5.) Apostelgeschichte

12/23/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Apostelgeschichte 12 Herodes und Petrus BdH 1854

02/17/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Herodes und Petrus stelle mich gleich dem Höchsten (Jes 14,13–14).

In dem Antichristen sehen wir den Hochmut Adams und die Selbstverherrlichung des Menschen auf das Höchste gestiegen. Hass, Empörung, Aufruhr, Vermessenheit wider Gott und dann die Selbstvergötterung unter einem abtrünnigen Volk erreichen in dem Antichristen den höchsten Grad. Er trägt darum vornehmlich den Namen Antichrist, weil er in allem das schroste Gegenbild von Christus ist In Christus sehen wir die größte Verleugnung seiner selbst und die vollkommenste Unterwerfung unter den göttlichen Willen.

Obgleich Er Gott gleich war, so erniedrigt Er sich dennoch zur Knechtsgestalt und ward gehorsam bis zum Tod am Kreuz, indem Er nur Gottes Ehre und Verherrlichung suchte. Darum ist Er nun auch von Gott erhöht und zu seiner Rechten gesetzt über alles. So wie aber Herodes als Vorbild in seinem Übermut plötzlich ein Ende nahm, also wird es auch der Antichrist tun. „Und alsdann wird der Boshafte oenbart werden, welchen der Herr umbringen wird mit dem Geist seines Mundes und wird sein ein Ende machen durch die Erscheinung seiner Zukunft“ (2. Thes 2,8).

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade (1. Pet 5,5). Er will den Abfallund den Hochmut des Menschen richten. Dies soll in uns eine heilige Furcht erwecken, in keinerlei Weise Teil daran zu nehmen, um nicht auch an dem schrecklichen Gerichte Teil zu haben. Lasst uns nicht eitler Ehre geizig sein, oder nach Menschengunst trachten, vielmehr in allen Dingen Gottes Ehre und Wohlgefallen und Verherrlichung suchen. Unserem Gott allein gebührt Ruhm und Macht und Herrlichkeit, bis in alle Ewigkeit. Amen.

Der Christ gehört Christus an, weil er von Ihm erkauft ist. Der teure Kaufpreis war sein eigenes Blut. Er hat sich hingegeben für seine Gemeinde, welche ist sein Leib; Er hat sie erlöst und versöhnt. Sie ist seine Braut, die Er sich selbst erworben hat und deshalb Ihm allein gehört. Ihre Neigungen, ihre Begierden und ihr ganzes Verhalten darf nur auf Ihn gerichtet sein. In Ihm hat Tuch Gott uns völlig oenbart, was Er für uns ist. Wir haben erkannt und verstanden, dass sein Gott und Vater auch unser Gott und Vater ist, und wir werden es immer völliger erkennen. Das Bewusstsein unserer Beziehung zu Gott als Kind und Erbe, als Miterbe Christi, getragen, geliebt mit einer vollkommenen Liebe, stellt uns in das rechte Verhältnis. Das Kind gehört ganz dem Vater an, dessen Willen es allein unterworfen sein soll.

In unserem Kapitel sehen wir in Petruseine völlige Hingabe an seinen Gott. Er hatte nicht den Ruhm und das Wohlgefallen der Menschen gesucht. Vielmehr hatte Er Christus bekannt; davon zeugten die Ketten und das Gefängnis. Die Hingabe an Gott und die Verherrlichung seines Namens ndet in der Welt keine Anerkennung. Der Christ darf nie darauf rechnen, sondern stets auf das Gegenteil gefasst sein. Hat er darauf gerechnet, so wird er entweder mutlos oder weltlich gesinnt sein. Die Welt kennt weder Gott, noch sein Volk.

Petrus war Wohl verwahrt, d. h. vor den Augen der Menschen. Es heißt Vers 4: „Da Herodes ihn nun gri, legte er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn viermal vier Kriegsknechten, ihn zu bewahren .. (V 7). Und da ihn Herodes wollte vorstellen, in derselben Nacht schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten, gebunden mit zwei Ketten und die Hüter vor der Tür hüteten des Gefängnisses.“– Es könnte uns wohl verwundern, dass wir den Petrus in einer solchen Lage schlafend nden. Alle Umstände waren ja nur geeignet, ihm Furcht und Schrecken einzujagen. Wenn er nach diesen enteilte, so hatte er ja nichts als einen baldigen Tod zu erwarten. Sein Richter war ein Feind Gottes, der schon viele Mitbrüder gepeinigt und den Jakobus getötet hatte. Zu diesem Hass kam das Wohlgefallen des Volkes, dem er so gern huldigte.

 In seinem Gefängnis war er durch Kellen, Kriegsknechte und Hüter Wohl verwahrt und der entscheidende Tag war der nächste. Dennoch schläft Petrus. Es war der Schlaf eines Christen, der ein ruhiges Gewissen hat und der nur an Gottes Ehre und die Verherrlichung seines Namens denkt; es war der Schlaf eines Kindes Gottes, welches sich überall im Schoß des himmlischen Vaters weiß, eines Dieners Christi, welcher sich völlig und willenlos seinem treuen Herrn übergeben hat und sich freut, um seines Namens willen Streiche zu leiden. 

In Petrus nden wir den Glauben wirksam, der sich nicht durch das Sichtbare leiten und einnehmenlässt, sondern in jeder Lage auf Gott traut. Wir sehen sein Herz mit Liebe erfüllt, die bereit ist, das Leben zu lassen, die da mit Freuden zur Verherrlichung des göttlichen Namens sich zum Opfer bringt. Es offenbart sich eine lebendige Hoffnung, die da weiß, dass Sterben Gewinn ist, die hier auf Erden nichts sucht, sondern eine unvergängliche Herrlichkeit im Himmel mit Christus erwartet, und dies Bewusstsein gibt ihm Geduld, in allen Drangsalen dieser Seit bis ans Ende zu beharren. Wir werden immer nden, dass, wenn in dem Christen diese drei Stücke, nämlich Glaube, Liebe und Honung, wirksam sind, sein Herz in jeder Lage, auch in der schwierigsten, mit Ruhe und Trost erfüllt ist.

