Anmt. Die kleine Gemeinde wuchs jedoch bis Mai 1832 auf 51 Glieder; verschiedene ihrer Brüder (NI‑aien"l) predigten in einigen umliegenden Dörfern. Müller selbst predigte an zahllosen Orten in der weiteren Umgebung, häufig zusamen mit seinem Freund Craik. Im Februar 1832 besuchte er die Versammlung in Plymouth.

(2) Bereits seit 1829 waren aus Bristol dringende Bitten an Craik ergangen, sich dort niederzulassen. Ende 1831 predigte er dort 14 Tage lang in verschiedenen Kapellen, doch konnte er damals nicht dort bleiben wegen der Krankheit seiner Frau, die er kurz zuvor geheiratet hatte, die ihm jedoch im Februar 1832 schon entrissen wurde. Im März darauf erreichte ihn eine noch dringendere Bitte aus Bristol, und zwar von der Gideonskapelle, die ohne Prediger dastand. 

Craik ging für einen Monat dorthin und predigte in überfüllten Kirchen; am dritten Sonntag waren tausend Personen in der Kapelle, und zweihundert standen draußen. Ein großes Arbeitsfeld schien vor ihm zu liegen, doch er wollte nicht ohne seinen treuen Partner Müller in Bristol bleiben, und so bat er diesen, herüberzukcmmn. Müller kam, und zusamnen kehrten sie darauf nach Teignmuth zurück, um dort in aller Ruhe zu erforschen, was der Wille des Herrn wäre. Nach sehr vielem Gebet und tiefen Seelenübungen zogen sie im Mai 1832 endgültig nach Bristol. Dort predigte Craik in der Gideonkapelle, während Küller Prediger wurde in einer größe­ren, leerstehenden Kapelle, der Bethesda‑Kapelle.

Obwohl die Versaffmlung in Bristol klerikale Elemnte behalten sollte (in Wirk­lichkeit blieben es zwei Baptistengemeinden, als deren Prediger Craik und güller bekannt waren), bekannten sie sich zu Grundsätzen, die allerorts von den "Brü­dern" befolgt wurden. Die Unterwerfung unter die Autorität der Schrift und Ab# sonderung von der Welt standen obenan. Jeden Sonntag wurde Brot gebrochen, und es gab einen freien Dienst am Wort. Müller und Craik hatten keine "Anstellung" und kein festes Gehalt. 

Sie betrachteten sich auch durchaus nicht als die einzi­gen, die in der Versammlung seelsorgerische und unterweisende Aufgaben ausübten, obwohl sie in der Praxis sehr wohl "die" Führer waren. Im Oktober 1832 besuchte Darby sie, predigte in beiden Kapellen und schrieb mit Wertschätzung über das Werk in Bristol; allein wünschte er etwas mehr Offenheit der Gemeinschaft, so daß nicht nur gleichgesinnte Baptisten, sondern alle wahren Gläubigen zugelassen würden. Viel später, im Jahre 1848, mußte er den Brüdern in Bristol vorwerfen, daß sie ins andere Extrem gefallen waren, indem sie Gläubige zuließen, auch wenn sie verderb liche Verbindungen hatten ...

Die Brüder in Bristol arbeiteten mit reichen Früchten. 1832 versammelten sich 68 Gläubige in beiden Kapellen; Ende 1834 waren es 295, Ende 1839 waren dort 475 in Gemeinschaft, und Ende 1844 waren es 668. Im Jahre 1837 wurden die beiden Gruppen zu einer "Versammlung" vereinigt. Unmittelbar nach ihrer Ankunft waren gül­ler und Craik vor ernste Prüfungen gestellt worden. Im Juli traf eine schwere Choleraepidemie die Stadt. Die beiden jungen Männer hielten jeden Morgen eine Gebetsstunde und besuchten überall die Kranken und Sterbenden. 

Anfang 1833 kam eine zweite Prüfung. Der Mission in Bagdad schien es schlecht zu gehen; beinahe alle Frauen waren kurz nacheinander gestorben: Groves' Frau und Töchterchen und Cronins Mutter und Schwester, die kurz zuvor mit Parnell getraut worden war. Auch Newman, Cronin und Groves hatten mit ernsten Krankheiten zu kämpfen. Letz­terer appellierte dringend an seinen früheren Lehrer Craik und seinen Schwager güller, nach Bagdad zu kommen. Nach langer Unentschlossenheit sahen die beiden Brüder es jedoch als den Willen des Herr, an, daß sie in Bristol blieben.

