Matthäus 15. 1-28 Das kananäische Weib BdH 1867

02/08/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das kananäische Weib (Matth 15,1-28.) 
In dieser inhaltsreichen Stelle der Heiligen Schrift enthüllen sich vor unseren Blicken zwei Herzen, nämlich das Herz des Menschen und das Herz Gottes. Zuerst erblicken wir das Herz 
des Menschen, ungeachtet der dichten Decke religiöser Gebräuche, die es verhüllen, und dann tritt das Herz Gottes, trotz der durch die Haushaltung gebotenen Schranken, die es in seinem Laufe hemmen, in den Vordergrund. Die Enthüllung des Herzens des Menschen finden wir in den Versen 1—20; die Enthüllung des Herzens Gottes in den Versen 21—28. Richten 
wir unsere Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand, mit dem Verlangen, daß der Geist Gottes uns dessen Schönheit entfalten, und dessen Kraft auf unsere Seelen anwenden möge. 

In Kap. 14 sehen wir, wie der Herr Jesus mit der Speisung einer hungrigen Menge und mit der Heilung vieler Kranken beschäftigt ist. Er begegnet aller Art menschlichen Elends. Das war das Werk, das Ihm geziemend war. Um es zu verrichten, dazu war Er vom Himmel gekommen. Wir lesen: „Und als er hinausging, sah er eine große Volksmenge, und er wurde innerlich bewegt über sie, und heilte ihre Schwachen." 

(Kap. 14, 14.) Und weiter lesen wir: „Und als sie hinübergefahren waren, kamen sie in das Land Genezareth. Und als ihn die Männer jenes Ortes erkannten, schickten sie in jene ganze Umgegend und brachten alle Leidenden zu ihm, und baten ihn, daß sie nur die Quaste seines Kleides anrühren dürften. Und so viele ihn anrührten, wurden geheilt." (Kap. 14, 34—36.) Das war die Arbeit, die dem liebenden Herzen Jesu angemessen war. Es war Seine Freude, dem Elend des Menschen zu begegnen. Aber sobald wir unser Auge auf Kap. 15 richten, finden wir etwas davon ganz Verschiedenes. Hier gibt es ein ganz anderes Werk zu verrichten. 

Hier bedarf es nicht der Abhilfe menschlichen Elends, sondern menschliche Heuchelei mußte entlarvt werden. Mit einem Wort: Wir stehen vor der Enthüllung des Herzens des Menschen; und wir gewahren hier das durchdringende Auge Christi, das den Menschen trotz aller Krümmungen, Labyrinthe und scheinbarer Decken verfolgt, durch die der Mensch sein Gewissen vergeblich vor dem Licht göttlicher Gegenwart und göttlichen Gerichts zu verbergen trachtet, während der Herr bemüht ist, ihn in der Gegenwart Gottes bloßzustellen. Und warum? Weil sich der Mensch dort nicht eher zu Hause fühlen kann, bis er seinen ihm gebührenden Platz als Hilfsbedürftiger eingenommen hat. In dem Augenblick, wo ich zu einem wirklichen Gefühl meines Elends gelange, fühle ich mich in der Gegenwart Gottes zu Hause. 

Welch eine kostbare Wahrheit! 
„Dann kommen die Schriftgelehrten und Pharisäer von Jerusalem zu Jesu und sagen: Warum übertreten deine Jünger die Überlieferung der Ältesten?, denn sie waschen ihre Hände 
nicht, wenn sie Brot essen." (Kap. 15, 1. 2.) Welch ein Unterschied ist es, ob der Mensch seine Religiosität, oder sein Elend vor Jesu bringt! Das erste ist stets mit Bloßstellung und Tadel 
begleitet; das zweite findet immer eine ungeschmälerte Gnade und eine unumschränkte Hilfe. Die Pharisäer und Schriftgelehrten erscheinen hier mit ihrer Religiosität vor Christo und 
führen die Verordnungen der Ältesten als ihre Autorität an. 

Wieviel weiser hätten sie gehandelt, wenn sie ihr Elend und ihre Sünden, die das Zeugnis Gottes aufdeckte und enthüllte, vor Jesu gebracht hätten! Seine Sünden vor Jesu zu bringen und dadurch von schwerer Bürde gänzlich befreit zu werden, ist der passendste Weg, den je ein Sünder einschlagen kann. Nichts ist törichter, als wenn er statt dessen seine Sünden unter dem Deckmantel religiöser Vorschriften vor Jesu zu verbergen trachtet; denn wie ehrwürdig und anziehend diese Vorschriften auch sein und welche kräftigen Stützen sie auch durch die Überlieferungen und Lehren der Menschen finden mögen, so muß dennoch unbedingt das Herz getroffen werden. Unter allen Umständen muß das Gewissen einmal, früher oder später, in das Licht gebracht sein. Die Decke muß entfernt werden, damit die durchdringenden Strahlen göttlichen Lichts in das menschliche Herz hineinströmen und alle seine Greuel offenbar machen können. 

