Jakobus Brief Betrachtungen über den Brief des Jakobus, John Nelson Darby

03/07/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Betrachtungen über den Brief des Jakobus

John Nelson Darby

Einleitung

 

Im Briefe des Jakobus ist nicht die Lehre von der Gnade ent­faltet, obwohl die freie, göttliche Gnade darin deutlich aner­kannt wird (Kap 1, 18). Wir finden in dem Brief die Form des Werkes Gottes in uns, nicht Seines Werkes für uns, der Erlösung durch das kostbare Blut Christi. Es ist ein praktischer Brief, der heilige Gurt unserer Lenden; er will, daß das praktische, äußere Leben des Christen seinem göttlichen, inneren Leben entspreche, und daß der Wille Gottes ein Gesetz du Frei­heit für ihn sei. In dein Brief wird weder von der Erlösung, noch von dem Glauben als dem Mittel zur Teilnahme an der Frucht dieser vollbrachten Erlösung gesprochen.. Viele bekannten sich schon zu dem Namen Christi, und deshalb drang Jakobus darauf, daß die Wahrhaftigkeit dieses Bekenntnisses sich durch die Werke zeige, weil diese für andere der einzige Beweis der Wirksamkeit des wahren Glaubens im Herzen sind; denn der Glaube wirkt durch die Liebe (Gal 5, 6), d. h. in der neuen Schöpfung" (Gal 6, 15). Diese neue Schöpfung, und ihr Cha­rakter, sowie die Art und Weise ihrer Kundgebung in dem, gegenwärtigen und sichtbaren Leben vor den Augen der Menschen ist es nun, was Jakobus in seinem Briefe verstellt.

 

Jakobus blieb in Jerusalem, um die dortige Herde zu weiden, und zwar ganz besonders den jüdischen Teil der Kirche. Wir finden ihn öfters in der Geschichte des Evangeliums, und zwar als Leiter der jüdischen Herde, bevor sie von der Nation ge­trennt war. In dem Brief an die Hebräer befiehlt der Geist Gottes den Christen, auszugehen außerhalb des Lagers, d. h. sich von den ungläubigen Juden zu trennen (Hebr 13, 10‑‑13). Aber zu der Zeit, als Jakobus seinen Brief schrieb, waren sie noch nicht getrennt; die Christen brachten Opfer dar nach dem Gesetz. Es gab sogar eine große Menge Priester, die dem Glauben gehorsam waren (Apg 6, 7>. Es mag uns schwer sein, dies zu glauben, aber, es ist in der Schrift klar bewiesen, auch waren sie alle Eiferer für das Gesetz.

 

Verfolgen wir einen Augenblick die Fußstapfen des Jakobus, wie sie uns in der Apostelgeschichte aufgezeichnet sind. Freilich hören wir zum ersten Mal im Brief an die Galater von ihm (Kap. 1, 19), wo um gerade in bezug auf ihn gesagt wird, daß Paulus ihn gesehen habe, zu einer Zeit da Paulus noch mit keinem anderen Apostel zusammengetroffen war, es sei denn mit Petrus. Hernach finden wir ihn in Apg 15, wo er in der Zusammenkunft der Apostel und Ältesten, um zu entscheiden ob die Nationen dem Gesetz Moses unterworfen sein sollten, den Vorsitz hatte wenn man so sagen darf' Sein Ausspruch war endgültig" obwohl Petrus und Paulus, und auch alle übrigen Apostel, mit Ausnahme des Jakobus, des Bruders des Johannes, den Herodes getötet hatte, anwesend waren. Wie dem nun auch sei, jedenfalls waren die durch die Apostel und Älte­sten geschehenen Aussprüche ein Zeugnis der jüdischen Ver­sammlung. Gott erlaubte nicht daß die Frage in Antiochien durch Paulus und Barnabas entschieden wurde. 

Das würde die Streitfrage nicht gelöst sondern vielmehr zwei Versammlungen hervorgerufen haben. Sobald aber die Christen aus den Juden und die Versammlung in Jerusalem die Nationen vom Gesetz freiließen, konnte sich niemand ihrer Freisprechung widersetzen. Es war also nicht ein Punkt, den die Apostel durch ihre apostolische Autorität entschie­den, obwohl diese Entscheidung durch jene bestätigt worden ist. Anfänglich wer viel Wortwechsel in der Zusammenkunft, dann aber kamen die Apostel, die Ältesten und die ganze Ver­sammlung zu einem einstimmigen Beschluß. Das Judentum sprach die Nationen vom jüdischen Joch frei, und es war Jako­bus, der die Beratung zu Ende brachte, indem er sagte: "Des­halb urteile ich, daß man diejenigen, die sich von den Nationen zu Gott bekehren, nicht beunruhige" (Apg 15, 19). Es ist nicht gewiß, ob er ein Apostel war; vermutlich war er es nicht. Er war das Haupt der Versammlung in Jerusalem. 

Deshalb sagt Petrus, nachdem ihn der Engel des Herrn aus dem Gefängnis geführt und befreit hatte, zu denen, die versammelt waren, um für ihn zu beten: Verkündet dies Jakobus und den Brüdern" (Apg 12, 17). Und in Gal 2, 12 sagt Paulus über das Verhalten des Petrus in Antiochien: „Bevor etliche von, Jakobus kamen, hatte er mit denen aus den Nationen gegessen, als sie aber kamen, zog er sich zurück". Man sieht wie sehr Jakobus in den Gedanken der Christen, sogar des Petrus, wiewohl dieser ein, Apostel war, verbunden ist mit den jüdischen Ideen, welche die Herzen der Christen aus den Juden, besonders derer in Jerusalem, be­herrschten. Ferner lesen wir in Apg 21, 18, als Paulus zum letzten Mal nach Jerusalem hinaufging: "Des folgenden Tages aber ging Paulus n* uns zu Jakobus, und alle Ältesten kamen dahin". Er war augenscheinlich das Haupt der Versammlung zu Jerusalem und vertrat in seiner Person die Kraft des jüdischen Grundsatzes, der die Versammlung zu Jerusalem noch beherrschte, und den Gott in Seiner Langmut noch ertrug. Sie glaubten an Jesum, sie "brachen das Brot zu Hause", aber sie waren alle Eiferer für das Gesetz. Im Tempel brachten sie Opfer dar und überredeten auch Paulus, dies zu tun (Apg 21). Sie waren gar nicht von der Nation getrennt. Obwohl dieses alles im Brief an die Hebräer verworfen wurde, hatte es doch seinen Fortgang bis zu den letzten Tagen des Judentums.

 

Im Brief des Jakobus finden wir jenen Grundsatz wieder. Er gibt uns ein treues Bild von dem Zustand der Juden‑Christen, indem Jakobus selbst in seiner Person der Stellvertreter und die Verkörperung dieses Systems war. So lange Gott es duldete, konnte Sein Geist darin wirken. Wir lesen in der Weltge­schichte, daß Jakobus von den Juden, unter denen er den Namen "der Gerechte" trug, getötet worden ist, und der jüdische Geschichtsschreiber Josephus sagt, daß dieses Verbrechens wegen Jerusalem zerstört worden sei. Nach diesem Ereignis ver. schwand jenes System; doch wir dürfen wohl annehmen, daß die wahren Christen die Ermahnungen des Briefes an die He­bräer befolgt haben. Wie dem auch sein mag, es blieben nur eine oder zwei kleine Sekten übrig, die dem Judentum formell anhingen und deshalb bald verschwanden. Man nannte sie Nazarener und Ebioniten. Doch haben wir uns hiermit jetzt nicht zu beschäftigen.

 

Diese Stellung des Jakobus und der Zustand der Versammlung in Jerusalem, d. h. der äußerlich mit den ungläubigen Juden verbundenen Christen, die dennoch das Brot brachen und für sich Gottesdienst hielten, erleichtert das Verständnis dieses Briefes. Seine göttliche Eingebung steht nicht in Frage, sondern es handelt sich um seinen Charakter. Die Güte Gottes hat uns alle Formen darstellen wollen, die das Christentum angenom­men hat; also neben den Anderen auch diese erste jüdische Form, zu einer Zeit da die Christen noch nicht von dem jüdi­schen Volk getrennt waren. Wir haben hier daher weder die Geheimnisse der Ratschlüsse Gottes, wie in den Schriften des Paulus, noch die Erlösung, wie wir sie sowohl in den Briefen des Paulus als auch des Petrus finden, auch nicht das göttliche Leben des Sohnes Gottes, in Ihm und dann in uns, wie dieses in den Schriften des Apostels Johannes dargestellt ist. Der Gegenstand des Briefes des Jakobus ist das praktische Leben der Armen der Herde, die noch die Synagoge, wo es eine solche gab, besuchten, sowie die Strafreden wider die ungläubigen Reichen, welche die Armen bedrückten und den Namen des Herrn lästerten.

 

Kapitel 1

 

Der Brief ist an die zwölf Stämme gerichtet. Das Volk wird noch nicht als endgültig von Gott verworfen betrachtet. Jakobus schreibt an die aus der Zerstreuung, d. h. an die überall unter den Nationen zerstreuten Israeliten. Der Glaube erkannte das ganze Volk an, wie Elias (i. Kön 18, 31) und Paulus (Apg 26, 7) es taten; er erkannte es an, bis das Gericht Gottes vollzogen war. Um Gottes Ratschlüsse, Seinen Willen, Seine Versammlung, die Herrlichkeit Christi, unsere gegenwärtige Stellung in Christo und unsere spätere mit Ihm kennenzulernen, müssen wir die Schriften des Paulus lesen. In dem vorliegenden Brief entfaltet sich die Geduld Gottes Seinem alten Volke gegenüber, obwohl Jakobus das Volk warnt: Siehe, der Richter steht vor der Tür" (Kap. 5, 9). Er unterscheidet ohne Zweifel die Gläubigen (Kap. 2, 1), wenn diese auch noch nicht von dem Volke getrennt waren; aber ihre Vorrechte finden wir nicht. Sie konnten sie nicht in Gemeinschaft mit den ungläubigen Juden genießen, wohl aber in deren Mitte den Unterschied des christlichen Lebens zeigen; und hiervon spricht Jakobus. 

Er nennt sich nicht Apostel, aber er war praktischerweise, ‑nicht als ein eingesetzter Ältester, wohl aber durch seinen persönlichen Einfluß, ‑ das Haupt der vom Judentum nicht getrennten Christen. Er ist stets mit den Christen beschäftigt, und mit dem Wandel, der ihnen inmitten des Volkes geziemt. Petrus, der an einen Teil der zerstreuten Juden schreibt, spricht nicht vom Volk; er nennt die Gläubigen das Volk und spricht von ihnen als solchen, die sich inmitten der Nationen befinden (l. Petr 2, 10. 11). 

Der Wandel wird von Jakobus mit Worten beschrieben, die selten über das hinausgehen, was sich für einen Gläubigen des alten Bundes geziemte. Man sieht, daß er an die Christen denkt, jedoch an solche, die auf der untersten Stufe jener Leiter stehen, die bis an den Himmel reicht. Da wir uns nun auf der Erde befinden, so ist dieser Brief überaus nützlich, um uns den Weg und den Geist zu zeigen, der unseren Wandel charakterisieren soll, wie groß auch unsere himmlischen Vorrechte sein mögen. Wenn das Licht für unsere Herzen droben ist, so ist eine Leuchte für unsere Füße nicht zu ver schmähen, und dies um so weniger, als wir uns inmitten eines christlichen Bekenntnisses solcher Leute befinden, die sich Gläubige nennen. Unser Brief stellt die Wahrhaftigkeit dieses Bekenntnisses auf die Probe.

 

Welcher Art nun auch die Verbindung der Gläubigen mit dein Volke sein mochte, so setzt doch der Schreiber des Briefes das Vorhandensein des Glaubens bei denen voraus, an die er sich richtet eines Glaubens, der sich möglicherweise praktisch in einem Juden vorfinden konnte, ehe dieser an Jesum glaubte, (obwohl jetzt dieser Glaube an Jesum hinzugefügt war) eines wahren Glaubens, den die Wirkung Gottes in ihren Herzen hervorgebracht hatte. Ähnlich sehen wir, wie selbst Paulus, nachdem er von der Höhe der ihm von Gott gewordenen Offenbarungen hinabgestiegen ist, den Glauben der Lois und der Eunike anerkennt und den Glauben des Timotheus dem Glauben dieser Frauen gleichstellt.

 

Betrachten wir jetzt den Brief selbst. Schon im Anfang finden wir die "Versuchungen zur Bewährung des Glaubens", die Züchtigung Gottes zu Nutzen der Gläubigen (V. 2. 3. 12). Ihre Stellung ist, wie gesagt, mit dem Volke verbunden; und der Zustand, den der Schreiber vor Augen hat, ist das Bekenntnis des Glaubens und die Erkenntnis des Herrn Jesu Christi. Er warnt die Gläubigen vor dem Geiste, in welchem jene, mit denen sie verbunden waren, wandelten, und diese straft er. Die Juden-Christen befanden sich in einer Prüfung, sie wurden verfolgt. Das finden wir auch in dem Brief des Petrus, der die Gläubigen ermuntert, mit Geduld zu leiden. Jakobus ermahnt sie, wie es auch Paulus in Römer 5 tut, die Versuchungen für lauter Freude zu achten, und er gibt hierfür denselben Grund an wie dieser. Die Bewährung des Glaubens bewirkt Ausharren: der Wille des Menschen wird gebrochen; er muß warten, bis Gott wirkt; er fühlt, daß er von Gott abhängig ist und auf einem Schauplatz lebt, wo Gott allein das vollbringen kann, war, wir begehren, nämlich die Macht Satans zu besiegen und zurückzuhalten. Wir wünschen oft, und zwar in guter Meinung, daß das Werk schneller vorangehe, daß die Schwierigkeiten verschwinden, und wir von der Verfolgung befreit werden, doch der Wille Gottes ist gut und weise, und er ist nicht der unsrige. 

Die Werke, die auf Erden geschehen, tut Er. Das Aus. harren ist die vollkommene Frucht des Gehorsams. So lesen wir auch in Kol 1, 11: "Gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit", (welche großen Werke muß eine solche Kraft hervorbringen!) "zu allem Ausharren und aller Langmut mit Freuden". Es bedarf aller Kraft nach der Macht Seiner Herrlichkeit, um alles ohne Murren, ja mit Freuden zu ertragen, weil es aus der Hand Gottes kommt. Sein Wille und nicht der unsrige stärkt unser Herz. Wenn Paulus in 2. Kor 12, 12 die Zeichen eines Apostels aufzählt, so nennt er zuerst das Ausharren. (Das Wort Ausharren bedeutet in beiden Stel­len: das übel mit Ausharren ertragen). In Röm 5 zeigt uns Paulus den gesegneten Erfolg dieses Ausharrens in den Versuchungen: "Wir rühmen uns in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, daß die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung; die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist" (Röm 5, 2‑5).

 

Wenn die Liebe Gottes gekannt und der eigene Wille gebrochen ist, so ist Vertrauen auf Gott vorhanden; wir wissen, daß alles von Ihm kommt, und daß Er alles zu unserem größten Segen mitwirken läßt. So bewirkt denn die Bewährung des Glaubens Ausharren; das Ausharren aber muß ein vollkommenes Werk haben, sonst wacht der Wille wieder auf und das Vertrauen auf uns selbst statt daß wir ‑uns auf Gott stützen. Man handelt ohne Gott und fragt nicht nach Sein Willen ­man wartet nicht auf Ihn, oder wenigstens zeigen sich die Ungeduld und das Fleisch in uns. Hiob unterwarf sich lange Zeit aber sein Ausharren hatte nicht ein vollkommenes Werk. Saul wartete lange auf Samuel, aber er verhielt sich nicht ruhig bis dieser kam, und infolgedessen verlor er das Reich. 

Er war­tete nicht auf den Herrn in dem Bewußtsein, daß er ohne Gott und mit seinem eigenen Willen nichts zu tun vermöchte. Sein Ausharren hatte nicht ein vollkommenes Werk. Die Trübsal ist die Bewährung des Ausharrens; sie ist das Werk Gottes, der durch Seine Gnade äußerlich für uns und in uns wirkt; und ist dieses Werk vollbracht, sind wir Gott vollkommen unterwor­fen, so daß Sein Wille unser einziger Wunsch ist, darin sind wir vollkommen und vollendet und haben in nichts Mangel. Nicht als hätten wir hinsichtlich der Erkenntnis Seines Willens nichts mehr zu lernen, Vers 5 beweist das Gegenteil, wohl aber ist der Zugland der Seele bezüglich des Willens und unserer Verbindungen mit Gott vollkommen; Er kann uns Seinen Willen offenbaren, und das ist das einzige, was wir wünschen (Siehe 1. Petr 1, 6. 7).

 

Bei dem Herrn hatte das Ausharren sein vollkommenes Werk. Das Elend, durch das Er in dieser Welt ging, empfand Er tief, weit tiefer als wir. Er konnte über Jerusalem weinen (Lk 19, 41) wie auch beim Anblick der Macht des Todes auf die Herzen der Menschen (Joh 11, 33‑36); und die Verwer­fung Seiner Liebe war für Ihn eine beständige Ursache des Schmerze. Er schilt die Städte, in welchen Seine meisten Wun­derwerke geschehen waren, aber Er ist vollkommen in Seiner Geduld und sagt zu jener Zeit: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Ver­ständigen verborgen hast und hast es Unmündigen geoffenbart' (Mt 11, 25). Er dankt zu der gleichen, Zeit da Er schelten muß. Dasselbe können wir in Joh 12 sehen. In beiden Fällen ist Seine Seele dem Willen Seines Vaters vollkommen unter­worfen; sie öffnet sich mit Freuden beim Anblick von allem, was durch die Unterwürfigkeit bewirkt wurde. Christus fehlte es nie an der Weisheit Gottes; bei uns mag es wohl an Weisheit fehlen, selbst wenn unser Wille unterworfen ist und wir den Willen Gottes zu tun Wünschen. 

