Lukas 15,1-2 Es nahten aber zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder BdH 1853

02/18/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Es nahten aber zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder

Es nahten aber zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder, dass sie Ihn hörten. Und es murrten die Pharisäer und Schriftgelehrten und sagten: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. (Lukas 15, 1-2)

I. Das Nahen der Zöllner und Sünder

Nur eine Tür gibt es, die in's ewige Leben führt. Jesus spricht: „Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingehet, der wird selig werden." „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich." Dabei wird's eben bleiben, mag der Mensch dazu Ja und Amen sagen, oder mag er darüber murren. Nur in Jesu ist uns der Eingang zum Leben eröffnet. Der Mensch aber ist viel­mehr geneigt, sich einen selbstgewählten Weg zum Himmel zu machen und beweist dadurch Torheit und Hochmut seines Herzens. Er kennt weder sich noch Gott, der im Himmel wohnt, und will sich unter Dessen Weisheit und Ratschluss nicht in Demut beugen.

Die ganze Geschichte des jüdischen Volkes, wie die des eigenen Herzens beweisen, dass der Mensch aus eigenem Wollen oder eigener Kraft nicht zu Gott kommen kann; alle seine An­strengungen sind vergeblich. Gott hat mit großer Geduld und Langmut dies Unmögliche zur Genüge dargetan, aber wer merkt darauf?! Wir lesen, wie der Herr Zebaoth dem Volke Israel Seine Güte und Seinen Ernst, Sein Erbarmen und Seine Ge­rechtigkeit so reichlich offenbarte, aber es blieb halsstarrig und ein Feind Gottes. 

Es verkannte alle Beweise der göttlichen Liebe und stieß stets mit Undank die herrlichsten Wohltaten von sich; nicht Gott sollte Herr sein, sondern es wollte tun, was ihm wohlgefiel. Das ist der Grundcharakter eines jeden Menschen, darum bleibt der Himmel für ihn verschlossen und zu der Nähe Gottes hat er durch sich selbst keinen Zugang mehr. Mit dem ersten Adam und mit allen denen, die von ihm geboren sind, ist es ganz aus. Gott hat alle Langmut an ihm erschöpft; Er hat ihn ganz und gar erprobt, aber er ist Sünder und Feind Gottes geblieben. Zu dieser Erkenntnis muss der Mensch kommen.

Als aber die Zeit erfüllt war, da sandte Gott Seinen Sohn, den zweiten Adam. Er kam, zu suchen und selig zu machen, was verloren war. Er fand nur Verlorene, aber Wenige erkann­ten dies und wurden gerettet. Die Welt nahm Ihn nicht auf; vielmehr hatte sie nicht- eher Ruhe, bis sie Ihn wieder von sich hinausgestoßen hatte; „so viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden" (Joh. 1, 12).

 Jesus ist nun wieder vom Vater aufgenommen und zwar als der, der Sich in unser Fleisch und Blut gehüllt und eine ewige Erlösung erfunden hat. Sein Opfer reicht hin für die Sünde der ganzen Welt; all' unsere Sünden waren auf Seinen Rücken ge­legt. Er ging wieder hin zur Rechten des Vaters, aber nur über Golgatha führte Sein Weg, unserer Sünden wegen. Die Ge­rechtigkeit Gottes musste zuerst befriedigt werden und durch Sein Opfer ist dies vollkommen geschehen. Gott will nun kein anderes Opfer und nie könnte auch ein so würdiges und so vollgültiges gebracht werden; Sein Blut redet besser als Abels Blut.

Die Welt ist dem Gericht anheim gefallen, weil sie an die­sem einen Opfer, an dieser einzigen Tür zum ewigen Leben vorübergeht; sie hat nur ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers Gottes. Obgleich dieses Gericht schon vor 1600 Jahren durch den Herrn selbst ausgesprochen ist (Joh. 12, 31), so hat die göttliche Langmut und Gnade die Ausführung noch bis heute hinausgeschoben, damit noch alle gerettet wer­den, die sich wollen erretten lassen. Wohl dem, der sich durch diese Güte und Geduld zur Umkehr leiten lässt! Wohl dem, der heute, so lange die Gnadenzeit noch währt, sich zum Herrn bekehrt; morgen könnte es zu spät sein.