Das ist eine höchst ernste Wahrheit. Es ist nutzlos, meine Hände zu waschen, während mein Herz voller Unreinigkeiten ist. Es ist äußerst töricht, über das Reinigen der Becher und 
Schüsseln viel Aufhebens zu machen, während meine Wege verkehrte Wege sind im Angesicht Gottes. Alle äußeren Anordnungen des Menschen können beobachtet werden, seine 
Überlieferungen beachtet und seine Vorschriften hochgeschätzt werden, ohne daß wegen der großen Sündenfrage das Gewissen je in der Gegenwart Gottes gewesen ist. Ich kann mit 
Sorgfalt die Überlieferungen der Ältesten befolgen und dennoch die Gebote Gottesvernachlässigen. Und so verhielt es sich bezüglich der Schriftgelehrten und der Pharisäer. „Warum übertretet auch ihr das Gebot Gottes um eurer Überlieferung willen? denn Gott hat geboten und gesagt: Ehre den Vater und die Mutter! — und: Wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben! Ihr aber sagt: Wer irgend zu dem Vater oder der Mutter saget: Gabe sei das, was irgend dir von mir zunutzen kommen könnte — und er wird keineswegs seinen Vater und seine Mutter ehren . . . und ihr habt so das Gebot Gottes ungültig gemacht um eurer Überlieferung willen." (V. 3-6.) 

Hier stellt unser Herr das Wort Gottes als den einzigen Maßstab des Wandels auf. Es ist dasselbe Wort, das am letzten Tage richten wird; und es ist dasselbe Wort, das jetzt leiten und herrschen muß. Wo werden die Überlieferungen der Ältesten sein, wenn alles, um geoffenbart zu werden, vor dem Richterstuhle Christi erscheinen wird? Werden sie an jenem Tage den Maßstab des Gerichts bilden? Keineswegs. Nun, welchen Wert haben sie denn jetzt? In der Tat einen höchst 
geringen Wert; und wenn sie vollends mit dem Worte Gottes im Widerspruch stehen, so darf man sich nicht einen Augenblick mit ihnen befassen. Der vor uns liegende wichtige Abschnitt der Heiligen Schrift belehrt uns in deutlicher Weise, daß es der Grundsatz der Heuchelei ist, wenn jemand, anstatt durch die Gebote Gottes geleitet zu werden, durch die Vorschriften und Lehren der Menschen beherrscht wird. „Heuchler! 

Trefflich hat Jesaias über euch geweissagt, indem er sagt: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen; aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, lehrend als Lehren Menschengebote (V. 7—9.) Man merke sich hier die göttliche Beschuldigung! „Ihr Herz ist weit entfernt von mir." Das war das Geheimnis von allem. 
Der Herr Jesus heftet Sein durchbohrendes Auge auf das Herz des Menschen und offenbart in klarster Weise, wo und was es ist. „Es ist weit entfernt von mir", sagt Er. Ja, fern von Ihm 
und begraben unter einer ungeheuren Masse abergläubischer Gebräuche und menschlicher Vorschriften. Die deutlichste Vorschrift des Gesetzes Gottes war geradezu durch eine gutscheinende Vorschrift des „Korban" beiseite gesetzt, als ob Gott irgend eine „Gabe" annehmen wollte oder könnte, welche 
auf eine offenkundige Übertretung Seines ewigen Gesetzes gegründet war. Ebenso richteten sie ihre Aufmerksamkeit mit einer ängstlichen Gewissenhaftigkeit auf das Waschen ihrer 
Hände vor dem Essen, während ihr Herz gleichsam der Käfig jedes unreinen und hassenswerten Vogels war. Welch ein Betrug! Gewaschene Hände und ein beflecktes Herz!

 Äußere Dinge genau beobachtet, und das Inwendige gänzlich vernachlässigt! Speise und Getränke, Becher und Schüsseln, Tassen und Tische sorgfältig in acht genommen, und das Gesetz Gottes über Bord geworfen, und das Herz bis an den Rand angefüllt mit Üppigkeit und Eitelkeit! So ist der Mensch. Sein Herz ist von Gott weit entfernt. Seine Religion ist eine Masse von Widersprüchen von Anfang bis zu Ende. 
„Und er rief die Volksmenge herzu und sprach zu ihnen: Höret und verstehet!" (V. 10.) Wie würdig und erhaben klingen diese Worte! „Höret und verstehet'." Das sind die beiden 
Worte, die stets mit dem Worte Gottes in Verbindung stehen müssen. Dieses Wort ist nicht den schwankenden, trüben, ungewissen Überlieferungen der Menschen gleich. Seine Stimme 
ist klar, seine Sprache deutlich, seine Unterweisungen sind ungeziert und rein. Sie können von einem Kind gehört und verstanden werden. Wer unter jener Volksmenge hätte die deutlichen Worte: „Nicht was in den Mund eingeht, verunreinigt den Menschen, sondern was aus dem Munde ausgeht, das verunreinigt den Menschen", (V. 11) missverstehen können? 

