Bibra Otto S von, Die Bevollmächtigten des Auferstandenen

05/17/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

EINLEITUNG

Am Abend nach dem Osterereignis trat der Auferstandene in den Kreis Seiner verängstigten Jünger mit den Worten: „Friede sei mit euch! Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende auch Ich euch" (Joh 20,21). Damit wurde ihnen ein unvergleichlicher göttlicher Auftrag anvertraut, der fortan den Inhalt ihres Lebens ausmachen sollte und auch ihre ganze Freude wurde.
Dieser Auftrag galt aber nicht nur für damals, sondern steht noch heute in Kraft.
Und es gilt nicht nur für Apostel und Propheten, Evangelisten, Pastoren und Lehrer der Gemeinde, sondern für alle, die den Anruf ihres Erlösers jemals gehört und befolgt haben.
Dementsprechend gilt auch der Inhalt dieses Buches ihnen allen. Denn er bezieht sich auf eben diesen Auftrag und Dienst, wie er in unserer Zeit an unserer Generation auszurichten ist.
Den Ausgangspunkt sollen dabei weder unsere Traditionen noch persönliche Erfahrungen bilden, nicht die Kirchengeschichte noch die Psychologie und auch nicht eine bestimmte Frömmigkeitsform.


Ganz im Gegenteil: in bewußter Unabhängigkeit von all diesen sonst gebräuchlichen und herrschenden Maßstäben wollen wir offen und frei sein für eine Neuorientierung.
Da Gott uns Seinen eigenen Maßstab in die Hände gelegt hat - die Heilige Schrift -, haben wir ja die verheißungsvolle Möglichkeit, uns an dieser untrüglichen Norm auszurichten.
Und das wollen wir versuchen

1. Die Grundlage ihres Dienstes

Der Dienst am Wort muß eine doppelte Grundlage haben: die göttliche Berufung und die göttliche Bevollmächtigung.

1. Die göttliche Berufung

Wer den Dienst am Wort as Beruf ausüben will, sollte bedenken, daß es sich dabei um einen heiligen Dienst handelt, zu dem die Berufung dessen gehört, dem man dienen will. Denn Seine Botschafter zu berufen, hat sich der dreieinige Gott selbst vorbehalten. Wer ohne göttliche Berufung im Dienste Gottes steht, der sehe zu, daß ihn nicht die Anklage trifft: „Ich habe sie nicht gesandt, und doch sind sie so geschäftig! Ich habe ihnen keinen Auftrag gegeben und doch reden sie in Meinem Namen. Hätten sie wirklich in Meinem Rat gestanden, so würden sie Mein Volk. . . von seinem bösen Wandel und seinem gottlosen Tun zur Umkehr bringen" (Jer 23,21ff.). Wie stark betont doch Paulus seine göttliche Sendung, wenn er sich bezeichnet als „Apostel, nicht von Menschen (gesandt), auch nicht durch einen Menschen (eingesetzt), sondern unmittelbar durch Jesus Christus persönlich und damit durch Gott den Vater selbst" (Gal. 1,1). Wenn man auch kein Apostel ist, so sollte doch irgendwie jeder Diener am Wort in Bezug auf Grundlage und Motiv seiner Wirksamkeit solches von sich sagen können.'

Auch sonst kommt in den paulinischen Briefen die göttliche Autorität und Sendung aller wirklichen Jesuszeugen immer wieder zum Ausdruck, wenn er schreibt: „So treten wir nun als Botschafter für Christus auf, indem Gott selbst durch uns mahnt" (2 Kor 5,20 a) oder: „Wir sind ja nicht wie die vielen, die mit dem Wort Gottes ein unlauteres Gewerbe treiben (oder: es verwässern);2 nein, aus lauterem Herzen, nein, als aus Gott heraus (= als Gottes Beauftragte) vor Gottes Angesicht in Christus reden wir" (2 Kor 2,17). So unterscheidet sich der Dienst am Wort grundsätzlich von jedem anderen Beruf3. Um beispielsweise Richter oder Staatsanwalt zu werden, genügt es, Rechtswissenschaft zu studieren, seine beiden Examina abzulegen und sich dann nach der entsprechenden praktischen Vorbereitungszeit vom Staat anstellen zu lassen. Jurist, Techniker, Lehrer, Handwerker, Bauer kann man ohne weiteres werden kraft eigenen Entschlußes, - examinierter Theologe auch! Aber Diener am Wort im neutestamentlichen Sinn wird man nur durch göttliche Einsetzung;4 wo diese fehlt, läßt sie sich auch durch die Ordinatioii nicht ersetzen.5 Auf welche Weise der llErr4iieinzelner4 Fall Seinen Ruf ergehen läßt, kann angesichts 'der Mannigfaltigkeit Seiner Wege keinesfalls festgelegt werden. Auch auf die viel erörterte Frage, wie man seiner göttlichen Berufung gewiß wird, gibt es keine allgemein gültige Antwort. Es kommt nur darauf an, daß sie wirklich vorliegt, und das ist auf keinen Fall automatisch mit der kirchlichen Amtseinsetzung gegeben. Gott der HErr läßt sich nämlich von Menschen nicht vorschreiben, Wen Er in Seinen Weinberg beruft. Auch läßt Er sich weder durch Ordination noch durch Installation zwingen, Amtsträger als, Seine Diener dort zu bestätigen, wo Er sie nicht gesandt hat. Vielmehr bleibt Er so u v er ä n und beruft sich Seine Zeugen nach Seinem eigenen Ermessen, wo und wann Er will.6