„Es nahten zu Jesu allerlei Zöllner und Sünder, dass sie ihn hörten." Sie hatten sich an den rechten Mann gewandt, denn in keinem andern ist das Heil. Die Erkenntnis der Sünde er­weckt das Bedürfnis nach Errettung und treibt zu Jesu. Mancher liegt selbst äußerlich in groben Sünden und Lastern und kann sich noch damit beruhigen, dass andere es noch ärger machen, wie er. Ein Solcher weiß nicht, was die Sünde in den Augen Gottes ist und was sie Jesum gekostet hat; auch, versteht er nichts von der göttlichen Gerechtigkeit. 

Wer sich als Sünder erkennt, wer da versteht, was sie vor Gott ist, sehnt sich nach Errettung und kommt zu Jesu. Wohl Viele sprechen von Jesu, aber als verlorene Sünder kommen sie nicht zu Ihm, darum bleiben sie auch in ihren Sünden. Mancher sagt wohl gar mit dem Zöllner im Tempel: „Gott sei mir Sünder gnädig"; aber er ist doch nicht gerechtfertigt. Worte lassen sich nachsprechen und auch die äußeren Gebärden nachmachen; aber die Wahrheit und das Wesen selbst muss erkannt und erfahren werden.

Der hilfsbedürftige Sünder hört Jesum gern, weil Er nur von Gnade und Vergebung spricht, und nur dies ist es allein, was ihn erretten kann. Ohne unumschränkte Gnade gibt's für ihn keine Erlösung mehr. Will Gott nicht Alles umsonst schen­ken, was unserm Heile dient?

Nach' einer solchen Botschaft sehnt sich der Sünder und siehe, aus Jesu Mund hört er sie. Es ist der Mund Dessen, der für uns bei Gott in jeder Beziehung in den Riss getreten ist. Gott fordert von uns nun nichts mehr; Er lässt uns verkündigen, dass Er völlig befriedigt ist, dass wir in Jesu Seine geliebten Kinder und Erben Seiner Herrlichkeit sind. O süßes Evangelium für verlorene Sünder! Sein Gericht zum Verderben haben wir nicht mehr zu erwarten, weil wir schon in und mit Jesu auf Golgatha gerichtet sind. Das Gericht ist in Ihm vollzogen, die Sünde ist getilgt und Gott völlig befriedigt.

Das ist eine Predigt, wie sie nur der Sünder gebrauchen kann. Diese gute Botschaft allein tröstete die große Sünderin, machte den Kämmerer fröhlich und richtete den Kerkermeister auf. Mancher möchte dem Sünder wohl noch gern allerlei Um­stände machen, er möchte ihm den Weg zur Gnade noch ein wenig erschweren, weil er in seiner Klugheit denkt, die zu schnelle Zusicherung seiner Errettung könnte ihn leichtfertig machen. Wie schwer wird es doch dem menschlichen Herzen so ganz in die Gedanken der göttlichen Gnade und Liebe ein­zugehen! Gott spricht ohne Umstände: „Glaube nur!", „Sei ge­trost, deine Sünden sind dir vergeben!" und je völliger sich die Gnade und Liebe Gottes als solche erweist und erkannt wird, desto mehr wird das Herz des Sünders mit Lob und Dank er­füllt.

So lasst uns denn nicht klüger sein wollen als Gott; lasst uns dem Sünder die gute Botschaft von Christo ohne alle Um­wege verkündigen und ihm sagen, dass schon vor 1800 Jahren mit einem Opfer alles bezahlt und vergeben sei, und dass Gott nur von uns fordert, dies zu glauben und anzunehmen. Dazu lasst uns ihn ermahnen und ermuntern, so wird seine' Freude groß sein. Nicht erst seit gestern oder heute oder seit einigen Jahren haben wir Vergebung unserer Sünde erhalten, sondern seit Jahrhunderten, wenn wir es auch erst seit kurzer Zeit angenommen haben. Erkennen wir dies in Wahrheit, so bleibt Gnade auch ganz Gnade; wir können nun nichts mehr zu unserer Versöhnung mit Gott beitragen, auch nicht einmal etwas durch unsere Reue und Schmerz. Beides wird aber da sein, wenn wir unsere Gesinnung gegen Gott uns die Seinige gegen uns recht erkennen; aber Jesus allein hat Alles für uns vollbracht.