Diese Wahrheit ist deutlich und unwiderlegbar. Jeder, dessen Verständnis nicht durch die Nebel menschlicher Überlieferung verdunkelt ist, versteht sie völlig. Jedes Gewissen, wenn es nicht 
durch Unterwerfung unter eine falsche Autorität betäubt ist, fühlt ihr Schwert. 
Aber die Pharisäer ärgerten sich über diese einfache Erklärung. Das hatte seinen Grund. Und warum? Es war der Todesstoß für den Pharisäismus. Äußere Dinge zu beobachten und das 
Herz unberührt zu lassen, das ist der Geist des Pharisäismus, der zu allen Zeiten herrscht. Dieses System behauptet stets, daß die Befleckungen von außen kommen, während die Wahrheit Gottes sie als von innen kommend bezeichnet. Daher faßte die einfache Erklärung Christi den Pharisäismus bei der Wurzel an und bereitete seinen Anhängern einen nicht geringen Anstoß. Aber wie kräftig sind die Worte des Herrn, wenn Er sagt: „Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerottet werden. Laßt sie; sie sind blinde Leiter der Blinden!

 Wenn aber ein Blinder einen Blinden leitet, so werden beide in die Grube fallen." (V. 13. 14.) 
Welche ernsten Worte! „Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerottet werden." Nichts, außer dem Werke Gottes, wird bestehen. Die üppigste Pflanze 
aus der Pflanzung des Menschen wird verdorren und ausgerottet werden. Mag sich auch ein großes Gepränge und Blüten, welche die herrlichste Frucht versprechen, dem Auge zeigen, so 
bleibt es dennoch gewiß, daß, wenn die Pflanzung nicht durch die Hand Gottes geschehen ist, sich alle Erwartungen in Nichts auflösen werden. Nur die Pflanzen Gottes werden bestehen. 
Sie werden jeden Sturm überleben.

 „Die gepflanzt sind in dem Hause Jehovas, werden blühen in den Vorhöfen unseres Gottes. Noch im Greisenalter treiben sie, sind saftvoll und grün." (Ps 92, 13. 14.) Wie sehr unterscheidet sich dieses alles von der blinden Leitung der Blinden, wo beide in die Grube fallen! O welch eine erhabene Segnung, welch eine heilige Sicherheit, gepflanzt zu sein durch die Hand Gottes und nicht blindlings geleitet zu werden durch die Hand eines blinden Menschen! Möge der Herr in Seiner überschwenglichen Gnade es allen meinen Lesern gestatten, daß sie es erkennen! 

Wir dürfen indes nicht vergessen, daß der Herr in dem vor uns liegenden Schriftabschnitt das menschliche Herz ans Licht stellen will. Es hat uns bisher gezeigt, wo es ist; und jetzt ist 
Er im Begriff, uns zu zeigen, was es ist. „Petrus aber antwortete und sprach zu ihm: Deute uns dieses Gleichnis. Jesus aber sprach: Seid auch ihr noch unverständig? Begreifet ihr noch nicht, daß alles, was in den Mund eingeht, in den Bauch geht und in den Abort ausgeworfen wird? Was aber aus dem Munde ausgeht, kommt aus dem Herzen hervor; und diese Dinge verunreinigen den Menschen. Denn aus dem Herzen kommen hervor böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen; diese Dinge sind es, die den Menschen verunreinigen; aber mit ungewaschenen Händen essen, verunreinigt den Menschen nicht." (V. 15—20.) Hier ist also das Herz des Menschen völlig zur Schau gestellt. 

Jede falsche Decke äußerer Gebräuche ist entfernt. Alle verfinsternden Nebel, die eine bloße Religion menschlicher Vorschriften umringt, sind hinweggerollt; und hier zeigt sich, in 
ihrer ganzen Häßlichkeit und in ihrer erschreckenden Gottlosigkeit, die Quelle aller jener unreinen und entsittlichenden Einflüsse, die den Horizont dieser Welt fast seit sechstausend Jahren verdunkelt haben. Wir mögen es „Korban" (Gabe) nennen, wir mögen uns auf die kirchlichen Überlieferungen berufen; oder uns im Kreise Ehrfurcht einflößender Vorschriften bewegen; — aber ach! man blicke nur auf das Herz! Was können wir dazu sagen? Man denke nur an das im Licht göttlicher Gegenwart zur Schau gestellte, menschliche Herz! Wie schrecklich! Wie niederschmetternd! Nichts könnte mich befähigen, einen Blick in mein Herz ertragen zu können, als nur ein Blick in das Herz Jesu, in das Herz Gottes selbst. 