Freilich, wo Gott berufen hat, gehört dann auch die durch die Gemeinde geschehende Bestätigung und Sendung dazu, die schon vielen in der Anfechtung ein großer Trost und Halt gewesen ist. Es ist aber klar, daß deren Voraussetzung nach dem Neuen Testa-ment7 nur die durch den Heiligen Geist erfolgte Berufung ist 8 (vgl. Apg 13,1-3; 20,28b!). Deren Echtheit zu prüfen ist allerdings der Gemeinde befohlen (vgl. Offb 2,2b!). So wird eine gewissenhafte Kirchenleitung darin eine ernste und verantwortungsvolle Aufgabe zu erblicken haben, die am besten schon während des Studiums der Bewerber zu beginnen hat und auf jeden Fall vor der Ordination zu lösen ist.

2. Die göttliche Bevollmächtigung

Nun sendet der HErr keinen Arbeiter in Seinen Weinberg, ohne ihm die nötige Dienstausrüstung mitzugeben. Worin besteht diese?

Bei der Beantwortung dieser Frage müssen wir ausgehen von jener Dienstausrüstung, die unser HErr Jesus für Sein messianisches Wirken auf Erden vom Vater mitbekommen hatt&: der Vollmacht des Heiligen Geistes, die Ihm auf Schritt und Tritt anzumerken war. Im einzelnen zeigte sich diese Vollmacht bei Ihm besonders in folgender Hinsicht:

a) Auf dem Gebiet der Verkündigung

Nach Abschluß der Bergrede lesen wir: „Tief betroffen waren die Volksscharen über Seine Lehre; denn Er lehrte sie als einer, der 1. Die Grundlage ihres Dienstes 14

Vollmacht hatte, und nicht wie ihre Schriftgelehrten" (Mt 7,28f.). So konnte Jesus von sich feststellen: „Die Worte, die Ich zu euch gesagt habe, sind Geist und sind Leben" (Job 6,63c), das bedeutet: sie stammen vom Heiligen Geist und bringen denen, die darauf hören, das ewige Leben!

b) Auf dem Gebiet der Sündenvergebung

Vor Feinden und Freunden hat Jesus aus Nazareth bewiesen, daß Er auf der Erde die Vollmacht hat, Sünden zu vergeben, das bedeutet: den Schuldiggewordenen und Verlorenen den Freispruch des lebendigen Gottes zu vermitteln, so daß sie aus dem Machtbereich der Finsternis herausgerissen und unter die befreiende Herrschaft des Sohnes Gottes versetzt werden (Kol 1,13).

c) Auf dem Gebiet der Krankenheilung

Das hängt mit dem Umfang der Erlösung zusammen, die nicht nur die Seele, sondern auch den Leib betrifft. Der Gekreuzigte hat nämlich nicht nur unsere Sünden hinaufgetragen an das Holz (1 Petr 2,24), sondern ebenso auch unsere Krankheiten auf sich genommen und an unserer Statt weggetragen (lies Mt 8, 16f. = Jes 53,4!). Denn nicht nur durch die Sünde legt der Feind uns in Ketten, sondern auch durch Krankheiten: sie • sind eine «Fessel", mit der Satan uns bindet und von der Jesus uns löst (Lk 13,16). Dazu hat Er den Starken gebunden und entwaffnet (Mt 12,29; Kol 2,15). Nun führt Er dessen Gefangene siegend heraus. Und eben deshalb finden wir in der Wirksamkeit des Messias immer beides nebeneinander: „Er proklamierte' die frohe Botschaft von der Königsherrschaft und heilte - nicht nur „allerlei Seuche" (Luther), sondern - jede Krankheit und jedes Gebrechen" (Mt 9,35).