Andererseits tritt uns hier die Treue und herrliche Macht Gottes entgegen, der uns in jeder Lage zutrösten und zu retten weiß. Beschäftigt sich das Herz mit Ihm allein und nicht mit den Umständen,worin es sich bendet, so wird es die größte Ruhe genießen da, wo andere mit Furcht und Schrecken erfüllt sind. Das Härteste, was einem Menschen in dieser Welt begegnen kann, nämlich als ein Missetäter zu sterben, sollte das Los Petrussein. Er stand im Angesicht dieses Todes; kein Umstand ließ ihn auf Befreiung hoen, weder der Hass Herodes, der schon seine Mitbrüder getötet, noch das Wohlgefallen eines blutdürstigen Volles, noch seine strenge Bewahrung im Gefängnis. Allein er ruhte auch selbst in den Banden und im Kerker in Gott. Paulus und Silos sangen im Gefängnis zu Philippi Lobgesänge. Ja, der Glaube lässt um überall sicher ruhen und Gott preisen.

Die herrliche Macht Gottes oenbarte sich besonders in der plötzlichen Errettung des Petrus. „Und siehe, ein Engel des Herrn stand da, und ein Licht leuchtete im Kerker; und er schlug Petrus an die Seite, weckte ihn und sagte: Steh schnell auf! Und die Ketten elen ihm von den Händen. Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und binde deine Sandalen unter! Er aber tat es. Und er spricht zu ihm: Wirf dein Oberkleid um und folge mir! Und er ging hinaus und folgte und wusste nicht, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah; er meinte aber, eine Erscheinung zu sehen. Als sie aber durch die erste und die zweite Wache gegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in die Stadt führte, das sich ihnen von selbst önete; und sie traten hinaus und gingen eine Straße entlang,und sogleich schied der Engel von ihm. Und als Petrus zu sich selbst kam, sprach er: Nun weiß ich in Wahrheit, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden“ (V 7–11).

Der Eindruck, welchen diese Verherrlichung der Macht Gottes, auf Petrus machte, war ein gewaltiger. Anfangs glaubte er ein Gesicht zu sehen, aber bald überzeugte er sich von seiner wahrhaftigen Errettung. Diese Oenbarung der herrlichen Macht Gottes muss unsere Herzen sehr erheben und im Vertrauen befestigen. Wir sehen, wie Gott den Seinen so nahe ist, wie seine Treue stets bei den Treuen ist, wie Er sich an denen zu verherrlichen weiß, welche die Verherrlichung seines Namens suchen. Möchte dies uns ermuntern, uns seinem Willen und seiner Führung ganz zu übergeben. Er hält immer bei uns aus und wo Er ist, da haben wir keinen Mangel. Seine Treue, Gnade und Macht übersteigt alles. Darum ist Er allein für eine jede Seele, die auf Ihn harrt, in allen Lagen genug.

Während Petrus an Ketten gebunden im Gefängnis für einen baldigen Tod aufbewahrt wird, sehen wir die Gemeinde Gottes im wirksam. Sie betete für ihn ohne Aufhören zu Gott (V 5). „Wo ein Glied leidet, da leiden alle Glieder.“ Das wird sich immer bewahrheiten, wenn die Glieder sich ihrer gliedlichen Gemeinschaft lebendig bewusst sind, dass sie nämlich Glieder eines Leibes und zwar desLeibes Christi sind. Dies Bewusstsein erweckt eine herzliche Liebe und Barmherzigkeit. Im Hausder Maria sehen wir viele im Gebet vereinigt. Es ist auch ihr Vertrauen auf Gott gerichtet, auchsie sind nur auf die Verherrlichung seines Namens bedacht. Jetzt noch vor der Wut des Drängersgeborgen, verharren sie im gemeinsamen Gebet um Errettung. Und über alles Erwarten wird ihr heißes Verlangen gestillt. 

Der von ihnen getrennte Petrusselbst, wonach sie sehnlichst verlangten, bringt ihnen die gute Botschaft seiner Errettung. Sie sind nicht weniger überrascht, wie er es selbst war. „Als er aber an die Tür des Tores klopfte, kam eine Magd mit Namen Rhode herbei, um zu öffnen. Und als sie die Stimme des Petrus erkannte, önete sie vor Freude das Tor nicht; sie lief aber hinein und verkündete, Petrus stehe vor dem Tor. Sie aber sprachen zu ihr: Du bist von Sinnen. Sie aber beteuerte, dass es so sei. Sie aber sprachen: Es ist sein Engel. Petrus aber fuhr fort zu klopfen. Als sie aber geönet hatten, sahen sie ihn und waren außer sich“ (V 13–16).

So weiß der Herr unsere Gebete zu erhören, unser Vertrauen zu krönen und die Gerechten aus der Versuchung zu erlösen. Ja der Herr ist immer bereit, sich an seinem Volk zu verherrlichen. Darumlasst uns das Vertrauen und die Freimütigkeit bewahren, denn es hat eine große Belohnung.Welch einen Unterschied, wenn wir den schrecklichen Ausgang bei Herodes sehen, der sein Vertrauen und seine Ehre bei Menschen suchte, und begehrte in dieser Welt durch diese verherrlicht zu werden, und den herrlichen Ausgang des Petrusund der Gemeinde, welche nur an Gottes Ehre und Verherrlichung dachten. So lasst denn auch uns ausharren im verordneten Kampf und Lauf, das Ende wird herrlich sein. Ausharren ist nötig, um den Willen Gottes zu tun und die Verheißung zu empfangen.

So wie wir aber in dem Herodes das Vorbild des Antichristen haben, so tritt uns in den Leiden des Petrusund der betenden Gemeinde, so wie in der plötzlichen und herrlichen Errettung das Vorbild des Überrestes von Israel in den letzten Tagen vor der Ankunft Jesu Christi entgegen. Wie unter Herodes, so werden auch unter der Regierung des Antichristen die Gläubigen verfolgt sein. „Erwird mit den Heiligen des Höchsten Krieg führen.“ Der Herr wird aber einem Teil seines Volks in diesen Tagen der Drangsale in der Wüste eine Zuuchtsstätte bereiten, und wer da hinein ieht, wird bewahrt bleiben (Sach 14,4–5; O 12,6.15–16). Mit den Übrigen aber, die da Gottes Gebote halten, und haben das Zeugnis Jesu Christi, wird Satan streiten (V 12,17).

Aber plötzlich wird auch für sie ein Erlöser aus Zion hervorbrechen und beim Anblick ihres verherrlichten Erlösers, werden sie ausrufen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn (Ps 118,15.26). Alsdann wird der 126. Psalm seine volle Anwendung nden: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein, wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan. Der Herr hat Großes an uns getan, dessen sind wir fröhlich. Herr, wende unser Gefängnis, wie du die Wasser gegen Mittag trocknest. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben. Der Herr befestige unsere Herzen in der Wahrheit und lasse uns stets auf den herrlichen Ausgang der Gerechten aufmerksam bleiben.