Wenn nun aber das Herz völlig ins Licht gestellt und das Gewissen völlig überführt ist, so ist die Seele für die nächste Station ihrer Reise bereit gemacht. Mit anderen Worten: Überführung und Bekehrung sind eng miteinander verbunden. Ein überführter Sünder hat sein eigenes Herz, und ein bekehrter Sünder hat das Herz Gottes kennengelernt. „Tut Buße und bekehret euch!" sagt Petrus. Hier haben wir eine andere Weise, um dieselbe Sache auszudrücken. Es ist das moralische Selbstgericht und die gesegnete Entdeckung Gottes. Ich entdecke mein Ich und verwerfe es; ich entdecke Gott in dem Angesichte Jesu Christi und wende mich mit einem aufrichtigen und vertrauenden Herzen zu Ihm, der ebenso fähig wie willig, und ebenso willig wie fähig Ist, mich zu retten, ungeachtet Seiner vollkommenen Erkenntnis alles dessen, was in meinem Herzen ist. Dies gibt völlige Erleichterung, völlige Freiheit und dauernden Frieden. 

Es befreit mich von aller verurteilenden Furcht und befähigt mich, mit leichtem Tritt jenen sonnigen Pfad zu betreten, der am Kreuze beginnt und in der Herrlichkeit endet. Ich finde, daß gerade Er, der allein fähig war, meine Schuld zu messen und abzuschätzen, und kein anderer es ist, der durch das Blut des Kreuzes diese Schuld völlig getilgt hat. 
„Ich, ich bin es, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen, und deiner Sünden will ich nicht mehr gedenken." (Jes 43, 25.) Sage mir, geliebter Leser, verstehst Du diese Dinge? Hast Du sie an Deinem Herzen erfahren? Hat Gott Dein Herz aufgedeckt, und hast Du das Seinige erkannt? Eine ernste, wichtige Frage! Welche bedeutenden Folgen hängen von Deiner Antwort ab! Fürchte Dich nicht, Dein Herz in seinen tiefsten Abgründen und seinen geheimsten Schlupfwinkeln zu untersuchen und zu ergründen, öffne jede Kammer darin. Schiebe 
die Vorhänge beiseite, öffne die Läden, reiße den Schleier hinweg und laß das volle Licht des Himmels in jeden Winkel und jede Spalte eindringen. 

Du kannst nicht zu tief eingraben. Sei versichert, daß Gott unumschränkte Vorkehrungen dafür getroffen hat. Das Evangelium der Gnade Gottes kündigt Dir die glorreiche Tatsache an, daß ein die Sünde hassender Gott einem, die Sünde tragenden Christus auf dem Kreuze begegnet 
ist und dort die große Sündenfrage völlig hineingebracht und für dauernd beendet hat. Das ist der göttliche Boden des Friedens eines Sünders. Dieses zu erkennen und zu glauben gibt 
einen Frieden, der durch nichts zu erschüttern ist. Gott hat auf dem Kreuz einen vollkommenen Abschluß mit der Sünde gemacht. Ich bedarf nichts mehr. Ich bin völlig zufriedengestellt. 
Kann mein Gewissen mehr fordern, als die Gerechtigkeit Gottes? Gewiß nicht. Ein gerechter Gott und ein gerechtfertigter Sünder begegnen sich in heiliger Gemeinschaft auf einer 
blutbefleckten Schwelle. „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum." (Röm 5,1.) 

Bevor wir indes in unserer Betrachtung einen Schritt weitergehen, wird es gut sein, für einen kurzen Augenblick einen Rückblick zu tun. Das Herz des Menschen ist, wie wir gesehen haben, völlig ans Licht gestellt und seine Quelle entblößt worden. Der Nebel, womit eine falsche Religiosität es einhüllte, ist hinweggewälzt durch die Hand des Meisters; und alles ist bloß und aufgedeckt. „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verderbt ist es; wer mag es kennen? Ich, Jehova, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, und zwar um einem jeden zu geben nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Handlungen." (Jer 17, 9—10.) Wenn daher die Frage erhoben wird: „Wo ist das Herz?", lautet die Antwort: „Fern von Gott." 

Und wenn gefragt wird: „Was ist das Herz?", ist die Antwort: „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verderbt ist es." Also ist es in betreff des Herzens eines jeden nicht wiedergeborenen Mannes, einer jeden nicht wiedergeborenen Frau oder eines nicht wiedergeborenen Kindes auf dieser Erde. Der Charakter, die Umstände, die Neigungen mögen verschieden sein; aber das Herz ist stets das gleiche. Man darf ihm kein Vertrauen schenken, da es „arglistig" ist; und wie auch sein äußerer Schein sein mag, so bleibt es doch unverändert verderbt. Es mag sich nicht völlig entfaltet haben; aber sein tückisches, listiges Wesen ist, beobachtet in der Bemühung, 
sich zu verbergen, als sein wahrer Zustand erkannt worden. 