Daher folgt die Verheißung: "Wenn aber jemandem von euch Weisheit mangelt, so bitte er von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft" (V. 5). Wenn kein eigener Wille da ist, sondern Gehorsam und der Geist des Vertrauens in der Abhängigkeit welche auf Gott blickt c4s kennzeichnet das neue Leben. In der Welt gehen wir durch Trübsale, und dieses neue Leben entwickelt seine Eigen­schaften; wenn aber jenes Vertrauen nicht in Tätigkeit ist so empfangen wir nichts. Gott mißtrauen, heißt Ihn nicht ehren. Ein Mensch, der solches tut ist wankelmütig; er gleicht der Woge des Meeres, die vom Winde bewegt und hin und her getrieben wird. Er ist unstet weil sein Herz nicht in Gemeinschaft mit Gott ist; er lebt nicht so, daß er Gott kennen kann, und folglich ist er unstet in allen seinen Wegen. Wenn ein Gläubiger sich, in der Nähe Gottes hält, so kennt er Ihn und wird Seinen Willen verstehen; er wird keinen eigenen Willen haben noch haben wollen, und zwar nicht nur aus Gehorsam, sondern weil er mehr. Vertrauen in die Gedanken Gottes in bezug auf sich selbst setzt, als in seinen eigenen Willen. Der Glaube an die Güte Gottes gibt Mut nach Seinem Willen zu forschen und ihn zu tun. 

Wir haben in Christo Selbst ein voll­kommenes und schönes Beispiel von diesen Grundsätzen des göttlichen Lebens. Als Er von Satan versucht wurde, hatte Er keinen eigenen Willen; Er handelte nicht sondern bezeugte, daß der Mensch von jedem Worte lebt, das aus dem Munde Gottes hervorgeht. Das war unbedingter und vollkommener Gehorsam. Für Ihn war der Wille Gottes nicht nur die Regel, sondern der einzige Beweggrund Seiner Tätigkeit. Und als her. nach der Versucher Ihn aufforderte, Sich vom Tempel hinab­zustürzen, um zu sehen, ob Gott Seinen Verheißungen treu bleiben würde, wies Er Selbst diesen Versuch zurück. Er war der Treue Gottes gewiß und erwartete ruhig die Kraft Gottes, wenn sich die Gelegenheit zu ihrer Kundgebung auf dem Wege des Gehorsams darbieten würde. Dieser Glaube und dieses Vertrauen bezeugten, daß Seine Seele nahe bei Gott war und in inniger Gemeinschaft mit Ihm lebte. In einem solchen Zustande ist jede Seele der Erhörung von seiten Gottes gewiß, und das ist es, was sie innerlich durch die Schwierigkeiten und Prüfungen des jetzigen Lebens zubereitet, um sagen zu können. Glückselig der Mann, der die Versuchung erduldet!"

 

Die Verse 9-11 bilden gleichsam einen Zwischensatz. Der neue Mensch gehört der neuen Schöpfung an; er ist ihre Erstlingsfrucht, aber er befindet sich hier in einer Welt, deren Herrlichkeit wie des Grases Blume vergeht. Der niedrige Bruder ist also bis zur Gemeinschaft mit Christo, bis zur Teilnahme an Seiner Herrlichkeit erhoben. Selbst in dieser Welt wird er, so niedrig er auch sein mag, der Mitgenosse aller Brüder. "Gott hat die weltlich Armen auserwählt, reich zu sein im Glauben, und zu Erben des Reiches, welches er verheißen hat denen, die ihn lieben" (Kap. 2, 5). Die Reichen erkennen sie als Bruder an und versammeln sich mit ihnen am Tische des Herrn als Teilhaber derselben Vorrechte. 

Andererseits kann der Reiche, wenn er treu ist, nicht in der Größe, dem Stolz und der Eitelkeit einer Welt wandeln, die den Herrn verworfen hat. Er macht sich, Christus Selbst hat es sogar getan, zum Bruder des Armen oder des Niedrigen, der den Herrn liebt, und sie genießen zusammen die Gemeinschaft des Geistes und haben Teil an den köstlichen und herrlichsten Dingen des Lebens. Sie freuen sich zusammen, der Arme in Seiner Hoheit; Christus schämt Sich nicht ihn Bruder zu nennen. Und dieses Titels rühmt sich der Reiche vielmehr als aller anderen Titel, die ihm in dieser. Welt angehören. In der Welt aber wird dieser Titel mißkannt und für nichts geachtet. Doch weiß er, daß die Herrlichkeit dieser Welt vergeht wie des Grases Blume, und er freut sich, der Genosse derer zu sein, welche der Herr der Herrlichkeit als die Seinigen anerkennt. Die Welt wird vergehen, und das Wesen dieser Welt ist schon jetzt für das Herz des geistlichen Christen vergangen. 

Der, welcher für sich selbst den letzten Platz ein nimmt, wird groß sein im Reiche Gottes. Dies ist weit entfernt von dem Geiste des Neides und der Mißgunst der alles, was über ihm steht erniedrigen möchte. Es ist auch nicht Eigenliebe, sondern der Geist der Liebe, der sich erniedrigt, um mit denen zu wandeln, die klein sind, jedoch nicht klein in den Augen Gottes. Er handelt wie Christus, Der gewiß ein Recht hatte, zu herrschen und der Erste zu sein, der aber Sich Selbst erniedrigte, um unter uns wohnen zu können, und Der Sich inmitten Seiner Jünger zum Diener machte. Was uns betrifft, so ist die Herrlichkeit dieser Welt nur Eitelkeit und Lüge. Die Liebe begehrt zu dienen, die Eigenliebe dagegen, sich bedienen zu lassen.

 

Der Apostel kehrt jetzt zu dem Charakter des neuen Menschen zurück, für den das Leben hienieden eine Prüfung ist. Er ist glücklich, wenn er die Versuchungen erduldet und sie mit Ausharren erträgt. Das ist der normale Zustand des Christen (l. Petr 4, 12). Sein Pfad ist in der Wüste; hier das Aus. harren, später die Herrlichkeit das ist seine Berufung. Hier geprüft, bleibt er durch die Gnade treu und fest inmitten der Versuchungen und Prüfungen, und hernach wird er die Krone des Lebens erben, die Gott denen verheißen hat, die Ihn, lieben. Ein Leben ohne Prüfungen ist kein Leben. Immerhin aber bleibt es wahr: derjenige, der bewährt ist ist glückselig. Das Leben ist nicht hienieden, wir gehen durch die Wüste, wir sind auf dem Wege, nicht in der Ruhe; es. ist nicht das in Christo verheißene Leben.

Zur Entwicklung dieses Lebens ist es nötig, daß die Zuneigungen an die Krone und an die verheißenen Segnungen geknüpft sind. Wenn das Leben Christi in uns ist, müssen wir geübt werden, damit einerseits das Herz von den Dingen, die uns umgeben und die Aufmerksamkeit des Fleisches beständig in Anspruch nehmen, sich losmache und andererseits der Wille diesen nicht nachgebe, und damit unser Herz, indem es. den Lockungen der Eitelkeit widersteht, durch die Gnade auf dem Weg der Heiligkeit erhalten bleibe und in der Gemeinschaft n* Gott die himmlischen Dinge genieße. Die n* Ausharren erduldeten Prüfungen tragen viel zu diesem gesegneten Resultat bei. Iß ist für die Seele ein unendlicher Gewinn, wenn das Herz von der Eitelkeit befreit ist. Ist die Welt öde und dürre für das Herz, so wendet es sich leichter zu den Quellen des lebendigen Wassers.

 

Das Wort "Versuchung« hat jedoch noch einen anderen Sinn; zwar bedeutet es immer Prüfung, aber es bezieht sich auf eine andere Art von Prüfung, auf diejenige, die von innen kommt, die Lust, und das ist etwas ganz anderes. Gott kann uns äußerlich prüfen, um uns zu segnen, und Er tut es, wie Er es in bezug auf Abraham getan hat; aber in, keiner Weise kann Er die Lust hervorbringen. Wenn nicht die Sünde in Frage steht, sondern der Gehorsam und das Ausharren auf die Probe gestellt werden, dann handelt es sich um den Zustand der Seele, um sie zurechtzuweisen und weiterzuführen; sobald aber vom Wecken der Lust gesprochen wird, kann man nicht sagen, daß Gott versuche, "denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, und selbst versucht er niemanden. Ein jeder aber wird versucht wenn er von seiner eigenen Lust fortgezogen und gelockt wird" (V. 13. 14). Selbst Christus ist während Seines ganzen Lebens von Gott geprüft worden; aber nichts als Wohl­geruch hat sich verbreitet. Stets vollkommen im Gehorsam, hat Er, Der gekommen war, um den Willen Seines Vaters zu tun, gelernt was es heißt gehorsam zu sein in dieser Welt der Sünde und der Feinde Gottes. Satan hätte gewiß gewünscht daß der eigene Wille in Ihm erwache, aber vergebens. Aller­dings ist der Herr von dem Geiste in die Wüste geführt worden, um von dem Teufel versucht zu werden, um ihn für uns zu besiegen, die wir durch die Sünde unter seiner Macht standen.

 

In Ihm war keine Lust aber Er konnte hungrig sein, und Er war es. Die Stimme des Vaters hatte erklärt, daß Jesus der Sohn Gottes sei, und deshalb wollte Satan, daß Er die Stellung eines Dieners, die Er als Mensch eingenommen hatte, verlasse und Seinen eigenen Willen tue: er forderte Ihn auf, aus Steinen Brot zu machen. Er wollte sich des Hungers bedienen, der ein sündloses Bedürfnis war und sich bei Christo als Mensch vorfand. Der Herr aber verharrte in Seinem vollkommenen Gehorsam; Er hatte keinen anderen Beweggrund zum Handeln, als den Willen Seines Vaters; Er wollte von den Worten leben, die aus dem Munde Gottes ausgehen. Er wurde von Gott durch Leiden geprüft, aber keine Lust wurde in Ihm gefunden. Bei uns gibt es Versuchungen, die aus dem inneren Menschen her. vorkommen, aus der Lust. Dies ist etwas ganz anderes, als die Prüfungen, die von außen kommen, die den Zustand des Herzens erproben und den eigenen Willen ans Licht stellen, wenn wir dem Willen Gottes nicht völlig unterworfen sind, wenn andere Beweggründe als der Wille Gottes allein unsere Herzen in Tätigkeit setzen.

 

Jakobus ist immer praktisch, doch geht er nicht bis auf den Grund von allem, was im Herzen ist, wie Paulus es tut. Er betrachtet die Lust als die Quelle, welche die Tatsünde hervor. bringt. Paulus zeigt, daß die Sünde in unserer Natur die Quelle der Lust ist. Dies ist ein wichtiger Unterschied, der zugleich die Verschiedenheit der beiden Schreiber und den Zweck des Heiligen Geistes in dem Brief des Jakobus kennzeichnet. Dieser Brief stellt den äußeren und praktischen Wandel als den Beweis des Charakters des Lebens hin, das seinen Ursprung im Worte Gottes hat, das durch den Glauben wirkt. Nach Jakobus gebiert die Lust, diese erste Regung der sündlichen Natur, die ihren Charakter aufdeckt, nachdem sie empfangen hat, die Sünde; und die Sünde, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod. Das ist die Geschichte der Tätigkeit der schlechten Natur. Jakobus beschäftigt sich mit ihrer Wirkung, Paulus mit ihrer Quelle, damit wir uns selbst kennenlernen (Röm 8, 8). 

Im Gegensatz zu dieser Lust gibt uns Jakobus zu verstehen, indem er die Tätigkeit Gottes zur Hervorbringung des Guten, und nicht um uns zu versuchen, zeigt, daß "jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk von oben herabkommt, von dem Vater der Lichter, bei welchem keine Veränderung ist, noch ein Schatten von Wechsel. Nach Seinem eigenen Willen hat Er uns (die Gläubigen) durch das Wort der Wahrheit gezeugt, auf daß wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien" (V, 17. 18). Er erkennt, wie schon gesagt, die Gnade als die einzige und göttliche Quelle des Guten an, das in uns ist, in uns als solchen, die von Gott geboren sind, und zwar durch den Glauben, weil es durch das Wort der Wahrheit geschehen ist. Durch dieses Wort sind wir wiedergezeugt; es ist ein neues Leben, hervor gebracht durch den Willen Gottes. Wir gehören der neuen Schöpfung an und sind ihre Erstlingsfrucht. Welch eine unendliche Segnung! Sie hängt nicht nur von einer neuen Stellung ab, obwohl dies der Fall ist, sondern von einer neuen Natur, die uns fähig macht, Gott zu genießen.

 

Jakobus spricht nicht von der Gerechtigkeit durch die Gnade, wohl aber von einer ganz neuen Natur, die von Gott kommt. Da nun der eigene Wille gebrochen und das Vertrauen auf sich selbst zerstört ist, so ermahnt er, daß wir, als solche, die alles durch die Gnade empfangen, schneller bereit seien, zu hören als zu reden, und langsam zum Zorn, weil der Zorn nur die Ungeduld des alten Menschen ist. "Denn eines Mannes Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit" (V. 20). Der von Gott unterwiesene Mensch ist Ihm unterworfen. Er trennt sich von allen Formen des Bösen und allem Übermaß von Schlechtigkeit; er empfängt mit Sanftmut das eingepflanzte Wort. Beachtenswerter Ausspruch! Der Wille des Fleisches ist nicht wirksam in ihm, noch der eigene Wille. Er hört auf das, was Gott sagt, er empfängt mit Sanftmut Sein Wort und unterwirft sich ihm; dann pflanzt Gott dieses Wort in sein Herz. Es ist nicht einfach die Erkenntnis, sondern es ist die Wahrheit Gottes, es ist der Same und der Bildner des göttlichen Lebens. 

Das Wort, das heiligt ist in ihn eingepflanzt; die Pflanze ist durch Gott her­vorgebracht, es ist der neue Mensch, der die von Gott gewollte Frucht bringt. jedoch ist es nötig, daß sich dies im Praktischen beweise, daß der Mensch Täter und nicht nur Hörer des Wortes sei. Sonst ist keine Wirklichkeit mehr vorhanden; er gleicht einem Menschen, der sich in einem Spiegel betrachtet und bei dem alles verschwunden und vergessen ist sobald er sich wieder entfernt hat. Wer aber in das vollkommene Gesetz, das der Freiheit nahe hineingeschaut hat und darin bleibt, ist nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Täter des Werkes und wird glückselig sein in Seinem Tun (V. 25). Hier finden wir einen wichtigen Ausdruck: "das Gesetz der Freiheit". Wenn ich mei­nem Knaben, der gerne irgendwo hingehen möchte, sage, er solle zu Hause bleiben, so mag er gehorchen. Aber das ist kein Gesetz der Freiheit; es hält nur seinen Willen im Zügel. Wenn ich ihm aber sage: "Gehe hin ‑, so gehorcht er; aber dann ist es ein Gesetz der Freiheit denn sein Wille und das Gesetz sind miteinander in völliger Übereinstimmung. 

Für Jesum war der Wille Gottes ein Gesetz der Freiheit. Er kam, um den Willen Seines Vaters zu tun, und Er suchte nichts anderes. Glückseliger Zustand! In Ihm war die Vollkommenheit; Er ist für uns ein gesegnetes Vorbild. Das Gesetz ist ein Gesetz der Freiheit, der Wandel zeigt, daß der Wille, daß das Herz und seine Wünsche vollkommen mit diesem Gesetz übereinstimmen. In unserem Fall ist es das von Gott auferlegte und in unsere Herzen geschriebene Gesetz. Es verhält sich mit dem neuen Menschen ebenso wie mit dem Herzen Christi; er hebt den Gehorsam, er liebt den Willen Gottes, weil es Sein Wille ist, und weil seine Natur (denn er ist der göttlichen Natur teilhaftig) dem entspricht, was Gottes Wille ausdrückt. Er liebt das, was Gott wirklich will.

 

Es gibt aber etwas, das mehr als alles andere offenbart, was in unseren Herzen ist: nämlich die Zunge. Wer seine Zunge zu zügeln vermag, der ist ein vollkommener Mann und kann auch seinen ganzen Leib zügeln. Wenn jemand vorgibt, religiös zu sein, und hält seine Zunge nicht im Zaum, dessen Religion ist nur ein eitler Schein, er betrügt sein eigenes Herz. Die wahre Religion zeigt sich durch die Liebe im Herzen, sowie durch die Reinheit indem man sich unbefleckt von der Welt erhält. Sie denkt an andere, an die, welche in Bedrängnis sind, die des Schutzes, der Pflege und der Stütze der Liebe bedürfen, wie die Waisen und die Witwen. Das wirklich religiöse und mit der Liebe Gottes erfüllte Herz denkt wie Gott, denn Er ist es, der Teilnahme für das Elend, die Schwachheit und die Bedürfnisse in dem Herzen wirkt. Das ist der wahrhaft christliche Charakter.

 

Das zweite Kennzeichen, das Jakobus bezüglich des christlichen Lebens anführt, ist, "sich selbst von der Welt unbefleckt zu erhalten". Die Welt ist verdorben; sie liegt im Bösen, sie hat den Heiland, d. h. Gott in Gnade gekommen, verworfen. Daß der Mensch aus dem Garten Eden vertrieben wurde, weil er gesündigt hatte, ist nicht alles, wiewohl es wahr und für seine Verdammnis hinreichend ist. Aber es gibt noch mehr. Gott hat vieles getan, um den Menschen zurückzuführen. Er hat dein Abraham die Verheißungen gegeben, Er hat Israel gerufen, Sein Volk zu sein. Er hat die Propheten und zuletzt Seinen eingeborenen Sohn gesandt. Gott Selbst ist in Gnade gekom­men, aber der Mensch hat Ihn, Der in Gnade in dieser Welt war, von sich gestoßen und weggetrieben. Deswegen sagte der Herr: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt'. Das letzte, was Gott tun konnte, war, Seinen Sohn zu senden, und Er hat Ihn gesandt. "Ich habe noch", sagt Er, "einen Sohn, meinen geliebten; sie werden sich vor meinem Sohn scheuen; aber sie nahmen ihn, warfen Ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn". 

