Hebräer 2,9 Wir sehen aber Jesum BdH 1898

01/28/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Wir sehen Jesum

Bibelstelle: Hebräer 2. 9

Botschafter des Heils in Christo 1898, S. 328ff

Die Bemühung des Heiligen Geistes geht zu aller Zeit dahin, unsere Blicke auf Jesum zu richten, uns Seine Person vor Auge und Herz zu malen. Und in der Tat, in dieser gesegneten Person, in Ihm, der von Ewigkeit her im Schoße des Vaters war, durch den und für den alle Dinge gemacht sind, und der einst in Demut und Niedrigkeit hienieden wandelte, besitzen wir alles. Durch den Glauben an Ihn haben wir das ewige Leben. 

Die Sünden sind uns vergeben um .Seines Namens willen; (1..Joh. 2, 12). Durch Ihn kennen wir den Vater, und in Seinem Namen- nahen wir dem Vater. Mit allen unseren Bedürfnissen und. werden erhört (Joh.1.6, 23). Zu dem Namen Jesu hin versammeln wir uns Und werden gesegnet; ja, Jesus. selbst ist dann in unserer Mitte und offenbart .sich dem Glauben in der ganzen Fülle Seiner Person (Matth. 18, 20.) Der Name Jesu gibt uns Trost und Kraft auf dem Wege, und Jesum erwarten wir als Heiland aus den Himmeln, um unseren Leib der Niedrigkeit- umzugestalten und uns selbst einzuführen ins Vaterhaus droben.“ Ist es deshalb ein Wunder, wenn der Heilige Geist immer und immer wieder unseren Blick auf Ihn hinlenkt, in welchem die Fülle. der Gottheit leibhaftig wohnt, und der uns doch so innig nahe gekommen ist? 

Nein, es wäre ein Wunder, wenn Er es nicht täte, und es ist in der Tat ein Wunder, dass wir nicht allezeit mit herzlicher Freude und anbetender Bewunderung Jesum anschauen. Lasst uns denn in dem Nachstehenden einige Stellen betrachten, in welchen der Heilige Geist uns den „Ausgezeichneten vor Zehntausenden“ vor die Seele stellt, und möchten unsere Herzen warm dabei werden! „In Hebräer 2, 9 lesen wir zunächst: „Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war“. 

So haben wir Ihn kennen gelernt, als wir durch, die Gnade Gottes .ins Licht gestellt wurden und unseren traurigen Zustand erkannten; als wir von unserer Schuld und Verdammungswürdigkeit überführt wurden, und keine Möglichkeit mehr sahen, dem gerechten Gericht Gottes zu entrinnen. Da lenkte der Heilige Geist, durch das Wort, unseren Blick nach Golgatha, und wir sahen Jesum, sterbend am Kreuze für unsere Sünden; wir sahen den Herrn der Herrlichkeit, unter

die Engel erniedrigt, im Gericht an unserer Statt. Wir hörten die wunderbare Botschaft: „Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm“ (2. Kor. 5, 21).

Welch eine Freude erfüllt das Herz, wenn es im Glauben Jesum am Kreuze erblickt, wie Er in Seiner großen Heilandsliebe alle unsere Sünden trug! O welche Tiefen und Höhen göttlicher Liebe, und zugleich welche Tiefen und Höhen des Leidens tun sich vor uns auf, wenn Golgatha, die Schädelstätte, vor unser Geistesauge tritt! Wer vermag die Tragweite, die furchtbare und doch andererseits so selige Bedeutung des Wortes zu fassen: „für uns zur Sünde gemacht«? Gott allein kann sie völlig ergründen. Unser Teil aber ist es,. mit Bewunderung und Anbetung niederzusinken und Den zu preisen, der uns so unaussprechlich geliebt hat.