Wenn jemand nicht weiß, daß sein Herz ein heilloses, gottloses Ding ist, so beweist dieses gerade die Arglist dieses Herzens. Aber — der Herr sei dafür gepriesen! — der Sünder darf auf 
ein anderes Herz seinen Blick richten, wenn er die Wahrheit in betreff seines eigenen Herzens kennengelernt hat; und das ist das Herz Gottes, geoffenbart in Christo Jesu. Welche Gnade! 
Dürfte ich nur in mein eigenes arglistiges und heilloses Herz hineinschauen, so würde ich höchst bedauernswürdig sein. Aber Er, der allein imstande war, mein Herz gänzlich zu prüfen, hat mir Sein Herz vollkommen geoffenbart. 

Das ist genug. Die Untersuchung des Herzens des Sünders und die Offenbarung des Herzens Gottes — dies sind die beiden großen und allerwichtigsten Punkte. Im Herzen des Menschen findet sich nichts als das Böse, im Herzen Gottes die vollkommene Liebe, eine Liebe, die trotz allem Bösen hervorgeströmt ist, eine Liebe, die sich dadurch verherrlichte, daß sie das Gericht über das Böse ausführte und eine gänzliche Befreiung von seiner Macht bewirkte. Wenn daher jemand durch die erleuchtende und überführende Macht des Heiligen Geistes geleitet worden ist, einen klaren, nüchternen Blick in sein eigenes Herz tun zu können, so befindet er sich eben in der Stellung, sich der Enthüllung des Herzens Gottes erfreuen zu dürfen. 

Wir wollen jetzt einmal sehen, wie dieses alles in der vor uns liegenden, rührenden und belehrenden Geschichte des kananäischen Weibes Ausdruck findet. „Und Jesus ging aus von 
dannen und entwich in die Gegenden von Tyrus und Sidon. Und siehe, ein kananäisches Weib, das von jenen Grenzen herkam, schrie zu ihm und sagte: Erbarme dich meiner, Herr, 
Sohn Davids! Meine Tochter ist schlimm besessen." (V. 21. 22.) Wir befinden uns hier in einer ganz anderen Atmosphäre. Unser hochgelobter Herr hat aller Religiosität des Menschen, 
allen Vorschriften, allen Überlieferungen, allen Waschungen, aller Heuchelei des Menschen den Rücken gewandt; und Er betritt eine Region, wo Er nicht dünkelhaften Ansprüchen des 
Menschen, sondern wirklich gefühltem Elende begegnet. Das war der rechte Platz für Christum. Das arme kananäische Weib kannte und kümmerte sich wenig um die Überlieferungen der 
Ältesten. Welchen Nutzen hätten sie ihr auch bringen können? 

Sie fühlte den Druck der Macht Satans. Konnten menschliche Anordnungen und Vorschriften diese Macht hemmen? Gewiß nicht. Nur Jesus vermochte es. Andere mochten mit dem Waschen der Becher und Schüsseln beschäftigt sein; aber für das unglückliche Weib war solches Tun nutzlos. Sie begehrte nach etwas anderem, nach wirklicher Hilfe. Sie verlangte nach Christo; und zu Ihm führte ihr Weg. O möchten doch Tausende in diesen unseren Tagen fühlen, 
was das arme, kananäische Weib fühlte! Wahrlich, wir befinden uns in einer Zeit menschlicher Anordnungen und Vorschriften; in einer Zeit religiöser Überlieferungen, in einer Zeit, wo Gebote und Lehren der Menschen das Übergewicht haben. 

Eine fleischliche Frömmigkeit gibt sich in ihren vielen Achtung gebietenden Formen kund und übt einen mächtigen Einfluß über das gesetzliche und religiöse Gemüt aus. Aber bei all 
diesem bleibt das arme Herz unbefriedigt; die Not findet keine Abhilfe, das Elend keine Milderung. O möchten daher jene Tausende, die unter dem Druck der Sünde seufzen, nur geradezu zu Jesu kommen und bei Ihm alles finden, was sie in Zeit und Ewigkeit bedürfen! Niemand außer Jesu kann dem hilflosen Sünder Ruhe und Frieden geben. 
Wir haben indes bereits bemerkt, daß in dem vor uns liegenden Schriftabschnitt das Herz Jesu, insoweit es das kananäische Weib betraf, hinter der durch die jüdische Haushaltung gebotenen Schranke verborgen war. Ein kananäisches Weib hatte keine Ansprüche an den „Sohn Davids"; und dennoch gebraucht sie, indem sie sich an Ihn wendet, gerade diesen Titel. Ohne Zweifel gab es Liebe in dem Herzen Jesu für ein armes Geschöpf, das in einfachem Glauben zu Ihm kam.