Apostelgeschichte 9, 11 Siehe er betet BdH 1882

02/08/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Siehe er betet (Apostelgeschichte 9, 11)

Es gibt wohl kaum einen Gegenstand in der Heiligen Schrift, der uns so dringend ans Herz gelegt wird, wie das anhaltende Gebet. Wir finden nicht nur eine Menge Stellen, die uns dazu in bestimmter Weise auffordern, sondern werden auch durch das Beispiel vieler frommer Männer und Frauen und durch augen­scheinliche und wunderbare Erhörungen des Gebets dazu er­muntert. Wir sind in uns selbst arm und schwach, und darum bedürftig und abhängig; aber wir stehen in der Gunst Dessen, Der die Liebe und vollkommen an Macht ist. Und „wenn Gott für uns ist, wer wider uns? Er, der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken" (Röm 8,31.32)? 

In Seiner Liebe hat Er uns in Christo eine nie versiegende Quelle für alle unsere Bedürfnisse und für jegliche Segnung geöffnet. Sicher ist alles Gnade; aber wir haben „durch Chri­stum mittels des Glaubens Zugang zu dieser Gnade, in wel­cher wir stehen" (Röm 5,2). Gott hat Sein Wohlgefallen daran, uns zu segnen, uns alles darzureichen, was wir bedürfen; Er ist der stets bereitwillige Geber. Uns geziemt Gebet, Flehen und Danksagung. Durch Gebet und Flehen geben wir unsere Bedürftigkeit und unsere Abhängigkeit von Gott kund, und indem wir darin beharren und danksagen, fügen wir unser Vertrauen hinzu. Dies Vertrauen wird Er nie beschämen, im Gegenteil findet Er Seine Wonne daran, es reichlich zu beloh­nen. In Mt 15 gibt uns das kananäische Weib ein schönes Bei­spiel von einem solchen unerschütterlichen Vertrauen. Die Frau kommt zum Herrn und bittet Ihn, und Er sagt ihr nicht ein Wort; die Jünger verwenden sich für sie, aber Er antwortet ihnen, daß Er nur gesandt sei zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. 

Die Frau bittet zum zweiten Male und huldigt Ihm, und der Herr versichert ihr, daß sie an den Segnungen Israels nicht mehr Anrecht habe, als die Hunde an dem Brote der Kinder. Sie räumt dies völlig ein und macht, gleich den Hunden, nur Anspruch auf die Brosamen, die vom Tische fallen. Konnte der Herr ihr diese verweigern, oder mußte Er beken­nen, daß Er nicht einen solchen Überfluß an Gnade besitze? Unmöglich; Er sprach zu ihr: „O Weib, dein Glaube ist groß;
dir geschehe, wie du willst". — Durch das Gebet des Glaubens Wird Gott verherrlicht; wir geben Ihm den Platz, der Ihm ge­bührt, und nehmen selbst den Platz ein, der uns zukommt. Ein wahrer, verborgener Umgang mit Gott wird sich stets in einem würdigen Wandel kundgeben; wo dieser nicht vorhanden ist, da fehlt sicher auch jener. 

Das Gebet führt uns in die Gegen­wart Gottes, und das Beharren im Gebet macht Seine Gegen­wart zu unserem beständigen Aufenthaltsort. In Seiner Nähe bleibt das Auge einfältig und das Herz nüchtern, voll Friede und Freude; und so sind wir fähig, die Fußtapfen unseres geliebten Herrn in dieser Wüste zu unterscheiden und in ihnen zu wandeln. Wir erfahren dann, daß alle unsere Quellen in Ihm sind, und daß das Gebet des Glaubens sozusagen die geöffnete Hand ist, die der Herr nach dem Reichtum Seiner Gnade mit allem füllt, was wir in unserer Schwachheit hier bedürfen.
Christus wandelte auf dieser Erde stets in völliger Abhängig­keit von Gott. Er nun ist unser Leben und wir sind in Ihm, und „wer da sagt, daß er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat" (1. Joh 2, 16). Stets gilt uns das Wort: „Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu war". Er wandelte in der Welt, in der wir wan­deln; Elend, Sünde und feindseliger Widerstand der Menschen umgaben Ihn von allen Seiten. „Er ist in allem versucht wor­den in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde". Aber stets begegnen wir in Ihm dem völlig gehorsamen und abhän­gigen Menschen. Wie oft ging Er allein, um zu beten, und ver­harrte im Gebet sogar die ganze Nacht hindurch (vergl. Mk 1. 35; Lk 6, 12; 5, 16; 9, 18; 11, l). Am häufigsten erwähnt Lukas die Absonderung des Herrn zum Gebet; denn er ist es, der uns Jesum vornehmlich in dem Charakter des „Sohnes des Menschen" darstellt. Und gerade durch das Gebet gab der Herr Seiner Abhängigkeit als Mensch Ausdruck. Er betete, als Er getauft wurde, und der Himmel wurde aufgetan, und der
 Heilige Geist stieg in leiblicher Gestalt, wie eine Taube, auf Ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel kam: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden" (Lk 3, 21. 22). Er war im Gebet auf dem Berge der Verklärung, wo die Herrlichkeit des auf den Tod Christi gegründeten Reiches dargestellt wurde, „und indem er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders, und sein Gewand weiß, strahlend" (Lk 9, 28. 29). Wir finden Ihn betend in Gethsemane, als Satan den letzten gewaltigen Anlauf nahm und alle die Schrecken des Todes vor Ihn stellte. „Und als er in ringendem Kampfe war, betete er heftiger. Es wurde aber sein Schweiß wie große Blutstropfen" (Lk 22,44). 