Die Welt ist eine Welt, die den Sohn Gottes schon ver­worfen hat. Und woran findet sie ihre Freude? An Gott oder an Christo? Keineswegs, sondern an den Vergnügungen des Fleisches, an der äußeren Ehre, dem Ansehen und den Reichtümern; sie sucht ohne Gott glücklich zu werden, damit kein Gedanke an Ihn sie beunruhige. Sie hätte nicht nötig, so sehr nach dem Glück in den Vergnügungen zu jagen, wenn sie glücklich wäre. Obwohl Gott den Menschen mit einem Odem des Lebens für Sich gebildet hat kann der Mensch doch nicht sein Genüge in Ihm finden. Man lese die Geschichte Kains: "Und Kain ging weg von dem Angesicht Jehovas und wohnte im Lande Nod". (Nod ist dasselbe Wort wie flüchtig in 1. MO 4, 16). Weil er an der Gnade verzweifelte und sich nicht demütigen wollte, so wurde er von dem Angesicht Jehovas vertrieben. Durch das Gericht Gottes war er flüchtig auf der Erde. Doch eine solche Stellung gefiel ihm nicht. Da, wo Gott ihn unstet gemacht hatte, erbaute er eine Stadt und nannte sie nach dem Namen Seines Sohnes Hanoch, um die Größe seiner Familie zu verewigen. Jedoch wäre es unerträglich gewesen, wenn seine Stadt all der Vergnügungen des Lebens entbehrt hätte. Er häufte deshalb für seinen Sohn Jabal Reichtümer an. Ein Glied seiner Familie, Jubal, erfand die Musikinstrumente, ein anderes Fa­milienglied, Tubalkain, war ein Hämmerer von allerlei Werk­zeug aus Erz und Eisen (i. Mo 4, 17 ff).

 

Das ist die Welt und ihre ganze Zivilisation. Wenn man Gott nicht hat, so muß man die Welt lieblich und anziehend machen. Man wird vielleicht fragen: Was gibt es denn Böses an Lauten und Pfeifen? Gewiß nichts; das Böse ist im menschlichen Her zen, das sich dieser Dinge bedient, um sich ohne Gott zu freuen, um Ihn zu vergessen, Ihn zu meiden, um Befriedigung in einer Welt der Sünde zu suchen, um in seiner Stellung der Gottes ferne sein Elend nicht zu fühlen, um sich selbst in dem Ver derben, das in der Welt herrscht, zu verbergen. Aber der neue, aus Gott geborene Mensch, Teilhaber der göttlichen Natur, kann seine Befriedigung nicht in der Welt finden; er flieht das, was ihn von Gott entfernt. Da, wo das Fleisch sich freut und seine Ergötzung findet, kann das geistliche Leben keine Befriedigung finden. Jakobus spricht von dem Verderben selbst, doch nicht so, als wäre ein Teil der Welt verdorben, der andere aber rein. Das Verderben ist in der Welt, und, der Christ soll sich unbefleckt von ihr erhalten. Die Welt ist nicht rein; sie ist im Gegenteil unrein und verdorben, sowohl in ihren Grundsätzen als auch in jeder anderen Hinsicht. Wer sich ihr gleichstellt, dessen Weg ist verderbt; die Freundschaft der Welt ist Feind­schaft wider Gott, und wer ein Freund der Welt ist, ist ein Feind Gottes; man soll sich von der Welt unbefleckt erhalten. Wohl müssen wir durch die Welt gehen; und indem wir dies tun, sollen wir unter den Menschen ein Brief Christi sein. Wir sollen rein sein von der Welt, die uns umgibt, gleichwie Christus rein war inmitten der Welt, die Ihn nicht aufnehmen wollte.

 

Kapitel 2

 

In diesem Kapitel werden die, welche an den Herrn Jesum Christum glauben, deutlich unterschieden. Man soll nicht den Glauben an Ihn, den Herrn der Herrlichkeit, mit Ansehen der Person haben. Verachtete man die Armen, so handelte man dem Gesetz zuwider, das alle Israeliten als Gegenstände der Gunst Gottes, das Volk als eins vor Ihm und jeden einzelnen als Glied ein und derselben Familie betrachtete. Es stände zugleich mit dem Geist des Christentums in völligem Widerspruch; dieser fordert Demut, preist die Armen glücklich, läßt die wahre Größe in der himmlischen Herrlichkeit finden und lehrt uns, wie das Kreuz hienieden der Herrlichkeit droben entspricht. Der Glaube sah diesen Herrn der Herrlichkeit in der Erniedrigung, Ihn, der nicht hatte, wo Er Sein Haupt hinlegen konnte. Zudem blieben die Reichen im allgemeinen immer Gegner des Christentums, sie lästerten „den guten Namen", der über den Christen angerufen wurde und zogen sie vor die Gerichte. Gott hatte die Armen der Welt auserwählt reich zu sein im Glauben und zu Erben des himmlischen Erbteils. Das bezeugt auch Paulus: "Nicht viele Weise nach dem Fleische, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle" (i. Kor 1, 26). Diese Dinge, die Weisheit, die Macht und der Adel, sind Ketten, welche die Seele an diese Welt fesseln. Die Gnade vermag wohl diese Ketten zu brechen, aber es geschieht nicht oft: "Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr eingehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes ein gehe" (Mt 19, 24). Jene Bande sind zu stark, wiewohl bei Gott alle Dinge möglich sind.

 

Jakobus hebt den Unterschied zwischen der Herrlichkeit des Herrn und der falschen Herrlichkeit des Menschen in dieser Welt hervor; denn die Gestalt dieser Welt vergeht" (i. Kor 7, 31). Er legt ebenso wie Petrus, großen Nachdruck auf diesen Punkt. Wenn man in der Versammlung einen Unterschied zwischen Armen und Reichen macht, so wird man ein Richter böser Gedanken. Laßt uns Gott danken, daß wir wenigstens in der Versammlung miteinander für den Himmel und in den himmlischen Dingen leben können, da, wo der wahre Unterschied in dem Maße der geistlichen Gesinnung und nicht in der Eitelkeit dieser Welt besteht. Es ist zu beachten, daß die Ver­sammlung hier Synagoge genannt wird; dies läßt uns fühlen, wie sehr sich die Gedanken des Jakobus in den jüdischen Ge­wohnheiten bewegten. Der Umstand nun, daß man einen Unterschied zwischen Armen und Reichen machte, weshalb sie von dem Gesetz als Übertreter überführt wurden, veranlaßt den Jakobus, vom Gesetz zu sprechen. 

Er führt drei Arten von Gesetz an: das Gesetz der Freiheit, von dem wir bereits gesprochen haben, das königliche Gesetz und das Gesetz in seiner gewöhn­lichen Bedeutung. Das königliche Gesetz ist. "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst". Wer es vollführt, tut wohl. Dann aber fügt er einen höchst wichtigen Grundsatz hinzu; wenn wir nämlich das ganze Gesetz halten, aber in einem einzigen Punkt straucheln, so sind wir in allem schuldig. Die Ursache hiervon ist ganz einfach. Wenn die Lust uns gereizt hat, so haben wir das Gesetz übertreten, wir haben die Autorität dessen mißachtet, der es aufgerichtet hat. Wir können zwar nicht annehmen, daß wir dadurch jedes einzelne Gebot übertreten haben; allein Gott hat sowohl das eine, wie alle die übrigen Gebote gegeben, und wenn das Fleisch und der mit dem Fleisch verbundene Wille tätig sind, dann haben wir unserem Willen nachgegeben und den Willen Gottes verachtet. Sein Gesetz ist gebrochen.

 

Das Christentum will, daß wir reden und handeln als solche, die von der Macht der Sünde freigemacht sind, um in allem den Willen Gottes zu tun; nur dieser Wille soll unser Wille sein. Er hat uns vom Joch befreit; wir sind wirklich freigemacht, um in den Fußstapfen Jesu zu wandeln. Köstliche und heilige Freiheit! Es ist die Freiheit einer Natur, die ihre Freude und Wonne in dem Willen Gottes und im Gehorsam findet. Also ist der Christ immer frei, den Willen Gottes zu tun; er mag sich von Gott entfernen und die Kraft und den Wunsch dazu verlieren; dies geschieht aber aus Nachlässigkeit und Untreue. Alles, was er dann sagt und tut, wird durch dieses Gesetz gerichtet werden. Ernste Wahrheit! Man kann wachsen in der Erkenntnis des Willens Gottes, und man ist unter der Gnade frei, das zu tun, was man erkennt; die Kraft, es zu vollbringen, findet sich in Christo. Dieser Gedanke an das Gericht veranlaßt Jakobus, hinzuzufügen, wie notwendig es sei "der Gnade gemäß zu wandeln. Wer nicht Barmherzigkeit üben will, für den wird das Gericht ohne Barmherzigkeit sein. Der Herr hatte schon den Grundsatz aufgestellt, daß die Sünden dem vergeben wer den, der selbst Vergebung übt. Wenn der Geist der Gnade nicht im Herzen ist, können wir nicht an der Gnade teilhaben, die Gott dem Menschen gegenüber geoffenbart hat. Selbst in den Einzelheiten des Lebens und nach der Regierung Gottes mag der6,'welcher nicht nach Barmherzigkeit handelt, strenge Züchtigung von seiten Gottes erfahren, weil Gott Seine Freude an der Güte und Liebe findet.

 

Weiterhin legt Jakobus Nachdruck auf die Werke. Dies ist ein wichtiger Abschnitt in seinem Brief. Nicht als hätte er einen höheren Wert als die übrigen Teile des Briefes, sondern um der vielen Vernunftschlüsse der Menschen willen. Der soeben er wähnte Grundsatz führt die Frage der Werke ein. Die Liebe muß sich nicht durch Worte,  sondern durch die Tat zeigen. Der Geist des Jakobus ist praktisch; er ist in hohem Grade mit dem Bösen beschäftigt, das von dem Bekenntnis des Christentums, das jedoch nicht durch ein ihm entsprechendes, praktisches Leben verwirklicht wird, herrührt. Zugleich ver­einigt er die beiden Grundsätze in Seinen Unterweisungen: daß nämlich die Liebe wahrhaftig sein und der Glaube sich in den durch ihn hervorgebrachten Werken zeigen müsse. Wenn man zu einem Bruder oder einer Schwester, die der Nahrung und Kleidung entbehren, sagt: "Gehet hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch, gibt ihnen aber nicht die Notdurft des Leibes, was nützt es? Also ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, an sich selbst tot". Das ist sicherlich nicht der wirkliche christliche Glaube. Der ist vielmehr ein mächtiger Grundsatz und die Folge der Wirksamkeit des Heiligen Geistes im Herzen, er ist die Triebfeder jeder Tätigkeit des Herzens ‑ ein Grund Satz, der uns über die Eigenliebe und alle die niedrigen Beweg­gründe dieser Welt erhebt und die Zuneigungen an Christum fesselt, Christus wird der wahre Beweggrund des Herzens, und indem Er in uns lebt, ist Er die Quelle, aus der unsere Handlungen hervorgehen, so daß wir wandeln wie Er gewandelt hat. Ohne Zweifel bleiben wir weit hinter dem zurück, was Er getan hat, aber der Grundsatz unseres Lebens, ist der gleiche, oder vielmehr, Er Selbst lebt in uns. Sodann ist es klar, daß der wahre Glaube durch die Liebe wirkt und die guten Werke hervorbringt. Es kann nicht anders sein.

 

Es gibt aber noch einen anderen Grundsatz in dieser Stelle, der in den Warten "zeige mir" seinen Ausdruck findet. Selbst redend ist der Glaube ein im Herzen verborgener Grundsatz. Ich kann den Glauben nicht sehen, ebensowenig wie ich die Wurzeln sehen kann, welche die Pflanzen zum Wachsen und Fruchttragen befähigen, indem sie ihre Nahrung aus dem Boden ziehen, wie der Glaube aus Christo. Gleichwie aber die Pflanze ohne Wurzel keine Fracht bringen kann, so werden auch ohne den Glauben keine guten Werke hervorgebracht. Es gibt wohl äußerliche Werke, aber sie haben keinen Wert. Man kann viel geben und viel arbeiten, ohne jedoch wahre Liebe und wahren Glauben zu haben; ein Leben der Liebe aber, das Christo nach folgt, Seinen Willen tut und nichts anderes sucht, und zwar deshalb, weil es Sein Wille ist, kann nicht ohne den Glauben bestehen. Wer sich des Glaubens rühmt, erkennt an, daß der Glaube allein gut ist und das hervorbringt, was gut ist, Deshalb sagt Jakobus: "Zeige mir deinen Glauben ohne Werke". Dies aber ist unmöglich. 

Es ist klar, daß der Glaube entweder ein im Herzen verborgener Grundsatz ist, oder ein einfaches Be­kenntnis ohne Wirklichkeit. Wir dürfen in dein zuletzt ge­nannten Fall nicht immer Heuchelei voraussetzen, denn die Erzziehung, der Einfluß von dem, was uns umgibt, und die äußerlichen Prüfungen können den Glauben des Christentums und seiner Grundwahrheiten zu einer Gewohnheit der Seele machen. In einem solchen Glauben gibt es aber kein Band mit Christo und keine Quelle des ewigen Lebens. Der Mensch offenbart zwar keinen positiven Unglauben, er ehrt sogar den Namen Christi; aber dieser Glaube wirkt nichts im Herzen. Christus kann Sich ihm nicht anvertrauen (vergl. Joh 2, 23‑25).

 

Sobald der wahre Glaube, der Glaube, der die Folge der Gnade ist durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes, im Herzen hervorgebracht wird, gibt sich ein persönliches Verlan­gen nach Christo kund, das Bedürfnis, Ihn für sich selbst zu besitzen und Seine Stimme zu vernehmen. Hiervon ist Nikodemus ein Beispiel; er suchte Christum und, beachten wir es wohl, er fühlte alsbald, daß die Welt Ihm entgegen war: er kam bei der Nacht. Weil nun der Glaube selbst sich nicht zeigen kann, so kann der, welcher sich des Glaubens rühmt, nichts erwidern, wenn zu ihm gesagt wird: "Zeige mir deinen Glauben". Wer aber die wahren Werke der Liebe hat, kann sie nicht ohne den Glauben haben, ohne dieses im Herzen wohnende göttliche Werkzeug, durch das ein christliches Leben hervorgebracht wird:' Werke der Geduld, der Reinheit und Liebe, Trennung von der Welt, obwohl man in ihr wandelt. 

Man bewegt sich nicht ohne eine Triebfeder. Der Glaube, der wirklich auf Christum blickt und alles in Ihm findet, offenbart sich in diesem Leben, es ist das Leben des Glaubens. Es handelt sich darum, den Glauben zu zeigen. Wem? Gott? Gewiß nicht. Es heißt: Zeige mir", dem Menschen, der nicht wie Gott in das Herz sehen kann. Die ganze Beweisführung des Jakobus, ihre ganze Kraft und Bedeutung liegt in den Worten: "Zeige mir". Er redet also nicht von dem Frieden im Gewissen derer, die gerechtfertigt sind durch den Glauben, weil der Herr, der teure und geliebte Heiland, unsere Sünden getragen und sich für unsere Übertretungen dahingegeben hat. In diesem Fall ruht der Glaube auf dem Werke Christi, das Gott als vollkommen genügend für die Sünden der Gläubigen empfangen und an­genommen hat. Dieses Werk wird nie seinen Wert vor den Augen Gottes verlieren, im Heiligtum droben, wo Christus ein gegangen ist mit Seinem eigenen Blut, um immerdar für uns in der Gegenwart Gottes zu erscheinen. Er hat Seinen Platz zur Rechten Gottes eingenommen, weil am Kreuze hinsichtlich unse­rer Sünden alles der Herrlichkeit Gottes gemäß vollbracht ist.

 

Hier aber handelt es sich um den eitlen und leeren Glauben, um das Bekenntnis des Namens Christi, sich Christ zu nennen, ohne daß Christus im Herzen ist. Der Glaube zeigt sich durch die Werke, durch seine Früchte. An den Früchten sieht man, daß der Baum lebt, daß eine Wurzel da ist, die ihren Saft aus Christo zieht. Die Rechtfertigung des Bekenntnisses geschieht vor den Menschen, denen man, mittels der hervorgebrachten Früchte, den Beweis der Echtheit von dem liefern muß, was man bekennt. Wenn man die uns hier gegebenen Beispiele genau ins Auge faßt, sieht man klar, daß es sich um die Beweise des Glaubens und nicht um die guten Werke im gewöhnlichen Sinne handelt. Die Werke, durch die auch der Apostel Paulus den Glauben in denselben Personen, wie hier Jakobus, dartut, sind die Tatsache, daß Abraham bereit war, seinen einzigen und geliebten Sohn zu opfern, als Gott es von ihm forderte, und daß Rahab die Kundschafter verbarg und in Frieden entließ. Etwas Größeres gibt es nicht; denn nicht nur war Isaak der einzige Sohn, sondern es ruhten auch alle Verheißungen Gottes auf ihm, so daß ein unbedingtes Vertrauen auf Gott vorhanden sein mußte (Hebr:11, 17-19). Betrachten wir es als ein mensch­liches Werk, seinen Sohn zu töten, so ist es gewiß nichts Gutes. Und gleicherweise war Rahab ihrem Vaterlande untreu und eine Verräterin, wenn wir ihre Handlung als eine menschliche Handlung beschauen; jedoch sie verband sich mit dem Volke Gottes zu einer Zeit, als dessen Feinde noch in der Fülle ihrer Kraft standen, und Israel weder den Jordan überschritten, noch einen einzigen Sieg in dein Lande davongetragen hatte.

 

Das ist der Glaube, der auf Gott vertraut, koste es, was es wolle, und sich mit Seinem Volke verbindet, wenn alles gegen es ist. Der Glaube Abrahams war einfach der Glaube an Gott, an Sein Wort; er wird uns aber als ein Unbedingter, nicht zögernder Glaube dargestellt, indem Abraham seinen geliebten Sohn opferte, auf dem alle Verheißungen Gottes ruhten. Ebenso war der Glaube Rahabs ein einfacher Glaube an Gott, der sich, wie schon bemerkt, darin kundgab, da?, sie sich mit der Sache Gottes einsmachte, zu einer Zeit, als dem Anschein nach alle Kraft bei dem Gegner war, weil Gott Seine Macht noch nicht geoffenbart hatte. Sich gläubig nennen und nicht die dem Glau­ben entsprechenden Früchte hervorbringen Ist in der Tat kein wirklicher Glaube. Der Glaube verwirklicht den Gegenstand des Glaubens, und dieser übt, als Beweggrund im Herzen, seine Wirkung aus.