 Aber als „Sohn Davids" stand Er hinter jener erhabenen jüdischen Umzäunung, welche Ihn dem heidnischen Auge entzog. Er war ein „Diener der Beschneidung um der Wahrheit Gottes willen, 
um die Verheißungen der Väter zu bestätigen". (Röm 15, 8.) Nicht ein Jota, kein Tüttelchen durfte in den Händen eines solchen treuen und herrlichen Dieners an jener Verheißung 
unerfüllt bleiben; und wenn daher das kananäische Weib Ihn in keinem erhabeneren Charakter, als dem eines Dieners der Beschneidung erblicken konnte, so mußte Er unbedingt in 
gänzlichem Schweigen verharren. „Er aber antwortete ihr nicht ein Wort." (V. 23.) Der Sohn Davids hatte keine Antwort für eine Kananiterin. Er mußte für die Wahrheit Gottes einstehen 
und die den Vätern gemachten Verheißungen bestätigen. Und mit diesen Verheißungen hatte sie durchaus nichts zu tun. Er konnte einer Kananiterin keine Hilfe leisten auf Kosten des 
Samens Abrahams. 

Die Jünger, gänzlich unfähig, die tiefen Geheimnisse zu ergründen, die den Geist ihres göttlichen Meisters erfüllten und in Seinem Dienste ihren Ausdruck fanden, „traten herzu und 
baten ihn und sagten: Entlaß sie!" (V. 23.) Ach, wie wenig kannten sie Ihn! Wie hätte Er ein solch armes, mühseliges und beladenes Geschöpf von Sich weisen können? Wie? Der Sohn Gottes sollte aus Seiner Gegenwart eine Seele entfernen, die unter dem zermalmenden Druck der Hand Satans lag? Unmöglich. Obwohl Er als „Sohn Davids" keine Antwort geben konnte, so konnte Er als der „Sohn Gottes" die Frau doch nicht abzuweisen. Wenn Er als der Diener der Beschneidung kein Wort der Erwiderung hatte, so konnte Er sicher als der Diener der Gnade Gottes keine abschlägige Antwort geben. Obwohl Er als Verteidiger der Wahrheit Gottes in Seinem Schweigen 
verharren mußte, so konnte Er doch als der Ausdruck göttlicher Liebe keineswegs unerbittlich bleiben. Er hatte eine helfende, segnende Hand für sie; aber sie mußte den ihr gebührenden 
Platz einnehmen und Ihn nicht nur als den Sohn Davids, sondern Ihn als den Herrn aller anschauen.

 „Ich bin" — sagte Er „nicht gesandt, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel"; (V. 24.) und sie gehörte nicht zu den Schafen Israels, sondern zu dem Geschlecht Kanaan. 
Aber der Glaube kann nicht überwunden werden. Er weiß, daß in dem Herzen Jesu eine völlige Segnung vorhanden ist; und er will sie besitzen. So war es bei dem kananäischen Weibe. Sie hatte sich gerüstet, das liebende, zärtliche Herz Jesu zu erreichen und ließ sich daher nicht abweisen. Die hohe Umzäunung, hinter der Er Sich befand, hinderte sie nicht. Für 
sie gab es keine Schwierigkeit. Sie fühlte, daß, obwohl sie die Schranken nicht hinwegzuräumen vermochte, Er über sie hinweg steigen könnte. Obwohl die Herrlichkeiten des Sohnes Davids nur im Innern der jüdischen Grenzen strahlen konnten, vermochten doch die Herrlichkeiten des Sohnes Gottes ihren hellen Glanz über die ganze Erde auszubreiten. Dies alles wußte sie. Ihr Glaube konnte danach greifen. Sie fühlte, daß es dem hochgelobten Herrn durchaus unmöglich sei, ein hilfsbedürftiges Geschöpf aus Seiner Gegenwart zu entfernen. „Sie aber kam und huldigte ihm und sagte: Herr, hilf mir!" (V. 25.) 

Hier erreichen wir den hervorragenden Punkt in dieser interessanten Erzählung. Die Kananiterin stellt sich jetzt in die göttliche Gegenwart einfach als eine hilfsbedürftige Seele; und keiner hat dieses je vergeblich getan und keiner wird es je vergeblich tun. O welch eine Tiefe, Macht und Fülle liegt in den Worten: „Herr, hilf mir!" Sie bilden eine Kette von drei Gliedern. Sobald der Glaube diese kostbare Kette ergreift, ist alles in Ordnung gebracht. Das Wörtchen „hilf" kann alles in sich fassen, was die Seele hienieden und künftig verlangen kann. 

Geliebter Leser! Laß mich hier einen Augenblick verweilen und die Frage an Dich richten, ob Du jemals wirklich diese dreigliedrige Kette gebildet hast? Hast Du durch einfachen Glauben den Herrn Jesus an das eine Ende und Dich an das andere Ende, und das „Hilf" in die Mitte gesetzt? Wenn dieses je geschehen ist, dann ist alles geordnet, göttlich und ewig geordnet. Du hast Ihn an den rechten Platz als den Helfer, und Dich an den rechten Platz als Hilfsbedürftigen gesetzt; und alles, was Du begehrst, ist unfehlbar gesichert. Das Wörtchen „hilf" faßt nicht nur alles in sich, was Du wünschest oder bedarfst, sondern alles, was Christus geben kann und geben will. Präge dies tief in Deine Seele ein. In dem Augenblick, wo der Sünder den ihm geziemenden Platz vor Gott einnimmt, gibt es nichts als Heil und Rettung für ihn. Auch findet er da nicht 
nur ein solches Heil, wie es ihm geziemt, zu empfangen, sondern vielmehr ein solches, wie es Gottes würdig ist, zu geben. 

