C Schriftsteller

Carothers Merlin, Ich suchte stets das Abenteuer

07/13/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Ein Gefangener 

Ich spürte, wie sich kaltes Metall um mein linkes Handgelenk legte, und hörte jemand mit barscher Stimme zu mir sagen: »FBI. Sie sind verhaftet.« Ich hatte es mir auf dem Rücksitz des Wagens bequem gemacht und meinen linken Arm dabei lässig aus dem Fenster hängen lassen. Der Wagen war gestohlen, ich selbst hatte mich unerlaubt von der Truppe entfernt. Daß ich keine Ausgangserlaubnis hatte, kümmerte mich wenig; aber daß sie mich nun doch geschnappt hatten, das verletzte meinen Stolz empfindlich. 

Ich hatte immer gemeint, ich könne mein eigenes »Ding drehen«, ohne dabei erwischt zu werden. Nun hatte ich das demütigende Dasein eines Gefangenen vor mir: die triste Gefängniszelle, das Schlangestehen um einen Blechnapf voll stinkigen kalten Futters, zurück in die eintönige Zelle, die harte Pritsche und nichts anderes tun, als ständig darüber nachzudenken, wie ich so dumm hatte sein können, mir diese Suppe einzubrocken. Seit meinem zwölften Lebensjahr hatte ich ein recht freies Leben geführt. Damals war nämlich ganz plötzlich mein Vater gestorben und hatte meine Mutter mit uns drei Jungen alleine zurückgelassen. Meine Brüder waren damals sieben und ein Jahr alt. 

Da die Fürsorgeunterstützung für den Lebensunterhalt nicht ausreichte, verdiente meine Mutter mit Wäschewaschen noch etwas hinzu. Sie redete immer davon, daß Papa in den Himmel gegangen sei und daß Gott für uns sorgen würde; aber ich konnte das nicht einsehen und lehnte mich mit der ganzen Kraft eines Zwölfjährigen gegen einen Gott auf, der so etwas zulassen konnte. Jeden Abend nach der Schule trug ich Zeitungen aus, bis es längst schon dunkel war; ich war fest entschlossen, das Leben zu meistern. 

Ich wollte herausholen, was herauszuholen war, und manchmal hatte ich das Gefühl, daß ich es auch schaffen würde. Meiner Meinung nach hatte ich das Recht, alles mitzunehmen, was ich in den Griff bekommen konnte. Als Mutter sich wieder verheiratete, zog ich zu Papas alten Bekannten. Ich besuchte die Realschule, arbeitete aber ständig nebenbei. Ich rbeitete nach der Schule und während der Sommerferien - als Packer, Versandangestellter, Linotypesetzer und einen Sommer als Holzfäller in Pennsylvanien. 

Dann ging ich aufs College, doch das Geld ging mir aus, und ich mußte wieder arbeiten gehen. Diesmal bekam ich einen Job als Stahlschleifer bei B & W Steel. Keine sehr angenehme Arbeit, doch ich blieb dabei in ausgezeichneter körperlicher Verfassung. Wenn ich das Rennen gewinnen wollte, mußte ich vor allen Dingen körperlich fit bleiben; in diesem Punkt wollte ich auf keinen Fall versagen. Ich wollte eigentlich nie in die Armee eintreten. Mein Wunsch war, bei der Handelsmarine zur See zu fahren. Für mich war dies die beste Gelegenheit, um am zweiten Weltkrieg aktiv teilzunehmen. Um in die Handelsmarine zu kommen, mußte ich jedoch von der Wehrdienststelle, die mich für den Collegebesuch vom Wehrdienst zurückgestellt hatte, neu eingestuft werden. Noch bevor es mir gelang, in die Handelsmarine zu kommen, wurde ich von der Armee eingezogen.

Dort wurde mir gesagt, ich könne mich freiwillig zur Kriegsmarine melden. Das tat ich dann auch, doch der Zufall wollte es, daß es nicht soweit kam. Der Sehtest, dem ich unterzogen wurde, fiel nämlich schlecht aus - ich war beim Lesen versehentlich eine Zeile zu tief gerutscht! So landete ich entgegen all meinen Bemühungen schließlich doch bei der Grundausbildung in Fort McClellan (Alabama). Dort langweilte ich mich zu Tode. Die Ausbildung war fade, und da ich das Abenteuer suchte, meldete ich mich freiwillig zur Ausbildung als Fallschirmspringer nach Fort Benning (Georgia). Wegen meiner rebellischen Grundhaltung war es für mich immer problematisch, mit meinen Vorgesetzten auszukommen. Trotz all meiner Bemühungen, nicht aufzufallen, kritisierten sie ständig an mir herum. Während eines körperlichen Trainings im Sägmehlgraben spuckte ich einmal gedankenlos auf die Erde. Der Feldwebel sah es und platzte los wie ein Wolkenbruch: »Heben Sie das sofort mit dem Mund wieder auf und tragen Sie es außer Sichtweite!« schrie er mich an. »Du machst wohl Witze«, dachte ich, do.ein Blick und sein zornrotes Gesicht belehrten mich eines anderen. So ging ich denn - meinen Groll und meinen Unmut sorgsam verbergend -‚ hob das Ausgespuckte und gleichzeitig einen Mundvoll Sägmehl auf und trug es »außer Sichtweite«. 

Die Entschädigung dafür kam, als wir zum erstenmal aus dem fliegenden Flugzeug springen durften. Das war das Leben, wie ich es suchte! Aufregend und abenteuerlich, wie ich es mir wünschte! Durch den dröhnenden Lärm der Motoren hindurch ertönte der Befehl: »Fertigrnachen ...Aufstehen! . . . Anhaken! . . . An die Tür' ...ABSPRINGEN!« Man wird von einem mächtigen Windstoß erfaßt und kommt sich vor wie ein Blatt im Wind. Wenn sich die Fallschirmleine ganz gestrafft hat, gibt es einen gewaltigen Ruck, daß man meint, alle Knochen würden einem zerbrechen. Man hat das Gefühl, als wäre man gegen einen Zehn-Tonner-Lkw geprallt. Wenn man dann aber wieder klare Gedanken fassen kann, schwebt man in einer schönen, stillen Welt; über einem wölbt sich wie ein riesiges weißes Seidendach der Fallschirm. Ich gehörte nun zur Luftlandetruppe und verdiente mir die Ehre, die glänzenden Fallschirmjäger-Stiefel zu tragen. Doch zufrieden war ich immer noch nicht. Ich wollte mehr Abenteuer und meldete mich freiwillig zu einem Lehrgang als Sprengstoffexperte. Ich wollte mitten hinein ins Kriegsgeschehen. Mein Motto war: je heißer die Schlacht, desto besser. Nach Absolvierung dieses Kurses für Sprengstoffexperten kehrte ich nach Fort Benning zurück und wartete auf den Befehl zum Dienst in Obersee. Ich schob Wache vor dem Militärgefängnis, machte Küchiidienst und wartete ab. 

Geduld war nicht gerade meine starke Seite. Ich befürchtete - falls es eine Truppenverschiebung geben würde—, daß mir am Ende der ganze Spaß noch entgehen könnte und ich vielleicht bis Kriegsschluß mit Pfannen-und Töpfescheuern beschäftigt sein würde. Ich war absolut nicht bereit, untätig herumzusitzen, und entschloß mich deshalb eines Tages, zusammen mit einem Freund das Weite zu suchen. Zu Fuß verließen wir das Militärgelände, stahlen unterwegs ein Auto und machten uns aufs Geratewohl auf den Weg. Für den Fall, daß uns doch jemand suchen sollte, ließen wir bald das erste Auto stehen und stahlen ein anderes. Schließlich kamen wir nach Pittsburgh (Pennsylvania). 

Dort ging uns das Geld aus, also entschlossen wir uns zu einem Raubüberfall. Ich hatte die Pistole, mein Freund wartete im Auto. Wir hatten uns ein Ladengeschäft ausgesucht, das für diesen Zweck geeignet schien. Unser Plan war, daß ich zunächst das Telefonkabel zerreißen sollte, damit die Polizei nicht verständigt werden konnte, aber so sehr ich auch daran riß, das Kabel wollte nicht nachgeben. Ich sah meinen Plan durchkreuzt. Zwar hatte ich die Pistole in der Tasche, und die Ladenkasse war sicher voll Geld, aber die Telefonleitung war eben noch intakt. Auf keinen Fall wollte ich eine Katastrophe heraufbeschwören. Ich ging also wieder zum Auto zurück und sagte meinem Kumpel, wie die Dinge standen. Wir saßen noch unschlüssig da, aßen grüne Äpfel und unterhielten uns auf dem Rücksitz des Wagens, als der lange Arm des Gesetzes zugriff. 

Wir wußten nicht, daß bereits in sechs verschiedenen Staaten Großfahndung ausgelöst worden und der FBI uns dicht auf den Fersen war. Meine Suche nach Abenteuern hatte ein ziemlich schmähliches Ende gefunden. Bald war ich wieder in Fort Benning - diesmal hinter Gittern. Noch vor wenigen Wochen hatte ich vor dem Militärgefängnis Wache geschoben. Ich wurde zu sechs Monaten Arrest verurteilt. Im Gefängnis startete ich sogleich eine Kampagne, um endlich den ersehnten Stellungsbefehl durchzusetzen. Meine Kumpels im Arrest lachten mich aus und sagten: »Du wärst doch bestimmt nicht abgehauen, wenn du nach Übersee gewollt hättest.« Aber ich beteuerte ihnen, daß mir nur das Warten zu—lang geworden wäre und daß ich deshalb abgehauen sei. Schließlich setzte ich meinen Antrag doch durch. Ich wurde für den Einsatz in Übersee eingeteilt und kam »unter Aufsicht« nach Camp Kilmer (New Jersey), wo ich im Militärgefängnis auf das Schiff wartete, das uns nach Europa bringen sollte.

Endlich war ich unterwegs - aber in einet anderen Richtung. Noch am Abend vor der Ausfahrt wurde ich ins Büro des Kommandeurs beordert. Dort wurde mir eröffnet, daß ich nicht mit der übrigen Truppe verschifft würde. »Der FBI hat verfügt, daß Sie hierbleiben und nach Pittsburgh zurückkehren.« Wieder spürte ich das kalte Eisen der Handschellen und wurde unter bewaffneter Aufsicht nach Pittsburgh zurückgebracht. Ein streng dreinschauender Richter verlas die Anklage und fragte dann: »Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?« Auch meine Mutter war anwesend. Als ich ihr verweintes Gesicht sah, wurde ich weich. Nicht, daß mir mein Handeln leid getan hätte. Aber ich wollte unbedingt herauskommen und endlich mein Leben genießen. Je früher, desto besser. »Schuldig, Sir.« Ich war auf frischer Tat ertappt worden und nahm mir damals vor, es sollte das letzte Mal sein. Ich wollte nun die speziellen Tricks lernen und diese so meisterhaft anwenden, daß man mich nicht mehr in eine Falle locken würde. Der Bezirksanwalt klärte den Richter über meine Vergangenheit auf; dieser wiederum bat die Unersuchungsbeamten um ihre Empfehlung.

