3.) Lukas

12/23/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

I) EINLEITUNGSFRAGEN

1) EIGENART
Trotz des mit Mt und Mk Gemeinsamen ist bei Lukas eine dreifache Besonderheit sichtbar. Er ist kein Augenzeuge wie Matthäus und Johannes, er schreibt auch nicht den Bericht eines Augenzeugen nieder, wie wir es von Markus annehmen, sondern er sammelt den Stoff, prüft ihn und ordnet, was ihm durch zuverlässige Zeugen gebührend bestätigt ist. Seiner Arbeit verdanken wir wichtige Nachrichten, die er als Sondergut darbietet:

Ankündigung und Geburt des Täufers und Jesu ( Lk 1-2 ), die Begegnung Jesu mit der Sünderin ( Lk 7,36-50 ), das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29-37 ), die Gleichnisse vom verlorenen Schaf, Groschen und Sohn ( Lk 15 ), vom Pharisäer und Zöllner ( Lk 18,9-14 ), den Bericht über die Einkehr bei Zachäus ( Lk 19,1-10 ), das Trostwort an den Schächer ( Lk 23,39-43 ), das Gespräch des Auferstandenen mit den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus ( Lk 24,13-3 ). Dies sind für Verkündigung und Seelsorge bes. wichtige Stücke.

2) VERFASSER
Soweit uns Nachrichten erhalten sind, zeigen sie, daß der Überschrift des Lukasevangeliums entsprechend seit der Mitte des 2. Jh. überall und unbestritten Lukas als Verfasser des Ev. und
der Apostelgeschichte angesehen wurde.

3) ABFASSUNG
Nach der Widmung kann angenommen werden, daß nicht nur viele Geschichten über Jesus mündlich in Umlauf waren, sondern bereits schriftliche Aufzeichnungen (Mt und Mk?) des Ev.-Stoffes
vorlagen, wie ihn die Augenzeugen, die Diener des Wortes waren (d.h. wohl die Apostel), überliefert hatten. Ebenso will nun auch Lukas geprüfte Berichte geordnet darbieten, wobei er sich nicht auf das öffentliche Wirken Jesu beschränkt, sondern die Vorgeschichte als richtungsweisend mit hineinnimmt. 

Wieweit Lukas schriftliche Quellen benutzte, ist nicht festzustellen; doch hatte er als Begleiter des Paulus Gelegenheit, mit den Aposteln und auch andern Zeugen zu reden. Für die Beziehung des Lukasevangeliums zum Markusevangelium ist zu beachten, daß Markus wohl mit Petrus in Rom war ( 1Petr 5,13 ) und Lukas während der Gefangenschaften des Paulus ebenfalls dort weilte, so daß er ohne weiteres Kenntnis vom Mk gehabt haben kann. 

Für die Bestimmung der Abfassungszeit ist entscheidend, ob man es als möglich ansieht, daß eine solche Schrift für die Gemeinde nach der Zerstörung Jerusalems verfaßt sein kann, ohne auf dies auch für die Christenheit so wichtige Ereignis hingewiesen zu haben. Wenn auch das L. darüber hinweg gegangen wäre, hätte doch die später geschriebene Apg es kaum verschwiegen. Demnach wären beide Bücher vor dem Jahre 70 und möglicherweise (vgl. Apostelgeschichte I,3) schon vor 64 n.Chr. geschrieben worden.

4) EMPFÄNGER

Das L. ( Lk 1,3 ) ist wie die Apostelgeschichte ( Apg 1,1 ) einem gewissen Theophilus gewidmet. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, daß die Bücher nur zu seiner persönlichen Unterrichtung
bestimmt gewesen seien. Der ihm zustehende Titel kratistos (Hochwohlgeborener) deutet auf eine hochgestellte und begüterte Persönlichkeit. Solche Männer beschäftigten nach damaliger Sitte Schreibsklaven. 

Wurde ihnen ein Buch gewidmet, so erwartete man, daß sie für das Abschreiben und die Verbreitung sorgten. Darum ist das L. für einen größeren Kreis von Lesern bestimmt, die wir wohl in Italien zu suchen haben, denn die jedem Juden in Palästina bekannten Orte werden genau beschrieben ( Lk 1,26; 4,31; 8,26; 24,13 ). 

Anderseits wissen wir, daß das AT in Gestalt der LXX auch unter Nichtjuden weit verbreitet war. Theophilus dürfte sie gekannt haben, so daß ihm Hinweise wie der auf die Priesterordnung des Abija ( Lk 1,5 ) verständlich waren.

III) INHALT 1) EINTEILUNG

I. Das Kommen des Heilands der Welt ( 1,5-3,3 )

A. Ankündigungen ( 1,5-56 )

1. Ankündigung des Wegbereiters (V. 5-25 )
2. Ankündigung des Heilands (V. 26-38 )
3. Die Rangordnung (V. 39-56 )

B. Die Geburt ( 1,57-2,40 )
1. Geburt des Wegbereiters ( 1,57-80 )
2. Geburt des Heilands ( 2,1-20 )
3. Die auf Israels Trost Wartenden ( 2,21-40 )

C. Die Bereitung ( 2,41-3,38 )

II. Das Heilandswirken ( 4,1-11,13 )

A. Sammlung der Jünger ( 4,1-6,49 )
1. Der Durchbruch ( 4,1-5,26 )
2. Die Abgrenzung ( 5,27-6,49 )

B. Vorbereitung und Sendung der Jünger ( 7,1-9,9 )
1. Heil für alle durch Glauben ( 7,1-35 )
2. Die Gemeinschaft ( 7,36-8,21 )
3. Zurüstung und Sendung der Zwölf ( 8,22-9,9 )

C. Förderung der Jünger ( 9,10-11,13 )
1. Unterweisung ( 9,10-36 )
2. Die Feinde ( 9,37-62 )
3. Sendung der Siebzig ( 10,1-24 )
4. Dreifache Verbundenheit der Jünger ( 10,25-11,13 )

III. Vorbereitung des Kampfes ( 11,14-18,30 )

A. Anbahnung der Auseinandersetzung ( 11,14-13,35 )
1. Die Grundfragen ( 11,14-54 )
2. Aufzeigung der Front ( 12,1-59 )
3. Belehrung des Volkes ( 13,1-35 )

B. Aufbruch des Gegensatzes ( 14,1-16,31 )
1. Die Pharisäer in Gefahr ( 14,1-35 )
2. Die Aufgabe des Heilands ( 15,1-32 )
3. Unerfüllte Pflichten der Pharisäer ( 16,1-31 )

C. Die Wurzeln des Unglaubens ( 17,1-18,30 )

IV. In der Hochburg der Gegner ( 18,31-24,53 )
A. Die geistige Auseinandersetzung ( 18,31-21,38 )
1. Jesu Weg bis in den Tempel ( 18,31-19,4 )
2. Angriffe gegen Jesus ( 20,1-40 )
3. Gegenangriff Jesu ( 10,41-21,38 )

B. Die Entscheidung ( 22,1-24,53 )
1. Letzter Gang in Freiheit ( 22,1-46 )
2. In den Händen der Menschen ( 22,47-23,25 )
3. Aus der Welt geschafft ( 23,26-56 )
4. Der Sieger ( 24,1-53 )

2) GRUNDGEDANKEN
Der Schlüssel zum Verständnis des Lukasevangeliums liegt in der Vorgeschichte ( Lk 1-3 ). In diesem Abschnitt findet sich viermal der in den Ev. nur bei Joh noch einmal gebrauchte Ausdruck »Heiland« ( sotär bzw. sotärion ) und dreimal das nur noch einmal bei Joh sich findende sotäria. Maria freut sich Gottes, ihres Heilands, der sie zur Mutter seines Sohnes erkoren hat ( Lk 1,47 ); Engel verkünden den Hirten, daß ihnen der Heiland geboren ist Lk

Lukas 14, 16-24 Das große Abendmahl BdH 1926

02/27/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das große Abendmahl Lukas 14, 16-24

Es fällt uns heute schwer zu verstehen, wie vollständig neu der Inhalt des Gleichnisses vom großen Abendmahl für die Juden fener Tage war. So neu, daß keiner von ihnen seine wahre Bedeutung erfassen konnte, bevor die Erlösung vollbracht und der Heilige Geist vom Himmel herniedergekommen war.
In Luk. 18, 17 sagt der Herr in Verbindung mit dieser neuen Wahrheit: „Wahrlich, ich sage euch: wer irgend das Reich Gottes nicht aufnehmen wird wie ein Kindlein, wird nicht in dasselbe eingehen". Fünfzehn Jahrhunderte lang hatte für die Juden der Grundsatz gegolten: „Tue dieses, und du wirst leben". Ein Gesetz war dem Menschen gegeben, das nur verdammen, aber keine Kraft darreichen konnte, um durch das Halten der Gebote Leben zu haben. Welch eine Veränderung war also eingetreten!
Es hieß nun nicht mehr: wer tun, sondern: wer annehmen wird, und zwar annehmen wie ein hilfloses Kindlein. Was ist so hilflos wie ein kleines Kind?!
Alles muß für ein solch schwaches Geschöpf getan werden.


Um die ganze Größe der Veränderung zu verstehen, müssen wir uns daran erinnern, daß das Volk Israel gesagt hatte: „Alles was Jehova geredet hat, wollen wir tun", und daß daraufhin „Jehova zu Mose sprach: Steige hinab, warne das Volk, daß sie nicht durchbrechen zu Jehova, um zu schauen, und viele von ihnen fallen". Und als die Stiftshütte gebaut und der ganze Gottesdienst eingerichtet war, hatte der Heilige Geist angezeigt, „daß der Weg zum Heiligtum noch nicht geoffenbart war". Vergessen wir auch nicht, daß zu der Zeit, als der Herr
Jesus das Gleichnis von dem großen Abendmahl aussprach, der Vorhang im Tempel noch nicht zerrissen war, den Menschen also noch von der Gegenwart Gottes ausschloß.
Die zu dem Mahl Geladenen hatten aber nur das eine zu tun: sich an die gedeckte Tafel zu setzen. Ähnlich wie es an einer anderen Stelle heißt: „Laßt die Leute sich lagern".
Wer war in beiden Fällen der Versorger?

Es war der Herr selbst. Welch ein Gegensatz zum Berge Sinai! Dort wurde es den Priestern und dem Volke untersagt, dem Berge zu nahen; hier werden viele eingeladen zu kommen. Aber ach! alle haben eine Entschuldigung und weigern sich, der Einladung zu folgen. Ja, die Welt hat
Gottes Gnadenbotschaft ausgeschlagen. Die Juden, an welche die Einladung zunächst gerichtet wurde, haben Christum verworfen. Aber die unergründliche Gnade Gottes, die allen Menschen erschienen ist, hat sich eine ihr passende Gesellschaft ausgewählt. „Gehe eilends hinaus",
sagt sie, „auf die Straßen und Gassen der Stadt, und bringe hier herein die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden"; und wenn noch Raum ist, so fährt sie fort:
„Gehe hinaus auf die Wege und an die Zäune, und nötige sie hereinzukommen".

Das war in der Tat eine völlig neue Wahrheit, die in unmittelbarem Gegensatz stand zu dem bisher Geoffenbarten. Und Jesus war es, der sie kundmachte. „Bringe hier herein!" sagt Er. Ehe daS in Erfüllung gehen konnte, mußte freilich der Vorhang zerrissen werden. Aber Gott sei gepriesen! er ist zerrissen, und nun, anstatt.den Menschen auszuschließen, wie das Gesetz es tat, wird er genötigt, hereinzukommen. Das konnte allerdings nur geschehen auf Grund der Erhöhung des Sohnes des Menschen ans Kreuz, wie der Herr selbst sagt: „Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen". (Joh. 12, 32.)


Nur auf dem Boden einer völlig befriedigten Gerechtigkeit konnte die Liebe Gottes sich den Schuldigen zuwenden, wie arm, lahm und blind sie auch durch die Sünde geworden sein mochten. Nur durch Gerechtigkeit kann die Gnade herrschen. (Röm. 5,21) Nachdem nun aber Gott Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihr für uns alle hingegeben hat, steht die Tür weit offen. Nichts hindert Ihn mehr, die an Jesum Glaubenden zu rechtfertigen. Hat das Gesetz ans Licht gestellt, was der Mensch Gott bringen konnte, so hat das Gleichnis von dem großen Abendmahl gezeigt, was Gott für den Menschen vorbereitet und getan hat. Wir dürfen sagen, daß es in diesem Abendmahl Dinge gibt, die nirgendwo anders so zu finden sind. Zunächst begegnet es den Bedürfnissen (welcher Art diese auch sein mögen) jeder Seele, die eingcladen, ja, „genötigt" wird, ins Haus zu treten. Zweitens ist das Mahl von unerschöpflicher Fülle und ewiger Dauer. Um das aber sein zu können, muß es ausschließlich von Gott sein; und das ist auch durchaus der Fall. Von dem Menschen und seinem Tun findet sich hier keine Spur.

 Auch hier kann man sagen: „Das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden", und „alles von Gott". Den Gästen, die der Einladung Gottes folgen und sich an Seiner Tafel niederlassen, enthüllt und offenbart der Heilige Geist Christum in all den Herrlichkeiten Seiner Person
und Seines Werkes. Und wunderbar! jemehr man nimmt und genießt, desto mehr wird ausgetragen. Doch siehe, da kommt einer von den Geladenen und spricht: „Mir kann die Einladung nicht gelten. O wenn du wüßtest, wie ich mit Sünden beladen bin, und wie die
Furcht vor dem Gericht mich niederdrückt!" Ich glaube es; aber höre, was Gott dir sagen läßt: „So sei es euch nun kund, Brüder, daß durch diesen (Christus) euch Vergebung der Sünden verkündigt wird", und weiter: „Diesem (Christus) geben alle Propheten Zeugnis, daß
jeder, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch Seinen Namen". (Apstgsch. 43, 38; 40, 43.) Würde wohl ein Freund dich zu einem Mahle einladen und dich, wenn du nun kämest, an einen leeren Tisch führen und dir sagen, er habe es mit seiner Einladung
nicht ernst gemeint, sondern habe dir nur Hoffnung auf ein Mahl machen wollen? Und so etwas Törichtes willst du dem großen, reichen Gott, dem Gott der Liebe zumuten?! Könnte der Wahrhaftige, der Ewigtreue dich täuschen wollen? Nimmermehr! Er erweckt nicht nur die
Hoffnung auf Vergebung der Sünden, verheißt nicht nur zum Schein geistliche Segnungen und Erquickungen.


Nein, „wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit". (1. Joh. 1, 9.) Und wenn Er dir einen Tisch bereitet, so schenkt Er deinen Becher voll ein, und „wie von Mark und Fett wird gesättigt
deine Seele". (Ps. 63, 5.) Doch da tritt ein anderer der Geladenen herzu und sagt: „Alles recht und gut, was du sagst; wenn ich persönlich nur die Gewißheit erlangen könnte, daß ich
gerechtfertigt bin von allen meinen Sünden!" — „Gewißheit", sagst du? 

