Gal. 2, 20 Was ich aber jetzt lebe im Fleische.. BdH 1897

02/16/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Leben durch Glauben

Botschafter des Heils in Christo 1897, S. 16ff

„Was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes“ (Gal. 2, 20).

Sobald ein Christ das Kreuz und die Herrlichkeit Christi aus dem Auge verliert, hört er auf, durch Glauben zu leben, und tritt in die Wege der Welt ein. Dies mag unter zwei Hauptformen geschehen, der gesetzlichen oder der fleischlichen; aber so schroff diese beiden Formen sich auch gegenüberstehen, so entstammen sie doch derselben bösen Quelle, dem Fleische, und dienen demselben bösen Zweck, der Befriedigung des natürlichen Herzens. Darum sind beide Formen mit allen ihren Abstufungen und Schattierungen verwerflich vor Gott, so verschieden sie auch seitens der Menschen beurteilt werden mögen. So war z. B. der Zustand der Christen in Korinth wegen der dort herrschenden Unordnung und Sittenlosigkeit in den Augen der Menschen sicherlich weit schlechter als derjenige der Christen in Galatien, die um das Gesetz eiferten. Aber obgleich der Apostel die ersteren sehr ernst zurechtwies, sagte er doch nicht zu ihnen: „Ihr seid abgetrennt von dem Christus…; ihr seid aus der Gnade gefallen. . Ihr liefet gut; wer hat „euch aufgehalten, dass ihr der Wahrheit nicht gehorchet?“ (Gal. 5, 4. 7.) Sicher dachten die Galater nicht im Entferntesten daran, dass sie den Pfad des Glaubens verlassen und die Wahrheit des Christentums ausgegeben hätten; aber nach dem Urteil des Heiligen Geistes war es so. 

Heute lobt man einen gesetzlichen Eifer, ohne zu fragen, ob das, wofür man eifert, auch der Wahrheit des Christentums entspricht. Man sagt: Es hat doch einen guten Zweck! aber man bedenkt nicht, dass man nach dem Grundsatz der Welt und nicht nach dem des Glaubens handelt. Offenbar verfolgten die Christen in Galatien und Kolossä auch einen guten Zweck, als sie um das Gesetz, eiferten; aber der Apostel bezeichnet ihr Streben als ein Leben in der Welt. „Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt“ (Kol. 2, 20). Ihr Streben stand mit den Bemühungen des Apostels in unmittelbarem Widerspruch, indem er die Gläubigen vollkommen in Christo darzustellen suchte. Und wie ernst er diese Sache nahm, ersehen wir aus den Worten: „Denn ich will, dass ihr wisset, welch großen Kampf ich um euch habe“ (Kol. 1, 28. 29; 2, 1).

Die Absicht des Feindes ging von jeher dahin, die Christen vom Pfade des Glaubens ab- und in die Welt zurückzuführen. Beherzigen wir daher die ernsten Worte des Apostels Judas: ,,Geliebte, indem ich allen Fleiß anwandte, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben, war ich genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen“ (V. 3). Und in Übereinstimmung hiermit bezeugt Paulus: „Was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes“. Wie treu und entschieden er diesen Weg verfolgt hat, bezeugt er am Ende seines Lebens: „Ich habe den guten Kampf gekämpft; ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit“ (2. Tim. 4, 7).

Die Natur des Glaubens, durch welchen der Apostel lebte, erklärt er uns in den hinzugefügten Worten: „Durch den an den Sohn Gottes“. Wenn schon der Glaube an und für sich uns außerhalb aller natürlichen und weltlichen Beziehungen stellt, so lenkt der Glaube an den Sohn Gottes unsern Blick auf das, was Christus als Sohn in Seinen höchsten und ewigen Beziehungen zu dem Vater ist. Nicht was Er in Seinem Verhältnis zur Kirche ist, so unendlich kostbar dies auch sein mag, noch was Er in Seinem Verhältnis zu Israel, Seinem irdischen Volke, oder zu den Nationen ist, die Ihm alle unterworfen sein und Ihm ihre Huldigungen darbringen werden. Es handelt sich um das, was Er von Ewigkeit her war und ist als Sohn Gottes. Wer vermöchte diese Herrlichkeit zu ergründen! „Niemand erkennt den Sohn, als nur der Vater“ (Matth. 11, 27). 