 »Wir plädieren für ein mildes Urteil.« »Angeklagter, was wünschen Sie?« fragte der Richter mich. »Ich möchte in den Wehrdienst zurück und so schnell wie möglich in den Krieg«, sagte ich kurz. »Das Urteil lautet auf fünf Jahre Haft in der Bundesstrafanstalt. « Seine Worte trafen mich wie ein Blitzschlag. Ich war neunzehn und würde vierundzwanzig sein, wenn ich herauskäme. Nun war mein ganzes Leben verpfuscht. »... das Urteil wird jedoch zur Bewährung ausgesetzt, Sie können in den Wehrdienst zurück.« Gerettet - Gott sei Dank! In knapp einer Stunde war ich entlassen. Doch zunächst las mir der Bezirksanwalt tüchtig die Leviten und sagte mir, wenn ich vor Ablauf von fünf Jahren die Armee verließe, müßte ich mich bei ihm wieder melden. Endlich frei! Ich fuhr auf schnellstem Wege nach Fort Dix (New Jersey) zurück, aber nur, um einen neuen Schlag versetzt zu bekommen.

In Fort Dix wurden meine Papiere überprüft, und ich wurde wieder ins Militärgefängnis gesteckt, um die sechsmonatige Haftstrafe zu verbüßen, die ich für unerlaubtes Entfernen von der Truppe bekommen hatte! Nun hatte ich nur noch einen Gedanken: entweder würde ich in den Krieg geschickt, oder aber ich würde draufgehen. Wiederum startete ich eine Kampagne, um nach Übersee verschifft zu werden. Ich belästigte den Kommandeur so lange, bis ich schließlich nach vier Monaten Haft entlassen wurde. Bald darauf bestieg ich die »Mauretania«, mit der ich den Atlantik überquerte. Zu sechst lagen wir übereinander in der Kabine. Ich hatte Glück, denn ich bekam die oberste Falle. Dadurch blieb ich wenigstens von den Duschen verschont, die sich ab und zu über die tiefer gelegenen Kojen ergossen, wenn einzelne sich erbrachen. Nicht, daß ich mir ernsthaft Sorgen gemacht hätte. 

Ich war froh, endlich unterwegs zu sein, und wollte keine Zeit mehr verschwenden. Ich wollte so viel wie möglich erleben und aus dem Krieg so viel wie möglich Gewinn schlagen. Während meiner Haft hatte ich etwas gelernt, das mir nun sehr zustatten kam. Ich hatte mich meisterhaft im Gewinnspiel geübt, und nun vertrieben wir uns auf dem Schiff die Zeit damit. Es gelang mir, ein ansehnliches Sümmchen auf die Seite zu bekommen. Nur ein einziges Mal wurden wir bei einem Zwischenfall an den eigentlichen Grund unserer Seereise erinnert, als ein deutsches U-Boot versuchte, uns zu treffen, aber das Ziel verfehlte. In England wurden wir in Eisenbahnwagen verladen, die uns zum Ärmelkanal beförderten. Dort bestiegen wir kleine Boote, in denen wir dann bei hohem Seegang den Kanal überquerten. Während unserer ganzen Überfahrt goß es in Strömen. 

Auf der französischen Seite angelangt, mußten wir in hüfthohes Wasser springen und an Land waten. Am Strand standen wir dann in tropfnasser Kleidung Schlange und faßten unsere eisernen Rationen. Mit der Bahn ging es weiter in östlicher Richtung. Ohne Halt durchquerten wir Frankreich und wurden dann auf LKWs umgeladen, die uns nach Belgien brachten. Dort trafen wir gerade rechtzeitig zur Schlacht der 82. Luftlandedivision ein.

Am ersten Tag meines Kampfeinsatzes entdeckte der Kommandierende Offizier in meinen Unterlagen, daß ich Sprengstoffexperte war. Sofort mußte ich an die Arbeit gehen und aus einem Haufen Plastik-Sprengstoff kleine Bomben fertien. Der Haufen war knapp einen Meter hoch. Ich zog einen.lzkIotz heran und machte mich an die Arbeit. Ein anderer Soldat half mir dabei. Ich erfuhr, daß er schon seit vielen Monaten bei dieser Einheit war. Während er mir von seinen Erlebnissen bei der 82. Luft-landedivision erzählte, sah ich in der Ferne feindliche Artilleriegeschosse explodieren. Die Explosionen kamen immer näher auf unsere Stellung zu. Ich schielte mit einem Auge zu meinem Kameraden hinüber, um zu sehen, wann er wohl das Signal zum In-Deckung-Gehen geben würde. 

Er hatte ja schon so viel Kampferfahrung, während ich noch Neuling war. Ich wollte mich auf keinen Fall feige zeigen. Die Explosionen kamen immer näher, meine Angst nahm zu. Würde eines dieser Geschosse bei uns einschlagen, dann wäre von dem Stapel Bomben nur noch ein riesiger Krater übrig. Aber der andere saß da und kümmerte sich überhaupt nicht um das Artilleriefeuer. Ich war verzweifelt und wäre um alles in der Welt gerne in Deckung gegangen, aber ein Feigling wollte ich auch nicht sein. Schließlich schlugen die Geschosse auf der anderen Seite ein. Sie hatten ihr Ziel verfehlt! 

Zwei Tage später erfuhr ich dann, weshalb sich der andere Soldat so gelassen gegeben hatte. Wir gingen beide durch einen Wald, der als schwer vermint galt. Ich behielt die Augen offen und achtete sorgsam auf irgendwelche Anzeichen von Sprengfallen; doch der andere ging seinen Weg, als ob es überhaupt keine Gefahr gebe. Schließlich fragte ich ihn: »Weshalb achtest du eigentlich nicht auf die Minen?« »Wenn es mich doch nur erwischen würde«, antwortete er. »Dieser Saukrieg stinkt mir langsam. Lieber heute als morgen ins Gras beißen.« Von da an blieb ich ihm so fern wie nur irgend möglich! Bei Kriegsende ging ich mit dem 508. Luftlanderegiment nach Frankfurt am Main, wo ich als Leibwächter für General Dwight D. Eisenhower eingesetzt wurde.


ISBN-13: 9783872280527
Format: 18 x 11 cm
Seiten: 93
Gewicht: 104 g
Verlag: Johannes Fix
Erschienen: 1974
Einband: Paperback

ALFRED CHRISTLIEB Ich aber bete

03/02/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

ALFRED CHRISTLIEB Ich aber bete 


Gebete für Bibelleser. - Die Heilige Schrift enthält drei Gebete für Bibelleser:
»Öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder an deinem Gesetz!« Psalm 119, 18
Der fromme Psalmsänger hatte das demütige Bewußtsein, daß seine natürlichen Augen dem göttlichen Wort gegenüber blind seien. Wieviel mehr müssen wir bekennen, daß unsere Vernunft, unsere Bildung dem Worte Gottes gegenüber versagt. Wenn ein gewandter Augenarzt wie Jung-Stilling (1740—1817) anderen Leuten durch eine geschickte Operation die Blindheit nimmt, so entsteht große Freude. Wenn Gott unsere innere Blindheit nimmt, so daß wir die Herrlichkeit der Schrift schauen, ist die Freude noch größer.
Welche Wunder sehen wir dann in seinem Gesetz! Es ist ein Spiegel für unser eigenes Angesicht, es ist ein Urteilsspruch über uns, ein Gnadenspruch für mich, ein Testament, das mir gemacht ist, ein Brot, das ich essen darf, eine Rüstung, die ich anziehen kann und die besser paßt als die Saulsrüstung dem David. Kommt doch unter sein Wort mit der Bitte: »Herr, daß ich sehen möge!« (Luk. 18, 41).

Bücher aus dem Francke Verlag

»Herr, gib mir dieses Wasser!« Johannes 4, 15
Die samaritische Frau war sehr oberflächlich und wollte nur ein wunderbares Wasser, das ihr viel Mühe ersparen sollte. Und doch dürfen wir ihre Bitte zur unsrigen machen. Denn Jesus hat von dem rechten Lebenswasser geredet, das er gibt und das den Durst für immer wegnehmen soll. Spürt ihr noch nicht, daß weder Mammon noch Erdenlust die Seele satt machen kann? Glaubt ihr
noch, durch Erfüllung von äußeren Wünschen im Innern befriedigt zu werden? Nur ein Wasser stillt uns, nur eine Speise, die Jesus gibt in seinem Wort. Ihr sagt zuweilen, wenn ihr ein vergängliches Getränk nehmt, es gäbe euch »eine andere Natur«. Das ist wahr. Aber wir brauchen etwas, was unsere innerste Natur göttlich umwandelt. Die Hagar trank gern und gab dem Knaben Ismael (1. Mose 21, 19), als Gott ihr den Brunnen in der Wüste zeigte. Simson trank sich satt, als Gott ihm den Brunnen des Anrufers gab
(Richter 15, 19). Israel trank aus dem Felsen und gewann Kräfte (4. Mose 20, 11). Und du sollst das Wasser haben, das Jesus der Samariterin anbot. Deshalb bitte von Herzen, wenn du hören willst: »Herr, gib mir dieses Wasser.«


»Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen!« Psalm 119, 36
Bei jedem von uns kommt es auf das eine an, ob die innerste Richtung des Herzens gut ist. Bei Lazarus war sie gut; denn er begehrte nur Brosamen (Luk. 16, 21). Bei Korah (4. Mose 16), beim reichen Kornbauern war die Herzensrichtung falsch; denn sie ging auf Ehre und Genuß (Luk. 12, 16 ff.). Wir können die innerste Richtung unseres Herzens nicht ändern; aber arm und ohnmächtig können wir zu dem starken Gott mit der Bitte nahen: »Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen!« Wenn David Angst hat, sein Herz möchte
zum Geiz neigen, dann laßt uns darin noch viel mißtrauischer gegen uns selbst sein. Die Neigung zum Geiz erstickt das teure Gotteswort. Sie lebt in uns allen; deshalb ist die Wiederholung dieser Bitte vor jedem Lesen in der Schrift und vor jedem Anhören einer Predigt nicht überflüssig: »Herr, neige mein Herz zu deinen Zeugnissen und nicht zum Geiz.« Wenn wir mit solchen Bitten zum Hören kommen, so kann Gott uns helfen, daß wir nicht vergeblich hören.


Hinweise aus Jakobs Gebetsleben
»Weiter sprach Jakob: Gott meines Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak, Herr, der du zu mir gesagt hast: Zieh wieder in dein Land und zu deiner Freundschaft, ich will dir wohltun; ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knecht getan hast; denn ich hatte nicht mehr als diesen Stab, da ich über diesen Jordan ging, und nun bin ich zwei Heere geworden. Errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus; denn ich fürchte mich vor ihm, daß er nicht komme und schlage mich, die Mütter samt den Kindern. Du hast gesagt: Ich will dir wohltun und deinen Samen machen wie den Sand am Meer, den man nicht
zählen kann vor der Menge« (1. Mose 32, 10—13).