O höre, was an anderer Stelle für dich geschrieben steht, und bedenke wieder, daß es ein Wort des Gottes ist, der nicht lügen kann: „Von allem, wovon ihr im Gesetz Moses' nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem (Christus) jeder Glaubende gerechtfertigt".
(Apstgsch. 43, 39.) Ist das Gewißheit oder Ungewißheit? Ist es ein Mahl oder nur die Hoffnung darauf? Was könnte dir größere Sicherheit geben, als ein solches Wort? Aber höre weiter: „Die w:r an Den glauben, der Jesum, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist".
(Röm. 4, 24. 25.) Für den Unglauben ist allerdings alles Ungewißheit, ja, völlige Finsternis. Aber der Glaube fragt: Ist Jesus meiner Übertretungen wegen dahingegeben worden? Ist Er, der für mich Gestorbene, ans den Toten auferweckt? Die Antwort ist ein bestimmtes „Ja". Einen
Zweifel kann es hinsichtlich dieser Tatsachen nicht geben.


Nun denn: Wenn ein Schuldner, dessen Schuld durch einen Freund bezahlt worden ist, den Schuldschein, von seinem Gläubiger quittiert und unterschrieben, vorweisen kann, so ist er ohne Zweifel von allen seinen Schulden befreit. Wende das auf deinen Fall an! Jesus ist für
deine Ungerechtigkeiten ans Kreuz geschlagen und und deiner Sünden willen von Gott verlassen worden. Er hat die ganze Schuld bezahlt, und Gott hat Ihn, nach vollbrachtem Werke, aus den Toten auferweckt. Was folgt daraus? Daß die schreckliche Liste deiner Sünden für ewig ausgelöscht ist. Gott selbst hat dir die vollgültige Quittung gegeben, ja. Er „ist es, welcher rechtfertigt; wer ist, der verdamme? Christus ist es, der gestorben, ja, noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet." (Röm. 8, 33. 34.) Gerechtfertigt aus Glauben, hast du jetzt Frieden mit Gott und kannst dich dankbaren Herzens an dem Mahle ergötzen, das Er dir bereitet hat.


Ein dritter der Geladenen klagt: „Ich bin so unwissend! Wenn ich nur mehr Einsicht und Verständnis hätte!" Wiederuin kann ich nur antworten: Gottes Mahl hat für alles gesorgt. Hier sind alle aus der Finsternis ins Licht gekommen. Gott hat Jesum Christum für dich ja gerade zu dem gemacht, was du bedarfst. Höre und bete an: „Aus Ihm (Gott) seid ihr in Christo Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott". (4. Kor. 4,30.) Mögen die Menschen von den Wundern der Schöpfung oder von den Errungenschaften der Wissenschaft reden, was sind sie alle im Vergleich mit der Erkenntnis Dessen, der das All erschaffen hat und uns nun Weisheit von Gott geworden ist? Ja, mehr noch: Der Reichtum der Gnade Gottes ist, wie der Apostel Paulus an die Epheser schreibt, gegen uns übergeströmt „in aller Weisheit und Einsicht, indem Er uns kundgetan hat das Geheimnis Seines Willens"; und im Blick auf dieses Geheimnis lesen wir in Kol. 2,3, daß in ihm verborgen sind „alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis" Und alles das und noch
vieles andere ist für dich!


„Aber", höre ich einen Merten einwenden, „ich habe mich so viel bemüht, ein anderer Mensch zu werden, nicht mehr zu sündigen, sondern nur noch Gutes zu tun. Ich habe gebetet, gefastet, gerungen. Aber alle meine Anstrengungen sind vergeblich gewesen. Ich bin keinen Schritt
weiter gekommen." Ich glaube es gern, lieber Freund. Gott sei Dank, daß deine Anstrengungen vergeblich gewesen sind! Hättest du etwas damit erreicht, so wäre dir, nicht Gott, der Ruhm
geworden. Aber Gott will und kann Seine Ehre keinem anderen geben. Er will und kann allein tun, was für dich getan werden muß; und nun setze dich nieder und laß dir zeigen, welch ein herrliches Gericht Er für dich auf Seinem Tische bereit hat.
Du hast vorhin schon gehört, daß unser geliebter Herr und Heiland uns „Weisheit von Gott" geworden ist. Aber das ist nicht alles. Der Apostel fügt hinzu: „und Gerechtigkeit
und Heiligkeit und Erlösung", ("1. Kor. 10, 30.) Was sagst du jetzt? Willst du noch weiter zu erlangen suchen, was du niemals aus eigener Kraft erlangen kannst und was Gott dir in makelloser Vollkommenheit umsonst in Christo schenkt? Hast du noch nie von der Herrlichkeit der Gnade Gottes gelesen, „worin Er uns begnadigt hat in dem Geliebten, in welchem
wir die Erlösung haben durch Sein Blut, die Vergebung der Vergehungen nach dem Reichtum Seiner Gnade"? 
(Eph. b, 6.7.) Oder jenes andere Wort: „Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm"? (2. Kor. 5, 21.) Auf diesem Wege bleibt allerdings für dich gar kein Ruhm übrig. Aber so ist'ö recht, denn wiederum steht geschrieben: „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn".


Sollte der große Gott, wenn Er in dem Reichtum Seiner Liebe und Barmherzigkeit uns ein Mahl macht, irgend ein Gericht der Zubereitung unserer schwachen Hände überlassen? Nimmermehr! Er sorgt für alles. Leben, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Erlösung der Seele und des Leibes, Friede, Freude, Kraft, Ruhe, Trost, Einsicht, Befreiung, Leitung — alles, alles ist uns von Gott in Seinem
geliebten Sohn bereitet worden. „Er, der doch Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben bat: wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken?" (Röm. 8, 32.) Aber da kommt noch einer mit niedergeschlagenen Augen, tiefes Leid in den Zügen. Was ist dir, du Armer? 


„O für mich gibt's keine Hoffnung! Alles, was du gesagt hast, trifft auf mich nicht zu. Wenigstens kommt es mir so vor. Sieh, ich habe gemeint, ich sei bekehrt, und ich kann auch wohl mit dem Menschen in Röm. 7 sagen: „Ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen". O, ich möchte so gern meine Glieder Gott darstellen zu Werkzeugen der Gerechtigkeit; aber all mein Mühen ist umsonst. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich von mir denken soll. Jemehr ich mich bemühe, das, waö ich als recht erkenne, zu tun, destomehr tue ich das Verkehrte. Ich bin manchmal der Verzweiflung nahe." Arme Seele! Auch dir kann nur das Mahl helfen, das Gott dir bereitet hat. O wenn du nur einfältig der Einladung folgen und nehmen würdest, was Gottes Liebe für dich bereitet hat! Wie von Mark und Fett würde, wie gesagt, deine Seele gesättigt werden. Was dich so drückt ist die Sünde, die Wurzel alles Bösen in dir; mit anderen Worten: deine alte Natur, das Fleisch. Aber sieh, in ihm wohnt nichts Gutes, eö
ist unverbesserlich schlecht und unheilbar böse. Da kann kein noch so guter Wille, kein Heilmittel helfen. Das Gesetz, obwohl heilig, gerecht und gut, kann nur dazu dienen, deinen elenden Zustand völlig offenbar zu machen. 

Aber nun höre, welch ein kostbares Gericht Gott für dich bereitet hat! Das Wort: „Den, der Sünde nicht kannte, hat Gott für uns zur Sünde gemacht", hörtest du schon. Aber du sagst, es treffe auf dich nicht zu. Lausche denn aufmerksam auf folgende Worte: „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er, Seinen eignen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte". (Röm. 8, 3.) Durch den Tod Christi sind wir nicht nur von aller Verdammnis befreit, sondern auch die Sünde im Fleische, unsere alte böse Natur, ist in Christo gerichtet worden, indem Er für uns zur Sünde gemacht wurde. Wir sind nicht mehr „im Fleische", sondern „im Geiste", denn Gottes Geist wohnt in uns. (Röm. 8, d.) Und wenn auch die böse Wurzel noch nicht aus uns ausgerottet ist — das Fleisch bleibt, solang wir in diesem Leibe wallen, in uns und „gelüstet wider den Geist" (Gal. 5,1.7), aber wir können jetzt „mit dem Sinne Gottes Gesetz dienen" — der Sünde Herrschaft über uns ist gebrochen, wir stehen unter Gnade und können aufgefordert werden: „Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches n i ch t vollbringen".

Aber nicht nur für die Gegenwart, auch für die Zukunft hat Gottes Liebe wunderbare Gerichte für Seine Geladenen bereitet. Mancher fragt: Wie kann ich wissen, daß, wenn Jesus kommt, ich auch bei Ihm sein werde? Man sehnt sich, wie der vom Sturm hin- und hergetriebene Seemann, danach, endlich in den sicheren Hafen einzulaufen, und da werden doch von den  verschiedensten Seiten Zweifel und Befürchtungen geäußert. Wieder lautet die Antwort: Lege dich zu Tische und iß! Der Herr sagt in Joh. 44, 2. 3: „In dem Hause meines Vaters sind viele
Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seiet". Und in Joh. 47, 24:
„Vater, ich will, daß die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf daß sie meine Herrlichkeit schauen". Verlangst du noch mehr? Oder sind diese Worte nicht deutlich und bestimmt genug? Wahrlich, in dem Mahle Gottes ist für alles gesorgt, für Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Und alles ist für ewig. Da ist ein „ewiger Bund", ein „ewiges Heil", eine
„ewige Gerechtigkeit", eine „ewige Erlösung", eine „ewige Herrlichkeit", ein „ewiges Haus", ein „ewiges Erbe". Wir sind „auf immerdar vollkommen gemacht", und werden „allezeit bei dem Herrn sein". O dieses wunderbare Mahl! „Ich bin das Brot des Lebens", sagt der Herr, „wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten."
(Joh. b, 35.) Glückselig die Seele, die im Glauben zu Ihm gekommen ist! Ein Festmahl, unendlich und unerschöpflich, ist ihr Teil für Zeit und Ewigkeit. Und Gott ist der Festgeber, und der Mensch, ein Kind lein, der Geladene, der Empfänger.


Ehe wir schließen, wollen wir noch einen Blick auf dasselbe Gleichnis im Evangelium nach Matthäus werfen, wo es unmittelbarer an die Juden gerichtet ist. Unter den Gästen findet sich dort einer, der kein hochzeitliches Kleid anhat. Befragt, wie er es habe wagen dürfen, ohne ein
solches Kleid zum Mahle zu kommen, verstummt er. „Da sprach der König zu den Dienern: Bindet ihm Füße und Hände, nehmet ihn und werfet ihn hinaus in die äußere Finsternis: da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen." (Matth. 22, 13.) Was bedeutet das? Auch hier
handelt es sich um eine Frage von ewiger Bedeutung. Sie richtet sich an alle, die bekannt haben, zu Christo gekommen zu sein.
Es gibt im Sinne dieses Gleichnisses zwei Kleider: das Kleid der eigenen Gerechtigkeit und das Kleid der Gerechtigkeit Gottes. Die Juden suchten eine eigene Gerechtigkeit aufzurichten — das ist daö eine Kleid; das andere schenkt Gott in Christo. Auf Grund des auf Golgatha geschehenen Sühnopfers ist Gott heute gerecht, „indem Er den rechtfertigt, der des Glaubens an Jesum ist". (Röm.3, 26; vergl. Kap. 10, 3. 4.) „Bringet das beste Kleid her und ziehet es ihm an!" (Luk. 15, 22.) O glückliches Kind der Gnade, das, königlich bekleidet, mit dem Ring an der Hand und Sandalen an den Füßen, mit Freimütigkeit eintreten kann,um sich an dem Mahle niederzulassen, das die ewige Liebe bereitet hat, eine Liebe, von welcher keine Macht der Welt und der Hölle zu scheiden vermag! Was geziemt sich für ein solches Kind? Allezeit fröhlich zu sein in der Liebe des Vaters und in Heiligkeit zu wandeln, wie es solchen zukommt, die aus Gott geboren sind!

Lukas 15,1-2 Es nahten aber zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder BdH 1853

02/18/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Es nahten aber zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder

Es nahten aber zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder, dass sie Ihn hörten. Und es murrten die Pharisäer und Schriftgelehrten und sagten: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. (Lukas 15, 1-2)

I. Das Nahen der Zöllner und Sünder

Nur eine Tür gibt es, die in's ewige Leben führt. Jesus spricht: „Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingehet, der wird selig werden." „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich." Dabei wird's eben bleiben, mag der Mensch dazu Ja und Amen sagen, oder mag er darüber murren. Nur in Jesu ist uns der Eingang zum Leben eröffnet. Der Mensch aber ist viel­mehr geneigt, sich einen selbstgewählten Weg zum Himmel zu machen und beweist dadurch Torheit und Hochmut seines Herzens. Er kennt weder sich noch Gott, der im Himmel wohnt, und will sich unter Dessen Weisheit und Ratschluss nicht in Demut beugen.

Die ganze Geschichte des jüdischen Volkes, wie die des eigenen Herzens beweisen, dass der Mensch aus eigenem Wollen oder eigener Kraft nicht zu Gott kommen kann; alle seine An­strengungen sind vergeblich. Gott hat mit großer Geduld und Langmut dies Unmögliche zur Genüge dargetan, aber wer merkt darauf?! Wir lesen, wie der Herr Zebaoth dem Volke Israel Seine Güte und Seinen Ernst, Sein Erbarmen und Seine Ge­rechtigkeit so reichlich offenbarte, aber es blieb halsstarrig und ein Feind Gottes. 

Es verkannte alle Beweise der göttlichen Liebe und stieß stets mit Undank die herrlichsten Wohltaten von sich; nicht Gott sollte Herr sein, sondern es wollte tun, was ihm wohlgefiel. Das ist der Grundcharakter eines jeden Menschen, darum bleibt der Himmel für ihn verschlossen und zu der Nähe Gottes hat er durch sich selbst keinen Zugang mehr. Mit dem ersten Adam und mit allen denen, die von ihm geboren sind, ist es ganz aus. Gott hat alle Langmut an ihm erschöpft; Er hat ihn ganz und gar erprobt, aber er ist Sünder und Feind Gottes geblieben. Zu dieser Erkenntnis muss der Mensch kommen.

Als aber die Zeit erfüllt war, da sandte Gott Seinen Sohn, den zweiten Adam. Er kam, zu suchen und selig zu machen, was verloren war. Er fand nur Verlorene, aber Wenige erkann­ten dies und wurden gerettet. Die Welt nahm Ihn nicht auf; vielmehr hatte sie nicht- eher Ruhe, bis sie Ihn wieder von sich hinausgestoßen hatte; „so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden" (Joh. 1, 12).

