1. Thessalonicher 4,15 - 18 Die Wiederkunft des Herrn BdH 1853

01/01/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Wiederkunft des Herrn (1. Thess. 4,15—18)

»Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr hier, und seht gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg ist aufgenommen in den Himmel, wird ebenso kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren" (Apostg. 1. II). So sprachen die zwei Männer in weißen Kleidern zu den staunenden Jüngern, die unverwandt gen Himmel sahen, wo Der hinaufgefahren war, an Den alle ihre Erwartungen ge­knüpft waren. „Er wird wieder kommen!" Das war der Trost und die selige Hoffnung, die ihnen jetzt blieb, die ihren Glaubensmut belebte und ihren Wandel befestigte. 

Selbst unter den vielen schweren Kämpfen, unter den mancherlei Mühseligkeiten und Gefahren des Lebens war das Wieder­kommen des Herrn und ihre Vereinigung mit Ihm ihre stete Erwartung. Zeit und Stunde wußten sie nicht; aber sie wußten, daß gesagt ward: Er wird wieder kommen. Es scheint, als hätten sie sich in ihrer Erwartung getäuscht; doch ist dem nicht so. Der Herr selbst hatte sie auf diese Wartezeit hin­gewiesen und nicht auf klügelnde Berechnungen; sie sollten zu jeder Stunde bereit sein, dem Bräutigam mit Freuden entgegen zu gehen. 

Diese stete Erwartung hatte den Vorteil, daß sie sich in einer vollkommenen Absonderung von der Welt erhielten, um auch vor dem Gericht derselben bewahrt zu bleiben; daß sie Spott, Hohn und Verachtung um Jesu willen geduldig er­trugen, und gewiß werden an jenem Tage sich die Früchte dieser Erwartung offenbaren. „Euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus" (1. Thess. 5,23). 

Diese gute Botschaft von der Wiederkunft des Herrn, verbunden mit Seiner Vereinigung mit allen wahren Gliedern Seines Leibes, suchten die Apostel auch in den Gemeinen aufzurichten und zu erhalten und ihre Arbeit ist auch in diesem Stücke nicht vergeblich gewesen. 

Besonders waren die Gläubigen in Thessalonich so tief von dem Gedanken der Rückkehr Jesu Christi durchdrungen, daß sie meinten, vor diesem großen Ereignisse könnten sie nicht sterben; und wenn einer unter ihnen abschied, trauerten sie bei dem Gedanken, er würde nun an jenem Tage nicht gegenwärtig sein. Der Apostel tröstet sie und sagt, daß Gott diejenigen, die in Jesu entschlafen, wieder mit Ihm bringen werde. „Denn das sagen wir euch im Worte des Herrn, daß wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, werden denen nicht vorkommen, die da schlafen. 

Denn Er selbst der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erz­engels und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel und die Toten in Christo werden auferstehen zuerst. Darnach wir, die wir leben und übrigbleiben, werden zugleich mit denselbigen hingerückt werden in den Wolken dem Herrn entgegen in die Luft und werden also bei dem Herrn sein alle Zeit (1. Thess. 4,15—17). An dem Beispiel der Thessalonicher, deren Glauben man in aller Welt rühmte, lernen wir, wie sehr in unsern Tagen die Kirche des Herrn diese Hoffnung zur Seite gesetzt hat; wie weit wir uns von dieser so herrlichen Botschaft der Apostel entfernt haben. 

An deren Stelle ist die Idee eines Zwischenzustandes (die Trennung der Seele vom Leibe) als Erfüllung all' unserer Hoffnungen getreten, eines Zustandes, der wirklich und weit höher, als unser gegenwärtiger auf Erden ist; aber dennoch unbestimmt und selbst ein Zustand des Wartens. Jesus selbst wartet und die verstorbenen Heiligen warten. 

Es ist nicht die Absicht, die Seligkeit dieses Zwischen­zustandes irgendwie zu schwächen; aber der Apostel sagt in 2. Kor. 5, 4: „Denn dieweil wir in der Hütte sind, sehnen wir uns und sind • beschwert, sintemal wir wollten lieber nicht ent­kleidet, sondern überkleidet werden, auf daß das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben." 

„Aber unterdessen sind wir getrost." Wenn nämlich der sterbliche Leib, während des Wallens hienieden, nicht verschlungen (nicht verwandelt) würde vom Leben, so würde die Zuversicht, die sie hätten, durch den Tod nicht unterbrochen. Sie hätten in ihrer Seele schon das Leben Christi empfangen: der Geist, der Jesum aus den Toten auferweckt habe, sei ihnen gegeben, darum könne es nicht fehlen, sie würden beim Abschied bei Ihm sein.— Solange die örtl. Versammlungen unter der Zucht und Leitung des Heiligen Geistes standen, so lange sie des Herrn Kommen im Glauben harrten, so lange blieben sie auch in der innigsten Gemeinschaft mit ihrem Haupte. 

Sobald aber diese Versammlungen anfingen, mit dem bösen Knechte zu sagen: „Mein Herr verzieht zu kommen!" da fingen sie auch an, tyrannisch zu herrschen und ihre Mit­knechte, denen es allein um die Ehre ihres Herrn und um die Verherrlichung Seines Namens ging, zu verfolgen und zu schlagen; sie selbst aber wurden immer mehr geschwächt und verweltlicht. Die Ekklesia hat den Beruf, die Rückkehr des Herrn Jesu Christi alle Zeit zu erwarten; „da aber der Bräu­tigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein" (Matth. 25, 5).