So kommt denn, die ihr Sünder seid und naht euch zu Jesu. Nehmt Seine gute Botschaft gläubig an; die Sünde ist getilgt, in Ihm findet ihr ewige Gnade und Liebe.

2. Das Murren. der Pharisäer und Schriftgelehrten

In Christo hat Gott eine Gerechtigkeit aufgerichtet, die allein vor Ihm gilt. Wer diese besitzt und darin erfunden wird, kann vor Ihm bestehen, denn es ist Seine Gerechtigkeit. Was der Mensch durch sich selbst aufbaut, ist vor Gott nichts, wenn es auch noch einen so herrlichen Schein hat. Der Mensch ist zwar immer geneigt, seine eigene Gerechtigkeit vor Gott zu bringen; er müht sich darüber ab, und dieses Abmühen offen­bart nur seinen Stolz; er will sich vor Gott behaupten, Gott soll sein Werk ansehen. Wir sehen aber, dass Jesus sich nicht be­sonders mit dieser Gerechtigkeit einlässt, weil sie vor Gott nichts gilt. 

Der Mensch hat nichts als Sünde, und wenn der Pharisäer dennoch seine Werke vor Gott bringen will, so beweist dies seine tiefe Blindheit. Bei Ihm ist das Verderben verdeckter, als bei dem Zöllner, und er kann um so weniger gerettet wer­den, weil er der Errettung nicht zu bedürfen meint. Jesus be­schäftigt Sich mit den Sündern, die zu Ihm kommen, Er sucht das Verlorene; aber die Pharisäer meinten, wenn Er so fromm und gerecht wäre, so müsse Er besonders ihre Gemeinschaft suchen. Als der Herr die große Sünderin, die zu Seinen Füßen lag, so liebevoll aufnahm, da dachte Simon, der Pharisäer, der Ihn zu Tisch geladen hatte, bei sich selbst:

„Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und welch ein Weib dies ist, denn sie ist eine Sünderin" (Luk. 7, 39). In dem Ausdruck: „sie ist eine Sünderin", gab er kund, was er von sich selbst hielt. Die Pharisäer murrten darüber, dass Jesus so wenig sich mit ihnen einlässt, dass Er ihre Gerechtigkeit so gar nicht achten will, und geben eben durch dies Murren zu erkennen, dass sie mit Gott nicht eins sind, dass sie nicht gleiche Gesinnung mit Ihm haben und dass ihre Gerechtigkeit nicht von Gott, sondern von der Welt ist. Die Weit kann solche fromme Leute gebrauchen, denn sie sind von der Welt und die Welt hat das ihre lieb. In ihr sind sie angesehen und geachtet, und es wundert und ärgert sie, dass Gott nicht ebenso denkt, wie die Welt.

Das ist die Stellung und die Gesinnung Aller, die sich Mühe geben, durch ihre Werke gerecht zu werden. Sie danken auch wohl Gott, dass sie keine Hur er und Zöllner sind und geben dadurch den Schein, als suchten sie Gottes Ehre und suchen doch nur sich selbst. Sie können auch von Jesu und Seiner Gerechtigkeit reden und wollen damit ihrer Gerechtigkeit einen höheren Wert und einen schöneren Glanz beilegen. Die Heuchelei des Menschen ist sehr groß!

Nicht allein die selbstgerechten Pharisäer, sondern auch die Schriftgelehrten murren. Man sollte es von diesen, die doch der Schrift, die von Jesu zeugt, Meister sein wollen, am wenigsten erwarten. Dennoch finden wir oft in der Heiligen Schrift diese beiden Klassen zusammengestellt; in beider Herzen ist die gleiche Bitterkeit und Feindschaft wider den Herrn. Jesus selbst zeugt von ihnen: „Es sei denn eure Gerechtigkeit besser, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, sonst werdet ihr nicht in das Reich Gottes kommen" (Matth. 5, 20). „Sie sind blinde Blindenleiter" (Matth. 15, 14). 