(3) In dieser Zeit empfand Müller besonderes Mitleid mit der großen sozialen Not in Bristol, vor allem mit den armen Straßenkindern. Selbst ohne Geld und abhängig von Gaben, schenkten die Müllers" was sie hatten, den Armn; sie bekümmerten sich vor allem um die Erziehung und das geistliche Wohl dieser Mittellosen. 1834 gründete Müller die "Anstalt zur Ausbreitung der Schriftkenntnis mit dem Ziel, christliche Schulen zu gründen, die Bibel zu verbreiten und die Mission auf der Grundlage des Glaubens zu unterstützen. 

Für diese Ziele sollten nur gläubige Helfer eingesetzt werden, von Ungläubigen wollte man kein Geld erbitten, und es sollten keine Schulden gemacht werden. Im Glauben und Vertrauen auf Gott wurde das Werk begonnen, ohne jedes Anfangskapital. Anfang 1835 hatte die Anstalt be­reits fünf Tagesschulent (Gerade während dieser Zeit besuchte Groves Europa; Müller begleitete ihn als Dolmetscher auf einer sechswöchigen Reise durch Deutschland.) Obwohl manchmal praktisch keine Mittel vorhanden waren, brauchte das Werk nicht eingestellt zu werden. Mitte 1835 betreute das Institut 439 Kin­der.

Ende dieses Jahres faßte er den Entschluß, auch ein Waisenhaus nach dem Vorbild der Francke'schen Waisenhäuser in Halle zu errichten; hiermit begann ein Werk, das später das "Bristol‑Wunder" genannt wurde. Von Anfang an nahm Müller sich dabei zwei Dinge vor: niemals einen Menschen um Hilfe zu bitten, sondern nur Gott; weiterhin niemals einem Außenstehenden die augenblickliche finanzielle Lage mitzuteilen, wie groß die Not auch sein würde. 

Sein Ziel war nicht nur, den Waisen zu helfen, sondern auch den Glauben der Kinder Gottes zu stärken und den Unbekehrten zu zeigen, daß Gott noch immer ein Erhörer der Gebete ist. Müller gab seine Pläne einfach bekannt, und schon bald strömten soviele Gaben herbei, daß bereits im April 1836 das erste Waisenhaus errichtet wurde. Im Oktober ent­stand ein zweites Waisenhaus und ein Jahr später ein drittes. In den ersten Jahren prÜfte der Herr den Glauben sehr schwer; niemals hatten sie Mangel, aber immer gab der Herr lediglich für einen Tag, manchmal sogar nur für eine Stunde. 

Aber Er gab auch Gnade, um auszuharren; niemals machte Müller Schulden, niemals bat er um Geld oder machte er seine mißliche Lage bekannt ‑ und niemals wurde er in seinem Glauben beschämt. Und das, während er schließlich die Verantwortung hatte für fünf Waisenhäuser, ungefähr zweitausend Waisen und Hunderte von Hel­fern, mit einem jährlichen Umsatz von 30.000 Pfundl Für alles dieses hatte er keine anderen Mittel als einen einfältigen Glauben an Gott und Sein Wört und viele Stunden des Gebets.

VII. Barnstaple (7)

01/20/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

VII. BARNSTAPLE

(1) Craik und Müller waren sehr befreundet mit Robert C. Chapman, der später der "Patriarch" von Barnstaple genannt wurde (er wurde 99 Jahre alt). Chapman, 1803 als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren, wählte selbst das Rechtsstudium, das ihm in London eine erfolgreiche Karriere eröffnete. In seinem 16. Lebensjahr begann er intensiv die Bibel zu studieren. 

Als er zwanzig Jahre alt war, hörte er Pfarrer J. Harington Evans predigen, fand Frieden mit Gott und wurde getauft. Evans hatte durch seine Ehrfurcht vor der Autorität der Schrift, seine wöchent­lichen Abendmahlsfeiern und sein Verlangen nach freiem Dienst am Wort, prak­tischer Heiligung und christlicher Einheit einen bemerkenswerten Einfluß auf ihn. Chapman lernte diese Grundsätze wertzuschätzen und konsequenter als Evans anzuwenden. Nach seiner Bekehrung blieb er Rechtsanwalt, begann aber zugleich intensiv, sich um die Armen in London zu kümmern. 