Aus diesem Gebet Jakobs können wir drei Hinweise für unser eigenes Gebetsleben entnehmen.
1. Das Gebet stützt sich auf die Verheißungen Gottes Jakob beginnt damit, daß er Gott an sein Wort erinnert: »Du hast zu mir
gesagt: Zieh wieder in dein Land, ich will dir wohltun.« Er schließt sein Gebet, indem er sich abermals an die Verheißung Gottes klammert, die ihm in jenem Traum von der Himmelsleiter gegeben worden war: »Du hast gesagt: Ich will dir wohltun und deinen Samen machen wie den Sand am Meer. So sollen auch wir uns auf die Verheißung Gottes stützen lernen. Es gibt so
viele Verheißungen, die wir ergreifen dürfen, wenn wir zum Gnadenthron kommen. Das wird dem Gebet Kraft verleihen. David sei uns darin auch ein Vorbild, wenn er betet: »Mein Herz hält dir vor dein Wort: >Ihr sollt mein Antlitz suchen.< Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz« (Ps. 27, 8).


2. Der Beter vergißt den Dank und die Beugung nicht
Jakob wollte um Hilfe gegen seinen Bruder Esau beten. Aber ein richtiges Gefühl sagte ihm: »Zuerst muß ich mich in tiefem Dank für vergangene Wohltaten vor Gott beugen.« Deshalb sagt er vor seinem Bittgebet: »Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast.« Wie manche Gebete sind kraftlos, weil dieses Stück vergessen wird! Man klagt wohl seine Not vor Gott; aber man vergißt es, sich erst demütig zu beugen und dankbar Gottes bisherige Treue zu preisen.
Laßt uns bei der Aufforderung des Paulus, alle unsere Dinge im Gebet vor Gott kund werden zu lassen, nicht vergessen, daß hinzugefügt wird: »mit Danksagung« (Phil. 4, 6)!


3. Ein ganz bestimmtes Anliegen wird vor Gott ausgebreitet
»Errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus«, betet Jakob. Das war eine bestimmte Bitte. Wie köstlich ist es, daß wir nicht nur die allgemeinen Gebete, die sich in diesem oder jenem Gebetbuch vorfinden, sondern unsere ganz speziellen Angelegenheiten, unser Verhältnis zu diesem oder jenem Nachbarn, unser körperliches Gebrechen, unsere innere Versuchlichkeit zur Lieblingssünde, unsern Mangel an Weisheit bei schwierigen Begegnungen vor Gott ausbreiten dürfen! Laßt uns diese drei Hinweise mit hineinnehmen in unser Kämmerlein und treulich beachten. Jakob wurde auf jenes Gebet hin über Bitten erhört; denn
er wurde nicht nur vor Esaus Rache bewahrt, sondern von seinem Bruder sogar unter Tränen und mit Liebe empfangen. Gott kann auch unser Flehen erhören.
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Wie wird man ein Überwinder? »Jakob kämpfte mit dem Engel und siegte, denn er weinte und bat ihn«
(Hos. 12, 5).
»Das Gelenk der Hüfte Jakobs ward über dem Ringen mit ihm verrenkt«
(1. Mose 32, 26).
Den Namen »Gottesstreiter« und »Überwinder« möchten viele bekommen. Laßt uns an Jakobs Gebetskampf den Weg zur Erlangung dieses Zieles lernen! 


Drei Hinweise gibt er uns.
1. Jakob weinte
Was bedeuten diese Tränen Jakobs? Etwa rührende Gefühle? Wenn es darauf ankäme, würden viele Tausende auf dem Wege zur Überwinderkrone sein. Scharen von Menschen sind oft tief gerührt, werden aber doch niemals »Überwinder«.
Jakobs Tränen bedeuten mehr. Sie bedeuten Schmerz. Was schmerzt ihn? Das, was jeden sündigen Menschen mit Weh erfüllt, wenn er Gott begegnet, nämlich: die sündliche Vergangenheit. Jakob hatte Grund zu weinen. In seinem Leben finden sich dunkle Flecken. Unlauter und listig ist er manchmal vorgegangen. Jetzt steht Gott vor ihm als sein Gegner, der mit ihm rechten will. Was soll Jakob machen? Soll er Gott überwinden, indem er sich selbst rechtfertigt und entschuldigt? Soll er Gottes Feindschaft abwenden, indem er
sagt: »Meine Mutter Rebekka ist schuld gewesen, sie hat mich zur List angehalten«? Weist Jakob auf seine ehrliche, mühevolle Arbeit bei Laban hin (1. Mose 31, 6)? Beruft er sich darauf, daß er - dem göttlichen Befehl gehorsam — von Laban weggezogen sei (1. Mose 31, 13)?


Nein, tausendmal nein. Durch Selbstentschuldigung überwindet man Gott nicht. Jakob »weint«. Das überwindet Gott.
Wenn Gott bei einem Menschen Schmerz und Reue sieht, so läßt sich der heilige Gott von einem schwachen Geschöpf überwinden.
Das ist der Weg zur Überwinderkrone. Die große Sünderin ging ihn, als sie bei Jesus Tränen vergoß (Luk. 7, 37 u. 38). Petrus wandelte auf diesem Pfad, als er hinausging und bitterlich weinte (Matth. 26, 75). Daß wir doch lernten, über unsere Vergangenheit den Stab zu brechen! Daß wir gar nichts mehr anzubringen hätten vor dem wider uns stehenden Gott als Bußtränen! Dann
würden wir bald, wie Jakob, einen Segen erlangen.


2. Jakob bat Gott
Während die Tränen auf die reuige Abkehr von der sündlichen Vergangenheit hindeuten, weist der Ausdruck »bitten« auf die ausgestreckte Bettlerhand hin, die den neuen Segen aufnehmen möchte. Jakob selbst hat nichts Gutes zu bringen. Er spürt aber, daß Gott ihm etwas Gutes zu geben hat. Er weiß, daß es einen Segen gibt, den er unbedingt haben muß, und um diesen Segen fleht
er. Das ist der Weg zur Überwinderkrone. Wie der verlorene Sohn nicht nur seine in den Himmel reichenden Sünden bekannte, sondern Aufnahme suchte im Vaterhaus (Luk. 15, 20 u. 21), so wollen auch wir es wagen, aufgrund des teuren Gotteswortes um Jesu willen Segen und Erbarmung zu erflehen. Wie gerne reicht Gott sie dem ärmsten Sünder dar! Wie mancher ist Überwinder
geworden auf diesem heiligen Weg: weinen und bitten, Schmerz tragen über die Vergangenheit und dennoch nicht verzagen, sondern Gottes Erbarmen erflehen!


3. Jakob ließ sich die eigene Kraft lähmen
Dieses Dritte gefällt nicht jedem. Es ist aber auch nötig, wenn man den Titel eines wahren Gottesstreiters erhalten will. Jakobs eigene Kraft wurde zerbrochen. Seine Hüfte wurde ihm verrenkt über dem Kampf mit Gott. Wie verschieden sind doch die Helden im irdischen Leben von den Helden vor Gott! Zu äußerem Heldentum gehört möglichst große eigene Kraft. Zu göttlichem Heldentum ist diese gerade hinderlich. Gott zerschlägt uns alles Selbstvertrauen. Die Hüfte, die »gelähmt« werden muß, ist bei dem einen
diese, bei dem andern jene verkehrte Eigenschaft. Gottes Kraft ist eben nur in den Schwachen mächtig. Als Mose in seinen eigenen Augen unbrauchbar geworden war, konnte Gott ihn brauchen (2. Mose 3, 10—12). Unsere eigene Kraft ist ein Hindernis zur Erlangung des Überwindernamens. Durch Weinen, Bitten und Schwachwerden hat Jakob den Namen eines Gotteshelden bekommen. Wohl uns, wenn wir uns auch diesen Jakobsweg führen lassen!

Die Gebetsstätte — allezeit der wichtigste Platz
»Und Jakob zog gen Sukkoth und baute sich ein Haus und machte seinem Vieh Hütten; daher heißt die Stätte Sukkoth. Danach zog Jakob mit Frieden zu der Stadt Sichems, die im Lande Kanaan liegt (nachdem er aus Mesopotamien gekommen war), und machte sein Lager vor der Stadt und kaufte ein Stück Ackers von den Kindern Hemors, des Vaters Sichems, um 100 Groschen; daselbst richtete er seine Hütte auf und er richtete daselbst einen Altar zu und rief an den Namen des starken Gottes Israels« (1. Mose 33, 17—20).
Dieses Schriftwort führt uns in die Zeit nach Jakobs Versöhnung mit Esau. In der Nähe von Sichem ließ er sich nieder. Hier fand er gute Weideplätze für seine Herden und Wohnstätten für seine Familie. Das war ihm aber nicht genug. Jakob sorgte auch für einen Ort, an dem er die Gemeinschaft mit seinem Gott in besonderer Weise pflegen konnte: »Er richtete einen Altar zu« (V. 20).
Bei der Einrichtung dieses Gebetsplatzes wollen wir etwas verweilen. Es war dies für Jakob — und sollte es für alle sein: - der wichtigste Platz. Was hätte das reichste und fruchtbarste Land dem in Gott gesund gewordenen Jakob geholfen, wenn er nicht seine Stille zum Umgang mit Gott hätte haben können?


Weil nun so viele Menschen sich von diesem wichtigsten Platz des Umganges mit Gott durch allerlei Umstände und Dinge abhalten lassen, so wollen wir einmal darauf achten, wie Jakob sich durch dreierlei Umstände nicht von treuer Gemeinschaft mit Gott abhalten ließ.


1. Auch nach überstandenen Gefahren Jakob rief an dem dazu erlesenen Platz den Namen Gottes an, obwohl die schlimmsten Gefahren, die ihn lange Zeit bedroht hatten, glücklich vorüber  waren. Lange Zeit lag der Zorn des Esau wie ein schwerer Druck auf dem Herzen des Jakob. Immer mußte er fürchten, daß Esau noch einmal Rache nehmen würde für den Raub des Erstgeburtssegens. Diese Not hatte Jakob oft ins Gebet getrieben. Wir hörten ihn am Jabbok flehen: »Errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esaus; denn ich fürchte mich vor ihm, daß er nicht komme und schlage mich, die Mütter samt den Kindern« (1. Mose 32, 12).
Diese furchtbare Gefahr war aber soeben beseitigt. Esau hatte sich mit Jakob ausgesöhnt, hatte ihn wieder umarmt und geküßt und war im Frieden von ihm weggezogen (1. Mose 33, 4. 16).
Wie mancher würde nun an Jakobs Stelle gedacht haben: »Jetzt ist das Beten nicht mehr nötig. Gott hat mein Gebet erhört und mich vor Esaus Wut bewahrt. Nun will ich mit dem weiteren Beten warten, bis neue besondere Nöte und Bedrängnisse an mich herantreten.« So haben es leider manche Soldaten gemacht, die vor dem Sturmangriff zu Gott flehten, aber nachher im alten Leichtsinn weiterlebten. Nicht so der wahre Gottesstreiter Jakob. Er hat auch nach dem Abzug des Esau einen Gebetsplatz nötig. Gott ist nicht nur sein Helfer in Notzeiten, sondern ist allezeit sein liebster Umgang in bösen wie in guten Tagen. Wahre Himmelspilger erkennt man daran, daß ihnen der Verkehr mit Gott in allen Zeiten das wichtigste Anliegen ist.