Wehe euch Schriftgelehrten1 denn ihr habt den Schlüssel .der Erkenntnis hinweggenommen; ihr kommt nicht hinein und wehret denen, die hinein wollen" (Luk. 11, 52). Es ist kein Unterschied unter ihnen; die Pharisäer haben den Schein der Gerechtigkeit und die Schriftgelehrten den Schein der wahren Erkenntnis Gottes. Die Täuschung ist oft sehr groß. So wie der Mensch sich daran gibt, nach eigenem Gutdünken die Gerechtigkeit Gottes nachzumachen, so wagt er es auch, das Wort Gottes zu meistern und nach Willkür auszu­legen. Jesus Christus war gesandt, eine gottwohlgefällige Ge­rechtigkeit für den Menschen aufzurichten, aber der Mensch behauptete dennoch seine eigene; der Heilige Geist ist gesandt, und allein beauftragt, uns in alle Wahrheit zu leiten, aber der menschliche Verstand hat diesen Auftrag an sich gerissen und baut sich sein eigenes System der Gottseligkeit auf, dem aber alle Kraft mangelt; und je ähnlicher dies dem göttlichen zu sein scheint, desto gefährlicher ist es.

 Es werden Schulen er­richtet, um das Christentum zu erlernen und dem menschlichen Verstande anzubequemen und nicht mehr der Geist ist es, son­dern der Mensch, der die verschiedenen Gaben austeilt, welchem er will. Man sucht dem Worte vom Kreuze seine Albernheit und sein Ärgernis durch geschmückte Reden und glänzende Formen hinweg zunehmen; man will es den hohen und niederen Ständen angenehm machen und sucht ihm den Stachel, der die Welt zum Spott und zur Verachtung reizt, zu entziehen und bedenkt nicht, dass man ihm dadurch die Kraft und das Leben entzieht.

Wie weit sind wir doch durch Untreue und Vermessenheit vom rechten Ziele abgekommen! Möchte dies doch von recht Vielen erkannt werden, und möchten doch alle, die es erkennen, so viel Ernst und Nüchternheit, so viel Liebe und Treue besitzen, sich nicht länger an dieser Betrübung des Heiligen Geistes, an diesem Verrat an dem Erlösungswerke Jesu Christi beteiligen! Wir sehen hier, wie wenig sich der Herr Jesus, sowohl um die Pharisäer als auch um die Schriftgelehrten bekümmert; wie wenig beide die Gedanken Gottes verstehen und darin einge­gangen sind. Sie murren wider Gott, dass Er Sich so freundlich zu Zöllnern und Sündern tut, und sie garnicht berücksichtigt. Darum erkennet es, der Schein trügt und der Buch­stabe tötet, aber die Wahrheit macht frei und der Geist lebendig.

3. Der innige Verkehr des Herrn mit Zöllnern und Sündern

„Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen." Ein herr­liches Zeugnist von Jesu hören wir hier aus dem Munde Seiner Feinde. Es ist köstlich für den Sünder, der seiner Sünde wegen bekümmert ist und es erfreut sein Herz, sobald er es glaubt. Solange der Mensch weder sich noch Gott erkennt, solange zweifelt er nicht an seiner Annahme bei Gott; allein sobald er erkennt, dass er ein Sünder, Gott aber gerecht und heilig ist, fängt er an, seine Annahme in Zweifel zu ziehen und nicht eher kann er sich beruhigen, als bis er die Gedanken Gottes über uns in Christo versteht. Erst dann, wenn ihm sein ver­lorener Zustand offenbar geworden ist, wird ihm die gute Bot­schaft lieb und teuer. Es ist ihm auch besonders tröstlich, diese so herrlichen Gedanken Gottes in Betreff des Sünders selbst aus dem Munde der Feinde zu hören.