 

Wer das Wort aufnimmt, wird aus unverweslichem Samen wiedergeboren, er bekommt Teil an der göttlichen Natur, und der Gehorsam, die Reinheit und die Liebe werden hervorgebracht. Gewiß haben wir noch Versuchungen und Hindernisse zu besiegen und sind nicht, wie wir sein möchten oder sein könnten; jedoch bringt das Leben in geringerem oder größerem Maße seine Früchte hervor. Der Christ mag, manchmal aus Nachlässigkeit, auf seinem Wege untreu sein; doch der Glaube bringt immer die ihm eigentümlichen Früchte hervor; und der Christ weiß wohl, daß ein Glaube, der nichts hervorbringt, kein wahrer Glaube ist. Der Glaube verwirklicht die Gegenwart und die Liebe. Gottes, den er in einer neuen Natur kennt und genießt beides; er, strahlt, wenn auch in Schwachheit den Charakter Dessen zurück, Den er innerlich genießt. Wir sind durch den Glauben an Jesum Christum aus Gott geborene Söhne. Durch den Glauben, selbst wenn es nur der menschliche Glaube und nicht der des göttlichen Lebens in uns ist tun wir alles, was nicht zu dem rein tierischen gehört. 

Warum sät der Ackerbauer? Weil er glaubt ernten zu können. Und so ist es mit allem, das Essen und Trinken ausgenommen. Es ist nötig, daß der Seele die göttlichen Dinge durch den göttlichen Glauben geoffenbart werden; es ist das Werk des Geistes Gottes. Der Glaube an Gott ist es, der vor Gott wohlgefällig ist; er bringt, da wir jetzt von Ihm durch Sein Wort lebendig gemacht sind, die Früchte des göttlichen Lebens hervor. Durch diesen Glauben haben wir Gemeinschaft mit Gott, mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu, . Christo, unserem Herrn, und Er schämt Sich nicht, uns Freunde zu nennen (Joh 15, 15), gleichwie Abraham Freund Gottes genannt wurde. Wenn es sich um weltliche Angelegen­heiten handelt so mögen wir das, was wir gerade zu sagen haben, in der höflichsten Weise ausdrücken; ist dies geschehen, ist die Sache beendigt. Einem Freunde aber erschließen wir unser Herz; wir sprechen mit ihm über alles, wovon das Herz voll ist. Als Abraham Freund Gottes genannt wurde, sprach Gott nicht mit ihm von den ihm gegebenen Verheißungen, son­dern Er teilte ihm das mit was Er vorhatte zu tun: das Gericht über Sodom und Gomorra. "Das Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten" (Ps 25, 14). Es ist lieblich, die Innigkeit zu sehen, zu der man Gott gegenüber gelangt wenn man treu mit Ihm wandelt (siehe 1. Mo 18, 17‑20).

 

Der Gläubige in Sodom wurde gerettet, aber er verlor alles und lebte in der Ungewißheit und im Elend; er fürchtete den Berg, auf dem Abraham sich befand, als er das schreckliche Gericht der gottlosen Städte sah; denn der Unglaube scheut sich immer vor der Stellung des Glaubens. Schließlich flüchtete er sich doch noch auf den Berg, vor dem er sich anfangs ge­fürchtet hatte, und lebte dort im Elend und in der Schande. Wir haben in Abraham das Bild eines Gläubigen, der durch Glau­ben lebt; in Lot das Bild eines Gläubigen, der die scheinbar so schöne Welt für sich erwählt. Er erntete das Gericht, wenn auch sein Leben verschont wurde, während Abraham, von dem sich Lot getrennt hatte, von Gott aufgefordert wurde, seine Augen aufzuheben, um das Land der Verheißung in seiner ganzen Ausdehnung zu überschauen und der zugleich von Ihm die Zusage empfing, daß alles sein Teil sein würde. Der Glaube verleiht die Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne Jesu Christo, die Gemeinschaft mit allem, was uns angehört, und die Verwirklichung dazu; und auf diese Weise werden die von Gott gewollten Früchte hervorgebracht. Gott gebe, daß wir in Seiner Nähe leben, damit die Dinge, die man nicht sieht, auf unsere Herzen einwirken, und wir in der Geduld und in der Freude verharren, bis der Herr kommt und uns dort einführt, wo der Glaube nicht mehr nötig ist, in den Genuß von allem, was der Glaube geglaubt hat, als die Dinge selbst noch nicht zu sehen waren!

 

Kapitel 3

 

In bezug auf das Reden ermahnt Jakobus zur Demut: "Seid nicht viele Lehrer, meine Brüder" (Vers 1). Wenn man sich selbst nicht kennt, ist es viel leichter, andere zu belehren, als sich selbst zu beherrschen. Die Demut im Herzen macht langsam zum Reden; sie ist immer geneigt, zu warten, um belehrt zu werden und andere ihre Gedanken ausdrücken zu lassen, wir werden vielmehr lernen als lehren. Mit dieser Ermahnung beginnt Jakobus eine ernste Betrachtung über die Gefahren der Zunge. Kein Mensch kann sie zähmen. Sie macht aufs deutlichste kund, was im Herzen vorgeht: "Aus der Fülle des Herzens redet der Mund". Manche richten mit ihrer Zunge, mit harten Worten, mehr Unheil an, als mit ihrer Hand. Zudem werden viele leichtfertige und eitle Worte ausgesprochen.

 

Jakobus besteht darauf, den Willen im Zaume zu halten, kein Selbstvertrauen zu haben und die Leichtfertigkeit des Fleisches durch die Furcht Gottes zu unterdrücken. Zunächst warnt er den Christen, sich nicht leichtfertigerweise voranzustellen, um zu lehren, weil er ein um so schwereres Urteil empfangen wird. Die Liebe treibt dazu an, die Brüder zu erbauen, und der Geist leitet die Demütigen, die ihre Gaben ausüben. Es kann nun aber sein, daß ein Christ sich gerne hören läßt, daß er nicht demütig ist, sondern redet, weil er Vertrauen auf sich selbst hat. Das aber ist nicht Liebe, sondern vielmehr Eigenliebe. Zudem straucheln wir alle in vielen Dingen, und wenn wir andere belehren, oder uns wenigstens anmaßen, es zu tun, so sind wir selbst. redend um so verantwortlicher, und unsere Fehltritte sind ge­wichtiger; wie können wir andere belehren, wenn wir selbst nicht treu wandeln? Das ist nicht die Furcht Gottes. Wenn das Gewissen nicht rein ist vor Gott, dann ist es unmöglich, daß wir Seine Gnade und Wahrheit in Seiner Kraft verkündigen, denn wir stehen nicht in Seiner Gegenwart, und Er ist nicht mit uns. Die erste Wirkung Seiner Gegenwart wird sein, unser Gewissen aufzuwecken. Der, welcher lehrt, muß in wahrer und tiefer Demut verharren und wachen, damit er nicht. auf seinem Wege strauchele.

 

Dieser Geist der Demut ist nicht ein Mangel an Vertrauen auf Gott, sondern er steht gerade mit diesem Vertrauen in engster Verbindung. Wer in diesem Geiste wandelt ' wird ge­wiß nicht zu dem Herrn sagen: "Herr, ich kannte dich, daß du ein harter Mann bist". Da ist kein Selbstvertrauen mehr; ein solcher redet, wenn es der Wille Gottes ist, und er tut es in der Kraft Seines Geistes. Er ist langsam zum Reden, und er harrt auf Gott, um es in Übereinstimmung mit Ihm zu tun. Noch andere wichtige Wahrheiten stehen hiermit in Verbindung. Wir straucheln alle in vielen Dingen; wer sich vollkommen nennt, täuscht sich. Jenes Straucheln will selbstredend nicht sagen, daß wir uns schwer vergehen, aber wir tun und reden oft etwas, das. vor Gottes Augen tadelnswert ist. Unser Wort ist nicht allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt. Es finden sich Mängel bei uns, und wir können uns nicht entschuldigen, weil der Herr gesagt hat: "Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht" (2. Kor 12, 9). Gleichwohl fehlen wir, so traurig dies auch ist, und wir sind genötigt, es einzu­gestehen. Wandeln wir aber mit Gott, so wird Seine Gnade es uns fühlen und erkennen lassen; wir werden mit mehr Wachsamkeit und Demut in der Nähe Gottes bleiben und besonders im Gefühl der Abhängigkeit von Ihm verharren.

 

Hier begegnet uns jedoch noch eine andere Wahrheit. Jene Ermahnung wäre nicht nötig, wenn nicht die Freiheit zum Reden, so oft dies der Wille Gottes ist, das Teil aller Brüder wäre, je nach ihren Gaben und gemäß der Vorschriften, die wir im Worte Gottes finden. Würde eine bestimmte Person zum Reden eingesetzt worden sein, so wäre jene Warnung ganz überflüssig. Wir finden hier also eine moralische Ermahnung zur Bescheidenheit, zur Ruhe, zum Mißtrauen gegen sich selbst und zur Furcht Gottes, weil Gefahr vorhanden ist, zu straucheln, und weil wir verantwortlich sind. Der alleinige Dienst eines einzelnen in der Versammlung ist ausgeschlossen. Dies soll nicht heißen, daß ein einzelner einen Dienst, den Gott ihm an vertraut, nicht ausüben könne; im Gegenteil, dieser Dienst eines einzelnen ist jedem gestattet, wenn der Herr ihm die nötige Gabe dazu gegeben hat; aber eben deshalb muß es in Unterwürfigkeit gegenüber den Ermahnungen des Wortes geschehen. 

Die Tätigkeit des Fleisches wird verworfen und die Freiheit des Heiligen Geistes dargestellt. Der Herr bedient Sich eines jeden, wie Er es für gut und passend findet, sei es hinsicht­lich der fortdauernden Gaben des Lehrers, Hirten und Evangelisten, die bis ans Ende bei uns bleiben werden, oder hinsichtlich des Dienstes eines jeden Gliedes an dem Platz, den Gott ihm angewiesen hat.

 

Das, was hier vom Straucheln gesagt wird, setzt Jakobus fort, indem er es auf die Zunge anwendet, die so leicht tätig wird und jeder Bewegung des Herzens folgt. Alles ist gezähmt worden, sogar die wilden und die kriechenden Tiere, aber noch keiner der Menschen hat die Zunge zu zähmen vermocht, sie ist voll tödlichen Giftes. Die Worte des Jakobus sind sehr stark, aber leider wahr. Erinnern wir uns jedoch, daß die Zunge, wenn wir uns der Sünde für tot halten und durch den Geist wandeln, der Ausdruck der Gedanken des Geistes sein wird. Vielleicht verhält sie sich auch still, weil die Gnade nichts mitzuteilen hat. Mancher Mensch mag in seiner eigenen Kraft fähig sein, sich von Tätlichkeiten zurückzuhalten, während er nicht imstande ist, ein leidenschaftliches oder hartes Wort gegen seinen Näch­sten zu unterdrücken. Kann aber auch keiner der Menschen die Zunge bändigen, so kann doch die Gnade Christi es tun; denn der innere Mensch ist unter dem Joch des Herrn und ist deshalb sanftmütig und von Herzen demütig; Christus erfüllt sein Herz, und da die Zunge den Bewegungen des Herzens folgt, so drücken die Worte diese Sanftmut und Demut aus. Es ist aber nötig, daß Christus allein im Herzen wohne und das Fleisch im Zaume gehalten werde, damit er, sich nicht rege, wenn die Versuchung kommt. Freilich ist es schwierig, nicht zu fehlen, aber es ist überaus nützlich, zu sehen, daß die Zunge kundgibt, was in uns wirksam ist, wie die Zeiger einer Uhr die verborgenen Bewe­gungen des Räderwerkes andeuten.

 

Es ist gut, den wahren Charakter der Zunge, so wie er hier beschrieben wird, zu beachten. Wenn Jakobus sagt. "Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere?" so will er damit nicht sagen, daß dies mit dem Munde des Menschen nicht der Fall sei, denn eben darüber beklagt er sich (V. 9. 10), sondern daß das Böse sich nicht finden sollte; es ist selbst wider die Natur. Hernach beschreibt er den Charak­ter des weisen und verständigen Menschen. Er will, daß er aus einem guten Wandel seine Werke in Sanftmut der Weisheit zeige. Die Weisheit, oder wenigstens die Erkenntnis, die sich durch einen Geist des Eifers und der Zanksucht kundgibt, ist nicht göttliche Weisheit. Die göttliche Weisheit ist nicht ge­trennt von dem Zustand des Herzens, von der Sanftmut, die durch die Gnade hervorgebracht wird, durch das Bewußtsein der Gegenwart Gottes, durch einen gebrochenen Willen und durch das, was man von Jesu. lernt, Der sanftmütig und von Herzen demütig ist. Eines Mannes Zorn wirkt nicht die Gerech­tigkeit Gottes. Die Weisheit, die sich rühmt und eifert ist irdisch, sinnlich, teuflisch; sie kommt nicht von oben herab, sie äußert sich durch Eifer und Zanksucht, welche die Quelle von Zerrüttung und jeder schlechten Tat sind. 

Die Weisheit die von oben kommt verbindet sich mit dein Bewußtsein der Gegen­wart Gottes und der Gemeinschaft mit Ihm, wobei die natürliche Energie ausgeschlossen ist und der Geist der Abhängigkeit von Gott sich kundgibt. Sie weiß, daß sie außer Christo nichts vermag. Die Verwirklichung der Gegenwart Gottes bewirkt, daß diese Weisheit vor allem rein ist; sie kann auch nicht anders sein, wenn wir in Gemeinschaft mit Gott sind. Denn diese Gemeinschaft, die zugleich auch Weisheit verleiht findet notwendigerweise in der Reinheit statt. Indem die göttliche Natur in uns die Gegenwart Gottes verwirklicht und in Ihm bleibt er. kennt sie das, was vor Gott wohlgefällig ist, und hat geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und des Bösen. Sie ver­langt nicht, Gewalt auszuüben, aber sie kann das Böse, das uns von Gott entfernt, nicht gestatten.

 

"Die Weisheit aber von oben ist aufs erste rein, sodann friedsam": sie wandelt im Frieden vor Gott, der Geist des Friedens herrscht im Herzen, sie ist gelinde, folgsam, hinsichtlich des eigenen Willens unterwürfig; sie sucht nicht den eigenen Willen zu befriedigen, sondern ist vielmehr geneigt, den Willen der anderen zu hin, falls der dem Willen Gottes nicht entgegen ist. Sodann entwickelt sich die Wirksamkeit des Guten irn Herzen: die Weisheit von oben ist voll Barmherzigkeit und, weil sie glücklich in Gott ist, ist sie von der Eigenliebe befreit. Sie fühlt das Elend der anderen und bringt die guten Früchte hervor, die aus der Barmherzigkeit fließen. Sie ist nicht geneigt, zu eifern oder die Fehltritte, die Mängel und Gebrechen der anderen und ihrer Werke aufzusuchen, sie ist auch nicht geneigt, zu tadeln oder zu richten, als wäre sie überlegen und hierzu befähigt. Zudem wandelt sie in der Einfalt und Lauterkeit des Herzens, indem sie nicht den Beifall der Menschen sucht, noch etwas sein oder scheinen Will, was sie nicht wirklich ist. Indem sie nicht an sich selbst denkt, tut sie den Willen Gottes in Einfalt des Her zens und wünscht, aus Liebe den anderen zu gefallen, als handle es sich um ihre eigene Freude. Dies ist das liebliche Ge­mälde der göttlichen Weisheit.

 

Beachten wir, wie Jakobus stets bemüht ist, den eigenen Willen zum Schweigen zu bringen, um fähig zu sein, den Willen Gottes zu tun und, indem man der göttlichen Natur teilhaftig ist, Gottes Charakter zu offenbaren, den Charakter Chri­sti, der die Offenbarung Gottes im Fleische ist. Er kam nicht in diese Welt, um Seinen Willen zu tun, sondern den Willen Dessen, Der Ihn gesandt hatte. Er unterwarf Sich stets dem Un­recht und der Ungerechtigkeit, indem Er das Gute tat und in Sanftmut und Liebe wandelte. Das Gute tun, leiden und Geduld haben, das ist, wie Petrus sagt, wohlgefällig vor Gott (i. Petr 2, 20). Wenn das eigene Ich tot ist, dann ist die Liebe frei. Man wandelt im Frieden, man stiftet den Frieden, und die Früchte der Gerechtigkeit in Frieden werden denen gesät, die Frieden stiften. Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen" (Mt 5, 9). Es ist die Nachahmung des Friedens und der Liebe Gottes im menschlichen Wandel, wie Christus diese in Seinem Wandel hier geoffenbart hat.

 

Kapitel 4

 

Nachdem Jakobus die Gesinnung des Friedens in den Wegen des Christen empfohlen hat, fragt er: "Woher kommen Kriege und woher Streitigkeiten unter euch?" An was für eine Klasse von Personen denkt er hier? Es müssen nicht notwendiger­weise die Christen sein. Diesen geziemt die Sanftmut der Weisheit, die gelinde und folgsame Weisheit (Kap. 3, 17). Aber, wie schon bemerkt, befanden sie sich noch inmitten der zwölf Stämme, und ohne Zweifel meint Jakobus diese, wenn er hier sagt: "unter euch". jedoch konnten die Christen in jene Kämpfe verwickelt sein, so daß die Ermahnung sich auch an sie richtete. Diese Zwistigkeiten kamen aus den Wollüsten. Der Wille war nicht gebrochen, die Lust quälte das Herz. Die Streitenden ver langten nach dem, was sie nicht besaßen. Weil das durch die Lust unterdrückte Gewissen schwieg, und der Wille den Wün­schen freien Lauf ließ, wurden die Leidenschaften nicht mehr im Zügel gehalten. Man tötete und eiferte, und doch wurden die Wünsche nicht befriedigt; man stritt und kämpfte, und doch erlangte man nichts. Die Abhängigkeit von Gott wurde ver­gessen, und der eigene Wille wirkte. Man bat Gott nicht, und wenn man es tat, so geschah es nur mit dem Wunsch, Gott zum Diener seiner eigenen Lüste zu machen. Auf solche Gebete aber antwortet Gott nicht. Trauriger Zustand des Menschen! Nicht nur war Gott vergessen, es stand noch weit schlimmer: das Herz war der Sklave der Wollüste und unter dem Joch der Leiden­schaften, fern vom Frieden und von der Ruhe, Krieg im Innern und offenbare Sünde nach außen, ohne Gott in der Welt, oder wenn man Gott gekannt hatte, so war Er doch von einem widerspenstigen Herzen vergessen worden. Das Volk befand sich in einer Übergangsperiode, die allerlei Wünsche hervorrief.