d) Gegenüber den Dämonen

Sooft der HErr Jesus mit Besessenen zusammentraf, erwies ;ich Seine diesbezügliche Vollmacht. Deshalb erschraken auch die bösen Geister jedesmal so sehr, wenn sie Seiner ansichtig wurden, denn sie wußten genau, daß sie jetzt ihre Positionen räumen mußten. Was für eine zentrale Bedeutung die Ausübung der Vollmacht über die Finsternisiiiächte hatte, zeigt das Wort des EiErrn:„Wenn aber ich durch den Geist Gottes die Dämonen hinauswerfe, dann hat euch die Herrschaft Gottes jäh überrascht" Mt 12,28).

e) Für das Beten

Was für eine Vollmacht des Gebets der Sohn Gottes besaß, kann uns beispielhaft deutlich gemacht werden, wenn wir Ihn am 15 Die göttliche Bevollmächtigung

Grabe Seines Freundes Lazarus sehen. Während dessen Leiche noch (stinkend) im Grabe lag, konnte Jesus foJbi&ttmaßen$eten: „Vater, Ich danke Dir, daß Du Mich erhört hast!" (Job rl,41) Und wenige Minuten später kehrte der Verstorbene auf das'Wort des HErrn hin ins Leben zurück.

J) Für ein Leben der Aufopferung

Wenn es heißt, der Messias habe sich selbst durch den Geist als fehlerloses Opfer Gott dargebracht (Hebt 9,14), ist nicht nur an Seinen Tod, sondern an Sein ganzes Leben zu denken, das ja eine ständige Aufopferung gewesen ist. Daß dies aber auf Vollmacht beruhte, das sagt Er selbst mit, den Worten: „Niemand hat Mir Mein Leben entrissen, sondern Ich setze es von Mir aus ein. Vollmacht habe Ich, es einzusetzen, und Vollmacht habe Ich, es wieder zu empfangen" (Job 10,18).

g) Für ein Leben selbstloser Liebe

Daß das Leben unseres Meisters geprägt war von der Vollmacht der göttlichen Liebe, das hat Ihn am meisten unterschieden von allen anderen Menschen.

Und eben diese Seine eigene Vollmacht in der skizzierten siebenfachen Hinsicht hat der Auferstandene auf Seine Jünger und Seirdboten übertragen (vgl. Job 20,21-23; Mt 10,1!)." So sind diese nun nicht darauf angewiesen, in eigener Kraft zu wirken, sondern sie reden und handeln - sofern sie wirklich „Bevollmächtigte des Auferstandenen" sind - in der Kraft ihres Herrn und in der Vollmacht der göttlichen Liebe."

Schon hier erhebt sich für jeden einzelnen die existentielle Frage, ob er diese Vollmacht hat oder nicht. Grundlegend ist in diesem Zusammenhang das Wort des Auferstandenen:,, Und siehe, Ich sende das Verheißungsgut des Vaters auf euch; ihr aber, ihr sollt euch (erst einmal) in der Stadt hinsetzen, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe" (Lk 24,49). Was war vorausgegegangen? Mehr als zwei Jahre lang hatte der HErr Seine Jünger unterwiesen und auf ihren späteren Zeugendienst vorbereitet. Damit aber hatten sie die beste theologische Ausbildung empfangen, die es jemals gegeben hat. Trotzdem muß ihnen eröffnet werden, daß diese Vorbereitung noch nicht genügt, sie vielmehr noch eine Ausrüstung brauchen, die so unentbehrlich ist, daß sie keinen Schritt im Dienst wagen können, bevor sie diese empfangen haben: die Kraft aus der Höhe.`

Das aber heißt für uns: Wenn unser HErr nicht einmal den Männern, die Er selbst auserwählt und auf dieses Werk vorbereitet hatte, erlauben konnte, ihren Dienst zu beginnen, bis sie die dazu nötige Vollmacht von oben empfangen hatten, - wie können wir als gewöhnliche Sterbliche in diese Arbeit eintreten, ehe wir mit dem Heiligen Geist gesalbt (erfüllt, versiegelt), d. h. von Gott so bevollmächtigt sind, daß wir es wissen?