Der Sünder ist nicht so leicht zu der Biberzeugung zu brin­gen, dass Gott gnädig sei, darum wird auch die Versicherung des Reichtums dieser Gnade im Worte Gottes so wiederhalt aus­gesprochen, um ihm jeden Zweifel zu nehmen. Gott selbst be­teuert es mit einem Eide, Jesus offenbart es durch Wort und Tat, der Heilige Geist bezeugt es an vielen Orten und der Mund der Apostel und Propheten ist voll von dem süßen Evangelium, dass der Sünder in Christo eine so herrliche und liebevolle Auf­nahme finde und hier sprechen bittere Feinde mit Murren aus: „Jesus nimmt die Sünder an und isst mit ihnen." 

All dieser Zeugnisse bedurfte es, um das Herz des verlorenen Sünders zu beruhigen und zu erfreuen. Wie sehr muss diese väterliche Für­sorge uns beschämen und uns zugleich mit Lob und Dank er­füllen! Jeder Zweifel an dem völligen Reichtum der göttlichen Gnade ist Unglaube, und gibt Zeugnis wie wenig der Mensch Seinem Gott Gnade und Wahrheit zutraut, wie schlecht er Seine Gesinnung über uns versteht. Gott aber bleibt treu, und offen­bart Sein liebendes Vaterherz all denen, die da glauben. Jeder beunruhigende Gedanke des Sünders über sich selbst gegenüber dieser Gnade, ist betrübender, als der Gegenstand selbst, der ihn beunruhigt; das bange Seufzen und Klagen über Sünde und Ohnmacht beweist, wie wenig ein solcher Mensch in den Reich­tum und Kraft der göttlichen Gnade eingegangen ist.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten sogar bezeugen, dass der Verkehr Jesu mit Sündern sehr herzlich und innig sei. „ Er isst mit ihnen!" Wer wollte noch an der Annahme des Sünders zweifeln, wenn er hier den Sohn Gottes, der mit dem Vater gleiche Gesinnung hat, mit Zöllnern und Sündern an einem Tische sieht? Er ist ihnen ja in Allem gleich geworden, ausgenommen die Sünde. So nahe musste Er sich zu ihnen tun, so innig musste Er mit ihnen verkehren, um sie zu überzeugen, dass Gott die Sünder annimmt, dass Er gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Wie konnte das mit Sünde beladene Herz sonst Zutrauen fassen zu dem heiligen und gerechten Gott?

 Die Kluft zwischen ihnen und Ihm ist zu groß und es bedarf des Sohnes Gottes selbst und Dessen ganze Herablassung und Liebe, diese Kluft ausfüllen, und um den Sünder zu der Überzeugung zu bringen, dass dieser Gott mit ihm in einer innigen Gemeinschaft sein will, ja sogar ewiglich in Seiner Herrlichkeit droben. Das Herz Gottes ist zu groß und zu erhaben, als dass es von einem Sünder verstanden wer­den könnte, darum ist Jesus gekommen, um dieses Herz durch Sich selbst zu offenbaren und nahe zu bringen. Er ist für uns zur Sünde gemacht und hier finden wir Ihn inmitten der Zöllner und Sünder, um sie zu bewegen, diese gute Botschaft der Gnade und der Errettung anzunehmen. Welch einen Zug des gött­lichen Erbarmens! An einem Tische sitzt Er mit Sündern und das ist der Platz, den Er selbst Sich erwählt hat. Wer noch vor Gott sich fürchtet, hat nicht geglaubt, dass Jesus Seinen Platz unter Sündern eingenommen hat; wer noch bange ist seiner Sünde wegen, hat nicht erkannt, dass Jesus nur gekommen ist, die Sünder anzunehmen. Ist Sein Verkehr schon so innig und zutraulich, da wir noch Feinde waren, wie viel mehr wird es sein, nachdem wir erlöst und befreit sind!