 

Die Freundschaft der Welt ist wirklich Feindschaft wider Gott. Ein Christ, der sich der Welt gleichstellt, hat vergessen, daß er von seinen früheren Sünden gereinigt worden ist. Indem er Gott vergißt, wandelt er in den Wegen der Ungläubigen, und das durch die Lust unterdrückte Gewissen schweigt. Wenn man zu Gott betet, empfängt man nichts, weil man wie ein Weltmensch zu Ihm betet, um das Erwünschte in seinen Wollüsten zu verzehren. Wir brauchen nicht anzunehmen, daß alle, die Jakobus hier Ehebrecherinnen nennt, tatsächlich solche waren. Viele lebten in solchen Sünden in der Welt, und die anderen, selbst wenn sie Christen waren, wandelten in demselben Geist der Untreue gegen Gott; und indem sie mit der Welt zusam­mengingen, ließen sie der Wollust die Zügel schießen. Das ist gewiß nicht der christliche Wandel. Aber wenn der Christ die Wege Gottes verläßt und mit den Weltmenschen Gemeinschaft macht, dann geschieht es nicht selten, daß er sich seines Chri­stentums schämt; er wagt es nicht, den Namen des Heilandes zu bekennen. Sein Gewissen verhärtet sich, und er ist den Weltmenschen gleich oder noch schlimmer als sie, indem ihn nichts mehr zurückhält. Es ist die Freude Satans, auf diese Weise den Namen Christi an denen, die ihn tragen, verunehrt zu sehen.

 

In dem jetzt folgenden Vers finden wir einen wichtigen Grundsatz. "Die Freundschaft der Welt ist Feindschaft wider Gott; wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, stellt sich als Feind Gottes dar". Mächtiges Zeugnis, welches unseren Wandel richtet und das Herz erforscht! Die Welt ist mit dem Bösen erfüllt und liegt im Argen; sie hat ihren wahren Cha­rakter gezeigt, als sie den Sohn Gottes verwarf und kreuzigte. Der Mensch war schon ohne Gesetz und unter Gesetz geprüft worden. Als er sich aber ohne Gesetz ganz schlecht erwiesen und, nachdem er es empfangen hatte, es gebrochen hatte, kam Gott Selbst in Gnade hernieder. Er wurde Mensch, um die Liebe Gottes unmittelbar bis zu dem Herzen des Menschen zu bringen, indem Er seine Natur annahm. Das war die letzte Probe für das Herz des Menschen. Der Herr kam nicht, um den Menschen die Sünde zuzurechnen, sondern um die Welt mit Gott zu versöhnen. Sie aber wollte Ihn nicht aufnehmen; es offenbarte sich, daß sie unter der Macht Satans und der Finsternis war; jetzt aber haben sie gesehen und gehaßt sowohl mich als auch meinen Vater" (Joh 15, 24). Die Welt bleibt sich stets gleich, Satan ist ihr Fürst, und "alles, was in ihr ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt" (i. Joh 2, 16). Das menschliche Herz, das Fleisch, ist, was es seit dem Fall des Menschen immer gewesen ist, Feindschaft wider Gott, und obwohl die Menschen den Namen Christi tragen, so ist der Widerspruch der Welt gegen die Autorität doch stets gleich geblieben.

 

Man fühlt und sieht täglich, wie der Name Christi in Unehre steht, obwohl die Menschen unterwiesen werden mögen, Ihn zu ehren. Da, wo der Mensch seine Freude findet, wo sein Wille frei ist, weist er Christum ab, aus Furcht, in seinen Vergnügungen gestört zu werden. Ist er allein, denkt er nicht an Ihn; er will auch nicht, daß man vom Heiland redet er sieht an Ihm nichts Anziehendes und Begehrenswertes. Der Mensch liebt es, seinem eigenen Willen zu folgen, und wünscht nicht, daß der Herr dazwischentritt und ihn daran hindert. Er zieht die Eitelkeit und die Vergnügungen vor.

So ist der Mensch. Fern von Gott sucht er glücklich zu sein und sich seine Stellung so angenehm wie möglich zu machen. Durch die Ankunft Christi ist der Zustand des Herzens offen bar geworden; es hat sich gezeigt, daß es nicht nur den Vergnügungen des Fleisches nachjagt, sondern auch in Feindschaft ist wider Gott. So groß die Güte Gottes auch sein mag, der Mensch will nicht im Genuß der Vergnügungen der Welt ge­stört werden, noch sich der Autorität eines anderen unterwerfen. Er will die Welt für sich selbst besitzen, er strengt sich an, sie zu gewinnen, und sucht sie den Händen anderer zu entreißen, die sie inne haben. Der eigene Wille und die Lust, das Ich regiert die Welt. Dies ist ein deutlicher Beweis, daß die Freundschaft dieser Welt Feindschaft wider Gott ist. So weit es in der Macht der Menschen lag, haben sie Gott aus der Welt vertrie­ben und tun es auch heute noch; der Mensch will groß sein in der Welt. Wir wissen, daß die Welt den Sohn Gottes kreuzigte und nichts Anziehendes in Dem fand, an Dem Gott Sein ganzes Wohlgefallen hatte.

 

Kehren wir jetzt zu unserer Betrachtung zurück. Wir lesen in Vers 5: "Oder meinet ihr, daß die Schrift vergeblich rede? Begehrt der Geist, der in uns wohnt mit Neid?" Die Natur des Menschen ist mit Neid erfüllt in bezug auf andere, jedoch finden wir hier das Mittel, sie zu besiegen. "Er (Gott) gibt aber größere Gnade, deshalb spricht er: Gott widerstehet den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade" (V. 6). Das ist das wahre Geheimnis der Kraft und des Sieges, ja des Friedens im Herzen inmitten aller Schwierigkeiten und Wider­wärtigkeiten der Welt. Jakobus ermahnt beharrlich zur Demut und besteht darauf, daß der Wille des Menschen gebrochen, und der Mensch Gott unterworfen sei. Denn Gott weiß wohl den zu demütigen, der, obwohl Gott handeln will, seinen eigenen Willen durchzusetzen sucht. 

Die wahre Demut besteht im Gehorsam, wobei ein eigener Wille nicht da ist. Dahin führen die Güte und die Gnade Gottes den Menschen. Das Vertrauen auf Gott bewirkt, daß die Seele sich Ihm unterwirft. Der demütige Mensch ist der allein glückliche, er genießt das Bewußtsein der Liebe Gottes, die auf ihm ruht. Der Wille Gottes mag unserem Herzen nicht immer angenehm sein und unseren Wünschen nicht entsprechen; es geziemt aber dem Geschöpf, sich ihm allezeit zu unterwerfen, Gott ist weise und läßt denen, die Ihn lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken. Zugleich sind Seine Wege immer der Ausfluß Seiner Gnade gegen uns, so daß unsere Weisheit darin besteht, Seiner Hand uns zu‑ unterwerfen. Diese Unterwerfung ist zwar Pflicht und ist nötig, sie geschieht aber mit willigem Herzen, wenn Ver trauen da ist. Und das ist unser wahres Verhältnis zu Gott, und die Seele ist dabei glücklich. Wenn Gott, Der uns liebt, in allen Dingen für uns einen Willen hat so brauchen wir keinen zu haben. Wir sollen uns Ihm anvertrauen. Welche Gnade, daß der allmächtige Gott in allen Umständen unseres Lebens stets an uns denkt!

 

Der Teufel ist ein Feind; er sucht uns zu täuschen; er legt uns Schlingen und sucht mittels unserer Leidenschaften auf uns einzuwirken. Er kann sogar Verfolgungen erwecken, um uns auf dem Wege der Treue aufzuhalten. Im gewöhnlichen Leben aber täuscht er uns durch die Dinge des Fleisches. Werden wir verfolgt, so ist es eine Ehre für uns. "Euch", sagt der Apostel, "ist es in bezug auf Christum geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden" (Phil 1, 29). Die Gefahr, von Satan getäuscht zu werden, besteht immer; wir sind stets von seinen Betrügereien umringt. Es ist wichtig für uns, indem wir dem neuen Menschen gemäß und in der Gemeinschaft mit Gott leben, den Betrug Satans zu unterscheiden, der nie in dem Gehorsam gegen den Willen Gottes besteht. Es mag wohl sein, daß das Böse nicht in die Augen fällt. Als Satan dem Herrn vorschlug, aus Steinen Brot zu machen und zu essen, trat das Böse nicht grell hervor. Zu essen, wenn wir hungrig sind, scheint nichts Böses zu sein; aber im genannten Fall wäre es kein Gehorsam gewesen. Die Anstrengungen Satans blieben ohne allen Erfolg. Bloß des Hungers wegen zu essen ist eine tierische Handlung; man blickt nicht zu Gott empor. Wir sollen alles, selbst das Essen, im Namen Christi tun, indem wir Gott danksagen. Wenn wir so die Gegenwart Gottes verwirklichen, ist alles heilig für uns. Satan kann sich nicht verbergen, wenn er sich dem Gehorsam entgegenstellt, und er geht weg, weil er weiß, daß er Dem begegnet ist, Der ihn überwunden hat Christo in uns. 

Das Wort Gottes genügt uns, um auf einem Wege zu wandeln, wo Satan machtlos und gezwungen ist, uns gehenzulassen; zudem nehmen wir seine Tücke wahr und erkennen, daß er der Feind ist. So hat es der Herr gemacht. Er führte das Wort Gottes an, und der Teufel schwieg, versuchte aber, Ihn durch ein anderes Mittel zu täuschen. Er offenbarte nicht seinen wahren Charakter; aber der vollkommene Gehorsam Jesu machte seine List kraftlos. Als sich jedoch Satan zeigte, wie er war, und Jesu die Herrlichkeit der Welt anbot, schickte Er ihn weg, und er ging.

 

Der Pfad des Herrn ist unser Pfad, Seine Kraft ist unsere Kraft und wenn wir mit Ihm im Gehorsam wandeln, wird auch Seine Weisheit unsere Weisheit sein. Er hat schon den Versucher überwunden; die einzige Schwierigkeit für uns liegt darin, daß wir uns nahe genug bei Ihm halten, um die Listen Satans unterscheiden zu können. Wir haben nötig, die ganze Waffenrüstung Gottes anzulegen. Wenn die Gegenwart Gottes im Herzen verwirklicht wird, wenn der Geist Gottes das Herz regiert und das Gefühl der Abhängigkeit in der Seele lebendig ist dann wird man erkennen, daß die Vorspiegelungen des Feindes nicht von Gott sind, und der Wille des neuen Menschen wird ihnen kein Gehör geben. Ist Satan offenbar, so widersteht man ihm, und er hat keine Kraft; Jesus hat ihn für uns überwunden. Aus unserem Kapitel lernen wir, daß Satan von uns flieht, wenn wir ihm widerstehen (V. 7). Er erkennt, daß er dem Geiste Christi in uns begegnet ist, und er flieht. Der Fehler bei uns ist, daß wir ihm nicht immer widerstehen. Wir gehen auf Seine Versuchungen ein, weil der 'Wille Gottes nicht alles für uns ist und wir noch zu gern unserem Willen folgen möchten. Wenn wir die Gnade kennen, so bewahrt uns der Gehorsam und die Abhängigkeit vor den Listen des Teufels. Widerstehen wir ihm im Glauben, so ist er ohne Kraft; er wird als Satan, als der Widersacher offenbar, wie es bei Jesu der Fall war, als Er Sich für uns versuchen ließ. Er weiß, daß Der, Dem er in uns begegnet, Derselbe ist, vor Dessen Widerstand er floh.

 

Unendlicher Trost! Unaussprechliche Segnung! Wenn wir uns schwach fühlen und Christus unsere Stütze ist, so besiegen wir alle unsere Feinde, und Gott gibt uns jede Gnade, die wir nötig haben. Es ist hier eigentlich nicht der Ort, von der Waffen­rüstung Gottes zu sprechen; jedoch mögen einige Worte hier über nützlich sein. In Eph 6, io‑i8 bezieht sich bis zum "Schwert des Geistes" in Vers 17 alles auf den Zustand der Seele. Es handelt sich zunächst um die Wirkung der Wahrheit, um die Seele in der rechten Ordnung zu erhalten, so daß die Neigungen geregelt sind und das Gewissen, dem Willen Gottes gemäß, seine ganze Kraft besitzt. Dann werden wir ermahnt, zur Bewahrung eines guten Gewissens den Brustharnisch der praktischen Gerechtigkeit anzulegen und die Füße im Wandel beschuht zu haben mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens, indem wir in unserem Benehmen den Stempel des Friedens, den wir in Christo genießen, an uns tragen. Weiter folgt "der Schild des Glaubens", das Vertrauen auf Gott, das jene Dinge hervorbringt und verhindert, daß die Einflüsterungen des Bösen uns erreichen. Die feurigen Pfeile des Bösen ver mögen uns durchaus nicht zu verwunden. Zweifel und böse Gedanken in bezug auf Gott werden keinen Eingang im Herzen finden. Wir haben den Helm ‑ die Gewißheit des Heils, die uns befähigt im Streit wider den Feind das Haupt zu erheben. Sodann können wir das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, nehmen und uns seines im Kampf bedienen.

 Auf diese Weise durch die Waffenrüstung Gottes vor den Anläufen des Feindes sichergestellt, sind wir fähig, im Dienst des Herrn tätig zu sein und das Wort anzuwenden, doch sind wir stets von Seiner Hilfe abhängig. Diese Abhängigkeit gibt sich in den Gebeten und in der Fürbitte kund. Laßt uns daher dem Teufel widerstehen, und er wird von uns fliehen (V. 7). Laßt uns Gott nahen, und Er wird Sich uns nahen. Hier offenbart sich die Tätigkeit des Herzens in der Abhängigkeit. Wir können diese Abhängigkeit von Gott allmählich lernen, jedoch die Gefahr hört nie auf, unabhängig zu wandeln. Gott will daher, daß wir die Notwen­digkeit, Ihn zu suchen, empfinden. Er wünscht daß das Herz damit beschäftigt sein Die Abhängigkeit von Gott und das Vertrauen auf Ihn zeigen sich darin, daß wir uns Ihm nahen. Sie bilden das Band zwischen dem Herzen und Gott, und Er ver. säumt nie, uns zu antworten. Das Vertrauen wächst, man lernt immer mehr die Abhängigkeit schätzen, welche die vollkommene Liebe Gottes kennt und die kostbare Wahrheit versteht, daß Er Seine Augen nicht abzieht von dem Gerechten und in Seiner unendlichen und herablassenden Güte mit allen Um. ständen unseres Lebens, mit unserem persönlichen Charakter und mit unseren Schwierigkeiten beschäftigt ist, und daß Er es nicht verschmäht so nichtig wir auch sind, an uns und an alles das zu denken, was uns betrifft. Er kann auf Sich warten lassen, um den Glauben zu üben, aber nie wird die Antwort ausbleiben. Daniel hat drei Wochen warten müssen; doch die Antwort kam, und sein Herz wurde befriedigt durch die Mitteilung der vollkommenen Güte Gottes hinsichtlich seines Volkes und durch die Verheißung der Ankunft Christi. Gott naht Sich uns. Welch eine unendliche und kostbare Gnade! Das Herz betet an und versenkt sich in die Liebe Gottes.

 

Doch Gott sei Dank! wir können uns auch Ihm nahen. Sein Thron ist für uns ein Thron der Gnade. Um Seiner Liebe willen dürfen wir ohne Furcht vor Seinem Angesicht erscheinen und können durch das kostbare Blut Christi eintreten ins Heiligtum. In Seiner Gegenwart lernen wir die Heiligkeit und unterscheiden Seinen Willen. In dieser reinen Atmosphäre sieht unser Auge klar, und die Unterwürfigkeit ist im Herzen. "Das Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten" (Ps 25, 14). Wir wandeln mit Gott als solche, die von Ihm unterwiesen sind, und unser ganzer Leib ist Licht. Zudem ist Er mit uns, naht Sich uns und flößt uns Vertrauen ein. "Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?" Nicht nur ist die Kraft Gottes mit uns, sondern Seine Gegenwart bewirkt die Freimütigkeit und das Vertrauen im Herzen, weil wir, da Er mit uns ist, fühlen, daß wir Seinen Willen erkennen. Das Bewußtsein Seiner Gegenwart bringt angesichts des Feindes Freude, Ruhe und Mut hervor, und in den Schwierigkeiten des Weges stützt man sich auf Ihn. "Du verbirgst sie in dem Schirme deiner Gegenwart vor den Verschwörungen der Menschen; du birgst sie in einer Hütte vor dem Gezänk der Zunge" (Ps 31, 20). Ist die Gegenwart Gottes eine wahre und wirkliche Sache für das Herz, so hält sie das Ge­wissen wach und erfüllt das Herz mit ruhigem Vertrauen. ,Nahet euch Gott". 

Um dies tun zu können, ist es nötig, die Hände zu säubern und das Herz zu reinigen, um in keiner Weise wankelmütig zu sein. Gott ist Licht; Er verlangt die Reinheit und die Lauterkeit im Innern. Voll von Güte und Her­ablassung zu uns ist Er bereit, den Schwachen zu helfen, aber Er verschließt Seine Ohren allen Doppelherzigen. Er will, daß bei denen, die begehren, Sich Ihm zu nahen, der Wandel rein und das Herz aufrichtig sei. Kann es anders erwartet werden' Gott hält Sich fern von denen, deren Herz in Seiner Gegenwart nicht offen ist, Er wendet Sich ab von einem Menschen, in dessen Betragen die Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit fehlt und dessen Herz zwischen der Welt und Ihm hin und her schwankt. Er sieht alles, und Er will ein aufrichtiges Herz, das bereit ist, Ihn zu hören. Deshalb ruft Jakobus, indem er an die eitle Freude dieser Welt denkt, die zum ewigen Verderben führt, allen zu, die Ohren haben zu hören, daß sie trauern und weinen möchten, und daß sich ihr Lachen in Traurigkeit verwandle. Die Seele, die mit Einsicht an andere denkt und von Liebe bewegt wird, die des Geistes und demzufolge der Gefühle Christi teilhaftig ist, wird das moralische und sichtbare Elend um sich her tief fühlen; sie wird sich in Christo freuen, aber sie wird trauern über den Zustand der Menschen dieser Welt.