„Wir sehen aber Jesum.“ Ja, Gott sei Dank! wir sehen den Jesus, welcher uns so teuer erkauft und um unsertwillen die Bitterkeit des Todes geschmeckt hat, jetzt droben. Sein Werk ist für ewig vollbracht, und der Glaube an Ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen, gibt uns Ruhe und Frieden. S330

Durch denselben Tod, welcher für uns das Leben bedeutete, sind wir. aber auch von der Welt und ihren Dingen abgesondert worden für Gott. Die Welt ist uns gekreuzigt, und wir sind der Welt gekreuzigt. Zugleich ist die Welt für uns eine Wüste geworden, in welcher es keine Erquickung und keine Ruhe für uns gibt. Unsere Heimat ist von dem Augenblick an, da wir Jesum kennen gelernt haben, droben, wo Jesus ist. Deshalb werden wir im Kolosserbrief ermuntert, zu suchen „was droben ist“, und hier im Hebräerbries richtet der Heilige Geist den Blick des Gläubigen ebenfalls noch oben. 

In Kapitel 3, 1 heißt es: „Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesum“. Als Apostel ist Jesus aus dem Himmel herniedergekommen, um uns die Gnadenratschlüsse Gottes mitzuteilen; als Hoherpriester ist Er in den Himmel zurückgekehrt, um uns allezeit vor Gott zu vertreten, während wir hienieden noch in Schwachheit sind und durch allerlei Schwierigkeiten und Leiden, durch Prüfungen und Versuchungen gehen. Die Welt ist für den Gläubigen ein Tränental.

 Ein jeder hat seinen besonderen Leidensweg zu gehen, so wie es die erziehende Liebe des Vaters für gut befindet. Alle diese Leiden werden von uns gefühlt (Hebr. 12, 5 —11; 1. Petr. 1, 6. 7) und sind geeignet, uns mutlos zu machen. Aber auch in dieser Beziehung kommt uns der Heilige Geist zu Hilfe, indem Er uns an Jesum, unseren großen Hohenpriester droben, erinnert. Er sucht unseren Blick von all den Umständen aus dem Wüstenpfade hinweg und auf Jesum hinzulenken. Er zeigt uns Ihn als Den, welcher mit unseren Schwachheiten Mitleid zu haben vermag, indem auch Er, als Er in dieser Welt war, in allem versucht wurde in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. Und nachdem Er Ihn uns so gezeigt hat, ermuntert Er uns, mit aller Freimütigkeit hinzuzutreten zum Throne der Gnade, um dort Barmherzigkeit zu empfangen und Gnade zu finden zur rechtzeitigen Hilfe. (Hebr. 4, 14 — 16).

So sehen wir denn wiederum Jesum droben, und zwar als unseren barmherzigen und mitleidigen Hohenpriester bei Gott, in der ganzen Kostbarkeit und dem Werte Seiner herrlichen Person. Allezeit mit den Seinigen und für sie beschäftigt, trägt Er jeden Einzelnen aus Seinem liebenden Herzen und nimmt den innigsten Anteil an allen unseren Leiden und Beschwerden. Tag und Nacht betet Er für uns; keiner von uns ist von Ihm vergessen. Mit derselben Liebe, womit Er sich einst am Kreuze für uns dahingab, liebt Er uns jetzt bis ans Ende. Anbetungswürdiger Herr! Wie herrlich ist es, Ihn so zu kennen und zu betrachten! Ja, wie gesegnet für jeden Gläubigen, aufwärts schauen zu dürfen und zu wissen; dass es droben Einen gibt, der allezeit in Liebe für ihn tätig ist und seiner gedenkt auf Schritt und Tritt; der die Tränen der Seinen zählt und alle ihre Seufzer hört; der Herr, von welchem es heißt, dass Er voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist (Jak. 5, 11).

Alle Namen Seiner Frommen

trägt Er jetzt auf Seiner Brust:

Alle, die zu Ihm gekommen,

pfleget Er mit Lieb’ und Lust.