Diese Vollmacht des Heiligen Geistes ist es, mit der jeglicher Dienst am Wort steht und fällt.13

Anmerkungen zu 1.
Vgl. dazu, was Hans Asmussen im Anschluß an Gut 1.15f schreibt: „Frage dich an Hand der Schrift, ob es dir mit Gott so ging, daß er dich besonders stellte. Du bist zwar sicher kein Apostel. Aber ein entsprechendes geschieht jedem Christen. Frage dich, ob du von einer Berufung weißt, die nicht im Normalverlauf deines Lebens liegt. Frage dich, ob der Sohn Gottes auch in dir enthüllt sei.-. Bist du Prediger des Evangeliums, dann frage dich, ob im Verfolge derartiger Ereignisse deine Predigt geschehe. Geschieht sie nur und wesentlich im Verfolge deiner natürlichen Lebensgeschichte, dann kannst du gar nicht Evangelium predigen, du seiest lutherisch oder reformiert, Pietist oder Rationalist, Liberaler oder Dialektiker. Darm bist du in jedem Fall ein Lehrer des Gesetzes, aber nicht mehr..." (Theologisch-kirchliche Erwägungen zum Galaterbrief, Zweite Auflage, München 1935. S.56f.)
2 Vgl. Werner de Boo r in der Wuppertaler Studienbibel (W. Stb.) z. St.: „Paulus grenzt sich gegen eine Art der Verkündigung ab, die er als eine wachsende Gefahr durch die ganze Kirche gehen sieht. Es handelt sich nicht nur um einzelne Fälle, sondern es sind ‚die vielen', die die Verkündigung gründlich entstellen. Wodurch tun sie es? Indem sie ‚mit dem Wort Gottes Handel treiben'.Das hier verwendete Wort meint speziell den unredlichen Handel damaliger Schankwirte, die den Gästen minderwertige Speisen vorsetzten und den Wein panschten, um zu Geld zu kommen. Es liegt also auch der Vorwurf der Entstellung und ‚Verwässerung' der Botschaft in dem Wort. In 4,2 wird Paulus darum direkt von dem ‚Verfälschen des Wortes' sprechen. Wie kann es bei den vielen zu einem solchen Verhalten kommen? Paulus hat in Phil 3,17-19 in schärfster Weise die inneren Beweggründe solcher Männer enthüllt... Was aber ist von Männern zu halten, die mit dem Wort Gottes Handel treiben und ihre Hörer um das ewige Leben betrügen! Kein Wunder, daß Paulus sie in 11,13-15 als Diener Satans bezeichnet." (2. Korintherbrief, Wuppertal 1972, S. 64.0
„Ein Diener Christi, ein Träger des Reiches Gottes kann man nicht werden, weil man in sich einen Trieb dazu fühlt oder sich dazu entschlossen hat, ebensowenig wie man heute Professor an einer Universität werden kann, weil man sich dazu gedrungen fühlt; es gehört ein Ruf dazu. Unter Berufung wird überall im NT. verstanden nicht etwas, was man sich vorstellt, sondern etwas, was man v er - nimmt; nicht etwas, was man aus sich heraussetzt, sondern was an einen herantritt; nicht etwas Abstraktes, sondern etwas Konkretes, nicht ein Gedankending, sondern ein Ereignis." (Ralf Luther, Neutestamentllches Wörterbuch. Berlin 1932; 18., neubearbeitete und gekürzte Auflage, Hamburg 1976; zitiert nach der 11. Aufl. 1937, Stichwort „Beruf, Berufung". - Sperrungen meist von mir. Der Verf.)
Vgl. auch, was Edmund Schlink zu Job. 20,21 schreibt: „Das Wort des Auferstandenen »Gleichwie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch« macht sündige Menschen zu „Botschaftern an Christi Statt« ... Sündige Menschen werden zu ... Boten Gottes ... Das kann kein Mensch fassen ... Dazu kann niemand sich selbst erklären, ohne in umso größere Gotteslästerungen zu verfallen. Dazu kann nur Gott selbst den Menschen machen ...(Der Auferstandene spricht. Eine Auslegung ausgewählter Worte des auferstandenen Christus. Berlin 1939, S.
38.) So schrieb auch der spätere Bischof D. G. Jacob i in seinem „Tagebuch
eines Großstadtpfarrers" (Berlin 1929), S. 39: „Es sollte eigentlich so sein, daß nur der predigen darf, den Gott beruft. Daß man aber predigen darf, weil man - vor dem Staate ein Abiturientenexamen und vor dem Konsistorium zwei Examina abgelegt hat, die genau so verlaufen, wie jedes zahnärztliche und Brückenbauer-examen, das ist doch zu weit ab von dem, wie es sein soll, ist doch zu anders, als es der Sache nach sein darf." - Watchman Nee sieht eben hierin den kirchlichen Notstand der Gegenwart begründet, wenn er sagt: »Die Tragödie in der christlichen Arbeit heute liegt darin, daß so viele Mitarbeiter einfach losgegangen sind, ohne daß sie gesandt waren... Wenn kein Ruf von Gott da ist und das angefangene Werk somit nicht göttlichen Ursprungs ist, hat es auch keinen geistlichen Wert. Arbeit für Gott muß göttlich begonnen werden.« (Das normale Gemeindeleben, Hannover 1966, S. 32f.) - Und C. H. Spurgeon sagte im Kolleg zu seinen Hörern:,, »Werde nicht Pastor, wenn es dir möglich ist, etwas anderes zu werden« war der weise Rat, den ein Theologe einem Fragenden gab. Wenn einer von unseren Studenten hier in diesem Saal auch als Zeitungsschreiber oder Kaufmann oder Landwirt oder Doktor oder Jurist glücklich sein könnte, so soll er doch um Himmels willen seiner Wege gehen ...(Ratschläge für Prediger. 21 Vorlesungen. Wuppertal 1962, S. 22).