 

Die Sünde hat die Welt unglücklich und elend gemacht, und das größte Elend, dem man auch überall begegnet, sind die durch die Sünde herbeigeführten Leiden. Dennoch wird das Herz mitten in diesem allem die Güte Gottes empfinden; es wird sich des ewigen Heils erfreuen und der Güte, die es erworben hat, und auch der täglichen Erweisungen dieser Güte.

 

Aber es wird nicht die eitle Freude der Welt sein, welche die Leere im Herzen zu verbergen sucht, oder mit dem Lachen das Gefühl des Elendes unterdrücken möchte. Ist man allein, macht sich die Leere und oft auch der Schmerz fühlbar; ist man in Gesellschaft, dann lacht man, um den Schmerz zu vergessen, man will ihn vor anderen nicht eingestehen, andere will man damit nicht belästigen und muß deshalb vorgeben, man sei glücklich. In der Welt kann man nicht wahr gegeneinander sein; aber die Leiden und Trübsale sind wahr. Der Herr konnte weinen, aber nicht lachen; die Liebe und die christliche Gesinnung folgen Seinem Beispiel" sie tun es von Herzen und in Übereinstimmung mit Seinen Gefühlen. Jakobus will, daß die weltliche Freude sich in christliche Gefühle verwandle, in Gefühle der einsichtsvollen Liebe. Im fünften Kapitel sehen wir, daß das Gericht bereit war, über das jüdische Volk und über die Welt hereinzubrechen und somit ihrer falschen Freude ein Ende zu machen. Hier ist die Ermahnung moralisch, dort steht sie mit dem Ende dieser Freude durch die Hand des Herrn in Verbindung.

 

Weiter nun ermahnt Jakobus zur Demütigung vor dem Herrn (V. 10), damit Er uns erhöhe. "Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden". Das ist es, was Christus getan hat (Phil 2), und was Er gesagt hat (Lk 14, 11). "Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade" (i. Petr 5, 5). Dem Menschen geziemt die Demut; sie geziemt ihm in seiner Kleinheit vor Gott, im Bewußtsein der Größe der gött­lichen Gnade und alles dessen, was er jetzt in sich selbst ist. Sogar die unendliche Herrlichkeit die der Gläubige erwartet, ist für ihn Ursache zur Demut wenn er daran denkt, wie un­würdig er ihrer ist. Er weiß, daß er in den Dingen Gottes nichts ohne Ihn erkennen noch tun kann.

 

Jakobus ist hier mit dem Hochmut und dem Stolz des Geistes dieser Welt beschäftigt; beides findet sich auch noch in dem Christen, und deshalb verlangt Jakobus nicht nur Demut, sondern Demütigung. Er hatte ein tiefes Gefühl von der Torheit der Menschen und besonders der Christen, die im Geiste dieser Welt wandelten, indem sie nicht nur körperlich, sondern auch dein Herzen und den Gebräuchen nach mit ihr vermengt waren. Ein solcher Wandel geziemt dem Christen nicht. Die Furcht Gottes, die Tatsache, daß die Welt den Herrn gekreuzigt hat gibt dem Christen das Vorgefühl des Gerichts, das ihrer wartet, wenn er auch nicht den Augenblick weiß, wann es ein treffen wird. 

Es ist aber noch weit besser, wenn das Herz und seine Neigungen von dem verherrlichten Herrn, von dem Morgenstern, und von allem angezogen wird, was im Himmel ist. Neigt jedoch jemand dahin, mit dieser Welt zu wandeln und sich ihr gleichzustellen, so hat die Welt die Oberhand, und es ist nötig, mit einem solchen vom Ende der Welt, vom kommen den Gericht Gottes zu sprechen und ihn zu nötigen, die Stimme und die Drohungen Gottes zu hören, die verkünden, daß "der Tag kommen wird wie ein Dieb in der Nacht". Nimmt er dies zu Herzen, wird ihn der Herr aufrichten und segnen. Wer aber wird den Tag Seiner Ankunft ertragen, wenn Er kommen wird, um die zu richten, die nicht hören wollten? Für den Christen ist die Ankunft des Herrn etwas anderes. Der Herr Selbst sagt uns, daß Er kommen wird, um uns zu Sich zu nehmen, uns zu erhöhen, und in das Haus Seines Vaters einzuführen, in das Er eingegangen ist, um uns eine ewige und himmlische Stätte zu bereiten.

 

Ist man demütig, so braucht man sich nicht zu demütigen, aber der Geist des Menschen erhebt sich wirklich so leicht, daß es für uns nötig ist uns zu demütigen und die Gegenwart Gottes zu verwirklichen. In der Gegenwart Gottes werden wir immer demütig sein; wir werden das Bewußtsein unserer Kleinheit haben, werden an Gott und nicht an uns selbst denken. Die Stolzen erheben heißt nichts anderes als den Stolz nähren, und dieser geziemt weder dem sündigen, noch dem frommen Menschen; daher können Frömmigkeit und Stolz nicht zusammengehen. Gott aber hat Wohlgefallen daran, die Demütigen zu erhöhen, und weil diese Erhöhung von Gott kommt, so ist sie eine Quelle der Dankbarkeit und Freude und nicht des Stolzes. Man ist vor Gott im Gefühl Seiner Güte. Beachten wir, daß es heißt: "Demütigt euch vor dem Herrn",. nicht "vor den Menschen"; es handelt sich um ein wirklich innerliches Werk, das die gute Meinung, die wir von uns selbst haben, zunichte macht und die Gegenwart Gottes verwirklicht. Die Größe Gottes gibt Ihm Seinen wahren Platz im Herzen und sie gibt uns unseren Platz. Ist dies bei uns der Fall, dann ist alles wahr in uns, und wir können der Wahrheit gemäß, als von seiten Gottes, handeln. Die Verse 9 und 10 drücken die Verwirk­lichung der Gegenwart Gottes durch ein Herz aus, das sich inmitten einer Welt der Sünde und des Elends befindet und dies fühlt.

 

"Redet nicht widereinander, Brüder", fährt Jakobus jetzt fort. Das ist eine bestimmte Vorschrift, die viele Zungen zurück. halten würde, wenn sie gehorsam wären. Und ach! wie viel Böses würde dadurch verhütet werden! Die Liebe redet nicht wider den anderen; die Zunge ist aber, wie wir gesehen haben, ein schlimmes Übel, voll tödlichen Giftes, ein kleines Feuer, das einen großen Wald anzündet. Aber mehr noch: "Wer wider seinen Bruder redet oder seinen Bruder richtet, redet wider das Gesetz und richtet das Gesetz"; denn das Gesetz will, daß> der Bruder der Gegenstand der Liebe und Zuneigung sei, nicht aber, daß er verfolgt, übel behandelt oder vor den Augen anderer verächtlich gemacht werde. Geschieht dies, so verlieren wir die Stellung aus dem Auge, in die das Gesetz den Bruder gebracht hat, während es doch unsere Pflicht nach dem Gesetz und unsere Stellung als Bruder ist, sie anzuerkennen. Wenn wir uns als Richter und Gesetzgeber aufwerfen, so übertreten wir das Gesetz: wir sind ihm ungehorsam und befolgen seine Vorschriften nicht, sondern stellen uns über es. Doch nur einer ist Gesetzgeber und Richter, Er, „der zu erretten und zu ver derben vermag;" wer sind wir, daß wir andere richten?

 

Der Schluß unseres Kapitels beschäftigt sich mit dem falschen Vertrauen auf die eigenen Vorsätze unserer Herzen. Das mensch­liche Herz, fern von Gott, meint, seine Schritte selbst lenken zu können, und, ohne an den Willen Gottes, noch an Gott Selbst zu denken, faßt es seine Vorsätze. Das was es tun will, mag an und für sich nicht schlecht sein, noch das Gewissen verletzen oder beunruhigen; aber Gott wird ganz und gar vergessen. Der Mensch handelt ohne Gott, als wenn die Erde ihm überlassen wäre, als wenn Gott Sich zurückgezogen hätte und Sein Wille kein Gewicht in die Waagschale legte. Ein solcher Mensch lebt, was die Religion, was die Ausübung seiner Pflichten in den praktischen Dingen, in dem täglichen Leben betrifft, im Atheismus (Leugnung Gottes). Gott hat keinen Raum in seinen Ger danken. Das Geld, der Ehrgeiz der Weit usw. sind die Dinge, die sein Herz beherrschen, wenn er auch nicht gerade in schlechten Vergnügungen lebt. Er fühlt nicht, daß er Gott angehört, daß er, wenn er ein Christ ist, durch das kostbare Blut Christi erkauft worden ist; er macht seine Pläne nach seinem eigenen Willen, nach seiner eigenen Weisheit und nach seinen Vorteilen in der Welt. Für Gott gibt es da keinen Platz; und ohne Ihn in der Welt jagt er den irdischen Dingen nach und befindet sich tatsächlich nicht in der Gegenwart Gottes.

 Daß wir arbeiten, um das Nötige zu erwerben, ist dem Willen Gottes gemäß, und wir können dafür Seinen Segen erflehen, weil es nach Seinem Willen ist. Davon ist aber hier nicht die Rede, sondern vielmehr von einem Menschen, der sich anmaßt, über seine Zeit zu verfügen und selbst seinen Verdienst zu suchen, ohne dabei auf Gott zu blicken, oder Seine Leitung und die Offenbarung Seines Willens abzuwarten. Er weiß nicht, was der morgende Tag bringen wird; er weiß nicht, ob sein Leben den Abend des folgen den Tages erreicht. Es ist ein Dampf, der eine kleine Zeit sichtbar ist, dann aber verschwindet. So ist das Leben hier. Es geziemt sich, zu sagen: "Wenn der Herr will und wir leben, so wollen wir auch dieses oder jenes tun".

 

"Alles solches Rühmen ist böse". Jakobus widersetzt sich immer und allenthalben jedem Anspruch des menschlichen Willens; er besteht darauf, daß der Wille gebrochen werde, und der Mensch die ihm gebührende Stellung des Gehorsams und der Unterwürfigkeit einnehme. Gott will Seinen wahren Platz haben, Er will, daß der Mensch abhängig und gehorsam sei. jede Tätigkeit und alle Ansprüche des menschlichen Eigen willens sind böse.

 

Noch einen anderen wichtigen Grundsatz finden wir am Ende dieses Kapitels. Wenn man weiß, Gutes zu tun und tut es nicht, so ist das Herz böse, oder wenigstens ist der Zustand eines solchen Menschen schlecht. Die Gnade und die Liebe fehlen. Sein eigenes Interesse suchen, seinen Willen tun, seine eigenen Wünsche befriedigen, das kennzeichnet den natürlichen Men­schen; das Gute tun, das Wohl der anderen suchen und ihnen dienen, ist die Frucht der Liebe. Wenn das Gute gekannt wird und die Gelegenheit sich darbietet es auszuüben der Mensch sie aber nicht benutzt, so ist dies ein Beweis, daß das Herz in einem schlechten Zustande ist; die Liebe zu den anderen und der Wunsch, Gutes zu tun, fehlen. Das Gute unterlassen ist Sünde und beweist, daß es an der Gnade mangelt und der Eigenwille tätig ist.

 

Kapitel 5

 

Das Teil der Getreuen ist nicht in dieser Welt. Christus hat sie für Sich Selbst, für den Himmel erworben, damit sie Ihm in der Herrlichkeit gleichförmig und Seine Miterben seien; denn Seine Liebe will, daß sie alles genießen, was Er Selbst genießt. Seine Liebe ist vollkommen. Hier aber müssen wir mit Ihm leiden. Es ist ein großes uns verliehenes Vorrecht, für Ihn zu leiden; dies ist jedoch nicht aller Teil. Gleichwohl werden alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, verfolgt werden (2. Tim 3, 12), und es ist nicht möglich, den Leiden mit Ihm zu entgehen. Wenn wir den Geist Christi haben, so fühlen wir, wie Er gefühlt hat. Die Heiligkeit und die Liebe leiden beim Anblick der Sünde um uns her, sie leiden wegen des Zustandes der Kirche Gottes und der Seinigen, wegen der Anhäufung des Elends, das uns umgibt, und der Blindheit der Seelen, die weder Christum noch das Heil wollen. jeder hat sein Kreuz zu tragen; zudem erlaubt Gott, daß wir leiden, weil wir durch dieses Mittel Geduld lernen und zugleich erkennen, daß unser Erbteil nicht hier auf Erden ist. Die Erfahrung, die Verwirklichung der praktischen Wahrheit, befestigt sich im Herzen, und die Hoffnung im Herzen wird viel klarer und mächtiger. Allerdings setzt dies voraus, daß die Liebe Gottes durch den Heiligen Geist ins Herz ausgegossen ist. Wo dies nicht der Fall ist, da erlaubt Gott die Leiden und schickt sie sogar, um das Herz zu erneuern.

 

Jakobus wendet sich mit einer scharfen Zurechtweisung an die Reichen, die Güter in dieser Welt besaßen und keine Rüd‑, sicht auf die Armen nähmen, während doch geschrieben steht: "Glückselig, wer achthat auf den Armen" (Ps 41, l)! Wer den Armen verachtet, weil er arm ist verachtet den Herrn Selbst: "Ich aber bin elend und arm", sagt der Herr im vorhergehenden Psahn (40, 17). Der Herr hatte, als Er auf Erden war, Seine Segnung über die Armen ausgesprochen, und ihnen war das Evangelium gepredigt worden; dies kennzeichnete den Messias, Wir wissen alle, daß ein Armer ein ebenso schlechter Mensch sein kann wie jeder andere, aber die Reichtümer sind eine be­sondere Gefahr für uns' weil sie den Stolz nähren und geeignet sind, das Herz von den Armen zu entfernen, zu denen der Herr Sich in dieser Welt gesellte. ‑ . . daß er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, auf daß ihr durch seine Armut reich wür­det" (2. Kor 8, 9). Die Reichen aber, an die sich Jakobus hier wen­det, waren im Bösen weiter vorgeschritten sie unterdrückten die Armen und zahlten ihnen den Lohn ihrer Arbeit nicht aus. Jakobus versetzt uns in die Zeit der letzten Tage. 

Das Geschrei der Armen ist vor die Ohren des Herrn Zebaoth gekommen. Er fordert die Reichen auf, zu weinen und zu heulen wegen des Elends, das über sie kommt. Sie hatten auf der Erde üppig gelebt und geschwelgt. Und nicht nur das, sondern während sie in ihrer Üppigkeit lebten, wollten sie in der Befriedigung ihrer Lüste durch niemand gestört werden. Sie haben den Gerechten verurteilt und getötet. Er hat ihnen nicht widerstanden. Sie wollten sich den Genuß dieser Welt sichern in jener falschen Ruhe, die weder an Gott, noch ans Gericht noch an den Tod denkt. Wachte das Gewissen auf, so wurden sie beunruhigt, und deshalb verhärteten sie sich, so viel sie konnten, um zu verhindern, daß es aufwachte. Bis jetzt hat Gott den Lauf dieser Welt nicht geändert hätte Er es getan, so wäre Er genötigt gewesen, das Gericht zu vollziehen; stattdessen ist Er immer noch zu Gunsten der Bösen und Sünder in Liebe tätig. Er schlägt sie nicht, aber dessenungeachtet verzieht Er nicht die Verheißung, sondern Er ist langmütig gegen uns, da Er nicht will, daß irgendwelche verlorengehen, sondern daß alle zur Buße kom­men (2. Petr 3, 9). Die Christen sollen daher ihre Herzen ermuntern, geduldig bleiben und dem äußeren Übel sich unter­werfen bis zur Ankunft des Herrn, wie auch Christus, der das Gute tat gelitten hat und geduldig geblieben ist. Der Christ ist ermahnt Seinen Fußstapfen zu folgen. Unser Teil ist nicht in dieser Welt; wenn wir leiden, indem wir Gutes tun (i. Petr 2, 20), so ist dies wohlgefällig vor Gott vor allem, wenn es für Christum Selbst geschieht. Das Leben des Heilandes war nur Leiden und Geduld; jetzt aber ist Er verherrlicht bei Gott, dem Vater. Bald wird Er zum zweiten Mal in diese Welt kommen in der Herrlichkeit des Vaters, in Seiner eigenen Herrlichkeit und in der Herrlichkeit der Engel; und dann wird Er "verherrlicht werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben" (2. Thess 1, 10). An jenem herrlichen Tage, wenn die Ärmsten der Seinigen, die von den Feinden der Wahrheit unterdrückten Christen, dem Herrn Selbst in der Herrlich­keit gleich sind, werden wir uns rühmen, gewürdigt gewesen zu sein, für Ihn zu leiden und inmitten der ungerechten Leiden des christlichen Lebens in Geduld und Stillschweigen ausgeharrt zu haben. Glückselig die, welche Er wachend finden wird! "Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen und hinzutreten und sie bedienen" (Lk 12, 37). Welche Freude! Welche Gnade! Es wird des Heilands eigene Ehre sein, uns in den Ge­nuß der himmlischen Glückseligkeit im Hause des Vaters einzu­führen und uns alles aus Seiner eigenen Hand empfangen zu lassen. Wohl ist es der Mühe wert, ein wenig und auf kurze Zeit für Ihn zu leiden und hernach eine himmlische Glückseligkeit zu besitzen, die uns die Hand und das Herz Jesu Selbst zuteilen. Wir werden mit Ihm herrschen; es ist die Frucht der Arbeit, die zu vollbringen Er uns gewürdigt hat. Wäre es nur ein Becher Wasser, der im Namen Jesu gegeben ist, der Geber wird seinen Lohn nicht verlieren. Aber noch viel köstlicher wird es sein, im Frieden zu sitzen und die ewigen Güter im Vater. hause zu genießen, die Christus uns in Fülle darreichen wird. Kostbares Zeugnis Seiner Anerkennung und Seiner Liebe (vgl. Lk 12, 35‑44)1

 

Beachten wir hier, wie die Ankunft des Herrn damals eine gegenwärtige Hoffnung bildete. Wer niedergebeugt war, sollte Geduld haben bis zur Ankunft des Herrn. "Habt nun Geduld, Brüder", sagt Jakobus, "bis zur Ankunft des Herrn". Vielleicht mag jemand sagen: Sie sind also getäuscht worden. Gewiß nicht; wohl kann es geschehen, daß wir vor der Ankunft des Herrn entschlafen, und wir wissen, daß es bei jenen der Fall war. Wenn aber der Herr kommen wird, so werden sie alle die Früchte ihres Ausharrens ernten. Und auch bis zu jener Stunde sind sie beim Herrn, zwar ausheimisch von dem Leibe, aber einheimisch bei dem Herrn, und sie werden mit Ihm kommen und dann die Frucht ihrer Leiden genießen, in denen sie aus Liebe zu Seinem Namen geduldig ausharrten und Ihn hier zu verherrlichen suchten. Obige Ermahnung zeigt aber deutlich, wie diese Hoffnung damals eine in ihnen gegenwärtige Hoff­nung war und das ganze Wesen des christlichen Lebens durchdrang. Es war nicht eine bloße Idee, ein Gegenstand der Erkenntnis, den man auswendig gelernt hatte, oder ein Artikel des Glaubensbekenntnisses. Sie erwarteten den Herrn persönlich. Welch ein Trost für die Armen und Unterdrückten, aber auch welch eine ernste Schranke für die Reichen, das Bewußt sein zu haben, daß der Herr bald kommt, daß alle Not aufhört und wir für immer bei Ihm sein werden, der uns also geliebt hat! Nichts macht uns so los von der Welt als die Erwartung des Herrn. Ich sage nicht die Lehre von Seiner Ankunft sondern die wahrhaftige Erwartung des Herrn. Sein Kommen trennt uns für immer von der Welt. Das Herz wartet bis zu Seiner Ankunft.