Wenn schon die Herrlichkeiten der Schöpfung, des Reiches und der Kirche so unendlich groß sind, wie groß muss dann die Herrlichkeit Dessen sein, durch den und um deswillen alle jene Herrlichkeiten sind! Johannes drückt die persönliche Größe und Herrlichkeit des Sohnes aus durch die Worte: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ward durch dasselbe, und ohne dasselbe ward auch nicht eines, das geworden ist“ (Joh. 1, 1 - 3). Es handelt sich um eine Herrlichkeit, die Er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war; und diese Herrlichkeit ist ebenso unergründlich wie die Liebe, mit welcher der Vater den Sohn liebt, die Liebe, die der Sohn selbst andeutet, wenn Er sagt: ,,Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh. 17, 24) Die Ihm vom Vater gegebene Herrlichkeit wird hier als Beweis der Liebe des Vaters zu Ihm dargestellt. Auch die Kirche ist Ihm zu diesem Zwecke vom Vater gegeben; und ebenso wird das Reich mit seinen himmlischen und irdischen Herrlichkeiten als das Reich des Sohnes Seiner Liebe bezeichnet (Kol. 1, 13). 

Himmel und Erde, das ganze Weltall mit all seinen Herrlichkeiten, sind zunächst und vor allem deshalb ins Dasein gerufen worden, um die Liebe des Vaters zum Sohne ans Licht zu stellen, um zu zeigen, was dieser von Ewigkeit her für Sein Herz war als Sohn in Seinem Schoße. „Als Er die Grundfesten der Erde feststellte, da war ich Schoßkind bei Ihm, und war Tag für Tag Seine Wonne.“ (Sprüche 8, 29. 30.) Alle Dinge, „die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten“ (Kol. 1, 16), haben Ihm gegenüber nur einen untergeordneten Platz.

Hat die Welt dem eben genannten Zwecke entsprochen? Hat sie in Übereinstimmung mit der Liebe des Vaters die — Herrlichkeit des Sohnes anerkannt, und Ihm in ehrfurchtsvoller Unterwürfigkeit die Ihm gebührende Huldigung dar gebracht? Das Kreuz ist die Antwort auf diese Frage. Mit gewaltiger, nie verhallender Stimme bezeugt es den Zustand der gegenwärtigen Welt: sie hasst Den, welchen der Vater so unaussprechlich liebt. Das Kreuz ist der unumstößliche Beweis, dass diese Welt mit allem, was in ihr ist, in .schroffstem Gegensatz zum Vater steht. Deshalb die Ermahnung: „Liebet nicht die Welt, noch was-in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm“ (1.Joh. 2, 15.) Es ist ebenso unmöglich, den Glauben an den Sohn Gottes mit einer weltlichen Gesinnung zu verbinden, wie sich Licht mit Finsternis vereinigen lässt.

Dieser Gegensatz zwischen dem Vater und der Welt wird noch mehr verschärft durch den vom Himmel herniedergesandten Heiligen Geist, welcher bezeugt, dass der Vater Seinen von der Welt verworfenen Sohn zu Seiner Rechten erhöht und Ihm die Herrlichkeit gegeben hat, die Er bei Ihm hatte, ehe die Welt war. Und in Übereinstimmung damit stellt sich der Glaube auf die Seite Gottes, indem er sich entschieden von der Welt trennt und seinen Blick auf die Herrlichkeit richtet. Diese Absonderung kennzeichnet den Pfad des Glaubens, und entspricht der Gegenwart des Heiligen Geistes hienieden; denn Er kann unmöglich einen Wandel nach weltlichen Grundsätzen durch Seine Gegenwart bestätigen. Er ist der Geist. der Wahrheit, der gekommen ist, die Welt zu überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht; gekommen, um Christum zu verherrIichen (Joh. 16, 8. 14). Er besteht aus einer entschiedenen Absonderung von der Welt seitens der Christen, wenn diese anders aus Seiner Gegenwart Nutzen ziehen und deren segensreiche Wirkungen an ihren eignen Herzen erfahren wollen. Er besteht darauf, dass sich im Wandel der Christen derselbe Gegensatz zeige, wie er zwischen dem Vater und der Welt besteht.

