D Schriftsteller

Sendschreiben an die sieben Versammlungen, Darby

04/19/2025
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Darby Vorträge über die Sendschreiben an die sieben Versammlungen 66003 *)

Einleitung

Ehe ich auf die Einzelheiten der Sendschreiben an die sieben Versammlungen eingehe, sei es mir vergönnt, einige Worte über den allgemeinen Charakter des Buches der Offenbarung zu sagen. Es ist sehr wichtig, daß wir ein richtiges und klares Verständnis über gewisse Hauptgrundsätze erlangen, die sich durch das ganze Buch hinziehen; sonst werden wir die Hand­lungsweise Gottes, wie sie uns in dem Buche mitgeteilt wird, nicht verstehen. Und vergessen wir nicht, daß wir allein aus der Schrift erfahren können, welches der Ratschluß Gottes ist, und was Er bezweckt mit dem, was Er tut, und mit der Art und Weise, wie Er es tut.

*) Gehalten in London im Jahre 1852 von J N D

Das erste Kapitel bildet die Einleitung zu dem ganzen Buch. Das Buch ist eine Offenbarung, welche Jesu Christo gegeben wurde, um Seinen Knechten zu zeigen, was geschehen muß, um die Erscheinung Christi vorzubereiten. Es ist ein wunder­barer Gedanke, daß Gott solche Mitteilungen macht, und be­wundernswürdig ist auch die Art und Weise, wie Er sie macht. Gott schreibt nicht wie ein Mensch, bloß um die menschlichen Wünsche zu befriedigen oder zu reizen. Nein, wenn Gott schreibt, so geschieht es, um etwas hervorzubringen, wodurch unsere Seelen geprüft und in Seine Gemeinschaft gebracht werden. Nehmen wir als Beispiel die Evangelien; sie sind nicht nur geschrieben, um eine historische Darstellung des Lebens Christi auf Erden zu geben, sondern um vor unseren Seelen die Ratschlüsse und Gnadenwege Gottes in dem Werke und der Person Seines Sohnes zu entfalten. Und nur, wenn wir auf diese Weise die Gedanken und Wege Gottes kennenlernen, sind wir fähig, zu verstehen, was Gott in jedem Teil Seiner Wege tut.

Das Buch der Offenbarung redet von Anfang bis zu Ende von Gericht. Gott wird darin geoffenbart als einer, der im Begriff steht, das Gericht zu vollziehen. Dies findet seine Anwendung sogar auf die Kirche, wie wir aus Kapitel 2 und 5 sehen können. Sie wird betrachtet als auf der Erde, dem Ge­richt unterworfen. Allerdings redet die Prophezeiung von den Gegenständen, die unter dem Gericht sind, und von den Mit­teln, um es abzuwenden; allein das ganze Buch trägt durch­weg einen richterlichen Charakter, mit Ausnahme der Beschrei­bung von dem herrlichen Zustand der Kirche, als des himm­lischen Jerusalem. Dies ist sogar der Fall, wenn die Kirche in Tätigkeit tritt, wie im 19. Kapitel; sie folgt dort auf weißen Pferden dem Herrn, der zum Gericht auszieht. Wenn diese Wahrheit nicht völlig erfaßt und festgehalten wird, ist es un­möglich, den Zweck des Buches zu verstehen.

In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten finden wir in der Offenbarung niemals den Namen des Vaters in Verbin­dung mit den Heiligen, wohl in Verbindung mit Christo (vgl. 1. 6; 2, 27; 3, 5. 21). In Kap. 14, 1 wird der Name des Vaters des Lammes an die Stirnen der 144 000 geschrieben; aber auch hier ist es immer Sein Vater, wenn auch Sein Name an ihren Stirnen steht. Ferner ist von dem Verhältnis der Braut, des Weibes des Lammes, durchaus keine Rede, bis die Feier der Hochzeit des Lammes erzählt wird. Die Grundsätze und Verhältnisse tra­gen in der Offenbarung einen völlig veränderten Charakter. Gott. ist mit dem beschäftigt, was auf der Erde ist, und zwar ent­sprechend dessen Verantwortlichkeit. Dieser einfache Gedanke ist geeignet, vielen Irrtümern vorzubeugen. 

Das ganze Buch trägt, wie bereits bemerkt wurde, den Charakter des Gerichts, und zwar steht das Gericht in Verbindung mit der Erde, d. h. die Menschen sind auf Erden für das verantwortlich, was ihnen anvertraut worden ist. Wenn also von der Kirche, als auf der Erde befindlich, gesprochen wird, so ist der Gegen­stand, um den es sich handelt, ihre Verantwortlichkeit, und daher kommt sie unter das Gericht. Die zweite Sache, die unsere besondere Beachtung verdient, ist, daß der ganze Cha­rakter des Buches ein prophetischer ist. „Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewah­ren, was in ihr geschrieben ist". Sogar in den Anreden an die sieben Versammlungen ist die Sprache prophetisch. Anders ver­hält es sich mit den verschiedenen Briefen in dem vorherge­henden Teil des Neuen Testaments. Dort sind es Mitteilungen an die Versammlungen oder Heiligen, um sie zu belehren, wie sie sich in dem Verhältnis, in das Gott sie in Gnade mit Sich Selbst und mit dem Herrn Jesu gebracht hat, zu verhalten haben. 

Die Sendschreiben aber sind, wie gesagt, prophetisch, d. h. sie kündigen die Resultate und Folgen an, die im Wege des Gerichts über diejenigen kommen sollen, an die sie sich wenden, und die einen öffentlichen Körper bilden. Es handelt sich nicht um den Dienst der Gnade und Unterweisung in einem gesicherten und bleibenden Verhältnis, das keinem Wechsel unterworfen sein kann. Auch handelt es sich nicht um die gegenwärtige Segnung dessen, der redete, noch derer, die das Wort zur Zeit aufnahmen, weil sie Ohren hatten, zu hören. Wir sehen den nämlichen Unterschied in den alttestamentlichen Propheten und in den prophetischen Stellen, die sich in den Briefen zerstreut finden, 1. Petr 1. 11. 12 gibt eine Erklärung von dem, was ich meine. Es heißt dort: „. . . wel­chen es geoffenbart wurde, daß sie nicht für sich selbst, son­dern für euch die Dinge bedienten". Das ist der eigentliche Charakter der Prophezeiung. Sie wendet sich an eine Person und ist bestimmt für andere. Sie ist eine Offenbarung zukünftiger Dinge.

 Ein Prophet weissagte nicht über sich selbst; was ihm der Geist Christi offenbarte, waren Dinge, die nicht ihn, sondern andere betrafen. Der Unterschied bestand also darin, daß dieselben Dinge (welche jene bedient hatten) den Heiligen durch diejenigen mitgeteilt wurden, die ihnen das Evangelium durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist predigten. Wenn der Heilige Geist in den Heiligen redet, so tut Er kund, daß die Dinge, von denen Er spricht, ihnen selbst angehören. Er bedient sich deshalb auch beständig des Wörtchens „uns". Wir finden dieses Wort im Alten Testament nirgends in dieser Verbindung. „Der uns liebt und uns von unseren Sünden ge­waschen hat" — „Gott zur Herrlichkeit durch uns" — „der uns gesegnet hat . . . wie Er uns auserwählt . . . und uns zuvor­bestimmt hat" — „der uns errettet hat" — „und hat uns mit-auferweckt und mitsitzenlassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu". Das heißt nicht einfach zukünftige Dinge an­zeigen. Wenn der Heilige Geist etwas von den Dingen Christi offenbart, so umfaßt Er alle Heiligen — „auf daß ihr völlig zu erfassen vermöget mit allen Heiligen". Mit einem Wort, der Heilige Geist schließt, wenn Er also redet, alle Heiligen ein, als solche, die jetzt teil an der Segnung haben, und Er wendet alles, was uns Gott „in Christo Jesu" gegeben hat, auf sie an. Allerdings genießen wir jetzt noch nicht alles und werden des­halb ermahnt, völlig auf die Gnade zu hoffen, die uns ge­bracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi.

Es gibt hier gleichsam drei Abstufungen. Erstens: der Geist der Prophezeiung, der in vergangenen Zeiten in den Prophe­ten, aber nicht für sie selbst, redete; zweitens: der Heilige Geist, herniedergesandt, um die Erlösung zu verkündigen, und drittens der Heilige Geist als das Siegel, das Pfand und die Salbung, mittels deren wir unser Teil kennen und genießen, als der Geist der Erwartung, da wir, solange wir in diesem Leibe sind, noch nicht das besitzen, was einst unser sein wird. Wohl besitzen wir das Pfand, aber wir erwarten die „Sohn­schaft, die Erlösung unseres Leibes". Dessen ungeachtet ver­leiht der Geist Gottes, der in der Kirche oder Versammlung wohnt, und zwar in eben diesem besonderen Charakter, durch die zwei ausdrucksvollen Worte: „uns" und „wir" das Be­wußtsein des gegenwärtigen Genusses dessen, was Er offen­bart.

Bei einer Betrachtung von Hebräer 9 sahen wir kürzlich, daß Christus in der Vollendung der Zeitalter in den Himmel auf­genommen wurde, und daß, während Er droben ist und bevor Er wieder auf diese Erde zurückkehrt, durch den Heiligen Geist em Werk getan wird, — ein Leib wird gesammelt und mit Ihm, dem Haupte im Himmel zur Rechten Gottes, verbunden. Kraft des auf diese Weise zur Rechten Gottes erhöhten Haup­tes sendet Gott den Heiligen Geist hernieder, um einen Leib zu sammeln, der mit Ihm eins sei in Herrlichkeit, der dieselbe Herrlichkeit besitze wie Er, und der aus Gliedern von Seinem Fleische und von Seinen Gebeinen bestehe. Dies ist der eigent­liche Charakter des Geistes in Verbindung mit der Kirche; es handelt sich hier nicht um Prophezeiung, nicht um die Mit­teilung dessen, was auf Erden anderen begegnen soll, sondern es ist der Geist als das Siegel, das Pfand und die Zusicherung der Segnungen, die uns angehören, der Geist, der bezeugt, wie sehr Gott uns gesegnet hat, — uns, und nicht andere Personen, und der bei uns bleibt bis zur Ankunft Christi. Dann wird, Gott sei dafür gepriesen! nicht ein Teilchen des kostbaren Staubes Seiner Erkauften zurückbleiben, denn,, wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm". Christus wird den ganzen Menschen, Leib, Seele und Geist, mit Sich zum vollen Genuß der himmlischen Segnungen einführen, und zwar für immer und ewig.

Sobald der Geist Gottes Seinen prophetischen Charakter annimmt, verändert sich alles. Sein Zeugnis muß sich dann auf etwas Irdisches beziehen. Er prophezeit niemals über den Himmel. Wenn Er uns sagt: Die ganze Herrlichkeit des Him­mels ist euer, so ist das nicht eine Vorhersage irgendeines später einzutreffenden Ereignisses, sondern eine Offenbarung. In gewissem Sinn sind wir schon dort, weil wir in Christo sind. Wir verwirklichen unsere Gemeinschaft in den himm­lischen Örtern, während wir hienieden der Erfüllung von allem, was sich noch ereignen soll, entgegensehen und auf die Erlösung unseres Leibes warten. Beschäftige ich mich jedoch mit der Erde und ist die Kirche oder Versammlung der Gegen­stand meiner Gedanken, so muß sie — so gewiß und unver­änderlich ihre ewigen Vorrechte sind, sobald wir sie in ihrem wahren Charakter betrachten — vor meinen Augen stehen als ein verantwortlicher Körper auf der Erde, als „das was ist", verantwortlich nach dem Maße der Vorrechte, in denen sie hier auf Erden zurückgelassen ist.

Es ist von höchster Bedeutung, diese Wahrheit festzuhalten, da wir sonst die Handlungsweise Gottes nicht verstehen kön­nen. Der Heilige Geist, der in der Kirche oder Versammlung wohnt, vereinigt mich mit Christo. Handelt es sich um Gerech­tigkeit? Ich bin die Gerechtigkeit Gottes in Ihm; um Leben? Er ist mein Leben; um Herrlichkeit? Er sagt: „die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben". Alles, was Er hat, ist unser, ausgenommen Seine Gottheit, an der wir selbstverständlich nicht teilhaben können*). Alles, was Chri­stus besitzt, gehört mir; denn „wer dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm". Hiermit konnte sich die Prophezeiung nicht beschäftigen, denn es war ein Geheimnis, das von den Zeitaltern und Geschlechtern her in Gott verborgen war. Jetzt aber hat der Heilige Geist uns mitgeteilt, daß die Versamm­lung in der gegenwärtigen Zeit mit dem zur Rechten Gottes in den Himmeln erhöhten Christus in lebendige Verbindung gebracht ist — Christus, das Haupt, im Himmel, die Versamm­lung, die Glieder, auf der Erde. Die Heiligen des Alten Bundes konnten nicht von einem Menschen im Himmel reden, dessen Glieder sich auf der Erde befanden. Dies hätte gar keinen Sinn für sie gehabt. Christus mußte zuerst von der Erde verworfen sein, ehe man sagen konnte, daß Er Sich als das Haupt im Himmel befinde und Glieder auf der Erde habe. Kehren wir nun zu der Prophezeiung zurück, so sehen wir die Versamm­lung in die Kenntnis darüber eingeführt, was Gott auf Erden zu tun beabsichtigt.

Wenn sich der Geist im zweiten und dritten Kapitel der Offenbarung an die Versammlungen wendet, so redet Er nie von der Gnade, die von dem Haupte zu den Gliedern des Leibes herniederströmt, und selbst wenn uns die Heiligen droben gezeigt werden, sehen wir sie nicht als einen Leib, sondern als einzelne Anbeter, als Könige und Priester Gottes, die einen Gegenstand der Anbetung im Himmel haben. Der Heilige Geist spricht in diesen Sendschreiben in der Tat nicht von der Versammlung als dem Leibe Christi, sondern Er redet

*) Moralisch sind wir allerdings Teilhaber der gottlichen Natur geworden, um fähig zu sein, uns völlig in Gott zu freuen.


von gewissen Gemeinschaften, die sich in gewissen Umstän­den hienieden befinden. Er betrachtet sie nicht als die Glieder eines Leibes, noch spricht Er von der lebendigen Macht der Gnade, die hienieden wirkt, um Segen hervorzubringen, son­dern von dem Verhalten derer, welche, nachdem sie in diese Stellung der Segnung versetzt worden waren, die Vorzüge jener Gnade genossen hatten. Es handelt sich nicht darum, was die Kirche oder Versammlung ist, sondern um das, was sie getan hat; nicht um ihre Stellung in der Gnade, in die sie die Macht des Heiligen Geistes versetzt hat, (denn der Heilige Geist erscheint nicht als in ihnen wohnend oder wirkend) son­dern um ihre Verantwortlichkeit. Es findet sich daher, wie ich bereits bemerkte, in diesem Buch nirgends die Liebe des Vaters zu den Kindern, auch nicht der Heilige Geist als die Seele (wenn ich so sagen darf) des Leibes, die den Leib mit dem Haupte verbindet, noch die Macht der Gnade, deren Endresul­tat die Hochzeit des Lammes ist. Wir sehen vielmehr die Ver­sammlung in einem gegebenen Zustande auf der Erde, dem Gericht unterworfen. Von einer Einheit mit Christo ist hier gar nicht die Rede. Was wir finden, ist die Mitteilung davon, was Christus einem jeden der besprochenen Zustände gegen­über ist — Sein Urteil über das, was Er sieht und offenbar macht. Halten wir dies fest, so ist der Inhalt der Sendschreiben einfach und leicht zu verstehen und er ist als Warnung voll Nutzen für unsere Seelen. Die Worte, mit denen das ganze Buch eingeleitet wird, sind überaus köstlich und lehrreich für uns: „Offenbarung Jesu Christi, welche Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß" (V. i). Hier ist es augenscheinlich nicht Christus im Himmel, als das Haupt, noch der Heilige Geist, der in den Gliedern zur Auf­erbauung des Leibes wirkt. Dieses Verhältnis und diese Stel­lung werden in den Episteln klar dargelegt. Hier ist es die Offenbarung, die Gott Christo gab, um Seinen Knechten (nicht den Söhnen) zu zeigen, was bald geschehen muß. Desgleichen bringt hier der Heilige Geist nicht, wie in dem Brief an die Epheser, den Kindern und der Braut Belehrung von oben, oder Er macht sie mit ihrer Verbindung mit dem Vater und dem Bräutigam bekannt, sondern es ist eine Offenbarung an Knechte und über Dinge, die bald auf Erden geschehen sollen; „und durch seinen Engel sendend, hat er es seinem Knechte

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Johannes gezeigt, . . ." Der Dienst der Engel tritt auf diese Weise hinzu und zeigt uns den prophetischen Charakter der Stelle. Beachten wir ferner, daß wir hier nicht die Entfaltung der Reichtümer Christi durch den Heiligen Geist haben, son­dern eine Botschaft durch einen Engel.

„der bezeugt hat" — nicht die Gemeinschaft mit Christo, noch die Fülle Christi — sondern „das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi" (V. 2). Das Zeugnis Jesu Christi ist nicht Seine Fülle, sondern Sein Urteil über andere Gegen­stände. Somit werden uns Ereignisse auf der Erde vor Augen geführt, und diese sind nie die Fülle Christi im Himmel, was wir stets festhalten müssen. Der dritte Vers enthält die Ver­heißung des Segens für alle, welche die Worte der Weis­sagung lesen und hören.

„Gnade euch und Friede von dem, der da ist, und der da war, und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Throne sind" (V. 4). Die Gnade und der Friede kom­men hier nicht von dem Vater und Seinem Sohne, sondern von Jehova. Der Gruß ist, besonders was den Heiligen Geist betrifft, nicht derselbe wie in 2. Kor 15, 15, wiewohl die sieben Geister ohne Zweifel auf den Heiligen Geist anspielen, indem die Zahl sieben das Symbol der Vollkommenheit in ihrer vielseitigen Macht ist. Der hier dem Geiste gegebene Titel steht in Verbindung mit der Macht und Einsicht, die sich bei der Regierung der Erde kundgeben (vgl. Kap. 5, 6).

„und von Jesu Christo, welcher der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde" (Vers 5). Christus wird zuletzt erwähnt, um zu zeigen, wie Er hier ganz und gar in Verbindung mit der Regierung der Erde erscheint. Er ist „der treue Zeuge", welcher, als Er auf Erden war, ohne je zu fehlen, geoffenbart hat, was Gott und was die ganze Wahrheit ist. „Der Erstgeborene der Toten" — das ist die Macht der Auferstehung „aus den Toten" hienieden. „Der Fürst der Könige der Erde" — Sein Platz in Macht über jegliche Herrschaft hienieden, ein Platz, den Er noch nicht tatsächlich in Besitz genommen hat. Er wild hier nicht „der Sohn des Vaters" genannt, noch als das Haupt des Leibes, der Versammlung, oder als das Lamm inmitten des Thrones eingerührt; Sein Titel ist: Fürst der Könige der Erde,

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woraus wiederum hervorgeht, daß es sich nur um Seine Ver­bindung mit der Erde handelt.

Aber es ist bemerkenswert, daß, sobald Christus genannt wird, die Versammlung ihrer Freude über ihre persönliche Verbindung mit Ihm einen lauten Ausdruck gibt. „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blute und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater". Dies kann nicht anders sein; mag der Gegenstand, um den es sich handelt, sein, wel­cher er will, Christus ist und bleibt stets unser Christus, mit Dem wir in lebendiger Weise verbunden sind, und unmöglich kann Sein Name ausgesprochen werden, ohne die Antwort der Seele wachzurufen, indem sie anerkennt, was Er für sie ist. Selbst wenn ich an das Gericht und an Ihn als den Richter denke, sage ich: „Ich bin mit Ihm verbunden"; in allem ist Er mein Christus. Etwas ähnliches können wir in dem natürlichen Leben beobachten. Wenn die Frau eines hochgestellten Mannes ihren Gatten kommen sieht, wird sie unwillkürlich ausrufen:

„Da kommt mein Mann", da ihr Verhältnis zu ihm ihre Ge­danken zunächst beschäftigt. Ebenso ist es mit der Versamm­lung Christo gegenüber, unter welchem Charakter Er auch ge­offenbart werden mag. Sobald Er am Schluß des prophetischen Teiles des Buches sagt: „Ich bin . . . der glänzende Morgen­stern", antwortet die Versammlung alsbald in Übereinstim­mung mit ihrer Hoffnung auf Ihn: „Komm1." „Der Geist und die Braut sagen: Komm!" So sollte Christus stets der Gegen­stand aller Gedanken und Zuneigungen unserer Herzen sein. Gerade das ist es, was jedem Zeugnis bezüglich Seiner Person, jedem Teil Seiner Herrlichkeit seinen Wert für uns verleiht. Alles, was Ihn angeht, geht auch mich an, was auch direkt der Gegenstand sein mag, um den es sich handelt. Ist mein Herz mit Christo, dem Besitzer der zukünftigen Herrlichkeit, be­schäftigt, so wäre selbst die Herrlichkeit in meinen Augen nichts, wenn ich Ihn nicht dort fände. Ich bedarf stets etwas, was Christum angeht; und weil es Ihn angeht, so muß es not­wendigerweise auch mich angehen. Allerdings ist es völlig wahr, daß unter den Gegenständen, die mit dem Herrn in Ver­bindung stehen, die einen anziehender für uns sind als die anderen, und zwar in dem Maße, als sie uns in eine innigere Verbindung mit Ihm bringen.

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Die Krone Jesu wird an jenem Tage aus vielen Diademen bestehen, und jedes Diadem wird, wenn auch nicht getragen im Blick auf die Versammlung, sondern auf andere, die den gesegneten Folgen Seines Werkes teilhaftig geworden sind, einen Teil unserer Freude bilden, weil es zu Seiner Herrlichkeit gehört: Denn der Gedanke, Er könnte einen Teil Seiner Krone und Seiner Herrlichkeit verlieren, würde uns unglücklich machen. Unsere Freude besteht nicht nur in dem Bewußtsein unserer persönlichen Errettung, ebensowenig wie diese das Ende unserer Freude bildet. Sie ist, Gott sei Dank! ihr Anfang;

aber dennoch gibt es nichts, was in den Augen eines Gläu­bigen je seinen Wert verlieren könnte, wenn er es, so wenig es auch auf seine Errettung Bezug haben mag, in Verbindung mit der Herrlichkeit Christi betrachtet. Dies zeigt sich am deut­lichsten an dem Sterbebett eines Christen. Wenn Christus Selbst die Freude des Sterbenden gewesen ist, so wird alles, was Christo angehört, kostbar für ihn sein. War aber die Seele bloß mit dem Werke Christi, durch das ihr das Heil gebracht Wurde, beschäftigt, so wird sie wohl Frieden haben, weil sie die Errettung kennt, allein sie wird jene innere, stets spru­delnde Quelle der Freude nicht besitzen, die sich da vorfindet, wo die Person Christi der Gegenstand der Liebe geworden ist, und wo die Seele mit Ihm beschäftigt ist. Denn wenn Chri­stus der persönliche Gegenstand der Seele ist, so genießt sie eine Freude, die das bloße Bewußtsein der Errettung, so ge­segnet dies auch ist, nicht ohne Unterbrechung zu geben ver­mag. Erfüllt Er mein Herz, so werde ich nicht nur wegen meiner Errettung glücklich sein, sondern der Gedanke an Ihn, zu dem ich gehe, wird in mir eine stete, unaussprechliche Freude hervorrufen. Wohl ist es wahr, daß ich in den Himmel gehe, aber nur der Gedanke, daß Christus Sich dort befindet, macht den Himmel zu einem Himmel für meine Seele. Ich gehe zu Ihm, Den ich hienieden geliebt habe, um allezeit bei Ihm im Himmel zu sein; so wird es stets in der Schrift ausgedrückt. Der Apostel wünscht, „abzuscheiden und bei Christo zu sein".

Die Versammlung nimmt in der Offenbarung von Anfang an einen besonderen Platz ein; ihr priesterlicher Platz ist in den Himmeln (außerhalb des Wirkungskreises dieses Buches, oder vielmehr innerhalb des Vorhangs) droben, an dem Orte,

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woher das Buch gekommen ist. Dementsprechend sind die Ge­danken der Versammlung, wie sie sie in Vers 5, als auf dieser Erde befindlich, ausspricht: „Dem, der uns liebt". Es handelt sich durchaus nicht mehr um Gericht: „Er liebt uns". Ebenso­wenig herrscht irgendwelche Ungewißheit hinsichtlich ihres Zustandes: „Er hat uns von unseren Sünden gewaschen in seinem Blute". Sobald der prophetische Teil des Buches be­ginnt, ist nicht mehr von dem Platz des Gläubigen die Rede. Christus ist gestorben und wieder auferstanden „und hat uns zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater ge­macht"; und diese Titel besitzen wir, ohne daß unsere Ver­antwortlichkeit sie in Frage stellen könnte. Wohl stehen wir unter Verantwortlichkeit, allein Jesus hat uns gewaschen, und wir sind uns des Platzes, in den Er uns gebracht hat, wohl bewußt, da wir die Antwort des Herzens, in dem der Heilige Geist wohnt, besitzen.

Der Platz der Versammlung wird unzweifelhaft festgestellt, ehe irgend etwas anderes geoffenbart wird. Derselbe Grund­satz tritt in Eph i noch klarer ans Licht. Zu allererst wird dort die Versammlung in die gleiche Stellung der Annehmlichkeit vor Gott gebracht, in der sich der Herr Jesus Christus Selbst befindet, und dann erst wird ihr das „Geheimnis seines Wil­lens" geoffenbart. Das ist nicht Weissagung, sondern wir sehen die Versammlung versetzt in dieselbe Stellung wie Christus, damit sie der Abglanz Seiner Herrlichkeit sei. Nachdem Gott sie zuerst „begnadigt hat in dem Geliebten", führt Er sie nach dem überströmenden Reichtum Seiner Gnade in alle Weisheit und Einsicht ein, damit sie das Geheimnis Seiner Gedanken und Ratschlüsse hinsichtlich der Herrlichkeit Christi erkenne, „alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist.

Nachdem der Heilige Geist das Ganze mit einem Amen ge­schlossen hat, beginnt Er mit der Erde und redet von der Wir­kung der Erscheinung Christi auf ihre Bewohner. „Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, . . . und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes". Nicht so die Versammlung. Sie wird nicht wehklagen, wenn sie Christum sieht. Wie wird im Gegenteil das Angesicht eines

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jeden Gläubigen strahlen, wenn wir Ihn zum ersten Mal er­blicken werden! Allerdings kann, wenn unser Herz nicht in warmer Liebe zu Jesu schlägt, der Gedanke, Ihm entgegen­gerückt zu werden, keine Ursache zu einer gegenwärtigen Freude bilden; und hier möchte ich fragen: Ist irgend etwas bei dir vorhanden, das den Wunsch rege macht, der Herr möchte noch verziehen? Sind irgendwelche natürlichen Ge­fühle und Zuneigungen da, die zwischen dich und Christum getreten sind und dein Auge und Herz von Ihm abwenden? Ist das Herz in Wahrheit auf Christum gerichtet, und fühlen wir, was es ist, sich in einer solchen Welt — der Mühsal nicht nur, sondern der Sünde — zu befinden, welch ein Gedanke muß es dann sein, fern von ihr bei Christo zu weilen! Sicher­lich gibt es in dem Herzen des Gläubigen keine einzige Saite, die nicht in völlig entgegengesetzter Weise erklingt, gegen­über den Gefühlen solcher, die wehklagen werden, wenn sie Ihn sehen. Aber dennoch ist die bestimmte Hoffnung und die Freude, Ihn zu sehen und bei Ihm zu sein, eine weit reichere und bleibendere Quelle der Glückseligkeit, als die Errettung selbst. Wenn ich sage: „jedes Auge wird ihn sehen", so kann es für die arme Welt nur Wehklagen geben; sage ich aber-„mein Auge wird ihn sehen", so hüpft mein Herz vor Freude, anstatt zu wehklagen. Erwarte ich etwa, bloß vor den Gerich­ten bewahrt zu werden? Hat Christus nicht gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten", — und „ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen?" oder mit anderen Worten:

„Diese Welt ist nicht gut genug für euch. Ich kann nicht hier bei euch bleiben, wo alles den Stempel der Sünde und des Elends trägt; wenn aber die Stätte bereitet ist, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo ich bin, auch ihr seid". Welch ein unermeßlicher Unterschied besteht zwischen diesen beiden Seiten der Ankunft des Herrn!

In Vers 8 geht der Geist auf die Herrlichkeit der Person des Herrn Selbst über: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der da ist, und der da war, und der da kommt, der Allmächtige". Es ist hier nicht der Vater. Wie ganz anders ist es, das zu erwarten, was der Allmächtige auf der Erde tun wird, oder in das Vaterhaus entrückt zu werden und von dem zu reden, was der Vater dort für uns ist.

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Gott hat Sich dem Menschen unter drei großen Namen geoffenbart; zunächst dem Abraham in 1. Mo 17 mit den Worten: „Ich bin Gott, der Allmächtige, (El Shaddai) wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen". Gott sagte Sei­nem treuen Knecht gleichsam: Ich bin der Allmächtige, darum vertraue du auf mich. Der Ausdruck „Vollkommenheit" ent­spricht dem Charakter, in dem Gott Sich uns geoffenbart hat. Sobald Gott mit Israel in Verbindung tritt, nimmt Er einen anderen Namen an. Im zweiten Buch Mose offenbart Er Sich ihnen als Jehova, der ewig Seiende, der im Begriff steht, alle Seine Verheißungen zu erfüllen. Den Heiligen der Jetztzeit offenbart Er Sich als Vater. Sie werden mit dem allmächtigen und ewigen Jehova in Verbindung gebracht und in das Ver­hältnis von Kindern zu dem Vater versetzt, und zwar im Ge­nuß des ewigen Lebens, das ihnen mitgeteilt ist. „Ich werde euch zum Vater sein . . . spricht der Herr, der Allmächtige". Dieser Offenbarung können wir nur durch den Geist der Kindschaft begegnen, indem wir wirklich Kinder sind und die Natur und den Geist Dessen besitzen. Der unser Vater ist. Darum wird nicht gesagt: „Du sollst vollkommen sein gegen Jehova, deinen Gott" (5. Mo 18, 13), wie einst in Verbindung mit den Titeln Allmächtiger und Jehova; sondern, nachdem Christus den Namen des Vaters geoffenbart hat, heißt es: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater voll­kommen ist" (Mt 5, 48). Wir vertrauen Ihm nicht als Fremde, sondern wir wandeln mit Ihm und gleich Ihm als Kinder. Wir kennen Den als Vater, Der der Allmächtige ist, und Christus sagt: „Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, er­kennen". Und wiederum: „Wer mich gesehen, hat den Vater gesehen"; und wiederum: „jeder, der euch tötet, wird meinen, Gott einen Dienst darzubringen. Und dies werden sie tun, weil sie weder den Vater noch mich erkannt haben". Sie glauben, Gott zu dienen, indem sie Seine Kinder töten; aber sie kennen weder den Vater, noch den Sohn. Wir haben bereits bemerkt, daß Gott unter dem Titel „Vater" in der Offenbarung nicht erscheint, sondern als der Allmächtige und als Jehova.

In den Versen 9-15 tritt uns aufs neue der Charakter ent­gegen, mit dem Christus Sich sowohl in Verbindung mit den sieben Versammlungen, als auch mit der Welt bekleidet. Er

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erscheint nicht als das Haupt des Leibes, oder als die Quelle der Gnade für Seine Glieder hienieden, sondern als einer, der inmitten einer Körperschaft wandelt, die sich außer Ihm befin­det, über deren äußeren Zustand Er Sein Urteil ausspricht. In Vers 14 sehen wir, daß Christus, wiewohl Er hier als Sohn des Menschen geoffenbart wird, zugleich auch Jehova ist und alle Charakterzüge des Alten an Tagen in Daniel 7 trägt. „Sein Haupt aber und seine Haare weiß, wie weiße Wolle". In Daniel 7 wird der Sohn des Menschen vor den Alten der Tage gebracht. Hier erscheint Er Selbst als der Alte an Tagen*):

„Seine Augen wie eine Feuerflamme", um in das Herz einzu­dringen und alles darin richten zu können. „Gott ist ein ver­zehrendes Feuer". Und aus Seinem Munde ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert" — das Schwert des Gerichts, das andeutet, daß Er alle Autorität besitzt.

„Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit" (V. 17. 18). Es ist außerordentlich ermutigend für die Seele, zu wissen, daß Er, das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, außer Dem es keinen Gott gibt. Derselbe ist. Der Sich um meiner Sünden willen unter die Macht des Todes begab und, indem Er ohne sie wieder auferstand, nicht nur für immer jede Sünde hinwegtat, sondern mich auch von dem befreite, welcher (und zwar mit Recht) die Macht des Todes besaß, d. h. vom Teufel, und mich in die Gegenwart Gottes Selbst einführte. Er „hat einmal für Sünden gelitten, der Ge­rechte für die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führe". Das ist es auch, was der Seele einen so festen Frieden gibt; denn wenn ich zu Gott gekommen bin, habe ich nichts mehr zu suchen: „Wer mich gesehen, hat den Vater gesehen". Wenn meine Seele den am Kreuz für meine Sünden sterbenden Chri­stus gesehen hat, dann bin ich Gott dort hinsichtlich der feier­lichen Frage des Gerichts begegnet; ich bin zu Gott gekommen durch einen gestorbenen und auferstandenen Christus, und eben dadurch, daß ich zu Gott Selbst gekommen bin, habe ich

*) Auch in Dan 7 scheint Vers 22 anzudeuten, daß der Sohn des Menschen Selbst der Alte an Tagen ist

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alles empfangen, was Erde oder Himmel mir geben können. Denn dieser Sanftmütige und von Herzen Demütige, Der Sich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen ließ, ist gerade der Gott, zu Dem ich gebracht worden bin, und zwar ohne den geringsten Flecken von Sünde, der mich in Seiner Gegenwart beschämen könnte. Ich stehe daher vor Ihm in vollkommener Liebe, da jede Ursache zur Furcht beseitigt ist; und Er lebt, um Sich uns in der Kraft eines unauflöslichen Lebens zu offenbaren.

Kehren wir jetzt zum prophetischen Teil unseres Buches zu­rück, so finden wir in Vers 19 in bestimmten Ausdrücken die höchst wichtige Einteilung der Offenbarung in drei große Abschnitte. „Schreibe nun, 1. was du gesehen hast" — d. h. Christus, inmitten der Leuchter wandelnd; 2. „was ist" — der zeitliche oder äußere Zustand der Versammlungen oder der be­kennenden Kirche auf der Erde, nicht aber der ewige Zustand und die unveränderlichen Vorrechte der Versammlung als Leib Christi; 3. „was geschehen wird nach diesem" — die prophe­tischen Dinge, die Schlußereignisse im Blick auf diese Welt.

Das vierte Kapitel zeigt uns die Versammlung im Himmel. Den Ausdruck „was ist" beziehe ich durchaus nicht (aus dem einfachen Grunde, weil die Schrift es nicht tut) auf den ewigen Zustand der Versammlung in ihrer Einheit mit Christo, als ihrem Haupt in Gnade — sondern auf den zeitlichen, äußeren Zustand der Versammlung, als betrachtet in ihrer Verantwort­lichkeit hienieden während einer bestimmten Periode, und zwar wird dieser zeitliche, äußere Zustand in den sieben Ver­sammlungen gerichtet. Ich wiederhole nochmals, es handelt sich hier nicht um unsere geistlichen Segnungen in den himm­lischen Örtern in Christo, sondern um etwas, das außerhalb Christi auf der Erde ist, und in dessen Mitte Er wandelt. Auf der Erde bedarf Er eines Leuchters, eines Lichtes; nicht aber im Himmel, dort ist kein Leuchter, kein Lichtträger nötig, „denn die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet und ihre Lampe ist das Lamm" (Kap. 21, 25). Auf Erden sind jedoch Lichtträger nötig, und deshalb werden die sieben Versammlungen mit Leuchtern verglichen; sie sollen „das Licht der Welt" sein. Sie werden vom Himmel her erleuchtet, um auf der Erde, in den dunklen Örtern hienieden. Licht auszustrahlen, um ein Zeug

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nis für Christum zu sein, während Er abwesend im Himmel, in Gott verborgen ist. Und um diese Lichtträger zu prüfen, wandelt Christus als der Sohn des Menschen inmitten der Leuchter. Wohl ist es wahr, daß unser Leben mit Christo in Gott verborgen ist; aber während wir auf der Erde wandeln, sollen wir als Lichter in der Welt scheinen und das offenbaren, was der Himmel hervorzubringen vermag, nämlich im Himmel zu leben, während man noch auf der Erde wandelt, so wie Jesus von Sich Selbst sagte, als Er hienieden war: „Der Sohn des Menschen, der im Himmel ist".