Im 12. Kapitel des Hebräerbriefes richtet der Heilige Geist wiederum unseren Blick auf Jesum, und zwar hier als Den, der den ganzen Glaubenspfad hienieden, als der Anfänger und Vollender des Glaubens, gegangen ist. Was fand unser geliebter Herr in dieser Welt? Feindschaft und Verwerfung von Seiten der Menschen, Widerspruch von den Sündern, Spott und Hohn, Schmach und Schande. Das war Sein Teil hienieden. Aber Er harrte aus.

 Sein Flehen war: „Bewahre mich, Gott, denn ich traue auf dich“ (Ps. 16, 1)! Vor Seinen Augen lag die Herrlichkeit. Aber um dieselbe mit uns besitzen zu können, musste Er Seinen Weg über Golgatha nehmen. Nur vom Kreuze aus konnte Er als der Anführer unseres Heils zum Throne gehen. Und ewig sei Sein Name gepriesen! Um der vor Ihm liegenden Freude willen hat Er das Kreuz erduldet und der Schande nicht geachtet, und sitzt jetzt zur Rechten der Majestät auf dem Throne Gottes.

Auch wir sind auf denselben Weg gestellt. Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen, und die Herrlichkeit liegt vor uns. Feindschaft und Hass von Seiten der Welt ist auch unser Teil, wenn wir anders treue Jünger Jesu sein wollen; wir haben hier nichts anderes zu erwarten. Der Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch der Gesandte größer als der ihn gesandt hat. „Wenn sie mich verfolgt haben“, sagt der Herr, »so werden sie auch euch verfolgen«. (Joh. 15, 20.) Aber dann fügt Er auch hinzu: „Dieses alles werden sie euch tun um meines Namens willen, weil sie Den nicht kennen, der mich gesandt hat“ (V. 21). 

Wie köstlich und tröstlich ist es für uns, auf einen Weg gestellt zu sein, auf welchem der Herr uns vorangegangen ist, und so auch in dieser Beziehung auf Ihn blicken zu können! Er hat in vollstem Maße die Feindschaft der Welt erfahren. Die im Tore sitzen redeten über Ihn, und Er war das Saitenspiel der Zecher (Ps. 69, 12). Als Er in diese Welt kam, hatte man keinen Raum für Ihn, und als Er aus dieser Welt ging, schlug man Ihn ans Kreuz. Ja, das war das Teil des Vielgeliebten Gottes. Sollten wir etwas anderes hier erwarten? 

Oder könnten wir von einer solchen Welt Ehre und Anerkennung suchen? Wahrlich nicht! Wir sind mit Jesu verworfen, und berufen, außerhalb des Lagers Seine Schmach zu tragen. Wir sind nicht von dieser Welt, gleichwie Er nicht von dieser Welt war (Joh. 17). Und so wie Jesus, von den Menschen verworfen, im Glauben aus-harrte bis ans Ende und, in vollkommenem Gehorsam, mochte es kosten was es wollte, Gott hienieden verherrlichte, so ist es auch unser gesegnetes Teil, hinschauend auf Jesum den

vor uns liegenden Wettlauf mit Ausharren zu laufen. „Denn betrachtet Den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, auf dass ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“.

Doch wir müssen noch einmal auf die aus Hebr. 2 angeführte Stelle zurückkommen. Der Geist Gottes zeigt uns Jesum dort in der Herrlichkeit. „Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ Derselbe Herr, für den der Mensch nur das Kreuz hatte, ist von Gott erhöht worden zu Seiner Rechten. Weil Er gehorsam ward bis zum Tode am Kreuze, hat „Gott Ihn hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist, auf dass in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“ (Phil. 2, 8 -11). 

Nachdem der Herr Jesus hienieden Gott verherrlicht hat, hat Gott Ihn, den Menschen Christus Jesus, droben verherrlicht. „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße“, lesen wir in Hebr. 1, 13. Als der erste verherrlichte Mensch im Himmel, hat Jesus so für die Seinen den Himmel geöffnet und ihnen eine Stätte im Vaterhause bereitet. Deshalb richtet der Heilige Geist das Auge des Glaubens dorthin, wo Jesus jetzt schon mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist und wo auch unser Lauf über kurz oder lang enden wird.