Dort besuchte ihn 1830 sein Kollege und angeheirateter Vetter aus Barnstaple, Thcmas Pugsley, der sehr von Chapmans Arbeit beeindruckt wurde. Nach Barnstaple zurückgekehrt, begann Pugsley ein kräftiges evangelisches Werk und baute sogar eine Kapelle, wo auch Müller in jenem Jahr einmal predigte. 1831 stattete Chapman der Familie Pugsley einen Ge­genbesuch ab und predigte dort in der Kapelle und in den Armenhäusern ‑ eine sensationelle Tat für einen wohlhabenden Londoner Rechtsanwalti

Zurückgekehrt nach London, wurde er immer unzufriedener über seine juristische Arbeit. Schließlich gab er seinen Beruf auf, gab sein ganzes Vermögen weg und weihte sich völlig dem Dienst des Herrn. Zur gleichen Zeit ersuchte man ihn, Prediger in der baptistischen Ebenezer‑Kapelle in Barnstaple zu werden, wo er sich im April 1832 endgültig niederließ. 

Der Gemeinde, die ihm anvertraut wurde, stellte er die Bedingung, daß er die Freiheit hätte, alles zu lehren, was er in der Schrift geschrieben fände. Allmählich führte er so allerlei Grundsätze ein, die er verstehen gelernt hatte (und zu denen sich andernorts die "Brüder" be­kannten), aber stets wartete er, bis alle ihre Richtigkeit erkannten. So wandel­te sich die Gruppe mit der Zeit von einer offiziellen Baptistengemeinde zu einer Wersammlung der Brüder", wo jeder wahre Gläubige zugelassen, wöchentlich Brot gebrochen und teilweise ein freier Dienst am Wort ausgeübt wurde.

 Diejenigen, die nicht damit einiggingen, zogen sich zurück und forderten 1834 die Kapelle für sich. Chapman, der ehemalige Rechtsanwalt, wies darauf hin, daß die, die sich getrennt hatten, rechtlich keinen Anspruch auf die Kapelle hätten, zog sich aber in wahrer christlicher Gesinnung au s dem Gebäude zurück, "geradeso", schrieb er, "wie ich meinen Mantel jemandem geben würde, der mich cku= gebeten hätte".6 man fand für die Übergangszeit ein Lokal, bis etwa 1843 ein einfaches, eigenes Gebäude fertiggestellt wurde.

wahrscheinlich kam Chapman über Pugsley in Verbindung mit Müller, möglicherweise schon 1832. Er wurde einer von Müllers ältesten und vertrautesten Freunden. Er war es, der Müller 1836 davon überzeugte, daß die Gläubigentaufe keine strikte Voraussetzung für die Gemeinschaft am Tisch des Herrn sein sollte. Auch muß be­reits früh ein Kontakt zu der Versammlung Plymouth bestanden haben, denn er schrieb später, daß "Männer mit viel Gnade, die sich in dieser Zeit im Süden von Devon beeiferten, ein gemeinsames Zeugnis bezüglich der vollen Wahrheit Gottes zustande zu bringen",7 seine Geduld bedauerten (um 1833), auf Einirdütigkeit zu warten, bevor auch Nichtbaptisten zum Brotbrechen zugelassen wurden.

(2) Die Arbeit in Barnstaple wuchs zu einem großen Werk in den Dörfern von ganz Nord‑Devon, nicht zuletzt durch die eifrige Evangeliumsverkündigung von Robert Gribble seit 1815. Dieser einfache Arbeiter hatte überall kleine Baptistenge­meinden gebildet, die stets mehr (ebenso wie Gribble selbst) den Grundsätzen zu­neigten, die in Barnstaple und Bristol praktiziert wurden.

 Auch andere Arbeiter traten in den Weinberg ein, wie William Bowden und George Beer; ersterer wurde bekehrt durch den Dienst von Chapman, der zweite durch den von Gribble. 1836 be­gleiteten diese jungen Männer Groves auf einer Missionsreise nach Indien. 

Die Arbeit, die Gribble auf dem Land verrichtete, war so fruchtbar, daß Darby sich darüber verwunderte, daß er selbst und andere, die in der Schrift geschult wa­ren, so wenig Frucht bei ihrer Evangeliumsverkündigung sahen, während Gribble, ein nicht studierter Handwerksmann, einfache Bemerkungen machte, wodurch Seelen gerettet und Versammlungen gebildet wurden.