„Das Geheimnis der sieben Sterne" (V. 20) erweckt den Gedanken an Macht, d. h. an eine untergeordnete Macht, wäh­rend „die Engel"*) die symbolischen Stellvertreter der Versammlungen vorstellen. In der ganzen Heiligen Schrift wird eine höhere Macht durch die Sonne, eine untergeordnete Macht durch die Sterne symbolisch dargestellt. Der Engel von irgend etwas bezeichnet den Stellvertreter dessen, was nicht selbst gegenwärtig ist. Dies ist auch der Fall mit dem Engel Jehovas. Als Petrus nach seiner wunderbaren Befreiung am Tore des Hauses der Maria klopfte, sprachen die, welche dort versammelt waren: „Es ist sein Engel" (Apg 12), und von den Kindern sagt der Herr Selbst: „Ich sage euch, daß ihre Engel in den Himmeln allezeit das Angesicht meines Vaters schauen" (Mt 18, 10). Ferner nannte Jakob den Ort, an dem er mit dem Engel gerungen hatte, Pniel (Antlitz Gottes), „denn ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen" (1. Mo 32); und in 2. Mose 3, 2 lesen wir, daß „der Engel Jehovas" dem Mose in einer Feuerflamme mitten aus einem Dornbusch erschien, während es nachher, als er hinzutrat, um das große Gesicht zu sehen, heißt: „Und als Jehova sah, daß er herzutrat, da rief ihm Gott mitten aus dem Dombusch usw." In ähnlicher Weise bilden hier die Engel die Repräsentanten der sieben Versammlungen. Anstatt von Christo als dem Haupt des Leibes zu reden, stellt der Heilige Geist in der Offenbarung

*) Man hat gedacht, dieses Wort sei mit Bezugnahme auf den Engel der Synagoge gebraucht und bezeichne dahei den Bischor oder Haupt»Altesten Allein der Engel der Synagoge war keineswegs ihr Leiter, sondern ein Vorleser Es ist möglich, daß zur Zeit, als die Offenbarung geschrieben wurde, der Alteste oder der hervorragendste unter den Altesten eine Art von Vorsitz führte. Aber wenn dies auch wirklich der Fall war und ]ener Alteste dadurch verantwortlich wurde, so beweist doch schon der Gebrauch des Namens „Engel", daß wir es hier mit etwas anderein zu tun haben. Nimmer wurde der Herr in der Schritt einen ''olchen kirchlichen Titel anerkennen

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die Verantwortlichkeit in den Vordergrund, welcher der Leib in seinem zeitlichen Zustand unterworfen ist, sowie ein ge­wisses Verhalten, das der Herr als Folge der empfangenen Vorrechte erwartet. Auch handelt es sich nicht um die Mit­teilung dieser Vorrechte, sondern um den Gebrauch, den die Kirche von ihnen gemacht hat. Keine der sieben Versammlungen ist demzufolge an und für sich ein Werk Gottes. Was hier stattfindet, ist eine richterliche Untersuchung, und ich brauche kaum zu sagen, daß Gott nicht Sein eigenes Werk einer Be­urteilung unterzieht, sondern Er richtet den Menschen auf dem Boden der Verantwortlichkeit nach dem, was er durch jenes Werk empfangen hat.

Wenn die Schrift von der Versammlung Gottes redet, so geschieht es in ganz bestimmter und unterschiedlicher Weise. Die Leiden Christi und die Herrlichkeiten danach bildeten das Zeugnis der Propheten, ehe der Heilige Geist herniedergesandt wurde. Als Christus auf der Erde war, sagte Er: „Auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen"; sie war noch nicht gebildet. Christus konnte nicht eher das Haupt im Him­mel sein, bis die Erlösung vollbracht war; ich spreche hier selbstverständlich nicht von der Errettung einzelner, sondern von dem Leibe Christi. Die Geschichte des Stephanus führt uns einen Schritt weiter- ein Mensch auf der Erde, erfüllt mit dem Heiligen Geiste, sieht den Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen. Das Gesicht, das Paulus auf dem Wege nach Damaskus sieht, zeigt uns noch mehr, es offenbart innere Einheit mit Christo. Alle wahren Christen sind Seine Glieder, und dies nicht nur, weil sie Teil­haber Seiner, der göttlichen Natur sind, sondern weil dieselbe Macht, die Ihn auferweckte, auch sie auferweckt, und weil der Heilige Geist sie mit Ihm, dem Haupte, vereinigt hat. Der Herr fragt den erschreckten Saulus: „Was verfolgst du mich?" Wenn meine Hand verwundet ist, dann sage ich: Ich bin ver­wundet; denn meine Hand bildet einen Teil von mir. Außer­dem aber gibt es noch einen anderen Charakter, den dieser Leib naturgemäß hat; er wird „mitaufgebaut zu einer Behau­sung Gottes im Geiste". Da nun die Versammlung der Platz ist, wo Gott wohnt, und sie auf der Erde zur Offenbarung Seiner Herrlichkeit dienen soll, so kommt Gott, um zu unter­suchen, welche Frucht diese Vorrechte in den Händen des Men-

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sehen hervorgebracht haben. Es handelt sich hier also nicht um die Tatsache, daß der Heilige Geist in der Kirche wohnt, son­dern um den Gebrauch, den die Menschen davon gemacht haben.

Es gibt zwei Grundsätze, nach denen Gott stets Sein Volk richtet. Erstens: Der ursprüngliche Zustand des Volkes, die Segnung, mit der Er begonnen, die Stellung, von welcher Sein Volk abgewichen ist. Zweitens: das Ziel, nach dem Seine Wege führten — die Hoffnung, die Er Seinem Volk vor Augen ge­stellt hat — und die Fähigkeit des Volkes zum Genuß der Segnung, mit der Er ihm am Ende, bei der Offenbarung Seiner Gegenwart, begegnen will. Zur Erläuterung dieses Grund­satzes führe ich als Beispiel das Volk Israel an. In Jesaja 5 sagt Gott: „Was war noch an meinem Weinberge zu tun, das ich nicht an ihm getan hätte?" In Kapitel 6 aber beweist die Offenbarung der Herrlichkeit Jehovas, daß der Zustand des Volkes nicht nur der ihm im Anfang verliehenen Segnungen nicht entsprach (denn Jesaja sagt- „Inmitten eines Volkes von unreinen Lippen wohne ich"), sondern daß er auch nicht für die Herrlichkeit paßte, auf die Jehova ihre Blicke und ihre Erwartung gerichtet hatte. Während der Oberrest nach der Wahl der Gnade zu jeder Zeit bewahrt wird, fällt der übrige Teil des Volkes dem Gerichte anheim. Wenden wir uns jetzt zu der Versammlung zurück, so sehen wir, daß der Herr zu­nächst die Vorrechte, die Er gegeben hat, berührt und dann fragt, ob der Wandel den Vorrechten entsprochen habe. Er richtet gleichsam die Frage an die Versammlung zu Ephesus:

Hast du deine erste Liebe verlassen? Und da die Antwort leider bejahend lautet, so fährt Er fort: „Gedenke nun, wovon du gefallen bist". „Ich habe euch geliebt und mich selbst für euch dahingegeben", das war das wahre Maß der Liebe zu Ihm, in welchem sie hätte wandeln sollen, als die Versamm­lung Gottes, die Er Sich erworben hat „durch das Blut seines Eigenen", und die zu allem heiligen Wandel unter den Schutz des Blutes gestellt ist, wie wir dies vorbildlich in den Priestern des alten Bundes sehen. Das Blut wurde auf die Hand, den Fuß und das Ohr des Aussätzigen sowohl wie des Priesters getan (zur Reinigung des einen und zur Einweihung des ande­ren; vgl, 2. Mo 29; 5. Mo 14) so daß nichts gestattet werden durfte, was dieses Blut verunehren konnte. So sind auch wir

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unter den Schutz des Blutes gekommen, und jetzt entsteht die Frage: Haben wir diesem Blute, das auf uns gebracht worden ist, entsprechend gehandelt? Ist in Gesinnung, Tat oder Wan­del nichts vorgekommen, was nicht Gott gemäß war? Der Herr übt stets Gericht in einer Versammlung aus, obwohl Er sie lange Zeit in Geduld trägt. Er erwies dem Volke Israel Seine Langmut länger als siebenhundert Jahre, nachdem das Gericht durch den Mund Jesajas angekündigt worden war; aber ob­wohl Gott den Fehltritten Seines Volkes gegenüber sehr ge­duldig ist, so kann Er doch den Maßstab der Ansprüche Seiner ersten Segnung nie verringern.

Zu Sardes sagt der Herr: „Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem Gott"; doch wie tief war es gefallen! Wir können uns vor dem Herrn wegen unserer Fehltritte de­mütigen und werden dann stets jene Gnade finden, die uns wieder aufrichtet; aber Gott erniedrigt niemals den Maßstab dessen, was in uns hervorgebracht werden sollte, und wir selbst werden dies nicht wünschen. Es kann nicht der Wunsch eines wahren Gläubigen sein, daß Gott den Maßstab Seiner Heiligkeit verringere, um dadurch imstande zu sein, uns in den Himmel einzuführen.

Durch die Gnade kann ich in bezug auf die Versammlung Gottes nichts annehmen, was hinter dem Gemälde, das Gott zuerst von ihr gegeben hat, zurückstände. Nehmen wir z. B. den Menschen als solchen; er hat die Unschuld verloren; des­sen ungeachtet kann ich im Blick auf ihn keinen niedrigeren Standpunkt oder Maßstab annehmen, als wo Sünde ganz ab­wesend ist. Und dies ist noch nicht alles. Gott stellt jetzt einen noch köstlicheren Gegenstand der Wünsche vor mein Herz, in dem Er das, was verlorengegangen ist, ersetzt, und zwar durch die vollkommene Offenbarung Seiner Selbst, Seiner eigenen Herrlichkeit in Seinem Volke. Der Gläubige soll daher seinen Zustand nicht mit dem Zustand des ersten gefallenen Adam, noch mit dem ersten Zustand der Versammlung messen, son­dern mit Christo Selbst, Dem er begegnen wird.

Wir haben also gesehen, daß Gott einerseits den Abstand, die Entfernung von der ersten Stellung des Segens richtet und andererseits erforscht, inwieweit die Versammlung der Fülle des Segens, zu der Gott sie beruft, entsprochen hat. Gott

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richtet und beurteilt uns gemäß unserer vergangenen und unserer zukünftigen Segnung. Daher finden wir in all den Sendschreiben an die Versammlungen zunächst ihren Abstand, ihr Fernsein von den ursprünglichen Segnungen, und dann wird untersucht, inwieweit ihr gegenwärtiger Zustand der Segnung entspricht, zu der sie berufen sind und die von Gott verheißen wird. Paulus konnte sagen: „Vergessend was da­hinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christo Jesu". Wenn jemand dieses sagen kann, dann hat er ein gutes und glückliches Gewissen vor Gott, im Blick auf die vor ihm liegende Herrlichkeit. Möchte es jeder Gläubige mit Ernst bedenken, daß sein Standpunkt ein falscher und seine Neigungen nicht die richtigen sind, sobald er etwas anderes tut, als dem Christus der Herrlichkeit nach­zufolgen, Der vor das Auge seines Herzens gestellt ist. Wir wissen, daß die Versammlung ihre erste Liebe verlassen hat. Möchten wir daher stets eingedenk sein, daß Gott, so geduldig und langmütig Er ist, niemals Seinen Maßstab niedriger stellen kann, und daß es deshalb unser Teil ist, „Buße zu tun". Gnade genug ist vorhanden, um aufzurichten und wiederher­zustellen; allein mein Gewissen würde nicht glücklich sein, wenn Gott die Züge des Bildes, das Er mir von der Versamm­lung gegeben hat, irgendwie schwächte.

Der Mensch hat seine Unschuld verloren; das Kreuz hat jedoch Erlösung und Segnung gebracht, und obwohl ich das herrliche Resultat dieser Erlösung noch nicht erreicht habe, wie es sich in der Herrlichkeit Dessen, Der sie vollbracht hat, offenbaren wird, so „jage ich doch hin nach dem Kampfpreis", so nur kann mein Gewissen glücklich sein. Wäre der Gedanke an das Kommen des Herrn, um uns in die Herrlichkeit ein­zuführen, recht lebendig in uns, wie vieles würde dann ver­schwinden! Stände die Hoffnung Seiner Ankunft stets vor unseren Augen, wie viele Gegenstände, auf die wir jetzt Wert legen, wie viele Sorgen und Kümmernisse, die uns jetzt drük­ken, würden dann wie nichts erscheinen! „Jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist". Aber ach! die Versammlung hat ihre erste Liebe verlassen und damit auch ihre Erwartung verloren. Die Hoffnung auf die baldige Ankunft des Herrn bringt Ihn unseren Seelen sehr

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nahe, und die Folge ist, daß wir den Zustand, in dem wir uns befinden, richten. Wir sind berufen, Jesu zu begegnen. Be­finden wir uns in einem Zustand, der uns Seiner Ankunft freudig entgegensehen läßt?

Es gibt außerdem noch eine andere Wahrheit, die ein Be­weggrund zur Heiligkeit in der Versammlung ist: nämlich die Gegenwart des Heiligen Geistes. Es steht geschrieben: „Be­trübet nicht den Heiligen Geist Gottes" — tut nichts, was mit Seiner Gegenwart ebensowenig vereinbar wäre, wie mit der Herrlichkeit, der ihr entgegengeht und von der Er Zeugnis ab­legt. In den drei ersten Sendschreiben wird das Kommen des Herrn gar nicht erwähnt; sobald aber hernach das Böse festen Fuß gefaßt hatte, bildet die Ankunft des Herrn den vorherr­schenden Gedanken. Sie ist unsere Freude und Hoffnung, die uns aufrechthält, wenn alles andere zusammenbricht.

Bevor ich schließe, möchte ich das Gesagte noch einmal kurz zusammenfassen. Das Buch der Offenbarung trägt einen pro­phetischen Charakter. Die Versammlung wird in ihm nicht dargestellt als die Behausung des Heiligen Geistes, der von Christo, als dem Haupt des Leibes, Zeugnis gibt, noch wird der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn Ausdruck gegeben. Alles ist hier richterlich. Christus erscheint zunächst als Richter der Versammlung, betrachtet in ihrer irdischen und nicht in ihrer himmlischen Stellung, und dann als Richter der Welt. Das ganze Buch teilt sich in drei Hauptabschnitte — „was du gesehen hast, was ist, und was geschehen wird nach diesem". Gott richtet auf zweierlei Weise. Er untersucht, ob wir die bereits empfangenen Segnungen benutzen, und dann, ob wir in einer Weise wandeln, die mit der verheißenen Herr­lichkeit im Einklang steht.

Zufolge der Vorrechte, die Er uns mitgeteilt hat, erwartet der Herr durch die Gnade eine Antwort des Herzens auf die Herrlichkeit, zu der Er uns beruft. Da Er uns gesegnet hat, so erwartet Er die Antwort: „Komm, Herr Jesu!" Er sucht die Frucht der Gnade, die Er gegen uns hat überströmen lassen, und unser Teil ist es, zu untersuchen, wozu wir durch diese Gnade berufen sind. Nicht als ob wir es schon ergriffen hätten, sondern in der Kraft eines neuen Lebens eilen wir vorwärts, „vergessend was dahinten ist". Das Herz Gottes ist damit

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beschäftigt, uns zu segnen, und Er erwartet aus unseren Her­zen eine Antwort auf diese Kenntnis von unserer himmlischen Berufung.

Möchten wir daher das genießen, wozu Gott uns in Gemein­schaft mit Seinem Sohn berufen hat! Möchte es auf die Ge­fühle und Zuneigungen unserer Herzen einen so mächtigen Einfluß ausüben, daß wir in Aufrichtigkeit sagen können:

Eines aber tue ich!" Der Herr öffne unsere Augen und erfülle sie mit Seiner Herrlichkeit, damit wir wandeln in der Kraft der Hoffnung, Ihn zu sehen, wie Er ist, und für immer bei Ihm und Ihm gleich zu sein!

Wie wir gesehen haben, ist es der Gedanke und Ratschluß Gottes hinsichtlich der Versammlung, daß sie der Leib Christi sein soll, wenn Er die Herrschaft über alles einnimmt. Gott hat Christum hoch erhoben, „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft . . . und hat alles Seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Ver­sammlung gegeben, welche sein Leib ist", und deshalb „die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt", genannt wird (Eph 1. 21—25). Alle Fülle der Gottheit wohnte in Christo, aber dies ist etwas ganz anderes. Wir sind Seine Fülle, d. h. wir ver­vollständigen oder vollenden den geheimnisvollen Menschen, dessen Haupt Christus ist. In dem zukünftigen Zeitalter wird die Versammlung die Herrlichkeit Christi vervollständigen und entfalten, und dann wird nicht nur Christus im Himmel sein, gekannt von den Gläubigen, sondern Er wird Seinen Platz nehmen als Herrscher über die Erde und über alle Dinge. Es ist ein köstlicher Gedanke, daß nicht bloß Gott als Gott, son­dern daß Christus es ist, der in Erlösung und in Seiner Fülle als Mittler in Gnade und Gerechtigkeit alles erfüllt. „Der hin­abgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, auf daß er alles erfüllte" (Eph 4, 10). Alles, vom Staube der Erde bis zum Thron Gottes, ist der Schauplatz der Erfüllung der Herrlichkeit Christi gewesen und hat zugleich Zeugnis von dieser Herrlichkeit abgelegt. Wenn Er aber wirk­lich einmal „alles erfüllt" und dies nicht länger nur Gegen­stand des Glaubens ist, so wird Er nicht allein sein, sondern als Haupt des Leibes, der jetzt gebildet wird, die Versammlung an Seiner Herrschaft teilnehmen lassen. An jenem Tage wird

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Ihm alles unterworfen und die Versammlung Ihm zugesellt sein. So war es in Eden: Adam, das Bild des Zukünftigen, war Herr über die ganze Schöpfung; Eva bildete weder einen Teil der Schöpfung, über welche Adam herrschte, noch hatte sie ein eigenes Anrecht auf die Schöpfung, sondern sie war ihrem Mann in der Herrschaft zugesellt. In Epheser 5 wird diese Stellung Evas erwähnt und auf die Versammlung angewendet:

„Dieses Geheimnis ist groß; ich aber sage es in bezug auf Christum und auf die Versammlung".

Christus besitzt jedes Anrecht auf die Herrschaft über alle Dinge (s. Kol i). Da Er Gott ist, sind alle Dinge 'durch Ihn und für Ihn geschaffen. Und beachten wir, daß Er in jenem Kapitel einen doppelten Vorrang hat: Er ist Haupt der Schöpfung, wenn Er als Sohn Seinen Platz in ihr einnimmt — denn Er ist der Schöpfer — und Er ist Haupt der Versammlung, denn „Er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, welcher der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, auf daß er in allem den Vorrang habe". Ein zweites Anrecht auf den Vorrang besteht darin, daß Er „der Sohn" ist, und zwar nicht nur als Schöpfer, sondern auch als Erbe. Wir finden diesen Ratschluß und diese Absicht Gottes in betreff Seines Sohnes in Hebr 1. wo wir lesen: „den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge". In diesem Kapitel ist der Messias Gegenstand der Betrachtung.

Ein drittes Anrecht auf den Vorrang gibt Christo Seine Stellung als „Mensch". Der Psalm 8, der die Herrlichkeit des tausendjährigen Reiches ankündigt, wird in Hebr 2 durch den Heiligen Geist auf Christum angewandt. „Wir sehen aber Jesum, der ein wenig unter die Engel... erniedrigt war, mit Herr­lichkeit und Ehre gekrönt". „Du hast alles seinen Füßen unter­worfen" (vgl. Eph 1. 22; 1. Kor 15, 27). Die gänzliche Er­füllung dieser Unterwerfung steht freilich noch bevor. Christus hat also, wie wir gesehen haben, Anrecht auf die Herrschaft:

erstens als Schöpfer, denn „durch ihn sind alle Dinge erschaf­fen"; zweitens als Sohn, „den er gesetzt hat zum Erben aller Dinge"; drittens als Mensch, Dessen Füßen nach den Rat­schlüssen Gottes alles unterworfen ist. Er kann aber das Erbe in seinem verunreinigten Zustand nicht antreten, und so hat Er mittels der Erlösung ein viertes Anrecht: Sein Anrecht auf ein erlöstes und gereinigtes Erbteil. In bezug auf uns, die wir

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unter der Sünde waren, entfremdet und Feinde nach der Ge­sinnung in den bösen Werken, handelt es sich nicht nur um Reinigung; auch unsere Schuld ist hinweggetan, und nachdem dies geschehen ist, hat Er uns zu Seinem Leibe gemacht, wie geschrieben steht: „Wir sind Glieder seines Leibes, von sei­nem Fleische und von seinen Gebeinen". Der Heilige Geist kommt hernieder und heiligt uns, damit wir der Leib Christi seien in lebendiger Kraft und in Einheit, denn wir sind mit dem Heiligen Geiste zu einem Leibe getauft (1. Kor 12, 15). Nicht nur wird jede einzelne Seele lebendig gemacht und durch 'den Heiligen Geist versiegelt, sondern die Gläubigen sind in einem Geiste alle zu einem Leibe getauft. Dies nahm am Pfingsttag seinen Anfang, und seitdem war diese Taufe das Teil jedes Gläubigen. Es ist eine wichtige und gesegnete Wahrheit, daß der Heilige Geist, wie sehr wir Ihn auch betrübt haben mögen, doch persönlich in jedem Gläubigen wohnt und ihn zurecht­weist. Auch ist es in bezug auf die Versammlung überaus köstlich, zu wissen, daß der Heilige Geist nicht, wie der Herr Jesus, nur kurze Zeit bei Seinem Volk weilt und dann wieder weggeht. „Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit". Die bleibende Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung ist auf die durch Chri­stum vollbrachte Erlösung gegründet und nicht abhängig von dem Gebrauch, den wir von den erlangten Vorrechten machen;

wohl aber hängt Seine Wirksamkeit von dem guten oder schlechten Gebrauch dieser Vorrechte ab.

Die Versammlung Gottes, die mit Christo vereinigt ist, hat ihren Platz: erstens kraft der Person Christi, zweitens auf Grund der Erlösung durch Christum und drittens durch die Gegenwart des Heiligen Geistes. Hierbei handelt es sich nicht um Prophezeiung, sondern um die Macht der göttlich leben­digen Gnade, welche die Versammlung oder Kirche in die gött­liche Herrlichkeit stellt. Sobald der Heilige Geist die Ver­sammlung also gebildet hat, wird sie hienieden als der Leib Christi behandelt: „aus welchem der ganze Leib, wohl zu­sammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Dar­reichung, . . . das Wachstum des Leibes bewirkt . . ."Es verhält sich damit, wie mit dem Wachstum eines Kindes; der Leib ist vorhanden und jedes Glied ist an seinem Platz, und das Kind wächst auf zu seinem vollen Wüchse.

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In. den beiden ersten Kapiteln des Briefes an die Epheser wird uns die Versammlung einerseits als der Leib Christi im Himmel, und andererseits als die Wohnung Gottes durch den Geist auf der Erde dargestellt. Dieser zweite Charakter der Versammlung ist bedeutsam. Die Bildung der Versammlung Gottes auf der Erde durch den Heiligen Geist schließt not­wendigerweise ihre Verantwortlichkeit in sich, hienieden die Herrlichkeit Dessen zu offenbaren. Der sie an diesen Platz gestellt hat. Die Verantwortlichkeit verändert nie die Gnade Gottes; aber so lange die Versammlung auf der Erde weilt, ist sie hier für die Verherrlichung ihres abwesenden Hauptes ver­antwortlich — nicht als sei sie unter dem Gesetz — aber sie ist verantwortlich, die Herrlichkeit Dessen darzustellen. Der sie erkauft und in diese Stellung versetzt hat. Sie soll ein Licht sein inmitten der Finsternis — „inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheinet wie Lichter in der Welt" (Phil 2, 15), „damit ihr die Tugenden dessen ver­kündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht" (1. Petr 2, 9), und wie Paulus in 2. Kor 3 sagt: „die ihr offenbar geworden, daß ihr ein Brief Christi seid . . . gekannt und gelesen von allen Menschen". Es heißt:

„Brief" und nicht „Briefe" Christi. Es ist ein Leib — eine Ab­schrift von Christo. Die Versammlung wurde hingestellt als ein Empfehlungsbrief Christi an alle Menschen, damit sie darin lesen möchten und die Macht der Erlösung und den Charakter Dessen sehen könnten. Der nicht gesehen wird, Der aber durch den Heiligen Geist in der Versammlung wohnt und sie zu einem sichtbaren Zeugen ihres unsichtbaren Haup­tes bildet. Jesus bittet in Joh 17: „auf daß sie alle eins seien". Zu welchem Zweck? „auf daß die Welt glaube, (noch nicht „erkenne", welches die Frucht der Herrlichkeit ist) daß du mich gesandt hast". Das hätte die Wirkung dieser Einheit während der jetzigen Periode sein sollen. Wenn die Versammlung in der Offenbarung der Herrlichkeit bei Christo und Ihm gleich ist, so muß die Welt notwendigerweise erkennen, daß der Vater den Sohn gesandt hat, und nicht allein das, sondern sie wird auch erkennen, daß der Vater uns geliebt hat, wie Er Jesum geliebt hat, indem sie uns mit Jesu in derselben Herr­lichkeit erblickt. Wenn daher die Welt, um zu glauben, die Versammlung als „eins", als den Brief Christi an ihrem Platz

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der Verantwortlichkeit hier sehen soll, so muß dies vor jener herrlichen Zeit geschehen. Die Verantwortlichkeit der Ver­sammlung besteht darin, das Leben des Hauptes im Himmel auf der Erde in Macht zu offenbaren. So sehen wir also, welch ein verantwortlicher Platz es ist, unter der Gnade zu sein;

denn gerade unsere Stellung unter einer so freien Gnade hat unsere besondere Verantwortlichkeit hervorgebracht. Wenn dieser Leib in seiner Verantwortlichkeit auf der Erde in Be­tracht kommt, so sehen wir, daß der Herr notwendigerweise von seinem Verhalten unter Verantwortung Kenntnis nimmt. Deshalb finden wir den Herrn in Offb 2 und 5 nicht als das Haupt des Leibes, noch als Den, von Welchem die Gnade auf die Glieder des Leibes herabfließt, sondern als wandelnd i" mitten der Leuchter, in dem Charakter eines Richters, um zu sehen, ob ihre Tätigkeit der empfangenen Gnade entspricht. Durch alle Sendschreiben zieht sich gleichsam folgender Grund­satz des Gerichts hindurch: „Ich will einem jeden von euch geben, je nach dem Gebrauch, den er von den Vorrechten und der Gnade gemacht hat, in welche die Versammlung im Anfang gesetzt worden ist". Das ist ein ernstes Wort für uns, um so ernster, je mehr wir die Gnade zu schätzen wissen. Es handelt sich hier nicht um Verdammnis, wie bei dem Gesetz; aber je völliger ich die Liebe verstehe, in deren Zeugnis ich gefehlt habe, um so mehr wird mein Herz betrübt sein, wenn ich dieser Gnade nicht in einer ihr würdigen Weise entspreche. Indem ich hierin fehle, verbinde ich gleichsam die Sünde mit dem Namen Gottes, den ich trage. Die Bosheit Israels bewies nicht nur, daß der Mensch ein Sünder ist, sondern bewirkte auch, weil Gott „seinen Namen dahingesetzt hatte" (2. Kön 21, 4), eine Verbindung der Sünde mit dem Namen Gottes. Dies ist es, was Jehova Israel vorwirft, wenn Er sagt: „Der Name Gottes wird eurethalben gelästert unter den Nationen". Das Zeugnis von Seinem Namen war ihnen anvertraut wor­den, und sie hätten es bewahren sollen. Gott wird am Ende die Rechte Seines heiligen Namens völlig auf der Erde zu be­haupten wissen; und dies ist noch weit mehr der Fall hinsicht­lich der Versammlung des lebendigen Gottes. Die Welt sollte in der Versammlung die praktische Darstellung vollkommener Heiligkeit und Liebe sehen; denn wir sind zu Teilhabern der Heiligkeit Gottes gemacht und sind Gegenstände Seiner un-

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endlichen und vollkommenen Liebe. Die Versammlung sollte hienieden ununterbrochen nur eine Stellung, nur einen Dienst haben, nämlich der Welt zu offenbaren, was sie von ihrem lebendigen Haupt im Himmel genießt. Nie hat die Versamm­lung Christum nach dem Fleische gekannt; sie kennt Ihn nur als Den, Der von der Welt verworfen und jetzt im Himmel ist, und deshalb sollte sie in einer so völligen Trennung von der Welt erfunden werden, daß es offenbar würde, was ihr Haupt ist. In dieser Weise sollte sie der Empfehlungsbrief Christi sein. Beachten wir hier die Tragweite des Wortes Brief. So wie einst das Gesetz auf den steinernen Tafeln zu lesen war (2. Kor 5), so sollte die Welt sehen, was Christus in uns ist; wir sollten ein lebendiger Brief sein, „gekannt und gelesen von allen Menschen". Der Charakter unseres Wandels wird in dem Maße an wahrer Tiefe gewinnen, wie wir verwirklichen, was Seine Gnade für uns getan und wozu sie uns berufen hat. Wir sehen also, wie der Herr dieses dem Grundsatz nach nie aufgibt. Er weicht nie von dem ab, wozu die Versammlung als Zeugin berufen ist, wenn Er sie auch in Geduld tragen mag

Wenden wir uns jetzt zu einem anderen Punkt, zu der Frage, welcher Gebrauch von den sieben Sendschreiben zu machen ist, so fällt uns auf den ersten Blick zweierlei ins Auge. Zunächst ist es eine geschichtliche Tatsache, daß es Ver­sammlungen auf der Erde gab, die sich in dem hier beschrie­benen Zustand befanden; zweitens enthalten die Briefe eine moralische Belehrung, die auf jeden einzelnen Heiligen ihre Anwendung findet, auf jede Person, die ein Ohr hat zu hören und ein verständiges Herz, um den Sinn des Herrn zu erken­nen. Gehen wir weiter, so werden wir finden, daß auch die Zahl der Versammlungen, an welche die Sendschreiben gerich­tet sind, von Bedeutung ist. Die Zahl sieben, das Symbol der Vollkommenheit, wiederholt sich häufig im Buch der Offen­barung, sieben Siegel, sieben Trompeten, sieben Schalen usw. Die Wahl dieser Zahl bezeichnet daher in diesem Fall den voll­ständigen Kreis der Gedanken Gottes bezüglich der Kirche, als verantwortlich auf der Erde gemäß der ihr zuteil gewordenen Gnade. Nicht, als ob zu jener Zeit nur sieben Versammlungen auf Erden bestanden hätten; wir kennen noch viele andere, wie zum Beispiel die von Kolossä und Thessalonich, Korinth

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u. a., aber diese bleiben alle unerwähnt, weil sie nicht die mo­ralischen Elemente darboten, die der Heilige Geist zu jenem vollständigen Gemälde bedurfte.

Beschäftigen wir uns mit der Einheit des Leibes mit dem Haupte, so haben wir es nicht mit der Verantwortlichkeit, sondern mit den Vorrechten zu tun, deren Maß und Ziel das Leben und die Herrlichkeit Christi sind. Kapitel 2 und 5 der Offenbarung stellen uns jedoch den gegenwärtigen und ver­änderlichen Zustand der Versammlung vor Augen. Es handelt sich daher nicht um Vorrechte, sondern in ganz bestimmter Weise um Verantwortlichkeit. Ferner können sich die Schrei­ben nicht alle auf den ganzen verantwortlichen Körper zu ein und derselben Zeit beziehen. Es sind sehr verschiedene Zu­stände in den Versammlungen vorhanden, und deshalb kön­nen wir das, was der einen gesagt wird, nicht auf jede andere anwenden; die jedesmaligen Beschuldigungen und Verheißun­gen tragen einen unterschiedlichen Charakter. Wir werden jedoch finden, wenn wir in die Einzelheiten näher eingehen, daß von verschiedenen Teilen der bekennenden Kirche mit unterschiedlichen Charakteren gesprochen wird, als wenn sie teilweise zu gleicher Zeit beständen. Wir können deshalb sagen: Der Inhalt eines jeden Sendschreibens findet in ge­wissem Sinne seine Anwendung auf die Kirche im allgemeinen, doch beziehen sich nicht alle auf die ganze Kirche zu ein und derselben Zeit. Was wir in den Sendschreiben finden, ist daher entweder ein fortlaufendes und prophetisches Gemälde von dem Zustand der Kirche auf der Erde, als verantwortlich vor Gott, vom Anfang bis zum Ende der gegenwärtigen Periode, oder der besondere Zustand eines Teiles der Kirche, der zur Vervollständigung des ganzen Gemäldes notwendig ist, — die verschiedenen Zustände, worin sie sich der Welt dargestellt hat, bis der Herr sie ausspeit aus Seinem Munde.

Es möchte nun gefragt werden; „Wie kann die Kirche aus dem Munde Christi ausgespien werden, wenn sie den Leib Christi bildet und bei Ihm in der Herrlichkeit sein soll?" Dies ist allerdings unmöglich, so lange man von dem Leibe Christi spricht; aber die Kirche, als äußerlicher Körper auf der Erde, verliert nie ihre Verantwortlichkeit, worin auch ihre charak­teristischen Merkmale bestehen mögen. Wenn der untreue

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Knecht seines Herrn Willen nicht tut, dann wird er nicht be­handelt, als wenn er gar kein Knecht wäre, sondern als ein Heuchler, gemäß der Stellung, in der er gefunden wird. Ob­wohl er in Wahrheit kein Knecht ist, wird ihm doch nicht gesagt: „Du bist kein Knecht", sondern: „Den unnützen Knecht werfet hinaus in die äußere Finsternis . . . und setzt ihm sein Teil mit den Untreuen". Er wird auf Grund seines Bekenntnisses behandelt und verurteilt.

Ähnlich erging es dem Volke Israel. Von Gott dazu aus­ersehen, Seinen Namen vor der Welt zu tragen, fehlte es; es wurde als verantwortlich behandelt und, was seine Stellung unter dem alten Bunde betrifft, beiseitegesetzt. Das Wort des Herrn an den unfruchtbaren Feigenbaum lautete: „Nimmer­mehr komme Frucht von dir in Ewigkeit". Der Feigenbaum mochte Blätter tragen; aber der Herr kam, um Frucht zu suchen, und als Er keine fand, sprach Er: „Nimmermehr komme Frucht von dir ... und alsbald verdorrte der Feigen­baum". Auf diese Weise wurde Israel, als ein Gefäß, das vor der Welt den Namen Gottes tragen sollte, beiseitegesetzt, aber dies berührt keineswegs die Frage der Treue Gottes. Gott wird Israel in den letzten Tagen wiederherstellen; bis dahin fließt der Strom der Gnade ununterbrochen fort, indem Gott den Oberrest aus ihnen, den wahren Samen Abrahams, sammelt, und zwar zum Genuß besserer Vorrechte als die früheren;

denn sobald Israel als ein Ganzes beiseitegesetzt war, begann der Herr aus Juden und Heiden Seine Versammlung zu bilden, und Er „tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten". Es handelt sich hier nicht um die Gewißheit persönlicher Errettung, sondern um das Gefäß, dessen Gott Sich bedient, um Seinen Namen vor der Welt zu tragen. Ein­zelne, die glauben, werden in den Himmel eingehen, 'aber das Gefäß des Zeugnisses muß, wenn es gefehlt hat, zerbrochen werden. Gott hat lange Zeit Geduld mit ihm; wenn es aber, nach allem, was mit ihm geschehen ist, nur wilde Trauben hervorbringt, so muß es abgehauen werden. Ohne Zweifel wird ein treuer Überrest in den Himmel aufgenommen, aber das Gefäß als sichtbares, öffentliches Zeugnis, wird wegge­worfen.

In Röm 11 sehen wir, wie Gott das, was Er jetzt auf der Erde gebildet hat, um Seinen Namen zu tragen, in die Stel-

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lung eines öffentlichen, sichtbaren Systems hienieden bringt, so wie Er es einst mit Israel tat. „Sieh nun die Güte und Strenge Gottes: gegen die, welche gefallen sind, Strenge;

gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst, sonst wirst auch du ausgeschnitten werden". Gott kann die bekennende Kirche, in vollkommener Übereinstimmung mit dem, was Er von Sich Selbst geoffenbart hat, ausspeien, weil es sich dabei nicht um Seine Gnade und Güte oder um persön­liche Errettung, sondern einzig und allein um die Verantwort­lichkeit handelt. Und gerade dies macht Seine Handlungsweise mit den Versammlungen zu einer so tiefen und ernsten War­nung für uns; es wird derselbe Grundsatz auf das Zeugnis der Nationen angewendet, wie einst auf das Zeugnis der Juden. Wohl wird Gott jede Verheißung, die Er Israel ge­geben hat, buchstäblich erfüllen. Aber dessen ungeachtet wis­sen wir, daß Er das Volk, als den sichtbaren Zeugen Seines Namens vor der Welt, verworfen hat. Und ebenso wird Er die Kirche verwerfen, wenn sie ihrer Verantwortlichkeit auf der Erde nicht entspricht. Wir sehen also, daß Gott Seine Regie­rung in bezug auf das Zeugnis, das Sein Volk unter jeder Verwaltung ablegen sollte, aufrecht hält, und daß sowohl die Kirche als auch Israel — obgleich in beiden Systemen das Heil des einzelnen für immer gesichert ist — hinsichtlich ihres öf­fentlichen, sichtbaren Zeugnisses beiseitegesetzt werden. Was wir hier finden, ist also einerseits die Verantwortlichkeit und andererseits die Folgen des Fehlens im Zeugnis.

Ephesus

Wenden wir uns jetzt zu dem Sendschreiben an die Ver­sammlung in Ephesus. Gott gibt uns darin ein bestimmtes Beispiel und eine ernste Warnung. Durch die Schriften in den Wegen und Handlungen Gottes unterwiesen zu werden, ist unzweifelhaft ein wirksames Mittel zur Stärkung und Be­festigung der Seele; aber die Wahrheit direkt auf meine eigene Seele angewendet zu sehen, ist eine Quelle der Freude für mich. Obwohl die Kenntnis der allgemeinen Grundsätze der Schrift sehr gesegnet ist, so ist doch die persönliche Anwen­dung der Wahrheit auf Herz und Gewissen noch weit be­glückender.