Das ist eine große und wunderbare Tatsache, die mit großer Kraft die moralische Größe des Evangeliums der Gnade Gottes erläutert. Möge der Sünder daher, und zwar als Sünder, 
seinen wahren Platz vor Gott einnehmen, und die ganze Sache wird bald in Ordnung gebracht sein. Gott ist sein Heiland, und er ist gerettet, gerettet nach dem Maße der Vollkommenheit der Person und des Werkes Christi. Aber der Sünder muß sich auf dem rechten Platz befinden. Und 
welches ist dieser Platz? Der Platz eines Verlorenen. Sobald er dort gefunden wird, geht die Sündenfrage aus seinen Händen in die Hände Gottes über, und dort wird sie zum Preise der 
Herrlichkeit Gottes vollständig gelöst und geordnet. Gott ist verherrlicht, indem Er durch das Wörtchen „Hilf" an den armen, hilflosen, strafbaren Sünder gekettet ist. Sein heiliger 
Name sei ewig dafür gepriesen! Wer wollte Ihm nicht vertrauen? 

Wer möchte nicht aus Seiner Hand das Heil empfangen? Wer wollte nicht im Augenblick der Not zu Ihm emporblicken, da die Gewährung der Hilfe nicht nur Seinen Namen verherrlicht, sondern auch Sein Herz erfreut? Möge der Heilige Geist unseren Seelen mehr und mehr die lebendigen Tiefen dieser drei Worte entfalten: „Herr, hilf mir!" Sie setzen, wie bereits gesagt, Gott an den Ihm gebührenden Platz als den Helfer und den Menschen an den ihm geziemenden Platz als 
den Hilfesuchenden. Es gibt keine Grenze für das Wörtchen „hilf"; es ist so tief und grenzenlos, wie der Born, aus dem es hervorsprudelt, und darum muß es dem dringendsten Bedürfnis des Sünders zuvorkommen. Die Quelle der Hilfe ist Gott selbst, und die daraus hervordringenden Ströme stürzen sich in zehntausend Kanäle, um den verschiedenen Formen menschlichen Elends zu begegnen. Ist mein Gewissen zu Boden gedrückt unter der schweren Bürde der Schuld, so finde ich Hilfe in Jesu — dieselbe Hilfe, die ich gerade nötig habe. Sein kostbares Blut reinigt von aller Sünde und gibt dem Gewissen vollkommene Ruhe. 

Fühle ich die Bürde der in mir wohnenden Sünde und verlange ich seufzend nach Sieg über die Gewohnheiten und Versuchungen der Natur, so habe ich mich nur auf Christum zu werfen und in den Geist der Worte einzudringen: „Herr, hilf mir!" Und also ist es bei jeder Sache. Der 
Glaube verbindet die Seele mit Christo; und Seine ganze Fülle wird mir zuteil, um mich ihrer bei jeder Gelegenheit bedienen zu können. Dies alles ist deutlich in der Geschichte deskananäischen Weibes ins Licht gestellt. Der Glaube stellt sie auf ihren wahren 
Platz; und kaum hat ihr Fuß diesen Platz betreten, so tritt Christus vor das Auge ihrer Seele in der ganzen moralischen Herrlichkeit Seiner Person, und in der Allgenugsamkeit Seiner 
Gnade. Ihr Glaube trug das richtige Gepräge.

 Er bestand die strengste Probe. Sie zeigte sich zubereitet, nicht nur alle Ansprüche auf Jesum, als den Sohn Davids, fahren zu lassen, sondern auch ihren Platz gleich einem Hunde unter dem Tisch einzunehmen. „Es ist nicht schön", sagt der Herr, „das Brot der Kinder zu nehmen und den Hunden hinzuwerfen." (V. 26.) 
Das hieß den Glauben in den heißesten Schmelztiegel werfen. Der wahre Glaube kann es ertragen, wenn er geprüft wird. Ein echter Klumpen kann dem Feuer standhalten. Der Herr 
Jesus wußte, wie Er zu handeln hatte; und Er führte diese Frau nur auf einen Standpunkt, von wo aus sie einen Blick auf Ihn werfen konnte, auf Ihn, der jedes Verlangen ihrer Seele befriedigen konnte. Sie hatte keine Ansprüche auf den „Sohn Davids", sie hatte kein Anrecht an dem „Brote der Kinder"; sie war ein Hund aus den Heiden. War sie für dies alles zubereitet? Allerdings. „Ja, Herr!" — sagte sie — „denn es essen ja auch die Hündlein von den Brosamen, die von dem Tische ihrer Herren fallen." (V. 27.) 