Wenn von irgend jemand, so konnte hienieden von Ihm, Dem vollkommen abhängigen Menschen, stets gesagt werden: „Siehe, Er betet". Und während Er zur Rechten Gottes sitzt, fährt Er allezeit fort, für uns zu bitten, so lange wir es in unserer Schwachheit bedürfen (Röm 8, 34). Er kann uns nie vergessen noch versäumen. Doch welch ein nachahmungswürdiges Beispiel hat Er uns dadurch hinterlas­sen! Welch eine ernste Ermahnung für uns alle, zu jeder Zeit und in allen Anliegen unsere Zuflucht zum Herrn zu nehmen und im Gebet und Flehen zu verharren! Wie wenig wandeln wir in Seinen Fußtapfen und verwirklichen Seine Gesinnung, wenn wir im Gebet träge und nachlässig sind!
Doch außer dem vollkommenen Vorbild unseres Herrn gibt es unter den Heiligen des Alten und Neuen Testaments viele Beispiele, die ebenfalls unserer sorgfältigen Beachtung wert sind und uns zur Nachahmung ermuntern. Bei denen des Alten Testaments möchte ich hier jedoch nicht länger verweilen und den Leser nur bitten, folgende Schriftabschnitte mit aller Auf­merksamkeit zu betrachten: 2. Chron 6; 2. Kön 19; 2. Chron 20; Dan 9. Was nun die Beispiele des Neuen Testaments an­langt, so wenden wir uns zunächst zur Apostelgeschichte. Das erste Kapitel teilt uns mit, daß der Herr vor den Augen der versammelten Apostel in den Himmel aufgenommen wurde, und daß die Apostel dann nach Jerusalem zurückkehrten und auf den Obersaal stiegen, wo sie blieben. Zu welchem Zweck blie­ben sie dort?

 „Diese alle verharrten einmütig im Gebet mit et­lichen Weibern und Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brü­dern" (V. 14). Sie weilten jetzt im Glauben droben, wo ihr geliebter Herr eingegangen war, und von dort erwarteten sie
 alles, was sie auf dem vor ihnen liegenden Pfad und zu dem ihnen anvertrauten Werk bedurften. — Bevor sie das Los war­fen, um die Lücke im Apostelamt wieder auszufüllen, die durch die Untreue Judas entstanden war, nahmen sie ihre Zuflucht zum Gebet (V. 24); denn wer anders als „der Herr, der Herzens kundiger aller", vermochte zu „diesem Dienst und Apostel­amt" den rechten Mann zu bestimmen?
Bald nachher wurden dreitausend Seelen, die das am Pfingsttage durch Petrus verkündigte Wort annahmen und getauft wurden, hinzugetan; und wir lesen dann: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten" (Kap. 2, 42). — Nachdem die Apostel (Kap. 4) vor dem Synedrium ein freimütiges Bekennt­nis abgelegt hatten und unter Drohungen entlassen waren, finden wir sie gleich nachher mit den Ihrigen zum Gebet ver­sammelt (V. 23—31). Stets blieben ihre Herzen nach oben gerichtet, ihre einzige Zuflucht war Gott der Herr. Auf der Erde, gleich ihrem geliebten Herrn, verkannt, verachtet und verfolgt, fanden sie nur droben Anerkennung und wahres Mitgefühl, sowie die unversiegbare Quelle der Freude und Kraft in allen ihren Prüfungen und Kämpfen hienieden. — In Kapitel 6 sehen wir, daß das Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, in bezug auf die äußere Bedienung, die Zwölfe veranlaßte, die Menge der Jünger zusammenzurufen und zu ihnen zu sagen:
„Es ist nicht gut, daß wir das Wort Gottes verlassen und die Tische bedienen. So sehet euch nun um, Brüder, nach sieben Männern aus euch, von gutem Zeugnis, voll Heiligen Geistes und Weisheit, die wir über dieses Geschäft bestellen wollen; wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren" (V. 1—4). Beachten wir es sorgfältig, daß die Apostel hier das Gebet zuerst nennen; denn wahrlich, der Dienst am Worte des Herrn wird nur dann gesegnete Früchte hervorbringen, wenn das Gebet den ersten Platz einnimmt. Das Gebet belebt und kräftigt den Mut und das Ausharren des Arbeiters; es erhält ihn in Verbindung mit der Quelle der Weisheit, der Kraft und alles wahren Dienstes, und es bekennt und bezeugt, daß Gott allein es ist. Der zu segnen vermag. Wo das Gebet vernachläs­sigt wird, da ist auch der Dienst ungesegnet und wird zu einer Form, die vor Gott wertlos ist. Möchten dies doch alle beher­zigen, die in irgendeiner Weise berufen sind, sich mit dem
 Werke des Herrn zu beschäftigen, denn ihre Verantwortlich­keit ist groß!
Als später durch die Predigt des Philippus in Samaria viele gläubig wurden, gingen Petrus und Johannes hinab und „be­teten für sie, damit sie den Heiligen Geist empfangen möchten" (Kap. 8, 15). Ebenso finden wir, daß Petrus, als er nach Joppe gekommen war, um Tabitha (Dorkas) ins Leben zurückzu­rufen, vorher niederkniete und betete (Kap. 9, 40). Jede Seg­nung, Hilfe und Kraft erwarteten die Apostel vom Herrn, und ihre Gebete geben Zeugnis, wie völlig sie sich ihrer Abhängig­keit bewußt waren und ihren wahren Platz im Dienste vor Gott einnahmen. — 

In Kapitel 10, 9 lesen wir, daß Petrus „um die sechste Stunde auf das Dach stieg, um zu beten"; und in dieser Stunde war es, wo der Herr ihn zur Einführung der Nationen in das Reich zubereitete. Diese Einführung erfolgte gleich nachher in der Person des Hauptmanns Kornelius, dessen „Gebete und Almosen in das Gedächtnis vor Gott hinaufge­stiegen waren". — Als Petrus durch Herodes ins Gefängnis geworfen und dort sicher verwahrt wurde, „geschah von der Versammlung ein anhaltendes Gebet für ihn zu Gott" (Kap. 12, 5). Hier auf Erden war jeder Ausweg zur Befreiung des geliebten Apostels versperrt. Herodes war ein grausamer und menschengefälliger Tyrann, die Juden hatten Wohlgefallen an dem Tode der Apostel, und Petrus lag in einem wohlverwahr­ten Gefängnis. Der Glaube aber nimmt seine Zuflucht zu Dem, Der über allem ist, und das Gebet findet seinen Weg zu dem Herzen Dessen, Der die Liebe ist und an allen Prüfungen der Seinigen innigen Anteil nimmt.
Wir kommen jetzt zu Paulus, dem großen Apostel der Nati­onen. Das erste Zeugnis, das der Herr ihm gab, nachdem Er ihm auf seiner Verfolgungsreise nach Damaskus in den Weg getreten war, lautete: „Siehe, er betet" (Apg 9, 11). Saulus, nachher Paulus genannt, erkannte jetzt, daß er bis dahin bei all seiner gesetzlichen Frömmigkeit, bei all seinem Eifer für Gott nur ein Schmäher, Verfolger und Lästerer gewesen war, nicht nur der Versammlung, sondern auch des Herrn der Herr­lichkeit Selbst; denn Er und die Versammlung sind eins. 