 Jesus ist nun wieder vom Vater aufgenommen und zwar als der, der Sich in unser Fleisch und Blut gehüllt und eine ewige Erlösung erfunden hat. Sein Opfer reicht hin für die Sünde der ganzen Welt; all' unsere Sünden waren auf Seinen Rücken ge­legt. Er ging wieder hin zur Rechten des Vaters, aber nur über Golgatha führte Sein Weg, unserer Sünden wegen. Die Ge­rechtigkeit Gottes musste zuerst befriedigt werden und durch Sein Opfer ist dies vollkommen geschehen. Gott will nun kein anderes Opfer und nie könnte auch ein so würdiges und so vollgültiges gebracht werden; Sein Blut redet besser als Abels Blut.

Die Welt ist dem Gericht anheim gefallen, weil sie an die­sem einen Opfer, an dieser einzigen Tür zum ewigen Leben vorübergeht; sie hat nur ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers Gottes. Obgleich dieses Gericht schon vor 1600 Jahren durch den Herrn selbst ausgesprochen ist (Joh. 12, 31), so hat die göttliche Langmut und Gnade die Ausführung noch bis heute hinausgeschoben, damit noch alle gerettet wer­den, die sich wollen erretten lassen. Wohl dem, der sich durch diese Güte und Geduld zur Umkehr leiten lässt! Wohl dem, der heute, so lange die Gnadenzeit noch währt, sich zum Herrn bekehrt; morgen könnte es zu spät sein.

„Es nahten zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder, dass sie ihn hörten." Sie hatten sich an den rechten Mann gewandt, denn in keinem andern ist das Heil. Die Erkenntnis der Sünde er­weckt das Bedürfnis nach Errettung und treibt zu Jesu. Mancher liegt selbst äußerlich in groben Sünden und Lastern und kann sich noch damit beruhigen, dass andere es noch ärger machen, wie er. Ein Solcher weiß nicht, was die Sünde in den Augen Gottes ist und was sie Jesum gekostet hat; auch, versteht er nichts von der göttlichen Gerechtigkeit. 

Wer sich als Sünder erkennt, wer da versteht, was sie vor Gott ist, sehnt sich nach Errettung und kommt zu Jesu. Wohl Viele sprechen von Jesu, aber als verlorene Sünder kommen sie nicht zu Ihm, darum bleiben sie auch in ihren Sünden. Mancher sagt wohl gar mit dem Zöllner im Tempel: „Gott sei mir Sünder gnädig"; aber er ist doch nicht gerechtfertigt. Worte lassen sich nachsprechen und auch die äußeren Gebärden nachmachen; aber die Wahrheit und das Wesen selbst muss erkannt und erfahren werden.

Der hilfsbedürftige Sünder hört Jesum gern, weil Er nur von Gnade und Vergebung spricht, und nur dies ist es allein, was ihn erretten kann. Ohne unumschränkte Gnade gibt's für ihn keine Erlösung mehr. Will Gott nicht Alles umsonst schen­ken, was unserm Heile dient?

Nach' einer solchen Botschaft sehnt sich der Sünder und siehe, aus Jesu Mund hört er sie. Es ist der Mund Dessen, der für uns bei Gott in jeder Beziehung in den Riss getreten ist. Gott fordert von uns nun nichts mehr; Er lässt uns verkündigen, dass Er völlig befriedigt ist, dass wir in Jesu Seine geliebten Kinder und Erben Seiner Herrlichkeit sind. O süßes Evangelium für verlorene Sünder! Sein Gericht zum Verderben haben wir nicht mehr zu erwarten, weil wir schon in und mit Jesu auf Golgatha gerichtet sind. Das Gericht ist in Ihm vollzogen, die Sünde ist getilgt und Gott völlig befriedigt.

Das ist eine Predigt, wie sie nur der Sünder gebrauchen kann. Diese gute Botschaft allein tröstete die große Sünderin, machte den Kämmerer fröhlich und richtete den Kerkermeister auf. Mancher möchte dem Sünder wohl noch gern allerlei Um­stände machen, er möchte ihm den Weg zur Gnade noch ein wenig erschweren, weil er in seiner Klugheit denkt, die zu schnelle Zusicherung seiner Errettung könnte ihn leichtfertig machen. Wie schwer wird es doch dem menschlichen Herzen so ganz in die Gedanken der göttlichen Gnade und Liebe ein­zugehen! Gott spricht ohne Umstände: „Glaube nur!", „Sei ge­trost, deine Sünden sind dir vergeben!" und je völliger sich die Gnade und Liebe Gottes als solche erweist und erkannt wird, desto mehr wird das Herz des Sünders mit Lob und Dank er­füllt.

So lasst uns denn nicht klüger sein wollen als Gott; lasst uns dem Sünder die gute Botschaft von Christo ohne alle Um­wege verkündigen und ihm sagen, dass schon vor 1800 Jahren mit einem Opfer alles bezahlt und vergeben sei, und dass Gott nur von uns fordert, dies zu glauben und anzunehmen. Dazu lasst uns ihn ermahnen und ermuntern, so wird seine' Freude groß sein. Nicht erst seit gestern oder heute oder seit einigen Jahren haben wir Vergebung unserer Sünde erhalten, sondern seit Jahrhunderten, wenn wir es auch erst seit kurzer Zeit angenommen haben. Erkennen wir dies in Wahrheit, so bleibt Gnade auch ganz Gnade; wir können nun nichts mehr zu unserer Versöhnung mit Gott beitragen, auch nicht einmal etwas durch unsere Reue und Schmerz. Beides wird aber da sein, wenn wir unsere Gesinnung gegen Gott uns die Seinige gegen uns recht erkennen; aber Jesus allein hat Alles für uns vollbracht.

So kommt denn, die ihr Sünder seid und naht euch zu Jesu. Nehmt Seine gute Botschaft gläubig an; die Sünde ist getilgt, in Ihm findet ihr ewige Gnade und Liebe.

2. Das Murren. der Pharisäer und Schriftgelehrten

In Christo hat Gott eine Gerechtigkeit aufgerichtet, die allein vor Ihm gilt. Wer diese besitzt und darin erfunden wird, kann vor Ihm bestehen, denn es ist Seine Gerechtigkeit. Was der Mensch durch sich selbst aufbaut, ist vor Gott nichts, wenn es auch noch einen so herrlichen Schein hat. Der Mensch ist zwar immer geneigt, seine eigene Gerechtigkeit vor Gott zu bringen; er müht sich darüber ab, und dieses Abmühen offen­bart nur seinen Stolz; er will sich vor Gott behaupten, Gott soll sein Werk ansehen. Wir sehen aber, dass Jesus sich nicht be­sonders mit dieser Gerechtigkeit einlässt, weil sie vor Gott nichts gilt. 

Der Mensch hat nichts als Sünde, und wenn der Pharisäer dennoch seine Werke vor Gott bringen will, so beweist dies seine tiefe Blindheit. Bei Ihm ist das Verderben verdeckter, als bei dem Zöllner, und er kann um so weniger gerettet wer­den, weil er der Errettung nicht zu bedürfen meint. Jesus be­schäftigt Sich mit den Sündern, die zu Ihm kommen, Er sucht das Verlorene; aber die Pharisäer meinten, wenn Er so fromm und gerecht wäre, so müsse Er besonders ihre Gemeinschaft suchen. Als der Herr die große Sünderin, die zu Seinen Füßen lag, so liebevoll aufnahm, da dachte Simon, der Pharisäer, der Ihn zu Tisch geladen hatte, bei sich selbst:

„Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und welch ein Weib dies ist, denn sie ist eine Sünderin" (Luk. 7, 39). In dem Ausdruck: „sie ist eine Sünderin", gab er kund, was er von sich selbst hielt. Die Pharisäer murrten darüber, dass Jesus so wenig sich mit ihnen einlässt, dass Er ihre Gerechtigkeit so gar nicht achten will, und geben eben durch dies Murren zu erkennen, dass sie mit Gott nicht eins sind, dass sie nicht gleiche Gesinnung mit Ihm haben und dass ihre Gerechtigkeit nicht von Gott, sondern von der Welt ist. Die Weit kann solche fromme Leute gebrauchen, denn sie sind von der Welt und die Welt hat das ihre lieb. In ihr sind sie angesehen und geachtet, und es wundert und ärgert sie, dass Gott nicht ebenso denkt, wie die Welt.

Das ist die Stellung und die Gesinnung Aller, die sich Mühe geben, durch ihre Werke gerecht zu werden. Sie danken auch wohl Gott, dass sie keine Hur er und Zöllner sind und geben dadurch den Schein, als suchten sie Gottes Ehre und suchen doch nur sich selbst. Sie können auch von Jesu und Seiner Gerechtigkeit reden und wollen damit ihrer Gerechtigkeit einen höheren Wert und einen schöneren Glanz beilegen. Die Heuchelei des Menschen ist sehr groß!

Nicht allein die selbstgerechten Pharisäer, sondern auch die Schriftgelehrten murren. Man sollte es von diesen, die doch der Schrift, die von Jesu zeugt, Meister sein wollen, am wenigsten erwarten. Dennoch finden wir oft in der Heiligen Schrift diese beiden Klassen zusammengestellt; in beider Herzen ist die gleiche Bitterkeit und Feindschaft wider den Herrn. Jesus selbst zeugt von ihnen: „Es sei denn eure Gerechtigkeit besser, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, sonst werdet ihr nicht in das Reich Gottes kommen" (Matth. 5, 20). „Sie sind blinde Blindenleiter" (Matth. 15, 14). 

Wehe euch Schriftgelehrten1 denn ihr habt den Schlüssel .der Erkenntnis hinweggenommen; ihr kommt nicht hinein und wehret denen, die hinein wollen" (Luk. 11, 52). Es ist kein Unterschied unter ihnen; die Pharisäer haben den Schein der Gerechtigkeit und die Schriftgelehrten den Schein der wahren Erkenntnis Gottes. Die Täuschung ist oft sehr groß. So wie der Mensch sich daran gibt, nach eigenem Gutdünken die Gerechtigkeit Gottes nachzumachen, so wagt er es auch, das Wort Gottes zu meistern und nach Willkür auszu­legen. Jesus Christus war gesandt, eine gottwohlgefällige Ge­rechtigkeit für den Menschen aufzurichten, aber der Mensch behauptete dennoch seine eigene; der Heilige Geist ist gesandt, und allein beauftragt, uns in alle Wahrheit zu leiten, aber der menschliche Verstand hat diesen Auftrag an sich gerissen und baut sich sein eigenes System der Gottseligkeit auf, dem aber alle Kraft mangelt; und je ähnlicher dies dem göttlichen zu sein scheint, desto gefährlicher ist es.

 Es werden Schulen er­richtet, um das Christentum zu erlernen und dem menschlichen Verstande anzubequemen und nicht mehr der Geist ist es, son­dern der Mensch, der die verschiedenen Gaben austeilt, welchem er will. Man sucht dem Worte vom Kreuze seine Albernheit und sein Ärgernis durch geschmückte Reden und glänzende Formen hinweg zunehmen; man will es den hohen und niederen Ständen angenehm machen und sucht ihm den Stachel, der die Welt zum Spott und zur Verachtung reizt, zu entziehen und bedenkt nicht, dass man ihm dadurch die Kraft und das Leben entzieht.

Wie weit sind wir doch durch Untreue und Vermessenheit vom rechten Ziele abgekommen! Möchte dies doch von recht Vielen erkannt werden, und möchten doch alle, die es erkennen, so viel Ernst und Nüchternheit, so viel Liebe und Treue besitzen, sich nicht länger an dieser Betrübung des Heiligen Geistes, an diesem Verrat an dem Erlösungswerke Jesu Christi beteiligen! Wir sehen hier, wie wenig sich der Herr Jesus, sowohl um die Pharisäer als auch um die Schriftgelehrten bekümmert; wie wenig beide die Gedanken Gottes verstehen und darin einge­gangen sind. Sie murren wider Gott, dass Er Sich so freundlich zu Zöllnern und Sündern tut, und sie garnicht berücksichtigt. Darum erkennet es, der Schein trügt und der Buch­stabe tötet, aber die Wahrheit macht frei und der Geist lebendig.

3. Der innige Verkehr des Herrn mit Zöllnern und Sündern

„Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen." Ein herr­liches Zeugnist von Jesu hören wir hier aus dem Munde Seiner Feinde. Es ist köstlich für den Sünder, der seiner Sünde wegen bekümmert ist und es erfreut sein Herz, sobald er es glaubt. Solange der Mensch weder sich noch Gott erkennt, solange zweifelt er nicht an seiner Annahme bei Gott; allein sobald er erkennt, dass er ein Sünder, Gott aber gerecht und heilig ist, fängt er an, seine Annahme in Zweifel zu ziehen und nicht eher kann er sich beruhigen, als bis er die Gedanken Gottes über uns in Christo versteht. Erst dann, wenn ihm sein ver­lorener Zustand offenbar geworden ist, wird ihm die gute Bot­schaft lieb und teuer. Es ist ihm auch besonders tröstlich, diese so herrlichen Gedanken Gottes in Betreff des Sünders selbst aus dem Munde der Feinde zu hören.

Der Sünder ist nicht so leicht zu der Biberzeugung zu brin­gen, dass Gott gnädig sei, darum wird auch die Versicherung des Reichtums dieser Gnade im Worte Gottes so wiederhalt aus­gesprochen, um ihm jeden Zweifel zu nehmen. Gott selbst be­teuert es mit einem Eide, Jesus offenbart es durch Wort und Tat, der Heilige Geist bezeugt es an vielen Orten und der Mund der Apostel und Propheten ist voll von dem süßen Evangelium, dass der Sünder in Christo eine so herrliche und liebevolle Auf­nahme finde und hier sprechen bittere Feinde mit Murren aus: „Jesus nimmt die Sünder an und isst mit ihnen." 

All dieser Zeugnisse bedurfte es, um das Herz des verlorenen Sünders zu beruhigen und zu erfreuen. Wie sehr muss diese väterliche Für­sorge uns beschämen und uns zugleich mit Lob und Dank er­füllen! Jeder Zweifel an dem völligen Reichtum der göttlichen Gnade ist Unglaube, und gibt Zeugnis wie wenig der Mensch Seinem Gott Gnade und Wahrheit zutraut, wie schlecht er Seine Gesinnung über uns versteht. Gott aber bleibt treu, und offen­bart Sein liebendes Vaterherz all denen, die da glauben. Jeder beunruhigende Gedanke des Sünders über sich selbst gegenüber dieser Gnade, ist betrübender, als der Gegenstand selbst, der ihn beunruhigt; das bange Seufzen und Klagen über Sünde und Ohnmacht beweist, wie wenig ein solcher Mensch in den Reich­tum und Kraft der göttlichen Gnade eingegangen ist.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten sogar bezeugen, dass der Verkehr Jesu mit Sündern sehr herzlich und innig sei. „ Er isst mit ihnen!" Wer wollte noch an der Annahme des Sünders zweifeln, wenn er hier den Sohn Gottes, der mit dem Vater gleiche Gesinnung hat, mit Zöllnern und Sündern an einem Tische sieht? Er ist ihnen ja in Allem gleich geworden, ausgenommen die Sünde. So nahe musste Er sich zu ihnen tun, so innig musste Er mit ihnen verkehren, um sie zu überzeugen, dass Gott die Sünder annimmt, dass Er gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Wie konnte das mit Sünde beladene Herz sonst Zutrauen fassen zu dem heiligen und gerechten Gott?