Bis, Er kommt verkündigen wir im Abendmahl den Tod des Herrn. Wir feiern ihn mit Danksagung, indem wir uns Dessen erinnern, Der uns geliebt hat, und indem wir uns von Seiner Liebe nähren, bis Er kommt, um uns zu Sich zu nehmen, damit wir bei Ihm seien. In dem Abendmahl finden wir überhaupt den Ausdruck von allem, was das Wesen des praktischen Christentums ausmacht, und durch den Heiligen Geist sind wir fähig, dies in der Feier jenes Mahles zu verwirklichen.

 

"Habt auch ihr Geduld, befestiget eure Herzen". Wenn wir unsere Stellung wirklich verstanden haben, so warten wir immer; aber welches auch unsere Wünsche sein mögen, wir können dem Herrn nicht befehlen, zu kommen, auch können wir nicht wissen, wann Er kommen wird. Und Ihm sei Dank dafür! Der Herr ist geduldig, und so lange es noch eine Seele gibt, die durchs Evangelium herzugerufen werden soll, wird Er nicht kommen. Sein ganzer Leib, Seine Braut, muß gebildet, jedes Glied muß anwesend, bekehrt und mit dem Heiligen Geist versiegelt sein. Ist dies geschehen, so wird Er kommen und uns zu Sich nehmen. Christus Selbst sitzt auf dem Thron des Vaters, nicht auf Seinem eigenen. Auch Er wartet auf jenen herrlichen Augenblick, und gewiß mit größerer Liebe, als wir es tun. Des­halb wird von dem "Ausharren des Christus" gesprochen. Das ist der wirkliche Sinn von Offb 11 9, wie auch von Kapitel 3, 10, wo wir lesen: "Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast", sowie von 2. Thess 3, 5: "zu dem Ausharren des Christus". Diese drei Stellen enthalten das gleiche Wort. Im Brief an die Hebräer (Kapitel 10, 12) werden wir belehrt, daß Christus Sich "gesetzt hat zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße". Wenn Christus wartet, so können wir sicher auch warten, sei es auch in Kampf und Leiden. Er erwartet den Augenblick, wo Er sowohl im Himmel als auf Erden regieren und völlige Segnung über die Seinigen ausschütten wird, und wo Er auch das Böse aus beiden Örtern verbannen wird.

 

Es ist also nötig, Geduld zu haben, damit weder der eigene Wille, noch die Ermattung im Kampf sich unserer Seelen bemächtige. Wir können versichert sein, daß die von Gott er wählte Zeit die beste und gerade diejenige ist, die Seine göttliche Weisheit und Liebe für die Seinigen bestimmen kann. Richten wir unseren Blick auf den Herrn und auf die himmlischen Dinge, damit wir Ihn mit Verlangen, mit aufrichtigem Herzen und festem Vertrauen erwarten, indem wir Seine An­kunft der Entscheidung Gottes überlassen. Möge unser Herz ein völliges Vertrauen in Seine Liebe haben! Laßt uns, in der Gewißheit, daß der Herr mit mehr Liebe auf uns wartet, als wir auf Ihn, ruhig sein im Vertrauen, und geduldig auf der Reise, durch die Wüste! Es ist köstlich für das Herz, Christum zu erwarten und mit Ihm eine Fülle von Freuden. Und Gott sei Dank! Sein Wort sagt: "Seine Ankunft ist nahe gekommen".

 

Jakobus hebt zwei praktische Folgen hervor, die aus dieser Erwartung des Herrn entspringen. Er ermahnt die Gläubigen zunächst, den Bösen nicht zu widerstehen. Der Gerechte hat ihnen nicht widerstanden. Es bedarf des geduldigen Wartens, wie der Ackersmann die köstliche Frucht der Erde und ihretwegen den Früh und Spätregen erwartet, Mittel, deren sich Gott bedient, um die Früchte Seiner Ernte zur Vollkommenheit zu bringen. Der Christ soll sein Herz befestigen, während er die Widerwärtigkeiten des Lebens und die Verfolgungen der Welt zu ertragen hat, der Welt, die sich stets feindlich gegen den Herrn beweist, und dabei jener Erwartung eingedenk sein. Dann ermahnt Jakobus die Gläubigen, nicht in einem Geiste des Seufzens und des Zankes untereinander zu wandeln. Wenn wir den Herrn erwarten, so ist das Herz ruhig und zufrieden; man erbittert sich nicht wider die Verfolger, sondern erträgt viel­mehr die Trübsale der Wüste mit Geduld und hält aus, wie Christus ausgehalten hat, indem Er litt, das Unrecht ertrug und auf Gott vertraute. Man ist zufrieden und ruhig und in einem glücklichen und liebevollen Geiste; denn einem glücklichen Herzen fällt es nicht schwer, liebevoll zu sein. Die Ankunft des Herrn wird alles in Ordnung bringen; unsere Glückseligkeit besteht nicht in den Dingen, die hier sind. Dies sagt auch Pau­lus in Phil 4, 5: "Laßt eure Gelindigkeit kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe". Welch eine wirkliche und gegenwartsnahe Sache ist durch die Erwartung des Herrn! Welch eine Macht übt sie auf das Herz aus! "Der Richter steht vor der Tür".

 

Jetzt folgen einige Beispiele. Die Propheten sind Exempel des Leidens und der Geduld. Man liebte sie und pries sie selig in ihren Leiden. Doch waren sie nicht die einzigen; auch noch andere befanden sich in Trübsalen und schätzten sich glücklich darin. Sehen wir zum Beispiel jemanden für den Namen Jesu ungerecht leiden, und er ist geduldig und gelinde, sein Herz ist seinen Verfolgungen mehr zugeneigt, als gegen sie empört, so sind wir Zeugen der Macht des Glaubens und des Vertrauens auf die Liebe und Treue des Herrn. Ist ein solcher ruhig und voll Freude, so sagen wir: "Wie macht doch die Gnade diesen Menschen so glücklich!" und wir selbst sind glücklich im Leiden, oder sollten es wenigstens sein. Es ist aber etwas ganz anderes, jemanden zu bewundern, der vom Geiste Christi un­terstützt wird, als sich der Trübsale zu rühmen, wenn man sich selbst darin befindet. Ein gebrochener Wille, Vertrauen auf Gott, die Gemeinschaft mit Dem, Der für uns gelitten hat, das muß in uns sein, um uns der Leiden rühmen zu können.

 

Ein anderes Beispiel wird uns hier in Hiob vorgestellt, dies jedoch zu dem Zweck, um uns das Ende des Herrn zu zeigen, der voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist. Dennoch ist das Exempel überaus lehrreich. Hiob war "vollkommen und rechtschaffen und gottesfürchtig und das Böse meidend" (Hiob 1, 1). Aber er fing an, Gefallen an sich selbst zu haben; er tat Gutes und dachte an sein Gutestun; eine verborgene Selbstgerechtigkeit befleckte seine Frömmigkeit. Doch Gott zieht Seine Augen nicht ab von dem Gerechten (Hiob 36, 7). Er sah die Gefahr Hiobs und richtete die Aufmerksamkeit Satans auf ihn. Gott machte den Anfang. Satan, der Verkläger der Heiligen, drängt darauf, daß Hiob angetastet werde. Gott gestattet ihm, ihn zu versuchen und ihm nach seinem Willen zu tun, setzt aber seiner Bosheit Grenzen. Satan geht jetzt so weit wie es ihm erlaubt ist, aber Hiob bleibt unterwürfig und sündigt nicht mit seinen Lippen (Kap. 2, 10). Satan verharrt in seinen Anklagen und dringt auf eine Verstärkung der Ver­suchungen: "Aber strecke einmal deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an, ob er sich nicht offen von dir lossagen wird" (Kap. 2, 5). Gott gibt ihn jetzt in Satans Hand, nur soll er seines Lebens schonen. Doch Hiob blieb treu und sündigte nicht. Er hatte das Gute aus der Hand Gottes angenommen, wie sollte er das Böse nicht auch annehmen? Sein Weib versuchte ihn vergeblich.

 

Durch die Gnade trug die Geduld Hiobs den Sieg über Satan davon; Satan vermochte ihn nicht zu erschüttern. Durch Gottes Gnade war die Kraft des Feindes überwunden. "Von dem Aus. harren Hiobs habt ihr gehört". Das Werk Gottes zu seiner Segnung war aber noch nicht vollbracht. Gott hatte durch Seine Gnade sein Herz wider den Feind gestärkt, und Hiob hatte seine Treue an den Tag gelegt. Durch Satan, als Werkzeug in den Wegen Gottes, war mittels der Not, die er über Hiob brachte, vieles geschehen. jedoch das Herz Hiobs war noch nicht erreicht; er kannte sich selbst nicht. Freilich war er praktischer­weise durch die Gnade Gottes von den Anklagen Satans gerechtfertigt; aber hätte es damit sein Bewenden gehabt, so wäre sein Zusand schlechter, oder wenigstens die Gefahr für ihn größer gewesen, als je zuvor. Er hätte sagen können: Ich war sanftmütig und gütig im Glück, und jetzt bin ich geduldig im Unglück. Gott mußte notwendigerweise Sein Werk, vollbringen und Hiob mußte sein eigenes Herz kennenlernen.

 

Die Freunde Hiobs besuchten ihn und setzten sich schweigend zu ihm, entsetzt über den Zustand, in dem sie ihn fanden. Ach, wie oft erwacht der Stolz vor den Augen des Menschen, wenn er verletzt worden ist l Das Herz füllt sich mit Zorn; angesichts der Teilnahme wankt die Festigkeit. Alles, was im Grunde des Herzens Hiobs verborgen, gewesen war, zeigte sich jetzt in der Gegenwart seiner Freunde. Er verfluchte den Tag seiner Geburt. jetzt ist Hiob nackt, und zwar nicht nur vor Gott, denn das sind wir immer, sondern, was so überaus schmerzlich ist auch vor seinen eigenen Augen. Wo ist jetzt seine liebreiche Wohltätigkeit? Er streitet mit Gott; er behauptet, gerechter zu sein als Gott. Dessenungeachtet ist es schön zu sehen, daß im Grunde seines Herzens gerechte und wahre Gefühle in bezug auf Gott vorhanden sind. Gott wäre nicht wie ihr, wenn ich Ihm begegnen könnte, sagt er zu seinen Freunden; Er würde Worte in meinen Mund legen. Seine Freunde behaupten, diese Welt sei eine vollkommene Entfaltung der Regierung Gottes, und infolgedessen müsse Hiobs Bekenntnis seiner Frömmigkeit nur Heuchelei sein. 

Diesem ungerechten Urteil widersetzt sich Hiob und besteht darauf, daß dar, Böse, wenn auch die Hand Gottes Sich dann und wann offenbare, dennoch in dieser Welt seinen Lauf habe, ohne daß Gott Sich damit beschäftige; denn die Gesetzlosen gedeihen. Doch Hiob macht der Bitterkeit seines Herzens Luft. Elihu straft ihn darüber, daß er sich für gerechter halte als Gott; denn es bestehe wirklich eine Regierung Gottes über die Seinigen, Er ziehe Seine Augen nicht ab von den Gerechten und züchtige sie, weil Er sie liebe. Dann offenbart Sich Gott und zeigt dem Hiob, wie töricht es ist mit Ihm zu rechten. Hiob erkennt seine Schlechtigkeit und sein Nichts, und anstatt wie früher zu sagen: "Wenn das Auge mich sah, so legte es Zeugnis von mir ab" (Kap. 29, 11), sagt er jetzt: "Nun hat mein Auge dich gesehen, darum verabscheue ich mich und bereue in Staub und Asche" (Kap. 42, 5. 6). Er sieht was er vor Gott ist, Jetzt konnte Gott ihn segnen, und Er hat es mehr getan als im Anfang. Das ist das Ende des Herrn. Hiob hat in der größten Not und in den Prüfungen ausgeharrt; Gott hat sein Herz er­forscht und ihn dann reichlich gesegnet (V. 11).

 

Jakobus verfolgt jetzt den Gegenstand, welcher der eigent­liche Zweck seiner Belehrungen ist. Er will nicht daß der Wille wirke, noch, daß das Fleisch sich offenbare; er besteht darauf, daß die Bewegungen der Natur im Zaum gehalten werden und das Herz sich jenen Regungen der Ungeduld nicht überlasse, zu welchen das fleischliche Herz so sehr geneigt ist. Wenn man schwört so läßt man diese Ungeduld des Herzens wirken. Man vergißt die Herrlichkeit und Majestät Gottes, wenn man Ihn durch das zügellose Fleisch einführt, um einer Behauptung Gültigkeit zu verschaffen, oder ein ohne Ehrerbietung aus gesprochenes Gelübde zu unterstützen. Oder man setzt an Gottes Statt irgendeine Kreatur, die man mit der Autorität und Macht bekleidet, die Gott allein angehören. Einem solchen Ver halten liegt der nicht unterworfene Wille und die zügellose Leidenschaft des Herzens zugrunde. In dem Gefühl seines Unvermögens, die Wirkung seiner Gedanken und Worte sichern zu können, führt der Mensch Gott ohne Ehrfurcht ein, so wie ein Heide bei vorkommender Gelegenheit eine vergötterte Kreatur einführte. Es handelt sich hier nicht um die Lust, sondern um das Ungestüm des zügellosen Fleisches (vergl. Kol 3,8). Es ist der Mangel an Ehrerbietung, die Anmaßung und die Unabhängigkeit des menschlichen Geistes auf seinem Höhepunkt. Darum sagt Jakobus: "Vor allem aber schwöret nicht. .' Wir sollen in Ruhe und Gelassenheit mit ja oder Nein das bestätigen, was wir zu sagen haben; ruhig in der Furcht Gottes. Es ist von hoher Bedeutung, daß wir die Regungen der Natur in Schranken halten. Wir würden es tun, wenn wir Gott stets vor Augen hätten. Gewiß werden wir es einem Menschen gegenüber tun, dem wir gefallen möchten. Gott aber ist stets gegenwärtig, und wenn wir es an dieser Ruhe und Mäßigung fehlen lassen, so beweisen wir, daß wir Seine Gegenwart vergessen haben.

 

Weiter ist Jakobus bemüht, die Seele von den Gewohnheiten der Welt zu befreien (V. 13). Die Menschen suchen sich zu täuschen, indem sie sich die traurigen Gedanken, die Mühen und Sorgen, denen sie nicht entfliehen können, aus dem Sinn schlagen, in welchen Gott Ihm sei Dank dafür! in Seiner Liebe und Sorge für uns dem Herzen eine Hilfe und einen Zufluchtsort darbieten. Er will nicht daß wir für die Mühen dieses Lebens gefühllos sind. Er schickt sie zu unserem besten. Es fällt ja kein Sperling zur Erde ohne unseren Vater, nicht nur ohne den Willen Gottes, sondern ohne den Gott, der uns wie ein zärtlicher Vater liebt, der uns wohl züchtigen kann, der aber immer an uns denkt. Er züchtigt uns nur, um uns zu heiligen und unsere Herzen Ihm näher zu bringen. Wenn man sich Gott in den Trübsalen nähert, so ist der Wille unterworfen, und das Herz wird getröstet und ermuntert. Gott Selbst offenbart Sich der Seele und wirkt durch Seine Gnade, und im Bewußtsein Seiner Gegenwart sagt man: "Es ist gut für mich, daß ich ge­demütigt ward' (Ps 119, 71). Daß wir nahe bei Gott sind, ist aber nicht alles, sondern wir öffnen Ihm auch unsere Herzen; weil Er voller Gnade ist, will Er, daß wir dies tun. Er will, daß wir Ihm vertrauen, daß wir nicht nur Seinem Willen unterworfen sind, sondern Ihm auch alle unsere Sorgen mitteilen: "Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kund werden, und der Friede Gottes, der allen Verstand Übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christo Jesu" (Phil 4, 6. 7). Hier handelt es sich um die Sorgen, aber auch in den Trübsalen finden wir in gleicher Weise Trost und Ruhe. "Der uns tröstet in all unserer Drangsal", sagt der Apostel, er ruft den Vater der Erbarmungen und den Gott alles Trostes an. Im Brief an die Philipper wird das Herz mit Frieden erfüllt durch die Tröstungen, die ins Herz ausgegossen werden. Dies kann mittels der Umstände geschehen, wie Paulus in 2. Kor 7, 6 sagt: "Der aber die Niedrigen tröstet, Gott, tröstete uns durch die An­kunft des Titus". Er war ganz niedergeschlagen, weil er Titus nicht angetroffen hatte, den er zu den Korinthern, die sehr schlecht wandelten, gesandt hatte. Paulus hatte die fürs Evangelium in Troas geöffnete Tür verlassen, und sein Herz war so weit gekommen, daß er es bereute, seinen ersten inspirierten Brief geschrieben zu haben. Sein Glaube sank unter den Höhe­punkt der Macht Gottes herab, die ihn angetrieben hatte, den Brief zu schreiben. In Mazedonien angekommen und noch auf dem Wege, um Titus zu begegnen, gibt er jedoch Zeugnis von Christo, wiewohl sein Fleisch keine Ruhe hatte; denn er sagt: "Allenthalben waren wir bedrängt; von außen Kampf, von innen Befürchtungen". Gott läßt den Apostel seine Schwachheit fühlen; doch es lohnt sich der Mühe, betrübt zu sein, wenn Gott Selbst unser Tröster wird. Titus kam und brachte gute Botschaft von der Wirkung des ersten Briefes, so daß der Apostel mit Freude erfüllt wurde. 