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In allen sieben Sendschreiben wird zunächst der Charakter Christi vorgestellt, und zwar entsprechend dem Zustand der betreffenden Versammlung. In dem ersten finden wir, als eine Sache von allgemeiner Anwendung, die Worte: „der die sieben Sterne in seiner Rechten hält, der da wandelt inmitten der sieben goldenen Leuchter", d. h. Christum, geoffenbart in dem besonderen Charakter, in dem Er das Gericht vollzieht. Zwei­tens begegnen wir in jeder Versammlung dem besonderen Charakter der Prüfungen der Getreuen, und drittens wird eine besondere Verheißung gegeben, um den Glauben derer, die sich inmitten der Prüfungen befinden, aufrechtzuhalten. Vier­tens, im Blick auf die Zeit völliger Segnung, wird uns das Teil gezeigt, das Christus dem Überwinder gibt, wenn Er die Hei­ligen zu Sich genommen hat.

Die Sendschreiben lassen sich in zwei große Teile zerlegen, von welchen der eine die drei ersten, der andere die vier übrigen Schreiben umfaßt. Dies ist ein bedeutsamer Punkt. In den drei ersten Sendschreiben wird, wie es scheint, die Kirche gemeinschaftlich angeredet, d. h. die Heiligen, wiewohl sie noch zu überwinden haben, werden als in dem großen Körper befindlich betrachtet, während in den vier letzten der kleine Überrest deutlicher abgetrennt ist. Durch diese Einteilung er­halten wir daher bestimmte charakteristische Abschnitte der bekennenden Kirche. In den drei ersten Sendschreiben geht die Ermahnung: „Wer ein Ohr hat, höre", den an die treuen Überwinder gerichteten Verheißungen voran; in den vier letzten folgt sie nach den Verheißungen. In den drei ersten wird von dem hörenden Ohr in Verbindung mit dem allge­meinen, an die Versammlung gerichteten Zeugnis gesprochen, bevor der treue Überrest, welcher überwindet, abgesondert wird; in den letzten folgt die Ermahnung zum Hören auf die Worte: „wer überwindet". In den drei ersten wird das Kom­men des Herrn nicht erwähnt, während mit dem vierten die Aufmerksamkeit auf die Wiederkunft Christi gerichtet wird. Diese und nicht die Rückkehr zu der ursprünglichen Ordnung wird jetzt die Hoffnung des Überrestes, indem der öffentliche, bekennende Körper ganz und gar verderbt ist. In den drei ersten Sendschreiben wird der Versammlung gleichsam ihr ur­sprünglicher Zustand ins Gedächtnis zurückgerufen — ein Zu­stand, zu dem sie möglicherweise zurückgebracht werden

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konnte, wenn sie Buße tat. Wir haben früher gesehen, daß Gott einem verantwortlichen Volk gegenüber Sein Gericht nach zwei Grundsätzen oder Maßstäben mißt: entweder nach der Gnade, die das Volk an diesen Platz der Verantwortlich­keit gestellt hat, oder nach der Herrlichkeit, zu der es berufen ist. Der erste Grundsatz findet seine Anwendung auf die drei ersten Versammlungen. Bei Thyatira jedoch tritt ein Wechsel ein. Die Versammlung oder Kirche als ein Ganzes hat be­wiesen, daß sie in einem hoffnungslosen Zustand ist (ich spreche natürlich von der Versammlung in ihrem Zeugnis hie­nieden, als einem sichtbaren Körper in der Welt) und somit wird von jetzt ab die persönliche Hoffnung vorgestellt, und der Geist wendet Sich in Sonderheit an die, welche überwinden, und stellt ihnen die bei der Ankunft Christi erscheinende Herr­lichkeit zur Ermunterung vor Augen. In Thyatira wird der Überrest zum ersten Mal auf diese besondere Hoffnung hin­gewiesen: „was ihr habt, haltet fest, bis ich komme".

Zu diesen allgemeinen Wahrheiten möchte ich noch hinzu­fügen, daß wir in dem ersten Sendschreiben (an Ephesus) den allgemeinen Charakter erwähnt finden, den Christus bei der Ausübung des Gerichts annimmt, „der die sieben Sterne in seiner Rechten hält", d. h. Der alle Autorität und Macht besitzt;

„der da wandelt inmitten der sieben goldenen Leuchter", d. h. der Versammlungen. Er wandelt umher, um zu sehen, ob die Lichter hell brennen und ob sie das wahre Licht ausstrahlen, das Er angezündet hatte.

Jede dieser Versammlungen trägt demzufolge einen beson­deren Stempel der Verantwortlichkeit. Doch beachten wir, wie der Herr in. dem Sendschreiben an Ephesus jeden Punkt, der irgendwie gutzuheißen ist, hervorhebt, bevor Er die Schatten­seite des Gemäldes berührt. „Ich kenne deine Werke und deine Arbeit und dein Ausharren". Welch ein Glück, daß Er alles kennt, was uns betrifft, sogar die Gedanken und Gesinnungen des Herzens. „Aber ich habe wider dich, daß du deine erste Liebe verlassen hast". Hier begegnen wir einem neuen wich­tigen Grundsatz. Christus ist eifersüchtig auf Seine Liebe zur Versammlung, die stärker war als der Tod. Und könnte es anders sein? Unmöglich kann Er Seine Liebe zur Versamm­lung vergessen, und ebenso unmöglich ist es, daß Er ohne die

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Kundgebung ihrer Liebe zu Ihm befriedigt sein könnte; denn Liebe kann nur durch Liebe befriedigt werden. Gerade der Vorwurf, den Er der Versammlung macht, offenbart die Stärke Seiner Liebe zu ihr, einer Liebe, die nicht ruhen kann, bis sie von seiten der Versammlung eine angemessene Erwiderung findet. Sein Herz erkaltet nicht, so daß Er mit einer schwachen Antwort auf Seine Liebe zufrieden sein könnte, so sehr auch die Gedanken der Versammlung betreffs Seiner Liebe ihre ursprüngliche Wärme verloren haben mögen. Mag auch noch so viel äußere Frucht in „Werken und Arbeit und Ausharren" vorhanden sein, allein die Quelle von diesem allem ist ver­schwunden. „Du hast deine erste Liebe verlassen", darin be­steht das große Übel. Es kommt nicht darauf an, wieviel man arbeitet und sich bemüht; wenn die Liebe Christi nicht der Beweggrund unseres ganzen Dienstes ist, so wird der Dienst nach den Worten des Apostels gleich „einem tönenden Erz und einer schallenden Zimbel" sein, d. h. er wird vergehen mit seinem eigenen Schall.

Wir finden also hier, in dem Sendschreiben an Ephesus, den ersten großen Grundsatz des Abfalls und demzufolge das große allgemeine Gericht, das über die ganze Kirche kam. „Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke"; beachten wir, wie der Herr hier die Sei­nigen zu dem Punkt zurückführt, von dem sie abgewichen sind; „wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust". Der Herr hat die Versammlung berufen. Seine große Liebe, womit Er sie geliebt hat, kundzutun. Versagt ein Zeug­nis hierin, kann Er es nicht länger als Zeugnis in der Welt bestehen lassen; wenn Er es täte, würde Er nicht „der treue und wahrhaftige Zeuge" sein. Der zarte Vorwurf, den Er hier der Versammlung macht, ist der gesegnete Beweis davon, daß Seine Liebe nie erkaltet, so mangelhaft unsere Liebe auch sein mag. In dieser Beziehung ist die Handlungsweise des Herrn mit einzelnen Seelen die gleiche, wie mit der Versammlung. Er nimmt Kenntnis von jeder Entfremdung von Seiner Person;

doch bleibt die Tür zur „Buße" stets offen, und sobald die Sünde gerichtet und in dem Licht, worin Gott sie sieht, ge­sehen wird, steht der augenblicklichen Wiederherstellung nichts im Wege. In dem Augenblick, wo sich das Gewissen wegen

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der Sünde demütigt und sie bekennt, wird es aufrichtig. Die Aufrichtigkeit einer Seele erweist sich, wenn etwas Böses vor­handen gewesen ist, in dem Bewußtsein dieses Bösen und in der Kraft, es zu bekennen; deshalb muß sowohl die Versamm­lung Gottes, als auch die einzelne Seele zu dieser Aufrichtig­keit vor Gott gelangen, damit Er sie für Sich wiederherstellen kann (Hiob 33, 25—26). Sobald die Sünde im Gewissen ge­richtet ist, offenbart sich die nie fehlende Liebe Gottes, um dem Bedürfnis zu begegnen. Ähnlich verhält es sich mit den täglichen Einzelheiten des christlichen Lebens. Obwohl Ge­richte das Volk Gottes treffen mögen, ist doch in allem Seine züchtigende Liebe zu erblicken.

Dies läßt uns verstehen, warum der Herr der Versammlung vorwirft, sie habe ihre erste Liebe verlassen. Durch die Ver­urteilung ihres Zustandes schimmert Seine vollkommene und unveränderliche Liebe hindurch. In den verwandtschaftlichen Verhältnissen des Lebens finden wir etwas ähnliches. Nehmen wir als Beispiel das eheliche Verhältnis. Eine Frau mag ihr Hauswesen aufs Beste besorgen und ihre Pflichten so erfüllen, daß sie ihrem Mann nicht den geringsten Anlaß zum Tadel gibt; wird aber dies alles ihn befriedigen, wenn ihre Liebe zu ihm abgenommen hat, während seine Liebe unverändert ge­blieben ist? Gewiß nicht. Ebensowenig kann es Christum be­friedigen. Er will, daß die Strahlen Seiner Liebe von Seiner Brauf auf Ihn zurückgeworfen werden. Er sagt gleichsam: „Ich bin nicht blind für deine guten Eigenschaften; aber ich muß dich selbst haben". Ist die Liebe, die ehedem die Quelle war, aus der jede Handlung floß, verschwunden, so ist der Dienst ohne Wert. Wenn die Liebe fehlt, ist alles übrige wie nichts. Sicherlich kann unsere Liebe nicht Seiner Liebe in einer ihr würdigen Weise entsprechen, aber sie vermag es doch in einer wahren und aufrichtigen Weise. Der Herr erwartet wenigstens, wenn auch unsere Zuneigung Seiner Zuneigung nie gleichkom­men kann, daß unser Herz ungeteilt ist in bezug auf Ihn. Da wo die Liebe unbeständig ist, muß das Herz geteilt sein. Dies war die verborgene Ursache des Rückgangs in Ephe­sus. Die Ungeteiltheit des Herzens in bezug auf den Gegen­stand der Zuneigung war verlorengegangen; die Einfalt des Auges war verschwunden, und der vollkommene Abglanz jener Liebe, welche die Versammlung für Sich Selbst erworben

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hatte, war nicht mehr vorhanden. Aber obwohl Christus sagt:

„Ich habe wider dich . . .", so erwähnt Er dennoch alles Gute. „du hast Ausharren und hast getragen um meines Namens willen, und bist nicht müde geworden". Man möchte da fragen:

Was will der Herr noch mehr? Seine Antwort lautet: „Ich will dich selbst". Vergessen wir dies nie im Blick auf die Versamm­lung. Hernach sagt Er: „Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke". Dies Wort ist für uns, dünkt mich, überaus ernst und rührend; denn wir haben uns noch weit mehr von der ersten Liebe entfernt als jene. In­dessen findet das Herz des Getreuen eine sichere Zufluchts­stätte in Christo, da es gerade in jenem Vorwurf einen untrüg­lichen Beweis Seiner unveränderten Liebe erblickt.

Doch was ist es, das der Herr in Ephesus als vorzüglich an­erkennt? „Werke, Arbeit und Ausharren". Es wird nichts Be­stimmtes genannt, was den Rückgang bewiese; aber die Wer­ke, welche die Epheser ausgeübt hatten, waren nicht mehr mit der ersten Liebe verbunden. Und beachten wir hier, daß die Versammlung einen ganz bestimmten Dienst, völlig verschie­den von dem, was den Juden jemals oblag, zu erfüllen hat. Gott erwartete nicht von den Juden, daß sie in Liebe von sich ausgehen sollten; die Versammlung aber, welche Gnade empfangen hat, ist berufen, in Gnade auszugehen und den verlorenen Sünder einzuladen. Die Juden besaßen das Ge­setz wie eine Mauer, um die Gerechtigkeit darin zu bewahren;

aber keine Tür war geöffnet, um der Liebe zu gestatten, aus­zuströmen.

Wenden wir uns für einen Augenblick zu den Thessalonichern. Sie befanden sich, in direktem Gegensatz zu den Hei­ligen in Ephesus, in der Frische der „ersten Liebe". Was wird nun von ihnen gesagt? „Unablässig eingedenk eures Werkes des Glaubens und der Bemühung der Liebe und des Aushar­rens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus"; es sind genau die gleichen Dinge/ die auch bei Ephesus gelobt werden. Worin bestand denn der Unterschied? Es wird nicht zu Ephe­sus gesagt, daß es keine Werke habe, wohl aber, daß die wahre Quelle der Werke verschwunden sei; und diese spru­delte bei den Thessalonichern voll und ungetrübt fort. Die drei großen Grundsätze des Christentums: Glaube, Liebe und

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Hoffnung, diese wahre Verbindung des Herzens mit der Quelle der Kraft, waren in Thessalonich völlig vorhanden. Der Glaube, der ihr „Werk" charakterisierte, erhielt ihren Wandel in der Gemeinschaft mit Gott; die Liebe, welche ihre „Bemühung" kennzeichnete, verband sie mit der Quelle der Kraft; die Hoff­nung sodann, die ihr „Ausharren" charakterisierte, stellte das Kommen des Herrn als Gegenstand vor ihre Seele, so daß sie mit Geduld ihres Dienstes warteten. Bei den Thessalonichern war daher nicht nur geistliche Kraft vorhanden, sondern Chri­stus Selbst war der Gegenstand ihrer Herzen, und die Liebe charakterisierte alles. Wie groß ist der Unterschied, wenn ich das mir anvertraute Werk im Geiste der Liebe vollbringe, so daß meinem ganzen Dienst der Charakter dieser Liebe auf­gedrückt ist! Besteht mein Dienst auch nur in der Verkündi­gung des Evangeliums, in welcher Fülle werde ich einer ver­lorenen Welt die Liebe Gottes vorstellen, wenn die Liebe Christi in meiner eigenen Seele frisch sprudelt! Aber ach! wie oft haben wir uns anzuklagen, daß wir zwar die uns oblie­genden christlichen Pflichten in gewissem Sinn treu erfüllen, daß aber unsere Bemühung nicht aus der lebendigen Ver­wirklichung der Liebe Christi zu uns entspringt.

Indessen haben Gerechtigkeit und Heiligkeit, dazu das Ver­halten der Versammlung in Verbindung mit diesen Charak­teren Gottes, ebensowohl ihren Platz wie die Liebe, die die Natur Gottes ist. „Du kannst das Böse nicht ertragen". Der natürliche, normale Zustand der Versammlung kennzeichnet sich durch die volle Kraft des Guten inmitten des Bösen, indem sie durch die göttliche Kraft ein klares Zeugnis ablegt. Die Ver­sammlung sollte nicht der Ort sein, wo Gutes und Böses ein­ander bekämpfen, sondern sie sollte sich in einem Zustande befinden, der sie zu der Offenbarung des Guten inmitten des Bösen macht. Sobald ein Rückschritt eintritt, erhebt sich die Frage des Bösen in ihrer Mitte, „aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen", das bezeichnet den allein richtigen Zustand der Versammlung; es ist ihr ursprünglicher Zustand, der einzige, der unbedingt anerkannt ist. Danach kommt die Macht, das Böse hinwegzutun und es zu einer Ge­legenheit der Segnung zu machen, wenn es sich zeigt (vergl. die Apostelgeschichte). Hört es aber auf, also zu sein, dann erhebt sich, wie hier, die Frage des Bösen innerhalb der Versamm-

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lung. „Du kannst das Böse nicht ertragen". Diese Worte be­weisen, daß das Böse sich eingeschlichen hatte. Der Strom des Guten hatte nachgelassen, in seiner mächtigen Fülle zu fließen, und so war es eine mühevolle Arbeit geworden, ihn in Sicher­heit und Segen zu befahren. Die Dämme waren durchbrochen, und das Böse war eingedrungen; sonst könnte hier nicht in dieser Weise von dem Bösen die Rede sein. Nehmen wir als Beispiel die Geschichte von Ananias und Sapphira. Sie wünsch­ten den Charakter der Hingebung zu haben, so wie die Versammlung ihn damals trug, aber ohne die Kosten auf sich nehmen zu wollen. Auf diese Weise verschaffte sich die Heu­chelei Eingang in die Versammlung, doch die Macht des Guten war vorhanden, um das Böse, das sich des Ansehens halber den Charakter des Guten beizulegen suchte, aufzudecken. In Wirklichkeit war es Geldliebe, die Ananias und Sapphira be­herrschte, abgewandelt durch das Verlangen, seitens der Ver­sammlung geehrt zu werden. Es wurde notwendig, daß sich die Gegenwart des Heiligen Geistes im Gericht offenbarte. Das war in der Tat ein trauriger Anfang; das Gute mußte sich durch den Kampf mit dem Bösen charakterisieren, statt sich dadurch zu offenbaren, daß es das Böse fernhielt. In betreff der Lehre ist es ebenso: „Aber dieses hast du, daß du die Werke der Nikolaiten hassest, die auch ich hasse". Die Geduld mußte zur Ausübung gebracht werden. Wir sehen auf den ersten Blick, daß dies nicht der erste Zustand (die Freude am Guten) war, sondern ein Werk der Geduld wurde notwendig;

und in unserem Wandel als Christen haben wir auf diesen Charakterzug ganz besonders unser Augenmerk zu richten. Die Geduld charakterisiert die persönliche Kraft, wenn die Zeit des Kampfes mit dem Bösen beginnt.

Wir begegnen hier indessen noch einem anderen Grundsatz. Es gibt Fälle, in welchen Christus den Haß gutheißt. „Du hassest ... die auch ich hasse". Die Lehre der Nikolaiten be­fürwortete unter dem Charakter der Gnade, das Böse zu ge­statten; sie verband auf diese Weise Christum und das Böse. Es ist aber sicher eine schreckliche Sache, etwas einzuführen, was Gott mit dem Bösen in Verbindung bringt. Satan sucht die Gnade nachzuahmen oder zu verfälschen und auf diese Weise Gott mit dem Bösen zu vereinigen — mit dem, wovon Er sagt: „meine Seele haßt es".

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Wir haben bereits gesehen, daß der Charakter, unter dem Christus im Sendschreiben an Ephesus dargestellt ist, mit dem Gericht in Verbindung steht: Er wandelt inmitten der Leuch­ter. Und wie diese Versammlung einen einleitenden und all­gemeinen Charakter trägt, so ist auch das Gericht ein allge­meines und endliches. Die Drohung besteht darin, daß die Ver­sammlung weggenommen werden solle. Wir haben hier also dreierlei: Die Verantwortlichkeit, den Rücktritt und das darauf folgende Gericht. Dann lesen wir bezüglich der Verheißung:

„Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baume des Lebens, welcher in dem Paradiese Gottes ist" — in dem Paradiese, das Er für Sich Selbst bereitet hat. Es ist nicht das Paradies, in dem Gott den Menschen besuchte, um zu sehen, was er tat, um ihm zu gestatten darin zu bleiben, wenn er das Gute tat, entgegengesetztenfalls aber ihn hinauszu­treiben; sondern Gott nimmt hier den Menschen in Sein eige­nes Paradies auf. Welch ein Unterschied zwischen dem Para­dies des Menschen, in das Gott kam und aus dem Er, da Er die Sünde vorfand, den Menschen vertreiben mußte, und dem Paradies Gottes, in das der Mensch infolge der Erlösung ein­geführt wird, um es nie wieder zu verlassen! Hier gibt es keine zwei Bäume, der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen ist nicht da; wir haben genug davon gehabt in unserer eigenen Verantwortlichkeit. Dort werden wir diese Erkenntnis der Heiligkeit Gottes gemäß besitzen; tatsächlich ist es be­züglich unserer Natur heute schon so, indem wir den neuen Menschen angezogen haben, welcher erneuert wird zur Erkennt­nis nach dem Bilde Dessen, Der ihn erschaffen hat in wahr­haftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit. Im Paradiese Gottes gibt es nur einen Baum, den Baum des Lebens, die einzige untrüg­liche und vollkommene Quelle des Lebens in Gott; und die Teilnahme daran ist nicht das Resultat der Verantwortlichkeit, sondern der Erlösung und der lebengebenden Kraft — einer Erlösung, die Gottes eigenen Gedanken und Ratschlüssen ge­mäß ist. Die Verantwortlichkeit ist nicht erlassen, sondern der Liebe Christi gemäß erfüllt. „Dem, der überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baume des Lebens". Die Gnade hat den, der überwunden hat, aufrecht gehalten. Während die Versammlung in Verfall kam, haben diese Getreuen, statt mit dem allgemeinen Strom zu schwimmen, genug geistliche Ener-

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gie besessen, um das Böse in der Versammlung zu beurteilen und vor Gott zu richten, und, statt entmutigt zu sein und zu erliegen, während andere ihre erste Liebe verließen, haben sie überwunden. Doch dürfen wir nicht übersehen, daß die Gnade es ist, die alles getan hat. „Meine Gnade genügt dir". Das Endziel des Weges jener Getreuen ist ein Platz im Paradiese Gottes, um sich dort von all den reifen Fruchten, die der Baum des Lebens hervorbringt, zu nähren.

Indem wir dies alles als einen allgemeinen Grundsatz an­wenden, entdecken wir, daß das verborgene Zeugnis der Gnade an die Herzen der Getreuen die Quelle der Kraft ist. Ist „das Leben für mich Christus", so ist es das Zeugnis der unfehlbaren Gnade, das mich durch alle Prüfungen und Schwie­rigkeiten hindurchführt; ja, je größer die Trübsal und der Ver­fall ist, um so mehr tritt es ans Licht, was Gott für meine Seele ist, so daß ich Gott auf eine Weise kennenlerne, wie ich Ihn nie zuvor gekannt habe. So war es mit Abraham, der, „als er versucht wurde, den Isaak geopfert hat"; damals lernte er Gott als „den Gott der Auferstehung" kennen, den er nie zuvor als solchen gekannt hatte. Welch ein Trost für uns, daß wir Christum um so mehr genießen, je mehr wir von Schwie­rigkeiten umgeben sind, und daß wir angesichts des Verfalls auf Ihn schauen können. Der niemals fehlt. „Das Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun" (Psalm 25, 14).

In Ephesus begegnen wir also dem Beginn des Verfalls der Kirche. So lautet das Zeugnis des Richters; die Folge des Ver­falls soll die Wegnahme ihres Leuchters sein, wenn sie nicht Buße tut. Im Blick hierauf wird sie ermahnt, zu den ersten Werken zurückzukehren, sonst wird sie aufhören, auf der Erde ein Zeugnis zu sein. Es fehlte in Ephesus nicht an einer öffent­lichen Tätigkeit, noch an Gerechtigkeit und dem Widerstand gegen die falschen Lehrer, sondern an der Innigkeit der Ge­meinschaft mit Christo in ihrer Liebe. Ihre Werke hatten weder an Zahl noch an Eifer abgenommen, aber der Charakter der Werke war ein anderer geworden, und Christo entging es nicht, daß ihr Dienst nicht mehr durch dieselbe Liebe charakte­risiert war, wie früher.

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Smyrna

Wir haben bereits gesehen, daß es wichtig ist, wenn es sich um das Gericht handelt, den Unterschied festzuhalten zwi­schen der Versammlung, wie säe in Christo im Himmel ge­sehen wird, und der Versammlung, betrachtet als die Dar­stellung Christi auf der Erde. Wir haben teil an Seinem Leben und sind eins mit Ihm im Himmel; aber es ist ebenso wahr, daß Er die Versammlung hingestellt hat als ein Gefäß, um Seinen Namen vor der Welt zu tragen, als „ein Brief Christi, gekannt und gelesen von allen Menschen". Auch haben wir gesehen, daß die Verantwortlichkeit der Versammlung hie­nieden die Frage der Errettung in keiner Weise berührt, und ferner, daß die Treue Gottes gegen einzelne Personen mit dem Gericht über den Körper, der Seinen Namen hienieden trägt, durchaus nichts zu tun hat. In Seiner Treue hatte Gott ver­heißen, die Kirche bis zur Fülle Seiner Herrlichkeit zu leiten;

aber zu gleicher Zeit muß Er sie richten, wenn sie in der Ver­antwortlichkeit, in die Er sie hienieden versetzt hat, fehlt. Wir dürfen Sein Gericht über das Gefäß, das Er auf Erden zum Zeugnis hingestellt hat, nicht verwechseln mit Seiner Treue gegen die Versammlung — die Braut, die durch den Heiligen Geist mit Christo im Himmel verbunden ist. Überdies aber richtet Gott jeden einzelnen Seiner Heiligen zu ihrem Besten, indem Er ihre Herzen und Gewissen durch Warnungen und Züchtigungen übt. Beugen sie sich unter diese Gerichte, so werden sie gesegnet, während „die Einfältigen weitergehen und Strafe leiden" (Spr 22, 5). Am Ende wird der äußerliche Körper aus Seinem Munde ausgespien, während alle Versu­chungen, Zurechtweisungen und Züchtigungen für die Ver­sammlung, im Blick auf ihre himmlische Berufung zum besten ausschlagen. In jedem Sendschreiben finden wir eine beson­dere Offenbarung von Christo und in Übereinstimmung damit ein besonderes Gericht; ebenso spezielle Verheißungen, die den speziellen Bedürfnissen angepaßt sind, indem sie den Übungen des Herzens entgegenkommen, um es aufrechtzu­halten; zugleich werden den Getreuen Unterpfänder gegeben

Das erste, was die Kirche, betrachtet in ihrer Verantwort­lichkeit, charakterisierte, bestand, wie wir gesehen haben, dar­in, daß sie sich von der Kraft ihrer ursprünglichen Stellung getrennt, d. h. ihre „erste Liebe verlassen" hatte. Überhaupt ist, wie wiederholt bemerkt wurde, in den Sendschreiben nicht die Rede von der Darreichung der Gnade von seiten des Hauptes, noch von dem, was „jedes Gelenk darreicht", sondern es werden Zurechtweisungen, Warnungen und Verheißungen gegeben, um auf die Herzen und Gewissen der einzelnen Hei­ligen in ihrer Verantwortlichkeit hier auf Erden zu wirken Ebenso ist wohl zu beachten, daß niemals die Kraft des Hei­ligen Geistes, die tätig ist, zu bilden und zu sammeln, Gegen­stand der Sendschreiben sein kann. Denn es ist vom Gericht die Rede, und unmöglich kann von Christo gesagt werden, daß Er das Werk des Heiligen Geistes richte. Wenn der Heilige Geist wirkt, so ist es Macht, wirksam in Gnade. Christus aber gibt, indem Er Gericht ausübt. Sein Urteil kund über den prak­tischen Gebrauch, den man von dem empfangenen Werk des Geistes gemacht hat. Die erste große Wahrheit ist, daß der Herr die Versammlung als verantwortlich betrachtet gegenüber all der Liebe, deren Gegenstand sie ist, und daß Er Gegenliebe von ihr erwartet. Findet Er sie nicht, sondern muß er fest­stellen, daß sie ihre erste Liebe verlassen hat — was nur der traurige Anfang zu größerem Verfall ist — so sagt Er-„Tue Buße; wenn aber nicht, so werde ich deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken". Nicht einzelne sind es, die hier ge­richtet werden, sondern die Versammlungen, wenn auch ein­zelne die Ermahnungen hören und Nutzen aus ihnen ziehen mögen; der Geist wendet sich an die Versammlungen. Da aber die Kirche oder Versammlung nicht antwortet, nicht Buße tut, noch die ersten Werke vollbringt, noch zur ersten Liebe zu­rückkehrt, so muß ihr Leuchter weggenommen werden. Und dann wendet sich das Wort persönlich an den, „der ein Ohr hat" damit er höre, und macht ihn auf das aufmerksam, „was der Geist den Versammlungen sagt".

Doch obwohl die Versammlung als solche gefehlt hat und ihr Leuchter weggenommen werden muß, gibt es doch noch etwas wie persönliche Energie in ihr, um zu überwinden. Und beachten wir, daß es sich darum handelte, in der Lage zu über­winden, in welcher die Versammlung sich befand. Die Ver­antwortlichkeit der einzelnen bestand darin, da zu überwin­den, wo sie waren. Wie verschieden von dem Zustand der Dinge zu der Zeit, als der Heilige Geist den Segen in Fülle

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ausgoß! Nicht nur das, was in der Welt war, sondern auch das, was sich innerhalb der Versammlung befand, mußte jetzt über­wunden werden. „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, unser Glaube". Er belebt das Herz des Getreuen durch Verheißungen, um es gegen die Fallstricke Satans in der Welt sicherzustellen. Wenn aber der Verfall eingetreten ist, muß notwendigerweise das Gewissen des Gläubigen tätig werden, damit er die Stellung, in der er sich befindet, aufrechterhalten kann. Fallstricke, Schwierigkeiten und Gefahren waren in die Kirche selbst eingedrungen, denn wir dürfen nicht vergessen, daß sie, als das Sendschreiben an Smyrna gerichtet wurde, ihre erste Liebe bereits verlassen hatte. Und sobald der Geist Sich an die Versammlung als an eine gefallene Versammlung wen­det, ist sie nicht mehr der Ort der Sicherheit für den Heiligen. Er kann dann nicht mehr als sicher annehmen, daß ein Weg, wenn er mit der Versammlung wandelt, nach der Kraft und dem Willen Gottes ist. Eine gefallene Versammlung kann mich nicht vor dem Irrtum schützen; da sie selbst unter dem Ge­richt steht, so kann sie für nichts Sicherheit bieten. In Wahr­heit konnte sie es nie; vielmehr waren es apostolische Macht und Energie, die, solange die Apostel lebten, die Versamm­lung unterstützten und über sie wachten (siehe Apg 20, 28. 29; 2. Petr 1. 15).

Der Geist wendet sich daher jetzt an einzelne; die Versamm­lung bot dem Gläubigen keine Sicherheit, keine Gewähr mehr für irgend etwas. Sie mochte wohl in diesem oder jenem Recht haben, aber der Gläubige mußte seine Sicherheit durch das Wort Gottes, im Gegensatz zu der Versammlung oder zum wenigsten unabhängig von ihr, bewahren; durch das Wort, angewandt durch den Heiligen Geist, mußte er unterscheiden, worin er ihr folgen konnte und worin nicht. Dieser Zustand der Dinge setzt aber keineswegs voraus, daß jeder Segen aus­geschlossen gewesen und nichts Vortreffliches mehr in der Versammlung zurückgeblieben wäre. Im Gegenteil sehen wir, daß der Herr vieles anerkennt und lobt. Aber dessen ungeachtet bleibt es ein Grundsatz von Bedeutung, daß eine Versamm­lung, die sich im Verfall befindet, keine Sicherheit mehr bietet, und daß ich infolgedessen in persönlicher Verantwortlichkeit zu beurteilen habe, was ich annehmen und was ich verwerfen

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muß. Als von Gott aufgerichtet, war die Versammlung, im Blick auf die einzelnen Gläubigen, ein Ort der Segnung und für Christum eine Bewahrerin des Zustandes gewesen, in dem jene versetzt waren, indem sie das Gefäß und den Ausdruck der Macht des Heiligen Geistes, das Resultat Seiner Wirksam­keit bildete. Sobald sie aber ihren ersten Zustand verließ, horte sie auf, dies zu ein. Auch waren es, wie schon bemerkt, nur die Apostel, die diese Macht des Heiligen Geistes praktisch in der Versammlung aufrechthielten, wie wir dies bei Ananias und Sapphira, in der Versammlung von Korinth u. a. sehen. Unsere Verantwortlichkeit verändert sich indessen nie, noch kann Christus je fehlen, die nötige Gnade für den Zustand, in dem die Versammlung sich befindet, darzureichen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit ein kurzes Wort über den Aus­druck „Entwicklung" sagen, der so oft und gern in bezug auf die Kirche gebraucht wird. Satan selbst hat ihn eingerührt. Der Gedanke an eine Entwicklung in der Versammlung des lebendigen Gottes schließt nichts anderes als Unglauben in sich. In Gott gibt es nichts, was sich entwickeln könnte; Er ist die vollkommene, unveränderliche Quelle von allem. Nun aber ist das, wozu Gott uns berufen hat, eine vollkommene Offen­barung Seiner Selbst in Christo, wie wir dies in 1. Joh 1. 1. 2 sehen. Da war die Offenbarung jenes ewigen Lebens, welches bei dem Vater war, und es ist klar, daß es in dem, was geoffen­bart worden ist, keine Entwicklung geben kann, wir müßten denn etwas erhalten können, was über die Vollkommenheit Christi, in welchem die ganze Fülle wohnt, noch hinausginge. Gott ist Licht; Christus war das wahrhaftige Licht, und dieses strahlte in der Offenbarung der Herrlichkeit Seiner Person durch die Macht des Heiligen Geistes völlig hervor. Könnten wir etwas besseres oder vollständigeres bekommen, als dieses „Licht"? Könnten wir zu dieser Offenbarung der „Wahrheit" noch etwas hinzufügen? Es gibt in bezug auf Ihn sicherlich vieles für uns zu lernen; allein es ist eine Person, die hier vor uns gestellt wird und nicht eine Lehre. Wäre es nur eine Lehre, so könnte vielleicht noch etwas anderes — eine andere Lehre — hinzugefügt werden; es handelt sich indes nicht bloß um eine Lehre, sondern um eine lebendige Person, die geoffenbart worden ist. Und wenn nun diese Person Christus Selbst ist, was kann dann weiter geoffenbart werden? Dem, was Gott

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gewirkt hat, können wir nichts hinzufügen. Ach! leider kann der Mensch davon abweichen, wie dies in Ephesus der Fall war. Die dortigen Gläubigen hatten ihre erste Liebe verlassen, aber darin liegt doch sicherlich keine Entwicklung. Ohne Zwei­fel können wir von dem, was im Anfang geoffenbart worden ist, immer mehr lernen, und sollten dies stets tun; aber Gott bringt von Anfang an alles vollkommen hervor. Er kann nichts aufrichten, was nicht vollkommen wäre, nichts, was die Höhe Seiner Gedanken nicht erreichte oder ihnen gar zuwider wäre.

So wurde einst der Mensch vollkommen in Unschuld ge­schaffen, aber Adam fiel. Das Priestertum Aarons war in seiner Art vollkommen, aber Nadab und Abihu versündigten sich. Alles, was Gott je gepflanzt hat, hat Er als ganz guten Samen, Seinen Gedanken entsprechend, gepflanzt. Was irgend von Gott kommt, muß vollkommen sein und kann durch kein weiteres Zutun vollkommener gemacht werden. Dies ist eine sehr einfache Wahrheit; jedoch, sie wirft ein ganzes System von Gedanken und Gefühlen über den Haufen, das die Ver­bindung zwischen unseren Seelen und Christo stören möchte Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß Gott in dem Geschöpf nichts mehr offenbaren oder nichts besseres hervorbringen könnte, als was Er einmal geoffenbart oder hervorgebracht hat. Gott tut dieses: der letzte Adam war ohne Zweifel un­endlich vorzüglicher, als der erste. Aber alles, was Er aufrich­tet, ist ganz vollkommen, als der Ausdruck Seiner Gedanken in der betreffenden Sache, die Er hervorbringt. Der Mensch kann es weder verbessern, noch ihm etwas hinzufügen. Das, was Gott für uns aufgerichtet hat, ist Seine vollkommene Offenbarung in Christo; der Gedanke an eine Entwicklung ist deshalb gleichbedeutend mit der Verwerfung des wahren Ge­genstandes oder mit einer Lästerung. Johannes spricht, wenn er die Heiligen in Sicherheit bewahren will, von dem, „was von Anfang war". Aber selbst die Herrlichkeit vergeht, wenn sie der Verantwortlichkeit des Menschen überlassen wird. „Und ich hatte dich gepflanzt als Edelrebe, lauter echtes Ge­wächs; und wie hast du dich mir verwandelt in entartete Ran­ken eines fremden Weinstocks" (Jer 2, 21)! Und warum das? Weil, sobald etwas den Händen des Menschen anvertraut wird, Verfall eintritt.

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Sobald dieser Verfall begonnen hat, begegnen wir einem neuen Grundsatz. Gott benutzt jetzt die Macht Satans, welche durch die Feindschaft der Welt wirkt, zu zweierlei Zwecken;

zunächst, um das göttliche Leben in den Heiligen zu üben, und dann, um eine weitere Entfernung von dem Herrn zu ver­hüten. Sobald wir deshalb zu Smyrna kommen, hören wir von Verfolgung und Drangsal. Die Geschichte des Lebens Christi auf Erden war bis hin zum Kreuz eine unausgesetzte Übung durch Prüfungen und Leiden. Nicht als ob diese Übung nötig gewesen wäre, um Ihn von irgendeinem vorhandenen Übel zu befreien; sie dient im Gegenteil nur dazu. Seine Vollkom­menheit um so völliger ans Licht zu stellen, auf daß Er in Herrlichkeit als Mensch vollkommen gemacht würde, in dem gerechten Resultat dessen, was Er in moralischer Hinsicht war. „Obwohl er Sohn war, lernte er an dem, was er litt, den Ge­horsam". Alles, was in Ihm war, wurde durch den Widerstand und die Schmach, die Er fand, ans Licht gebracht. Je mehr Er Sich dem Kreuze näherte, je finsterer wurde Sein Pfad. Er mußte den Satan überwinden, und Er ruft anderen zu: „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Throne zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf seinen Thron".