Im Einklang damit stehen auch die Worte des Herrn: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin. Heilige sie durch die Wahrheit: dein Wort ist Wahrheit. Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt; und ich heilige mich selbst für sie, aus dass auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit« Die neue Stellung, welche Christus nach Seiner Verwerfung in der Herrlichkeit eingenommen hat, bezeichnet das Maß unsrer Heiligkeit und unsrer Absonderung von der Welt. Er hat sich für uns geheiligt, indem Er dorthin gegangen ist. Wie Er für uns am Kreuze starb, und wir dort nach unserm alten Zustande in Ihm gerichtet worden sind, so sind wir jetzt nach unsrer neuen Stellung droben in Ihm verherrlicht; haben in Ihm dort in der Gegenwart Gottes unsern Platz, während zugleich der Heilige Geist in uns hienieden Wohnung gemacht hat. Unsre Absonderung von der Welt ist denn in Ihm zur vollendeten Tatsache geworden, wir sind Geheiligte durch Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist in der Person des zur Rechten Gottes verherrlichten Menschen, der höher als die Himmel geworden ist, hervorgestrahlt. Die im Glauben erfasste und verwirklichte Erkenntnis dieser Wahrheit trennt uns von der Welt und heiligt unsre Gedanken, Gefühle und unsern ganzen Wandel, entsprechend dem Bilde, welches die Wahrheit uns vor Augen stellt; und obgleich noch in der Welt, sind wir nicht von der Welt, sondern Fremdlinge in ihr, wie Er es war.

Das Kreuz Christi, die Herrlichkeit Christi Und die Gegenwart des Heiligen Geistes hienieden bezeichnen also den Pfad des Christen, das Leben durch Glauben, als einen Pfad unbedingter Heiligkeit. Das Kreuz ist der Ausgangspunkt dieses Pfades, und der gegenwärtige Platz Christi in der Herrlichkeit ist das Ziel desselben· Dieses Ziel im Auge haben und in Dingen leben, die unvereinbar mit demselben sind, ist unmöglich. Johannes schreibt an seine geliebten Kinder: »Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass, wenn es offenbar werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Und jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist (1. Joh. 3, 2. 3.) Könnten gesetzliche Vorschriften oder menschliche Satzungen diese Reinigung bewirken? Haben nicht gerade die Elemente der Welt —- und dazu gehören die menschlichen Überlieferungen und Einrichtungen ebenso wohl, wie die Sünden und Gottlosigkeiten der Welt — den Tod Christi herbeigeführt? Darum kann nur das Kreuz der Ausgangspunkt des Pfades des Christen sein. Nur dieser entspricht der Liebe des Vaters zum Sohne, ist würdig des Sohnes Gottes, und steht im Einklang mit dem Heiligen Geiste. Denn wer seinen Pfad wirklich beim Kreuze beginnt, hat geendigt mit dem eignen ,,Ich« und dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf, wie der Apostel sagt: „Ich bin mit Christo gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“. Und wiederum: »Von mir aber sei es ferne, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal. 2, 20; 6, 14).

Gott gebe uns, geliebter Leser, dass wir die Sprache des Kreuzes besser verstehen lernen, damit sie auch auf unsre Herzen den tiefen, unauslöschlichen Eindruck mache, wie einst auf den Apostel! Er hatte verstanden, wer dort für ihn gestorben war, um seine Erlösung und Befreiung zu bewirken: der Sohn Gottes selbst! Diese Tatsache verlieh dem Kreuze in seinen Augen jene göttliche Kraft, welche sein ganzes Leben beherrschte. „Was ich aber jetzt lebe im Fleische, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat« Möchte diese herzgewinnende und heiligende Macht der Liebe, in welcher der Sohn Gottes sich für uns bis zum Kreuze erniedrigte, damit wir Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen könnten, unser ganzes Leben beherrschen! Denn dann wird diese Welt für uns dasselbe sein, was sie für Ihn war; Sein Pfad und Seine Erfahrungen hienieden werden die unsrigen sein, und wir werden willig Seine Schmach tragen. Denn vor uns liegt die Herrlichkeit, die unaussprechliche Freude, bei Ihm zu sein auf immerdar. Wahrlich, es ist der Mühe wert, mit Ausharren den vor uns liegenden Wettlauf zu laufen, ,“hinschauend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher, der Schande nicht achtend, für die vor Ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten Gottes“ (Hebr. 12, 2).

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