2. Auch im Wohlstand
Jakob ließ sich nicht durch seinen Wohlstand vom Gebet abhalten. Einst, bei der Flucht nach Haran, hatte er nichts als einen Stab. Damals versprach er, Gott als seinen Gott anzunehmen, wenn er ihn auf dem Wege behüten werde (1. Mose 28, 20 u. 21). Nun kommt Jakob als reicher Herdenbesitzer zurück. Wie mancher braucht kein Kämmerlein mehr, wenn er »ein gemachter Mann« ist! Dann sucht er im Irdischen seine Befriedigung. Jakob aber findet seine Befriedigung nicht in den großen Herden. Sein Herz braucht mehr als diesen Reichtum. Er sucht trotz der irdischen Besitztümer weiter nach solchen Schätzen, die weder Motten noch Rost fressen können (Matth. 6, 19 u. 20). Er macht sich einen Platz zurecht, an dem er täglich von
Gott unvergänglichen Reichtum empfangen kann.


3. Auch angesichts der Umwelt
Jakob ließ sich nicht durch die Nähe innerlich anders stehender Nachbarn vom Gebet abhalten. Er wohnte vor der Stadt Sichem. Die Einwohner waren Heiden. Durch die Errichtung des Altars und durch das Gebet zu dem starken Gott Israels trat Jakob in Widerspruch zu dem Glauben und dem Gottesdienst seiner Nachbarn. Der Gebetsplatz war ein Bekenntnis und Zeugnis gegenüber den benachbarten Heiden. Wahre Gottesstreiter schämen sich ihrer Gemeinschaft mit Gott nicht, selbst wenn die Welt sie gelegentlich darüber verspottet. Laßt uns lieber jeden
anderen Platz missen als den Gebetsplatz! Jakob, der Anrufer Gottes »Daselbst richtete Jakob seine Hütte auf. Und er richtete daselbst einen Altar zu und rief an den Namen des starken Gottes Israels« (1. Mose 33, 19. 20). 

Unser Text läßt uns einen Blick in Jakobs Gebetsleben tun. Wir wollen drei Stücke beachten.
1. Das Beten Jakobs war ein ernstliches Beten
Die Schrift spricht von einem »Anrufen«. Nicht jedes Gebet verdient diesen Namen. Es gibt ein »Plappern«, ein mattes Gewohnheitsgebet. Aber Jakob plapperte nicht, er »sprach« nicht »ein Gebet«, sondern »er rief an den Namen Gottes«. Wie ernst es ihm war, beweist auch der Umstand, daß die Herstellung des Gebetsplatzes das allererste war, was bei der Neuaufrichtung seiner Zelte erwähnt wird. Was ist uns wohl das Wichtigste beim Einzug in eine neue Wohnung? Etwa eine schöne Einrichtung, mit der wir uns vor den Besuchern zeigen können? Es gibt vielerlei bei einer Neueinrichtung zu bedenken. Wohl denen, bei welchen ein stiller Gebetswinkel nicht die letzte, sondern die erste Sorge ist!


2. Das Gebet war zuversichtlich
Er rief nicht den Namen eines unbekannten Gottes an, von dem es höchst fraglich war, ob er wirklich helfen könne, sondern er rief an »den Namen des starken Gottes Israels«. Er vertraute, daß der Gott, zu dem er betete, eine starke Hand habe, die mächtig sei, zu helfen. Er hatte ihn als solchen erfahren in seiner Bewahrung vor Labans und Esaus Zorn und vertraute, daß diese
starke Hand über seinem Leben bliebe. Die eigene Stärke war dem Jakob in Pniel zerbrochen, die Hüfte ihm gelähmt worden. Aber umso besser konnte er jetzt den starken Gott Israels anrufen und dessen Stärke im Vertrauen in Anspruch nehmen. Laßt auch unser Gebet ein Anrufen »des starken Gottes Israels« sein. Wohl allen, die auf diese Stärke — und nicht auf ihre eigene — vertrauen!


3. Das Gebet fand regelmäßig statt
Man richtet sich nicht einen besonderen Gebetsplatz ein, wenn man nur einmal beten will. Die Bibel meldet uns diese Tatsache als die heiligste und wichtigste Gewohnheit Jakobs. Wie wichtig ist das regelmäßige Gebet! Daniel hatte seine bestimmte, dreimalige Gebetszeit!(Daniel 6, 11). Die Apostel gingen »um die neunte Stunde, da man pflegt zu beten«, in den Tempel zur Stille (Apg. 3, 1). Wo sind unsere »neunten Stunden«? Ich fürchte, sie fehlen in mancher Zeiteinteilung. Wo ist in unserem Haus der heilige Platz, wo die Engel Gottes
auf- und niedersteigen?
Manches Haus wird schöner eingerichtet als früher, weil die äußeren Mittel zunehmen. Aber was hätte dem Jakob die herrlichste Ausstattung seiner Hütte genützt, was hätte ihm der Reichtum seiner Herden geholfen, wenn sein Haus keine Gebetshütte gewesen wäre?
Wo ist es schön zu wohnen? Wo strömt dem Besucher eine Himmelsluft entgegen? Da, wo treue Beter wohnen, deren Hütte eine Stätte des Umgangs mit Gott ist. Der Herr gebe in all unsern Häusern solch einen Jakobsaltar, eine Gebetsstätte, die durch ernstes, zuversichtliches und regelmäßiges Gebet geweiht ist!

Wie kommt man aus den Marastationen heraus?
»Mose schrie zu dem Herrn, und der Herr wies ihm einen Baum, den tat er ins Wasser, da wurde es süß« (2. Mose 15, 25).
Wohin man auch immer in unseren Tagen blickt, da sieht man Christen, die in Mara — zu deutsch: in der Bitterkeit — wohnen. Bitter sind bei dem einen die häuslichen Verhältnisse, bitter bei dem andern die Geschäftsverhältnisse. Bitter sind die weltpolitischen Zustände. Bitter ist die Vergangenheit, die hinter uns liegt, bitter sind die Aussichten für die Zukunft. Kurz, wir sind von lauter Marawasser umgeben. Da wird die Frage brennend: Welchen Ausgang finden wir aus diesen Marastationen? Wie kann die »Bitterkeit«, die uns quält, in »Süßigkeit« verwandelt werden? Unser Text gibt uns eine Antwort auf solche Fragen.


1. Der Helfer, der aus Mara herausführt
Als Israel, von Durst gequält, das bittere Marawasser nicht trinken konnte, murrte es wider Mose (V. 24). Ein Geist des Klagens, Schimpfens und Haderns, ein unzufriedener, verdrießlicher Geist breitete sich im Volk aus. Die Menschen, die noch vor wenigen Tagen am Roten Meer nach der
Rettung aus Pharaos Hand Danklieder gesungen hatten, brachen jetzt aus in Klagen und in Anklagen. Ihr Murren wandte sich gegen den von Gott gesegneten Führer Mose, dem sie doch so viel Dank für treue Führung schuldeten. Hilft dieses Murren und Hadern aus dem Jammer der Marastationen heraus? Nie und nimmer! Den Weg der Hilfe finden wir nicht im Verhalten des
Volkes, sondern im Handeln des Mose. Dieser zankte nicht mit dem murrenden Volk. Er nahm seine Zuflucht zu dem wahren Helfer, der allein aller Bitterkeit ein Ende machen kann: »Mose schrie zu dem Herrn.« Dieses einfache Geheimnis müssen wir uns immer wieder aufs neue vorhalten. Wer aus Mara heraus will, der wähle nicht den falschen Pfad des murrenden Volkes, sondern den richtigen Weg des ernstlich betenden Mose. Das Gebet ist eine Macht, die aus jeder Maranot heraushilft! Als Asaph nach langem Grübeln endlich ins Heiligtum Gottes ging, da hörte
die Bitterkeit auf (Ps. 73, 16 u. 17). Als Simson am Brunnen des Anrufers zu Gott schrie, gab es frisches Quellwasser (Richter 15, 18 u. 19). Als Jesaja und Hiskia zu Gott schrien, hörte die bittere Not des assyrischen Angriffs bald auf (2. Kön. 19). Als der Hohe Rat den Aposteln jede weitere Predigt von Jesus verbot, war diese Verfügung Marawasser für die Gemeinde Jesu (Apg. 4, 23— 31). Als sie aber alle zusammen über diese Bedrängnis beteten, bewegte sich die Stätte, und sie wurden voller Freudigkeit. Marawasser bleibt nicht bitter, wo ernstlich und anhaltend gerufen wird. Laßt uns diesen Weg an jeder Marastation gleich beschreiten! »Statt zu klagen, bete mehr!« So lautet der erste Rat aus dieser Geschichte. 

2. Das göttliche Mittel zur Hilfe
Moses' Rufen war nicht vergeblich. Ob es kürzer oder länger dauerte, ob die Hilfe von oben schnell kam oder auf sich warten ließ, das wird nicht berichtet. Nur die Tatsache der Erhörung erfahren wir. »Der Herr wies ihm einen Baum.« Ein Fingerzeig Gottes, ein Wort Gottes, ein Hinweis des Herrn genügte, um aus allem Elend herauszukommen. Auch uns ist hierdurch das göttliche Mittel gezeigt, das uns aus gar mannigfachem Maraelend heraushilft. Als Paulus wegen seines Pfahles im Fleisch zum Herrn rief, empfing er eine Weisung (2. Kor. 12, 7—10). Ein Hinweis Gottes wurde ihm zuteil, der ihm den Bewahrungssegen dieses drückenden Leidens enthüllte. Mit dem Augenblick, wo ihm dieser göttliche Lichtstrahl gegeben wurde, schwand die
Bitterkeit. Das Marawasser war süß geworden. Voll Freudigkeit rühmte er sich von da an seiner Schwachheit und seines Leidens. Sein Gebet war erhört. Einst traf ich auf dem Bahnhof einen Freund, der im Reich Gottes arbeitete. Er sagte mir: »Ich bete zu Gott, daß er mir eine andere Stelle geben möchte.« Nach zwei Jahren traf ich ihn wieder und fragte ihn: »Hat Gott Ihr Gebet
erhört?« Er antwortete voller Freudigkeit: »Ja.« Auf meine weitere Frage, wie sich dies verhalte, da er ja doch am gleichen Platz stehe, sagte er: »Gott hat mir gezeigt, daß dies der richtige Platz für meine innere Erziehung ist. Darum tue ich meine Arbeit hier gern weiter.« Auch hier war Marawasser durch eine Weisung Gottes süß geworden.
Ob Gott uns solche Weisung in der Stille des Kämmerleins oder sonstwo gibt, ob wir sie beim Lesen oder beim Hören des Wortes Gottes empfangen, ob sie uns durch den Mund eines bekannten Predigers oder des allerschlichtesten Bruders zuteil wird, das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist für uns nur, daß wir die empfangene Klarheit als von Gott uns geschenkt annehmen dürfen. Ist das der Fall, dann haben wir das rechte Mittel der Hilfe gefunden.
Wie mancher wird nach überstandenen Maranöten bekennen müssen: Wenn mir nicht in meiner Not dieser oder jener aus Gottes Wort stammende Lichtblick gegeben wäre, dann hätte ich in Mara verschmachten müssen: »Wenn dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend« (Ps. 119, 92).
Auf Marastationen kann man am besten den Wert der göttlichen Weisungen schätzen lernen. Hier wird man begierig nach einem Hinweis Gottes, nach einem Lichtstrahl, der uns von oben her unseren Weg beleuchtet. Wenn droben die vollendete Schar ihr Loblied singt, dann werden die Erlösten voller Dankbarkeit rühmen, wie Gott ihnen an den einzelnen Marastationen ihres Lebens zur rechten Zeit eine Weisung gegeben hat, die ihnen zurecht- und heraushalf.