Der zweite Zweck, zu dem Gott die Macht Satans in Verfol­gungen und Prüfungen der Heiligen gebraucht, besteht darin, wie oben bemerkt, zu verhüten, daß sie sich weiter von Ihm ent­fernen. Das Herz des Gläubigen ist beständig geneigt, in der Gunst der äußeren Umstände seine Ruhe zu suchen, weil sich das Fleisch naturgemäß dem zuwendet, was in der Welt für ein angenehmes Ruhekissen gilt; die Folge davon ist Abnahme der inneren Lebenskraft. Damit kann Gott Sich aber nicht zu­friedengeben. Er sagt: „Machet euch auf und ziehet hin! denn dieses Land ist der Ruheort nicht; um der Verunreinigung willen, die Verderben bringt". Verfolgung ist das natürliche Teil der Versammlung Gottes, so lange sie hienieden ist, in einer Welt der Sünde. Und da die Versammlung sich im An­beginn der Ruhe hingeben wollte, wurde Gott sehr bald ge­zwungen, die Verfolgung gegen sie ausbrechen zu lassen.

In der Bergpredigt entfaltet der Herr in wunderschöner Weise den Geist und den Charakter des Reiches. „Glückselig

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die Armen im Geist!" „Glückselig die Sanftmütigen!" „Glück­selig, die reinen Herzens sind!" usw. Segnung war der Cha­rakter, in welchem der Herr das Zeugnis, dessen Träger Er war, einführte. Gott zeigte, was in Seinen Augen glückselig war. Die Gnade Christi begann sich damals zu offenbaren, indem sie die naturgemäßen Folgen der Grundsätze und des moralischen Charakters Seines Reiches zeigte. Nachdem durch die Wunder, die der Herr bereits vollbracht hatte, die Auf­merksamkeit der Menge aus der ganzen Umgebung auf Ihn gelenkt war, fing Er an. Seine Zuhörer mit dem wahren Geist und Charakter des Reiches bekanntzumachen, worüber sie ganz andere Gedanken gehabt hatten, und ihnen zu sagen, wer die Glückseligen seien. Doch am Ende des Evangeliums Matthäus (Kap. 25) muß Er, statt zu segnen, ausrufen: „Wehe euch! Wehe euch! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen;

denn ich sage euch: ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprechet: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!" Was war die Ursache dieser gänzlichen Veränderung? Der Widerstand des Menschen war durch die vollkommene Offenbarung dessen, was Christus war, unverhüllt hervor­getreten. Im Anfang des Evangeliums 'Matthäus finden wir den gesegneten Ausfluß von dem, was in dem Herzen des Herrn war; der weitere Verlauf Seines Lebens hienieden aber zeigte die Gesinnung ihrer Herzen; daher die Worte: „Wehe euch. Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler!"

Kehren wir jedoch zu unserem Gegenstand zurück. Gott sendet also die Drangsal, den Widerstand von außen, um Gnade hervorzubringen, und unserer beständigen Neigung, uns von Ihm zu entfernen, entgegenzuwirken. Bei Christo hatte sie stets den ausschließlichen Zweck, die Gnade aus­strahlen zu lassen. So bedient Sich Gott des Satans, als eines Werkzeuges, um selbst für die Versammlung Segen hervor­zubringen. In ähnlicher, bewunderungswürdiger Weise ge­brauchte Gott den Satan einst zum Segen für Seinen Knecht Hiob'. Gott war es, der die Unterredung mit Satan begann, und Er wußte sehr wohl, was Er tat, als Er die Aufmerksamkeit Satans mit den Worten auf Hiob lenkte: „Hast du acht ge­habt auf meinen Knecht Hiob"? Die Bosheit Satans war völlig bereit, Hiob zu plagen und zu verfolgen; sie wurde aber von Gott benutzt, um ihn zu dem zu bringen, was zu seiner Seg-

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nung nötig war, nämlich zu der Erkenntnis des Bösen, das sich in seinem. Herzen vorfand. Auf keinem anderen Wege hätte er dies lernen können. Ein weiteres Beispiel liefert uns die Geschichte des Apostels Paulus. Er wurde in den dritten Him­mel entrückt, um dort ein solches Bewußtsein von der Macht Gottes zu erlangen, daß es ihn für seinen besonderen Dienst der Versammlung und der Welt gegenüber fähig machen konnte, und um zugleich eine Offenbarung von der Herrlich­keit Jesu zu empfangen, wie sie nötig war, um ihn m all den unvermeidlichen Prüfungen, die über ihn kommen mußten, aufrechtzuhalten. Doch welchen Gebrauch würde das Fleisch hiervon gemacht haben, wenn Gott in Seiner Gnade ihm nicht zuvorgekommen wäre? Es hätte sich stolz erhoben und gesagt:

„Siehe, Paulus, du bist im dritten Himmel gewesen, wohin niemand außer dir je gekommen ist". So wurde ihm denn ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, auf daß er ihn mit Fäusten schlage. „Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, auf daß er von mir abstehen möge". Aber nein, der Dorn konnte nicht entfernt werden, weil sich Paulus sonst ins Maßlose erhoben haben würde. Doch er erhält die Zusiche­rung: „Meine Gnade genügt dir". Das, was dem Apostel Kraft verlieh, war, insofern er selbst dabei beteiligt war, gerade das, wodurch er seine eigene Schwachheit kennenlernte, der Dorn für das Fleisch, der Engel Satans, der ihn mit Fäusten schlug. Denn jetzt handelte es sich nicht mehr um seine Kraft, sondern um die Gnade und die Kraft Christi. Jetzt konnte er sagen:

„Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwach­heiten rühmen, auf daß die Kraft des Christus über mir wohne".

Es erscheint vielleicht befremdend, daß Gott den Satan als Werkzeug zur Prüfung der Heiligen gebraucht, statt daß Gott zu ihrer Befreiung ins Mittel tritt. Allein, Er handelt so, wie wir auch hier sehen. Er sagt nicht: „Ich werde euch ins Ge­fängnis werfen", sondern: „der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen". Hätte der Herr dies nicht verhindern können? Ganz gewiß; aber weil die Prüfung nötig war, so hätte Er, wenn Er dem Teufel gewehrt hätte, die Seinen der Segnungen beraubt, die für sie aus einer solchen Prüfung hervorgehen sollten. Wenden wir uns einen Augenblick zu der Geschichte des Petrus. Der Herr sagt zu ihm; „Siehe, der

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Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet". Weshalb hatte Er dies getan? Damit Petrus nicht gesichtet werde? Keineswegs; denn Petrus hatte die Sichtung nötig, weil er auf das Fleisch vertraute. Der Grund, weshalb der Herr für ihn gebetet hatte, war, daß sein „Glaube nicht aufhöre", d. h., daß er in der Prüfung gestärkt und aufrechtgehalten werde, daß sein Herz seinen Halt in Christo nicht verliere, sondern Seiner Liebe versichert 'bleibe und so die beabsichtigte Segnung erlange. Auf solche Prüfun­gen des Glaubens spielt Petrus auch an, wenn er in seinem ersten Briefe sagt: „auf daß die Bewährung eures Glaubens, viel köstlicher als die des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi". War durch Satan die Spreu von dem Weizen abgesondert, so konnte der Herr Petrus gebrauchen, wie Er denn zu ihm sagt: „und du, bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder".

Sobald die Versammlung gefallen war und sie ihre erste Liebe verlassen hatte, mußte sie in den Feuerofen geworfen werden, damit die Welt mit ihrem Anziehenden und ihrem Bösen nicht auf die schlechten Neigungen der Gläubigen ein­zuwirken vermöchte, so lange sie sich im Leibe der Sünde und des Todes befanden. Während die Kirche in der Frische ihrer ersten Liebe wandelte, hatte die Welt keine Macht über sie. Christus stand zu lebendig vor ihren Augen, als daß sie sich anderen Neigungen hätte hingeben können, Neigungen, die das Herz den Vernunftschlüssen des Unglaubens erschließen. Sobald aber die „erste Liebe" verlassen war, wurde die Ver­sammlung die Beute ihres eigenen bösen Fleisches, auf welches das Böse, das sie umgab, einwirkte. Sie mußte deshalb m den Feuerofen geworfen werden, dahin, wo Satan verfolgte, da­mit sie vor dem viel gefährlicheren Ort, wo Satan wohnt, der Welt, bewahrt bliebe.

„Ich kenne deine Drangsal und deine Armut (du bist aber reich)". Als die Versammlung zuerst gebildet wurde, waren die Christen in ihrer äußeren Erscheinung arm und verächtlich. Indem sie ihre erste Liebe verließen, kamen sie in Gefahr, den Vernunftschlüssen der Welt anheimzufallen; 'der Herr läßt deshalb den Fürsten der Welt gegen sie los, um ihnen da, wo

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sie in Gefahr waren, eine falsche Ruhe und Freude zu finden, Trübsal begegnen zu lassen. Statt der falschen Lockungen der Welt, welche sie in die Welt hineinzuziehen und von des Vaters Liebe zu entfernen drohten, sollten sie den wahren Charakter ihrer Feindschaft kennenlernen. So sanken sie in jene Stellung der Unbedeutsamkeit und Armut hinab, in die der Widerstand der Welt die Heiligen versetzt. Doch der Herr sagt: „Du bist aber reich". Jene kleine Zahl armer und ver­achteter Personen besaß göttliche und unerschöpfliche Reich­tümer. Als sie sich jedoch in der Welt vermehrten und aus­breiteten, zeigte sich die Neigung, sich mehr auf die errun­genen Erfolge als auf den Herrn Selbst zu stützen, und der Herr, Der sie zu sehr liebte, um dieses dulden zu können, mußte sie in den Feuerofen werfen, um sie dadurch zu ver­anlassen, ihre Stütze allein wieder in Ihm zu suchen. Er wünschte, daß die Versammlung das ganze ihr gehörende Teil genieße, und Er benutzte die Feindschaft der Welt, um sie zu ihren Hoffnungen und Vorrechten zurückzubringen. Es mag befremdend erscheinen, daß der Herr zu diesem Zweck eine Drangsal von „zehn Tagen" über sie kommen läßt. Doch Er will sie belehren, daß der Himmel und nicht die Erde ihr Teil ist, daß sie nicht hienieden bleiben, sondern als Pilgrime und Fremdlinge durch diese Welt ziehen sollen, um Ihn zu verherr­lichen, Ihn, Der auf Erden ein Fremdling war und auch jetzt in der Herrlichkeit für die Welt als solche ein Fremdling ist. Zugleich aber zeigt jener Ausdruck, daß die Prüfung bestimmt abgemessen ist. Wohl benutzt Gott den Satan als eine Zucht­rute für uns; jedoch er darf keinen Schritt weiter gehen, als Gott es ihm erlaubt, selbst nicht ein Haar unseres Hauptes darf er krümmen.

Doch die Versammlung muß zu dem tiefen Bewußtsein des Zustandes gebracht werden, von dem sie so weit abgewichen ist. Deshalb erlaubt Christus nicht nur dem Teufel, etliche von ihnen ins Gefängnis zu werfen, sondern Er sagt auch: „Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des Lebens geben". Satan durfte bis zum Äußersten gehen. Doch wenn die Getreuen ihren Glauben mit dem Tode besiegelten und als Märtyrer starben, was war dann ihr Teil? Jesus gibt ihnen die Krone des Lebens. Die Versammlung hatte sich mit der Welt eingelassen; wo aber der lebendige Glaube tätig war, da hatte

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die Verfolgung die Wirkung, daß Christus Seinen wahren Platz erhielt und alle gestärkt wurden. So oft es sich darum handelte, Christum aufzugeben, gab es Märtyrer, vielleicht sogar unter denen, die am meisten verweltlicht waren. Dies hat sich häufig bewahrheitet. Und so wie es damals war, so ist es heute. Die Christen suchen in hohem Maße dasselbe, was die Welt sucht: Wohlstand, Macht .und Einfluß, gerade die Dinge, die der Herr nicht besaß. Und könnte ich wohl da ein Fremdling genannt werden, wo ich Macht und Einfluß besitze? Sicherlich nicht. Die Versammlung muß einen himm­lischen und einen gekreuzigten Christus aufgeben, wenn sie in irgendeiner Weise die Welt als ihr Teil haben will. Die Ver­sammlung Gottes kann nicht die Welt und Christus miteinan­der verbinden, ohne ihren wahren Charakter zu verlieren.

Der Zweck des Judentums 'war, die Religion mit dieser Welt, mit der Erde zu verbinden. Gott versuchte auf diese Weise, ob der Mensch durch irdische Dinge, die mit Ihm in Verbin­dung standen, zu Ihm hingezogen werden könnte. Zu diesem Zwecke gab Er ihnen einen herrlichen Tempel, prächtige Klei­der, glänzende Zeremonien, Musik und Gesang, um so den Geschmack und die Gefühle der Natur mit sich zu verbinden. Doch alles dieses machte, was wohl zu beachten ist, ein Prie­stertum zwischen Gott und Menschen nötig. Der Mensch war nicht in die Gegenwart Gottes im Himmel gebracht, des Gottes, der „Licht" ist, noch genoß er die friedevolle Gemeinschaft mit Ihm. Jene irdischen Dinge hielten die Seele in einer gewissen Entfernung von Gott. Es kann nicht anders sein. Denn wenn die Welt mit der Religion in Verbindung steht, muß ein Prie­stertum eintreten, weil der Mensch, so wie er ist, nicht vor Gott stehen kann. Er kann nicht im Lichte stehen und braucht deshalb einen Priester.

Wir aber sind jetzt nahe gebracht; wir können in dem Licht stehen, wie Gott im Licht ist; wir sind Priester, und was unsere Stellung in der Gegenwart Gottes betrifft, so ist kein Priester­tum zwischen Gott und uns nötig. Christus litt außerhalb des Tores; und sobald das Blut Christi, durch das wir geheiligt sind, ins Heiligtum, in die Gegenwart Gottes, gebracht ist, sind wir in Verbindung mit den himmlischen Örtern und nicht mehr mit einer irdischen Stadt; es gibt jetzt keine heilige

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Stadt mehr. Ferner sind wir ganz und gar aus der Welt her­ausgenommen (und zwar ist die Welt, in fleischlicher Weise religiös gemacht, für uns „das Lager", aus welchem wir zu Ihm hinausgehen sollen; vergl. Hebr 15, 13) und wir haben unseren Platz mit Ihm innerhalb des Vorhangs gefunden. Gerade das war es, was der Apostel die Hebräer lehrte. Sie konnten nicht mit einer Religion, die einen weltlichen Charak­ter trug, mit dem Judaismus, der irdischen Religion Gottes, vorangehen. Aus diesem Grunde sagt der Apostel auch zu den Korinthern, daß, wenn er auch Christum nach dem Fleisch gekannt habe, er Ihn doch jetzt nicht mehr also kenne. Für ihn gab es nur einen himmlischen Christus.

Im Judentum verbanden fleischliche Satzungen den Men­schen mit Gott. Nachdem aber Christus verworfen ist, teilen Seine Nachfolger Seinen Patz der Annahme im Himmel und den Platz der Verwerfung auf der Erde. Jetzt gibt es kein Mittelding; Christus ist ganz und gar himmlisch, und wir sind auferweckt, um in Ihm in den himmlischen Örtern zu sitzen. Sobald die Versammlung das Bewußtsein ihres himmlischen Platzes in Christo verliert, läßt der Herr in Seiner treuen Liebe die Macht Satans gegen uns los, auf daß wir lernen, daß gerade die Welt, die wir religiös zu machen suchen, der Ort ist, wo Satan thront. Ohne Frage wird in einem solchen Fall die Welt mit ihrer Religion in völligem Widerspruch zu uns stehen, aber wir haben dann Christum und Seine Gedanken für uns. Ihn, der sagt: „Fürchte nichts von dem, was du leiden wirst". „Dieses sagt der Erste und der Letzte, der starb und wieder lebendig wurde".

Christus wendet sich an die Versammlung von Smyrna als Der „welcher starb und wieder lebendig wurde". Er ist nicht nur Gott, sondern auch Derjenige, Welcher tot war und lebt in die Zeitalter der Zeitalter. Als Mensch betrachtet, ist Chri­stus aus der Welt hinausgeworfen worden, so daß wir, wie Maria Magdalena, entweder ein leeres Grab — denn das ist die ganze Welt, wenn wir Christum suchen — oder einen auf­erstandenen Jesus finden. Ist unser Herz auf Christum ge­richtet, so werden wir in dieser Welt nichts anderes finden, als das leere Grab Jesu. Wir haben deshalb nichts mit der Welt

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zu tun, denn wenn wir im Geiste mit unserem Haupt im Him­mel sind, befinden sich alle unsere Segnungen dort. Indessen bleibt es eine beständige Schwierigkeit, Herz und Seele in dieser Gesinnung zu erhalten; aber es muß geschehen. Sonst wird die Welt, wenn wir nicht an ihr hangen, sich an uns hän­gen; kommt dann der Verfall und ist die erste Liebe verlassen, so muß die Verfolgung eintreten, damit wir nicht der Welt gleichförmig werden. Dies war mit der Versammlung in Smyrna der Fall. Die erste Liebe war verlassen, und so mußte sie durch die Trübsal gehen, damit sie nicht vergäße, daß sie nicht von der Welt war. Das Judentum hatte sich Eingang ver­schafft, jene sogenannte „Entwicklung" hatte begonnen usw. „auf Dinge eingehend, die er nicht gesehen hat, eitler Weise aufgeblasen von dem Sinne seines Fleisches". Statt nur wenige, ein kleines, verachtetes Häuflein zu sein, wuchs die Zahl der Gläubigen erstaunlich an, so daß sie in ihrer äußeren Erschei­nung stattlich wurde. Es dauerte nicht gar lange, bis das Ganze der jüdischen Hierarchie glich. Aber dann trat die Verfolgung ein und wehte über alles hin, sie ging selbst bis zum Tode. So konnten doch alle, bei denen ein lebendiger Glaube an einen lebendigen Herrn vorhanden war, von dem zweiten Tode nicht beschädigt werden, obwohl sie hier sterben mochten. Die Ge­schichte jener Zeiten beweist, daß die lebendige Macht und Wahrheit in der Versammlung sich nicht in ihren Lehren, son­dern in ihren Märtyrern vorfand.

Pergamus

„Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist". Hier zeigt sich das Böse unter einem anderen und feineren Charakter. Der Herr erkennt alles an, was Er anerkennen kann. Die Versammlung war durch die Verfolgung hindurch­gegangen und war treu geblieben: „du hältst fest an meinem Namen, und hast meinen Glauben nicht verleugnet, auch in den Tagen, in welchen Antipas mein treuer Zeuge war, der . . . ermordet worden ist". Jetzt aber handelt es sich nicht bloß um Verfolgung von außen, von seiten der Welt — diese prüfte die Kirche, reinigte sie aber auch — sondern um die verderbte Lehre im Innern. Die Versammlung Gottes hat ihren Platz der Verantwortlichkeit in der Welt, wo Satans Thron ist. Wird sie

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nicht mehr von der Welt verfolgt, weil sie aufgehört hat, eine himmlische Zeugin zu sein, so wohnt sie doch in der Welt. Das ist von jenem Tage an bis heute ihr Platz gewesen, was ihre äußeren Formen betrifft. Es ist hier nicht die Rede von dem Betragen der Einzelnen, sondern von der Stellung der Ver­sammlung als Körper.

Man denkt und spricht oft so, als ob Satan seit der Kreuzi­gung Christi aufgehört habe, der Fürst dieser Welt zu sein. Ich möchte im Gegenteil sagen, daß gerade damals Satan im vollen Sinn des Wortes Fürst dieser Welt geworden ist. In bezug auf das menschliche Herz war er es immer; allein bis zur Verwerfung Christi durfte man hoffen, daß noch in irgend­einer Weise etwas Gutes im Menschen gefunden oder hervor­gebracht werden könne; aber das Kreuz hat die völlige Sklave­rei des menschlichen Herzens unter Satan bewiesen und fest­gestellt, daß nichts imstande war, es zu befreien. Wirklich war das Kreuz die Zerstörung der Macht Satans; denn dort hat Christus „den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel". Handelt es sich um die Erfüllung des Werkes, wodurch jenes geschehen sollte, um die Gerechtigkeit vor Gott, so ist seine Macht zu Ende; der Kopf der Schlange ist zertreten worden, obwohl die Frucht jenes vollbrachten Werkes noch nicht in Macht geoffenbart worden ist. Der Mensch ist auf jede Weise auf die Probe gestellt worden; zu­letzt kam er in dem jüdischen System unter die Verantwort­lichkeit des Gesetzes und wurde auf dem Boden des Gehorsams geprüft. In dieser Stellung hat er gefehlt; aber er ist geneigt zu denken/ daß er, wenn er ganz nach eigenem Willen handeln könnte, alles wieder zurechtbringen würde. Auch hierin ist er auf die Probe gestellt worden, als seinen Händen, in der Per­son Nebukadnezars, die Macht übergeben wurde; aber auch diese Probe bestand er nicht. Danach kam Christus. Satan bot alles auf, um Ihn aus dem Wege zu räumen; aber alle seine Anstrengungen endeten mit seiner eigenen Niederlage. Gleich­wohl ist es ihm erlaubt, noch für eine Zeit die Welt zu regie­ren, die Welt, aus der Christus hinausgeworfen wurde, und die in ihren allgemeinen und verschiedenartigen Formen das Werkzeug Satans ist, wie wir dies bei der Kreuzigung des Herrn sehen. Satan, der Fürst dieser Welt, kam und fand

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nichts in Christo; aber die Hohenpriester, die Pharisäer, Pon­tius Pilatus, die Juden und die Macht der Nationen, alles stand unter seiner Leitung. Selbst die Jünger verließen Christum aus Furcht vor der Macht Satans, die sich in der Welt kundgab. Mit einem Wort, die ganze Welt wurde durch Satan angetrie­ben, Christum zu verwerfen. Von jenem Augenblick an ist Satan der offenbare Fürst dieser Welt. Ehe Christus verworren war, konnte Satan dieser Titel nicht beigelegt werden. Der Herr aber erkennt ihn als solchen an; Er nennt ihn „Fürst dieser Welt", indem Er sagt: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt;

jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden". „Der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir".

Die Versammlung Gottes ist gänzlich aus der Welt heraus­genommen, um mit dem Fürsten Gottes im Himmel verbunden zu werden; und deshalb sollen die Christen nicht das als ihren Wohnplatz und ihre Heimat betrachten, wo Satan thront; sie sollen nicht in der Welt und wie die Welt leben. Aber ach! die Versammlung hat praktischerweise vernachlässigt, „das Haupt" festzuhalten, und hat einen irdischen Charakter an­genommen. Wenn „das Leben für mich Christus ist", so be­finde ich mich in keiner weltlichen Religion, denn der Mensch im Fleische muß etwas zwischen sich und dem Haupte haben. Der Unterschied zwischen wahrem Christentum und der Reli­gion der Welt ist unermeßlich groß. „Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?" Ein Mensch in der Welt muß Satzungen haben; wie könnte er ohne sie religiös leben? Aber Satzungen sind nicht Christus; sie sind an Sein Kreuz genagelt worden. Es ist unmöglich, von der Religion der Welt, von den Satzungen und dergleichen los­zukommen, es sei denn, daß man die Kraft eines gestorbenen und auferstandenen Christus kennt und in dieser Kraft wan­delt. Der Mensch im Fleische muß eine Religion von Satzungen zwischen sich und Gott haben. Ist aber jemand mit dem Haupte im Himmel verbunden, so kann ihn nichts näher bringen, denn er ist eins mit Christo; wer nicht mit dem Haupte eins ist, der ist von Christo getrennt. Bringt man irgend etwas zwischen Christum und die Seele, so ist alles verloren; die ganze Stellung ist dann verändert.

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Diese verderbliche Neigung, sich mit der Welt zu verbinden, führte von Gottes Seite die Züchtigung herbei, aber mit ihr auch die angemessene Verheißung: „Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des Lebens geben". Es ist voll­kommen wahr, daß der Herr Trübsale kommen läßt; aber nie finden wir bei Ihm irgendwelche moralische Duldung des Bösen. Der Herr kann nicht durch falsche Lehren versuchen. Er zeigte der Versammlung das Böse ihrer verderblichen Ver­bindung mit der Welt, indem Er die Welt in eine verfolgende Welt verwandelte; aber nie hätte Er ihnen Balaams falsche Lehre senden können. Unmöglich kann Christus moralische Versuchungen kommen lassen als eine Rute zur Züchtigung der Heiligen, obwohl Er sie in Seiner heiligen Weisheit er­lauben mag. Die Anstrengung des Feindes in Pergamus war etwas ganz anderes als die Verfolgung, von der in Smyrna die Rede ist. Balaam suchte die Gläubigen in eine religiöse Ver­bindung mit der Welt zu bringen, und das ist ein weit grö­ßeres Übel, als wenn Satan Seine Macht zu öffentlicher Ver­folgung benutzt.

In Ephesus sahen wir den Anfang des Abfalls; „die erste Liebe" war verlassen. In Smyrna wurde die Versammlung in den Feuerofen geworfen; doch Satan hatte durch die Verfol­gung seine Zwecke nicht erreicht. Eine Treue bis zum Tode hatte den Leidenden die Märtyrerkrone eingebracht. In Per­gamus erhebt sich jedoch eine neue Gefahr. Die Versammlung wohnte jetzt da, wo Satans Thron ist, d. h. in der Welt; ver­derbliche Lehren wurden verbreitet, die dem Fleische gefielen und die Versammlung mit der Welt verbanden. Der Feind war im Inneren wirksam, „du hast solche dort, welche die Lehre Balaams festhalten".

Es besteht also ein sehr großer und lehrreicher Unterschied zwischen der Verfolgung in Smyrna und der Verführung in Pergamus. In Smyrna sagt der Herr: „Der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf daß ihr geprüft werdet Sei getreu bis zum Tode, und ich werde dir die Krone des Lebens geben". Ich bin gestorben für euch; deshalb seid auch ihr getreu bis zum Tode für mich. In Smyrna wollte der Herr nicht einschreiten, um die Folgen der Stellung, in der die Ver­sammlung sich befand, d. h. die Verfolgung, zu verhindern,

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sondern Er benutzte die Verfolgung, um die abweichende Versammlung in ihrem wahren Charakter zu erhalten, indem Er zugleich die Versicherung einer ewigen und himmlischen Ver­heißung, einer Krone für den Getreuen, gab. In Pergamus aber sehen wir die Versammlung in Verbindung mit der Welt, sie wohnt da, wo der Thron Satans ist; und der Herr konnte nicht den Fallstrick dadurch entfernen, daß Er auf die Welt ein­wirkte, Er hätte denn die Wet richten müssen. Satanische List war im Einverständnis mit der Welt und durch ihren Geist in der Versammlung wirksam. Ein falscher Prophet brachte sie mit dem Platz im Verbindung, wo der Thron Satans war, mit der Welt, die aufgehört hatte, eine Verfolgerin zu sein. Es ist hier Balaam und noch nicht Jesabel. Der Charakter Balaams ist überaus schlecht und verderbt. Infolge der Vergehungen Israels war einst die Frage erhoben worden, ob Gott das Volk ins Land bringen, oder ob es Satan durch seine Werkzeuge, Balak und Balaam, gelingen würde, ihren Einzug in Kanaan zu verhindern. Sie gaben sich alle Mühe, Jehova zu bewegen, den Fluch über Israel auszusprechen, aber vergebens. Ange­sichts des Anklägers „sieht er kein Unrecht in Israel". Ebenso war es ganz unmöglich, Satans Macht wider das Volk Gottes zu benutzen, weshalb Balaam sagt: „Da ist keine Zauberei wider Jakob, und keine Wahrsagerei wider Israel". Gott wehrte Balaams Lippen und zwang ihn, gegen seinen Willen Segnungen statt Flüche auszusprechen. „Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch flehen". Wenn der Teufel als Widersacher kommt, hat er keine Macht; das Geheimnis seiner Kraft besteht darin, daß er als Versucher und Verführer an uns herantritt. Als er Jehova nicht bewegen konnte, Israel zu verfluchen, verführte er das Volk zur Gottlosigkeit, „Götzen­opfer zu essen und Hurerei zu treiben". Wie konnte jetzt der heilige Gott sie ins Land einführen (siehe 4. Mo 25)?

In Pergamus tritt Satan als ein Verführer m die Versamm­lung, während er in Smyrna als der Verfolger außerhalb von ihr blieb. Deshalb wird an Smyrna die Ermahnung gerichtet-„Fürchte nichts von dem, was du leiden wirst". In der „Furcht" ist Schwachheit; sie bringt Gefahr. Befindet der Heilige sich außerhalb der Verfolgung, so zittert er oft und ist voll Furcht, wenn er auf die Verfolgung hinblickt; ist er aber völlig in ihr

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und hat er Glauben, so blickt er zu Gott empor und findet, daß er nie vorher so glücklich war. So ist er von der Welt getrennt, und fähig gemacht, sein eigenes, wahres Teil zu ge­nießen. Wenn aber die Versammlung Gottes auf dem Gebiet Satans wohnt, so wird er ihr, falls er nicht als Verfolger auf­tritt, so viel von der Welt geben, als er nur kann; denn er selbst sagt: „mir ist sie übergeben, und wem irgend ich will, gebe ich sie" (Lk 4, 6). Und kann von der Welt gesagt werden, daß sie die Versammlung reich gemacht hat, so wird sie und nicht das auferstandene Haupt ihr Herz besitzen; „denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein". Balaam war ein Prophet, obwohl er ein falscher Prophet war; er konnte von dem Namen Jehovas Gebrauch machen und erklären, daß er Sein Wort allein reden müsse. In Pergamus sehen wir seinen Geist in die Versammlung eindringen, um es ihr in dieser Welt behaglich zu machen. Der böse Knecht, der in seinem Herzen sagt: „Mein Herr verzieht zu kommen, und anfängt ... zu essen und zu trinken und sich zu berauschen", wird als Knecht behandelt, jedoch als ein böser. Sobald es Satan gelingt, einem Christen es angenehm und behaglich zu machen in der Welt, hat er seinen Zweck erreicht.

Die Lehre der Nikolaiten führte die Wirksamkeit des Flei­sches in die Versammlung Gottes ein, die Lehre des Balaam den Geist der Welt. Die Einführung dieses Geistes geschah durch den falschen Propheten, und zwar zu dem Zweck, die Versammlung mit der Welt zu verbinden und ihr in einer Welt, die Christum getötet hat, ein ruhiges und behagliches Leben zu verschaffen. Wir begegnen hier einem Lehrer, einer Art von religiösem Unterweiser; denn es heißt: „welche die Lehre Balaams festhalten, der den Balak lehrte, ein Ärgernis vor die Söhne Israels zu legen". „Also hast auch du solche, welche in gleicher Weise die Lehre der Nikolaiten festhalten". Bei Ephesus werden die „Werke der Nikolaiten" erwähnt; hier aber handelt es sich um eine Lehre, die schlechte Handlungen gutheißt, was nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen Christum war. Es war ein Verderben im Innern der Kirche, dem durch die Verbindung mit der Welt von außen Vorschub geleistet wurde. Es ist sehr schmerzlich, zu sehen (und wir sollten an dem, was in der Versammlung vorgeht, stets den

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innigsten Anteil nehmen), wie bald die Versammlung neue Rückschritte machte. Ihre Drangsal in Smyrna, die auf den ersten Fall in Ephesus folgte, hatte ihr Licht auf eine kurze Zeit für Gott heller brennend gemacht. Die Wurzel des Bösen aber war vorhanden, und als äußere Ruhe und Behaglichkeit zurückkehrten/war die Versammlung zufrieden, da zu wohnen, wo Satans Thron ist. Auf diese Weise wurde die Tür geöffnet für schlechte Lehre, falsche Unterweisung, für die Vermengung des Fleischlichen mit dem Geistlichen. Satan wünschte nicht, da zu verfolgen, wo er verderben konnte; denn seine Verfol­gungen bewirken Läuterung der Seele für Gott, während das verführerische Verderben Satans unvermerkt die Seele von Gott entfernt. Wir haben hier noch nicht die volle Reife der Bosheit, wie zur Zeit Jesabels, sondern nur die Unterweisung in der Lehre, die diese bösen Werke gestattete. In der nächsten Versammlung sehen wir jedoch, daß Kinder aus diesem Bösen geboren wurden; das Böse war ihr moralischer Geburtsort.

Das Auge und das Herz des Herrn folgten der Versammlung dahin, wo sie wohnte, selbst bis zu dem Thron Satans; Er sagt:

„Ich weiß, wo du wohnst". Und von dort (d. h. von dem Geist der Verbindung mit der Welt) wünschte Er sie mit dem Mahn­ruf zurückzubringen: „Tue nun Buße; wenn aber nicht, so komme ich dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwerte meines Mundes". Hier wird das Wort in richterlicher Weise angewendet, wie ein Schwert, das aus dem Munde Christi hervorgeht. Bei einem solchen Zustand der Dinge ist das Wort Gottes die Quelle, zu welcher der Heilige hingezogen wird. Die Verheißungen werden jetzt viel persönlicher: „Dem, der überwindet, dem werde ich von dem verborgenen Manna geben". Die verborgene Treue sollte durch die Verheißung des verborgenen Mannas unterstützt werden. Diese Treue wurde insofern gesehen, als ihre Früchte allen offenbar wurden. Die Versammlung als Körper wohnte in der Welt, und als eine notwendige Folge zeigte sich das verborgene Leben des Herzens der treuen Seele mit Gott in der Kraft des Wortes: es ist das innere Band mit dem, was seinen Charakter nie verändert und was die verborgene Treue vor Gott unterstützt. Wie ver­schieden ist dies von dem richterlichen Gebrauch des Wortes, wenn es sich als ein Schwert aus Christi Mund im Kampfe

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erweist. Die lebendigen Glieder sind vereinigt mit Christo, der auf Erden litt, jetzt aber im Himmel ist.

Das Manna bezeichnet den Sohn Gottes, der Fleisch gewor­den ist, um unseren Seelen das Leben zu geben. Sein Eintreten in Niedrigkeit in alle unsere Umstände. Es ist unsere tägliche Nahrung während unseres Wandels durch die Wüste; denn es wird von dem Manna gesprochen in Verbindung mit Jesu als dem lebendigen, vom Himmel gesandten Brot. „das lebendige Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist" (Joh 6, 51). Was aber ist das verborgene Manna? Das Manna für Israel wurde um das Lager her gestreut, und täglich sollten sie es zu ihrer Speise sammeln. Ebenso soll Christus, solange wir in der Wüste weilen, die tägliche Speise unserer Seele sein;

aber das ist nicht das verborgene Manna. Es mußte ein gol­dener Krug, der mit Manna gefüllt war, vor Gott aufbewahrt bleiben, damit die Israeliten, wenn sie ins Land Kanaan ge­kommen waren, sich dessen erinnerten, was sie in der Wüste genossen hatten. Dies verborgene Manna ist die Erinnerung an einen leidenden Christus auf Erden, die Erinnerung an das, was Christus in der Wüste, als Mensch, als ein erniedrigter und leidender Mensch war. Er, Der der Gegenstand der ewigen Wonne Gottes im Himmel ist. In unserem ewigen Zustand werden alle, die überwunden und mit Christo sich treu von der Welt getrennt haben, den ewigen Genuß der Gemeinschaft mit Gott in Seiner Wonne an dem einst erniedrigten Christus teilen; es wird dieselbe Wonne, wenn auch in verschiedenem Maße, sein. Wenn wir mit einem verworfenen Christus treu wandeln, statt Balaam in unsere Herzen einzulassen, dann werden wir Christum im Geist hienieden genießen; aber dies können wir nicht, wenn unsere Seelen mit irgendwelcher Gott­losigkeit in der Welt verbunden sind. Sollte aber jemand be­haupten, daß er Ihn dennoch genieße, so ist das Nikolaitis-mus. Nach dem Maße aber, wie unsere Seelen das Geheimnis dessen, was Christus in der Welt war, aufnehmen und ver­stehen, werden wir uns auch von Ihm nähren; dies ist jedoch unmöglich, wenn wir im Geiste der Welt wandeln. Selbst die Darstellung Christi in den Evangelien können wir nicht ge­nießen, es sei denn, daß es eine Speise für die Seele ist. Jemand mag sagen: diese oder jene Wahrheit ist sehr schön; wenn er aber nur sein Wissen dadurch bereichert, so nützt es ihm

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nichts. Gott hat Seinen Sohn nicht hingegeben, hienieden zu leiden, damit man hernach eine angenehme Unterhaltung habe, sondern daß man sich von Ihm nähre.

Der „weiße Stein" erinnert im allgemeinen an die Abgabe seiner Stimme zu jemandes Gunsten; es ist das verborgene Zeichen des Beifalls, das der eine dem anderen gibt. Im Him­mel gibt es öffentliche Freuden, die allen gemein sind, tausende von Stimmen, die in Gemeinschaft und in Danksagung den Lobgesang widerhallen lassen. Ebenso gibt es hienieden Freu­den, die wir in Christo miteinander teilen. Aber Er muß eben­sowohl unsere persönlichen als unsere gemeinsamen Zunei­gungen haben. Meine eigene persönliche Freude in Christo kann ein anderer nicht kennen, noch kann ich seine Freude genießen, dies ist wahr von den höchsten Zuneigungen, „einen neuen Namen geschrieben, den niemand kennt, als wer ihn empfängt". Dieser Name kann nur für den Bedeutung haben, der ihn empfängt. Christus offenbart Sich der Seele in einer Weise, daß sich kein Fremder in ihre Freude einmischen kann. Die persönliche Freude und Gemeinschaft ist von der gemein­schaftlichen Freude verschieden, wiewohl sie diese erhöht; und diese persönliche Freude, die wir hienieden kennen, wird nie unterbrochen werden.