Es geschieht oft, daß Gott Selbst die Trübsal abkürzt, das Herz mit Freude erfüllt und Seinen Trost ins Herz ausgießt. Bei aller Trübsal ist das Gebet unsere Zuflucht; wir erkennen unsere Abhängigkeit ‑an und vertrauen auf die Güte Gottes. Das Herz naht sich Ihm. Es gibt Ihm sein Bedürfnis und seinen Kummer kund und legt sie am Thron der Gnade und an Seinem Herzen nieder; und Gott ant­wortet entweder durch erfreuliche Umstände oder dadurch, daß Er uns Seine Tröstungen zuteil werden läßt. Dies letztgenannte ist eine viel köstlichere Antwort als das äußere Glück. Gott macht es immer so, wie es für uns am besten ist; Er handelt nach Seiner vollkommenen Liebe.

 

Wenn die gottesfürchtige Seele sich unter dem Einfluß der ­Gnade befindet, überläßt sie sich Gott auch im Glück; wenn sie aber bei der Ursache der Freude stehenbleibt, ist sie in Gefahr. Gleichwie Gott aber ein Zufluchtsort in der Trauer ist, so ist Er auch das Teil der Seele im Glück. Wenn ich etwas habe, das mich erfreut, teile ich es meinem treuen Freund mit, damit er sich mit mir freue, und so wird es zu einer doppelten Freude.

 

In der uns vorliegenden Stelle (V. 13) finden wir jedoch noch mehr, weil das Herz fühlt daß Gott die Quelle der Segnung und die Ursache der Freude ist. Und wäre auch kein besonderer Anlaß zur Freude da, so ist doch das Herz fröhlich, und die gottesfürchtige Seele, die in Gemeinschaft mit Gott lebt, will ihre Freude mit Ihm genießen. Wenn aber die Seele sich aus­schließlich der Freude überläßt so wird sie eitel und leichtfertig; das Herz entfernt sich von Gott, und die Torheit nähert sich ihm. In der Not fühlen wir die Abhängigkeit von Gott während wir im Glück in Gefahr sind, sie zu vergessen, und nicht selten endigt die Freude mit einem Fall. Kommt es auch nicht immer so weit so ist doch das Fleisch in Tätigkeit und Gott wird vergessen. Jakobus dringt darauf, dies ist überaus wichtig für den Christen, daß die Freude nicht ohne Frömmigkeit sei. Denkt man in der Freude an Gott dann drückt sie sich durch Psalmen und Danksagung gegen Ihn aus; Gott ist in der Freude und im Glauben gegenwärtig; die Gemeinschaft und die geist­liche Kraft werden durch das Gefühl Seiner Güte vermehrt. Auf diese Weise ist man eifrig in seinem Tagewerk, man ist er. muntert und 'gestärkt für die Arbeit der Wüste und hat ein tieferes Bewußtsein davon, daß Gott für uns ist.

 

Die Trübsal und die Freude führen Jakobus zu einer ande­ren Sache, die unter den Christen vorkommt zu der Krankheit, die häufig, wenn auch nicht immer, eine Züchtigung vom Herrn ist. Krankheit und Tod sind durch die Sünde in die Welt ge­kommen, und man findet sie zu jeder Zeit in der menschlichen Geschichte. Und obwohl diese übel jetzt einen Teil des natür­lichen Zustandes des Menschen bilden, gebraucht Gott sie doch, um Seine Söhne zurechtzuweisen. In beiden Fällen, handle es sich nun um übel, die der Menschheit angehören, oder um solche, die. eine Züchtigung Gottes sind, bedient Gott sich jetzt ihrer, wenn das Herz, statt alles gleichgültig zu betrachten, was ihm begegnet, sich Gott naht der an die Leiden der Seini­gen denkt und achthat auf die Unterwürfigkeit und auf das Schreien derer, die Er züchtigt.

 

"Das Gebet des Glaubens wird den Kranken heilen, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden" (V. 15). Der Kranke hat die Hand Gottes in seiner Krankheit erkannt und Gott antwortet dem Glauben dessen, der zu Ihm betet. Es gibt in den Wegen Gottes zweierlei Arten von Vergebung; zunächst in bezug auf die Rechtfertigung für die Ewigkeit (siehe Röm 4 und Hebr 10). Es ist die Segnung derer, die an die Wirksamkeit des Blutes Christi glauben ‑ ihre Sünden werden ihnen nicht mehr zugerechnet. "Welche er berufen hat, diese hat er auch gerecht­fertigt; welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht" (Röm 8, 3o). Gott hat Sich auf dem Kreuz mit ihren Sünden beschäftigt; Er hat sie für immer ausgetilgt und will ihrer nie mehr gedenken. Außerdem hat Gott Seine Regierung; es ist die Regierung eines Vaters, aber eines heiligen Vaters, der Seine Kinder zu sehr liebt, um ihnen gestatten zu können, im Bösen zu wandeln.

 Wenn Elihu im Buch Hiob sagt, daß Gott Seine Augen nicht abziehe von dem Gerechten, und hiermit die Segnung andeutet, die selbstverständlich aus der Gunst Gottes hervorströmt und die Wirkung Seiner Gnade ist, so spricht er gleich darauf von der Züchtigung, eine deutliche Erklärung darüber, was sich mit Hiob zutrug. Auch hier setzt der Geist Gottes die Möglichkeit voraus, daß ich mich in einem solchen Falle befinden kann, denn Er spricht von den Vergehungen, doch ist dies nicht immer so. In Hiob 33 lesen wir, daß Gott redet und die Unterweisungen, die Er den Menschen gibt, be­siegelt, "um den Menschen von seinem Tun abzuwenden und auf daß er Obermut vor dem Manne verberge" (V. 16. 17). Er kommt dem Bösen zuvor, wie bei Paulus (2. Kor 12). Er de­mütigt den Menschen, um ihn für die Segnung zuzubereiten. jedenfalls läßt Er denen, die Ihn lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken (Röm 8, 28).

 

Wenn der Wille nicht gebrochen ist, so weint und murrt man und erhebt sich wider Gott; wenn sich aber die Seele Ihm über läßt und Seine Hand erkennt, sei es in dein Übel, welches das natürliche Erbteil des sündigen Menschen ist, (doch nie ohne die Hand und den Willen Gottes) sei es in einer unverkennbaren Züchtigung, sei es endlich in etwas, dessen Ursache und Zweck uns unbekannt ist, so wendet man sich zu Gott; man sieht in seinem Zustand die Wirkung Seines Willens, und als solche, die Ihm unterwürfig und von Seiner Macht und Seinem Willen abhängig sind, sucht man das Hilfsmittel in Seiner Gnade. Der Glaube der wahren Christen allein kann die Antwort und die Segnung von oben herbeiführen.

 

Hier redet Jakobus nicht mehr von der Synagoge, sondern von der Versammlung. Für die Segnung ist der wahre Glaube erforderlich; nun hat aber Gott die Segnung in die Versammlung der wahren Gläubigen gesetzt, dort ist man, durch den Glauben, unter Seiner Regierung und Zucht. Wenn die Sünde sich offen zeigt, so daß man von jemand, der sich Bruder nennt, sagen kann: "er ist ein Böser", dann ist es die Pflicht der Versammlung, ihn auszuschließen. Dann sind die Sünden auf den Ausgeschlossenen gebunden; wenn er sich demütigt und von Grund des Herzens seine Sünde bekennt, soll die Versammlung ihn wieder aufnehmen (2. Kor 2). Alsdann hat der Sünder Vergebung im Wege der Regierung (2. Kor 2, 7. 8); die Banden sind gelöst. Und dies hat seine Gültigkeit, wenn zwei oder drei im Namen Christi, in der Einheit und Macht des Heiligen Geistes versammelt sind (Mt 18), denn nur durch den Geist kann diese Zucht in Wahrheit ausgeübt werden. Auch ist es nötig, daß die Versammlung als solche es tue, nicht nur, weil die Verheißung ihr angehört, sondern auch damit sie selbst sich reinige. An sie ist die Ermahnung in 2. Kor 2, 7. 8 gerichtet.

 

Die Bestätigung dieser feierlichen Handlung geschieht durch die Gegenwart Jesu nach Seiner Verheißung.

 

Hier in Jakobus handelt es sich nicht um Sünden, welche das Urteil der Versammlung bezüglich eines einzelnen hervorrufen, sondern um die Wege Gottes Selbst in den gewöhnlichen Um ständen des Lebens, und zwar ganz besonders um die Züchti­gung von seiten Gottes. Indem der einzelne die Hand Gottes anerkennt und das, was ihm begegnet, nicht als einen bloßen Zufall betrachtet, sucht er die Dazwischenkunft Gottes nach Seiner Gnade. Die Versammlung nun ist der Ort, wohin Gott Seinen Namen und Seine Segnung gesetzt hat; sie ist die von Ihm bestimmte Verwalterin Seiner Gnade. Christus ist dort; und als die Versammlung noch in Ordnung war, keß der Kranke die Ältesten, die über sie wachten, rufen, um die Gnade und Segnung Gottes zu genießen. Dennoch war es der persönliche Glaube, der durch das Gebet die besondere Segnung des Himmels vermehrte, "das Gebet des Glaubens", wie geschrie­ben steht. Die Ältesten waren nur ein Zeichen dieser besonderen Dazwischenkunft Gottes, wie man es in Mk 6, 13 sieht. Dort geschah ein Wunder durch die, welche Christus zu diesem besonderen Zweck ausgesandt und zu dem Zweck mit Kraft ausgerüstet hatte; hier wird die Segnung Gottes inmitten der Versammlung durch ihre Häupter mitgeteilt unter der Bedingung, daß Glauben da war. jetzt besteht die Ordnung nicht mehr, aber Christus vergißt Seine Versammlung nicht. Die Verheißung für zwei oder drei, die in Seinem Namen ‑und auf Grund der Einheit der Seinigen versammelt sind, bleibt stets gesichert; und wenn die, welche jetzt wachen, Glauben haben, so wird auch die Antwort Gottes nicht ausbleiben. Man darf nicht erwarten, daß die Segnung ihren natürlichen Lauf habe, wenn die Kanäle verdorben und im Verfall sind. 

Die Sache bleibt jedoch stets dieselbe, und die Macht Gottes ist unveränderlich. Wie köstlich ist es, dies zu wissen! Als der Herr die Jünger wegen ihres Unglaubens getadelt hatte, fügte Er un­mittelbar hinzu: "Bringet ihn zu mir"; und der Knabe wurde geheilt (Mk 9, 19). Jakobus erwähnt daher den Elias, der ein Mensch von gleichen Gemütsbewegungen wie wir war; aber als Antwort auf sein Gebet regnete es drei Jahre und sechs Monate lang nicht. Die äußere Ordnung der Versammlung ist, wie schon gesagt, verlorengegangen, aber die Macht, die Liebe und die Treue des Herrn bleiben unveränderlich dieselben. Er kann uns fühlen lassen, daß es um der Sünde der Versammlung willen nicht mehr ist, wie es im Anfang war. Aber dennoch bleibt es wahr, daß da, wo Gott den Glauben gibt, die Antwort von Seiner Seite nie fehlen wird. Es ist keine Frömmigkeit, wenn man nicht fühlt, wieviel die Versammlung durch ihre Untreue seit den Tagen der Apostel verloren hat; aber es ist ebensowenig Frömmigkeit an der Macht Christi zu zweifeln, wenn Gott den Glauben verleiht um sich ihrer zu bedienen.

 

Jakobus sagt: "Die Sünden werden ihm vergeben werden. Wenn der kranke Bruder in sich geht indem er die Hand Gottes erkennt so werden ihm die Sünden, wenn sie die Züchtigung Gottes herbeigeführt und die Heilung des Kranken verhindert haben, insofern es sich um die Zucht Gottes in Seiner Regierung handelt vergeben werden. Diese Zucht zeigte sich durch die Züchtigung, d. h. durch die Krankheit; wenn diese beseitigt ist, ist auch die Zucht zu Ende, und die Sünden sind vergeben.

 

Wir begegnen hier aber einer noch allgemeineren Unterweisung, die jedoch von dem Zustand der Versammlung abhängt. Wir haben gesehen, daß zur Zeit, als alles noch in Ordnung war, der Kranke die Ältesten rufen sollte; dies kann auch heute noch geschehen, wenn man diejenigen ruft, die zufolge ihres Dienstes Älteste sind. Nur muß der von Gott gewirkte und also durch Ihn tätige Glaube in ihnen vorhanden sein. Welches aber auch der Zustand des Verfalls sein mag, in dem die Versamm­lung Gottes sich befindet, jedenfalls können die einen den anderen ihre Vergehungen bekennen, die einen für die anderen beten, auf daß sie geheilt werden. Dies bedarf keiner eingerichteten Ordnung, setzt aber die Demut, das Vertrauen und die Liebe unter den Brüdern voraus. Wir können unsere Vergehungen nicht bekennen, wenn das Vertrauen in die Liebe eines Bruders nicht vorhanden ist. Wir können einen weisen und ver­schwiegenen Bruder wählen, anstatt alles einem Unvorsichtigen anzuvertrauen; aber was die Gesinnung des Schuldigen betrifft, so ändert diese Wahl durchaus nichts. Wenn man das Böse nicht verbirgt, sondern sein Herz öffnet, so befreit man sein krankes Gewissen und vielleicht auch seinen Körper. Die Wahrheit bricht sich im Herzen Bahn, und der Schuldige sucht nicht einen guten Ruf, der nur trüglich sein kann, sondern ein wahres, ein vor Gott wahres Gewissen. Gott hat Freude daran, das Gewis­sen zu befreien und selbst den Körper von der Krankheit wenn es nötig ist; das Herz wird glücklich im Bewußtsein Seiner Gunst. Ein reines und wahrhaftiges Gewissen ist eine Quelle der Freude vor Gott.

 

Es ist wichtig, immer daran zu denken, daß es eine Regierung Gottes bezüglich Seiner Kinder gibt. Es h4ndelt sich hierbei nicht um die Frage, ob sie gerechtfertigt sind und Vergebung haben. Diese Regierung setzt vielmehr voraus, daß wir, was das Heil betrifft, in den Augen Gottes gerecht sind (Hi 36). Als solche hält uns der Herr unter Seinem Auge, und wenn wir gut wandeln, so segnet Er uns, läßt uns Seine Gunst empfinden, und wir genießen Ihn Selbst. Wandeln wir hingegen nicht gut so ermahnt Er uns, und wenn wir auf Seine Stimme nicht achten, so züchtigt Er uns, um unsere Seele aufzuwecken, die einschläft und Gott zu vergessen beginnt. Seine Güte, Seine bewunderungswürdige Geduld, Seine Liebe zu uns ermüden nie.

 

Zum Schluß fügt Jakobus eine Ermahnung hinzu, um unsere Seelen anzuspornen, die Segnung der anderen zu suchen. Der, welcher eine Seele, sei es ein Sünder, der in seinen Sünden vor­angeht, oder ein Christ *der schlecht wandelt, von dem Irrtum ihres Weges zurückführt ist nicht nur das Werkzeug zur Rettung dieser Seele, sondern er bedeckt auch eine Menge von Sünden. Daß die Seele, wenn es sich um einen Unbekehrten handelt, vom Tode errettet wird, ist leicht verständlich. Handelt es sich um einen Christen, der schlecht wandelt so wird er auf dem Wege des Verderbens zurückgehalten. Der zweite Punkt: ". . . daß der, . . . eine Menge von Sünden bedecken wird" be­darf jedoch noch einiger Erläuterung und ist nicht unwichtig. Die Sünde ist in den Augen Gottes abscheulich; Er sieht alles. Wenn man an den Zustand der Welt denkt so versteht man, wie anbetungswürdig Seine Geduld ist.

 Bei der Bekehrung eines Sünders werden alle seine Sünden vor Gottes Augen hinweg­genommen; Gott sieht sie ebensowenig, als wären sie in die Tiefe des Meeres geworfen, wie geschrieben steht (Mi 7, 19). Sie sind für immer getilgt, und in diesem Sinne hat man die Stelle zu verstehen: "Die Liebe bedeckt eine Menge von Sün­den" (1 Petr 4, 8). Sie sind nicht mehr vor den Augen Gottes als ein Ihn beleidigender Gegenstand. Wenn wir die Vergehun­gen eines Bruders nicht vergeben, so bleibt die Feindschaft wie eine unheilbare Wunde in dem Körper der Gläubigen vor Gott. Wird ihm vergeben, so tritt die liebe vor Gott in den Vorder­grund, und sie ist es, die Seinem Herzen wohlgefällt. Also, wenn der Sünder bekehrt, zurückgeführt wird, so findet die Liebe Gottes ihre Freude daran, und der beleidigende Gegen. stand ist aus Seinen Augen verschwunden.

 

Wir finden also in dem Brief des Jakobus wenig Lehre, son­dern vielmehr den Gurt der Gerechtigkeit, die Kundgebung des Glaubens durch die Werke und durch den christlichen Charak­ter. Ferner ist die Unterwürfigkeit unter die Hand Gottes und das Ausharren unter Seiner Regierung auf eine für die Christen überaus nützliche Weise dargestellt.  

J. N. D.