3. Eine Gebrauchsanweisung für das göttliche Mittel
Der Feldhauptmann Naeman bekam einst ein klares Gotteswort durch den Propheten Elisa, durch das er aus allem Maraelend herauskommen und vom Aussatz genesen sollte. Aber er verschmähte anfangs dieses Mittel. Er beschaute es mit kritischen Augen und verachtete es (2. Kön. 5, 10-12). So hätte auch Mose im Blick auf das von Gott gewiesene Mittel zweifeln und
sprechen können: »Wie sollte dieser einfache Baum, dieses Wüstenholz, solchen Wassermengen, für Hunderttausende bestimmt, die Bitterkeit nehmen können?« Ja, wenn der Blick Moses nur an dem Baum haften geblieben wäre, so hätte er wohl ungläubig den Kopf schütteln können. Aber Mose achtete nicht auf die Geringfügigkeit des Mittels, sondern auf die Verheißung, die Gottes Wort auf dieses Mittel legte. Der Unglaube hat ganz recht gehabt, wenn er sagt: »Was für ein armseliges Ding ist solch ein Baum in der Wüste! Wie soll der das Marawasser süß machen?«


Aber der Glaube spricht: »Das geringste Mittel, von Gott angeordnet, wird zum Heilmittel, das Wunder wirkt.« Der Glaube fragt gar nichts nach der Unscheinbarkeit der göttlichen Mittel. Er hat es mit Gott zu tun, der sich gerade des Unscheinbaren zu bedienen pflegt, damit seine Hand und seine Wundermacht erkannt und geehrt wird. Laßt uns von Mose lernen, wie man das göttliche Mittel recht anwendet! Als Mose die Weisung von Gott empfangen hatte, jenen Baum zu nehmen, zweifelte er keinen Augenblick, daß nun die Hilfe da sei: »Er hielt sich an den,
den er nicht sah, als sähe er ihn« (Hebr. 11, 27). In gläubigem Vertrauen gegen das empfangene Gotteswort legte er jenen Baum in das bittere Wasser hinein. Sogleich durfte er auch die herrliche Erfahrung machen, daß die Bitterkeit wich. Erst galt es, im Glauben, der nicht schaut, dem Wort Gottes zu trauen. Dann folgte das Schmecken und Fühlen der göttlichen Hilfe.
Hier haben wir die rechte Gebrauchsanweisung für das göttliche Heilmittel.
Wie Mose den Wüstenbaum im Gehorsam gegen das Wort Gottes nahm und in das Marawasser hineinlegte, so wollen wir die uns geltenden und uns gegebenen Verheißungen und Hinweise Gottes in all unsere schwierigen Verhältnisse und Nöte, in unser Marawasser hineinlegen und sich da auswirken lassen. Dann werden auch wir erfahren dürfen, daß die Bitterkeit
weicht und Maraplätze sich in köstliche Segensstätten verwandeln. Wenn einst die letzte Marastation kommt, sei es, daß die bitteren Todeswasser uns bis an die Seele gehen, sei es, daß die Trübsale der letzten Zeit der Gemeinde Jesu ein Marawasser werden, wie sie noch keines zu schmecken bekam, dann wollen wir uns der ersten Marastation in Israels Wüstenzug
erinnern und auf dem göttlichen Weg — wie Mose — die Not der Marastationen überwinden.

Israels Kampf mit Amalek
»Aber die Hände Moses wurden schwer; darum nahmen sie einen Stein und legten ihn unter ihn, daß er sich darauf setzte. Aaron aber und Hur stützten ihm seine Hände, auf jeglicher Seite einer. Also blieben seine Hände fest, bis die Sonne unterging« (2. Mose 17, 12).


Israels Kampf mit Amalek war kein gewöhnlicher Kampf. Der Herr gab Amalek nicht wie andere Feinde ohne weiteres in Israels Hände. Der Kampf mit Amalek gestaltete sich zu einem ausgedehnten Gebetsringen. Darum ist er uns ein kostbares Vorbild für unsere Kämpfe mit Lieblingssünden und Lebensnöten, die auch nur durch anhaltendes Gebet siegreich durchgeführt
werden können. Der äußere Verlauf des Kampfes ist uns bekannt: Mose übertrug dem Josua
die Führung des Streites, während er selbst mit Aaron und Hur auf die Spitze des Hügels stieg und dort betende Hände emporhob: »Wenn Mose seine Hand emporhielt, siegte Israel; wenn er aber seine Hand niederließ, siegte Amalek« (2. Mose 17, 11).
Da Moses Kraft ermattet, bringen seine Begleiter einen Stein, auf den er sich setzen kann. Sie stützen seine Hände von beiden Seiten, daß er sie bis zum Sonnenuntergang gen Himmel gerichtet lassen kann und Israels Vorwärtsdringen zum endgültigen Siege führt. Wir bleiben zunächst stehen bei dem Bild des auf und ab wogenden Kampfes. Israel siegte icht fortwährend. Israel wich manchmal zurück. Warum? Solange Israel die emporgehaltenen Hände Moses sah, wußte es: Der Herr hört Moses Gebet um unsern Sieg. Sah Israel aber die Hände sinken, so dachte es: Jetzt steht keine Gebetsmacht mehr hinter unserem Kampf. Israel wußte ganz genau:
Die Wucht des Kampfes liegt nicht in unserer Macht, nicht in unsern Waffen, sondern im Gebet des Gottesmannes droben auf dem Berg. Dorthin waren immer wieder die Augen der Kämpfer gerichtet. Wir wollen mit ihnen in unserem Text schauen:


1. Die mutig und gläubig emporgehaltenen Hände
In 1. Tim. 2, 8 heißt es: »So will ich nun, daß die Männer beten an allen Orten und aufheben heilige Hände ohne Zorn und Zweifel.« Mose hat so gehandelt. Kurz vor dem Kampf mit Amalek hatte sich im Volk eine Verschwörung gegen ihn gebildet. Man hätte Mose beinahe gesteinigt (2.
Mose 17, 3 u. 4). Mose aber erhebt seine Hände »ohne Zorn«. Das vorangehende Zanken der Kinder Israel hat er von Herzen vergeben, und nun schreit er für die, welche ihm kurz zuvor wehgetan haben. Mose betete auch »ohne Zweifel«, in unerschütterlichem Vertrauen. Er war mit seinem Gott im reinen. Manch einer hebt auch wohl seine Hände zu Gott empor; aber es klebt unrechtes Gut daran! Tu das erst hinweg, dann wird auch dein Gebet kräftig werden.


2. Die müde werdenden Hände des Mose »Aber die Hände Moses wurden schwer.« Mose betete, solange er konnte. Sein müder Körper hielt es aber zuletzt nicht mehr aus. Kennt ihr solche Zustände, wo ihr beten wollt und des Leibes Schwäche und Elend hindert euch? Das können sehr demütigende Erfahrungen sein. Der württembergische Erweckungsprediger Ludwig Hofacker (1798—1828) ging durch solche Nöte. Er schrieb, er könne nicht mehr zusammenhängend beten,
nicht mehr bis fünf zählen. Wenn ihr, die ihr gesunde Körperkraft habt, ahnen würdet, wie man in Zeiten der Schwäche sich danach sehnt, auch nur 1eine Stunde die volle Leibes- und Nervenkraft zu besitzen, um anhaltend beten zu können! Wie dankbar würdet ihr für eure Gesundheit sein, und wie eifrig würdet ihr beten!


3. Die von beiden Seiten unterstützten Hände Aaron und Hur nahmen einen Stein, daß Mose sich darauf setzen konnte. Es ist für manchen Beter, der mit Leibesschwachheit zu tun hat, eine
Erleichterung, wenn er sitzend oder liegend zum Herrn betet. Auch da wollen wir für jeden Schrifthinweis dankbar sein. Mose hat, als er matt und müde wurde, auf einem Stein sitzend weitergebetet. Ferner: Aaron und Hur stützten seine Hände. Gesegnet seien die Helferdienste Aarons und Hurs! Für Beter, die in Leibesschwachheit niedersanken, ist nichts wohltuender als solche Gebetshilfe von rechts und links. Ja, wenn ein Beter zu schwach wird, selbst anhaltend zu beten, bekommt er manchmal neue Kraft zum Beten, wenn Besucher sich mit ihm im Gebet vereinigen. Tut doch Kranken, soweit ihr es vermögt, diesen Dienst! Besucht sie und betet mit ihnen! Betet aber nicht so hart und stürmisch, daß ihr ihnen wehtut, sondern laßt euch zartfühlend leiten, so wird es euch und ihnen zum Segen sein!

4. Die bis zum Sonnenuntergang emporgehaltenen Hände »Also blieben seine Hände fest, bis die Sonne unterging.« Das ist jetzt ein schöner Anblick, diese bis zum Sonnenuntergang treu emporgehaltenen Gebetshände. Sie sind uns ein Vorbild für das anhaltende Schreien. Ach, es  werden viele Gebetshände erhoben, aber so wenige halten zäh fest »bis zum  Sonnenuntergang«! Warum ist so wenig Sieg da im Leben des Volkes Gottes?
Weil  dieses zäh anhaltende Gebet so selten ist. Mochten Mose die Arme und Hände auch schmerzen, was fragte er danach? Der Sieg mußte erfochten werden, und Mose hielt durch. Laßt uns das üben! Jesus betete die ganze Nacht hindurch. Wie viele von uns aber halten nie auch nur einige Stunden im Gebet an!


5. Die nach dem Sieg dankbar herabgelassenen Hände
Das mag ein schöner Augenblick gewesen sein, als endlich Amalek völlig gedämpft war, als die heiße Sonne sich herabsenkte und nun Mose die fast steif gewordenen Gebetsarme wieder herablassen durfte. Solche Freuden sollen auch wir erfahren. Die wahren Beter unter uns wissen, daß es Gebetskämpfe gibt, in denen wir einem vom Geist Gottes gewirkten Gebetsdrang folgen und durchkämpfen müssen, bis es innerlich stiller wird und wir gewiß werden, daß der Herr den Sieg gegeben hat. Mose aber tat noch mehr. Nach dem Kampf baute er einen Altar und nannte ihn: »Der Herr mein Panier« (V. 15). Er legte damit Gott alle Ehre zu Füßen und nicht etwa seinem Gebet. Wo Gott uns Sieg gibt, da laßt uns nie den Dankaltar vergessen, auf den wir
schreiben: »Der Herr mein Panier!« Dies ist zugleich die beste Vorbereitung für neue Kämpfe, die folgen werden, bis wir einst droben bei den Überwindern sein dürfen. Der Herr mache Beter aus uns, die bis zum Sonnenuntergang Hände emporheben, und führe uns zur Überwinderschar
droben!

Ich aber Bete Francke Buchhandlung

1. Tim. 2, 1 Das Räucherwerk des Gebets, Christlieb Alfred

03/02/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das Räucherwerk des Gebets

»So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen« (1. Tim. 2, 1).


Vier Stücke gehörten nach 2. Mose 30, 34 zum Räuchwerk der Stiftshütte: »Balsam, Stakte, Galban, Weihrauch.« Vier Stücke gehören nach unserm Text auch zum rechten Gebet. Paulus nennt sie Bitte, Gebet, Fürbitte, Danksagung.