 Die Kluft zwischen ihnen und Ihm ist zu groß und es bedarf des Sohnes Gottes selbst und Dessen ganze Herablassung und Liebe, diese Kluft ausfüllen, und um den Sünder zu der Überzeugung zu bringen, dass dieser Gott mit ihm in einer innigen Gemeinschaft sein will, ja sogar ewiglich in Seiner Herrlichkeit droben. Das Herz Gottes ist zu groß und zu erhaben, als dass es von einem Sünder verstanden wer­den könnte, darum ist Jesus gekommen, um dieses Herz durch Sich selbst zu offenbaren und nahe zu bringen. Er ist für uns zur Sünde gemacht und hier finden wir Ihn inmitten der Zöllner und Sünder, um sie zu bewegen, diese gute Botschaft der Gnade und der Errettung anzunehmen. Welch einen Zug des gött­lichen Erbarmens! An einem Tische sitzt Er mit Sündern und das ist der Platz, den Er selbst Sich erwählt hat. Wer noch vor Gott sich fürchtet, hat nicht geglaubt, dass Jesus Seinen Platz unter Sündern eingenommen hat; wer noch bange ist seiner Sünde wegen, hat nicht erkannt, dass Jesus nur gekommen ist, die Sünder anzunehmen. Ist Sein Verkehr schon so innig und zutraulich, da wir noch Feinde waren, wie viel mehr wird es sein, nachdem wir erlöst und befreit sind!

Solange Jesus auf Erden war, beschäftigte Er Sich nur mit Sündern und drückte Sein inniges Verhältnis zu ihnen auf jede nur mögliche Weise aus. Er nennt sie Freunde und Brüder; Er gibt Sein Leben für sie dar, und mit einem Opfer hat Er alles, was sie von Gott trennt, hinweggenommen. Es ist keine Feind­schaft und keine Scheidewand mehr da; und sobald Sein per­sönlicher Verkehr mit den Sündern hier auf Erden aufhörte, fing der Verkehr durch den Heiligen Geist der gerechtfertigten Sünder mit Ihm droben wieder an. So ausschließlich und innig soll auch der Umgang der ein für allemal durch Ihn Gereinigten mit Ihm im Himmel sein. Seit der Zeit das Kreuz auf Golgatha aufgerichtet war, hat Er durch Sein Fleisch den Zugang zum Vater wieder eröffnet. Nachdem Fluch und Sünde durch Ihn hinweggetan ist, hat Er uns mit Sich in den Himmel zur Rechten des Vaters gesetzt

 „Unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott"; „unser -Wandel ist im Himmel." Sein Umgang hier auf Erden war ein persönlicher und sichtbarer; unser Umgang mit Ihm im Himmel, solange wir in dieser Hütte sind, ist im Geiste, unsichtbar und verborgen. Sein Verkehr mit uns war mit stetem Kampf, mit Schmach und Verfolgung verbunden und dasselbe Los teilen wir mit Ihm, solange wir von der Erde aus mit Ihm verkehren. Durch nichts aber hat Er sich hindern lassen, in diesem Verkehr mit uns bis ans Ende zu beharren und uns bis zum Tode zu lieben, so darf auch für uns kein Hindernis da sein, was unseren Umgang und unsere Liebe mit Ihm auf irgendeine Weise stört. Er hat uns zu Kinder Gottes gemacht und Er sucht durch Wort und Tat Seine zärtliche Liebe und Seine innige Gemeinschaft überall auszudrücken. 

Nur Seine Gottheit mit dem Vater hat. Er für Sich behalten, sonst hat Er als Sohn Gottes alles mit uns geteilt. Zu Erben Gottes und zu Seinen Miterben hat Er uns gemacht und wird uns mit Sich zu gleicher Herrlichkeit zur Rechten des Vaters erheben. Der Mensch ist sehr geneigt, zu denken, Gott habe ihn und sein Wesen in irgend einer Beziehung mit in Rechnung gebracht, als Er vor Grundlegung der Welt den Heilsplan zu unserer Erret­tung fasste, und dieser Glaube kann ihn oft leicht besorgt machen. Dieser Ratschluss ist aber allein aus der Liebe des Vaters und des Sohnes hervorgegangen, ohne in etwa auf uns selbst Rück- sieht zu nehmen. Er will aus uns etwas machen zum Lobe Seiner Gnade und Seiner Herrlichkeit. „Wir sind sein Werk, in Christo Jesu geschaffen zu guten Werken." Wir sind nur ermahnt, Ihn mit uns wirken zu lassen, alles in kindlichem Glauben anzunehmen, was Seine Gnade darreicht und mit Lob, Dank und Anbetung vor Ihm zu wandeln.

Es gibt Christen, die das Verhältnis zu den Sündern wenig verstehen und noch weniger das der Gerechtfertigkeiten und Geheiligten zu Ihm und dies hat einen nachteiligen Einfluss auf ihren ganzen Wandel. Darum tut es not, solchen immer wieder dies köstliche Verhältnis zum Bewusstsein zu bringen und sie in der Erkenntnis Gottes und Christi Jesu zu fördern und zu be­festigen. Je mehr wir die Gedanken Gottes über uns verstehen, je mehr wir erkennen, was Jesus für uns ist, und was wir Ihm sind, desto inniger wird unsere Gemeinschaft mit Ihm sein. Wallen wir auch noch im Leibe und in der Fremde, so wallen wir doch dem Herrn; wandeln wir hienieden auch im Glauben und nicht im Schauen, so sind wir dennoch in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne. Der Glaube beschäftigt sich nur mit Jesu und lässt sich durch das Sichtbare nicht beirren; das Sichtbare ist Gegenstand der Beschäftigung des Unglaubens.

„Der Gerechte aber wird seines Glaubens leben." Gott gebe, dass wir Seine Gedanken der reichen Gnade und Liebe in Christo Jesu recht verstehen, damit wir, wenn Er kommt, unserer hohen Berufung würdiglich gewandelt haben mögen.

Lukas 7,26-30 Der Pharisäer und die Sünderin BdH 1853

02/17/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Pharisäer und die Sünderin : Lukas 7,26-30

Botschafter des Heils in Christo 1853

In Christo Jesu ist Gnade und Gerechtigkeit vereinigt, und Immer noch geht die freundliche Bitte an alle Menschen: „Lasset euch versöhnen mit Gott"; aber bald wird Er auch Seine Ge­rechtigkeit in Seinen Gerichten offenbaren. Er hat ein Werk zu unserer Errettung, ein vollkommenes und vollgültiges Werk vollbracht und umsonst wird es dem geschenkt, der es glaubt und annimmt; es wird darin die Gerechtigkeit Gottes geoffenbart, die vor Gott allein gilt, und dem Gläubigen zugerechnet. Außer Christo gibt es keine Erlösung von der Sünde und vom Tode, und kein ewiges Leben.

„Es bat ihn aber einer von den Pharisäern, dass er mit ihm äße, und er ging in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tische."

Die Beweggründe, welche den Pharisäer veranlasst haben mochten, Jesum zu Tische zu laden, sind nicht näher angegeben. Aus seinem Empfang und Benehmen kann Allerlei geschlossen werden, doch will ich mich weiter nicht darauf einlassen. Ich sehe hier vielmehr eine Tat Gottes, die mich mit Lob, Preis und Anbetung erfüllt. Gott zeigt hier in Christo Seine Gesinnungen gegen eine Sünderin, inmitten einer Tischgesellschaft, die Ihn nicht kannte, und von Gnade und Erbarmen nichts verstand; Er verherrlichte Seinen Namen an einem elenden Weibe, die in großen Lastern gelebt hatte; Er offenbarte die Fülle Seiner Liebe und Gnade an einer Person, die durch alle ihre Hand­lungen nur Fleischlichkeit und Feindschaft wider Gott an den Tag gelegt hatte. Wie rührend ist doch, zu vernehmen, wie Gott Sich um ein einzelnes, verworfenes Weib bekümmert, woran die Menschen kalt vorübergehen, und worüber die besten herzlos richten. Nur Gott, der allein beleidigte, öffnet Seine Arme und tut ein Werk zum Lobe Seiner Gnade. Er offenbart Sich, wie Er ist, und dies allein kann den Sünder beruhigen und sein Herz erquicken.

„Und siehe ein Weib in der Stadt, die war eine Sünderin, als sie erfuhr, dass er in dem Hause des Pharisäers zu Tische saß, da brachte sie ein Fläschchen Nardensalbe herbei. Und trat hinten zu seinen Füßen und weinte, und fing an seine Füße zu benetzen mit ihren Trä­nen, und trocknete sie ab mit den Haaren ihres Hauptes und küsste seine Füße, und salbte sie mit Salbe."

Und siehe! ein Weib in der Stadt, die war eine Sünderin: als solche war sie allgemein bekannt, und dies war auch Alles, was man von ihr wusste. Ihr ganzes Leben war eine Feindschaft wider Gott und ein Dienst in der Welt in Augenlust, Fleisches­lust und hoffärtigem Wesen. Allein, hier ereignete sich eine Szene, die uns gewiss in Erstaunen setzen würde, wenn wir .sie heute zum ersten Male läsen. Das Weib, von dem Geschichte und Pharisäer nur zu sagen wissen: „Sie ist eine Sünderin"; — sehen wir hier als eine Freundin Gottes, die sich nicht mehr ihren Buhlen nahet, sondern dem• Heiligen und Gerechten, die nicht mit Worten, noch mit der Zunge liebet, sondern in Tat und Wahrheit; die ihre Glieder hier nicht im Dienste der Sünde gebraucht, zu Waffen der Gerechtigkeit, sondern im Dienste Gottes, zu Waffen der Gerechtigkeit. Ihr Haar ist nicht ge­flochten, noch sind ihre Wangen geschminkt, der Welt zu gefallen, sondern mit vielen stillen Tränen benetzt sie die Füße des Herrn, trocknet sie mit den Haaren ihres Hauptes, und salbet sie mit köstlicher Salbe. Woher aber hat diese Verwor­fene das Herz, sich dem Heiligen also zu nahen? Hier walten Geheimnisse, die nur dem enthüllt sind, der einen Blick in das Herz Gottes getan, und weiß, wie dieses Herz zu Sündern steht. Es sind Beweggründe, die nur der versteht, der Jesum er­kannt hat.

Der Pharisäer kannte Jesum nicht; ihm war das Herz des Vaters fremd geblieben. „Als aber der Pharisäer es sah, der ihn gebeten hatte, sprach er bei sich und sagte: Wenn der da ein Prophet wäre, so würde er auch wohl wissen, wer und welch' ein Weib das ist, welche ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin."

So spricht und denkt ein Mensch, dem das göttliche Erbar­men verborgen geblieben ist, und der von dem Werke Christi nichts versteht, Er beschäftigt sich mit seiner eigenen Gerechtig­keit und verwirft Alles, was nicht damit harmoniert; ja Gott selbst wird beurteilt und verworfen, wenn Er Seine Gnade und Gerechtigkeit kund tut. Nicht um Gottes Willen jagt der Mensch einer Gerechtigkeit nach, sondern um seiner selbst willen, ent­weder aus Furcht vor der Strafe oder aus Liebe zum Lohne. Er denkt nicht daran, Gott zu verherrlichen, sondern sich selbst, und wenn er betet: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie andere Leute", so lebt er im Grunde doch nur seine Gerech­tigkeit.


 Mit Liebe zu Gott ist sein Herz nicht erfüllt, da es nicht versteht, dass Gott die Liebe ist und sogar Seines eingeborenen Sohnes urn unsertwillen nicht verschont hat, da wir noch Feinde waren. Wer da nicht liebt, hat Gott nicht erkannt, denn Gott ist die Liebe (1. Joh. 4, 8). Der Mensch dünkt sich Gott gleich zu sein, darum beurteilt er seine Gerechtigkeit nur nach seinem eigenen Maßstabe und nicht nach Gott; er will selbst wissen, was gut und böse ist, denn er hält dafür, dass seine Augen auf­getan sind. Überall offenbart sich mehr oder weniger diese Ge­sinnung, wo man an der Offenbarung Gottes dreht und meistert, und in Leichtfertigkeit seinen Gedanken mehr, denn Gottes Wort folgt.

Der Pharisäer sah seine Frömmigkeit und des Weibes Sün­den; aber nicht erkannte er ihre Liebe und Hingabe an den Herrn und seine Herzlosigkeit. — Ein Charakterzug des Men­schen, der von sich Gutes, und von Andern Schlechtes erwartet. Er hielt die Berührung des Weibes für eine große Verunreini­gung und dachte nicht daran, dass alle seine Gedanken und Ge­sinnungen unrein waren; er meinte, wenn Jesus ein Prophet sei, so wüsste Er, wer und welch' ein Weib dies wäre, und in diesem Urteil offenbarte er seine Blindheit, denn er kannte weder den Herrn noch dies Weib. „Womit du einen Andern richtest, verdammst du dich selbst."

Nur durch Gnade treten wir mit Gott in Verbindung, und

alle unsere Beziehungen zu Ihm sind allein auf Gnade gegrün­det. Von der Gerechtigkeit des Menschen weiß Gott nichts, und sie ist ebenfalls eine Feindschaft wider Ihn, weil sie aus dem Hochmut und der Lüge, und nicht aus der Wahrheit kommt. Mancher hört und lernt von Jugend auf, dass vor Gott kein Fleisch gerecht wird, und spricht dennoch: „Das ist ein Sünder oder eine Sünderin", und bleibt sich selbst verborgen. Es ist möglich, den Herrn, der allein gerecht und gnädig ist; als Gast an seinem Tische zu haben, und dennoch nur an seine eigene Gerechtigkeit zu denken und von der Gnade Gottes nichts zu verstehen.

Doch dem Weibe war diese Gnade und Liebe nicht verborgen geblieben. Ihr Blick war in das erbarmungsvolle Herz Gottes, welches sich in Jesu offenbarte, gefallen, und — o Reichtum der Gnade! o Fülle der Herrlichkeit? — alle ihre Sün­den und Missetaten fanden hier Vergebung; ja in diesem Her­zen hatten gar die Sünder der ganzen Welt Raum. In Jesu war Gott selbst zu ihr gekommen; nicht um sie zur Rechenschaft zu ziehen, sondern um ihr mitzuteilen, dass ihrer Sünden und Übertretungen in Ewigkeit nicht mehr sollten gedacht werden. Der Bürge selbst war da, der volle Bezahlung leisten und ein ewig vollgültiges Opfer für ihre Sünden darbringen wollte. So lautet die gute Botschaft, die Er selbst brachte: „Ich bin gekom­men, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist." Das ist eine Botschaft, die ein Sünderherz aufrichten und selig machen kann.