 Dies zeigt, daß die Arbeit der "Brü­der" nicht (wie oft behauptet worden ist) nur in den Händen von Angesehenen und Akademikern lag und sich auf die großen Städte und mittleren und höheren Klassen beschränkte. Männer wie Gribble fanden ein riesiges Arbeitsfeld, gerade unter den Armen auf dem Land.

Eine der auffallendsten Erscheinungen in der frühen Geschichte derer, die im allgemeinen als "die Brüder" bezeichnet werden (obwohl sie sich selbst niemals einen Namen zulegen wollten, um keinen sektiererischen Boden zu betreten), war wohl die Tatsache, daß das Werk an so vielen verschiedenen Orten unabhängig voneinander begann. 

Freilich zogen viele Brüder umher, um überall die Wahrheit darzulegen, doch sie selbst wunderten sich darüber, wie sehr der Boden, in den sie säten, zuvor vcm Herrn zubereitet worden war. Nicht nur in England war dies der Fall, sondern auch in vielen Ländern auf dem europäischen Kontinent. Wir werden nun sehen, wie die Bewegung sich schnell in den Osten und Norden Englands und auch in andere Länder ausbreitete.

I. HEREFORD

(1) Es versteht sich von selbst, daß besonders die Brüder der schnellwachsenden Versammlung in Plymouth und auch die in Barnstaple in ganz Devon ein mächtiges

Zeugnis ablegten. Es entstanden Versammlungen in Exeter und in Müllers früherer Kirche in Teignmouth; an diesem Ort wohnte John V. Parnell, nachdem er von seiner Missionsreise in den Nahen Osten zurückgekehrt war, von 1837 bis 1842. In

Torquay war 1834 eine Versammlung gebildet worden, in der John Vivian eine führende Rolle spielte. Auch in der benachbarten Grafschaft Scmerset entstanden

Versammlungen. Bereits zu Anfang der dreißiger Jahre entdeckte Bellett bei einem Freund in Scmerset Interesse an der Wahrheit über die Versammlung: das war Sir Edward Denny, ein steinreicher irischer Baron, der einer der bekanntesten Liederdichter unter den Brüdern wurde. Ein ebenfalls bekannter Dichter wurde James G. Deck aus Suffolk. Dieser kam als Heeresoffizier in Indien zur Bekehrung und

wollte nach seiner Rückkehr Pfarrer werden; gerade zu der zeit jedoch, als er eingesehen hatte, daß die Staatskirche im Widerspruch zu Gottes Wort stand, brachte der Herr ihn in Berührung mit den Brüdern (etwa 1838). Er wurde zum großen Segen in Westengland, zuerst in Devon, dann in Scmerset und später in Dorset. In dieser Grafschaft entstanden völlig unabhängig verschiedene Versammlungen, die später in Kontakt mit den "Brüdern" kamen.

(2) Die Bewegung griff schnell um sich und erreichte zum Norden hin sogar schon bald die Stadt Hereford in der gleichnamigen Grafschaft in Westengland. Dort war der Boden zubereitet durch Pfarrer Henry Gipps, dessen Tochter später die Frau von William Kelly wurde, einem der begabtesten BrÜder späterer Zeit. Gipps starb 1832; sein Nachfolger wurde John Venn, ein treuer evangelischer Pfarrer, der seiner Gemeinde jedoch zu wenig Nahrung bot. 

1837 besuchte eine Dame aus seiner Gemeinde, die Frau des Chirurgen Dr. Griffith, einige Freunde in Plymouth und hörte dort Capt. Percy F. Hall predigen. Sie war so davon beeindruckt, daß Hall nach Hereford eingeladen wurde. Dort predigte er im Haus des Buchhändlers Willi­am Yapp, später ein bekannter Bruder. Die Verkündigung Halls schlug so ein, daß man ihn ersuchte, sich in Hereford niederzulassen. 

Das Haus Yapps wurde schon bald zu klein, so daß in seinem Garten ein Gebäude errichtet wurde, das 300 bis 400 Personen aufnehmen konnte und wo jeden Sonntag Brot gebrochen wurde. 1844 waren dort bereits 345 Geschwister in Gemeinschaftl Es traten nicht nur viele Gläubige aus den Kirchen aus, sondern durch eine sehr umfangreiche Evangelisa­tionsarbeit bis in die weitere Umgegend von Hereford kamen auch viele Menschen zur Bekehrung. 