Diese wie jede andere an die Versammlungen gerichtete Verheißung bezieht sich auf die zukünftige Zeit der himm­lischen Segnung; aber sie ist auch die Quelle der Freude und Kraft in der Gegenwart. Der Geist Gottes läßt uns den Tag im voraus genießen; ich kann schon jetzt im Geiste diesen weißen Stein in Christo haben, diesen innigen und verbor­genen Ausdruck Seiner Gnade und Liebe, den andere nicht für sich haben können, noch ich für sie. Wie macht dieser Ge­danke den „weißen Stein" über alles andere wertvoll! Welche verborgene Quelle der Kraft ist es, ob auch die ganze Welt mir Unrecht geben sollte, wenn ich diesen „weißen Stein" des Bei­falls Christi besitze, der in der Bewahrung des Wortes erlangt und im Herzen gekannt wird! Doch ich wiederhole es, ich muß alles durch das Wort Gottes beurteilen, mit diesem Schwert Seines Mundes, das alle Wirkungen Balaams kraftlos macht und von ihnen befreit. Ich bin alsdann ohne Sorge, mag die Welt über Dinge denken, wie sie will, Christus hat zu mir

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geredet, und an dem zukünftigen Tage der Herrlichkeit wird Er alles anerkennen, was Er zu mir gesagt hat.

Es ist wirklich schmerzlich genug, wenn Balaam in der Versammlung lehrt, aber sicher gibt es unter den Heiligen keine Prüfung, die nicht die Treue Dessen offenbart. Der bereit ist, den Überwinder zu segnen; und so wird die Seele in eine Gemeinschaft mit Christo gebracht, wie nicht? anderes es vermocht hätte. Da ist nichts, was der Seele Christo gegenüber so sehr das gesegnete Bewußtsein Seines Beifalls gibt, als die Treue, wenn das Böse zu verderben beginnt. Han­delt es sich um falsche Lehre im Innern, so heißt es hier, wie bei der Verfolgung und bei allem anderen: „Überwindet!" Wer ein Ohr hat zu hören, was der Geist den Versammlungen sagt, der soll das Böse, das sie bedroht, überwinden, welcher Art es auch sein mag.

Thyatira

Die Zeit erlaubt mir nicht, mehr als einen flüchtigen Blick auf Thyatira zu werfen. Wenn Jesabel auf den Schauplatz tritt, sehen wir eine Veränderung. Wohl ist sie eine Prophetin, aber sie selbst wird Mutter von Kindern: eine ganze Klasse von Personen empfängt ihr Dasein aus diesem Verderben. Von Personen, die mit diesem Verderben und diesem Bösen ihr Spiel treiben, sowie auch von einfachen, irregeführten Seelen, sagt Christus: „Diese will ich in große Drangsal bringen, wenn sie nicht Buße tun". Doch jene, die ihre moralische Exi­stenz aus diesem Verderben herleiten, will Er töten; „ihre Kinder werde ich mit Tod töten". Sobald aber dieser Zustand der Versammlung, als Erzeuger des Verderbens, ans Licht tritt, kommt auch das Gericht der Nationen zur Sprache: „wie Töpfergefäße zerschmettert werden", und das Herz des Gläu­bigen wird auf das Kommen des Herrn gerichtet: „Ich will ihm den Morgenstern geben".

Gern schließe ich die heutige Betrachtung mit dieser Ver­heißung; sie ist voll von Segnung. Bis zu ihrer Erfüllung ist der Herr Selbst für uns das verborgene Manna. Er möge uns und allen Seinen Heiligen Gnade geben, alles zu vermeiden, was dem Geist und der Lehre Balaams gleicht. Wir sind eins mit Jesu, sind Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleisch und

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von Seinen Gebeinen. Die Kenntnis unserer Einheit mit Ihm und ihre Verwirklichung in unseren Seelen ist auch der einzige Schutz vor dem verführerischen Geist unserer Tage. Der Herr gebe, daß wir treu sind im Blick auf die gesegnete Wahrheit, daß wir eins sind mit Ihm, Der zur Rechten Gottes ist; alsdann werden andere vergeblich versuchen, durch ihre Satzungen oder ihr Priestertum zwischen uns und Gott zu treten; dann kann ich sagen: „Ich bin zu nahe zu Gott gekommen, als daß ihr zwischen Ihn und mich treten könntet, und auch zu nahe, als daß ihr mich näher zu Ihm zu bringen vermöchtet. An diesen gesegneten Platz hat mich die Gnade gestellt, und alles andere ist nur armselige Torheit". Wir sind berufen, das Böse in der Versammlung zu richten; denn Gott kann Balaam und Jesabel nicht anerkennen, wenn wir es auch können. Mögen wir deshalb durch des Herrn Gnade daran denken, daß der Verfall in der Versammlung gerichtet werden muß. Wir haben in der jetzigen Zeit besonders darauf zu achten, daß die Kirche, weil sie selbst unter dem Gericht steht, weder für den Glauben, noch für irgend etwas anderes Sicherheit bieten kann.

In diesem Teil des Kapitels betreten wir, sozusagen, einen neuen Boden. Dies offenbart sich in zweifacher Weise. Der Geist Gottes, der über all unserem Abfall weit erhaben ist, richtet das Auge des treuen Überrestes auf das Kommen des Herrn Jesu, und die Ermahnung: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt", steht von jetzt ab nicht mehr in Verbindung mit der Anrede an die Versammlungen im allgemeinen, sondern folgt erst auf die Verheißungen, die den Überwindern gegeben werden. Die Stellung des Über­restes wird dadurch in besonderer Weise gekennzeichnet, als nicht mehr in Verbindung stehend mit dem allgemeinen Körper der Versammlung, sondern mit dem Platz derer, denen die Verheißung gegeben ist: „dem, der überwindet".

Das unterscheidende Element, das wir in der Versammlung zu Pergamus eingeführt fanden, bestand darin/ daß die Welt der Thron Satans ist; demzufolge muß die Versammlung in einer der beiden folgenden Stellungen sein: entweder ist sie wegen ihrer Treue eine verfolgte und leidende Versammlung in der Welt, oder sie verliert diesen Charakter, bequemt sich der Welt an und geht mit ihr. In Pergamus fanden verderb-

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liehe Lehren ihren Weg in die Versammlung als Körperschaft, und nicht nur zu Einzelnen; sie wirkten und verdarben das, was innerhalb der Versammlung war, so daß jetzt das Böse dort seinen Ausgangspunkt fand. Balaam, der falsche Prophet, verführte die Versammlung und verband sie mit der Welt:

„du hast solche dort, welche die Lehre Balaams festhalten". Hier aber in Thyatira geht es weiter: „du duldest das Weib Jesabel", — das Böse wird gestattet. Wir haben gesehen, daß Balaam, als es ihm mißlang, Gott zum Verfluchen Israels zu bewegen, den Versuch machte, die Israeliten dadurch in Trüb­sal zu bringen, daß er sie mit dem Volk des Widersachers im Bösen vereinigte.

Ebenso ist das Böse in die bekennende Kirche eingedrungen. In Thyatira haben wir deshalb einen noch schrecklicheren Zu­stand als in Pergamus. Es findet sich nicht nur falsche Lehre vor — „diejenigen, welche die Lehre Balaams festhalten", — sondern eine Person hat sich darin niedergelassen, und sie hat Kinder, die aus dieser Verführung geboren werden. Nicht nur werden die Heiligen zum Bösen verführt, sondern Jesabel ist, sozusagen, in Thyatira so sehr zu Hause, daß Kinder geboren werden, die ihre Heimat und ihren Geburtsort im Bösen haben, ja, die dem Verderben selbst entsprossen sind. Doch beachten wir, daß wir angesichts dieses wachsenden Bösen und all dieser Gottlosigkeit eine zunehmende Energie seitens der Getreuen finden; denn Gott hatte inmitten dieses Bösen einen Überrest, dessen Treue wegen der großen Finsternis ringsum nur um so deutlicher hervortrat. Ähnliche Beispiele finden wir in der Ge­schichte Israels. Inmitten der götzendienerischen Anbetung des goldenen Kalbes oder während der Regierung der blutdürstigen Isebel, wurden tatkräftige Männer, wie Elias und Elisa, er­weckt, die mit einer besonderen Kraft des Zeugnisses für Gott ausgerüstet waren; auf diese Weise zeigt Gott, daß Er für die Bedürfnisse Seines Volkes stets genügend ist.

Wenn das Böse eine solche Höhe erreicht hat, daß es den Ge­treuen unmöglich wird, mit dem Bösen länger voranzugehen, dann gelangen sie in der Absonderung von diesem Bösen zu einer weit höheren Erkenntnis und Kraft, (obwohl es unter großer Trübsal sein mag) als zu der Zeit, da sich die Versamm­lung in einem glücklicheren Zustand befand. Zur Zeit des Elias

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bewahrte Gott Seinen Namen in ganz besonderer Weise. Das ganze Volk Israel hatte sich so schrecklich verderbt, daß Gott genötigt gewesen wäre, es gänzlich zu vertilgen; die Zeit war aber noch nicht gekommen. Alles war in Unordnung; weder Tempel noch Opfer, noch Priestertum war auf dem Berge Karmel; dessenungeachtet gab Sich Gott den wenigen Getreuen in einer Weise kund, von der das Volk in Jerusalem weder Kenntnis noch Genuß hatte; die mächtige Kraft Gottes war da, um dem Worte Seines Propheten Zeugnis zu geben. Ebenso war es bei Mose- er wandelte treu mit Jehova, während sich das ganze Volk um ihn her im Abfall befand. Nicht als Israel gut wandelte, war Mose Gott am nächsten, sondern als sie alle fehl gingen. Als Israel das goldene Kalb gemacht hatte, „nahm Mose das Zelt und schlug es sich auf außerhalb des Lagers, fern vom Lager", und dann ging er in die Gegenwart Gottes, und daselbst „redete Jehova mit Mose von Angesicht zu An­gesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet" (2. Mo 32, 33). Und an diese herrliche Auszeichnung erinnert Jehova in 4. Mo 12, als Mirjam wider Mose geredet hatte. Er sagt dort:

„Warum habt ihr euch nicht gefürchtet wider meinen Knecht, wider Mose zu reden?" „Er ist treu in meinem ganzen Hause;

mit ihm rede ich von Mund zu Mund". Das Zusammentreffen mit Gott im Zelte außerhalb des Lagers zeichnete Mose mehr aus, als selbst seine Berufung auf den Gipfel des Sinai. Es ist ein feststehender Grundsatz in der Schrift, daß Gott da, wo der Abfall ganz allgemein und offenbar ist, durch Seine Ge­treuen ein viel lauteres Zeugnis und größere Macht an den Tag treten läßt, als vorher in dem Körper, in seiner Gesamt­heit betrachtet, bekannt war. Auf diese Weise bestätigen sich die Worte Jethros: „In der Sache, worin sie in Übermut han­delten, (durch ihre Sünde und Auflehnung gegen Gott) war er über ihnen" in Gnade und Macht (2. Mo 18,11). Die gleiche Erscheinung wiederholte sich in den Tagen des Herrn Jesu. Er war ein höchst gesegnetes und herrliches Beispiel zu diesem Grundsatz, denn Er Selbst legte das vollständige und geseg­nete Zeugnis von der Gnade und Gerechtigkeit ab, um auf die Wege der Welt und Seines eigenen Volkes einzuwirken, gerade zu der Zeit, als Israel und die Welt im Begriff standen, die schrecklichste Sünde in der Kreuzigung des Sohnes Gottes zu begehen. Als das Herz Israels dick geworden war, als es sich

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in einem Zustand befand, der geeignet war, sieben andere Geister aufzunehmen, böser als der Geist, von dem es früher besessen war, als es, mit einem Wort, im Begriff stand, in den letzten, traurigsten Zustand zu versinken, da redete Gott, Der schon auf mancherlei Weise durch die Opfer, die Vorbilder und Propheten zu ihnen geredet hatte, zuletzt zu ihnen in Seinem Sohne, in der Person des sanftmütigen und demütigen Jesus.

Den vorhin erwähnten Grundsatz finden wir auch hier in Thyatira, sobald Jesabel Eingang gefunden hat. „Ich kenne deine Werke . . . und weiß, daß deiner letzten Werke mehr sind, als der ersten". Der Zustand der bekennenden Kirche hatte zur Folge, daß die Heiligen eine Energie entfalteten, die ihnen vorher unbekannt war. Dies zeigte sich stets in der Ge­schichte der Kirche während der sogenannten „finsteren Jahr­hunderte" des Mittelalters. Das treueste Zeugnis offenbarte sich und ein Maß von Hingebung, wie es zu anderen Zeiten unbekannt war, und wie man es heutzutage so gern in irgend­einer Weise sehen möchte. Man wagte das eigene Leben, um für Gott Zeugnis abzulegen. Ach! wie wenig sieht man davon in unserem Jahrhundert der Bequemlichkeit und der Schlaff­heit!

„Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen Glau­ben und deinen Dienst und dein Ausharren, und weiß, daß deiner letzten Werke mehr sind, als der ersten". Hier sind die Liebe und der Glaube wirksam, an denen es in Ephesus man­gelte. Der Herr ermuntert daher die Gläubigen durch „Hoff­nung" (V. 25), so daß wir hier Glaube, Hoffnung und Liebe finden, diese drei großen Grundsätze des Christentums. Wenn sie sich auch nicht, wie bei den Thessalonichern, in ihrer ge­segneten Ordnung vorfanden, so waren sie doch alle in irgend­einer Weise vorhanden. Zugleich bemerken wir auch hier wie­der, wie Gott stets bereit ist, das Gute anzuerkennen, ehe Er von dem Bösen redet.

„Dieses sagt der Sohn Gottes, der seine Augen hat wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer". Das Feuer ist das Sinnbild des unfehlbaren Gerichts; es durchdringt alles, wie das Auge Gottes. Was aber sieht Christus zuerst? Ohne Zweifel durchschaut Er sofort das schreckliche Böse; aber

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zuerst erwähnt Er das, woran Sein Herz Wohlgefallen findet. Er sieht in diesem verachteten Häuflein, um das sich niemand im geringsten kümmert, das, was Ihn erfreut; und obwohl Seine Füße gleich glänzendem Kupfer den unveränderlichen Charakter der Gerechtigkeit bezeichnen, die Gott (in Seinen Anforderungen an ihn) hienieden offenbart, und die in dem Menschen, in Christo, göttlich erfüllt war und Seine Person charakterisierte, so ruht dennoch das Auge Gottes stets auf dem kleinsten Funken von Treue inmitten des Bösen. Kein Pulsschlag eines Herzens, das Ihm inmitten der überströmenden Ungerechtigkeit treu ergeben ist, bleibt von Ihm unbeachtet;

und das ist es, was das Herz inmitten der widerwärtigen Um­stände stets aufrecht hält. Wie köstlich ist es für uns, in der Einfalt des Glaubens die volle Tragweite dieser zwei Wört­chen: „Ich kenne", zu verstehen und sie mit Kraft in unseren Seelen zu verwirklichen, und also in dem glückseligen Bewußt­sein voranzugehen, daß das Auge Gottes stets auf unserem Wandel und auf unseren Wegen ruht!

„Aber ich habe wider dich, daß du das Weib Jesabel dul­dest usw." (V. 20). Hier wird die Versammlung, als ein Gan­zes, dadurch gekennzeichnet, daß sie das Böse duldet. Es heißt nicht mehr, wie früher: „Du kannst Böse nicht ertragen";

nein, der Geist des Bösen in der Versammlung wurde jetzt völlig und öffentlich gestattet. Das war ein weit höherer Grad von Verfall, als bloß die falsche Lehre unter sich zu haben. „Du duldest das Weib Jesabel, welche sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte". Man dul­dete ein Weib, das einen erklärten Charakter in der Versamm­lung besaß: sie nannte sich eine Prophetin. Sie war ohne Zwei­fel eine falsche Prophetin, aber sie gab vor, in der Versamm­lung das Wort Gottes zu halten und zu lehren. „Ich gab ihr Zeit, auf daß sie Buße täte, und sie will nicht Buße tun". Gott geht nicht sogleich mit ihr ins Gericht, sondern Er läßt ihr Zeit zur Buße. Er handelt in Geduld mit ihr, aber sie tut keine Buße. Gott hat es hier nicht mit den Heiden zu tun — ihnen läßt Er das Evangelium predigen, um ihre Seelen für Christum zu gewinnen — sondern es ist eine Person, die sich Prophetin in der Versammlung nennt und die Knechte Gottes lehrt, „Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen"; demgemäß handelt Gott mit ihr auf diesem Boden ihres Bekenntnisses.

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Er „gibt ihr Zeit, Buße zu tun, aber sie will nicht Buße tun von ihrer Hurerei"; deshalb muß Er das Gericht vollziehen. Es heißt hier nicht/ was wohl zu beachten ist: „Ich werde deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust" (Kap. 2,5). Jesabel wird durchaus nicht als Leuchter anerkannt.

Es ist hier von zweierlei Gericht die Rede, weil nicht alle Kinder Jesabels waren. Der Ausdruck „Hurerei treiben" wird in der Schrift häufig gebraucht, um eine Gemeinschaft mit dem Bösen, besonders mit dem Götzendienst zu bezeichnen: das Volk Gottes gibt sich einem anderen hin als Ihm, Dem es an­gehört. Zuerst heißt es: „Siehe, ich werfe sie in ein Bett und die, welche mit ihr Ehebruch treiben, in große Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken"; dann: „Und ihre Kin­der werde ich mit Tod töten". Es gibt solche, die nicht ihre Kinder sind, aber mit ihr im Verkehr stehen und sich willig mit dem Bösen verbinden und Gemeinschaft mit ihm haben. Diese will ich strafen, sagt der Herr; sie werden die Frucht ihrer Wege ernten, „und alle Versammlungen werden erken­nen, daß ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht". Ich werde untersuchen, wer zufrieden ist, mit dem Strom des Bösen abwärts zu schwimmen, und wer in Treue gegen mich ausharrt. Die, welche mit Jesabel Ehebruch getrieben haben, die sich mit diesem Geiste der falschen Prophezeiung abgege­ben haben, „werde ich in große Drangsal werfen, wenn sie nicht Buße tun". Ihre Kinder aber, die durch diese falsche Lehre ihren christlichen Platz und Namen bekommen haben, wird ein völliges Gericht treffen: „ihre Kinder werde ich mit Tod töten". Für diese handelt es sich nicht bloß um Drangsal, son­dern sie sind die Gegenstände eines vollkommenen Gerichts. Nachdem ihnen vergeblich Zeit zur Buße gelassen worden ist, wird ein unmittelbares Gericht sie erreichen.

Wie betrübend, ja, wie überaus betrübend ist es, zu sehen, daß Christen sich so oft an solchem Bösen beteiligen! Nehmen wir z. B. die Galater. Unter ihnen gab es Heilige, die sich mit dem Judentum abgaben und das Gesetz einzuführen trachteten. Nicht, als ob sie keine Christen gewesen wären; aber sie ver­banden sich mit einer Sache, die Gott ganz und gar verhaßt war. Deshalb sagt Paulus zu ihnen: „Ich bin eurethalben in

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Verlegenheit", obschon sein Glaube sie hernach mit ihrem auf­erstandenen Haupt verbindet, und er, kraft der unfehlbaren Gnade Christi und ihrer Vollendung in Ihm, ausrufen kann:

„Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn". Es ist große Wach­samkeit nötig, da die Seele immer in Gefahr steht, sich mit Grundsätzen einzulassen/ die Gott völlig haßt. Die Kolosser hielten die Verbindung mit Christo, ihrem Haupt, nicht fest;

sie stellten etwas zwischen das Haupt und die Glieder. Der Apostel Paulus war stets in großer Besorgnis, wenn er irgend etwas eindringen sah, was die unmittelbare, eigene und per­sönliche Verbindung der Heiligen mit Christo stören konnte. Wenn ein wahrer Christ auf diese Weise Gemeinschaft mit dem Bösen macht, muß er in Drangsal kommen, um für Gott geläutert zu werden; tut es ein Unbekehrter, gibt es für ihn nichts als das Gericht. So wird es auch der christlichen Welt unserer Tage ergehen, die sich an dem Verderben des Christen­tums beteiligt, das in Thyatira durch Jesabel dargestellt ist;

alle, die nicht Buße tun von ihren Werken, werden einem ver­zweiflungsvollen Elend übergeben werden. Es ist ein sehr ernster, aber wahrer Gedanke, daß jeder, der etwas zwischen die Gläubigen und ihr verherrlichtes Haupt stellt, nachdem Gott sie gelehrt hat, daß sie eins sind mit Christo, das Chri­stentum tatsächlich verleugnet. Das war die große Wahrheit, deren Entfaltung dem Apostel Paulus anvertraut war; es war das, was er speziell von dem Herrn empfangen hatte: „Ich bin Jesus, den du verfolgst". Deshalb war es für ihn so tief be­trübend, wenn sich irgend etwas, mochten es Gesetzeswerke, das Priestertum, oder irgend etwas anderes sein, zwischen die Seele und Christum stellte und somit die große Wahrheit, die er gelernt hatte, verleugnete — die Wahrheit, zu der er bekehrt worden war, daß nämlich die Versammlung eins ist mit Christo, Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleisch und von Seinen Gebeinen. Wenn diese gesegnete Wahrheit in der Einfalt des Glaubens festgehalten wird, verleiht sie der Seele Kraft und räumt in dem ganzen täglichen Leben des Christen alles hin­weg, was sich zwischen seiner Seele und Christo befindet. Wäre ich ein Jude, so bedürfte ich etwas auf der Erde und hätte eine Mittelsperson nötig zwischen mir und dem Gott, von dem ich nur eine dunkle Kenntnis besäße. Ich bin aber ein Christ, und deshalb ist alles, was ich nötig habe, im

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Himmel. Ich wiederhole es noch einmal mit allem Nachdruck:

Bin ich ein Christ, so bin ich mit Christo verbunden, ich bin eins mit Ihm; aus diesem Verbunden- und Einssein mit Ihm aber folgt, daß nichts, gar nichts zwischen Ihn und mich kommen kann, so daß jeder Versuch, etwas zwischen uns zu bringen, tatsächlich nichts anderes ist, als eine gänzliche Beseitigung des Christentums. Viele Christen würden er­schrecken, wenn sie wüßten, wie vieles sie zwischen sich und Christum stellen und dadurch tatsächlich ihre Einheit mit Christo im Himmel verleugnen. Sobald ich einen Priester auf Erden, irgendeinen anderen als Christum im Himmel, zwischen mich und Gott stelle, zerstöre ich dadurch mein Vorrecht;

denn wenn Christus ein Priester ist und ich eins bin mit Ihm, so muß auch ich ein Priester sein. Wird aber dieses Priester­tum auf der Erde verwirklicht? Nein, sein Platz ist im Himmel. Ein irdisches Priestertum verleugnet das Christentum auf doppelte Weise. Es macht das System und die Stellung irdisch und leugnet unsere Verbindung mit Christo. Wäre ich ein Jude, dann würde ich ganz richtig handeln, wenn ich in einen irdi­schen Tempel ginge; da ich aber ein Christ bin, so muß ich, wenn ich mich Gott nahe, im Himmel sein. Vereinigt mit Christo, kann ich, obwohl mein Leib auf der Erde ist, hienie­den keinen Platz der Anbetung haben. Christus ist von der Erde verworfen, und ich bin in Ihm im Himmel. Will ich mich nun eines Priesters auf der Erde bedienen, so muß ich den Himmel verlassen und herniederkommen. Das Priestertum wird an dem Orte ausgeübt, dem es angehört. Ein irdisches Priestertum war ganz an seinem Platze, als Gott auf der Erde, hinter dem Vorhang und zwischen den Cherubim, thronte. Ein himmlisches Priestertum aber findet seine Ausübung in dem Himmel. Ja, meine lieben Freunde, wenn unsere Seelen in dem Blute Christi gewaschen sind, so findet sich alles, was wir nur irgend brauchen, im Himmel. „Euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott"; deshalb geziemte uns notwendiger­weise „ein solcher Hoherpriester, der heilig, unschuldig, unbe­fleckt, abgesondert von Sündern und höher als die Himmel geworden". Möchte der gütige Herr Seiner gesegneten Wahr­heit mehr Kraft in unseren Seelen verleihen! Dann werden alle Fragen hinsichtlich eines irdischen Priestertums, irdischer Satzungen und dergleichen bald verschwinden. Ich muß einen

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wahren Priester im Himmel haben, sonst habe ich keinen wahren Christus für meine Seele.

Werfen wir jetzt einen Blick auf den Charakter, mit dem Gott Sich hier bekleidet: „Ich bin es, der Herzen und Nieren erforscht". Er sagt gleichsam: Ihr werdet mir nicht entfliehen;

so annehmlich das Böse auch scheinen mag, und so sehr ihr es mit dem Namen des Herrn zu verbinden trachtet, (wie Israel einst den Namen Jehovas mit dem goldenen Kalb verband, indem es sagte: „Das ist dein Gott, Israel . . . Ein Fest dem Jehova ist morgen", 2. Mo 52, 4, 5)! so wird euch dennoch ein völliges Gericht erreichen, denn ihr habt meine Heiligen in eine niedrigere Stellung gesetzt, als wohin ich sie in Christo gesetzt habe, und ihr habt die Wahrheit Gottes durch Götzendienst verdorben.

In Vers 24 und weiterhin wendet der Herr Sich an den treuen Überrest, und deshalb sehen wir Ihn in anderer Weise ver­fahren: „Euch aber sage ich, den übrigen, die in Thyatira sind, so viele diese Lehre nicht haben", (Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen) „welche die Tiefen des Satans, wie sie sagen, nicht erkannt haben: Ich werfe keine andere Last auf euch". Dieses Sichfernhalten vom Bösen, wenn es auch sehr ge­segnet ist, ist dennoch nicht das Wachstum der Seele von Kraft zu Kraft bis zu dem vollen Wüchse des Christus, sondern:

„Was ihr habt, haltet fest". Ich werde „ihre Kinder mit Tod töten . . . doch ihr, was ihr habt, haltet fest, bis ich komme". Es ist Sein Kommen, worauf Er jetzt den Glauben der wenigen Getreuen, das Auge ihrer Seelen richtet. Er erwartet nicht, daß sie zu dem Standpunkt zurückkehren, von dem die Versamm­lung abgewichen ist, sondern Er richtet ihren Blick vorwärts auf Sein Kommen. Er ist bereit, das Gericht zu vollziehen. „Ihre Kinder werde ich mit Tod töten". Ihr dürft deshalb nicht erwarten, daß Jesabel zurechtgebracht oder in die Stellung eines Leuchters gelangen wird; nein, euer Auge muß auf etwas anderem ruhen. Dann wird die Hoffnung eingeführt, jedoch nicht in Form jener herrlichen und gesegneten Hoffnung, wie sie die Gläubigen im Anfang, z. B. die Thessalonicher, empfin­gen, von denen gesagt wird, daß sie sich „von den Götzen­bildern zu Gott" bekehrt hatten, „dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwar-

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ten". Die Hoffnung trägt hier einen veränderten Charakter, indem sie als die Zuflucht des Getreuen dargestellt wird, weil da, wo Gerechtigkeit hätte sein sollen, jetzt der Gesetzlose war (Pred 3, 16). „Bis ich komme", das ist der Trost, der in­mitten des allgemeinen Verfalls dargeboten wird. Der Herr er­kennt wohl die vorhandenen Werke, die Liebe, den Glauben, den Dienst und das Ausharren an. Ihr habt nur dieses Wenige erlangt; „doch was ihr habt, haltet fest/ bis ich komme". Es ist etwas ganz anderes, wenn das Kommen des Herrn einigen wenigen Getreuen, die sich inmitten des verderbten Jesabel-Zustandes der Kirche befinden, als ein Trost und eine Befrei­ung vorgestellt wird, oder wenn dieses Kommen die herrliche und gesegnete Hoffnung der Versammlung bildet, die sie auf­recht hält und über das Verderben der Welt erhebt. Es ist aber nicht bloß die Tatsache Seines Kommens, es ist die Herrlichkeit Dessen, Der kommt, was allein das Verlangen des Herzens befriedigen kann.

In den Versen 26—28 zeigt der Herr die Folgen Seiner An­kunft für die Nationen und für die Versammlung: „Dem will ich Gewalt geben über die Nationen". Dies ist ein bemerkens­werter Ausdruck; wir finden nichts derartiges, solange die Versammlung noch in ihrer vollen Blüte stand. Da jetzt aber die bekennende Kirche in eine Stellung gekommen ist, die für den Heiligen eine Gelegenheit zur ernstesten Prüfung wird, und ihre Verbindung mit der Welt sie—die bekennende Kirche, das, was den Namen Versammlung trägt — zur Mutter von Kindern des Verderbens gemacht hat, so empfangen die Ge­treuen, inmitten von diesem allem, besondere Verheißungen, als Stütze für ihre Seelen. Wir wissen aus der Geschichte, wie in den finstersten Zeiten Männer des Glaubens sich Bahn brechen mußten durch das Böse in der Kirche, wie sie in Ge­fahr standen, von denen verraten zu werden, die sich selbst die Kirche nannten, und wie sehr sie von den regierenden Mächten der Erde verfolgt wurden. Die Namenkirche war tat­sächlich die verderbenbringende Macht Satans, ausgeübt durch die Nationen. So gehen auch hier in Thyatira die Heiligen, welche Glauben und Ausharren besitzen, standhaft durch jede Schwierigkeit hindurch, mag sie in Jesabel und ihren Kindern, die sich die Kirche nennen, bestehen, oder in der Verfolgung der Nationen. Der Gegenstand der Verheißung ist die Ver-

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einigung mit Jesu Selbst, dem glänzenden Morgenstern; und wo Glaube an diese Verheißung vorhanden gewesen ist, da wird Gewalt verliehen werden über die Nationen. Die Welt, die unter der Macht Satans die Prüfung der Heiligen verur­sachte, wird ihnen unterworfen sein. „Wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende (inmitten des Verderbens, das noch den Namen und die Verantwortlichkeit einer Kirche trägt), dem werde ich Gewalt geben über die Nationen". (In Mt 24 finden wir dem Grundsatz nach die gleiche Sache, wie­wohl mit Bezug auf eine andere Zeit: „Wer aber ausharrt bis ans Ende, dieser wird errettet werden"). „Ich werde ihm den Morgenstern geben". So gibt der Herr dem getreuen Überrest, während er sich in dieser Lage befindet, das besondere Bewußt­sein seiner Verbindung mit Ihm. Die Schwierigkeit seiner Stel­lung besteht darin, daß alles um ihn her sich zu Jesabel und ihrem Verderben wendet, um Götzenopfer zu essen und Hure­rei zu treiben. Doch auf seine Frage: „Was sollen wir tun?" erwidert der Herr: „Folget mir nach — bewahret meine Werke bis ans Ende", und dann werdet ihr am Ende mein Teil haben:

„wie auch ich von meinem Vater empfangen habe".

In dieser, den Getreuen gemachten Verheißung wird das Kommen des Herrn in einem zweifachen Charakter dargestellt. Der erste betrifft ihre Stellung der Welt gegenüber: es wird ihnen Gewalt gegeben über die Nationen; der zweite ihre eigentliche Segnung: der Morgenstern wird ihr Teil. Schon in ps 2, 9 findet sich eine Anspielung auf jenen ersten Charakter. Die Versammlung des lebendigen Gottes hätte durch ihren Wandel auf dieser Erde die Welt richten sollen; da sie aber mit ihr Hurerei getrieben hat, so hat sie keine Macht, sie zu richten; deshalb sagt der Herr: „Ich muß richten"; weil es der Kirche darin gefehlt hat, die Welt durch einen Wandel der Heiligkeit und Abgeschiedenheit zu verurteilen, so muß der Herr im Gericht zeigen, was die Welt ist. Wenn auch die Ver­folgten sich der Autorität der Welt, als von Gott verordnet, unterwarfen, so waren sie doch moralisch von ihr getrennt. So groß der Einfluß Jesabels auch sein mochte — sie hielten sich mit Abscheu von diesem Verderben fern, und deshalb wurde ihnen die Ehre des Märtyrertums zuteil. In den letzten Tagen werden sich die Mächte der Welt wider den Gesalbten Gottes verbünden, aber dennoch wird Er Seine Herrschaft über

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die Nationen antreten. Und was wird dann der Platz und das Teil der Versammlung sein? Christus sitzt jetzt zur Rechten Gottes, und der Heilige Geist ist herniedergekommen, um die Kirche zu sammeln; und wenn der Herr die Heiligen zu Sich genommen hat, wird Er erscheinen und die Welt richten.

„Habe doch ich meinen König gesalbt auf Zion, meinem heiligen Berge! Vom Beschluß will ich erzählen: Jehova hat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich ge­zeugt".

Der Name Sohn trägt hier nicht den Charakter des ewigen Sohnes des Vaters, sondern der Herr wird betrachtet als in der Welt geboren, als der Mensch, der in Herrlichkeit einge­setzt ist, um über die Erde zu herrschen. „Fordere von mir, und ich will dir zum Erbteil geben die Nationen". Dies tut Christus jetzt nicht; Er bittet jetzt nicht für die Welt. Sobald Er Gott in bezug auf die Welt bittet, wird das Gericht der Welt die unmittelbare Folge sein. „Mit eisernem Zepter wirst du sie zerschmettern". In Johannes 17 sagt Christus: „Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast". Er schließt die Welt nicht in Seine Bitten ein. Während der gegenwärtigen Zeit zerschmettert Er die Nationen nicht, son­dern läßt ihnen Sein gesegnetes Evangelium verkündigen, um Seelen aus der Welt zu sammeln; und der Heilige Geist ist beschäftigt, die Seelen mit Christo zu verbinden und so die Versammlung zu bilden. Wenn Er aber einmal um die Nati­onen bitten wird, dann geschieht es, um sie wie Töpfergefäße zu zerschmettern. Das wird das Gericht der Lebendigen sein. Deshalb finden wir am Ende des zweiten Psalms ein Wort der Warnung: „Und nun, ihr Könige, seid verständig . . . Küsset den Sohn, daß er nicht zürne". Denn wenn ihr jetzt dieser Aufforderung nicht Folge leistet, die euch in Langmut Gele­genheit zur Buße gibt, so müßt ihr euch einst vor dem Zorn des Lammes beugen. „Mir soll sich jedes Knie beugen".

Wir sehen hier also, was das Teil der Versammlung, als eins mit Christo, ist. „Wer überwindet . . . dem werde ich Gewalt über die Nationen geben . . . wie auch ich von meinem Vater empfangen habe". Und von Christo wird gesagt: „Er wird sie weiden mit eiserner Rute". Die Welt muß wieder zurechtge­bracht werden; Christus wird kommen und das Gericht über

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sie vollziehen, und die Versammlung wird Ihm darin beigesellt sein. Jetzt aber wohnt sie da, wo der Thron Satans ist; das Böse umringt sie von allen Seiten, und es ist nicht ihre Sache, sich mit der Zurechtbringung des Bösen zu beschäftigen. Des­halb ruft Christus Seinem treuen Überrest gleichsam zu:

„Fürchtet euch nicht; seid nicht in Unruhe wegen der Verfol­gungen, auch nicht wegen des Verderbens Jesabels; dies eine aber tut: „Bewahret meine Werke bis ans Ende". Es ist jetzt die Zeit der Geduld und der demütigen Treue. Wandelt durch die Welt, wie ich inmitten Israels gewandelt habe, und dann werde ich euch „Gewalt geben über die Nationen . . . wie auch ich von meinem Vater empfangen habe". Die Gewalt wird euer Teil sein, sobald ich meine Gewalt übernehmen und regieren werde". Das ist der besondere Charakter der Verbindung mit Christo in Macht.

Was sollen wir aber inzwischen tun, um die Welt zurecht­zubringen? Nichts; und das kann das Fleisch nicht begreifen. Wir sollen uns weder mit dem Toben der Nationen einlassen, noch uns um ihre Bündnisse bekümmern, (obwohl wir zu gleicher Zeit nicht vergessen dürfen, daß wir den bestehenden Gewalten, als von Gott verordnet, Unterwerfung und Gehor­sam schuldig sind), noch uns durch das Böse Jesabels verun­reinigen, sondern auf Gott harren. „Bewahret meine Werke bis ans Ende" und wartet mit Ausharren. Denn wenn Christus die Oberhand hat, dann haben auch wir sie. Unsere Interessen sind die Seinigen, und Seine Interessen sind unsere; sie sind so innig miteinander verbunden, daß sie unmöglich getrennt wer­den können. Wir lesen in Kol 2, 20: „Wenn ihr mit Christo den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?" Das will sagen: Er ist in Gott verborgen, deshalb sind auch wir es. Sein Leben ist unser Leben. „Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott". Er macht Seinen Zustand so sehr zu unserem, daß, wenn Er in Gott verborgen ist, auch wir es sind. Und wenn von Seiner Erscheinung die Rede ist, so heißt es: „Wenn der Christus, unser Leben, ge­offenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit Ihm geoffen­bart werden in Herrlichkeit". Da wir ganz eins sind mit Christo, während Er auf dem Thron des Vaters wartet, so sind wir berufen, mit Ihm im Geiste hienieden zu warten.