„Früher, in der Zeit des Paulus, hieß es; Einen Dienst bekommt, wer eine Gnadengabe, ein Charisma des Heiligen Geistes empfangen hat, das der Geist gibt, welchem Er will. Jetzt heißt es: Der Geistempfang, der für ein bestimmtes Amt qualifiziert, ist gebunden an die Handauflegung. . . Es ist nur noch ein kleiner Schritt bis zu dem Satz Cypriaos: Wer das Amt hat, bekommt den dazu erforderlichen Geist. Das Amt aber bekommt man durch die Ordination mit Handauflegung. Über den Geist verfügt man dadurch, daß man die Hand auflegt...- Man verfügt jetzt - mindestens praktisch, wenn auch nicht theoretisch - über den Heiligen Geist; man stattet den, dem man das Amt überträgt, durch die Ordination mit dem Heiligen Geist aus" (Emil Brunner, Das Mißverständnis der Kirche, Zürich 195 1,, S. 92 f.) - Durch dieses Zitat soll die in der Vollmacht des Heiligen Geistes vollzogene Handauflegung gewiß nicht abgewertet werden, spielt sie doch im N.T. eine gewichtige Rolle: Die Warnung gilt nur einem kurzschlüssigen Automatismus auf diesem Gebiet. - Prälat Th. 5 ehren k weist mit Rechtdarauf hin, daß es einen Unterschiedbedeut, ob man nur von seiner Kirche aus „rite vocatus" im amtlichen Sinne oder von Gott aus „kletos"
1. Die Grundlage ihres Dienstes 18 19 Anmerkungen zu L
im neutestamtlichen Sinne sei. (Im Gedächtnisheft für Adolf Schlatter, Stuttgart 1938,S. 44.) - Vgl. auch Martin Luther zu Röm. 1,1 Berufener Apostel": Apostel sind „Knechte, d.h. Diener, solche, die ein Werk des HErrn über andere und an anderen auszurichten haben anstatt des HErrn selbst als Seine Stellvertreter. Er trifft mit diesem Wort... erstens die Lügenapostel, die damals überall haufenweise zu finden waren, die der Teufel wie Unkraut dazwischen säte (Mt 13,25) und von Mitternacht her wie den siedenden Topf des Jeremia hat herwehen lassen, Jer 1, 13. Andere sind wiederum die, welche mit ehrsüchtigen Hintergedanken eindringen. Sie mögen vielleicht keine Lügenapostel und Lügenknechte sein, weil sie lehren, was rechtschaffen und wahr ist, und weil sie in gut katholischem Sinne anderen vorstehen. Trotzdem werden sie, weil sie nicht zu diesem Amt berufen sind, durch dieses Wort »Berufene« für schuldig erklärt. Gewiß, sie sind nicht Diebe und Räuber (Job 10,1) wie die ersten, aber doch sind sie Mietlin ge, die ihren eigenen Vorteil im Auge haben und nicht die Sache Jesu Christi. Wenn es sich nun also bei den heiligen Ämtern um etwas so Erhabenes handelt, so muß man sich davor mehr als vor allen anderen Gefahren dieser und der zukünftigen Welt hüten, ja dies ausschließlich und allein als die allergrößte Gefahr ansehen: ein Amt anzutreten ohne göttliche Berufung." (Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516. Übertragen von Eduard Ellwein, München 1927. S. 811.).
6 Karl Barth bezeichnet die wirliche Verkündigung als „menschliche Rede von Gott auf Grund der alle menschliche Veranlassung grundsätzlich transzendierenden und also menschlich nicht zu begründenden, sondern nur faktisch sich ereignenden und anzuerkennenden Anweisu ngGottes selber." (Kirchliche Dogmatik, 1. Band, 1. Halbband. München 1932. S. 92.)— Vgl. auch Hans Dannenbaum, der die gleiche Tatsache mit folgenden Worten hinweist: „Das Ministerium des Wortes ist schlechterdings jeglichem Zugriff von Menschen entzogen und in allen Zeiten und unter allen Umständen nur von dem lebendigen Gott selber bestimmt und besetzt worden." (Sieghaftes Christentum. Berlin 1938. S. 184.)
Welche Gefahr die überlieferten menschlichen Gesichtspunkte in der Auswahl der zukünftigen Pastoren für die Kirche bedeuten, deutet auch Bischof D. Dr. Dibelius an, wenn er schreibt: „Strenge Auslese am Anfang—das ist es, was nottut, um die Kirche vor Amtsträgern zu bewahren, die für die Gemeinde eine Last sind und kein Segen." - Diese schwierige Aufgabe wird heute von verschiedenen Kirchenleitungen durchaus ernstgenommen, z.B. durch Beratungsgespräche mit Abiturienten, durch Prüfung der Studiumsmotivation bei der Aufnahme in die Liste der „Anwärter für das geistliche Amt", durch Begleitung der Studierenden seitens der Gemeindepastoren oder Superintendenten und auf Freizeiten für Theologiestudenten, sowie vor allem im Zusammenhang mit der Ordination durch eine einzureichende ausführliche persönliche Stellungnahme zu Schrift und Bekenntnis, ein mehrstündiges Ordinationsgespräch mit dem zuständigen Prälaten (bzw. Propst, Kreisdekan oder Landessuperintendenten) und dessen Gutachten für die Beschluß-fassung über die Ordination durch die Kirchenleitung.