Dies wurde Saulus durch den Herrn mit den Worten kundgetan: „Saul! Saul! was verfolgst du mich" (V. 4)? Welch ein Schmerz, welch eine Zerknirschung mußte jetzt sein Herz durchbohren, als er zu den Füßen Jesu lag und betete! Und der Herr ant­wortete ihm durch den Mund des Ananias mit überschwänglicher Gnade und Vergebung (V. 17. 18). Von diesem Augen­blick an war Christus sein Leben, und Seine Verherrlichung sein einziger Zweck. Der Herr hat wohl nie einen Diener auf dieser Erde gehabt, der Ihm so gänzlich unterworfen und ge­widmet war, und von dem Er so oft sagen konnte: „Siehe, er betet". Fast alle seine Briefe geben davon in einer Weise Zeug­nis, daß sowohl unsere Bewunderung als auch unsere Beschä­mung dadurch wachgerufen werden. Beginnen wir mit dem Brief an die Römer. 

Da heißt es in Kapitel 1,8—10: „Aufs erste danke, ich meinem Gott durch Jesum Christum euer aller halben, daß euer Glaube verkündigt wird in der ganzen Welt. Denn Gott ist mein Zeuge, welchem ich diene in meinem Geiste an dem Evangelium seines Sohnes, wie unablässig ich euer er­wähne, allezeit flehend bei meinen Gebeten, ob ich endlich einmal durch den Willen Gottes so glücklich sein möchte, zu euch zu kommen". Er war stets voll Eifer, das Evangelium des Christus allenthalben zu verkündigen, voll Verlangen, den Gläubigen mit der Gabe, die er von Seinem Herrn empfangen hatte, zu dienen, aber zugleich zeigte sein unablässiges Flehen, wie sehr er sich in allem der völligen Abhängigkeit von seinem Herrn bewusst war. — In 1. Kor 1. 4 lesen wir: „Ich danke meinem Gott allezeit eurethalben für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christo Jesu"; und in Eph 1,15.16: „Wes­halb auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben an den Herrn Jesum, der in euch ist, und von der Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt, nicht aufhöre, für euch zu danken, euer erwähnend in meinen Gebeten". 

Welch ein tiefes Interesse an den Segnungen und Bedürfnissen der Heiligen bewies der Apostel allezeit! Und stets richtete er sein Herz zu der Quelle, aus der alles herniederfloss, und verherrlichte Gott durch Dank­sagung und Gebet. Weiter lesen wir in Phil 1. 3. 4: „Ich danke meinem Gott bei aller meiner Erinnerung an euch in jedem meiner Gebete, indem ich für euch alle das Gebet mit Freuden tue" usw. Es war bei ihm nicht das Bewußtsein der schuldigen Pflicht, wodurch seine Danksagungen und Gebete wachgerufen wurden, es war die Freude seines Herzens. Die Teilnahme der Philipper an dem Evangelium von dem ersten Tage an, sowie
 ihre treue Liebe und Zuneigung erfüllten das Herz des bejahr­ten, in Rom gefangen liegenden Apostels mit jener Freude, die ihren Ausdruck in seinen anhaltenden Gebeten zu Gott fand. — An die Kolosser schreibt Paulus: „Wir danken dem Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi allezeit, indem wir für euch beten" usw. (Kap. 1. 3) und an die Thessalonicher:
„Wir danken Gott allezeit für euch alle, euer erwähnend in unseren Gebeten, unablässig eingedenk eures Werkes des Glaubens und der Bemühung der Liebe und des Ausharrens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesum Christum, vor unserem Gott und Vater" (1. Thess 1. 2. 3).

 Welch eine Teilnahme und welch ein Ausharren im Gebet des Apostels wird durch die Worte: „allezeit", „für euch alle" und „unablässig" ausge­drückt! Der gesegnete Zustand der Thessalonicher rief die zärtlichsten Gefühle seines Herzens wach. Er bricht in Kap. 3, 9. 10 in die Worte aus: „Denn was für Dank können wir Gott für euch vergelten über all der Freude, womit wir uns euret­wegen freuen vor unserem Gott; indem wir Nacht und Tag über die Maßen flehen, daß wir euer Angesicht sehen und vollenden mögen, was an eurem Glauben mangelt."
Wir finden indessen nicht nur dieses große und beharrliche Interesse beim Apostel im Blick auf alle Versammlungen, sondern sein Herz ist ebensosehr für einzelne Heilige mit Dank und Gebet vor Gott beschäftigt. So lesen wir z. B. in 2. Tim 1. 3: „Ich danke Gott . . . wie unablässig ich deiner gedenke in meinen Gebeten Nacht und Tag"; und ebenso in seinem Brief an Philemon: „Ich danke meinem Gott, indem ich allezeit deiner erwähne in meinen Gebeten" (V. 4).

 Schon im Blick auf alle die angeführten Stellen, die uns über den verborgenen Umgang des Apostels mit Gott Mitteilung ma­chen, müssen wir zu dem Schluß kommen, daß sein ganzes Leben ein unaufhörliches Gebet war. Sicher hat keiner vor und nach ihm so genau in den Fußtapfen des Herrn gewandelt, keiner so völlig Seine Gesinnung geoffenbart. Wir begegnen bei ihm einer Energie in der Selbstverleugnung und Aufopfe­rung, einer Widmung und Absonderung für Gott, einer Ge­duld, Hingabe und Liebe gegen die Seinigen, die stets unsere Bewunderung erregen werden. Dennoch war er ein Mensch wie wir, in sich selbst ein armes, schwaches Gefäß, das nur durch die überschwängliche Kraft Gottes aufrechtgehalten
 werden konnte; aber er war ein Mann des Glaubens, der stets und in allem seine Zuflucht zu Gott nahm — ein Mann des beharrlichen Gebets, der in hohem Maße von der Gnade oder Gunst, in der wir stehen, Gebrauch zu machen wußte. Er ist daher ein würdiges Vorbild für die Gläubigen aller Zeiten und besonders für solche, die zum Dienst des Werkes berufen sind. Möchten doch alle Leser dieser Zeilen, die den Herrn kennen, beim Blick auf die Treue dieses bewährten Dieners zu einem innigeren Umgang mit Gott in anhaltendem Dank und Gebet ermuntert werden!
Verweilen wir jetzt einen Augenblick bei den zahlreichen direkten Ermahnungen, wodurch das Wort Gottes den Gläu­bigen das Gebet so dringend anempfiehlt. Zunächst möchte ich auf etliche hinweisen, die der Herr persönlich an Seine Jünger richtet. Wir lesen in Lk 18, l: „Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis dafür, daß sie allezeit beten und nicht ermatten soll­ten". Das ist das Gleichnis vom ungerechten Richter, der die Bitte einer Witwe gewährt, weil sie ihm Mühe macht; am Schluß fügt der Herr hinzu: „Gott aber, sollte er das Recht seiner Auserwählten nicht ausführen, die Tag und Nacht zu ihm schreien, und ist er in Bezug auf sie langmütig? Ich sage euch, daß er ihr Recht schnell ausführen wird" (V. 7. 8). 