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Im Vorübergehen möchte ich bemerken, daß wir in Psalm 110 in etwa eine Erklärung der Worte finden: „von jenem Tage aber und jener Stunde weiß niemand", weder die Engel noch der Sohn. Der Sohn sitzt zur Rechten Gottes und wird in prophetischem Sinn als dort wartend betrachtet, nach den Worten Jehovas: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße". In diesem Sinne nun, als prophetischer Diener der geoffenbarten Wahrheit, (und als solcher redete Er in Israel, vergl. Hebr l), kann gesagt werden, daß Er weder den Tag, noch die Stunde kannte. Paulus spricht in Hebr 10 von Ihm, als „fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße", bis zu dem Augenblick, wo sie auch zu unseren Füßen liegen werden. In Übereinstim­mung damit werden wir in dem Sendschreiben an Philadelphia ermahnt, das Wort Seines Ausharrens zu bewahren. Und wenn Er wartet, so ist es nicht zu verwundern, daß auch wir zu warten haben; und das beste von allem, was wir erwarten, ist Er Selbst. Die Vereinigung mit Ihm ist das eigentümliche und besondere Teil der Versammlung; die Gewalt über die Nati­onen ist bloß die Frucht und Folge davon. Er muß richten; für uns aber ist Er der „Morgenstern". Das Richten ist gleichsam Sein „fremdes Werk". Er ist langsam zum Zorn, aber Er muß Gericht ausüben, da Er die Ungerechtigkeit nicht für immer ungestört fortschreiten lassen kann. Er steht im Begriff, Seinen eigenen Thron in Besitz zu nehmen, und Er kann dies nicht tun in Verbindung mit dem Thron Satans und seinem Bösen. Deshalb muß Er das Böse beseitigen. Er kann es nicht zulas­sen. Die antichristliche Macht in der Welt muß niedergeworfen werden; denn Er kann Seinen Thron nicht aufrichten und zugleich jene Macht bestehen lassen, wie in ps 94 geschrieben steht: „Sollte mit dir vereinigt sein der Thron des Verderbens?" Es ist völlig unmöglich. Darum muß Er Sein „fremdes Werk" tun; Sein eigentliches Werk aber besteht, sozusagen, darin, daß Er in Seinem himmlischen Glanz leuchtet, und unser Teil ist es, dort mit Ihm vereinigt zu sein.

„Ich will ihm den Morgenstern geben". Fragen wir, wer den Morgenstern sieht, so ist die Antwort: einer, der wacht, wäh­rend es Nacht ist. Die Sonne in ihrem Glanz wird von allen gesehen werden; aber nur die, welche nicht von der Nacht sind, jedoch wissen, daß die moralische Nacht herrscht, diese und

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nur diese sehen den Morgenstern und empfangen ihn als ihr Teil. Sie sind nicht Söhne der Nacht, sondern des Tages, und deshalb warten sie auf den Anbruch des Tages. Als der Stern aufging, welcher Jesum, den geborenen König der Juden, be­grüßen sollte, gab es Anna's und Simeon's, die auf den Trost Israels warteten. Und die Freunde Anna's in diesen Tagen der Finsternis waren solche, die auf die Erlösung in Israel warte­ten; zu ihnen redete sie von Ihm. So erfüllte sich an ihnen das Wort des Propheten Maleachi: „Da unterredeten sich unter­einander, die Jehova fürchteten" (Kap. 3, 16). Wir sehen, daß sie einander kannten und miteinander im Geiste den Trost von dem genossen, was wir in Mal 4, 2 lesen: „Euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit auf­gehen mit Heilung in ihren Flügeln". Sie bildeten ein armes, verachtetes Häuflein, nur wenig gekannt und noch weniger beachtet; aber sie „warteten" auf die Erlösung in Israel, Sie fühlten den Verfall und das Böse um sich her, weil sie ein lebendiges Bewußtsein von der Herrlichkeit Gottes und von dem Vorrecht hatten. Sein Volk zu sein. Wir finden in ihnen, so schwach sie sein mochten, eine herrlichere Kundgebung des Glaubens, als selbst in Elias, als er das Feuer vom Himmel fallen ließ. Sie stellten nicht den Tempel wieder her, sondern unterhielten sich über die Gedanken Gottes. Elias beschäftigte sich mit der Wiederherstellung äußerer Dinge, aber für die inneren hatte er keinen Glauben*). Er hatte kein rechtes Ver­trauen auf die unfehlbare Gnade Gottes dem Überrest gegen­über. Das Gesetz war der Maßstab, nach dem er alles beur­teilte; Anna und Simeon dagegen besaßen das Geheimnis Gottes in ihren Seelen; denn „das Geheimnis Jehovas ist für die, wel­che ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzu­tun" (ps 25, 14). Sie wandelten auf dem schmalen und stillen Pfad des Glaubens. Sie versuchten nicht, den Tempel wieder-

*) Beachten wir hier den Charakter Christi. Selbst vollkommen unter dem Gesetz stehend, ließ Er durch die unermüdliche Geduld Seiner Gnade, und indem Er alles ertrug, die Stimme des guten Hirten an jedes Schaf der Herde gelangen, während der arme Elias, so ergeben er auch war, Feuer vom Himmel herniederkommen ließ auf die Widerspenstigen, aber er gelangte nicht zu den siebentausend, die Gott kannte. Christus schlug es aus, Feuer vom Himmel fallen zu lassen. Er unterzog Sich dem Gericht, während Er das Gesetz hielt, und scheute keine Mühe, um die Stimme Jehovas dem ärmsten, schuldigsten und verborgensten Glied der Herde nahezubringen. Die Folge — und in der Tat auch die Ursache — hiervon ist, daß die Schafe der Herde Ihm angehören, und daß Ihm die richterliche Gewalt über alles gegeben ist.

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herzustellen, aber sie redeten zu allen, die auf Erlösung war­teten in Israel. Waren sie denn mit dem Zustand der Dinge zufrieden? Nein, aber getrennt vom Bösen warteten sie auf den Trost Israels, der allein das Böse an seinen Platz setzen konnte. So ist es auch in unseren Tagen. Der Christ kann Jesabel nicht verändern, noch kann er sich mit den bloßen Tempel-Anbetern, den sogenannten religiösen Systemen unse­rer Zeit, vermengen. Indem er ihr Gericht dem Herrn anheim­stellt, enthält er sich jedes gewalttätigen Angriffs auf sie und wandelt in stiller Trennung von allem Bösen. Er wacht wäh­rend der langen, finsteren Nacht der Leiden und wartet mit Ausharren auf den Morgenstern des Tages der Herrlichkeit. „Dem, der überwindet . . . werde ich den Morgenstern geben";

und dieser Morgenstern ist Christus Selbst. In dieser Weise wird Er von denen gekannt, die, obwohl sie in der Nacht, doch nicht von der Nacht sind; sie sind Kinder des Tages. Der Mor­genstern wird verschwinden, bevor die Welt die Sonne sieht, bevor die Sonne aufgeht und der Tag anbricht. Doch ehe sie aufgeht, ist der Morgenstern da für die, welche während der Nacht wachen. Die Welt wird die Sonne sehen, aber der Mor­genstern ist, soweit die Welt in Betracht kommt, verschwunden, ehe die Sonne erscheint. Ebenso werden auch wir verschwunden sein und bei dem Morgenstern weilen, ehe der Tag Christi für die Welt anbricht; und wenn Christus offenbar werden wird, dann werden auch wir mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit.

Es gibt drei Stellen, die sich auf diesen Morgenstern beziehen, und es ist wichtig, sie etwas näher zu betrachten. In 2. Petri l lesen wir: „Und so besitzen wir das prophetische Wort be­festigt, auf welches zu achten ihr wohl tut, als auf eine Lampe, welche an einem dunklen Orte leuchtet, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen". Die Propheten in Israel hatten den Tag völligen Segens für die Erde zuvor angekündigt: „Stehe auf, leuchte; denn dein Licht ist gekommen" (Jes 60, l), „siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit" (Jes 32, l), und ihr Zeugnis wurde den Jüngern durch die Er­scheinung auf dem heiligen Berge bestätigt. Sie prophezeiten auch von Ereignissen, die über diese Welt kommen sollten, als ein Gericht über alle die Formen ihres widersetzlichen Willens und ihrer rebellischen Macht, von Ninive und Babylon, von

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den Tieren, die sich auf der Erde erheben sollten, von Jerusa­lem und seinem Los, als abgewichen von Gott. Indem auf diese Weise das Gericht bestimmt angekündigt war, gab es eine warnende Lampe, die inmitten der Finsternis dieser Welt ein Licht verbreitete, das diejenigen, die darauf achthatten, ermahnte, den Frevel des menschlichen Willens, der das gött­liche Gericht herbeiführte, zu meiden. Und sie taten wohl, auf dieses prophetische Wort zu achten, bis der Morgenstern in ihren Herzen aufging; es war eine Lampe an einem dunklen Ort. Der Morgenstern selbst aber war noch etwas weit köst­licheres.

Die Prophezeiungen sind einfach, und ihre Ermahnungen klar. Sie warnen uns vor dem Geist der Welt, deren Gericht angekündigt wird. In der Offenbarung (Kap. 16) lesen wir von unreinen Geistern, gleich Fröschen, welche zu den Königen des ganzen Erdkreises ausgehen, um sie zu versammeln zu dem Kriege jenes großen Tages Gottes, des Allmächtigen. Wenn wir selbst nicht genau verstehen, wer diese Frösche sind und was sie bedeuten, so ist doch der Hauptgedanke der Prophe­zeiung unzweifelhaft. Es handelt sich nicht um die Macht des Guten, denn sie verführen die Könige der Erde zum Kriege jenes großen Tages Gottes. Das prophetische Wort ist also eine Lampe an einem dunklen Ort, in der Nacht der Geschichte dieser Welt, während der Abwesenheit Christi. Der Morgen­stern hingegen ist Christus Selbst, wie wir dies aus Offen­barung 22 sehen. Er ist der glänzende Morgenstern. Wenn Christus erscheint, wird Er die Sonne der Gerechtigkeit für die Welt sein, und dann wird das Gericht beginnen. Die Gesetz­losen werden zertreten werden wie Asche unter den Fußsohlen. wie Staub, „an dem Tage, den ich machen werde, spricht Je­hova der Heerscharen", und der Tag Jehovas wird sein wie Feuer. Der Stern aber erscheint denen, die wachen, ehe die Sonne den Blicken der Welt erscheint; denn ebenso wie ich durch die prophetische Warnung verstehen kann, daß dieser dunkle Ort bald dem Gericht anheimfallen wird, „daß die Nacht weit vorgerückt und der Tag nahe ist", so weiß ich auch, daß es jetzt Nacht ist, was immer auch die Menschen darüber den­ken mögen. Was ich brauche, ist der Morgenstern in meinem Herzen — die Hoffnung der Ankunft Christi, um die Ver­sammlung zu Sich zu nehmen vor dem Anbruch des Tages;

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denn der Morgenstern wird denen gegeben, die überwinden. Ich muß Ihn haben, damit meine Seele erquickt werde während der langen und schrecklichen Nacht, die jetzt weit vorgerückt und noch dunkler ist als damals, gleichwie die Finsternis der Nacht stets zunimmt, bis die Dämmerung eines neuen Tages am anderen Ende des Himmels anbricht und der Morgenstern dem Auge der wachenden und wartenden Seele aufgeht und das Herz durch eine gewisse und sichere Hoffnung erfreut. Und was brauchen wir von den Dingen dieses dunklen Ortes, dieser Welt, die unter dem Gericht steht, weil sie den Sohn Gottes ans Kreuz genagelt hat? Laßt uns doch nicht die Reich­tümer, die Ehre und die Macht dieser Welt suchen, über die Christus bei Seiner Ankunft das Gericht ausüben wird. Ein einziger Strahl der Herrlichkeit Christi wird alle Herrlichkeit dieser verunreinigten Welt hinwelken lassen, gleich einem herbstlichen Blatt. Möge daher der Herr uns bewahren, daß wir uns nicht mit der Welt vermengen, noch Reichtümer auf­häufen. Was wollen wir damit, wenn Christus kommt? Er­innern wir uns, daß der Herr nahe ist! Indessen möchte jemand fragen: soll ich mich denn nur deshalb von dieser Welt ge­trennt halten, weil sie dem Gericht verfallen ist? Gewiß nicht. Mein ganzes Teil für Zeit und Ewigkeit ist in Christo, und der Morgenstern ist aufgegangen in meinem Herzen. Nicht die Furcht, sondern die Liebe soll mich von der Welt trennen.

Die Ankunft Christi als Morgenstern unterscheidet sich, wie wir gesehen haben, von dem Auf gang der Sonne; sobald diese über der Welt aufgeht, ist das Gericht da (Jes 2; Mal 4, 1—3). Doch außer und vor diesem allem haben wir unser Teil in Christo. Wir sind nicht von dieser Welt, sondern wir sind aus ihr erlöst und gehören Christo an. Wir werden droben mit Ihm vereinigt sein, bevor Er zum Gericht dieser Welt erscheinen wird. Die Donner des Gerichts werden uns nicht erreichen können, weil wir mit Ihm im Himmel sitzen, von woher die Gerichte kommen. In Offb 4 haben wir ein überaus gesegnetes und tröstliches Bild von der Stellung der Versammlung. Dort sitzen die 24 Ältesten auf ihren Thronen, rings um den Thron, aus dem Blitze und Stimmen und Donner hervorgehen, und sie bleiben vollkommen ruhig. Ist dies Unempfindlichkeit? Keineswegs; denn sobald Gott nach Seinem heiligen Charakter

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erwähnt wird, fallen sie augenblicklich nieder und werfen ihre Kronen vor Ihm hin (V. 8—11). Sie zeigen nicht die geringste Furcht, wenn die lebendigen Wesen die dreifache Heiligkeit dessen verkündigen, der auf dem Throne sitzt; dies ruft viel­mehr ihre Anbetung hervor, sie fallen nieder und werfen ihre Kronen vor Ihm hin in dem überströmenden Gefühl der Würde Dessen, Der auf dem Throne sitzt.

Christus ist also dieser Morgenstern, und wenn der Tag angebrochen und der Morgenstern in unseren Herzen aufge­gangen ist, dann erkennen wir unsere Verbindung mit Christo Selbst, innerhalb jenes Ortes, von wo die Gerichte ausgehen. Am Ende der Offenbarung finden wir den Stern wieder (Offb 22, 16). Der Herr führt uns von dem prophetischen Zeugnis zu Sich Selbst zurück. „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt". „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, (dieser Titel steht in Verbindung mit Ihm, als der Quelle und dem Erbe der Verheißung, als König in Zion: „Herrsche inmitten deiner Feinde"), der glänzende Morgenstern". Und sobald Er Sich als den glänzenden Morgenstern ankündigt, rufen der Geist und die Braut: „Komm!" Der Heilige Geist in der Versammlung sagt: „Komm!" Diese Antwort steht in Verbindung mit Ihm;

Seine persönliche Anmeldung verursacht und erweckt die Ant­wort des Geistes. Gott hat in der Liebe Seines eigenen Herzens die Versammlung mit Christo vereinigt, und sobald nun Sein Name erwähnt wird, ertönt der Ruf: „Komm!" denn die bloße Erwähnung dieses köstlichen Namens berührt eine Saite in dem Herzen des Gläubigen, die augenblicklich Antwort gibt. Der Herr sagt hier nicht: „Ich komme bald" Es handelt sich an dieser Stelle nicht darum, wann Er kommen wird, sondern, daß Er Selbst es ist. Der kommt. Er spricht nicht von Seinem Kommen, wie köstlich dieser Gedanke auch sein mag, sondern Er offenbart Sich Selbst; und dies erweckt die Antwort des Herzens durch die Kraft des Heiligen Geistes. Wir sind für Ihn und werden bei Ihm sein; nichts geringeres als das ist möglich, denn Er nennt uns „Seinen Leib". Welch ein bewun­derungswürdiger, ja mehr als das, welch ein herrlicher Platz! Wir sind völlig einsgemacht mit dem Christus Gottes. Keine Erklärung des prophetischen Teils der Schrift (wie schön und wahr sie auch sein und welchen Nutzen sie haben mag als eine feierliche Warnung in bezug auf diese Welt) kann je in einer

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von Gott unterwiesenen Seele den Platz der Kenntnis ihrer lebendigen Vereinigung mit einem kommenden Jesus und der gegenwärtigen Erwartung Seiner Selbst einnehmen. Die Hoff­nung des Heiligen ist keine bloße Auslegung Seiner Ankunft, als Lehre. Sie ist keine Prophezeiung, sondern die wahrhaftige, gesegnete und heiligende Erwartung einer Seele, die Jesum kennt und sich danach sehnt. Ihn zu sehen und bei Ihm zu sein. Die Braut allein hört die Stimme des Bräutigams, und der Klang Seiner Stimme ruft alsbald den Ausdruck ihres Ver­langens nach Seiner Ankunft wach. Er antwortet auf ihren Ruf und versichert ihr, daß Er kommen werde. Das ist der Schluß der Offenbarung. Er läßt ihr diese Erwartung zurück, welcher Art auch die Mitteilungen gewesen sein mögen, die Er ihr zuvor in bezug auf das Gericht dieser Welt, zu der sie nicht gehört, gemacht hat. Der Herr Jesus wird dargestellt als weg­gehend und wiederkommend, um Seine Braut zu Sich zu neh­men. Und dann, wenn die Welt sagen wird: „Friede und Sicher­heit, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie ... und sie werden nicht entfliehen".

Paulus schließt das vierte Kapitel seines eisten Briefes an die Thessalonicher mit den Worten: „Also werden wir allezeit bei dem Herrn sein". Ist das alles? Ja, das ist alles; denn einem Herzen, das Ihn lieben gelernt hat, kann nichts Höheres gesagt werden. Dann fügt er hinzu: „Was aber die Zeiten und Zeit­punkte betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, daß euch ge­schrieben werde"*). Ihr seid Kinder des Tages; ihr wartet auf diesen Tag. Eine Auslegung hierüber, in Form einer Lehre, könnte nie das Herz erreichen. Es ist unmöglich, jemandem ein Verhältnis zu erklären; um es zu verstehen, muß er sich selbst darin befinden. Eine nicht erneuerte Seele mag in ge­wisser Beziehung den Sinn der Weissagung verstehen; aber nur das Bewußtsein und der Genuß unserer Vereinigung mit Christo erweckt das Verlangen nach Seiner persönlichen An­kunft. Und warum das? Weil hierzu die Kenntnis des Verhält­nisses notwendig ist. In Offb 22,16 ist das Verhältnis gekannt, die Zuneigung ist wachgerufen, und der Geist und die Braut antworten alsbald.

*) Ich zweifle nicht daran, daß Kap. 5 in unmittelbarem Zusammenhang steht mit Kapitel 4, 14; die Verse 15-18 des 4. Kapitels bilden eine Einschaltung

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Ich führe zur Erläuterung des Gesagten ein Beispiel an. Eine Frau erwartet ihren Mann. Er klopft an die Tür. Noch kein Wort hat er gesprochen, und doch weiß sie schon, wer draußen steht. Er ist es, den sie liebt. Die einer Frau natürlichen Gefühle und Zuneigungen werden wach, sobald die Saite berührt wird durch das, was auf jene einwirkt. Aber das Band muß im Herzen, die Liebe muß vorhanden sein, um die Antwort her­vorzurufen; die Saite, welche durch die gesegnete Wahrheit von der Ankunft Jesu in Bewegung gesetzt wird, muß da sein, um durch sie zum Klingen gebracht werden zu können. Durch die Kraft des Geistes Gottes ist das Bewußtsein der Einheit mit Jesu so stark, daß, sobald in diesem Charakter von Ihm die Rede ist, die Saite berührt wird, und ganz naturgemäß der Ruf erschallt: „Komm!" Ein bloßes Verständnis, so entwickelt es auch sein mag, kann nie diesen Ruf hervorbringen. Welch ein Unterschied besteht zwischen der Erwartung des Herrn, weil Er mich und Seine Heiligen zu einem Teil von Sich Selbst und zu Seiner Braut gemacht hat, und dem Ausschauen nach Ihm, als demjenigen, der verlorene Sünder richten wird! Die praktische Wirkung dieser Erwartung Jesu ist groß. Sie nimmt uns aus der Welt heraus und versetzt uns in den Himmel. Wenn meine Liebe zu Ihm wirklich und wahr ist, dann ist mein Blick so unverrückt nach oben gerichtet, daß ich nicht achthabe auf das, was mich umgibt. Es gibt in dieser Welt allerlei Dinge um mich her, Überfluß an Unruhe und Geräusch;

aber das stört nicht die süße Ruhe meiner Seele, denn nichts kann meine unauflösliche Verbindung mit einem kommenden Jesus lockern, wie mich auch nichts von der Hoffnung Seiner Erwartung trennen sollte.

Versteht man diese Ankunft des Herrn Jesu für die Ver­sammlung, so bekommen zahlreiche Schriftstellen einen ganz anderen Charakter. So z. B. die Psalmen, die von dem Gericht über die Gottlosen reden. „Er (der Gerechte) wird seine Füße waschen im Blute des Gesetzlosen". Wir sind es nicht, die dies sagen. Es ist die Sprache der Juden, ja die Sprache frommer Juden, die durch den Stab Seiner Macht, der ihre Feinde schlägt, befreit werden, wenn alle Stämme des Landes über Ihn weh­klagen. Müssen aber meine Feinde vernichtet werden, damit ich zu Christo komme? Gewiß nicht; ich werde sie zurück­lassen, um bei Ihm zu sein. Es ist wirklich ein schmerzlicher

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Gedanke, obwohl wir darin das gerechte Urteil Gottes aner­kennen müssen, daß ein solches Gericht über alle hereinbrechen wird, die Ihn und Seine Gnade verachten. Was aber mich be­trifft, so gehe ich geradewegs zu Christo in den Himmel. Mein Platz ist in Ihm, während Er in Gott verborgen ist; ich stehe in der nächsten und innigsten Verbindung mit Ihm. Ich gehöre zur Braut; ich bin ein Glied Seines Leibes; ich bin von Seinem Fleisch und von Seinen Gebeinen. Wenn wir diesen gesegneten Mittelpunkt, Christum, und mit Ihm Gott Selbst erfaßt haben, so bekommt jede Schriftstelle den ihr zugehö­renden Platz; und durch den Heiligen Geist erlangen wir ein geistliches Verständnis über die Dinge in den Himmeln und die Dinge auf der Erde, sowie über unsere Verbindung mit den himmlischen Dingen und unsere Abgeschiedenheit von den Dingen auf der Erde. Vor allem aber nehmen unsere Herzen den ihnen gehörenden Platz ein; denn wenn unsere Blicke auf Jesum gerichtet sind, dann warten wir auch auf Ihn. Wenn Er geoffenbart werden wird, dann werden auch wir mit Ihm ge­offenbart werden in Herrlichkeit; aber wir werden allezeit bei dem Herrn sein.

Der Herr gebe uns ein solches Verständnis von der Erlösung und unserer Stellung in Ihm, daß wir unsere Herzen fest auf Ihn richten, damit wir hienieden täglich als solche wandeln, die ihren Herrn erwarten, der verheißen hat, zu kommen und uns zu Sich zu nehmen, uns, die wir wachen inmitten einer Nacht der Finsternis, in dem Bewußtsein, daß es Nacht ist, obschon wir nicht von der Nacht sind, sondern wachen und den Tag erwarten, indem der Morgenstern bereits aufgegangen ist in unseren Herzen. Der Herr wolle uns bewahren vor den Götzen und vor allem, was irgendwie Jesabel gleicht, damit wir vorsichtig seien, aus Furcht, Ihn zu betrüben durch irgend­eines jener Dinge, die eingedrungen sind, um das zu verderben und zu verwüsten, was Er einst so herrlich gepflanzt und be­stimmt hatte, zur Offenbarung Seiner Herrlichkeit in dieser finsteren und argen Welt zu dienen.

Sardes

Der Anfang dieses Kapitels ist ganz besonders tröstlich, aber zugleich ist er mit dem außerordentlichen Ernst verbun­den, der sich in dem Sendschreiben an die Versammlung in

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Sardes kundgibt. Ich kenne nichts Ernsteres, als den Gesichts­punkt, von dem aus der Geist Gottes in diesem Sendschreiben die bekennende Kirche hinsichtlich ihres Namens, ihres Cha­rakters und ihrer Verantwortlichkeit in der Welt betrachtet. Denn während sich das Schreiben an die Versammlung richtet, ist der Punkt, von dem aus sie betrachtet wird, der Sohn Gottes Selbst in Seiner eigenen Fülle der Segnung, und zwar deshalb, weil die Versammlung in der Macht der göttlichen Gnade der Ausdruck der Natur und der Kraft Dessen sein sollte. Dem sie ihr Leben verdankt. Notwendigerweise wendet sich daher das Schreiben an die bekennende Kirche, und zwar der Stellung gemäß, die sie durch ihr Bekenntnis eingenommen hat. Ich finde es immer etwas schwierig, über diesen Gegenstand zu reden, weil ich fühle, welche Verantwortlichkeit damit verbun­den ist, und ich bitte den Herrn, daß Er allen den Seinigen dasselbe Gefühl, ja in einem noch höheren Maße als mir, ver­leihen möge. Die Versammlung zu Sardes befand sich wirk­lich in einem sehr ernsten Zustand. Jedoch liegt ein Trost in der Fülle und der Vollkommenheit Christi, wie sie hier den Bedürfnissen der Versammlung dargereicht werden. Wenn auch alles andere fehlen mag, so offenbart Christus nur um so mehr jene unveränderliche Fülle, auf die wir bei Ihm stets rechnen dürfen.

Der Charakter, in dem der Herr Sich in den einzelnen Send­schreiben einführt, ist, wie ich schon früher bemerkte, durch­gängig dem Zustand der betreffenden Versammlung angepaßt:

„Dieses sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne". Hier wird nicht, wie in dem Sendschreiben an Ephe­sus, gesagt: „Der die sieben Sterne in seiner Rechten hält", sondern „der die sieben Sterne hat". Und beachten wir wohl, daß in der Schrift nie ein Wort weggelassen oder verändert wird, ohne daß dies seine volle Bedeutung hätte. Die sieben Sterne (die Engel) sind die sinnbildlichen Stellvertreter der Versammlungen, hier betrachtet als solche, die unter Ihm, dem Haupt der Regierung, einen Charakter der Autorität tragen. In dem Sendschreiben an Ephesus hält Christus die ganze Autorität in Seiner Hand (indem die Sterne, wie ich soeben bemerkte, die sinnbildlichen Stellvertreter dieses ganzen Sy­stems der Autorität sind — dieser tätigen Energie, welche die

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Versammlungen in den Augen Christi kennzeichnet, in Seinem Namen in ihrer Mitte wirkt und sie vor Ihm darstellt); deshalb finden wir Christum in Ephesus dargestellt als Den, Der in­mitten der sieben goldenen Leuchter wandelt, den Zustand der Versammlung beurteilend und ihre Stellvertreter in Seiner Rechten haltend. Hier in Sardes aber ist Verfall, ja sogar der geistliche Tod eingetreten: „Ich kenne deine Werke/ daß du den Namen hast, daß du lebest, und bist tot". Wir wissen, daß der Abfall und der Verfall schon früher in die Versamm­lung eingedrungen waren. Sardes aber befand sich in einer Beziehung in einem noch schlimmeren Zustande als jede andere Versammlung vor ihr; denn sie hatte den Namen, daß sie lebte, und sie war tot. Es gebrach ihr an der nötigen Lebens­kraft; wir haben hier nicht die Macht der Wirksamkeit des Bösen, sondern eine moralisch verdorbene Sache. Infolgedessen stellt Sich der Herr Sardes gegenüber als Derjenige dar. Der für den Glauben über die ganze Fülle des Heiligen Geistes ver­fügen kann, „der die sieben Geister Gottes hat". Zugleich stehen Ihm auch die sieben Sterne, d. h. die ganze Macht in der Versammlung, zur Verfügung, indem die Zahl sieben das Symbol der Vollkommenheit ist.

Worin auch die Versammlung gefehlt hat und wie sehr sie sich mit der Welt verbunden haben mag, dennoch bleibt es immer wahr, daß die volle göttliche Allgenugsamkeit des Heiligen Geistes in all Seinen Eigenschaften ihr Teil ist, und zwar unter Ihm, Der das Haupt der Versammlung ist. Der für sie sorgt, sie liebt und über sie wacht, so daß einerseits die Versammlung ohne Entschuldigung dasteht und andererseits der Heilige, der Glauben hat, eine Zufluchtsstätte hat. Sobald aber, wie in Sardes, ein gänzlicher Verfall eingetreten ist, so­bald die Heiligen Gottes nicht nur durch die falsche Lehre des Balaam verführt werden, sondern auch Jesabel in der Ver­sammlung eine Heimat gefunden und Kinder geboren hat, sobald sich, mit einem Wort, das Böse völlig entwickelt hat, eröffnet sich ein neuer Schauplatz, ein Zustand des Todes, obwohl die ganze geistliche Energie und die gebietende Kraft hier in Christo Selbst, mit Dem sie es zu tun hat, vorhanden sind. Und so sehr auch die Tatsache, daß diese Dinge stets in Christo sind, die bekennende Kirche verurteilen mag, so wird

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doch die köstliche Wahrheit, daß damals sowohl wie immer alle Macht in Verbindung mit dem Heiligen Geist in Christo ist, zum Trost und zum Segen des treuen „Überwinders" vor­gestellt. Dies ist seine Stütze inmitten des überströmenden Bösen.

Der Herr „kennt alles", in welcher Weise das Böse auch eingedrungen sein mag, sei es in der Jesabel- oder in der Bileam-Form. Selbst wenn der Tod seinen Stempel auf die be­kennende Kirche gedrückt hat, so sagt Christus dennoch: Ich habe „die sieben Geister Gottes", und niemand kann dies an­tasten. Mag deshalb auch alles verkehrt gehen, so finden wir dennoch, daß Er noch alles besitzt, was zur vollen Segnung der Versammlung nötig ist. Er hat die „sieben Geister Gottes". Hieran haben weder die Fehltritte des Menschen, noch die Bosheit Satans das Geringste zu ändern vermocht.

Auch in Offb 4, 5 und 5, 6 werden die sieben Geister Gottes erwähnt. Da ist die Rede von „sieben Feuerfackeln, brennend vor dem Throne", von „sieben Hörnern und sieben Augen, welche die sieben Geister Gottes sind". Sie sind der Ausdruck der mannigfaltigen Macht und Weisheit Gottes. Wenn der Herr Sich deshalb der Versammlung vorstellt als Der, Welcher die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat, so ist es, als ob Er sagte: „Alles ist vorhanden, was das Gute hervor­bringen und sichern kann, und ich habe es in meiner Hut". In Thyatira war Er genötigt, die Getreuen zu lehren, auf Sein Kommen hinzublicken, als auf den einzigen Zufluchtsort für sie inmitten des Bösen; und diese Hoffnung wird als der glänzende Morgenstern eingeführt, um die Seele inmitten der sie umgebenden Finsternis zu erleuchten. In der Versammlung zu Sardes, die den Namen hatte, daß sie lebe, aber tot war, tröstet Er die Getreuen mit der Versicherung, daß die wahre Quelle aller Kraft in keiner Weise abgenommen habe. Wenn jede äußere Stütze verschwunden ist, so bleibt Er doch Der­selbe, und das will Er jetzt der Versammlung kundtun, um die wenigen Getreuen dadurch aufrechtzuhalten und zu unter­stützen; aber Er wirkt kein Wunder zu ihrer Errettung. So geschah auch, als Israel das goldene Kalb machte, kein Wunder, um ihrem Fall entgegenzutreten; aber es war geistliche Kraft in Mose vorhanden, als er das Zelt außerhalb des Lagers auf-

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schlug. Ebenso weissagten die Propheten in Juda, aber sie wirkten keine Wunder, ausgenommen als der Sonnenzeiger Ahas', als ein besonderes Zeichen für Hiskia, um zehn Grade rückwärts ging. Sie legten Zeugnis ab, um den Menschen zu der allgemein anerkannten Wahrheit in einem göttlich errich­teten System zurückzuführen und die Herzen der Getreuen zu trösten. Als sich aber das ganze Volk Israel unter Jerobeam öffentlich von Gott getrennt hatte und schließlich der Baals­dienst eingeführt wurde, da tat Gott Wunder durch die Hand Seiner Knechte Elia und Elisa. So sandte Gott in Seiner Gnade und Barmherzigkeit Juda zunächst ein Zeugnis nach dem ande­ren, aber keine Wunder; sobald aber der offenbare Abfall ein­getreten war, mußte Er Seine Macht zeigen, um zu beweisen. daß Er Jehova war, im Gegensatz zu Baal; und Juda leugnete dies nicht. Taten der Macht inmitten solcher, welche die Wahr­heit in Ungerechtigkeit besitzen, würden sie nur noch mehr verderben; aber die Macht als Zeugnis für diejenigen ange­wendet, die völlig abgewichen sind, ist ein Zeichen der gedul­digen Güte Gottes. Dies ist ein wichtiger Grundsatz in den Wegen Gottes; und auf diesen Grundsatz möchte ich aufmerk­sam machen, nicht so sehr auf die Wunder, die geschahen*).

Dieser wichtige praktische Grundsatz ist festgestellt worden, damit wir allezeit auf Gott rechnen dürfen, so groß auch der Verfall sein mag. Freilich werden wir stets ein Gefühl über den Verfall haben, ja, wir sollten ihn tief fühlen; dennoch dürfen wir diesem Gefühl über die Sünde des Menschen nie gestatten, das Auge des Glaubens in bezug auf das Bewußt­sein von der Macht Christi zu verdunkeln. Unser Auge sollte sich vielmehr um so entschiedener und bestimmter auf das richten, was nie fehlen kann. Auf diese Weise können wir mit Ruhe auf den Verfall der Kirche blicken, weil wir ihn von dem Ruheplatz aus betrachten, den wir in der Liebe gefunden haben, die nie fehlen kann, obwohl wir den Verfall immer tief fühlen und darüber betrübt sein sollten, weil er den Herrn verunehrt.

*) Moses hat Wunder getan zum Beweise seiner Sendung, als in Israel noch keine göttliche Einrichtung vorhanden war. Doch dies ist hier nicht unser Ge­genstand; der Grundsatz aber ist derselbe. Die lüdischen Propheten beriefen sich auf die bestehende Einrichtung.

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Nehmen wir als Beispiel den Apostel Paulus. Wie hoch er­hebt er sich über die traurige Stellung der Korinther und Galater, sobald er zu der Quelle des Vertrauens in dem Herrn seine Zuflucht nimmt! Wie anstößig wandelten die Korinther, als Paulus an sie schrieb! Es war „eine solche Hurerei unter ihnen, die selbst unter den Nationen nicht stattfand". Er mußte sie dieserhalb ernstlich zurechtweisen; aber er blickte über ihren gegenwärtigen Zustand hinaus zu der Quelle ihres Lebens und ihrer Hoffnung hin; und deshalb konnte er, ehe er das Böse in ihrer Mitte berührte, zu ihnen sagen: „Ich danke meinem Gott allezeit eurethalben . . . welcher euch auch be­festigen wird bis ans Ende, daß ihr untadelig seid an dem Tage unseres Herrn Jesus Christus"; denn „Gott ist treu, durch welchen ihr berufen seid in die Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn". Ähnlich schreibt Paulus an die Galater. Wohl muß er ihnen sagen: „ich bin eurethalben in Verlegenheit". Sie hatten sich unter das Gesetz gestellt, und deshalb fragt Paulus, ob er seine Stimme umwandeln müsse, und wünscht zu wissen, wie er mit ihnen reden solle. Sie hatten den christlichen Boden der Gnade verlassen, und darum mußte auch er seine Sprache verändern und mit ihnen dem Gesetz gemäß reden. Sobald er sich aber zu Christo erhebt, gelangt sein Herz zu der Quelle des Vertrauens, nicht des Vertrauens auf sie, sondern auf den Herrn in bezug auf sie, und sogleich kann er sagen: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn, daß ihr nicht anders gesinnt sein werdet". Der richtige Zustand unse­rer Seelen besteht darin, daß wir alles, was in Christo ist, und folglich alles, was die Versammlung für Christum sein sollte, nach seinem wahren Werte kennen und schätzen. Auf diese Weise werden wir, nach dem Maße dessen, was wir in Christo sehen, ein tieferes Gefühl von dem Verfall der Kirche haben, welche die getreue und fruchttragende Zeugin Christi sein sollte, und zugleich wird das Bewußtsein des Verfalls unser Vertrauen auf den Herrn Jesum nicht verringern, sondern ver­mehren. Dies ist es, was den Heiligen durch alles hindurch standhaft und ruhig erhalten wird, weil sein Vertrauen nicht darauf beruht, was die Versammlung für Christum sein sollte, sondern auf dem, was Christus für sie ist.

In der Art und Weise, wie der Herr das Sendschreiben an Sardes beginnt, strahlt daher Seine Güte herrlich hervor. Ehe

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Er ihren schrecklichen Zustand berührt, stellt Er Sich zunächst als Derjenige vor. Der auch jetzt noch die volle Macht des Geistes für den Glauben besitzt, so daß, trotz des Verfalls und des eingedrungenen Bösen, die überschwengliche Kraft des Geistes noch immer dieselbe ist; denn sie ist nicht abhängig von dem Wandel des Heiligen hienieden, sondern von dem Wert des Werkes Christi droben. Gleichwie Gott vormals durch den Mund des Propheten Haggai zu Israel sprach, als es ge­fallen war: „Das Wort, welches ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zöget, und mein Geist bestehen in eurer Mitte: fürchtet euch nicht", so auch hier: „Dies sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne". Erst nach­dem Er dies gesagt hat, nimmt Er Kenntnis von dem Zustand der Versammlung: „Ich kenne deine Werke, daß du den Namen hast, daß du lebest, und bist tot". Welch ein schrecklicher Zu­stand! In diesen Worten erblicken wir ein getreues Bild von dem, was wir rings um uns her sehen, ich meine jedoch nicht nur des Zustandes der Kirche von heute, sondern auch wäh­rend des letzten Jahrhunderts und noch weiter zurück.