Das war in der Tat ein Werk Gottes. Wahrlich, es war ein erfrischender Trunk für den dürstenden Geist des Herrn. Es unterschied sich gänzlich von den Überlieferungen der Ältesten, von dem „Korban" und den Waschungen der Pharisäer. Dort gab es für das Herz Jesu nichts, was dem Glauben einer armen Sünderin gleich war, die sich nicht darum kümmerte, 
welchen Platz sie einnehme, wenn dieser Platz nur in Seiner Nähe war. Sie wußte und fühlte wohl, daß gerade für einen Hund unter dem Tisch reichlich gesorgt werden würde. Freilich konnte sie keinen Anspruch machen auf irgend ein Verhältnis inmitten der jüdischen Haushaltung. Sie dürfte kein Stück von dem „Brote der Kinder" anrühren; aber gab es nicht 
noch Brosamen für einen Hund? Ja, der Herr sei dafür gepriesen! Es war unmöglich, daß Christus einem hilfsbedürftigen Geschöpf ein Brotkrümchen versagen konnte. Der Glaube 
triumphierte; und die Tür zur Schatzkammer des Himmels war 
für eine arme kananäische Frau weit geöffnet in den herrlichen Worten: „O Weib, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst." (V. 28.) 

Sicher, das ist genug. Der Glaube hat hier das Herz Gottes erreicht. Er hat seinen Lauf bis zu diesem wunderbaren Höhepunkt fortgesetzt. Im ersten Teil unserer Betrachtung wurden 
wir geleitet, das Herz des Menschen zu betrachten; hier wird das Herz Gottes vor unser Auge gebracht. Das Auge Gottes ruht auf dem Herzen des Menschen und deckt es auf als die 
Quelle des Bösen. Hier aber ruht das Auge des Glaubens auf dem Herzen Gottes und erkennt es als eine Quelle der Güte, als eine stets frische, stets sprudelnde Quelle, aus der die Seele 
mit vollen Zügen trinken kann. „Dir geschehe, wie du geglaubt hast." Kostbares Wort! Der Glaube ist der Schlüssel zu den Schätzen des Himmels. Die arme Frau erfaßte und gebrauchte 
diesen geheimnisvollen Schlüssel und erlangte dadurch einen Zugang zu weit überschwenglicheren Reichtümern, als wenn sie das „Brot der Kinder" hätte anrühren dürfen. 

Nichts ist lieblicher, als die Art und Weise, wie diese höchst begünstigte Frau das Herz Christi erreichte, das gleichsam hinter jenen Schranken verborgen war, in denen der „Sohn 
Davids" — der „Diener der Beschneidung" — Sein besonderes Arbeitsfeld fand. Es ist in der Tat wahrhaft erfreulich, zu bemerken, wie sie die erhabene Tatsache ergreift, daß in Ihm 
etwas vorhanden war, das nicht durch die Grenzen der jüdischen Haushaltung beschränkt sein konnte. Ihr Glaube befähigte sie, sich zu Regionen emporzuschwingen, die weit über 
das Judentum und was damit zusammenhing, hinaus lagen. 

Sie begehrte nicht, dieses System für einen Augenblick anrühren zu dürfen; sie begehrte nur, das Herz Christi zu berühren, dieses weite, schrankenlose Herz, das durch kein System unter der Sonne abgesperrt werden konnte. Was sie selbst betraf, war sie zubereitet, irgend einen Platz, und wenn auch den Platz eines Hundes unter dem Tische des Herrn einzunehmen. Es kümmerte sie nicht, wo sie war; wenn sie sich nur in Seiner Nähe befand. Es wäre für sie kein Gewinn gewesen, sich auf jüdischen Boden zu stellen. Das heiße Verlangen ihres Glaubens führte sie weit über den Dienst des „Dieners der Beschneidung" hinaus. Sie erreichte Ihn selbst; und in Ihm fand sie alles, was sie wünschte. Sie beugte sich vor dem Zeugnis betreff des ihr geziemenden Platzes, indem sie sagte: „Ja, Herr!"; aber sie öffnete zugleich die Schleusen der 
Liebe Seines Herzens durch die bedeutungsvollen Worte: „Es essen ja auch die Hündlein von den Brosamen, die von dem Tische ihrer Herren fallen.

" Die ersten Worte stellen den Sünder auf den rechten Platz; die anderen machen für Gott Raum, um mit dem ganzen Reichtum Seiner rettenden Gnade eintreten zu können. Jene verzichten auf alle Ansprüche auf dem Grunde persönlichen Verdienstes, diese bauen all ihre 
Erwartungen auf den Grund der unumschränkten Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Nichts kann einfacher sein. Wir finden hier nur eine jener tausend treffenden Erläuterungen derselben 
großen Wahrheit, die uns auf jeder Seite des heiligen Wortes, vom 1. Buch Mose bis zur Offenbarung, gleich einem Sonnenstrahl entgegenleuchtet.