Ja, mein lieber gläubiger Leser, bald wird die Wüste mit allen ihren Prüfungen, Leiden und Kämpfen für immer hinter uns liegen. Dann wird Gott jede Träne abwischen von unseren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Pein wird mehr sein. Doch das Herrlichste von allem ist, dass wir Jesum, unseren geliebten Herrn, „von Angesicht zu Angesicht“ schauen werden, nicht länger nur durch Glauben, sondern so wie Er ist (1. Johannes 3, 2). Welch eine Hoffnung! Wir werden Den sehen, der einst unsere Sünden trug und uns rein gewaschen hat in Seinem Blute; Ihn, „das Lamm inmitten des Thrones“, und wir werden das neue Lied singen:

 „Du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Geschlecht und Sprache und Volk und Nation, und hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen“ (Offbg. 5, 9. 10). Wir werden Ihn sehen, den Sanftmütigen und von Herzen Demütigen den Mann der Schmerzen, den treuen Diener Gottes, den guten Hirten, unseren barmherzigen Hohenpriester, der uns aus dem ganzen Wege durch die Wüste in solch wunderbarer Gnade geleitet und mit so großer Geduld und Langmut getragen hat· O welche Herrlichkeiten werden wir in Ihm erblicken! Die Königin von Scheba rief einst beim Anblick der Herrlichkeiten Salomos aus:

 „Nicht die Hälfte ist mir berichtet worden von der Größe deiner Weisheit“ (2. Chr. 9, 6). Wie wird es uns ergehen, Geliebte, beim Anblick unseres Salomo! O wie lässt der Gedanke an Seine baldige Ankunft das Herz höher schlagen! Bald, ja bald werden wir Ihn verherrlicht sehen zu unserer ewigen Freude und Wonne. In Offenbg.22,17 hören wir den Geist und die Braut rufen: „Komm!“ Die Antwort des geliebten Herrn lautet: „Ja, ich komme bald! -—- „Amen", entgegnet die Braut, „komm, Herr Jesu!“

Möge das auch die Antwort unserer Herzen sein! Es wird so sein, wenn der Jesus, welcher der Mittelpunkt und Gegenstand aller Ratschlüsse Gottes ist, sowie die Grundlage aller unserer Freuden und Segnungen, hier schon in Schwachheit und bald droben in Vollkommenheit — wenn dieser Jesus den ganzen Gesichtskreis unserer Seele ausfüllt, wenn wir Ihn betrachten und, geleitet durch den Heiligen Geist, eifrig Sein liebliches Bild studieren. Was war es, das einst Rebekkas ganzes Herz hinnahm und sie befähigte, nicht nur Heimat und Verwandte zu verlassen, sondern auch eine weite Reise durch eine unbekannte Wüste anzutreten? Was war es, das sie auf dieser Reise aufrecht hielt und ermunterte? 

Es war Isaak, der Sohn der Verheißung, der Erbe des Vaters, der »aus den Toten Auferstandene. Der Gedanke an ihn belebte ihr Herz und ließ sie die Annehmlichkeiten der alten Heimat und alle Mühseligkeiten der Reise für nichts achten. Gerade so ist es mit dem Christen. Nimm ihm seinen Isaak, nimm ihm Jesum, und er ist der Beklagenswerteste unter allen Menschen! Aber mit Jesu ist er stark, glücklich, getrost, ja, mehr als ein Überwinder. Inmitten von Trübsal und Banden kann er sagen: „Ich wollte zu Gott, dass über kurz oder lang. . . alle solche würden, wie auch ich bin!“ oder: „Ich freue mich und freue mich mit euch allen. Gleicherweise aber freuet auch ihr euch und freuet euch mit mir“ (Vergl. Apstgsch. 26, 29; Phil. 2, 17, 18).