Gott hat den Sünder erlöst und seine Schulden getilgt; Er hat für ihn eine Gerechtigkeit erworben und ihm eine Herrlich­keit geöffnet und geschenkt, und Sein Werk ist ein vollkom­menes. Alles, was der Mensch sucht und vor Gott zu bringen sieh bemühte, und nicht konnte, hat Sich Gott selbst in Christo in aller Vollkommenheit dargebracht. Wer jetzt seiner Sünden wegen noch zittert, hat dieses Werk nicht erkannt und zweifelt an der Vollgültigkeit des Opfers Christi; wer noch im Dienst der Sünde beharrt, kennt weder die Gnade noch die Gerechtig­keit Gottes; wer sich noch nicht Seines Gottes erfreut und rühmet, der beschäftigt sich mit seiner Gerechtigkeit und das Herz Gottes ist ihm verborgen.

Die Sünderin hat Jesum als den Abglanz der Herrlichkeit Gottes und das Ebenbild Seines Wesens erkannt, und als sie Ihn gefunden hatte, vergaß sie sich und die Welt. Im musste sie ihre Liebe beweisen, mochte auch die ganze Tischgesellschaft darüber murren; sie hatte einen besseren Dienst kennen ge­lernt, als den der Sünden und des Fleisches. Ihre einzige Sehn­sucht war, Dem zu dienen und sich ganz hinzugeben, Der eine solch köstliche Botschaft und Gnade und Vergebung gebracht hatte. Ihre Salbe, ihre Haare, ihre Augen, ihr Mund, kurz 

Alles, womit sie früher ihrem Buhlen zu gefallen suchte, war jetzt nur dem Dienste Gottes geweiht; ihre Füße, die sonst den Gegenstand ihrer fleischlichen Lust aufsuchten, hatten jetzt Den gesucht und gefunden, Der alle ihre Sünden trug. Wohl uns, wenn wir verstanden haben, dass Jesus nur gekommen ist, das Verlorene zu erretten; dass Gott in Ihm war, um die Welt mit Sich selbst zu versöhnen; wenn wir das Geheimnis Seines Willens durchschauen, welches darin besteht, ein Werk Seiner Gnade, Weisheit und Kraft zu Seinem Lobe an uns zu voll­bringen, wodurch ein Gottloser und Knecht der Sünde ein Kind Gottes und Knecht der Gerechtigkeit wird, und das allein durch Jesum Christum, ohne Zutun der Menschen. Es ist ein sehr herrliches Evangelium, welches uns verkündigt, dass Gott selbst es übernommen hat, den Sünder selig zu machen, und ihn ewig­lich als einen Gegenstand Seiner Freude und Wonne, zu Seiner Rechten in der Herrlichkeit hinzustellen.

„Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag an. Ein Wucherer hatte zwei Schuldner; der eine war fünfhundert Groschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht hatten zu bezahlen, schenkte er es beiden: Sage nun, wer von beiden wird am mei­sten lieben? Simon antwortete und sprach: Ich achte der, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht ge­urteilt.

Der Herr lässt Sich an dem Pharisäer nicht unbezeugt, selbst wenn auch an Ihm das Wort in Erfüllung gehen sollte: „Ich rede zu ihnen durch Gleichnisse; denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht, und erkennen es nicht" (Matth. 13. 13). Er versteht wohl, dass der Schuldner am meisten lieben werde, dem am meisten geschenkt sei. Er konnte sich schnell in die drückende Lage eines Men­schen versetzen, der eine große Summe schuldig sei und nichts zu bezahlen hätte, und dass es gewisse Liebe und Dank erwecken müsse, wenn er von diesem Drucke in der Weise erlöst, dass die ganze Summe geschenkt und ihrer gar nicht mehr gedacht würde. 

Dass ein Sünder Gott gegenüber in einem ähnlichen Verhältnisse steht, dass dessen Schuld sehr groß sei und er nicht zu bezahlen hätte, war ihm aus eigener Erfahrung ver­borgen, und darum hatte er auch kein Erbarmen für, das Weib. Er hoffte ja nicht auf Gnade, sondern auf Sein Tun, und wenn er gefehlt, so bestrebte er sich, es besser zu machen; wie konnte er da an eine so große Schenkung denken. Er zweifelt auch gar nicht daran, dass er selbst, oder ein Wucherer, mit einem armen Schuldner, der nicht zu bezahlen hatte, soviel Mitleid haben könnte, ihm die ganze Schuld zu schenken, aber der Gedanke, dass Gott gegen ein armes, schuldbeladenes Weib ebenso gesinnt sein könnte, kam nicht in sein Herz. So hoch denkt der Mensch von sich und so gering von Seinem Gott.

In seinen Urteilen . ist der natürliche Mensch nie gerecht, wenn es sich um ihn selbst handelt. Er kann freilich von sich als Sünder reden, aber ohne das Licht von oben wird er es nur aus Gewohnheit tun, oder gar seine Gerechtigkeit darin suchen. Kommt der Mensch mit der Wahrheit persönlich in Berührung, so beweist er, dass er die Finsternis mehr liebt, als das Licht, und dass seine Gesinnung eine Feindschaft wider Gott ist. Er denkt, Gott zu lieben, so lange die Wahrheit ferne von ihm bleibt.

In Betreffe des Gleichnisses urteilte Simon richtig; aber die Wahrheit der Gnade Christi, die sich hier im Benehmen des Weibes und des Herrn offenbarte, ärgerte ihn; der natürliche Mensch vernimmt nichts von den Dingen, die des Geistes Gottes sind. Die Handlung, die sich vor seinen Augen zwischen dem Weibe und dem Herrn zutrug, verstand er nicht.

Eine solche Sünderin in der Nähe eines Mannes Gottes, der doch vielfach wenigstens für einen Propheten oder Lehrer ge­halten wurde, sich von derselben anrühren zu lassen, oder gar Ehrenbezeugungen entgegen zu nehmen, war ihm etwas Un­begreifliches. Durfte denn diese Lasterhafte noch auf Errettung hoffen? Ein solcher Gedanke hatte bis jetzt in seinem Herzen nicht Raum gefunden. Er nahte nur Gott im Bewusstsein seiner Gerechtigkeit, wie konnte dies e, im Bewusstsein ihrer Schuld einen solchen Schritt tun? Ging denn jetzt Gnade über Recht? Nein, Jesus konnte kein Prophet sein, sonst würde Er wohl dieses Weib durchschauen. So schwer ist es, dem Men­schen zu glauben, dass Gott gnädig ist, und dass wir nur durch Gnade vor Ihm bestehen können..

Der Herr führte nun den Pharisäer weiter in Sein und des Weibes Herz; er deckte beider Gesinnungen und Handlungen auf und überließ, dann die Frage: Wer dem Herrn am nächsten stehe? — dem Urteil derer, die mit zu Tische saßen.

„Und er wandte sich zu dem Weibe und sprach zu Simon: Siehst du dieses Weib? Ich bin gekommen in dein Haus, du hast mir nicht Was­ser gegeben zu meinen Füßen; diese aber hat meine Füße mit Tränen gesalbt und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, diese aber, nachdem sie hereingekommen ist, hat nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit ÖI gesalbt. Sie aber hat meine Füße mit Salben gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; welchem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. Und er sprach zu ihr: dir sind deine Sünden vergeben."

Je tiefer wir in das Herz Gottes schauen, wie es sich uns in und durch Jesum geoffenbart hat, desto weiter wird unser eigenes Herz. Wir fangen an zu verstehen, dass wir nur um des Werkes Christi willen leben, und dass dieses Werk nur in dem Maße in uns wirksam ist, als wir e's erkennen. Sein Bild gewinnt immer mehr und mehr eine Gestalt in unserm Innern, denn Seine Liebe ist ausgegossen in unser Herz. 

Es ist wichtig, zu wissen, dass unser Heil ein in Ewigkeit vollendetes, ein voll­kommenes ist, dass wir aber in der Erkenntnis desselben, in der Erkenntnis Gottes und Christi immerdar wachsen und zunehmen müssen. Wollten wir denken, unsere Erlösung würde durch unser Verhalten eine völligere, so hielten wir das Opfer Christi nicht für vollgültig und hätten vergessen, dass wir nur dieses Opfers wegen vor Gott so hoch geachtet sind. Nur Liebe und Dank kann es sein, was uns zum heiligen Wandel vor Gott be­wegen soll.

Gott selbst sieht nur das Werk Christi an, wenn Er die Reichtümer Seiner Gnade und die Fülle Seiner Herrlichkeit uns offenbart; nur darum ruht Sein Wohlgefallen auf uns, weil Er das Werk Seines eigenen Sohnes in uns erblickt. Er sieht gar keine Sünde an einer Seele, die in Jesu ruht, weil Sein wohlgefälliges Opfer immerdar vor Ihm ist und weil Jesus als allein würdiger Hoherpriester zu Seiner Rechten steht und uns vermöge Seines ewig gültigen Opfers beim Vater vertritt.

Die Menschen sahen an dem Weibe nichts als Sünde und Laster; Jesus aber hatte viel von ihr zu rühmen; Er sah das Werk Gottes in ihr. Er gedachte ihrer Sünden, als einer Schuld, mit keinem Worte; wusste Er doch, warum Er in die Welt ge­kommen war; vielmehr sagte Er von ihr: Sie hat viel geliebt. Wunderbare Gnade! Es hatte die Liebe Gottes in ihrem Innern Raum gefunden. Jesus vertritt hier das Vaterherz Gottes; Er offenbart die Gesinnung des Vaters gegen verlorene Sünder. Nicht mehr sah Er die Sünde, sondern das Opfer an, was schon vor Grundlegung der Welt vom Vater und vom Sahne beschlos­sen war und nun dargebracht werden sollte.

Wie könnte der Bürge, voll Liebe und Erbarmen, der ge­kommen war, den ewigen Ratschluss Gottes zu erfüllen, und für die Sünder völlig in den Riss zu treten, — wie konnte Er das Weib noch an ihre Schuld erinnern? Das konnte nur ein Mensch, der von dem Ratschlusse Gottes und von der Vollgültigkeit die­ses Opfers nichts verstand. Nur ein solcher konnte noch sagen: Sie ist eine Sünderin.

Mit einer rührenden Liebe vertritt hier Jesus das Weib vor einem Pharisäer, der Ihn nicht kannte und von ihr urteilte: Sie ist eine Sünderin. Sie hatte sich zu Ihm bekannt in der Mitte einer herzlosen Gesellschaft, wie hätte Er es lassen kön­nen, Sich zu ihr zu bekennen? Nein, wenn alles urteilt: Sie ist eine Lasterhafte und Verworfene, wenn Aller Blicke sich auf sie richten und jeder Mund bekennt: Sie ist eine Sünderin, so wendet Er sich zu ihr und spricht: Sie hat viel geliebt! Das ist das wahrhaftige Zeugnis Gottes von einem Weibe, wovon die Menschen nur zu sagen wussten, dass sie vor Allen eine Sün­derin sei. Jesus allein verstand ihre Tränen, welche auf Seine Füße, die der Simon nicht einmal mit kaltem Wasser hatte waschen lassen, herabflossen; Er verstand es, warum das Haar ihres Hauptes zum Reinigen und Trocknen dieser Füße diente; ja, Er allein verstand ihre Küsse und ihre Salbung mit dem kostbaren Balsam. So liebet und gibt sich eine Seele hin, die in das Vaterherz Gottes geschaut hat; nichts behält sie für sich und zu ihrem Dienste,

 Alles gehört nun Dem, der sie so väterlich aufgenommen hat. Diese Liebe Gottes hat sie in Jesu erkannt und ist in ihr eigenes Herz ausgegossen worden; sie hatte die Gnade und Liebe des Vaters verstanden, der Seinen geliebten Sohn für Sünder, für Seine Feinde schenkte; sie hatte die auf­opfernde Liebe Dessen anerkannt, der Sein Leben für Gottlose in den Tod gab, Der für ihre Sünden Sein Blut vergoß. Wer das Herz Gottes erkannt, wer Seine Gesinnung zu der Sünderin verstanden hat, der kann nicht anders, als vi e 1 lieben. Die Liebe Gottes, ausgegossen in unsere Herzen, ist es allein, die auch wieder zu Ihm geht.

Simon handelte nicht nach der Liebe und nach dem Herzen Gottes, denn er kannte nur sich und seine Gerechtigkeit. Darum handelte er auch nach seiner Liebe und seinem Herzen, und was er tat, das tat er nicht um Gottes, sondern um seiner selbst willen. Er hatte den Herrn in sein Haus zu Tische geladen, er nannte Ihn Meister, und doch zweifelte er sogar daran, dass Er ein Prophet sei. Jesus war als Gast bei ihm eingekehrt und doch hatte er Ihm nicht einmal so viel Aufmerksamkeit und Achtung geschenkt, dass er Ihm Wasser für Seine Füße, oder einen Kuß gegeben, oder Sein Haupt mit Salben gesalbt hätte, wie er es doch jedem Gaste, der ihm einigermaßen wert gewesen wäre, getan haben würde. 

Wie so nackt und bloß ist dieser vor den Menschen gerechte Mann in den Augen Gottes? Mochten auch alle von ihm urteilen, dass er ein frommer Mann sei, Jesus bekennt von ihm, dass er ein Herz ohne Liebe habe; mochte er selbst viel von der Liebe zu Gott reden, seine Ge­sinnungen und Handlungen offenbarten nur Herzlosigkeit. Die Liebe Gottes war nicht ausgegossen in sein Herz, ja er verstand und erkannte sie nicht einmal. Diese Liebe, die den Sohn zum Opfer für die Sünde hat, war ihm noch verborgen; dieses ver­söhnende Blut war seinem Herzen noch ganz fremd geblieben. Wie konnte er lieben, da er nur seine Liebe kannte? Wie konnte der Reichtum der Gnade Gottes ihn zur Anbetung reizen, da er nur an seine Gerechtigkeit dachte? An ihm fand der Herr nichts zu rühmen, weil er die Liebe Gottes nicht in seinem Herzen sah; zu ihm konnte Er sich nicht bekennen, weil sich auch Simon nicht zu Ihm, sondern zu sich selbst bekannte.

„Da fingen an, die mit ihm zu Tische saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch die Sünden vergibt?"

Gott hatte einer großen Sünderin Seine Gesinnungen zu den Menschen kund getan und Jesus die Absicht Seiner Sendung durch eine herrliche Tat geoffenbart, aber die, welche mit Ihm zu Tische saßen, gerieten darüber in Bewegung. Sein Urteil über das Weib aber war nicht das ihrige; Sein Herz voll Gnade und Liebe stimmte nicht mit ihrer Gerechtigkeit, und war Sein Werk G o t t e s Werk, so waren sie in ihrer Stellung zu Gott ganz verworfen; konnte der Mensch nur durch einen solchen Akt der Gnade Gottes vor Gott bestehen, dann bestanden sie nicht, und lag das Heil allein in der Hand dieses Jesus, der da sagte: „Dir sind deine Sünden vergeben"; so war ihre ganze Frömmigkeit null und nichts.