In Sardes wird die Versammlung nicht betrachtet als eine, die ihre erste Liebe verlassen hat wie in Ephesus, obwohl dies der Anfang von allem war, was seitdem erfolgt ist; auch nicht, wie in Smyrna, als leidend unter der Verfolgung Satans, der die Gewalt der Welt hat; noch wie in Pergamus, wo sie da wohnt, wo der Thron des Satans ist, und solche unter sich hat, welche die Lehre das Balaam und der Nikolaiten festhalten;

auch nicht wie in Thyatira, wo der Prophetin Jesabel erlaubt wird, zu lehren und „meine Knechte zu verführen, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen". Auch ist sie noch nicht zu dem Zustand der Versammlung in Laodicäa gelangt, die auf dem Punkt steht, ausgespien zu werden, noch ist sie, wie Israel, die offenbare und unzweideutige Anbeterin Baals ge­worden. Nein, die Gnade hat noch ein Werk zu tun, und des­halb sehen wir sie hier und da wirksam. Die Versammlung in Sardes hatte sich von schlechter Lehre und der tätigen Unter­weisung im Verderben freigemacht; ihr Übel war mehr nega­tiver Art, eine tote Form ohne lebendige Kraft. Freilich hatte sie einen großen Namen, nämlich, daß sie lebe. Sie besaß äußerliche Wahrheit, aber sie war tot, ohne lebendige Kraft.

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Sie trug ein gewisses äußerliches Bekenntnis und den Schein des Christentums zur Schau; aber ach! obwohl sie den Namen hatte, daß sie lebe, war sie doch ohne Kraft des Lebens. Man bekannte sich zu dem Namen und zu der Lehre des Christen­tums, aber Christus Selbst war nicht da. Betrachten wir die sogenannte Orthodoxie; wie sie jetzt ist und seit langer Zeit bestanden hat, gleicht sie nicht ganz und gar diesem Zustand? Befreit von Jesabel, ist sie zu einem toten Körper geworden. Wir müssen uns jedoch wieder daran erinnern, daß in diesen Sendschreiben nichts von dem, was dem Gericht anheimfällt, in irgendwelcher Verbindung steht mit der wirksamen Energie des Heiligen Geistes. Die Sache, die gerichtet wird, ist der Ge­brauch, der von den Gnadenerweisungen und Gaben des Geistes gemacht worden ist.

In dem großen Werk der Reformation sehen wir eine tref­fende Darstellung dieser Wahrheit. Es gab in diesem Werke, was die Energie betrifft, die es hervorbrachte, unzweifelhaft ein Werk des Geistes Gottes, und mit Freuden entdecken wir das, was Gott getan hat und nicht, was Er richten wird. Die Schwierigkeit, in die man leicht gerät, rührt daher, daß man diesen Unterschied nicht macht. Man könnte nun die Frage stellen: Wo ist die Frucht, die infolge der Vorrechte, die durch die Reformation gebracht und so lange genossen worden sind, hätte zum Vorschein kommen sollen? Gott zündet nicht ein Licht an, um es unter den Scheffel zu stellen; sein Platz ist auf dem Lampengestell, und dann leuchtet es allen, die im Hause sind. Hernach sieht Gott, ob das Licht, das Er gegeben hat, auch leuchtet. In den Schreiben an die Versammlung ist von einem guten oder von einem schlechten Zustand die Rede;

nie aber wird der gute Zustand erwähnt in Verbindung mit dem Heiligen Geiste, als Dem, Der ihn hervorbringt.

„Ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem Gott". Die Versammlung war in der ganzen Vollkommenheit dessen, was in Christo für sie war, errichtet worden, und des­halb forscht der Herr nach dem, was dieser Vollkommenheit, in welche sie ursprünglich eingesetzt war, entspricht. Auf diese Weise stellt Er Sich als Derjenige dar. Der diese ganze Voll­kommenheit in geistlicher Macht und Energie besitzt, und sucht das, was ihr entspricht. Man möchte fragen: Ist es nicht

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befremdend, daß ihre Werke als „nicht völlig" bezeichnet wer­den, während zugleich von ihnen selbst gesagt wird, daß sie „tot" sind? Keineswegs; denn der Herr kann nie Seinen Maß­stab erniedrigen, wenn es sich um das Böse handelt, mag es sich in der Versammlung oder in einem einzelnen vorfinden. Er muß die Versammlung nach den Hilfsquellen richten, die sie zu ihrer Verfügung hat. Gott kann nie einen geringeren Maßstab anlegen, wenn es sich um die Frucht dessen handelt, was Er getan hat. Deshalb haben wir uns zu fragen, ob wir, als einzelne Personen, vor der Welt die Heiligkeit darstellen, deren wir teilhaftig geworden sind, sowie die Liebe, deren Gegenstände wir sind? Es gibt sehr viele, die Christum be­kennen, verhältnismäßig aber nur wenige, die für Ihn leben. Der Herr legt der Versammlung zu Sardes weder Balaam, noch seine verderbte Lehre — „Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben" — zur Last, noch beschuldigt Er sie, Jesabel in ihrer Mitte zu haben. Er forscht vielmehr danach, ob Leben da ist. Er sucht vollkommene Werke, die dem Maße der Gnade ent­sprechen, mit der Er die Versammlung in Verbindung gebracht hat.

Wenn wir nun auf uns blicken, geliebte Freunde, was kön­nen wir dann sagen? Es handelt sich nicht darum, ob wir über­haupt Frucht bringen, sondern ob die Früchte, die hervorge­bracht werden, für Den passend sind. Der den Boden bearbeitet hat. Wenn ein Acker, den ich bestellt und mit Weizen besät habe, keine Früchte hervorbringt, die der darauf verwendeten Arbeit entsprechen, dann gebe ich ihn auf und besäe ihn nicht mehr. Ich spreche hier nicht von der Errettung einer Seele, son­dern von dem Urteil des Herrn über das, was in den Heiligen, in solchen, die schon errettet sind, zum Vorschein kommt. Es ist wahr, daß Gott die Früchte eines jeden Grundsatzes Seiner Gnade vollkommen hervorbringen wird, sobald Christus Seine Macht annimmt; aber vorher vertraut Er dies dem Menschen an. Er gab den Kindern Israel das Gesetz, in dessen Beobach­tung sie gänzlich fehlten; Christus aber sagt: „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt". So wird auch Gott in den letzten Tagen das Gesetz in das Herz Israels schreiben. Jetzt ist Israel „zum Sprichwort und zur Spottrede unter allen Völkern", weil es untreu gewesen ist; aber am Tage der Macht Christi, wenn Gott die Frucht in Vollkommenheit und in Fülle

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hervorbringen wird, dann wird Israel „blühen und knospen;

und sie werden mit Früchten füllen die Fläche des Erdkreises". Ebenso ist es mit der Regierung. Sie wurde in die Hand des Menschen gelegt. Die Macht wurde Nebukadnezar anvertraut, und wir wissen, was daraus geworden ist. Indessen wird die Regierung in Vollkommenheit aufgerichtet werden, wenn „das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus gekommen ist". In ähnlicher Weise wurde auch die Versammlung Gottes auf der Erde errichtet, als vollendet in Christo, um die Herr­lichkeit ihres abwesenden Hauptes im Himmel zu offenbaren, und es wurde ihr die Macht des Heiligen Geistes verliehen. Sie war die Behausung Gottes im Geiste. Aber ach! wie schrecklich hat sie gefehlt! Was Gott jetzt sucht, sind die Früchte der Gnade, als ein Zeugnis und ein Beweis von der Gnade, die sie von Ihm empfangen hat. Doch wenn Christus „kommen wird, verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben", dann wird auch die Ver­sammlung in Herrlichkeit geoffenbart werden, und die Welt wird erkennen, daß sie geliebt worden ist mit derselben Liebe, mit der Christus geliebt war. Jetzt aber handelt es sich um Verantwortlichkeit, und zwar, wenn die Versammlung ihren Platz verläßt, um persönliche Verantwortlichkeit. Es wird dahin kommen, daß die bekennende Kirche aus dem Munde Christi ausgespien wird. Aber ich wiederhole noch einmal, daß es sich hierbei nicht um die Errettung, sondern um das Bekenntnis vor der Welt handelt.

Am Tage der Pfingsten wurde der Heilige Geist gegeben, um gewisse Wirkungen hervorzubringen, und die angemesse­nen Früchte kamen hervor. In der gegenwärtigen Zeit ist nun die Frage: Bringt die Kirche oder Versammlung Gottes Früchte für Gott, die der Kraft des ihr anvertrauten Zeugnisses ent­sprechen? Nein, als Körper betrachtet, ist dies nicht der Fall. Dann wird es eine Frage persönlicher Verantwortlichkeit: „Wer ein Ohr hat, höre"; und dies legt einem jeden von uns die Frage nahe: Inwieweit geben wir persönlich der Gnade Gottes Zeugnis? Ich meine nicht ein Zeugnis, das in Übereinstimmung ist mit der ersten Fülle der öffentlichen Macht, wie sie sich im Anfang in der Versammlung kundgab, sondern ein Zeugnis, das das Maß dessen erreicht, was wir persönlich empfangen haben. Denn nach diesem Maße handelt Gott jetzt in prak-

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tischer Beziehung mit der Versammlung, und hierfür ist die Gnade Christi immer hinreichend. Wenn diese Frage zwischen der Seele und Gott verhandelt wird, so werden wir sicher be­kennen müssen, daß das persönlich empfangene Maß der Gnade nicht von uns erreicht wird. Wohl mögen wir mit Eifer für einen Namen streiten; aber vor Gott ist die Frage, ob sich bei uns Kraft und die vollkommenen Früchte der Gnade nach dem Maße dessen vorfinden, was wir empfangen haben. Es ist eine schreckliche Sache, sich auf einen religiösen Ruf zu stützen, während die Werke vor Gott nicht völlig erfunden werden.

Möge der Herr uns alle davor bewahren! Unter allen den schrecklichen Dingen, die einem Heiligen Gottes begegnen können, ist es eins der schlimmsten, wenn er auf einen religi­ösen Ruf vertraut; und dies ist ganz besonders bei jemandem der Fall, der sich mit dem Dienst beschäftigt. Wie oft haben wir gesehen, daß ein solcher mit Hingebung und großem Fleiß arbeitete und in seinen Arbeiten gesegnet war, indem er andere wirklich zu Christo führte, daß er aber auf diese Weise einen Kreis um sich sammelte! Das Ich war auf dem Schauplatz, und so erhielt er den „Namen, daß er lebe", indem er sich mit dem Kreis zufriedengab, den er gebildet hatte, und so in den her­vorgebrachten Früchten ruhte, anstatt in Ihm, Der allein die Macht des Lebens ist. Auf diese Weise hörte seine Brauchbar­keit auf, und er selbst verfehlte das Ziel. Wie ganz anders war der Pfad des Herrn hienieden! Mit jedem Schritt, den Er tat, verlor Er den Beifall derer, die Ihn umringten; denn Er wan­delte mit Seinem Vater, und der Lichtglanz Seines Wandels strahlte je länger je heller, bis zuletzt die Menschen den Glanz des wahrhaftigen Lichtes nicht mehr zu ertragen vermochten und ihn, so weit es sie betraf, am Kreuze vernichteten. Alle, die den Herrn umgaben, kannten nicht das Maß Seiner Ge­meinschaft mit dem Vater und konnten sich ganz und gar nicht dazu erheben. Selbst Seine Jünger blieben weit hinter dem zurück, was ihr Charakter als Jünger erforderte; auch sie verließen Ihn, wie Er gesagt hatte: „Siehe, es kommt die Stunde . . . daß ihr zerstreut sein werdet, ein jeder in das Seinige, und mich allein lassen werdet; und ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir". So sehen wir unseren hochgelob­ten Herrn in der Achtung der Menschen immer tiefer und

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tiefer herabsteigen, bis sie Ihn endlich zum Tode verurteilten, ja „zum Tode am Kreuze".

Wenden wir uns jetzt einen Augenblick zu Paulus. Welch eine geistliche Energie des Glaubens war in ihm vorhanden! Er wandelte mit Gott in Kraft; die aber, die um ihn her waren, konnten sich nicht bis zu der Höhe erheben, die er erreicht hatte, und darum mußte er, indem er vorwärts eilte, notwen­digerweise die anderen hinter sich zurücklassen. Sein Pfad wurde immer einsamer, und am Ende seiner Laufbahn mußte er sagen: „Alle, die in Asien sind, haben sich von mir abge­wandt"; und: „Alle verließen mich ... der Herr aber stand mir bei". Unter allen, die Paulus gesammelt hatte, hören wir nur von einem einzigen, der ihn im Gefängnis besuchte. Der Apostel bewahrte völlige Energie, in deren Kraft er mit Gott vorwärts wandelte, während andere Rückschritte machten, von denen er sagt, „daß sie die Feinde des Kreuzes Christi sind . . . die auf das Irdische sinnen". Und wenn auch andere nicht so weit abwichen, so hielten sie doch den Standpunkt des Glau­bens nicht aufrecht; sie verloren ihr himmlisches Bürgerrecht aus den Augen, sie suchten mehr das Ihrige als das, was Christi Jesu ist.

Der Grad unserer Absonderung von dem, was in dieser Welt ist, steht im Verhältnis zu dem Maß der verborgenen Gemein­schaft in unserem Wandel mit Gott, in dem, was stündlich zwischen unserer Seele und Gott vorgeht. Ganz besonders haben wir unser Augenmerk darauf zu richten, daß alle unsere Werke vollkommen sind vor Gott, daß alles, was wir tun, gemessen wird nach dessen unmittelbarer Beziehung zu Gott. Dies muß notwendig einen gewissen Grad von Absonderung hervorbringen. Mit Christo war es so; Er war immer niedrig und immer vereinsamt, und doch voll Liebe gegen alle, voll­kommen in Seiner Güte gegen jede bedürftige Seele, wie auch gegen Seine Jünger. Es tut nichts zur Sache, ob wir in der Achtung anderer sinken, dies wird eine notwendige Folge der Treue sein. Das Gegenteil davon ist, obwohl ein großer Schein vor der Welt da sein mag, gerade dies: „Du hast den Namen, daß du lebest, und bist tot" . . . „denn ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem Gott". Die Werke sind mit Rücksicht auf den Menschen und nicht im Blick auf Gott getan.

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Zu gleicher Zeit ist es ganz nötig, mit den Heiligen zu wan­deln und die Gefühle der Liebe zu nähren und zu pflegen, obgleich, je treuer der persönliche Wandel eines Gläubigen ist, um so völliger auch die Absonderung sein muß, weil die, welche ihn verstehen, gering an Zahl sein werden. Dennoch wird, je näher wir Christo sind, eine um so größere Gnade gegen andere in uns sein; so wie Er gesagt hat: „Dies ist mein Gebot, daß ihr einander liebet, gleichwie ich euch geliebt habe". Wenn wir nahe mit Gott wandeln, werden wir ein bleibendes Gefühl von Seiner Gunst haben; aber dann muß diese persönliche Abhän­gigkeit von Gott zur Absonderung führen. Unser Pfad wird ein einsamer sein, wie der Pfad Christi es allezeit war. Bei all Seiner Gnade und Demut, womit Er allen das Ohr lieh, allen diente, ja sogar die Füße der Jünger wusch, wurde Er allein gelassen; doch Er war nicht verlassen von Gott, wie Er auch sagt: „Der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue".

Richten wir jetzt unseren Blick auf die Folgen der Werke, die nicht völlig erfunden werden vor Gott. Das ist gerade der Punkt, der in der hier gegebenen Warnung von so großem Ernst ist: „Gedenke nun, wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße". Beachten wir die beiden Worte:

empfangen und gehört". Zunächst hat die Versammlung die Gnade empfangen und ist in sie eingesetzt worden; und dann besitzt sie das geoffenbarte Wort Gottes als ihre Richtschnur und ihren Führer. Die Gnade ist empfangen und das Wort mitgeteilt worden. Wir werden nicht ermahnt, das zu beden­ken, was wir nicht empfangen haben, sondern das, was wir empfangen haben. Der Herr stellt in diesen beiden Punkten das Maß der Verantwortlichkeit vor, das, was die Versamm­lung oder Kirche empfangen hat, in das sie gesetzt worden ist, und das, was sie gehört hat. Gott gibt uns Sein Wort, um uns zu leiten, und Gnade, um dem Wort gemäß zu wandeln.

„Wenn du nun nicht wachen wirst, so werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche Stunde ich über dich kommen werde". Nun aber ist es eine sehr lästige und ermüdende Sache, zu wachen, denn wir haben auch über uns selbst zu wachen, da wir anders bald in den Schlaf fallen werden. Das Herz wird müde, wenn es beständig

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auf alles, was vorgeht, ein wachsames Auge haben soll. Es ist unmöglich für uns, zu wachen, wenn wir uns nicht nahe bei Christo halten, wenn wir nicht das Bewußtsein haben, daß Er über uns wacht und Sich um uns kümmert. In unserem Dienst haben wir besonders nötig, wachsam zu sein. Unser ganzer Dienst sollte tatsächlich, als eine Sache des persönlichen Glau­bens, mit Gott in Verbindung stehen. Er mag Prüfungen und Schwierigkeiten mit sich bringen; das Gebüsch mag sehr dicht sein, aber der Gegenstand auf der anderen Seite sollte hell und klar vor unserem Auge stehen. Es ist stets Gefahr für uns da, jene Klarheit des Urteils zu verlieren, die wir haben wer­den, wenn wir uns nahe bei Christo halten. Beurteilen wir irgendeine Prüfung in der Gegenwart Christi, so scheint der Ausgang leicht; sobald wir uns aber in der Prüfung selbst befinden, sehen wir ihn nicht mehr so klar. Wenn wir, um ein Beispiel anzuführen, im Begriff sind, in ein Tal hinabzu­steigen, so sehen wir unser Ziel auf der anderen Seite und die Richtung, die wir einzuschlagen haben, ganz deutlich; sind wir aber einmal in dem Dickicht des Tales angekommen, so ist es nicht so leicht, bei den vielen Einzelheiten des Weges den rich­tigen Pfad zu unterscheiden. Wie leicht geschieht es, daß wir in den zerstreuenden und ermüdenden Umständen der Prüfung die Klarheit des Verständnisses verlieren, die wir besaßen, als wir sie in der Gegenwart Christi beurteilten. Keiner von uns wird leugnen, daß es sehr schwierig ist, in dem Dickicht des Tales so klar zu sehen, wie auf den Höhen mit Christo. Unser Auge muß einfältig sein, um den Willen Gottes zu tun; und je demütiger wir sind, soviel einfältiger werden wir sein, und also durch die Weisheit Seines Willens geleitet werden, durch den Willen Dessen, Der das Ende von Anfang an verkündet und uns durch Sein Wort und Seinen Geist leitet. Der schärfste menschliche Verstand kann niemals die Wege Gottes unter­scheiden, während das kleine Kind, das auf Gott blickt, die Weisheit Gottes besitzt. Bei jedem Schritt, den wir tun, sollten wir das Gefühl des Beifalls Gottes haben: „Er leitet die Sanft­mütigen im Recht und lehrt die Sanftmütigen seinen Weg".

„Wenn du nun nicht wachen wirst, so werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche Stunde ich über dich kommen werde". Wenn diese Wachsam-

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keit in der bekennenden Kirche nicht vorhanden ist/ wie ernst sind dann die Folgen: „so werde ich über dich kommen wie ein Dieb". Wie schrecklich ist es, wenn die bekennende Kirche mit ihrem großen Namen nach der Schätzung und dem Urteil Gottes auf gleichen Boden mit der Welt gestellt werden muß, wenn ihre Werke den Erwartungen Gottes nicht entsprechen! Der Herr hatte ihre Werke nicht völlig erfunden vor Seinem Gott, weil sie den von Gott gegebenen Vorrechten nicht ent­sprachen. Gott sagt hier gleichsam zu der Versammlung: Wenn die Werke nicht den Vorrechten gemäß sind, die ich euch ge­geben habe, wenn bei euch keine Wachsamkeit ist, so muß ich euch behandeln wie die Welt. In 1. Thess 5, 2 wird hin­sichtlich der Welt gesagt: „Der Tag des Herrn wird also kom­men, wie ein Dieb in der Nacht", während zu den Gläubigen gesagt wird: „Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife; . . . ihr alle seid Söhne des Lichtes und Söhne des Tages". Und wenn Er kommt, der den Tag bringt, so werden die Kinder des Tages mit Ihm kommen;

sie werden sein wie die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit. „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlich­keit"; „wenn er kommen wird, . . . verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben"; und wiederum: „Und die Herrlichkeit, die du mir ge­geben hast, habe ich ihnen gegeben . . . auf daß die Welt er­kenne, daß du mich gesandt und sie geliebt hast, gleichwie du mich geliebt hast".

In 1. Thess 5 stellt der Geist Gottes die Welt in Gegensatz zu der Versammlung Gottes, während Er hier in Sardes die bekennende Kirche den wahren Heiligen Gottes gegenüber­stellt und ihr das Teil der Welt ankündigt. Die Anrede an Sardes ist deshalb der Anrede an die Welt gleich. Es trifft sie nicht dasselbe Urteil wie Jesabel, sondern sie empfängt ihr Gericht dem entsprechend, was sie nach ihrem geistlichen Zu­stande ist, nämlich die Welt, Das Gericht der Welt ist das Teil der bekennenden Kirche, wenn sie das Maß dessen, was sie „empfangen" und „gehört" hat, nicht erreicht. Wenn sie nicht wachend erfunden wird, so zieht sie in ihrem Maße das gleiche Gericht auf sich wie die Welt. Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, daß die Versammlung Gottes, die eins ist mit

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Christo in Herrlichkeit und deren Leben mit dem Christus in Gott verborgen ist/ je so behandelt werden könnte; aber es ist ein überaus ernster Gedanke, daß der große bekennende Kör­per mit seinem „Namen, daß er lebe", und mit seinem schönen Schein im Fleische dasselbe Gericht zu erwarten hat wie die Welt. Er ist tatsächlich die Welt selbst. Nun aber entsteht die Frage: Inwiefern bezeugen wir durch unser Verhalten, daß fast alles um uns her, was den Namen Gottes trägt, während es nicht von Gott ist, die Namenkirche oder die Christenheit, wie man sie nennt, in Wahrheit die Welt ist, und weil sie jenen Namen und jene Stellung behauptet, auch als solche behandelt werden wird? Wie ernst ist die Tatsache, geliebte Freunde, daß wir in unseren Tagen einen Schauplatz zu durchpilgern haben, der also von Gott heimgesucht werden muß! Er Selbst hat es gesagt, und ach! wir wissen nicht, wie bald. Ich kenne nichts Ernsteres, als diese Gleichstellung der bekennenden Kirche mit der Welt im Gericht, wie sie uns hier mitgeteilt wird.

„Aber du hast einige wenige Namen in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; und sie werden mit mir einher­gehen in weißen Kleidern; denn sie sind es wert". Hier wird eine andere wichtige Sache vor unsere Augen gestellt. Wir finden hier die Charakterzüge dessen, was man oft die „un­sichtbare Kirche" nennt. „Du hast einige wenige Namen in Sardes". Diese Namen bezeichnen einzelne Personen, die der Herr gezählt hat und die Er alle mit Namen kennt. Es sind solche, „die ihre Kleider nicht besudelt haben". Sie sind nicht mit der Welt gegangen; die bekennende Kirche aber hat ihre Kleider besudelt. Es mag sein, daß Sardes weder die Verfüh­rungen Balaams, noch die Verderbnisse Jesabels zur Last ge­legt werden; allein sie „sinnt auf das Irdische", und „ihre Ehre ist in ihrer Schande". Sardes hat ihre Kleider nicht unbefleckt von der Welt erhalten, und deshalb ist ihr Schandfleck „nicht der Schandfleck seiner Kinder" (5. Mo 32, 5). Gleichwie Paulus sagte und sogar mit Weinen sagte, „daß sie die Feinde des Kreuzes Christi sind . . . die auf das Irdische sinnen". Das Herz ist vom Geiste der Welt erfüllt, als wäre sie der empfan­gene Gegenstand, und daher paßt man sich ihr an, um mit ihr zu wandeln. Diejenigen aber, die mit unbefleckten Kleidern an dem Kreuze festgehalten haben, „werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind es wert".

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Der Charakter der Segnung entspricht immer der Schwierig­keit. Jene Getreuen haben hienieden ihre Kleider unbefleckt erhalten von der Welt; deshalb werden sie droben mit Ihm in weißen Kleidern wandeln; „und ich werde seinen Namen nicht auslöschen aus dem Buche des Lebens und werde seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln".

Beachten wir, wie persönlich der Ausdruck ist: „seinen Namen!" er wird sogar zweimal gebraucht. Der Ausdruck „das Buch des Lebens" bezeichnet augenscheinlich ein allgemeines Register des Bekenntnisses und ist vielleicht dem Gebrauch städtischer Korporationen, Verzeichnisse der Namen ihrer Mitglieder zu führen, entlehnt. In diese Verzeichnisse kann ein Name eingetragen werden, von dem es sich später erweisen mag, daß er kein Recht darauf hat. Auf den ersten Blick räumt diese Eintragung ein Anrecht auf irgend etwas ein; bei einer näheren Untersuchung aber stellt es sich heraus, daß der Name aus der Liste gestrichen werden muß. Die, welche in das Buch des Lebens eingeschrieben waren, hatten ein Bekenntnis, sie hatten „den Namen, daß sie lebten". Etwas ganz anderes ist es, wenn von dem Geschriebensein „in dem Buche des Lebens vor Grundlegung der Welt" die Rede ist; in diesem Fall hat Gott Selbst die Namen eingeschrieben; es ist das Buch der Ratschlüsse und der Vorsätze Gottes.

„Ich will seinen Namen bekennen". Der Herr wird einen jeden der Seinigen auszeichnen. Zugleich sehen wir, daß in diesen einzelnen Personen, inmitten des allgemeinen Verfalls, die unsichtbare Kirche vorhanden ist; und, wenn der sichtbare Körper gerichtet wird, dann werden diese Einzelnen entrinnen — und nicht nur das, sondern der Herr wird sie vor dem Ge­richt zu Sich aufnehmen, so daß, wenn Er zum Gericht der Welt erscheint, sie mit Ihm kommen werden. Die sichtbare Kirche aber, die der Gnade nicht entspricht, wird in derselben Weise wie die Welt behandelt werden. Es gibt deshalb, wenn man es so nennen will, eine unsichtbare Kirche; aber beachten wir, daß dann, wenn die wahre Kirche unsichtbar ist, mit der sichtbaren genau so verfahren wird, wie mit der Welt.

Jene sieben Versammlungen wurden Leuchter genannt, und Gott hatte ihnen Licht gegeben, jedoch nicht, um es unter den Scheffel zu stellen, sondern um es auf einen Leuchter zu setzen,

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damit es allen ringsum leuchte. Doch ich frage: Ist ein Licht unsichtbar? Wenn es unsichtbar ist, was hat es dann noch für einen Wert? Es verdient nichts anderes, als verworfen zu wer­den. Man hat seit etwa dreihundert Jahren gesagt, daß es eine unsichtbare Kirche gibt, und dies ist in gewisser Beziehung ganz richtig; damit aber spricht man eine direkte Verurteilung der sichtbaren Kirche aus. Wenn wir die sichtbare Kirche in ihrem gemeinsamen öffentlichen Bekenntnis für Gott betrach­ten, sehen wir dann in ihrem Verhalten und Leben den Ab­druck der Gebote Christi? Nein; und deshalb ist in der Kirche das sichtbare Zeugnis von all der Gnade, der Wahrheit und der Segnung, die ihr Teil in Christo ist, nicht gewesen.

Ich möchte schließlich noch auf die verschiedenen Gesichts­punkte aufmerksam machen, unter welchen uns die Ankunft des Herrn in diesen Sendschreiben vorgestellt wird. In Thyatira, wo Jesabel den Zustand der Kirche kennzeichnet, wendet der Herr das Auge von jeder Hoffnung auf ihre Wiederherstellung als ein Ganzes ab und richtet es auf den Morgenstern, zum Trost für alle, welche den Morgenstern erwarten, obwohl sie nicht von der Nacht sind, aber wahrnehmen, daß es Nacht ist. Auf diese Weise wird inmitten des zunehmenden Bösen dem treuen Überwinder die Hoffnung Seiner Ankunft als eine Zu­fluchtsstätte gegeben. Hier in Sardes trägt die Ankunft des Herrn den Charakter des Gerichts. Ich werde „über dich kom­men wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche Stunde ich über dich kommen werde". Sardes bringt, weil es in einem verfallenen und toten Zustande ist, notwendigerweise das Gericht über sich; denn wenn die bekennende Kirche in einem todesähnlichen Zustande ist, dann muß sie auch wie die Toten behandelt werden. In Philadelphia aber tritt eine große Ver­änderung ein. Dort wendet sich der Herr, inmitten des Abfalls, an einen schwachen, armen Überrest, mit der gesegneten und ermunternden Hoffnung Seiner baldigen Ankunft: „Siehe, ich komme bald!" Fortsetzung im „Botschafter" 1882

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Apostelgeschichte J.N.Darby

11/01/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Apostelgeschichte

In der Apostelgeschichte finden wir drei Hauptabschnitte: Kapitel 1, Kapitel 2‑12 und Kapitel 13 bis zum Ende. Die Kapitel 11 und 12, die auf das im 10. Kapitel mitgeteilte Ereignis gegründet sind, können als Übergangskapitel betrachtet werden. Das 1. Kapitel teilt uns dasjenige mit, was mit der Auferstehung des Herrn in Verbindung steht; in den Kapiteln 2‑12 haben wir jenes Werk des Heiligen Geistes, von dem Jerusalem und die luden der Mittelpunkt sind. 

Dieses Werk breitet sich jedoch aus in die freie Wirksamkeit des Geistes Gottes in eine Wirksamkeit, die von den zwölf Aposteln und von Jerusalem als Mittelpunkt zwar nicht getrennt, aber doch unabhängig ist. Im 13. und den folgenden Kapiteln haben wir das Werk Pauli, das in einer mehr unterschiedlichen Mission besteht und Antiochien zum Ausgangspunkte hat. Das 15. Kapitel zeigt uns die Verbindung der beiden Missionen, um die Einheit des Werkes zu bewahren. Wir haben freilich die Zulassung der Nationen im zweiten Teil, aber sie ist in Verbindung mit dem Werke, das unter den Juden seinen Fortgang hatte. 

Die letzteren hatten das für einen verherrlichten Christus abgelegte Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen, wie sie auch den Sohn Gottes in Seiner Erniedrigung verworfen ‑hatten; und Gott bereitete außer ihnen ein Werk, in dem der Apostel der Nationen Fundamente legte, die den Unterschied zwischen Juden und Nationen vernichteten, und letztere ‑ da sie in sich selbst gleicherweise tot in Sünden und Vergehungen waren ‑ mit Christo, dem Haupte Seines Leibes, der Versammlung im Himmel, vereinigten*. Laßt uns jetzt die Kapitel in ihrer Reihenfolge betrachten.* Es ist traurig, obwohl lehrreich, am Ende des Buches zu sehen, wie die geistliche Energie eines Paulus, hinsichtlich ihrer Wirkung im Werke, im Schatten eines Gefängnisses endet. Doch erblicken wir die Weisheit Gottes darin. Das sich rühmende Aposteltum Roms hatte nie einen Apostel außer als Gefangenen; und das Christentum bestand schon zu jener Zeit, wie der Brief an die Römer bezeugt.

KAPITEL 1

Das erste Kapitel teilt uns das mit, was sich auf den auferstandenen Jesus bezieht, sowie die Handlungen der Apostel vor der Ausgießung des Heiligen Geistes. Die Mitteilungen des Herrn enthalten mehrere sehr interes­sante Punkte. Jesus, der auferstandene Mensch, handelt und spricht durch den Heiligen Geist nach Seiner Auf­erstehung, wie Er es zuvor getan hatte. Köstliches Zeichen unserer eigenen Stellung! Es erinnert uns, daß wir den Heiligen Geist auch nach unserer Auferstehung besitzen werden. Wir werden alsdann nicht mehr mit der Unter­drückung und Tötung des Fleisches beschäftigt sein, son­dern Seine göttliche Kraft in uns wird gänzlich der ewigen Freude und Anbetung sowie dem uns von Gott anvertrau­ten Dienste gewidmet sein. Weiter gibt der auferstandene Herr Seinen Jüngern Befehle in Verbindung mit der neuen Stellung, die Er einnimmt. 

Ihr Leben und ihr Dienst müs­sen im Blick auf Seine Auferstehung ‑ eine Wahrheit, von der sie unurnstößliche Beweise hatten ‑ gebildet und geleitet werden. Sie waren noch auf der Erde; aber sie waren Pilger daselbst und richteten ihr Glaubensauge auf Den, der, auferweckt aus den Toten, ihnen vorausgegan­gen war. Ihre Beziehungen zu Ihm sind noch mit ihrer Stellung auf der Erde verbunden. Er spricht zu ihnen vom Reiche und von dem, was sich auf das Reich bezieht. Jeru­salem ist der Ausgangspunkt ihres Dienstes, sogar mehr noch, als dies während S e i n e s Dienstes der Fall ge­wesen war; denn Jesus versammelte die Armen der Herde, wo Er sie irgend fand, besonders in Galiläa*. 

Allein jetzt, nachdem die Auferstehung Ihn in Kraft zum Gefäß "der treuen Gnaden Davids" gemacht hat, beruft Er Israel aufs neue, um als Fürst und Heiland D e n an‑* Die in Lukas 24 aufgetragene Mission ist die einzige, die, sowohl in den Reden des Petrus als auch in denen des Paulus, in der Apostelgeschichte erfüllt worden ist, besonders im 2. und 13. Kapitel, nicht aber die in Matthäus 28 erwähnte Mis­sion, die sich in der Tat nur auf die Nationen bezieht. Der Auftrag in Lukas gesdiah bei der Himmelfahrt des Herrn von Bethanien aus, der in Matthäus nach Seiner Auferstehung von Galiläa aus, wo Er die Armen der Herde suchte.zuerkennen, den sie als den auf der Erde lebenden Mes­sias verworfen hatten. Die Briefe Petri stehen in diesem Punkt mit dem Evangelium in Verbindung.jedoch sollten sie, um diesen Dienst auszuüben, warten auf die Erfüllung der Verheißung des Vaters, auf den Heiligen Geist, mit dem sie nach dem Zeugnis des Johan­nes getauft werden sollten, und der Herr versicherte ihnen, daß dieses sehr bald geschehen werde. Diese Sen­dung des Heiligen Geistes führte sie zugleich aus dem jüdischen Felde der bloßen zeitlichen Verheißungen. 

Die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater war ganz verschieden von der der Wiederherstellung des Reiches Israel durch die Macht Jehovas, des Gottes des Gerichts. Es war nicht ihre Sache, Zeit oder Zeiten dieser Wieder­herstellung zu wissen, deren Kenntnis der Vater in Seine eigene Gewalt gesetzt hatte; aber sie selbst sollten die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf sie her­niederkommen würde; und sie sollten für Jesum Zeugen sein (wie sie Ihn gekannt hatten und gemäß der Offen­barung Seiner Selbst nach Seiner Auferstehung) sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und in Samaria und bis an das äußerste Ende der Erde (V. 7. 8). Auf diese Weise wurde Jerusalem der Mittel‑ und Ausgangspunkt des Werkes, das sie erfüllen sollten. Dennoch war ihr Zeugnis darauf gegründet, daß sie gesehen hatten, wie ihr Herr und Meister aus ihrer Mitte emporgehoben und in einer Wolke, die Ihn vor ihren Augen verbarg, aufgenom­men wurde. 

Während sie unverwandt gen Himmel schau­en, als dieses stattfindet, siehe, da stehen zwei Boten vom Himmel, die ihnen verkündigen, daß dieser Jesus in der­selben Weise zurückkommen werde. Hier handelt es sich also um Seine Offenbarung in dieser niederen Welt, um Seine Offenbarung unter den Himmeln. Er wird auf die Erde zurückkehren und von der Welt gesehen werden. Wir haben hier nicht die Entrückung der Kirche oder Versammlung, noch ihre Verbindung mit Ihm wäh­rend Seiner Abwesenheit. Mit der Kenntnis von Jesu Aufnahme aus der Welt und von Seiner Rückkehr in die Welt ‑ als Grenze und Elemente ihrer Unterweisung ‑kehren die Apostel nach Jerusalem zurück, um daselbst auf den Heiligen Geist zu warten, der ihnen verheißenwar. Sie gehen nicht nach Galiläa. 

Sie sollen in Jerusalem Zeugen der himmlischen Rechte jenes Christus sein, der auf der Erde von Jerusalem und den luden verworfen worden war.Dies alles zeigt deutlich die Stellung, in welche die Apostel gesetzt waren, sowie die ihnen anvertraute Mission. Doch bevor sie den Heiligen Geist zur Erfüllung derselben empfangen, finden einige andere charakteristische Umstände ihren Platz in diesem Kapitel. Die jünger handeln unter der Leitung des Petrus gemäß ihrem Verständnis des Wortes, bevor sie mit Kraft aus der Höhe ausgerüstet sind (V. 15 ff.). Diese zwei Dinge sind daher voneinander verschieden: Die Erkenntnis des Wortes und die Gabe der Kraft aus der Höhe.Es scheint, obgleich Petrus in dieser Sache nicht unmittelbar von dem Heiligen Geist geleitet wurde, daß der Geist Sein Siegel auf das setzte, was in Übereinstimmung mit dem Wort des Alten Testaments, das der Apostel kannte, getan wurde*, Sie handeln, weil sie den Heiligen Geist noch nicht empfangen haben, nach einem jüdischen Grundsatz. Sie stellen dem Herrn d a s L o s dar, damit Er entscheiden möge. Dennoch war das Los nicht alles, noch wurde es gezogen, ohne einen Unterschied zu machen.

 Die apostolische Autorität floß aus ihrer Berufung durch Christum Selbst. Das Verständnis der Schriften läßt sie einsehen, was sich geziemt. Das Zeugnis, das der Herr für ihren Dienst bestimmt hatte, beschränkte ihre Wahl auf den kleinen Kreis derer, die dieses Zeugnis abzulegen vermochten (V. 23). Ihre Geschichte machte sie, wie der Herr gesagt hatte, fähig, Seine Zeugen zu sein, weil sie von Anfang an bei Ihm gewesen waren und also bezeugen konnten, daß dieser nämliche Jesus, den die luden verworfen und gekreuzigt hatten, wirklich aus den Toten auferstanden war. Es werden zwei gewählt, die zu diesem Zeugnis befähigt waren, und das Los fällt auf Matthias, der zu den elf Aposteln gezählt wird (V. 26). Sie waren aber noch ohne die verheißene Kraft.* Wir haben schon gesehen, daß Christus nach Seiner Auferstehung Seinen Jüngern das Verständnis öffnete, damit sie die Schriften verstehen möchten. 