Wenn es sich hier auch um die Auserwählten der letzten Tage han­delt, die unter der Ungerechtigkeit des Antichristen seufzen, so haben wir doch zugleich eine große Ermunterung zu an­haltendem Gebet und Flehen zu jeder Zeit. Ebenso fordert der Herr die Seinigen dringend dazu auf, im Blick auf die großen Versuchungen und Gerichte, die über diese Erde hereinbrechen werden: „Wachet nun, zu aller Zeit betend, auf daß ihr würdig geachtet werdet, diesem allem zu entfliehen, was geschehen soll, und vor dem Sohne des Menschen zu stehen" (Lk 21, 36). Ähnlich ermahnt der Herr in Mt 26, 41: „Wachet und betet, auf daß ihr nicht in Versuchung kommet; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber ist schwach".
Die Ermahnungen zum Gebet, die wir in den Briefen der Apostel aufgezeichnet finden, sind noch zahlreicher als die in den Evangelien. Zunächst lesen wir in Röm 12, 12: „Im Gebet haltet an"; in 1. Thess 5, 17: „Betet unablässig; danksaget in allem, denn dies ist der Wille Gottes in Christo Jesu gegen  euch"; und in Eph 5, 20:

 „Danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesu Christi". Wir haben gesehen, wie völlig der Apostel selbst diese Ermahnun­gen während seiner christlichen Laufbahn hienieden verwirk­lichte; und wie gesegnet wird es für uns sein, wenn wir sie in gleicher Weise beherzigen! — Ferner werden wir in Eph 6, 18. 19 ermahnt: „Zu aller Zeit betend, mit allem Gebet und Fle­hen in dem Geiste, und eben hierzu wachend in allem Anhal­ten und Flehen für alle Heiligen und für mich ..." Die wahre Liebe und Zuneigung zu Gott und die herzliche Teilnahme an dem Wohl und Wehe der Seinigen erweisen sich zunächst und vor allem in unserem anhaltenden Gebet und Flehen. 

Wo es hieran mangelt, da ist die Liebe sicher schwach. Wenn jemand betet, um dadurch seiner Pflicht zu genügen oder sein Gewis­sen zu beruhigen, oder auch seine eigene Gerechtigkeit zu be­friedigen, dann darf er fest überzeugt sein, daß seine Gebete nicht vor Gott kommen. Gedenken wir vor Ihm nur unser selbst und der Unsrigen und haben sogar vor allem das äußere Wohl im Auge, so sind Eigenliebe und Welt sinn die haupt­sächliche Triebfeder unserer Gebete, und nicht die Liebe zu Gott und zu den Seinigen. Wenn diese Liebe uns leitet und der Glaube wirksam ist, dann ist es unser Verlangen und unsere Freude, Ihm allezeit zu nahen; und in Seiner Gegen­wart allein findet die Seele ihren wahren Ruheplatz. Hier wird alle Eigenliebe und Selbstsucht, ja alles in und an uns gerich­tet, was Seiner Gegenwart nicht entspricht und uns hindert, den Herrn zu verherrlichen und an dem Wohl und Wehe der Heiligen wirklichen Anteil zu nehmen. Dann wird Er Selbst der Gegenstand unserer Freude und Wonne, das Herz wird mit Seiner Gnade und Liebe erfüllt und zugleich fähig gemacht, in dem wahren Gefühl der Abhängigkeit die eigenen Bedürfnisse sowie die der Seinigen im Gebet und Flehen vor Ihn zu brin­gen und für alle Seine Segnungen zu danken. Oh, möchte dies bei uns allen doch völliger gefunden werden!
In Phil 4, 6. 7 haben wir eine sehr tröstliche Ermahnung und Ermunterung im Blick auf unsere mannigfachen Prüfun­gen in einer versuchungsreichen Welt. „Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Dank­sagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und
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 euren Sinn bewahren in Christo Jesu". Welch ein Trost, daß Er durch Sein Wort uns zurufen läßt: Seid um nichts besorgt! Welch eine Beruhigung für das Herz, daß wir in unserer Schwachheit und in dieser versuchungsreichen Welt alle unsere Anliegen zu Seinen Füßen niederlegen können, und zwar mit der vollen Gewißheit, daß Er alles, was es auch sein möge, nach Seiner Weisheit und Liebe und zu unserem Besten ordnen wird. Durch den Glauben sind wir so völlig davon überzeugt, daß wir, wenn wir unsere Anliegen durch Gebet und Flehen vor Ihm kundwerden lassen, wir zugleich unsere Danksagung darbringen. 

Doch unruhig und niedergedrückt ist das Herz dessen, der stets unter der Last seiner mannigfachen Sorgen seufzt, weil er durch Unglauben oder Mangel an Vertrauen unfähig ist, sie alle auf Gott zu werfen. Er läuft hierhin und dorthin, sucht Rat und Hilfe bei Menschen, die selbst arme Geschöpfe sind und ach! oft so selbstsüchtig und gleichgültig gegen das Elend anderer, und erst dann, wenn er an alle Türen vergeblich angeklopft hat, nimmt er, durch Not (nicht durch Glauben) getrieben, seine Zuflucht zu dem Gott, der die Liebe ist, voll von Mitgefühl gegen alle die Seinigen. „Er, der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken" (Röm 8, 32)? — nicht nur alles, was wir bedürfen, sondern alles, was Er hat. Oh, wie sehr wird ein solcher Gott durch den Unglauben entehrt! Er Selbst will alle unsere Sor­gen übernehmen und uns Seinen eigenen Frieden geben, der allen Verstand übersteigt und unsere Herzen und unseren Sinn bewahrt in Christo Jesu, wo nichts sie erreichen, nichts sie beunruhigen kann. Welch ein Gott ist Er, und welch eine Liebe hat Er zu den Seinigen!
Ferner lesen wir in Kol 4, 2. 3: „Beharret im Gebet und wachet in demselben mit Danksagung. Und betet zugleich auch für uns, auf daß Gott uns eine Tür des Wortes auftue, um das Geheimnis des Christus zu reden . . ." Je mehr wir das geseg­nete Vorrecht unserer „Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo" verwirklichen, um so größer wird auch unser Interesse für das Werk des Herrn und für jene sein, die sich darin bemühen, und dies wird vor allem in unseren Gebeten vor Gott kundwerden. Ein schönes Beispiel von die­sem Interesse liefert uns das genannte Kapitel in der Person  des Epaphras. 