„Wer ist dieser?", so fragten sie untereinander. Was sie dieser Sünderin gegenüber aus Seinem Munde gewiss erwartet hatten — eine scharfe, richtige Predigt des Gesetzes, ernste Ver­weise und Bestrafungen — auch kein Wort hörten sie von alle­dem. Er spricht zu ihr; wie zu einer zärtlich, geliebten Freun­din; Er nimmt sie wie eine teure Schwester in Schutz, gegen alle harte und lieblose Angriffe. Nicht einmal hatte Er gesagt: Gehe hin und wirke zuvor Gerechtigkeit und dann komme wie­der; vielmehr hören sie die Worte, die alle ihre Begriffe von Gerechtigkeit so tief verletzten: „ Si e hat viel geliebt" und: „Deine Sünden sind dir vergeben". War denn Gott nicht mehr gerecht; indem Er der Sünden und Übertre­tungen nicht mehr gedachte? Und wer war dieser, dass Er so leichthin Sünden vergab, wodurch nur ruchlose Menschen ge­macht wurden? 

So urteilt der Mensch über den Reichtum der göttlichen Gnade. Er versteht nichts von ihrer verborgenen Kraft und von der Macht der Liebe, die stärker ist, als alle knechtische Furcht. Der Ratschluss Gottes, war denen, die zu Tische saßen, verborgen, obgleich sie es waren, die doch äußer­lich so viel mit Gott verkehrten. Sie wussten es nicht, dass Jesus nur gekommen war, das Verlorene zu suchen und selig zu machen. Sie kannten nur die Gerechtigkeit, die nicht von Gott gewirkt und ihnen geschenkt, sondern das Werk ihrer eigenen Mühe und Arbeit war, obgleich sie hören mussten, dass der in ihren Augen gewiss so hoch geachtete und an „vielen guten Werken" reiche Simon von dem Herrn dahin gestellt wurde, als ein Mann ohne Liebe.

 Ihr Herz wurde über die Reichtümer der göttlichen Gnade nicht mit Preis und Anbetung erfüllt, denn sie kannten diese Gnade nicht und lebten nicht von ihrer Fülle, vielmehr erbitterte es sie, dass Gott ein so gottloses Weib ohne weiteres annehmen sollte. Sie beschäftigten sich damit, ob Jesus ein Recht habe, die Sünden zu vergeben, wo sie doch vielmehr hätten daran denken sollen, dass in ihrem Herzen keine Liebe und kein Erbarmen wohne. Aber sie sind nicht geneigt, sich selbst zu richten, eher muss der Herr wieder der Gegenstand ihres Urteils werden.

Manche Seelen beschäftigen sich mehr damit, ob das ge­offenbarte Wort Wahrheit sei, als mit der Fülle der Gnade, Liebe und Herrlichkeit selbst, die uns geoffenbart ist. Statt von diesen umsonst dargereichten Segnungen Gebrauch zu machen, statt aus ihrem Besitz Kraft und ihrer mächtigen Wirkung den wahren Wert zu erkennen, bleiben sie von ferne stehen und meistern Gott und klügeln an Seinem Worte. Manche beschäf­tigen sich damit, obwohl das Werk Christi durch den Glauben allein, auf eine Seele einen so kräftigen und lebendigen Einfluss ausübe, aber sie vergessen das einfältige Annehmen und das kindliche, gläubige Ergreifen dessen, was uns in Christo geschenkt ist, worin allein die Segnung für uns liegt. Solange wir noch den geringsten Wert auf unsere Gerechtigkeit setzen, solange erfreut die Gnade nicht völlig unser Herz, solange das Werk Christi nicht allein der Grund ist, auf welchem ich vor dem Vater stehe, solange ruht Dessen Wohlgefallen nicht auf mir. Wenn ich noch nicht verstanden habe, dass ich nur durch die göttliche Gnade vor Gott lebe, solange wird mein Inneres verletzt, wenn ich sehe, wie diese Gnade Gottes sich an einem anderen offenbart, und ich werde um so bitterer, je mehr ich sehe, wie dieser Reichtum der Gnade sich an einer Seele kräftig erweist.

„Er aber sprach zu dem Weibe: Dein Glaube hat dich errettet; gehe hin in Frieden."

Jesus hatte das Herz Seines Vaters geoffenbart; die Phari­säer hatten es gesehen und gehört, aber nichts davon verstanden. Darum lässt auch Er sich jetzt nicht weiter mit ihnen ein; Er wendet Sich zu dem Weibe, welches jene verwarfen, und die in Seinen Augen ein so teurer Gegenstand geworden war. Sie war ein Lohn Seiner Mühe und Arbeit, eine Frucht des Werkes, was Er vollbringen wollte; Er sah in ihr die Hingabe und Liebe einer begnadeten Sünderin, die Ihm ihren ganzen Reichtum, ja sich selbst zum Dankopfer darbrachte. Sie war ein Gegenstand Seiner Freude, wofür Er das Kreuz erduldete und Sein Leben nicht ansah. Er wusste, warum sie gekommen war, und Er ver­stand alle Bewegungen ihres Gemüts. Sie hatte Jesum gefun­den, der gekommen war, das Verlorene zu suchen und zu er­retten.

 Gott war im Fleische erschienen, mit einer Fülle von Gnade und Erbarmen; jedes Schuldopfer wäre zu gering für ihre Sünden gewesen, aber hier war das Lamm Gottes, das aller Welt Sünde trug. Nichts hatte bis dahin über sie etwas vermocht; nichts ihrem Sündenleben ein Ziel setzen können; aber solche Gedanken und Gesinnungen waren ihr zu mächtig. Weder die Schande vor der Welt, noch die Furcht vor dem ver­dammenden Gesetz und dem gerechten Richter hatte sie er­schreckt, aber als sie die Gnade und Liebe Gottes in Jesu erkannte, da verließ sie Alles und suchte Ihn auf. Sie kam zu Ihm und täuschte sich nicht.

 „Dein Glaube hat dir geholfen!" Sie ist errettet, weil sie zuversichtlich geglaubt hat, dass Jesus allein sie erretten könne und wolle; ihre Sünden sind getilgt, weil sie glaubte, dass Jesus, der Sohn Gottes gekommen sei, alle Sünden hinweg zunehmen! Ihre Gesinnungen wie ihre Handlungen haben ihr keine Hoffnung zur Errettung übrig gelassen; nur die Gnade Gottes war noch allein übrig geblieben; von allen Menschen war sie verworfen und verdammt, und nur noch Einer war im Him­mel und auf der Erde, der sie nicht verwarf, sondern vielmehr gekommen war, sie zu suchen und sie zu erlösen. O, dein Glaube hat dich gerettet! Vor Gott gilt nicht die Gerechtigkeit irgend­eines Menschen, nicht eine Gerechtigkeit, die weder Liebe noch Gnade kennt, sondern die Gerechtigkeit Gottes, die dem Glau­ben zugerechnet wird, und das Herz mit Liebe und Erbarmen erfüllt. Nur das allein gilt vor Gott, was Er selbst dem Men­schen in Christo darreicht und schenkt.

Der Glaube macht gerecht und wirkt Frieden mit Gott; er fragt nicht: Was ist der Mensch und was hat er getan, um selig zu werden? Im Menschen findet er nichts, was Gott ange­nehm wäre, oder was ihn zu Gott bringen könnte; er findet Alles außer ihm in der Person und de m Werke Christi. Der Glaube ist sich völlig bewusst, dass der Mensch nichts hat und nichts bringen kann, was Gott gefallen könnte, und darum nimmt er zur Gnade Gottes seine Zuflucht.

 Diese Gnade hat sich in Christo geoffenbart und sie ist allein der Maßstab meiner Errettung und Annahme bei Gott. Ich bin gerade so rein bei Gott, als das Blut Jesu Christi zu reinigen vermag, meine Er­rettung ist so vollständig und gültig, als das Opfer Christi voll­kommen und vollgültig bei Gott ist. Will ich erkennen, wie viel ich in den Augen Gottes gelte, so brauche ich nur zu erforschen, wie viel Jesus bei Ihm gilt, der unser Lösegeld ist; will ich meine wahre Stellung, die Fülle meines Reichtums wissen, so brauche ich nur zu verstehen, welche Stellung Jesus beim Vater hat und was Sein Reichtum ist. Um meiner selbst willen bin ich nichts vor Gott; aber um Seinetwillen werde ich vom Vater geehrt und geliebt, wie Er (Joh. 17, 33, — 12, 26); ich habe Teil an Seiner Herrlichkeit, die Ihm der Vater gegeben hat. Ich kann „Abba, Vater!" sagen; ich bin Freund, Kind und Erbe Gottes und Miterbe Christi; ich bin ein Glied an Seinem Leibe und gehöre zu Seiner Braut; aber das alles um Seinetwillen. Die Gnade Gottes in Christo ist es allein, die es mir umsonst

geschenkt hat. Nie hätte mein Verhalten und meine Gerechtig­keit mich in eine so herrliche und gesegnete Stellung einem. heiligen und gerechten Gott gegenüber bringen können. Der Glaube findet und nimmt alles in Christo und aus Seiner Fülle. Er fragt auch nicht, wie weit es ein Mensch im Christentum gebracht habe; er lässt das vollkommene Opfer Christi nicht aus den Augen und dies allein bewirkt einen innigen Frieden und eine selige Freude in dem Herzen. Er beschäftigt sich stets mit Jesu, weil er weiß, dass der Mensch nur um Seinetwillen vor Gott besteht, und so hoch und geehrt und geliebt ist. Darum ist auch sein Wandel in der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes, und ein Gott wohlgefälliger.

„Gehe hin in Frieden." Des Weibes Sünden waren getilgt; sie war gerettet, und Jesus war nun der einzige Gegenstand ihrer Freude; darum kehrte sie jetzt in Frieden heim. „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum" (Röm. 5, 1). Sobald ich mich selbst in keinerlei Weise in Betracht ziehe, sobald ich mein Verhältnis zu Gott allein nach dem Wert des Opfers Christi schätze, und mich mit Seiner Gnade und Seinem Werke allein beschäftige, habe ich Frieden mit Gott, sobald ich aber von diesem Werke absehe und mich mit mir selbst ein­lasse, ist mein Frieden gestört, weil ich dann meine Stellung bei Gott von meinem Verhalten abhängig mache. 

Selbst in solchen Stunden, wo drückende Verhältnisse auf mich eindrin­gen, oder eine gewisse Erschlaffung mein Gemüt niederdrücken will, wird nur dann mein Frieden unterbrochen, wenn ich, mich mit diesen Verhältnissen einlasse und dieser Erschlaffung nach­hänge. Betrachte ich meine Beziehungen zu Gott nur im Hin­blick auf das, was Christus für mich vollbracht hat, so bin ich dem Vater lieb und wert; Seine Kraft ist mächtig in mir und die Gesinnung Jesu Christi wird in meinem Wandel offenbar werden; betrachte ich mich aber ohne diesen innigsten Zusam­menhang mit Jesu, so bin ich vor Gott verworfen und die Sünde wird über meine Ohnmacht herrschen. So sehr meine Gerechtig­keit vor Gott allein von dem Werke Christi abhängig ist, eben so sehr ist es auch mein Friede mit Ihm. Die große Sünderin ist von dem Augenblicke an errettet, und ihre Sünden sind getilgt, als sie das Werk Christi vor Gott bringt und nur ihre Hoffnung auf Jesum setzt. Sie wandelt in Frieden und in Freude, solange sie das Vaterherz Gottes versteht.

Der Herr gebe, dass wir immer mehr die Reichtümer der göttlichen Gnade in Christo erkennen und verstehen, dass wir nur um Jesu und Seines Werkes willen vor dem Vater so geehrt und so hoch geliebt sind.

Lukas 10.39 Maria zu den Füßen Jesus, unser Prophet, unser Hoherpriester und unser König 1867 BdH

12/31/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Wie wir in Luk 10,39 lesen, saß Maria zu den Füßen Jesu und hörte Sein Wort, indem sie Ihn als ihren Propheten, als Den erkannte, der aus dem Schoß des Vaters gekommen war, um den Vater zu offenbaren.

In Joh 11, 32. 33 finden wir, wie Maria, von ihrer Trauer niedergebeugt, Jesu weinend zu Füßen fällt und wie Er mit ihr weint. Hier erkennt sie Ihn als ihren Hohenpriester und findet in Ihm jemanden, der Mitleiden hat mit ihren Schwachheiten. Da sie Gnade und Hilfe nötig hatte, naht sie sich mit Freimut Ihm, der voll von Gnade und Wahrheit ist.

In Joh 12, 3 salbt Maria die Füße Jesu, und „das Haus wurde von dem Geruch der Salbe erfüllt". Wie lieblich der sich aus­breitende Wohlgeruch sein mochte, so war er doch nicht so lieblich, wie ihr Glaube für das Herz ihres Herrn war. Ja, der Glaube war nach Seiner Wertschätzung so kostbar, daß Er laut erklärte, der Wohlgeruch ihres Glaubens werde bekannt werden, wohin irgendwie der Schall des Evangeliums dringen werde.

Matth 26, 12. 13. „Sie hat es zu meinem Begräbnis getan." Ihr Glaube verstand gewiß das, was die Jünger nicht verstehen konnten. Sie sah Ihn als das Lamm, geschlachtet für die Sünde des Volks; und indem sie, wie es mir scheint, über Seinen Tod und Sein Begräbnis hinweg auf Seine Auferstehung schaute, salbte sie Ihn als den König in Zion; denn dies ist der Charak­ter, in dem wir Ihn unmittelbar nach Seinem Einzuge in Jerusa­lem finden und der hier in Schwachheit darstellt, was Er her­nach in der Macht und Herrlichkeit der Auferstehung erfüllen wird.

Möchte unser Glaube unseren von der Erde verworfenen und verachteten Herrn in allen diesen Seinen kostbaren Ämtern erkennen, und zwar sitzend zu Seinen Füßen, um zu lernen, weinend zu Seinen Füßen in der Gewißheit Seines Mitgefühls in all unseren Trübsalen, und hinschauend mit Wonne nach jener Zeit, wo Er als König der Könige und als Herr der Herren geoffenbart sein wird und wir mit Ihm regieren in Herrlichkeit.