1.Bitte

Die Gebete sind zumeist Bittgebete. Eine Bitte brachte Hiskia vor, als er krank war und um Besserung flehte (2. Kön. 20, 3). Eine Bitte war es, als Jaebez um Segen und Erweiterung der Grenzen bat (1.Chr. 4, 10). Bitten bewegten die zehn Aussätzigen (Luk. 17, 13) und die Mutter der Zebedäus Kinder (Matth. 20, 20 u. 21). Bitte ertönt allenthalben.


2. Anbetung


Seltener ist Gebet = Anbetung, Vertiefung in die Gemeinschaft mit Gott. Abraham »blieb stehen« vor Gott (1. Mose 18, 22). David »stärkte sich« in dem Herrn (1. Sam. 30, 6). Er blieb vor dem Herrn. Kennen wir solches Beten? Ach, wieviel oberflächliches Bitten, wie selten das Anhalten und Bleiben im Gebet!


3. Fürbitte


Das dritte Stück heißt Fürbitte. Epaphras kann sie uns lehren (Kol. 4, 12). Paulus trieb sie ohne Unterlaß (Röm. 1, 9 u. 10). Jesus übte sie aus vor seinem Tod (Luk. 23, 34). Nicht für uns allein, für alle Welt dürfen wir bitten. Laßt die Liebe Jesu ins Herz, dann ist die Fürbitte ein seliges Üben!


4. Danksagung


Zuletzt ruft Paulus zum Danken auf. Gehören wir zu den Undankbaren wie die neun Aussätzigen (Luk. 17, 17 u. 18)? Oder stehen wir mit in den »Dankchören, die auf Jerusalems Mauer

So gross ist unser Gott, Ken Campbell Leseprobe:Ein kleiner Junge: „Mutti, wer hat mich gemacht?" Mutter: „Gott hat dich gemacht, mein Sohn." Junge: „Wer hat die Welt gemacht?" Mutter: „Auch die hat Gott gemacht." Junge: „Und wer hat Gott gemacht?" M

08/04/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Ein kleiner Junge: „Mutti, wer hat mich gemacht?" 

Mutter: „Gott hat dich gemacht, mein Sohn." 
Junge: „Wer hat die Welt gemacht?"
Mutter: „Auch die hat Gott gemacht."
Junge: „Und wer hat Gott gemacht?"
Mutter: „Niemand hat Gott gemacht. Gott gibt es eben." Junge: „Dass verstehe ich nicht."
Mutter: „Ja, ich verstehe es auch nicht, aber so ist es!"
Wer erschuf Gott?
Das ist die natürliche Frage eines Kindes, aber die falsche für ein Kind Gottes. Nicht, weil sie schwer zu beantworten ist, sondern, weil sie von einer falschen Annahme ausgeht. Die Frage: „Wer erschuf Gott?", setzt voraus, dass Gott ein Teil des geschaffenen Universums und deshalb von diesem abhängig bzw. ihm untergeordnet ist. Sie nimmt an, dass er den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, durch die wir uns Menschen verstehen und den Rest der Schöpfung begreifen können. Wenn wir bei unseren flüchtigen Studien die Frage: „Wer hat Gott gemacht?", stellen, ist das ungefähr so, als ob wir den Schöpfer unter ein Mikroskop legen würden.
Aber Gott ist von allem unabhängig, da er nicht erschaffen wurde. Gott - und ausschließlich Gott - existiert in völliger Unabhängigkeit in und durch sich allein. Dafür gibt es einen Ausdruck, den die Theologen benutzen, seit Anselm von Canterbury ihn im ii. Jahrhundert einführte: Aseztät.2 Er bezieht sich auf die Selbst-Existenz Gottes.


2 Absolute Unabhängigkeit Gottes
Jahrhunderte vor Anselm brachte Jesaja es auf den Punkt:
Alle Nationen sind wie nichts vor ihm und gelten ihm als nichtig und leer. Mit wem wollt ihr Gott vergleichen, und was für ein Abbild wollt ihr ihm gegenüberstellen? (Jes 40,1 7.18)
Man kann es nicht deutlicher ausdrücken: Wir können Gott mit nichts vergleichen, da er einzigartig in seinem Wesen und seiner Selbst-Existenz ist.
Doch im Gegensatz zu Gott, dem Schöpfer, der von nichts abhängig ist, sind wir Menschen völlig abhängig von Gott, der uns geschaffen hat. Alle Versuche, uns von Gott zu „befreien" und ihm gegenüber unsere Unabhängigkeit zu erklären, enden im Ruin. Dafür gibt es Beispiele im Überfluss.
Eine Biographie über Ernest Hemingway berichtet, dass er seine „Bestimmung darin sah, ein freier Mensch zu sein, der sein Leben ungebunden von Traditionen nach pragmatischen Prinzipien ausrichten wollte". Er sagte sich vom christlichen Glauben los, da er ihn als traditionelle Moralvorstellung abtat (entsprechend war er in seinem Leben mit mehreren Frauen verheiratet). Die Suche nach einem Leben voller Abenteuer brachte ihn nach Europa, Afrika, Kuba und wieder zurück in die USA. Seine intensiven Beobachtungen über das Leben - besonders in Kriegszeiten - ermöglichten es ihm, außergewöhnliche Literatur zu schreiben. Mit seinem letzten großen Buch, Der alte Mann und das Meer, erhielt er auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn als Schriftsteller den Nobelpreis.
Hemingway hat das Abenteuer gefunden - er wurde im 1. Weltkrieg in Italien verwundet, er war Korrespon-
dent im spanischen Bürgerkrieg und Pilot bei der Royal Air Force während des 2. Weltkrieges. Er lebte seine hedonistische Autonomie auf drei Kontinenten aus. Dies verhalf ihm zwar zu großen schriftstellerischen Leistungen, führte ihn aber gleichzeitig zur völligen Desillusion und Verzweiflung über die Menschheit und sich selbst. Sein letzter Roman scheint den Standpunkt zu vertreten, dass die Menschen Würde und Werte finden können, wenn sie in ihrem Leben kleine Aufgaben vollständig allein und gut ausführen. Aber ebenso wird angedeutet, dass es keinen Sieg, keine Freude und kein Paradies für den Menschen gibt, der unabhängig sein will. Folglich erschoss er sich im Alter von 62 Jahren, einer der geehrtesten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.
George Eastman hinterließ vor seinem Selbstmord eine Nachricht, die einen ähnlichen Gedanken widerspiegelt: „Ich habe alles, was ich tun konnte, getan. Wozu soll ich noch warten?" Ein brillianter Erfinder, der auch ein cleverer Geschäftsmann war - was durchaus eine seltene Kombination ist! Eastman entwickelte den Kodak-Film und die Kodak-Kamera, wodurch die Photographie weltweit revolutioniert wurde. Er war ebenso ein großzügiger Menschen freund und hinterließ vielfältige Eindrücke seines Genies und Scharfsinns. Trotzdem sah Eastman am Ende, nachdem er „alles getan hatte, was er konnte", die Sinnlosigkeit seines Lebens und von allem, was er getan hatte. Deshalb nahm er sich das Leben.
 
Der unabhängige Mensch ist eine einsame und traurige Erscheinung. Der Schrei nach völliger Freiheit und Unabhängigkeit hört sich im sicheren Schutzraum eines Klassenzimmers sehr attraktiv an. Aber mitten in der Sahara, wo keine Versorgungssysteme zur Verfügung stehen, sieht es mit völliger Selbständigkeit schon ganz anders aus! Auch wenn ein Mensch für seine körperlichen Bedürfnisse selbst sorgen könnte, so würden doch seine eigenen geistigen Reserven nicht ausreichen, um ein tägliches Minimum an normaler seelisch, geistig und emotional gesunder Entwicklung aufrechtzuerhalten.
Der Mensch, der in völliger Unabhängigkeit leben möchte, ist im Grunde ein unwissender Parasit, denn er profitiert sowohl von dem, was ihm Gott in der Schöpfung zur Verfügung stellt, als auch von den Möglichkeiten, die ihm die Gesellschaft bietet. Einzig und allein Gott ist unabhängig, selbst-existent und autonom. Diese Wahrheit prägt zutiefst unsere Beziehung zu ihm.
Gott und das Universum
Blaise Pascal sagte, dass „der Gott der Philosophen, nicht der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs" ist. Der Gott der Philosophen ist „eine unerschütterliche Kraft", „das Absolute". Dieser Gott ist nicht einmal ein ‚Er', sondern ein ‚Es' - eine unpersönliche Kraft von unbestimmter Art. Die Theologie Hollywoods wird durch den weisen Obi-Wan Kenobi treffend ausgedrückt, als er dem jungen Luke Skywalker den Segen erteilt: „Möge die Kraft mit dir sein". Aber die Götter von weltlichen Philosophen und Entertainern sind nichts anderes als Schöpfungen der menschlichen Phantasie, die letztlich dem endlichen Wissen, der Erfahrung und dem Wunschdenken des Menschen entspringen.
Paulus behauptet in Römer 1,19-23, dass Gottes Existenz anhand der Schöpfung wahrgenommen werden kann. Allerdings reicht dieses Wissen nicht aus und wird von denen verdreht, die eher an ihre eigenen Überzeugungen glauben als an das Wort Gottes. Daher hat Pascal Recht, wenn er herausstellt, dass der „Gott" der weltlichen Philosophen nicht der Gott der Bibel ist. Er ist zwangsläufig ein „Gott", den sie nach ihren eigenen Vorstellungen geschaffen haben. Dies trifft ebenso auf die Götter der großen Weltreligionen zu.
 
Der lebendige Gott kann jedoch nicht wirklich durch das logische Denken und die Vorstellungskraft des Menschen erkannt werden, da er sich gänzlich vom Menschen und all seinen Erfahrungen unterscheidet. Gott sagt, dass er unsterblich ist und sich außerhalb dessen befindet, was wir wahrnehmen können: „[Gott] der selige und alleinige Machthaber, der König der Könige und Herr der Herren, der allein Unsterblichkeit hat und ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat, auch nicht sehen kann" (iTim 6,15.16). Unser Gott ist ewig und nicht ein Teil dieser Schöpfung: „Ehe die Berge geboren waren und du die Erde und die Welt erschaffen hattest, von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du, Gott" (Ps 90,2). Gott ist einmalig; er ist der einzig wahre Gott: „Damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich es bin. Vor mir wurde kein Gott gebildet, und nach mir wird keiner sein" (Jes 43,10).
 
Gott fängt mit der Offenbarung seiner selbst bereits im ersten Vers der Bibel an: Im Anfang schuf Gott Auch Nicht-Christen können diesen Vers zitieren, ohne seine Wahrheit anzuerkennen. Aber diese vier Worte sind absolut grundlegend, um Gott und unsere Beziehung zu ihm zu verstehen. Durch sie beschreibt Gott, dass er bereits existierte, bevor er das Universum erschuf, und weiterhin jenseits des Universums existiert. Sie berichten uns, dass Gott die Wahl traf, etwas um seiner selbst willen zu erschaffen. Gott braucht die Schöpfung nicht; er wollte sie aber. Wenn wir darüber nachdenken, sollte uns das sehr viel Mut machen.
 