Wir lesen in Vers 12. 13: „Es grüßt euch Epaphras, der von euch ist, ein Knecht Christi Jesu, der allezeit für euch ringt in den Gebeten, auf daß ihr stehet vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes. Denn ich gebe ihm Zeugnis, daß er viel Mühe hat um euch und die in Laodicäa und die in Hierapolis". Wahrlich, ein schönes Zeugnis! Aber ach! wie wenig mag es' in unseren Tagen ausgestellt werden können! Wir leben in einer sehr ernsten Zeit. Männer wie Epaphras, Männer des Gebets, die das Werk des Herrn stets auf dem Herzen tragen, sind ein dringendes Bedürfnis. Möchte der Herr unter uns viele von solchen erwecken, die allezeit mit Gebet und Flehen für ihre Brüder beschäftigt sind! Und wie sehr die Arbeiter im Werke des Herrn der Fürbitte bedürfen, lernen wir vom Apostel, der sich selbst so oft der Fürbitte der Heiligen empfahl. In 1. Thess 5, 25 sagt er:
„Brüder, betet für uns"; in 2. Thess 3, l: „Übrigens, Brüder, betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde, wie auch bei euch . . ." (s. auch Eph 6, 19; Hebr 13,18).
Eine sehr beherzigenswerte Aufforderung zum Gebet finden wir ferner in 1. Tim 2, 1—4: „Ich ermahne nun vor allen Din­gen, daß Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan wer­den für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst. Denn dieses ist gut und angenehm vor unserem Heiland Gott, welcher will, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahr­heit kommen". Wenn der Geist Gottes vor allen Dingen die vorliegende Ermahnung gibt, so begehen wir sicher eine große Untreue wenn wir sie vernachlässigen. 

Und hat es wohl je eine Zeit gegeben wo es nötiger war diese Ermahnung zu beher­zigen als die gegenwärtige Zeit? Einerseits freilich sehen wir, wie sehr der Heiland Gott wirksam ist, um verlorene Sünder zu erretten, aber andererseits auch, wie sehr der Verfall in der Christenheit um sich greift, die Gesetzlosigkeit zunimmt und eine vom Geist des Antichristen beseelte Menge mit Eifer be­müht ist, alle Bande zu zerreißen und jede Anordnung Gottes in der Welt gewaltsam zu beseitigen. Deshalb sollten die Gläubigen um so mehr „an jedem Orte beten und heilige Hände aufheben ohne Zorn und zweifelnde Überlegung" (Kap. 2, 8), auf daß der Arm der Obrigkeit stark bleibe, und
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 daß sie Den erkenne. Der ihr die Gewalt gegeben hat, und von Ihm Weisheit und Kraft erflehe, sie zu Seiner Ehre auszuüben. Das Gebet derer, die Gott fürchten, ist eine verborgene, aber höchst wirksame Stütze der Obrigkeit. Möge der Herr uns bewahren, daß wir nicht durch den Geist der Gesetzlosigkeit, der jetzt in den Kindern des Ungehorsams so mächtig wirksam ist, mit fortgerissen werden, sondern daß wir für alle Men­schen ohne Unterschied, für alle Könige und Hochgestellte un­ablässig unsere Knie vor dem Heiland Gott beugen, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottselig­keit und würdigem Ernst! Dieses köstliche Vorrecht genießen wir in unseren Tagen, und es ist der wohlgefällige Wille Gottes, daß wir es stets mit dankbarem Herzen benutzen.
Schließlich führe ich noch eine Ermahnung zum Gebet aus dem Briefe des Jakobus an: „Bekennet denn einander die Ver­gehungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet; das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel" (Kap, 5, 16). Auch Petrus ermahnt: „Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet" (1. Petr 4, 7). — Unter die Zahl der vielen, mit unserem Gegenstand in Verbindung stehenden Stellen gehört auch noch die folgende: „Die aber wirklich Witwe und verein­samt ist, hofft auf Gott und verharrt in dem Flehen und den Gebeten Nacht und Tag" (1. Tim 5, 5). Das ist das wahre Verhalten, das sich nach dem Worte Gottes bei jeder wirk­lichen und vereinsamten Witwe finden sollte. In der Prophetin Hanna wird uns das schöne Bild einer solchen Witwe gezeigt. Von ihr heißt es: „Sie war eine Witwe von vierundachtzig Jahren, die nicht von dem Tempel wich, indem sie Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente" (Lk 2, 37).
Die obigen Ermahnungen zeigen uns alle, wie wertvoll und wichtig das anhaltende Gebet ist, sowohl im Blick auf Gott, als auch auf uns. Es ist Ihm wohlgefällig, es ehrt und verherr­licht Ihn. Das Gebet der Aufrichtigen ist „sein Wohlgefallen" (Spr 15, 8) und wir bekennen dadurch, wie wir unsere Ab­hängigkeit in unserer Schwachheit hienieden gesehen haben, unsere Bedürfnisse inmitten einer versuchungsreichen Welt, deren Fürst Satan ist, sowie unsere Teilnahme am Werke des Herrn und an Seinen Heiligen. Das Gebet vernachlässigen muß deshalb notwendigerweise die traurigsten Folgen nach sich
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 ziehen, besonders in bezug auf unseren geistlichen Zustand und unseren Wandel hienieden. Der göttliche Friede und die christliche Freude schwinden, und an ihre Stelle tritt immer mehr Kälte und Gleichgültigkeit gegen den Herrn und die Seinigen. Das Zeugnis hört auf; Schlaffheit und Kraftlosigkeit zeigen sich bald im ganzen Wandel; Welt und Sünde beginnen aufs neue ihre Herrschaft und bringen traurige Früchte hervor, und so wird der Name und das Wort des Herrn auf mannig­fache Weise verunehrt und der Geist Gottes betrübt. 