Vgl. auch Heinrich Vogel, „Wer regiert die Kirche?" in: Theologische Existenz heute, Heft 15, S. 12: „Es ist von entscheidender Bedeutung, daß die Beziehung von Auftrag und Dienst, von Mandat und Amt klar und sicher gestellt wird gegen jedes den Glaubensgehorsam unter den Gnadenbefehl verfälschende Mißverständnis. Diesem Glaubensgehorsam unter die Alleinherrschaft Jesu Christi kann sich aber das Amt auf zweierlei Weise zu entwinden versuchen: einmal indem es vergißt, woher es seinen Auftrag und seine Vollmacht hat, welchem Herrn es steht und fällt, sodann aber auch, indem es meint, dieses Mandat als einen verfügbaren Besitz, gleichsam ein vererbtes Kapital überkommen zu haben."
° Das hier gebrauchte „käryssein" heißt eigentlich: herolden, als Herold ausrufen, eine Botschaft überbringen. Luther hat es mit „predigen" übersetzt. Dies Wort ist aber heute so abgegriffen, nichtssagend und mißverstäpdlich, daß es als Übersetzung von käryssein nicht mehr brauchbar ist und deshalb vermieden werden sollte. Mit Recht sagt Ralf Luther in seinem „Neutestamentlichen Wörterbuch" dazu: „Der Ausdruck: predigen, wie wir ihn gebrauchen, ist hier irreführend. Wir verstehen unter einer Predigt einen Lehrvortrag, eine Kunstrede. Das NT aber meint hier einen Heroldsruf, das Ausrufen einer Botschaft, die Bekanntgabe einer göttlichen Tat, die Nachricht von einem unmittelbar bevorstehenden Eingreifen des Allmächtigen... Ein Herold der kommenden Gottesherrschaft sein, kann nur, wer besonders dazu beauftragt (gesandt) ist (Röm 10,15)." (Unter dem Stichwort „predigen", zitiert nach der 11. Aufl.) - Vgl. dazu auch, was Werner de Boot  zu Röm 10,8 b schreibt: „Wo wir gewohnt sind, in unserer Lutherbibel »predigen« zu lesen, verwendet Paulus wie hier den Ausdruck »herolden«. Es ist wichtig, daß auch wir uns zu diesem Ausdruck zurückfinden. Allzusehr ist uns die ‚>Predigt« zu einer Entwicklung der - eigenen Gedanken und Ansichten des jeweiligen Predigers geworden, zu sehr eine »erbauliche« Sache. Der „Herold« ist der öffentliche Ausrufer bestimmter kaiserlicher Willenserklärungen. Seine persönliche Meinung ist dabei völlig unwichtig. Er tritt mit seiner Person ganz hinter dem zurück, was er in dem Auftrag und in der Vollmacht seines kaiserlichen Herrn zu sagen hat." (W. Stb., Römerbrief, Wuppertal 1962, S. 247.)
lt Vgl. auch Julius Schniewind z.St.: „Jesu Jünger setzen sein Werk fort. Vom Auftrag, der Jünger wird fast mit den gleichen Worten gesprochen, wie 9,35 von den Heilungen Jesu. Sie haben die Vollmacht wie Jesus selbst; dies höchste Wort kehrt hier wieder." (Das Evangelium nach Matthäus. Göttingen 1937. 5.123.)
11 „Das Wort Gottes ist in der Ekldesia vorhanden und wirksam als Wort des Heiligen Geistes, darum in einer Einheit von Logos und Dynamis, die jenseits alles Verstehens liegt. Diese Einheit ist das später nicht mehr vorhandene und nicht mehr verstandene Geheimnis der Urgemeinde. Es ist zugleich das Geheimnis ihrer Gemeinschaft und ihrer sittlichen Kraft; denn auf dem Heiligen Geist beruht die kolnonta, das miteinander Verbundensein, und zwar ihre organische, organismusähnliche Verbundenheit, die die Gleichheit und Verschiedenheit, oder die Gleichrangigkeit aller und gegenseitige Unterordnung in sich schließt. Das entscheidende Merkmal und zugleich das eigentliche Wesen dieser Verbundenheit ist die Agape, die das neue Ethos dieser Gemeinschaft und ihrer Glieder ist. Es ist verständlich, daß eine spätere Zeit, in der diese ursprüngliche Kraft und Einheit nicht mehr in derselben Fülle vorhanden war, das Fehlende zu ersetzen und das Entschwindende zu sichern suchte. Diese Sicherung und dieser Ersatz erfolgt in drei verschiedenen Richtungen: Das Wort Gottes wird gesichert - und zugleich ersetzt - durch Theologie und Dogma; die Gemeinschaft wird gesichert - und zugleich ersetzt durch die Institution; der Glaube, der in der Liebe wirksam sich erweist, wird gesichert - und zugleich ersetzt - durch das Glaubens- und Moralgeset?'. (Emil Brunner, Das Mißverständnis der Kirche, S.601.)