Lukas 15.12 Gib mir das Teil der Güter, das mir gehört, Paul Humburg

12/29/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

„Gib mir!" Das war die Sprache des jüngeren Sohnes, ut der er vor seinen Vater trat Es ist die Sprache der ganzen Menschheit, vom Sündenfall des ersten Menschen an Daher kommt all unser Leid, daß wir haben und herrschen wollen, daß wir nur an uns selbst denken Das war der Anfang aller Sunde, daß der Mensch sprach „Gib mir!" im Blick auf das, was ihm Gott versagt hatte, und daß er sich nahm, was ihm nach Gottes Willen vorenthalten war. Wir alle nehmen immerzu in alle Taschen. Das ist der innerste Trieb in all Unserer Sünde, dies vorderste Wort: Gib mir!, das Wort der Selbstsucht

„Das Teil der Guter, das mir gehört." Daher kommt so viel Zank und Streit, daß jeder es sich ausrechnet und dann ganz genau weiß, was ihm gehört, was andere ihm schuldig sind, was ihm zukommt Darüber ist schon viel Zwist in den Familien entstanden Den ganzen Tag sagt jeder zum anderen „Gib mir das Teil, das mir ge-hort Wir beschaftigen uns alle sehr gründlich mit dem, „was man verlangen kann", worauf wir bestehen müssen als auf unserem Anspruch, und wir denken so wenig über das nach, was wir anderen schuldig sind, an das Teil, das anderen gehört. Rücksichtslos fordern wir unser Teil, unser Teil an Bequemlichkeit, an Dienstleistungen der andern, an Achtung und Rücksichtnahme, an Opfern, die man für uns bringen soll Und wir versetzen uns so wenig in die Lage der andern hinein, was unser Fordern ihnen an Muhe und Entsagung auferlegt, wieviel Anspannung ihrer Kräfte, wieviel Freundlichkeit und Liebe Und ebenso vergessen wir, daran zu denken, welches das Teil ist, das i h n e n gehört, wie wir ihnen gegenüber Entgegenkommen beweisen, Liebe üben und Freundlichkeit an den Tag legen mußten Wie oft rechnet man es aus und überlegt, wer wohl den ersten Gruß schuldig ist, wer den ersten Schritt tun müßte, wer das erste Wort zu sagen hatte.

Und immer großer wird das Teil, das nach unserer Meinung uns gehört, und immer weniger denken wir an das Teil, das nach göttlichem und menschlichem Recht dem andern gehört. Gib mir! Fast unser ganzes Leben und all unser heimliches Empfinden und unsere Triebe werden regiert von diesem kurzen, scharfen, allmächtigen Kommando Gib mir! Das Ich sitzt auf dem Thron und erwartet selbstverständlich der anderen Unterwerfung.

Wie oft ist auch in den Familien, kaum daß Vater und Mutter die Augen geschlossen haben, da, wo immer Friede und Eintracht geherrscht haben, der Zank und Streit eingekehrt über mein und dein. Was man nicht für möglich, gehalten hatte, das verursacht dies eine Wörtchen: Gib mir! Auf einmal springt eine Streitfrage auf, über der man sich erhitzt, über der alte Liebe vergessen wird und gemeinsames Leid in den Hintergrund tritt Und scharf und spitz wie Schlachtschwerter ruht in den Händen eines jeden Beteiligten das Wort Gib mir!
Tief ist der Schaden und sitzt fest im Menschenherzen. Er konnte nur geheilt werden dadurch, daß Gott gab r, der einzige, der fordern konnte Gib mir!, der alles  fordern konnte und auf alles Anspruch hatte, gab sein Alles, Seinen eingeborenen Sohn, um durch Sein Geben, Seine selbstlose Liebe unser Nehmen, unsere Selbstsucht zu heilen.
„Und er teilte ihnen das Gut Wenn solch ein Verlangen auftritt, dann hilft es nichts, mit Gewalt zu wehren Ein kurzer Satz Er beschreibt wohl eine lange Geschichte Es wird eine innere Not des Vaters gewesen sein, ein Kampf, als diese Zumutung an ihn herantrat

Aber er weiß, es hat ja keinen Zweck, mit Gewalt zu halten, was ziehen will Reisende Leute muß man nicht aufhalten. Man muß sie gehen lassen. Man kann die Kinder nicht zwingen zu ihrem Gluck Sie müssen ihre Erfahrungen machen Sie müssen durch schwere Wege erst zurechtkommen. Aber in das Teil, das dem jüngsten Sohn gehörte, hat der Vater viele Gebete mit hineingegeben Er muß ihn aus seiner Hand in Gottes Hand befehlen Bring Du ihn mir zurück! Auch der himmlische Vater muß die Menschen oft gehen lassen Sie wollen es nicht anders Und mancher muß später zugeben All mein Leid, es ist das Teil, das so recht eigentlich mir gehört, das ich mir selbst erwählt habe Ich wollte es ja nicht anders. Wohl dem, der dann an dasVaterhaus denkt!                                                          Quelle Sammenkörner Heft 787

Lukas 23, 39 - 43 Einer aber der gehenkten Übeltäter lästerte ihn und sagte, C.Briem

12/22/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Passend gemacht von Chr. B. 

"Einer aber der gehenkten Übeltäter lästerte ihn und sagte: Bist du nicht der Christus? Rette dich selbst und uns! Der andere aber antwortete und strafte ihn und sprach: Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan. Und er sprach zu Jesu: Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reiche kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein." Luk 23, 39‑43. 

Unter die Gesetzlosen gerechnet

Unvergleichliche, herzbewegende Szene: Drei Kreuze auf dem Hügel Golgatha! An dem in der Mitte hängt der Heiland, von den Menschen verworfen, von den Seinigen verlassen; rechts und links von Ihm ‑ Übeltäter. Trotz allen Schmerzes, trotz aller Qual findet die Liebe Jesu Kraft und Gelegenheit, in die Sorgen anderer einzutreten, ja, für die nach Seinem Blute lechzenden Feinde zu beten: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun!" 

Dennoch wird Ihm für Seine Liebe nur Haß erwidert, schlägt Ihm nur feindseliger Hohn und Spott entgegen ‑ von allen, von den Hohenpriestern und Schriftgelehrten, von den Vorübergehenden, von den Kriegsknechten. Auch von den beiden Kreuzen neben Ihm tönen lästernde Worte herüber.

Kein Unterschied

Nach Matth 27, 44 und Mk 15, 32 besteht kein Zweifel darüber, daß beide Räuber Ihn schmähten. Gab es das je, daß Gefangene einen Mitgefangenen lästern? Doch hier wird die erschütternde Wahrheit sichtbar, daß das menschliche Herz in Feindschaft ist wider Gott (Röm 8, 7), daß es in dieser Hin­sicht keinen Unterschied gibt(Röm3,23):In jedem nichterneuerten Herzen ist ein Instinkt gegen Jesum, gegen die 333 geoffenbarte Güte Gottes. 

Weder die unvergleichliche Liebe des Herrn auf der einen Seite, noch das eigene Elend und Leid der Menschen auf der anderen ändern etwas daran. Es ist ernst zu sehen, was das menschliche Herz ist, wenn es sich selbst überlassen ist: Satan beherrscht es! Es gibt keinen natürlichen Menschen, der sich freut, wenn er von Jesus hört. Er findet keine Schönheit in Ihm. Was will dieser Mensch eigentlich im Himmel? Könnte er je dorthin kommen, so würde er ihm so schnell wie möglich zu entfliehen suchen, denn er fände dort nur das, was er von ganzem Herzen haßt: die Person Jesu, die Liebe Gottes, das Licht Gottes.

"Rette dich selbst und uns". Ebensowenig wie die Obersten (V. 35) und die Kriegsknechte (V. 36) wußte der Schächer (V. 39), was Errettung ist: Ein Christus, der sich selbst rettete, hätte nicht der Retter anderer werden können. 

Bekehrung und Friede

Aber trotz all der Feindschaft und Bosheit des Menschen wirkt die Gnade Gottes, wirkt an Menschen, die gleich schlecht und gleich verloren sind. In der Gesinnung und den Worten des einen Räubers sehen wir plötzlich einen raschen Wechsel sich vollziehen. Er, der eben noch selbst Jesum ge­schmäht hatte, straft nun den anderen dieserhalb. 

"Auch du fürchtest Gott nicht ... ?" 

Dieser plötzliche Wechsel gibt uns Anlaß, auf den Unterschied zwischen "Bekehrung" und dem Erlangen des "Friedens" mit Gott hinzuweisen. Erstere ist zumeist ein sich rasch vollziehender Vorgang, wenn auch nicht unbedingt als solcher sichtbar; zum letzteren führt oft erst ein längerer Prozeß in der Seele. "Bekehrung" ist das Sich-hinwenden der Seele zu Gott in der gläubigen Annahme der Person Jesu. Der Genuß des Friedens dagegen hängt von dem Sich‑Unterwerfen der Seele unter die Gerechtigkeit Gottes ab ‑ unter das, was Gott getan hat.

 Manches Hin­dernis, manches Niedergeworfensein, manche Unruhe und Ent­täuschung, deren Wurzel in dem Nicht‑Zerbrochensein des eigenen Ichs zu finden ist, muß erst überwunden werden, ehe die Seele bereit ist, sich im Glauben völlig und allein auf die Vollgültigkeit des Werkes Christi zu stützen, auf die herrliche Tatsache, daß E r Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes. Wo eine gläubige und einfältige Annah­me des Evangeliums ist, da tritt auch die bekehrte Seele in den Genuß des Friedens ein. 

Im Lichte

Die Warnung des bekehrten Schächers an seinen Genossen enthüllt zunächst, daß er mit seinem Gewissen in das Licht Gottes gekommen ist: er offenbart wahre Gottesfurcht. "Die Furcht Jehovas ist der Weisheit Anfang". Wer noch nie be­wußt in der Gegenwart Gottes war, ist noch ein Tor; für ihn hat die Weisheit noch nicht begonnen.

Es gibt keine wahre Gottesfurcht ohne GlauberL Sie ruft nicht nur Hoffnung und Vertrauen auf Gott hervor, sondern auch das tiefe Bewußtsein davon, was es heißt, ein sündiger Mensch in Seinen Augen zu sein. "Wir zwar mit Recht" ‑dieser Mann erkennt nicht nur die Sünde als Sünde an, son­dern er bekennt: " Ich bin ein Sünder, diesen Platz im Ge­richt habe ich verdient ". Er ist selbst im Lichte Gottes, und er hat selbst Licht. 

Es ist wunderbar zu sehen, wie die wiedergeborene Seele ‑ohne bereits belehrt zu sein, gleichsam instinktmäßig, die Dinge Gott gemäß zu unterscheiden vermag kraft der neuen Natur. In der Tat, diese drei Männer waren "in demselben Gericht", dem Gericht des qualvollen Kreuzestodes. Das war die äußere, für alle sichtbare Tatsache, doch welche Unterschiede

in den Augen Gottes! Und dieser Mann sah sie: Der eine ‑ein unbußfertiger Sünder; der andere, er selbst ‑ ein bußfertiger Sünder; und dann dieser Eine in der Mitte, dieser Makel­lose! Er blickt jetzt weg von sich und erblickt die Vollkommenheit Jesu. Oh, Geliebte, das ist wahre Demut: nicht der Ver­such, möglichst schlecht von sich zu denken, sondern das von Gott bewirkte Bewußtsein, daß wir zu schlecht sind, um über­haupt länger an uns zu denken, weil wir die Vollkommenheit des Heilandes, des Sohnes Gottes, des Menschen Christus Jesus gesehen haben. 

Nichts Ungeziemendes

Dieser Mann wird unversehens zu einem Prediger der Ge­rechtigkeit; er verliert keine Zeit damit, über die Eigentümlich­keit dessen nachzudenken, daß gerade aus seinem Munde solche Worte hervorkommen: "Wir zwar mit Recht, denn wir empfangen was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan." Es war, als hätte er Jesum, sein Leben lang gekannt. Sein Auge gleitet gleichsam über das ganze Leben Christi und erblickt nur Vollkommen­heiten. Er kennt Ihn und glaubt, daß Er der Herr, der Sohn Gottes, ist. Er war von Gott gelehrt, hatte das Lamm Gottes gesehen, und er kommt zu diesem Ergebnis‑ "nichts Ungezie­mendes!" 

Wie unendlich viel weiter geht dies als der Ausspruch des Pilatus: Ich finde keine  Schuld an Ihm! Dieser Römer hatte Ihn trotzalledem aufgegeben, der Hohepriester hatte den Ausspruch Jesu als Lästerung behandelt. Aber dieser Mann hat durch die Gnade ein einfältiges Auge voller Licht und er­kennt nicht allein die Unschuld, sondern die Heiligkeit und Makellosigkeit des Herrn: "Dieser aber hat nichts Ungezie­mendes getan". 

Das stand im Gegensatz zu aller gemachten Erfahrung, von Beginn der Welt an. Alle, er selbst, waren ver­lorene Sünder, hatten verderbt gehandelt. A b e r Jesus n i c h t ! ‑ Haben auch wir solch ein Herz, das eifersüchtig über die Reinheit und Herrlichkeit der Person Christi wacht, so daß wir nicht schweigen können, wenn sie mit Füßen ge­treten wird? 

Selbst nicht die erniedrigendsten Umstände Dessen, Der an seiner Seite hing, konnten ihm den Blick für Seine Herrlichkeit verdunkeln. Wenn auch hier kein Engel mehr kam, um zu trösten; wenn auch kein Apostel da war, um zu bezeugen, was Er, der Sohn des Menschen war; wenn auch alle Ihn ver­lassen hatten, und geflohen waren ‑ dieser gehenkte, aber nun bekehrte Räuber war da und bekennt vom Kreuz herab die Herrlichkeit des verachteten, gekreuzigten Herrn! Wun­derbare Gnade Gottes, die sich aus dem Munde der Kinder und Säuglinge ein Lob zu bereiten weiß! 

Das Gebet des Schächers

Doch nun wendet sich der Schächer an den Herrn Jesus selbst: "Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reiche kommst!" Mochten andere im Spott und Unglauben diese Überschrift: "Dieser ist der König der luden" über Seinem Haupte befestigt haben, dieser Mann glaubte an Ihn, den Messias, an das persönliche Reich Jesu, des Sohnes des Men­schen, und wußte, daß Er in ein fernes Land gehen würde, um ein Reich für Sich zu empfangen, um dann wiederzukom­men (Luk 19, 12). 

Er bittet nicht um ein Teil in diesem Reiche, sondern darum, daß der König desselben sich seiner e r i n n e r n möge: er überläßt Ihm seine Sache. Er sagt auch nicht: "Gedenke nicht meiner Sünden!" Welch ein überzeugender Beweis, daß er keine Sorgen mehr um seine begangenen Sün­den hat, sondern nun im Blick auf die Zeit nach dem baldigen Tode Dem vertraut, den er mit "Jesus" anredet *). Unmöglich konnte ihm die Bedeutung dieses Namens unbekannt sein ­"Jehova‑Heiland".

*) Wenige, wohl aber die besten Handschriften (Vaticanus, Sinaiticus, Eph­raemi rescriptus u. a.) lesen hier: "und sprach: Jesu, gedenke meiner ... 

Der Schächer hat keine Zeit mehr zu wachsen, oder Gott zu dienen, oder in Treue zu wandeln. Aber wir finden bei ihm: eine gründliche Bekehrung; einen wahren Glauben; das Be­wußtsein, was der Messias war und den Glauben an Sein Wiederkommen in Seinem Reiche. Er sah die Leiden des Christus und die Herrlichkeiten danach (i. Petr 1, 11). In der Tat, das konnte nur der Geist Gottes bewirkt haben! 