Solange Jesus auf Erden war, beschäftigte Er Sich nur mit Sündern und drückte Sein inniges Verhältnis zu ihnen auf jede nur mögliche Weise aus. Er nennt sie Freunde und Brüder; Er gibt Sein Leben für sie dar, und mit einem Opfer hat Er alles, was sie von Gott trennt, hinweggenommen. Es ist keine Feind­schaft und keine Scheidewand mehr da; und sobald Sein per­sönlicher Verkehr mit den Sündern hier auf Erden aufhörte, fing der Verkehr durch den Heiligen Geist der gerechtfertigten Sünder mit Ihm droben wieder an. So ausschließlich und innig soll auch der Umgang der ein für allemal durch Ihn Gereinigten mit Ihm im Himmel sein. Seit der Zeit das Kreuz auf Golgatha aufgerichtet war, hat Er durch Sein Fleisch den Zugang zum Vater wieder eröffnet. Nachdem Fluch und Sünde durch Ihn hinweggetan ist, hat Er uns mit Sich in den Himmel zur Rechten des Vaters gesetzt

 „Unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott"; „unser -Wandel ist im Himmel." Sein Umgang hier auf Erden war ein persönlicher und sichtbarer; unser Umgang mit Ihm im Himmel, solange wir in dieser Hütte sind, ist im Geiste, unsichtbar und verborgen. Sein Verkehr mit uns war mit stetem Kampf, mit Schmach und Verfolgung verbunden und dasselbe Los teilen wir mit Ihm, solange wir von der Erde aus mit Ihm verkehren. Durch nichts aber hat Er sich hindern lassen, in diesem Verkehr mit uns bis ans Ende zu beharren und uns bis zum Tode zu lieben, so darf auch für uns kein Hindernis da sein, was unseren Umgang und unsere Liebe mit Ihm auf irgendeine Weise stört. Er hat uns zu Kinder Gottes gemacht und Er sucht durch Wort und Tat Seine zärtliche Liebe und Seine innige Gemeinschaft überall auszudrücken. 

Nur Seine Gottheit mit dem Vater hat. Er für Sich behalten, sonst hat Er als Sohn Gottes alles mit uns geteilt. Zu Erben Gottes und zu Seinen Miterben hat Er uns gemacht und wird uns mit Sich zu gleicher Herrlichkeit zur Rechten des Vaters erheben. Der Mensch ist sehr geneigt, zu denken, Gott habe ihn und sein Wesen in irgend einer Beziehung mit in Rechnung gebracht, als Er vor Grundlegung der Welt den Heilsplan zu unserer Erret­tung fasste, und dieser Glaube kann ihn oft leicht besorgt machen. Dieser Ratschluss ist aber allein aus der Liebe des Vaters und des Sohnes hervorgegangen, ohne in etwa auf uns selbst Rück- sieht zu nehmen. Er will aus uns etwas machen zum Lobe Seiner Gnade und Seiner Herrlichkeit. „Wir sind sein Werk, in Christo Jesu geschaffen zu guten Werken." Wir sind nur ermahnt, Ihn mit uns wirken zu lassen, alles in kindlichem Glauben anzunehmen, was Seine Gnade darreicht und mit Lob, Dank und Anbetung vor Ihm zu wandeln.

Es gibt Christen, die das Verhältnis zu den Sündern wenig verstehen und noch weniger das der Gerechtfertigkeiten und Geheiligten zu Ihm und dies hat einen nachteiligen Einfluss auf ihren ganzen Wandel. Darum tut es not, solchen immer wieder dies köstliche Verhältnis zum Bewusstsein zu bringen und sie in der Erkenntnis Gottes und Christi Jesu zu fördern und zu be­festigen. Je mehr wir die Gedanken Gottes über uns verstehen, je mehr wir erkennen, was Jesus für uns ist, und was wir Ihm sind, desto inniger wird unsere Gemeinschaft mit Ihm sein. Wallen wir auch noch im Leibe und in der Fremde, so wallen wir doch dem Herrn; wandeln wir hienieden auch im Glauben und nicht im Schauen, so sind wir dennoch in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne. Der Glaube beschäftigt sich nur mit Jesu und lässt sich durch das Sichtbare nicht beirren; das Sichtbare ist Gegenstand der Beschäftigung des Unglaubens.

„Der Gerechte aber wird seines Glaubens leben." Gott gebe, dass wir Seine Gedanken der reichen Gnade und Liebe in Christo Jesu recht verstehen, damit wir, wenn Er kommt, unserer hohen Berufung würdiglich gewandelt haben mögen.