12 Sup. v. Sauberzweig berichtet aber eine Konferenz des Pastoren-Gebetsbundes im Jahre 1918: Damals habe der alte Pastor Krawielitzki einen Vortrag über das Thema „Ausbildung und Ausrüstung" gehalten, wobei er nicht milde geworden sei, zu betonen, „daß noch viel nötiger als die beste Ausbildung die Ausrüstung mit dem Heiligen Geiste sei... Krawielitzki hatte diesen Vortrag kurz vorher vor Schwestern des von ihm geleiteten Diakonissenmutterhauses gehalten, ein Zeichen, daß er die Ausrüstung als ein Erfordernis nicht nur für Pastoren, sondern für jeden Reichgottesarbeiter ansah. Darin hatte er ohne Zweifel recht. Ebenso sicher aber steht auch fest, daß niemand so elend daran ist wie ein Prediger des Evangeliums, wenn ihm diese Ausrüstung fehlt... - Liegt hier nicht vielleicht der Grund für die Unfruchtbarkeit vieler Prediger? Es sind Männer, die die besten Zeugnisse von ihrer Ausbildungsstätte haben... Es fällt ihnen nicht schwer, eine homiletisch einwandfreie Predigt auszuarbeiten... Und doch: es fehlt etwas, es fehlt das Beste. Es ist wie ein Licht, das nicht leuchtet, wie ein Ofen, der keine Wärme spendet... Es fehlt das Feuer von oben, das Feuer des Heiligen Geistes. Und wo das beim Prediger fehlt, da kann auch im Herzen des Hörers keine Flamme des Glaubens entstehen." (Hans v. Sauberzweig, Wünsche eines Pastoren für sich selbst und seine Brüder. Berlin 1952. S. 9f.)
3 Hierin also liegt das erste Kriterium zur Unterscheidung der echten Hirten von den Mietlingen. Echte Hirten oder „Priester sind solche Menschen, die von Gott berufen und darum auch mit heiligem Geist erfüllt sind, die unter Befehl stehen uad dumm mit Vollmacht handeln und zeugen'. Mietlinge „sind solche Leute, die aus eigenem Ermessen und nach eigener Wahl sich das Amt anmaßen..." (Dannenbaum, a.a.O., S. 101.)— „Ist es nicht symptomatisch,.. für viele alte und viele mittelalterliche und auch für viele junge Pfarrer, daß sie in den Pfarrberuf hineinrutschen wie in jeden weltlichen Beruf?' (Jacobi, a. a. 0., S. 17617;) - Über die heutigen ernsthaften Bemühungen, dies zu verhindern, vgl. Anm. 7.