Die Antwort des Herrn Wenn schon das Gebet des Schächers bewundernswert ist, wieviel mehr die Antwort des Heilandes! "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein." In dieser Ant­wort geht der Herr weit über das Erbetene hinaus. Sie schließt Sühnung ein und zeigt die gegenwärtigen Ergebnisse des vollbrachten Erlösungswerkes. Diese Segnungen sind nicht erst für jenen fernen Tag Seines Reiches, sondern sind wahr schon jetzt ‑ ob wir leben oder sterben. Der Herr sagt gleich­sam: "

Du mußt nicht warten bis zu jenem Tage. Gewiß, du wirst das Reich haben, wenn es kommt; aber ich gebe dir schon jetzt die Errettung der Seele. Du sollst schon heute in einer weit besseren und innigeren Weise mit mir verbunden sein als einst in meinem Reiche." So ist die Antwort des Herrn gegenwärtiger Friede. 

Auf dem Kreuze wurde nun das Werk vollbracht, kraft des­sen eine Seele ins Paradies erhoben werden konnte. Oh, be­denken wir die Tragweite dieser Worte, dieses Werkes des Herrn: Ein mit Recht zum Tode verurteilter Räuber geht vom Kreuze direkt ins Paradies! Und das nicht allein, sondern der Herr Jesus fügt die lieblichen Worte hinzu ‑ "mit MIR': 

Wenn der Heiland des Sünders Platz einnahm, dann ist der Sünder durch die Gnade berechtigt, des Heilandes Platz in Herrlichkeit einzunehmen. Diese anbetungswürdige Gnade wird in 2. Kor 8, 9 so beschrieben: "Denn ihr kennet die Gna­de unseres Herrn Jesus Christi, daß er, da er reich war, um eu­retwillen arm wurde, auf daß ihr durch seine Armut reich würdet." Dieser Schächer ist absolut passend für das Paradies, so vollkommen ist das Werk Christi. 

So ungeheuer ist die Tragweite dieses Wortes des Herrn, daß der Teufel von Anfang an gegen dasselbe Sturm gelaufen ist. Am erfolgreichsten wohl war er mit der Methode, die Interpunktion dieses Satzes zu ändern. Es müsse nicht heißen: "Ich sage dir: Heute wirst du. . .", sondern: "Ich sage dir heute: Du wirst...". Abgesehen davon, daß die Antwort des Herrn durch diese so geringfügig scheinende Ver­änderung ihren eigentlichen Sinn verliert (der Schächer spricht von Seinem zukünftigen Reiche ‑ der Herr aber ant­wortet ihm: 

Nein, h e u t e noch), diese Änderung der Inter­punktion verstößt auch gegen die Regeln der griechischen Grammatik. Die Kritiker lassen den Herrn sagen: "Ich sage dir h e u t e ‑ an diesem Tag meiner Erniedrigung und Ver­werfung". Doch bei dieser Betonung des "Heute" innerhalb des ersten Teilsatzes, müßte das (heute) dem Verb vorangehen *), es steht aber bei dieser geänderten Inter­punktion tatsächlich na c h demselben. Die Ordnung der Worte dieses Satzes ist dagegen voll gewahrt und erhalten, wenn der Herr Jesus zur Betonung der g e g e n w ä r t i g e n Segnung für den Schächer das "Heute" an den Anfang des Satzes stellt: " H e u t e wirst du mit mir im Paradiese sein."

*) Das ist beispielsweise im griechischen Text bei folgenden Stellen der Fall: Mt 16, 3; Mk 14, 30; Lk ig, 5. 9; Apg 13, 33; Hebr 3, 7. 15. 

"Es ist vollbracht!"

Doch beachten wir, ehe Gott vergeben kann, mußte Süh­nung geschehen, mußte die Reinigung der Sünden bewirkt werden. Das tat der Herr Jesus ‑ ewig sei Sein Name dafür gepriesen! ‑ durch Sich selbst (Hebr 1, 3), niemand ‑kein Mensch, kein Engelsfürst ‑ konnte Ihm dabei helfen. Er hatte Liebe genug und Macht genug, es Selbst zu tun. So litt Er in den drei Stunden der Finsternis am Kreuze zur Sühnung unserer Schuld (i. Joh 4, 10; Matth 27, 48), ward für uns zum Fluche (Gal 3, 13), trug Selbst unsere Sünden an Seinem Leibe auf dem Holze (l. Petr. 3, 24), ertrug den Tod als Lohn der Sünde (Röm 6, 23). Doch nun ist das Werk der Erlösung vollbracht (Joh 19, 30). Wunderbarer Triumph des Herrn! 

Da muß nicht erst noch etwas geschehen, sondern das Werk i s t vollbracht, die Reinigung der Sünden i s t gemacht. Und als Zeichen davon hat Er Sich zur Rechten der Majestät in der Höhe g e s e t z t , hat den Ihm gebührenden Platz in der Herrlichkeit als Mensch, eingenommen. Er, der einst meine Sünden auf Sich genommen, sitzt jetzt zur Rechten des Thro­nes Gottes! (Hebr 1, 3; 10, 12.) Gibt es einen stärkeren Be­weis, daß meine Sünden vor dem Angesicht Gottes völlig getilgt sind? 

Auf immerdar vollkommen gemacht

Der Brief an die Hebräer, Kapitel 10, zeigt uns, daß dazu drei Dinge notwendig waren. Wenn ich voller Sünde war, brauchte ich jemanden, der an mich dachte. Oh, da war Gott ‑ unermeßliche Gnade ‑ und Er hatte einen W i 11 e n in bezug auf mich (Vers 7). ‑ Dann war jemand nötig, der das Erforderliche tat: Der Herr Jesus kam, um den Willen Gottes zu tun (Vers 10). 

Und dieses Werk, das Opfer des Leibes Jesu Christi, ist absolut einmalig und von immerwäh­r e n d e r Gültigkeit vor Gott. Es kann nicht wiederholt wer­den. Wenn dieses Werk nicht ausreicht, reicht gar nichts aus; denn das, wodurch ich die Vergebung meiner Sünden habe, kann nicht noch einmal getan werden. ‑ Und drittens brauch­te ich jemanden, der mir das Ergebnis mitteilte: Der Heilige Geist b e z e u g t uns nun:, "Ihrer Sünden und ihrer Gesetz­losigkeiten werde ich nie mehr gedenken." (V. 15 u. 17). 

Das Resultat des vollbrachten Werkes Christi ist, daß ich ein voll­kommen gereinigtes Gewissen vor Gott habe ‑ nichts ist mehr zwischen mir und Gott (V. 2 u. 22), wir sind auf immerdar (der griechische Ausdruck bedeutet "ununterbrochen") voll­kommen gemacht (V. 14). Der Herr Jesus ging kraft Seines Blutes ins Heiligtum, und der Heilige Geist kam heraus, um uns dieses Ergebnis zu zeigen. So wie der Herr Jesus u n u n ‑t e r b r o c h e n Seinen Platz zur Rechten Gottes innehat (V. 12), so ununterbrochen ist nun durch die Gnade unsere neue Stellung vor Gott: wir sind vollkommen gemacht, d. h. wir haben k e i n G e w i s s e n mehr von Sünde. Was die vielen Opfer des alten Bundes nicht vermochten (vgl. 9, 9; 10, 1. 2), hat der Herr Jesus mit Seinem Opfer ein für allemal vollbracht. Er hat eine "ewige Erlösung" erfunden (9, 12). 

"Vollkommen gemacht" bedeutet nicht, daß der Gläubige nicht mehr sündigen könnte, oder daß er seit seiner Bekeh­rung noch nie gesündigt hätte. Wir müssen wohl alle beken­nen, daß wir in unserem praktischen Wandel schon allzu oft versagt haben. Aber davon ist hier nicht die Rede. Unsere S t e 11 u n g vor G o t t als vollkommen unter dem Schutze des Blutes stehend wird dadurch nicht berührt, wohl aber das praktische V e r h ä 1 t n i s zu unserem V a t e r (vgl. 1. Joh 2, 1). Letzteres ist indes eine Frage der G e in e i n s c h a f t, erstere eine Frage der N i c h t ‑ Z u r e c h n u n g von Schuld. 

Manche reden auch von "vergangenen" und "zukünftigen" Sünden, aber Gottes Wort macht diesen Unterschied nicht. Als Christus für mich starb, waren alle meine Sünden zukünftig, und ich kann mit Recht singen:

Auf dem Lamm ruht meine Seele, Betet voll Bewund'rung an Alle, alle meine Sünden Hat Sein Blut hinweggetan. 

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Kette der in Hebräer 10 gebrauchten Worte, um die Vollgültigkeit des Opfers Christi mehr zu erfassen: e i n f ü r a 11 e in a 1 ge­schehen ‑ auf immerdar gesetzt ‑ auf immerdar vollkommen gemacht ‑ der Sünden wird Er n i e in e h r ge­denken. Das ist es, was kein Geringerer als der Heilige Geist Selbst uns bezeugt. 

Die Vergebung der Sünden

Die Vergebung der Sünden bildet die Grundlage jeder wei­teren christlichen Belehrung. Sie steht nicht am Ende, sondern am Anfang des christlichen Weges. Der Herr Jesus Selbst sprach nach Seinem Tode und Seiner Auferstehung davon: Luk 24, 47; Petrus, der Apostel der Beschneidung, redete da­von: Apg 2, 38; 3, 19; 10, 43; Paulus, der Apostel der Nichtbeschneidung, predigte sie: Apg 13, 38; Johannes, der letzte Apostel, schreibt darüber an seine "Kinder": 1. Joh 2, 12. 

Nicht "daß, sondern "weil" ihnen die Sünden vergeben waren, schrieb er ihnen. Die Vergebung der Sünden ist nicht nur das Teil gereifter Christen, der "Väter‑, sondern das allgemeine Vorrecht a 11 e r Kinder Gottes, auch der schwächsten. Alle christliche Lehre und Belehrung hat dies zur Grundlage: durch die Gnade Gottes h a b e n wir die Vergebung der Sünden als eine v o 11 z o g e n e Tatsache. Wir sind nicht eher auf christ­lichem Boden, als bis wir das annehmen. In dieser Frage gibt es weder Fortschritt" noch "Wenn"; denn die Erlösung hängt nicht ab von dem Erlösten, sondern von dem Erlöser. Sein Name sei dafür gepriesen! ‑ Wir s i n d gewaschen von unse­ren Sünden in Seinem Blute (Offb 1, 5), wir s i n d um einen Preis erkauft (l. Kor 6, 20; 7, 23), wir h ab en in Ihm die Erlösung, die Vergebung der Sünden (Kol 1, 12‑14). 

Frieden durch das Blut Seines Kreuzes

Die angeführten Verse aus Kolosser 1 wollen wir uns noch einmal vor die Seele stellen: "danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe, in welchem wir die Erlösung haben, die Vergebung der Sünden". 

Wieviel Grund haben wir, dem Vater zu danken, daß Er uns schon jetzt passend gemacht hat für Sein Licht und Seine Herr­lichkeit. Er w i 11 oder w i r d es nicht nur tun, sondern un­sere Seele ruht in der friedvollen Gewißheit, daß Er uns pas­send oder fähig gemacht h a t zum Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte, daß Er uns errettet h a t aus der Gewalt der Finsternis und versetzt hat in das Reich des Sohnes Seiner Liebe. *) 

Wohl sind wir noch mit Schwachheit umgeben, noch wohnt die Sünde in uns, dennoch ist unser Passend‑gemacht­sein eine vollendete Tatsache, die nicht von einem geistlichen Fortschritt unsererseits abhängt. Natürlich muß es Fortschritt und Wachstum in unserem täglichen Wandel geben; und wir werden an vielen Stellen der Heiligen Schrift ernstlich dazu ermahnt.

Denn Stillstand bedeutet Rückgang: Der Mond nimmt ‑ wie jemand einmal trefflich sagte ‑ ent­weder zu oder ab. Fortschritt ist mit Erfahrung verbunden, er ist ein Ergebnis der Erziehung Gottes. *) Es ist bezeichnend, daß die drei Wörter: Jähig gemacht" ‑ "errettet" versetzt" im Grundtext in einer Zeitform (Aorist) stehen, die eine einmalige, abgeschlossene Handlung ausdrückt. 

Unser Passendsein dagegen steht in Verbindung mit der Tatsache, daß wir "in Ihm" sind, es ist das Ergebnis des Werkes Christi. In der Frage un­seres Versöhntwerdens mit Gott gibt es daher eine Weiterent­wicklung. Ich bin zu Gott zurückgebracht in göttlicher Gerech­tigkeit. Es ist keine Frage mehr offen zwischen Gott und mir. Ich weiß, Er ist nicht gegen mich; und ich bin zu Hause bei Gott. Wenn Er mich ansieht, sieht Er auf Seine eigene Gerech­tigkeit, auf Seinen eigenen Sohn, der mein ist. 

Er liebt mich, wie Er Ihn liebt. ‑ Wunderbare, unfaßbare Gnade, deren Ge­genstände wir sind! Wir waren völlig verloren und sind nun völlig errettet. Nicht durch Seine Menschwerdung oder durch Seinen heiligen Wandel, sondern durch das Blut Seines Kreu­zes hat der Herr Jesus Frieden gemacht und uns mit Gott ver­söhnt (Kol 1, 20, 22). Es war der Tod des heiligen Lammes Gottes nötig; denn ohne Blutvergießung gibt es keine Verge­bung (Hebr 9, 22). So haben wir nun Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum (Röm 5, 1). Frieden zu haben bedeutet nicht nur, daß Gott es weiß, sondern daß ich es ‑weiß. 

Im Paradiese Gottes

Der bekehrte Räuber war die erste Seele, die diese neue und reiche Segnung schmecken durfte. Welch ein Zeugnis der alles übersteigenden Macht Seiner Erlösung! Ein gehenkter Räuber durch Sein Blut so gereinigt, daß er noch an selbigem Tage bei dem Sohne Gottes war, nicht allein im Himmel, sondern in dessen höchstem und herrlichstem Platze ‑ dem Paradies! Einst war das Paradies *) der auserlesenste Ort auf einer ungefallenen Erde, wo alles "sehr gut" war. 

Heute dürfen wir unter dem Paradies Gottes den auserlesensten Ort des Him­mels, den Wohnplatz Gottes, verstehen. Wohl ist das Para­dies für den Gläubigen, der durch den Tod zum Herrn geht, mit einem Z u s t a n d verbunden, der bis zum Tage der Auf­erstehung des Leibes durch die Trennung von Seele und Leib gekennzeichnet ist. Nichtsdestoweniger ist es der Garten gött­licher Wonne, der Platz der Verheißung für den Überwinder (Offb 2, 7), den der Apostel Paulus in 2. Kor 12 mit dem dritten Himmel, dem Vaterhaus, verbindet. Dorthin also durf­te dieser Schächer mit dem Herrn Jesus gehen ‑ ohne Werke

*) Paradies ist ein Wort persischen Ursprungs und bedeutet "Garten der Wonne". 

(als nur böse) ‑ ohne irgendein "Sakrament" ‑ ohne Zere­monie ‑ ohne Bewährung, sondern allein durch bedingungs­lose Gnade auf Grund des Werkes und Blutes Christi. Und dieses Werk ist für uns heute ebenso vollkommen wie für ihn, ebenso vollendet, als hätte Er uns schon zu Sich genommen ins Paradies.