Die junge Versammlung brachte viel Geld zusaimen, um schnelle Kutschen und Pferde für die Prediger anzuschaffen. Sonntags kamen viele von nah und fern zu Fuß zur Morgenversanmlung in Hereford und bekamen dort von Yapp und Dr. Griffith ein Mittagessen gereicht, wenn sie den ganzen Tag bleiben wollten. 

Doch bald entstanden auch selbstständige Zeugnisse rings um die Stadt. Tausende Traktate und Broschüren wurden dort verbreitet, nicht zuletzt auf Kosten von Dr. Griffith. In seinem Sprechzinuer hatte er Abbildungen der Stiftshütte, anhand deren er das Evangelium auslegte.

Etwa zehn führende Brüder kamen gewöhnlich freitags mrgens zusammen, um die Be­lange der Versaimdung zu besprechen. Ab 1840 war auch der Kapitän und Edelmann Willim H.G. Wellesley (33 Jahre) einer dieser Brüder. Dieser Neffe des berühm­ten Herzogs von Wellington wurde ein Mann mit Autorität unter den "Brüdern" in England. 

Da die führenden Brüder in Hereford genaue Aufzeichnungen ihrer Bespre­chungen anfertigten, haben wir ein schönes Bild von dem Leben dieses jungen Zeugnisses. Diese Brüder sprachen wöchentlich ab, wer predigen und wer am fol­genden Sonntag das Brot brechen sollte. 

Darüber hinaus besprachen sie Zuchtfäl­le, die sie dann der Versammlung vorlegten. Zucht wurde ausgeübt bei Konzertbe­such, Schlagen eines Ehegatten, Backen am Sonntag, Trinken, Spielen, Fluchen, Zanken, Pfänden und vielen ernsteren Fehltritten. Häufig wurde das Abhalten spe­zieller Zusammenkünfte abgesprochen wie zum Fasten und zum Gebet. 

Viel Aufmerk­samkeit wurde auch dem Hirtendienst geschenkt und dem Verwalten der Kassen. Letzteres war keine Kleinigkeit, denn die Versammlung unterhielt u.a. ein Wai­senhaus, eine Schule für die eigenen Kinder und einen eigenen Friedhof. Auch wurde viel Geld eingesammelt für den Bau von Versamulungslokalen an anderen or­ten.

Verschiedene bekannte Brüder wie C. Hargrove und J.M. Code besuchten die Ver­saumlung in Hereford in diesen ersten Jahren. Im Jahre 1838 und im November 1843 machte Darby dort einen Besuch. Ein sehr bekannter Bruder, der vier Jahre lang in Hereford wohnte (1839‑1843), war der bereits genannte Capt. Willian G. Rhind. 

Nach einer sehr abenteuerlichen Jugend bei der Marine war dieser Rhind ungefähr 1819 im Alter von 25 Jahren zur Bekehrung gekcnuen. In den zwanziger Jahren war er ein eifriger Evangelist im Hafen von Plymuth und ab 1828 ein aktiver vor­kämpfer des Protestantismus. 1832 wurde er jedoch von John Synge nach Irland eingeladen, wo er, wie wir gesehen haben, auch der zweiten Powerscourt‑Konferenz beiwohnte und so in Kontakt mit den "Brüdern" kam. 

Seine Bekanntschaft mit P.F. Hall führte später dazu, daß er sich in Hereford niederließ, wo er sehr aktiv war im Predigen des Evangeliums wie auch im Dienst in der Versammlung. 1843 sie­delte er mit seiner Familie nach Ross über; dort mietete er einen kleinen Raum, wo zehn Personen das Brot brachen.

 Diese Zahl erhöhte sich in einigen Jahren auf 130, mit dadurch, daß Rhind nach der Abendversamlung auf den Stufen des Hauses, wo die Brüder sich versammelten, unter den Menschen, die aus der Kirche kamen, Straßenpredigten hielt. Dieser große Evangelist, der so häufig über das Kcmmen des Herrn sprach und durch eine innige Gemeinschaft mit Ihm immer strahlte, war einer der geachtetsten und prcminentesten Brüder der Anfangszeit.

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