Einen weiteren Blick auf die Selbstgenügsamkeit
Gottes finden wir in 2. Mose 3,14. Dort spricht Gott zu' Mose nicht nur aus einem brennenden Dornbusch heraus, sondern stellt sich auch mit dem Namen vor, den wir mit Jahwe übersetzen: „Ich bin, der ich bin. Das ist mein Name in Ewigkeit, und das ist meine Benennung von Generation zu Generation". Der hebräische Text lautet eigentlich: „Ich bin der Gott, der ist". Das ist tatsächlich ein seltsamer Name und sicherlich einer, der uns nicht einfallen würde. Aber der Name selbst ist die Art, in der Gott seine Existenz erklärt. Er macht sein ewiges Sein deutlich, das über und gleichzeitig außerhalb unseres Universums besteht. Wir haben keine Vorstellung von dem, was der Name Gottes alles beinhaltet, da soetwas vollständig hinter unseren begrenzten Erfahrungen liegt.
Alles, was wir aus unserem physikalischen Universum kennen, hat, einen Ursprung. Unsere gesamte Wissenschaft beruht auf dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Alles, was existiert, ist in einer Kette von vorangegangenen Ursachen miteinander verknüpft. Wir wurden aufgrund des Geschlechtsverkehrs unserer Eltern geboren, die wiederum aufgrund des Verkehrs ihrer Eltern geboren wurden, diese wurden ... und so weiter.
 
Aber Gott existiert ohne Ursprung oder Ursache - er ist einfach. Ihn gibt es schon immer und er wird auch immer sein. Es gibt keine Folge von Ereignissen, die ihm vorangegangen sind: ganz im Gegenteil! Die gesamte Schöpfung kann Stück für Stück bis zum Schöpfer zurückverfolgt werden. Er ist es, der diese Kette in der Hand hält. Er ist selbst-existent, unabhängig und selbstgenügsam wie nichts und niemand anderes. „So ist doch für uns ein Gott, der Vater, von dem alle Dinge sind und wir auf ihn hin, und ein Herr, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn" (1 Kor 8,6)

@1999 CV Dillenburg

Ab heute wird gelebt! Gloria Chisholm

05/02/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

- Ängste überwinden - mit Leidenschaft und Mut zum Risiko leben - neue Erfahrungen machen 
- sich einmischen - Fehler riskieren - auch wenn sie dafür kritisiert wird - sich innerlich berühren lassen - Beziehungen aktiv gestalten - in der Freiheit Gottes leben - kreativ sein - zu ihren Grenzen und ihrem Versagen stehen - Sie will leben 

Gloria Chisholm, die Autorin des Frauen-Mutmach-Buches, erzählt hier mit Humor und anhand vieler Beispiele, warum sie den Entschluss fasste, ihr Leben zu ändern, und wie es tatsächlich anders wurde. Denn: Keine Fehler machen ist zu wenig!

1. So macht's der Dieb
Was haben Michelangelo, Whitney Houston und Mutter Teresa gemeinsam? Stopp, die Zeit ist um.
Und was Martin Luther King, Billy Graham und Ulrich Par-zany? Eine ziemlich gemischte Gesellschaft. Was haben sie gemeinsam?
Die Antwort lässt sich in einem Wort zusammenfassen - Leidenschaft. Jede dieser Personen lebt oder lebte mit einer unglaublichen Leidenschaft und Begeisterung für eine ganz bestimmte Berufung.
So weit, so gut. Aber was ist mit Katrin Krabbe, Jürgen Schneider und Michael Jackson? Auch sie sind Menschen, deren Antrieb Leidenschaft und Begeisterung sind. Was ist mit Josef Mengele, Andreas Baader und Dieter Zurwehme? Wenn das, was sie gemeinsam haben, ebenfalls als Leidenschaft bezeichnet werden kann, dann fragt sich natürlich, ob wir ein leidenschaftliches Leben überhaupt erstrebenswert finden sollen.
Wenn die Leidenschaft aus Menschen Ungeheuer machen kann, dann haben wir vielleicht ganz berechtigte Angst davor.
Wenn Leidenschaft jedoch auf der anderen Seite große Sänger, Maler und Redner hervorbringt, dann müssen wir uns ernsthaft mit der Sache auseinander setzen und uns fragen ob Gott so etwas für uns will.
Denn ihre Leidenschaft hat Menschen wie Martin Luther
King, Billy Graham und Whitney Houston ganz nach oben th gebracht.
Keine Angst Sie müssen nicht reich oder berühmt werden
Aber Ihre Leidenschaft kann etwas Großes aus Ihnen machen -
und zwar da, wo es darauf ankommt. 

Nur Sie allein wissen, was Gott geantwortet hat, als Sie ihn fragten: »Was soll ich mit meinem Leben anfangen?«

Ist Ihre Begeisterung noch am Leben?
Zu den typischen Merkmalen eines leidenschaftlichen Lebens 'gehören geistige, emotionale und geistliche Beweglichkeit sowie ein aktives Interesse an Beziehungen und Gemeinschaft Ich möchte in diesem Buch anregen herauszufinden, ob eine, solche Beweglichkeit in Ihrem Leben vorhanden, ist, ob Sie sich weiterentwickeln oder ob Stillstand herrscht. Denn nur wenn Sie eine Bestandsaufnahme wagen, können 'Sie bewusst entscheiden, ob Sie ein leidenschaftlicheres Leben führen möchten oder nicht.
Das Anliegen des Diebes besteht laut Johannes 10,10 darin »zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten«. Damit ist erden ganzen Tag beschäftigt - jeden Tag. Wenn er es nicht schafft, uns unsere Begeisterung zu rauben und unsere Leidenschaft ein-zuschiafern, dann versucht er sie zu zerstören, indem er uns Angst macht (schließlich könnten wir ja doch zu viel wagen) oder indem er uns aufreibt (intensives, leidenschaftliches Leben kostet viel Kraft). Und wenn er es so immer noch nicht schafft, uns 'zu entmutigen, versucht er uns Begeisterung und Leidenschaft zu rauben, indem er uns so »fromm« werden lässt, dass uns an einem solch »fleischlichen« Ziel wie Begeisterung und Leidenschaft nichts mehr liegt.
Gott will, dass wir ein erfülltes, leidenschaftliches Leben führen. Jesus selbst hat uns ein solches Leben, ein »Leben im Überfluss«, zugesagt, und wenn Sie sich der Herausforderung eines Lebens mit ihm stellen müssen Sie davon überzeugt sein, dass man leidenschaftlich leben kann, ohne ständig von dem Gipfel der Begeisterung in die Schlucht der Enttäuschungen abzustürzen.
Selbstverständlich gibt es hin und wieder solche Stürze. Gerade deswegen hrn ich froh, dass Gottes Hände groß genug sind um mich wieder aufzufangen, und dass er sich mir in den Zeiten, in denen ich auf der Nase liege, wie immer als mein Ret2 ter und Erlöser zeigt. 

Wenni ich nach jedem Absturz selbst die Einzelteile meines Lebens wieder aufsammeln und zusammensetzen musste dann wäre das meine einzige Beschäftigung, und
ich käme zu nichts anderem mehr. Ich hatte dann gar nicht mehr die Zeit oder die Kraft, den Gipfel der Begeisterung zu erklimmen und wirklich leidenschaftlich zu leben.
Bevor wir jetzt zu der Frage kommen, wie wir uns überhaupt diesem Lebensstil nähern und es dann auch noch schaffen können dabeizubleiben, ohne abzustürzen, müssen wir ein wenig über Abgestumpftheit, Tod und Lethargie sprechen. Mit diesen Worten kann man den Zustand beschreiben, durch den uns der Dieb vom intensiven, leidenschaftlichen Leben fern zu halten und für das Reich Gottes und seinen Heilsplan unbrauchbar und wirkungslos zu machen versucht.
Wie gesagt gehören zu den Bereichen, in denen Leidenschaft und Begeisterung herrschen sollten, unser körperliches,. unser intellektuelles, unser soziales, unser emotionales und unser geistliches Leben, und genau auf diese fünf Bereiche hat es der Dieb abgesehen; das muss uns ganz klar sein, bevor wir uns weiter nach dem intensiven, begeisterten Leben ausstrecken.
Schlaffe Muskeln
Meine Freundin Lynne und ich hatten eine gemeinsame Freundin besucht und waren auf dem Heimweg, als ich plötzlich sah, die sich die ersten Schneeflocken dieses Winters sanft auf der Windschutzscheibe niederließen Ich spürte eine innere Unruhe.

War es Begeisterung? Ja, ich liebe Schnee, ich bin begeistert, wenn es schneit. Aber an diesem speziellen Tag erschrak ich auch über die zarten Hocken. Ich fahre nämlich nie, 'ich wiederhole: nie, bei Schnee. Ich komme aus einer warmen Gegend und nicht aus Alaska. Ich fahre nicht bei Schnee. Niemals! Aber ich stehe auch nicht gern vor anderen wie eine Memme da. Also fuhr ich weiter und rechnete dabei im Geiste die noch verbleibenden Kilometer nach Hause zusammen. Und ich kam auf mindestens 70
»Ach guck mal, es schneit«, sagte ich heiter und versuchte das Beben in meiner Stimme zu verbergen. Die Hocken (und inzwischen waren ein paar mehr gefallen) • wurden größer. »Ist das nicht hübsch?«, erwiderte Lynne »Wunderschon« sagte ich und stellte den Scheibenwischer an. Er funktionierte nicht richtig, und ich konnte nur durch einen kleinen Ausschnitt der Windschutzscheibe sehen.
Ich wusste, dass ich jeden Augenblick sterben würde Ein Sattelschlepper würde ins Rutschen kommen und uns von der - Straße fegen. Ich begann meine Beerdigung zu planen. Ich hätte ja keine Zeit mehr gehabt; meine Wünsche irgendjemandem mitzuteilen. Aber ich stelle mir immer gern vor, wer wohl kommen würde.
Der Schnee auf dem Seitenstreifen wurde höhet Ich habe schon immer zu den Menschen gehört, die ins kalte Wasser springen anstatt sich Stückchen für Stückchen hineinzuquälen. Wenn ich also sterben sollte, dann wollte ich es möglichst schnell hinter mich bringen. Nach etwas über sechzig spannungsgeladenen Kilometern setzte ich Lynne vor ihrem Haus ab und kroch den Rest der Strecke im Schneckentempo nach Hause. Ich fahre einen Kombi, der schon auf einem Blatt Papier ins Rutschen gerät, und als ich ein paar Straßen von meinem Haus entfernt auf einem leicht abschüssigen Abschnitt vorsichtig abbremste, brach der Wagen hinten aus, ich geriet auf die Gegenfahrbahn und rutschte auf eine entgegenkommende Autokolonne zu. Ich wartete auf den Aufprall und den sicheren Tod. Ich schloss die Augen. Ich bin ja wirklich eine solche Memme. Wenn mich Lynne so hätte sehen können!
Das Auto kam zum Stehen. Kein Aufprall. Ich machte die
Augen wieder auf. Wir (mein Kombi und ich) waren noch etwa fünf Zentimeter von der Stoßstange eines parkenden Kleinwagens entfernt Die anderen Autos manövrierten um uns herum. Ganz, ganz vorsichtig setzte ich meinen Wagen zurück, parkte hinter dem kleinen Auto, ging den Rest des Weges zu Fuß und genoss dabei jeden Augenblick meines flotten Marsches durch den Schnee.