II. Die inneren Voraussetzungen ihres Dienstes
1. Die Ausschaltung des Ich.
Durch den Gist der Wahrheit von der uneingeschränkten Verdorbenheit ihres Wesens überführt (Röm. 7,18), haben sie ihr Fleisch mit seinen Leidenschaften und Begierden gekreuzigt (Gal 5,24) und damit ihr Ich-Leben, d. h. ihre Selbstsucht in den Tod gegeben. Seitdem wollen sie ihr Ich nicht mehr lieben, sondern wahrhaft hassen (Offb 12,11 c; Lk 14,26b). In diesem Sinne kann Paulus von sich sagen: „Es lebt aber nun nicht mehr mein Ich, sondern es lebt in mir (nur noch) Christus. Was ich aber jetzt noch im Fleisch lebe, - im Glauben lebe ich's, (und zwar) in dem des Sohnes Gottes, der mich in Seine Liebe aufgenommen und sich selbst für mich dahingegeben hat" (Gal 2,20). Während Viele Hirten sich selber weiden! und bei ihrer Arbeit letztlich doch das Ihrige suchen (Hes 34,2; Phil 2,21), sind diejenigen, die Gott als Hirten nach Seinem Herzen bezeichnet (Jer 3,15), frei von sich selber geworden.' Voraussetzung hierfür ist aber, daß sie auf Grund des Mitbegraben-Seins (Röm 5,4-6) die Befreiung von den Fesseln der Sünde erfahren haben (Röm 6,18.22; 8,2) und dadurch in der Lage sind, ihren Leib mit seinen Gliedern als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer für den Dienst zur Verfügung zu stellen (Röm 6,13.19; 12,1; 2 Kor 5,15). So haben sie ihr Leben dem HErrn als Ganzopfer auf den Altar gelegt (Lk 9,24b; 14, 33) und wiederholen diese Hingabe tägl ich von neu em. Sie scheuen sich
daher auch nicht, in letzter radikaler Offenheit jede erkannte Sünde ans Licht zu bringen: Sie suchen deshalb und um der Fruchtbarkeit
ihres Dienstes willen auch jederzeit die brüderliche Gemeinschaft
zu Seelsorge, Austausch und gemeinsamem Gebet.2 Denn nur, wer sich selber seelsorglich dienen läßt, kann anderen ein wirklicher
Seelsorger werden.' Und nur wer auf dem Altar durch Gottes Feuer glühend im Geist (Röm 12,11b) geworden ist, kann andere ent-zünden.4
2. Das innere Muß.
Wieviele gibt es, die ihren Pastorenberuf freudlos und nur mechanisch ausüben!5 Ihre Amtsverpflichtungen sind ihnen eine Last, die sie nur deswegen tragen, weil es verlangt wird.6 So stehen

Kennzeichen echter Diener am Wort nach dem Neuen Testament in 5facher Beziehung 

1. GRUNDLAGE IHRES DIENSTES 
2. INNERE VORAUSSETZUNGEN IHRES DIENSTES 

- Ausschaltung des Ich 
- das innere Muss 
- keine Menschengefälligkeit 
- alleinige Abhängigkeit vom Herrn 
- Mitbeteiligung der Gemeinde 
- bleibendes Bewusstsein der eigenen Unwürdigkeit 
3. INHALT IHRES DIENSTES 
- der Dienst im Heiligtum 
- der Dienst in der Öffentlichkeit 
- Zeugnis des Wortes, Wandels, Wunders 
4. ZWECK IHRES DIENSTES 
- schlafende Sünder aufwecken 
- aus dem Tod ins Leben führen 
- Wiedergeborene in der Heiligung bestärken 
5. AUSWIRKUNG IHRES DIENSTES 
- Kraftwirkung Gottes durch den Heiligen Geist 
- gegenwärtiger Christus redet durch Beauftragte 
- Gewissen der Zuhörer im Tiefsten treffen 
- es scheiden sich die Geister 
SEELSORGERLICHES SCHLUSSWORT