Wir wollen hier nun noch einzelne Stellen aus der Heiligen Schrift anführen, die auf unsern Gegenstand Bezug haben. — „Das ängstliche Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes" (Röm. 8, 19). „Also daß ihr keinen Mangel habt an irgend einer Gabe und wartet auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu  Christi, welcher auch euch wird fest behalten bis an's Ende, daß Ihr unsträflich seid auf den Tag unseres Herrn Jesu Christi " (1. Kor. 1. 7. 8).

 „Unser Wandel aber ist in den Himmeln, von dannen wir auch warten des Heilandes Jesus Christus, unsers Herrn" (Phil. 3, 20). „Um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen vor unserm Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi mit allen seinen Heiligen" (1. Thess. 3, 13). „Also ist Christus einmal geopfert, hinzunehmen Vieler Sünden und wird zum andermal ohne Sünde erscheinen, denen, die auf Ihn warten zur Seligkeit" (Hebr. 9, 25—28). 

„Und nun Kind­lein bleibt in Ihm, auf daß, wenn Er geoffenbart wird, wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor Ihm bei Seiner Ankunft" (1. Joh. 2, 28).
„Meine Lieben, wir sind nun Kinder Gottes, und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und Jeder, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich selber, gleichwie er rein ist" (1. Joh. 3, 2. 3). 

Diese Hoffnung des Wiedersehens ist beseligend; wenn sie unser Herz erfüllt, werden wir uns gewiß reinigen von aller Be­fleckung des Geistes und des Fleisches. Der Herr kann jeden Augenblick kommen. Darum soll sich die Gemeine immerdar rein erhalten, immerdar bereit sein. Ihn zu empfangen. Selig ist der Knecht, den der Herr, so Er kommt, wachend findet. Das gläubige Harren auf die Wiederkunft gibt uns auch Freude und Trost inmitten der Welt; es gewährt große Kraft im Kampf wider alle Feinde. 

Diese Erwartung von einem Tage zum ändern ist es, welche die Kinder Gottes recht nüchtern und in stetem Wachen und Beten erhält; sie beschränkt die großartigen Pläne für die Zukunft, welche der Eitelkeit schmeicheln; sie macht uns los von den Dingen dieser Welt, von dem vergänglichen Reichtum und verleiht ein beständiges Trachten nach den Dingen, die droben sind; sie fragt nichts

 nach dem Urteil der Menschen, sie befreit uns und läßt uns ausgehen von denen, die gerichtet und verloren werden; sie offenbart uns unsern Beruf hienieden, nämlich mit Jesu williglich zu leiden, zu kämpfen, zu dulden und gläubig zu harren; sie richtet endlich stets unsern Blick auf die ewige unvergängliche Herrlichkeit, die aufbewahret wird im Himmel. Aber wie steht es denn unter uns! Ist es nicht, als ob fast Jeder dächte: Mein Herr zögert zu kommen? 

Man hört ja kaum noch unter Gläubigen diese gute Botschaft vom Wiederkommen des Herrn, oder sie wird doch so sehr geschwächt, so wenig in Wahrheit geglaubt, erkannt und erfaßt und so weit in den Hintergrund gedrängt, daß man ihre heilsame, tröstende und belebende Kraft kaum noch verspürt. 

Selbst unter den Gläubigen wird im Allgemei nen Sein Kommen mehr gefürchtet oder doch mit großer Gleich­gültigkeit betrachtet, als mit innigem Verlangen gewünscht. Es hat dies seinen Grund in dem unreinen Wandel, wo uns unser Herz immer wieder verdammt und dem noch Gemein­machen und dem „nicht völlig brechen wollen" mit der Sünde, der Welt und sich selbst. 

Von diesem Leben, das doch vergeht, erwartet man noch Etwas, darum ist die Gemeinschaft mit dem, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes, so schwach und das Verlangen mit Ihm vereinigt zu werden so gering; und selbst da, wo es noch ist, ist es meistens die Furcht, des Kreuzes Christi hienieden teil­haftig zu werden. „Ihr Lieben, so uns unser Herz nicht ver­dammt, so haben wir eine Freudigkeit zu Gott" (1. Joh. 3, 21). So laßt uns denn verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste; laßt uns abtreten von aller Ungerechtigkeit;

laßt uns keine Gemeinschaft mehr haben mit der Sünde und der Welt, so werden wir die Liebe und die Gnade Gottes in Christo Jesu recht erfahren, und auf Sein Wiederkommen, wo all' unser Sehnen gestillt wird, glaubend und hoffend harren. Gebe doch der treue Herr, daß auch diese Wahrheit bald wieder auf den Scheffel komme und Allen leuchte, die im Hause sind.

Möchte doch kein Leser dieses Aufsatzes dabei stehen bleiben zu sagen: „Es ist wahr, so steht's unter uns", sondern sich selbst tragen: Wie steht's denn mit mir in diesem Stücke? 0, daß doch ein Jeglicher diese wichtige und herrliche Wahrheit vom Kommen des Herrn Jesu im lebendigen Glauben und in fester Hoffnung ergreifen möchte, umsomehr, da der Tag naht.