So weit eine noch ziemlich frische Erinnerung an meine-Begeisterung für alles - sei es körperliche Betätigung oder Naturgewalten - was mein leibliches Leben bedrohen könnte. Das Einzige, was auf diesem Gebiet intensiv und leidenschaftlich ist, ist meine lähmende Angst.
Okay - ich weiß, was Sie jetzt denken, aber wir wollen doch eines klarstellen. Man muss es nicht auf jedem Gebiet zur Perfektion gebracht haben, um ein Buch darüber zu schreiben. Ich arbeite daran. Wahrscheinlich werde ich nie vollkommen, aber ich stelle mich meinen Ängsten um Leib und Leben.
Man kann seinen Körper auf viele Arten intensiv erleben. Wie wir das tun, kommt unter anderem darauf an, wie viel Energie und/oder Ausdauer wir besitzen, wie schnell wir dazu bereit sind, neue Sportarten oder körperliche Aktivitäten auszuprobieren, wie viel Mut wir angesichts des Todes aufbringen und wie wir unsere Sexualität zum Ausdruck bringen - um nur ein paar Aspekte zu nennen. Weil ich mich in diesem Buch zur Ehrlichkeit verpflichtet habe, muss ich zugeben, dass ich mich im Laufe der letzten Jahre auf dem letztgenannten Gebiet am meisten entwickelt habe.

Ich glaube, ich weiß, was Sie jetzt denken. Sie ist doch allein stehend, wie kann sie da ihre Sexualität weiterentwickeln? Ich weiß jetzt gar nicht so recht, wie ich es sagen soll, aber wenn Sie verheiratet sind und sich jemals gefragt haben, wie das wohl bei Ihren unverheirateten Freunden ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Doch, wir Singles können sexuell sehr lebendig sein. Ich habe nicht gesagt sexuell aktiv. Sexuell lebendig.
Um es also noch einmal ganz deutlich zu machen: Wenn ich sage, dass ich mich in meiner Sexualität weiterentwickelt habe, dann meine ich damit nicht praktizierten Sex, sondern einfach nur den positiven Umgang mit meiner eigenen Weiblichkeit Ich glaube, dass es auch für Singles eine Schande ist, wenn sie ihre sexuelle und sinnliche Leidenschaft verkümmern lassen. Man weiß schließlich nie, wann man sie noch gebrauchen kann Anders hegt die Sache natürlich, wenn Gott uns zur Ehelosigkeit berufen hat (darüber dann in einem anderen Buch)

Für Verheiratete ist es erst recht tragisch, wenn die sexuelle• Leidenschaft stirbt, und dennoch ist in mehr Ehen als wir denken jegliche Leidenschaft dahin Das ist natürlich kein Thema über das wir öffentlich debattieren (nach dem Motto: »Hallo, Denise, wie steht's denn so mit Sex bei Jim und dir?«), also kennt niemand genaue Zahlen Man, kann sich aber eine ziemlich genaue Vorstellung verschaffen, indem man aufmerksam zuhört, wenn Freunde und Freundinnen über ihre Ehepartner sprechen. Und noch viel sagender dabei ‚ist das, was sie nicht
erzählen. -
Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Der Dieb will unsere körperliche Leidenschaft zerstören. Deshalb haben so viele Leute keine Lust, sich körperlich fit zu halten, zu viel Angst vor dem Fallschirmspringen und, wenn sie verheiratet sind, keine Lust auf Sex.
Wir kommen später noch einmal darauf zurück, wie wir unsere Ängste und unsere Müdigkeit überwinden können, um leidenschaftlich leben zu lernen. Zunächst müssen wir aber sehen, welche Hindernisse sich dem entgegenstellen und warum wir vor ihnen kapitulieren.

Das Hirn auf Trab bringen
Ich erlebe oft, dass der Bibelvers »Erkenntnis bläht auf« (aus 1. Korinther 8,1) gern von Leuten zitiert wird, die kein Interesse daran haben, sich geistig weiterzuentwickeln. Ich frage mich immer, was Gott wohl denkt, wenn wir Dingen, für die wir zu trage oder zu feige sind aus dem Weg gehen und die Bibel als Entschuldigung dafür benutzen. Wir haben es hier mit einer weiteren Methode des Diebes 'zu tun, uns unsere Begeisterung
zu rauben: Er benutzt die Bibel. Oder vielleicht, sollte ich besser sagen er missbraucht die Bibel für seine Zwecke
Wissen kann ja wirklich aufblähen. Jeder kennt machthungrige Menschen, die Führungspositionen besetien weil sie so helle sind oder sich zumindest dafür halten Dass Wissen missbraucht wird, heißt aber noch lange nicht, dass man es grundsätzlich gering schätzen sollte. Wir meiden ja auch nicht die 'Bibel, weil Sekten sie nach ihrem Gutdünken verdrehen.
Salomo wird in der Bibel als einer der weisesten Menschen beschrieben, die je gelebt haben. Es 'heißt dort: »Die Königin von Saba hatte schon viel von Salomo gehört. ( ... ) Mit großem Gefolge reiste sie nach Jerusalem. ( ... ) Als sie vor, König Salo-mo stand, stellte sie ihm die Rätsel, die sie sich ausgedacht hatte. Salomo konnte ihr die Fragen beantworten und blieb ihr selbst bei:: den schwierigsten Rätseln die Antwort nicht schuldig« (2. Chronik 9,1-2). Ich schließe daraus, dass Gott etwas an intellektueller Begeisterung liegt, dass es ihm gefällt, wenn Menschen den Wunsch und das Bedürfnis haben, zu lernen und sich Wissen anzueignen.
Der Dieb strebt danach, unsere intellektuelle Begeisterung zu zerstören, denn er möchte uns in einem kindisch-naiven Zustand halten. Wir sollen geistlich so an der Oberfläche bleiben, dass wir jede Möglichkeit verlieren, andere zu überzeugen. Man bekommt zwar auch auf schlichte und kindliche Weise Zugang zum Evangelium, aber ohne echte intellektuelle Begeisterung und Regheit verlangen wir Antworten, wo es keine gibt, beantworten Fragen, die kein Mensch stellt, und können Themen nicht differenziert, sondern nur aus einer Schwarzweiß-Perspektive betrachten.
Jesus sagt zu denen, die ihm nachfolgen, also auch zu' Ihnen und mir: »Liebe Gott, den Herrn ... mit deinem ganzen Verstand« (Matthäus 22,37). Lernen, Fragen stellen, lesen, zuhören, Umgang mit unterschiedlichen Menschen - wir müssen uns einfach auch von unserem Verstand her weiterentwickeln, wenn unsere Fähigkeit, Gott zu lieben, zunehmen soll.'

Wenn wir intellektuell lebendig sein wollen, dann gehört dies dazu (manche der folgenden Vorschlage sind unter frommen Leuten umstritten; diese Vorschläge sind mit einem Sternchen gekennzeichnet):
- Lesen Sie Bücher, Zeitschriften und Zeitungen, die Sie geistig herausfordern.*
- Nehmen Sie an Kursen teil, die eine intellektuelle Herausforderung für Sie darstellen.*
- Pflegen Sie Freundschaften mit Leuten, die Sie intellektuell herausfordern. *
- Schauen Sie sich Fernsehsendungen und Kinofilme an, die Sie intellektuell herausfordern.*
- Trauen Sie sich, Fragen zu stellen, die eine geistige Herausforderung darstellen.*
Immer wieder erlebe ich Phasen, in denen ich innerlich unruhig, reizbar und hungrig bin. Hungrig nicht nach Nahrung, sondern es meldet sich dann mein Bedürfnis nach intellektueller Herausforderung und Anregung Eben dieses Bedürfnis versetzte mich kürzlich in ein Seminar des bekannten Autors Scott Peck. Die Teilnehmer stellten Peck Fragen, die ich ihm nicht gestellt hätte, und Pecks »Antworten«, wenn man sie denn als solche bezeichnen konnte, waren nicht die Antworten, die ich erwartet hätte.
Peck antwortete immer wieder: »Ich weiß es nicht«, und zwar auf mehr Fragen, als wir für angemessen hielten. Vielen Zuhörern merkte man das Unbehagen darüber an. Merkwürdig war jedoch, dass ich mich mit jedem »Ich weiß es nicht« wohler fühlte. Und dann brachte er uns bei, diese vier Worte auszusprechen. »Sprechen Sie mir nach«, sagte er. »Ich ... weiß ... es nicht.« Und wir wiederholten: »Ich ... weiß .. es ... nicht.« Immer wieder sprachen wir die Worte aus, und je öfter ich sie wiederholte, desto stärker empfand ich auch die Freiheit sie auszusprechen. In den folgenden Wochen hoffte ich immer, dass mir mal jemand eine Frage stellen würde, auf die ich keine Antwort wusste, nur um es aussprechen zu können: »Ich weiß es nicht.« Scott Peck hat mich vor eine intellektuelle Herausforde rung gestellt. Ich muss gar nicht alle Antworten parat haben, weder für mich noch für sonst jemanden, denn Gott kennt und hat alle Antworten.
Jetzt bekommt meine intellektuelle Begeisterung Antrieb durch die Freiheit, auch und besonders die Fragen zu stellen, auf die es keine Antworten gibt. Je weiter meine Entwicklung fortschreitet, desto stärker verändern sich meine Fragen. Aus »Warum?« wird »Wie?« und »Was?«. Ich frage seltener, warum es Obdachlosigkeit, Schmerzen, Leid, Aids und Wahnsinn gibt. Dafür frage ich öfter, wie ich befreiend und erlösend wirken und vorgehen kann. Ich frage, was ich tun kann.

Und genau das bedeutet es, den Gipfel der Leidenschaft und Begeisterung zu ersteigen. Der Dieb möchte uns unsere intellektuelle Leidenschaft unbedingt stehlen weil er uns passiv und wirkungslos haben will Er will uns von den wirklich wesentlichen Themen ablenken. Wenn er uns dazu bringen kann, intellektuelle Begeisterung abzuwerten, entwickeln wir uns nicht weiter. Er weiß ganz genau, welches Potential in einem klugen Kopf steckt, der sich ganz dem Erlösungswerk Christi verschrieben hat. Er weiß, wie stark wir werden, wenn wir auch geistig und intellektuell weiterkommen.

Wie heißen Sie?
Ich nenne es Begeisterung für Geselligkeit und Gemeinschaft. Es ist die Sehnsucht andere zu kennen und von ihnen gekannt zu werden. Gott will, dass wir in Gemeinschaft leben. Wer kein Bedürfnis nach anderen hat, wer keine oder nur wenig Begeisterung für Gemeinschaft aufbringt, ist wahrscheinlich schon einmal tief verletzt worden - vielleicht auch mehrmals. Der Dieb gibt sich große Mühe, uns untereinander auf Abstand zu halten, und sorgt dafür, dass wir nicht gut aufeinander zu sprechen sind.
Die wichtigste Beziehung meines Lebens begann mit drei 

ISBN-13: 9783417205794
Format:    19 x 12 cm
Seiten:    192
Gewicht:    173 g
Verlag:    R. Brockhaus
Erschienen:    2001
Einband:    Taschenbuch