Ach! wie viele unter denen, für die Christus gestorben und auferweckt ist, liefern in unseren Tagen den traurigen Beweis von der Wahrheit des hier entworfenen Bildes! Erlaube mir nun, ge­liebter Leser, dich im Blick auf diese so ernste und wichtige Sache zu fragen: Wie steht es mit dir? Bist du unter denen, die im Gebet müde und träge geworden sind? Hat deine Liebe zum Herrn, dein verborgener Umgang mit Ihm und dein Interesse an allem, was hienieden für Ihn einen so großen Wert hat, abgenommen? Betest du nur aus Gewohnheit oder zur Beruhi­gung deines Gewissens, oder ist es ein wirkliches Bedürfnis für dich? Ist es die Freude deines Herzens und betrachtest du es als ein großes Vorrecht, in allen deinen Anliegen Gott nahen zu dürfen mit Gebet, Flehen und Danksagung? Ich bitte dich dringend, diese ernsten und wichtigen Fragen in der Gegen­wart Gottes und mit alle! Aufrichtigkeit dir selbst vorzulegen und zu beantworten.
Zum Schluß möchte ich noch daran erinnern, wie bereitwillig Gott ist, auf unsere Gebete zu hören. Die Heilige Schrift liefert uns dafür deutliche Beweise und gibt uns zugleich an vielen Stellen bestimmte Zusagen der Erhörung. 

Beides ist in der Tat geeignet, uns sowohl zu stetem Gebet zu ermuntern, als auch unser Vertrauen zu stärken und zu vermehren. Außer den Kapiteln des Alten Testaments, auf die schon oben hingewie­sen wurde, könnten noch viele Abschnitte der Heiligen Schrift angeführt werden. Jedoch genüge es, nur noch auf eine Stelle im Brief des Jakobus hinzuweisen: „Elias war ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir, und er betete ernstlich, daß es nicht regnen möge, und es regnete nicht auf der Erde drei Jahre und sechs Monate. Und wiederum betete er, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht hervor" (Jak 5, 17. 18).
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 Die bestimmte Zusage der Erhörung unserer Gebete findet sich an vielen Stellen des Alten und Neuen Testaments. Ich lasse hier nur einige folgen: „Jehova ist fern von den Gesetz­losen, aber das Gebet der Gerechten hört er" (Spr 15, 29). „Die Augen Jehovas sind gerichtet auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien" (ps 34, 15). „Er wird sich wenden zum Gebete des Entblößten, und ihr Gebet wird er nicht ver­achten" (ps 102, 17). „Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgend­eine Sache, um welche sie auch bitten mögen, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist" (Mt 18, 19). „Alles, was irgend ihr glaubend im Gebet begehrt, werdet ihr empfangen" (Mt 21, 22). „Und was irgend ihr bitten wer­det in meinem Namen, das werde ich tun, auf daß der Vater verherrlicht werde in dem Sohne. Wenn ihr etwas bitten wer­det in meinem Namen, so werde ich es tun" (Joh 14, 13. 14). „Wenn ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch gesche­hen" (Joh 15, 7; vergl. auch 1. Joh 3, 21. 22).
Wie sehr sind diese Verheißungen geeignet, uns zu anhal­tendem Gebet zu ermuntern, und wie sehr haben wir das nötig in dieser Zeit der „kleinen Kraft" und im Blick auf den großen Verfall in der Christenheit, auf den verführerischen Geist dieser Welt und auf die immer zunehmende Zersplitte­rung und den allgemein niedrigen geistlichen Zustand der Gläubigen. Gewiß gibt es verhältnismäßig nur wenige, die in allem von Herzen auf Sein Wort merken, nur wenige, die sich in den großen Riß stellen und mit unablässigem Gebet und Flehen ihre Hände zu Ihm emporheben, damit Er durch Seinen Geist und in der Macht Seiner Gnade sich wirksam erweise. Ich wiederhole, daß gerade dies es ist, was uns so besonders not tut in unseren Tagen; und es ist eine Bemühung im Werke des Herrn, woran jeder teilnehmen kann, der Ihn liebt und ein wahres Interesse an den Seinigen nimmt. Der Herr gebe, daß diese Zeilen dazu gesegnet seien, „die erschlafften Hände und die gelähmten Knie" vieler wieder aufzurichten! Das ist mein inbrünstiges Flehen zu Ihm. Ja, möchte Er einem jeden von denen, die Sein sind, in Wahrheit das Zeugnis geben können:
„Siehe, er betet!"

Apostelgeschichte 2,46-47 Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten.. D. Mrtyn Lloyd-Jones

12/31/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens, lobten Gott und hauen Gunst bei dem ganzen Volke. Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten."

Apostelgeschichte 2,46-47
Das Nächste, das ich bemerke, ist, dass die Gemeinde mit großer Freude und echtem Lobpreis erfüllt ist. Lesen wir noch einmal das, was gegen Ende von Apostelgeschichte 2 gesagt wird: „Und indem sie täglich einmütig im Tempel verharrten und zu Hause das Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volke. Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu, die -gerettet werden sollten" (Apostelgeschichte 2,46-47). 

Genauso sollte die :christliche Kirche eigentlich sein:Große Freude, großer Lobpreis für den Herrn Jesus Christus und für Gott, das Sich-Rühmen in diesem großen Heil, in dem neuen Leben, das sie empfangen haben, und in diesem Gefühl des Himmels.
Dies ist lediglich das einfache Muster dessen, was sehr häufig wiederholt worden ist, wenn Gott seinen Geist auf die Gemeinde ausgegossen hat. Ich werde niemals müde, etwas zu zitieren, an dessen Lektüre in den Tagebüchern George Whiteflelds ich mich gut erinnern kann. Er predigte einmal in Cheltenham, England, und sagte: „Plötzlich kam der Herr unter uns herab." Kennen wir etwas davon? Glauben wir an etwas Derartiges oder dass es möglich ist? 

George Whitefield war nun, selbst bei vorsichtiger Einschätzung, der größte Prediger, den dieses Land [England] je gekannt hat. Doch es gab sogar in seinem Dienst Schwankungen. Bei dieser Gelegenheit war er selbst überrascht. Da war er, predigte und hatte einen sehr guten Gottesdienst, als er plötzlich wusste, dass der Herr unter sie herabgekommen war. 

Das ist das Wunderbare, und es zog große Freude, Lobpreis und Danksagung nach sich. Wenn die Kirche sich in einem erwecklichen Zustand befindet, braucht man Menschen nicht zu ermahnen, Gott zu loben - man kann sie gar nicht daran hindern, denn sie sind so sehr mit Gott erfüllt.

ZUM NACHDENKEN
Wenn die Kirche sich in einem erwecklichen Zustand befindet, braucht man Menschen nicht zu ermahnen, Gott zu loben - man kann sie gar nicht daran hindern.
Aus: Reujual, S. 204-205