KAPITEL 2

 Dieses Kapitel berichtet die Erfüllung dieser Verheißung als Antwort auf den Geist der Abhängigkeit, der sich in ihren vereinigten Gebeten kundgab.Die apostolische Autorität ist, wie wir gesehen haben, in Jerusalem, vor der Gabe des Heiligen Geistes, nach jüdischem Grundsatz ausgeübt worden. Es gab dabei weder eine Untersuchung noch eine Befolgung der menschlichen Meinung. "Sein Aufseher‑Amt empfange ein anderer" leitete ihr Verhalten. Die Befähigung, von Jesu in Seinem Leben auf der Erde und jetzt von Seiner Auferstehung und Himmelfahrt zu zeugen, entschied die nötigen Eigenschaften. 

Das Los Jehovas bestimmte die Person, die anstatt des Judas genommen werden sollte. Der Geist kommt aus der Höhe in Seiner eigenen Kraft, um den Wohnplatz, der für Ihn bereitet ist, in Besitz zu nehmen und zu erfüllen. Dieses Ereignis, in bezug auf den Zustand des Menschen hienieden von der höchsten Wichtigkeit, hat hier einen sehr einfachen Charakter. Es ist nicht die Rede von den Ursachen dieser wunderbaren Gabe, noch von dem Werke, von dem sie abhängig ist, noch von der Herrlichkeit, mit der sie verbunden und die sie offenbart und deren Unterpfand sie ist ‑ wir haben hier nur die Tatsache ihrer Kraft. Die jünger "waren angetan mit Kraft aus der Höhe" (Luk. 24, 29). Doch ist die Form des Erscheinens dieser Kraft charakteristisch. Auf Jesum kam der Heilige Geist in Gestalt einer Taube hernieder, denn man sollte Seine Stimme nicht hören auf der Straße, noch sollte Er das geknickte Rohr zerbrechen und den glimmenden Docht auslöschen. 

Aber hier war es die Kraft Gottes im Zeugnis, das Wort, das gleich war dem verzehrenden Feuer und alles richtete, was vor dasselbe kam (V. 3). Dennoch war es in Gnade und sollte die engen Grenzen der jüdischen Satzungen überschreiten, um jeder Sprache und Nation unter der Sonne die wunderbaren Taten Gottes zu verkündigen. Es war jener gewaltige Wind vom Himmel, der sich den Jüngern kundgab und in Gestalt feuriger Zungen, die zerteilt waren, auf sie kam. Dieses Wunder zieht die Volksmenge an, und die Wirklichkeit dieses göttlichen Werkes wird durchdie Tatsache bewiesen, daß Personen aus zahlreichen Gegenden diese armen Galiläer die großen Taten Gottes verkündigen hören ‑ ein jeglicher in der Mundart des Landes, von woher er nach Jerusalem hinaufgekommen war (V. 4‑12). Die Juden, die diese Sprachen nicht ver­stehen, spotten darüber, und Petrus erklärt ihnen, in ihrer eigenen Mundart und nach ihren eigenen Prophezeiun­gen, den wahren Charakter dessen, was geschehen war (V. 14 ff.). 

Er gründet sich auf die Auferstehung Christi, die durch den Propheten‑König vorhergesagt worden war, und auf Seine Erhöhung durch die rechte Hand Got­tes. Dieser Jesus, den sie gekreuzigt, hatte dort die Ver­heißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen und "ausgegossen dieses, was sie hörten und sahen" (V. 33). Sie sollten daher zuverlässig wissen, daß Gott d i e s e n Jesus, den sie verworfen, sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hatte (V. 36).Der Charakter dieses Zeugnisses durch Petrus muß hier beachtet werden. Es geht nicht weiter, als die Tatsache zu bestätigen, daß Der, welcher durch die Juden verwor­fen, im Himmel zum Herrn und zum Christus gemacht ist.

 Es beginnt mit dem von den luden auf der Erde gekannten Jesus und bestätigt die Wahrheit Seiner Auferstehung und Seiner Erhöhung zu der Stel­lung eines Herrn. Gott ‑hat dieses getan. Der Apostel ver­kündigt Ihn sogar nicht als den Sohn Gottes. Wir werden sehen, daß, wenn dieses durch Petrus in der Apostel­geschichte nicht getan wird, es im Gegenteil durch Paulus vom ersten Augenblick seiner Bekehrung an geschieht. Petrus bestätigt die Wirkung jenes in Kraft geoffenbarten Augenblicks und spricht nicht vom Reiche. Er erinnert sie nur, daß der Geist für die letzten Tage verheißen war, und spielt auf den furchtbaren Tag des kommenden Ge­richts an, dem schreckliche Zeichen und Wunder vorher­gehen würden. 

Ohne von der Erfüllung der Verheißung des Reiches zu reden, deren Zeit der Vater verborgep gehalten hatte, bringt er die Tatsache der Gabe des Hei­ligen Geistes mit der Verantwortlichkeit Israels in Ver­bindung. Noch handelte Gott in Gnade mit diesem Volke; Er verkündigte ihnen einen verherrlichten Christus und gab ihnen in der Gabe des Heiligen Geistes, die allen fühlbar gemacht war, Beweise Seiner Herrlichkeit. Hier haben wir die Gegenwart des Heiligen Geistes nach Jo­hannes 15, 26. 27. Das Zeugnis aber als ein Ganzes ist auf die Sendung in Lukas 24 gegründet und hier erfüllt. Doch haben wir in Lukas nichts von der Taufe. (Siehe Lukas 24, 47‑49, dem dieses völlig entspricht.) Das Zeug­nis war an die Juden gerichtet; aber es war nicht auf sie beschränkt*, und es mahnte zur Absonderung von einem Volke, das dem Gericht entgegeneilte: "Rettet euch von diesem verkehrten Geschlecht." Diese Absonderung grün­dete sich auf ein wirkliches und moralisches Werk: "Tut Buße", und war öffentlich erwiesen durch ihre Aufnahme in das neue Haus, welches von Gott erbaut wurde (V. 38‑41). 

Wer in dasselbe eintrat, fand zugleich die Vergebung seiner Sünden und hatte Teil an dieser himm­lischen Gabe des Heiligen Geistes, der in diesem Hause wohnte. "Tut Buße, und ein jeglicher von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen." Dieses Werk war persönlich. Es gab eine wirkliche Veränderung, die Aufnahme in das Haus und die Teilhaftigkeit des Heiligen Geistes, der darin wohnte. Wir sehen zugleich den Unterschied zwischen der mora­lischen Veränderung, d. i. der Buße, die eine Betrübnis Gott gemäß bewirkt, und dem Empfangen des Heiligen Geistes. Diese Gabe war von einem geordneten Wege abhängig: von der Aufnahme in das Haus, das in dem Namen Jesu erbaut wurde. 

Nachher erklärt der Apostel den Juden, daß die Verheißung ihnen und ihren Kindern, ‑ dem Hause Israel als solchem ‑ ihnen und ihren Kin­dern nach ihnen gehöre. Aber die Absicht Gottes in der Gabe des Heiligen Geistes ging über die Grenzen des alten Volkes Gottes hinaus. Die Verheißung war auch für solche, die in der Ferne waren; denn sie wurde in Ver­bindung mit dem Glauben an Christum für alle erfüllt, * Das Zeugnis besteht in Ausdrücken, die sich auf die dort wohnenden und die zerstreuten Juden beziehen, und die den­noch in der Unumschränktheit Gottes den Nationen die Tür Öffneten ‑ "allen, die in der Ferne sind, so viele der Herr, Unser Gott, herzurufen wird" (V. 39). Gott ist noch der Gott des Menschen; aber Er beruft, wen Er will.die durch die Gnade in das neue Haus hineingehen wür­den ‑ für alle, die der Herr, der Gott Israels, herzurufen würde. Die Berufung Gottes charakterisierte die Segnung. Israel wurde mit seinen Kindern anerkannt, aber ein Oberrest aus ihnen berufen. 

Die Nationen, die herzu­gerufen wurden, hatten Teil an der Segnung.Der Erfolg dieser unaussprechlichen Gabe des Heiligen Geistes wird uns mitgeteilt. Es war nicht nur eine mora­lische Veränderung, sondern eine Kraft, die alle Beweg­gründe, weldie diejenigen voneinander trennen konnten, die diese Gabe empfangen hatten, beiseite setzte, indem sie dieselben als e i n e Seele und in e i n e in Sinn ver­einigte. Sie verharrten in der Lehre der Apostel; sie waren miteinander und mit den Aposteln in Gemein­schaft; sie brachen das Brot; sie verharrten in den Gebe­ten. Das Bewußtsein der Gegenwart Gottes war mächtig unter ihnen, und viele Zeichen und Wunder geschahen durch die Hände der Apostel. Sie waren durch die innig­sten Bande vereinigt: nicht einer sagte, daß etwas von seiner Habe sein eigen wäre, sondern alle teilten, was sie besaßen, mit denen, die Bedürfnis hatten. Sie waren täg­lich im Tempel, an dem Orte, wo ganz Israel seinen reli­giösen Dienst verrichtete, und hatten zugleich ihren be­sonderen Gottesdienst, indem sie täglich zu Hause das Brot brachen.

 Sie aßen mit Freude und Einfalt des Her­zens; sie lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volke, das um sie her war (V. 42‑46).Die Versammlung war also gebildet, und der Herr fügte ihr täglich den Oberrest Israels hinzu, der von den Ge­richten ‑ die auf eine Nation kommen sollten, die den Sohn Gottes, ihren Messias, verworfen hatte ‑ gerettet werden sollten, und ‑ Gott sei Dank! ‑ von nodi tieferem Verderben (V. 47). Gott brachte in die Versammlung, die von Ihm durch die Gegenwart des Heiligen Geistes aner­kannt wurde, diejenigen hinein, die Er in Israel ver­schonte. Eine neue Ordnung der Dinge, die durch die Gegenwart des Heiligen Geistes gekennzeichnet wurde, hatte begonnen. 

Hier wurde die Gegenwart und das Haus Gottes gefunden, obwohl die alte Ordnung der Dinge noch bis zur Ausführung des Gerichts über die­selbe blieb.Die Versammlung war also durch die Kraft des vom Himmel gekommenen Heiligen Geistes gebildet und auf das Zeugnis gegründet, daß der verworfene Jesus in den Himmel aufgenommen und von Gott zum Herrn und Christus gemacht worden war. Sie war zusammengesetzt aus dem jüdischen Überrest, der verschont werden sollte, jedoch mit dem Vorbehalt der Einführung der Nationen, wenn Gott sie herzurufen würde. 

KAPITEL 3

In diesem Kapitel richtet der Geist Sein Zeugnis an das Volk durch den Mund des Petrus. Gott handelte noch in Geduld gegen Sein töridites Volk ‑ ja, mehr als in Ge­duld. Er handelte in Gnade gegen das Volk als solches, kraft des Todes und der Fürsprache Christi. Aber ach! es war vergeblich. Ihre ungläubigen Führer brachten das Wort zum Schweigen.Die Aufmerksamkeit des Volkes wird durch ein Wun­der gefesselt, das einem armen Lahmen, der allen be­kannt war, die den Tempel besuchten, die Kraft wieder­gab. Als nun die Volksmenge zusammenlief, um ihn zu sehen, verkündigt Petrus ihnen Christum. 

"Der Gott unserer Väter", sagt er, "hat seinen KnechtJesus verherr­licht, den i h r zwar überliefert und angesichts des Pila­tus verleugnet habt, als dieser urteilte, ihn loszugeben" (V. 13). Sie hatten den Heiligen und Gerechten verleug­net ‑ einen Mörder begehrt ‑ den Fürsten des Lebens getötet; aber Gott hatte Ihn aus den Toten auferweckt. Und Sein Name hatte den Lahmen durch den Glauben geheilt. Nun wollte Petrus gerne zugeben, daß sie es in Unwissenheit getan hätten, gleichwie auch ihre Obersten. Wir sehen hier, wie der Heilige Geist der Fürsprache Christi entspricht: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Zehntausend Talente waren sie schul­dig, aber der große König erläßt sie ihnen und sendet die Botschaft der Gnade, die sie zur Buße ruft. 

Dies ist es, wozu Petrus sie einlädt: "Tut Buße und bekehret euch, daß Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn, und er Jesum sende, welchen der Himmel empfan­gen muß bis zu den von Gott bestimmten Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, wovon er durch den Mund der Propheten zuvor geredet hat" (V. 19‑21). Das will sagen: Er predigt den luden als einer Nation Buße und verkündigt, daß auf ihre Buße Jesus, der zum Him­mel aufgefahren sei, zurückkommen und die Erfüllung all der Segnungen, von denen die Propheten geredet hätten, zu ihren Gunsten stattfinden würde. Die Rückkehr Jesu zu diesem Zwecke hing (und hängt noch) von der Buße der Juden ab. 

Inzwischen bleibt Er im Himmel.Überdies war Jesus der Prophet, den Mose angekündigt hatte; und wer Ihn nicht hören wollte, sollte vom Volke ausgerottet werden (V. 22. 23). Seine Stimme erscholl noch in besonderer Gnade durch den Mund Seiner jünger. Alle Propheten hatten von diesen Tagen zuvor geredet. Sie waren die Kinder der Propheten ‑ sowohl die natür­lichen Erben der Segnungen, die jene für Israel angekün­digt hatten, als auch der dem Abraham gegebenen Ver­heißungen eines Samens, in dem alle Völker gesegnet .werden sollten. Folglich hatte Gott Ihn auch zu Ihnen ge­sandt, als Er Seinen Knecht Jesum erweckte, um sie zu segnen, indem Er einen jeden von ihnen von seinen Bos­heiten abwendete (V. 26). Mit einem Wort, das Volk wird eingeladen, durch Buße zurückzukehren und alle die Ver­heißungen, die Israel gegeben waren, zu genießen. Der Messias Selbst würde vom Himmel zurückkehren, um ihre Segnung zu bewirken.

KAPITEL 4 

Während die Apostel zum Volke redeten, kamen die Priester und der Hauptmann des Tempels und die Saddu­zäer auf sie zu, um sie zu ergreifen, da es sie verdroß, daß sie die Auferstehung verkündigten, die ihr Unglaube und ihr behrsystem nicht annahm. Sie setzten sie ins Gefäng­nis bis auf den Morgen, denn es war Abend. Die Hoffnung Israels war beiseite gesetzt; die Gnade Gottes, so groß und langmütig sie auch war, hatte vergebens geredet. Dennoch glaubten viele ihrem Worte: fünftausend Per­sonen bekannten bereits den Herrn Jesum (V. 1‑4). Wir haben gesehen, welche Botschaft Gott in Seiner Gnade durch den Mund des Petrus an Israel sandte.

 Wir werden jetzt sehen, nicht nur, auf welche Weise dieseBotschaft von den Obersten des Volkes (wie schon bemerkt ist) empfangen wurde, sondern auch die wohlüber­legte Antwort ihres innersten Herzens, wie wir es be­zeichnen können. Am Morgen waren die Obersten, die Ältesten und Schriftgelehrten mit Annas und seinem Geschlecht zu Jerusalem versammelt, und als sie die Apostel in ihre Mitte gestellt hatten, fragten sie dieselben, in welcher Macht oder in welchem Namen sie dieses Wun­der an dem Lahmen gewirkt hätten (V. 5‑7). Petrus, voll Heiligen Geistes, erklärt ‑ indem er es ganz Israel mit der äußersten Bereitwilligkeit und völligen Freimütigkeit verkündigt ‑, daß es durch Jesum geschehen sei, den sie ge­kreuzigt und den Gott aus den Toten auferweckt hätte. Also wurde die Frage zwischen Gott und den Obersten Israels förmlich festgestellt, und dies durch den Geist Gottes. Jesus war der von ihnen ‑ den Bauleuten ‑ ver­worfene Stein, der zum Eckstein geworden war.

 Das Heil konnte in keinem anderen gefunden werden (V. 11. 12). In bezug auf die Widersacher und Leiter findet man in diesem Zeugnis keine Schonung, aber in bezug auf das Volk als solches, das unwissend und verführt war, ge­schieht alles, um es zu gewinnen. Das Synedrium er­kannte die Apostel als frühere Mitgenossen Christi. Der Geheilte war gegenwärtig. Was konnten sie sagen oder tun angesichts der Volksmenge, die Zeuge des Wunders gewesen war? Sie konnten nur einen Willen zeigen, der in entschiedenem Widerstand gegen den Herrn und Sein Zeugnis war, und der öffentlichen Meinung nachgeben, die zu ihrem eigenen Ansehen notwendig war und durch die sie beherrscht wurden. Mit Drohungen befahlen sie den Aposteln, daß sie nicht mehr in dem Namen Jesu lehren sollten. Wir mögen hier bemerken, daß Satanwider die Lehre der Auferstehung sadduzä­ische Werkzeuge erweckt hatte, während er wider einen lebenden C h r i s t u s Pharisäer als passende Werk­zeuge benuztete. 

Wir müssen des wohlgeordneten Widerstandes Satans wider die Wahrheit gewärtig sein.   Petrus und Johannes aber gestatten betreffs ihres Weges keine Zweideutigkeit. Gott hatte ihnen befohlen, Christum zu predigen; das Verbot eines Menschen hatte keine Wichtigkeit für sie. Es ist uns unmöglich", sägten sie, "was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden" (V. 19. 20), Welch ein Zustand für die Leiter des Volkesl Ein Zeugnis wie dieses zeigt deutlich, daß die Leiter Israels den Platz als Ausleger des Willens Gottes verloren hatten. Die Apostel treiben sie nicht hinweg, sie greifen sie nicht an ‑ Gott wollte sie richten ‑, sondern sie han­deln unmittelbar auf seiten Gottes und beachten hinsicht­lich des Werkes, das Gott Selbst ihnen auferlegt hatte, keineswegs die Autorität der Leiter. 

Das Zeugnis Gottes war mit den Aposteln und nicht mit den Vorstehern des Tempels.Petrus und Johannes kehren zu den Ihrigen zurück, denn ein abgesondertes Volk war gebildet, das sich unter­einander kannte; und alle, vom Heiligen Geist getrieben (denn dort war es, wo G o t t durch Seinen Geist wohnte und nicht mehr im Tempel), erheben ihre Stimme zu Gott, dem Herrscher über alles, um zu bekennen, daß dieser Widerstand der Leiter nur die Erfüllung des Wortes und zugleich der Ratschlüsse und der Vorsätze Gottes war. 

Die Drohungen, deren Gegenstand sie waren, gaben nur An­laß, Gott zu bitten, daß Er Seine Kraft in Verbindung mit dem Namen Jesu offenbaren möge. Mit einem Wort, die Welt (die Juden eingeschlossen, die in ihrem Widerstände ein Teil dieser Welt waren) hat sich wider Jesum, den Knecht Gottes, erhoben und widersetzt sich dem über Ihn abgelegten Zeugnis. Der Heilige Geist ist die Kraft dieses Zeugnisses, sei es in dem Mute derer, die ein Zeugnis ablegen (V. 8), oder in Seiner Gegenwart in der Versammlung (V. 31), oder in der Energie des Dienstes (V. ff), oder in den Früchten, die von neuem unter den Heiligen hervorgebracht werden, und zwar mit einer Kraft, die es offenbar macht, daß der Heilige Geist in ihren Herzen über alle Beweggründe, die den Menschen beeinflussen, Herrschaft hat, indem Er sie durch solche Beweggründe wandeln läßt, von denen Er die Quelle ist. 

Es ist die Energie des Geistes angesichts des Widerstan­des, wie wir vorher die natürlichen Früchte des Geistes in denen gesehen haben, unter denen Er wohnte. Andere Personen kommen jetzt, verkaufen ihre Güter und legen den Preis derselben zu den Füßen der Apostel nieder, unter anderen ein Mann ‑ der Heilige Geist hat Wohl­gefallen daran, ihn besonders zu bezeichnen ‑ Joseph, mit dem Zunamen Barnabas, von der Insel Cypern. Dies vierte Kapitel zeigt also einerseits den Zustand der luden, ihre Verwerfung des Zeugnisses, das in Gnade an sie gerichtet wurde, und andererseits die Kraft des Heiligen Geistes und die Gegenwart und Leitung Gottes, die sich aber nicht unter ihnen, sondern in der Mitte der jünger offenbart. 

KAPITEL 5

 Die letzten drei Kapitel (Kap. 2‑4) stellen das erste Entstehen der Versammlung dar sowie ihren gesegneten Charakter durch den Heiligen Geist, der in ihrer Mittewohnt. Sie zeigen uns ihre erste Schönheit, als gebildet von Gott und als die Wohnung Gottes. Aber acht auch dort zeigt sich das Böse. Wenn der mächtige Geist Gottes in der Versammlung ist, so ist auch das Fleisch in denen, die sie bilden. Es gibt solche, die das Ansehen der Ergebenheit, die der Heilige Geist bewirkt, zu haben wün­schen, während sie entblößt sind von jenem Glauben an Gott und jener Selbstverleugnung, die, indem sich beides in dem Pfade der Liebe zeigt, den ganzen Wert und die ganze Wahrheit dieser Ergebenheit ausmachen.

 Aber jene Erfahrung gibt nur neue Gelegenheit, die Kraft des Gei­stes Gottes, die Gegenwart Gottes, innerhalb der Ver­sammlung wider das Böse zu offenbaren, wie das vor­hergehende Kapitel Seine Energie außerhalb der Versammlung und die köstlichen Früchte Seiner Gnade zeigte. Wenn die einfache Frucht und Kraft des schon erwähnten Guten mangelt, so ist doch die Verheißung des Guten wider das Böse vorhanden. Der gegenwärtige Zustand der Kirche in ihrer Gesamtheit ist die Macht des Bösen über das Gute. Gott aber kann das Böse nicht zulassen, da wo Er wohnt noch weniger als da, wo Er nicht wohnt.Wie groß die Energie des Zeugnisses, das er zu jenen sendet, die außerhalb sind, auch sein mag, so übt Er doch alle Geduld, bis es kein Heilmittel mehr gibt. Innerhalb aber zeigt Er. daß, je mehr Seine Gegenwart verwirklicht und geoffenbart wird (und gerade nach dem Maße, wie dieses geschieht), Er um so weniger das Böse zulassen kann. 

Es kann nicht anders sein. Er richtet in der Mitte Seiner Heiligen, wo Er Heiligkeit haben will, und dies tut Er nach dem Maße der Offenbarung Seiner Selbst. Ana­nias und Sapphira, die die Gegenwart des Heiligen Gei­stes, dessen Antrieb‑ sie zu folgen vorgaben' ‑gering schät­zen, fallen tot nieder vor dem Gott, den sie in ihrer Blindheit zu betrügen suchten, indem sie Ihn vergaßen (V. 1‑10). Gott war in der Versammlung.Ein mächtiges, obwohl schmerzliches Zeugnis Seiner Gegenwart! Die Furcht durchdringt jedes Herz, sowohl innerhalb als außerhalb der Versammlung. Wahrlich, die Gegenwart Gottes ist eine ernste Sache, wie groß auch ihre Segnung sein mag. Die Wirkung dieser Offenbarung der Macht eines Gottes, der bei denen, die Er als die Seinigen erkannte, gegenwärtig war, war sehr groß. 

Eine große Menge fügte sich durch den Glauben zu dem Be­kenntnis des Namens des Herrn, wenigstens von dem Volke; denn die übrigen wagten es nicht. je mehr An­sehen wir in der Welt haben, desto mehr fürchten wir die Welt, die es uns verlieh. Dieses wunderbare Zeugnis von der Macht Gottes wurde auf eine noch merkwür­digere Weise entfaltet, so daß man aus der Ferne kam, um davon zu genießen. 

Die Apostel waren fortwährend versammelt in der Säulenhalle Salomos (V. 12).Aber ach! die Offenbarung der Kraft Gottes in Ver­bindung mit den verachteten Jüngern Jesu ‑ die Wirk­samkeit dieser Kraft außerhalb des alten Gleises, wo die eigene Wichtigkeit des Hohenpriesters und derer, die mit ihm waren, Anerkennung fand ‑ die Fortschritte dessen, was sie verwarfen ‑ die Aufmerksamkeit, die durch die gewirkten Wunder auf die Apostel gelenkt wurde ‑ dies alles erregte den Widerstand und die Eifersucht der Leiter: und sie setzten die Apostel ins Gefängnis.Es entfaltet sich jetzt eine Macht, die verschieden ist von der des Heiligen Geistes in der Kirche. Die Vor­sehung Gottes, die über Sein Werk wacht und durch den Dienst der Engel wirkt, vereitelt all die Pläne der ungläubigen Häupter Israels. 

Die Priester setzen die Apostel in Gewahrsam. Ein Engel des Herrn öffnet die Türen des Gefängnisses und sendet die Apostel hin, um ihre ge­wöhnliche Arbeit im Tempel fortzusetzen. Die Diener, die das Synedrium nach. dem Gefängnis sendet, finden die Türen verschlossen und alles an seinem Platze, aber keine Apostel. Unterdessen wird dem Synedrium berichtet, daß sie in dem Tempel seien und das Volk lehren. Das Syn­edrium, ganz verwirrt und verlegen, sendet hin, um sie zu holen, aber ohne Gewalt, weil sie das Volk fürchten. Will Gott ein Zeugnis abgelegt haben, so hält Er alles im Zügel, bis es geschehen ist. Der Hohepriester macht den Aposteln Vorstellungen aufgrund seines früheren Ver­bots (V. 27. 28). 

Die Antwort Petri ist diesmal bündiger als bei der vorhergehenden Gelegenheit und ist vielmehr die Ankündigung eines bestimmten Vorsatzes, als die Ablegung eines Zeugnisses für jene, die nicht hören wol­len und sich als Gegner geoffenbart haben. Im Wesent­lichen aber sagt er dasselbe wie früher: man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Gott gegenüber waren die Leiter Israels nur M e n s c h e n. Indem er dieses sagte, war alles entschieden. Der Gegensatz zwischen ihnen und Gott war augenscheinlich. Der Gott ihrer Väter hatte Jesum, den die Leiter Israels gekreuzigt hatten, auf­erweckt. Die Apostel waren seine Zeugen, ebenso auch der Heilige Geist, den Gott denen gegeben hatte, die Ihm gehorchten. 

Alles war gesagt und die wirkliche Stellung der Häupter Israels und der Zeugen des Gottes Israels deutlich angekündigt. Petrus nimmt diese Stellung des Zeugnisses im Namen der Apostel auf seiten Gottes und Christi förmlich ein, und zwar in Übereinstimmung mit dem Siegel des Heiligen Geistes, der, den Gläubigen gegeben, im Namen des Heilands Zeugnis ablegte. Dennoch ist kein Hochmut, kein Eigenwille vorhanden. Er muß Gott g e h o r c h e n. Petrus nimmt noch seinen Platz in Israel ein ("der Gott unserer Väter" sagt er), aber den Platz des Zeugnisses für Gott in Israel. Dem Rate Gama­liels gelingt es, die Pläne des Synedriums zu verhindern (V. 33‑35). Dessenungeachtet lassen sie die Apostel schlagen, und nachdem sie ihnen geboten hatten, nicht zu predigen, lassen sie sie gehen. 

Sie waren in Verlegenheit, was sie tun sollten, und machten nur den Widerstand ihres Willens um so augenscheinlicher.Dieser letzte Teil des Kapitels hat den Zweck, uns zu zeigen, daß die Fürsorge Gottes ‑ entweder auf eine wunderbare Weise vermittels der Engel oder durch Zu­bereitung der Herzen der Menschen zur Erfüllung Seiner Vorsätze ‑ zugunsten der Versammlung ausgeübt wurde, gleichwie der Geist Gottes in ihr Zeugnis gab und in ihr Seine Macht offenbarte. Die Apostel, in keiner Weise eingeschüchtert, kehren zurück ‑ voll Freude, daß sie würdig geachtet worden waren, für den Namen Jesu zu leiden; und jeden Tag, sowohl im Tempel als auch von Haus zu Haus, hören sie nicht auf, zu lehren und die gute Botschaft zu verkündigen, daß Jesus der Christus ist (V. 42). Wie schwach sie auch sein mögen, Gott Selbst hält Sein Zeugnis aufrecht. 

KAPITEL 6 u. 7 

Doch ach! andere Übel befallen die Kirche. Das Fleisch beginnt sich inmitten der Kraft des Heiligen Geistes ‑in den verschiedenen Umständen der jünger und in jenen Dingen, in denen sich die Gnade in besonderer Weise ge­offenbart hatte ‑ auf seiten dessen zu zeigen, was mit dem Fleische in Verbindung stand. Die Hellenisten (Juden von griechischer Abstammung) murren gegen die Hebräer (Eingeborene von Judäa), weil man ihrer Meinung nach die Witwen der letzteren begünstigte bei Verteilung der Gaben, die der Versammlung von ihren wohlhabenderen Gliedern geschenkt wurden. jedoch die durch den Geist verliehene Weisheit begegnet hier der Schwierigkeit, in­dem sie den Anlaß benutzt, um dem Werke nach den wachsenden Bedürfnissen Ausbreitung zu geben. 

Es wur­den sieben Personen ernannt, um für die Witwen Sorge zu tragen, da die Apostel dieserhalb ihre eigene Arbeit nicht vernachlässigen wollten. Auch finden wir bei Philip­pus und Stephanus die Wahrheit dessen bestätigt, was Paulus sagt: "Die Diener, welche wohl gedient haben, erwerben sich eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christo Jesu ist" fl. Tim. 3, 13).Laßt uns hier bemerken, daß die Apostel in ihrer Arbeit das Gebet der Predigt voranstellen; denn ihr Kampf mit der Macht des Bösen wurde in diesen verborgenen Übun­gen in einer mehr besonderen Weise fortgesetzt. Zudem war es für die Kraft und Weisheit, deren sie bedurften, notwendig, daß sie die Macht Gottes verwirklichten und daß, um unmittelbar auf seiten Gottes zu handeln, die Gnade und die Salbung in ihren Herzen aufrechterhalten wurden. Beachten wir auch die Gnade, die sich unter dem Ein­fluß des Geistes Gottes in dieser Sache zeigt: alle die Namen der für die Sorge der Witwen auserwählten Män­ner sind Namen von Hellenisten. Der Einfluß des Wortes breitete sich aus, und eine große Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam. Also hatten bis jetzt der Widerstand von außen und das Böse von innen durch die Offenbarung der Gegenwart Gottes inmitten der Kirche nur zur Förderung des Werkes gedient. Laßt uns diese Tatsache ganz besonders beachten.

 Nicht nur bringt der Geist durch Sein Zeugnis Gutes hervor, sondern das Böse, das außerhalb und innerhalb da vorhanden ist, wo die Macht des Geistes sich entfaltet, kann auch nur von der Wirksamkeit der Gegenwart des göttlichen Geistes Zeugnis geben. Die Energie des Geistes offenbart sich besonders in Stephanus, der voll Gnade und Kraft ist. Die helle­nistischen Juden widerstehen ihm; weil sie nicht imstande sind, ihm zu antworten, klagen sie ihn vor dem Syn­edrium an, indem sie ihn besonders beschuldigten, daß er in dein Namen Jesu die Zerstörung des Tempels und der Stadt sowie die Veränderung der Gebräuche ihres Gesetzes verkündigt habe (V. 14). Hier sehen wir die freie Macht des Heiligen Geistes, jedoch nicht in den Aposteln, nicht in den luden aus Palästina. Der Geist teilt aus, wem Er will. 

Es ist der gottesfürchtige und fromme Hellenist, der den Leitern der Nation das letzte Zeugnis ablegt. Wenn einerseits Priester glauben, so geben ande­rerseits luden von außen Zeugnis und bereiten den Weg für ein noch ausgedehnteres Zeugnis und zu gleicher Zeit für die schließliche Verwerfung der Juden, die moralisch als Grundlage und Mittelpunkt des Zeugnisses und des göttlichen Sammelns, das sich in der Welt erfüllte, ange­sehen wurden. Das Urteil wird ihnen vom Heiligen Geiste durch den Mund des Stephanus angekündigt. Es sind nicht die Apostel, die durch amtliche Autorität mit Jeru­salem brechen. Die freie Wirksamkeit des Heiligen Gei­stes kam einem Bruche zuvor, der nicht einmal in solcher Weise stattfand, daß er einen Teil von der Erzählung der Schrift bildet. 

Die Sache wird durch die Macht Gottes bewirkt; und die Aufnahme des Zeugen in den Himmel ‑des Zeugen, der durch den Geist erweckt worden war, die luden als Widersacher anzuklagen und ihren gefalle­nen Zustand bloßzulegen ‑ versetzte den Mittelpunkt des Sammelns in den Himmel, dem Geiste gemäß ‑ in jenen Himmel, wo der mit dem Geist erfüllte treue Zeuge eingegangen war. Während er noch auf der Erde war, hatte er schon das Ansehen eines Engels in den Augen des Synedriums, das ihn richtete (Kap. 6, 15); allein die Härte ihrer Herzen ließ sie nicht stillestehen auf dem Wege ihrer Feindschaft gegen das für Christum abgelegte Zeugnis ‑ ein Zeugnis, das sich hier in einer besonderen Weise als das Zeugnis des Heiligen Geistes erweist.

Soweit uns mitgeteilt wird, hatte Stephanus den Herrn während seines Lebens auf der Erde nicht gekannt. jeden­falls war er nicht, wie die Apostel, bestimmt, ein Zeuge dieses Lebens zu sein. Er war einfach das Werkzeug des Heiligen Geistes, der Seine Gaben austeilt, wem Er will. Stephanus beginnt die Geschichte der luden mit Abraham, der durch die Offenbarung des Gottes der Herrlichkeit berufen war. Abraham gehorchte zwar langsam, wurde aber endlich durch die langmütige Gnade Gottes nach Kanaan gebracht. Dennoch war er ein Fremder im Lande der Verheißung, und Knechtschaft sollte das Teil seiner Nachkommen sein, bis Gott in Gnade dazwischenkäme (V. 5 ff.). 

Daher war das Los des gesegneten Patriarchen nicht das eines Besitzers der Verheißungen, sondern eines Fremdlings, und das Los seiner Nachkommen war, Ge­fangene zu sein, bis Gott sie mit starkem Arm befreite. Nichts kann treffender sein als die von Stephanus zur Schau gestellte ruhige Überlegenheit über die Umstände, Er wiederholt den luden eine Geschichte, die sie nicht ableugnen konnten ‑ eine Geschichte, deren sie sich rühmten und die sie doch gänzlich verurteilte. Sie taten, wie ihre Väter getan hatten. 

Doch zwei Personen sind in der Erzählung des Stephanus, in Verbindung mit der Güte Gottes gegen Israel, in dieser Zeit besonders hervorragend: Joseph und Mose. Israel hatte beide verworfen Joseph den Nationen überliefert und Mose als Richter und Führer von sich gestoßen. Es geschah in Fällen, welche die Juden nicht ableugnen und denen sie nicht widersprechen konnten. Es ist die Geschichte des Christus, der ebenfalls zu der von Gott bestimmten Zeit wirklich Israels Erlöser sein wird. Dies ist der Inhalt der Beweisführung des Stephanus. jedoch gab es noch zwei andere Elemente in seiner Rede. 

Die Juden hatten immer solche, die Gott gesandt und in denen der Heilige Geist gewirkt hatte, verworfen, und auch das Zeugnis dieses Geistes in den Propheten, die von dem Christus, den sie jetzt überliefert und getötet, geredet hatten. Überdies hatten sie, wie wir in Mose sehen, die falschen Götter angebetet, sogar von der Zeit ihrer Befreiung aus Ägypten an* - eine Sünde, die (wie groß auch die Langmut Gottes sein mochte), da sie jetzt das Maß ihrer Ungerechtigkeit erfüllt hatten, die Ursache ihrer Wegführung jenseits Babylons sein würde, welches schon einmal ihre Strafe gewesen war. Es ist eine höchst schlagende Aufzählung ihrer ganzen Geschichte: das volle Maß der Schuld ist dargetan. Sie hatten auch das Gesetz empfangen und nicht gehalten, die Propheten, die von Christo gezeugt hatten, verworfen und Christum Selbst überliefert und gemordet und allezeit dem Heiligen Geiste widerstritten. Das, worauf sie vertrauten - den Tempel -, hatte Gott verworfen. 

Gott Selbst ist sozusagen im Lande Kanaan ein Fremdling gewesen; und wenn Salomo Ihm ein Haus baute, so geschah es, damit der Heilige Geist erklären konnte, wie Er es schon durch den Mund des Propheten getan hatte, daß Der, welcher den Himmel zu Seinem Thron und die Erde zum Schemel Seiner Füße hatte und Dessen Herr-* Bemerken wir hier auch, daß, wenn die Geduld Gottes, wie lange sie auch währen mag, keine Buße zur Folge hat, die erste Sünde, die erste Abweichung von Gott am Ende ihre Strafe findet.schaft sich über das ganze Weltall erstreckte, nicht woh­nen wollte in steinernen Häusern, welche die Schöpfung Seiner eigenen Hand waren. Auf diese Weise haben wir die völlige Zusammenstellung ihrer Geschichte, verbun­den mit den letzten Tagen ihres Gerichts. Sie wider­standen immer dem Heiligen Geiste, gleichwie sie allezeit dem Gesetz ungehorsam gewesen waren (V. 51‑53). Das Judentum war gerichtet, nachdem die Langmut Gottes und alle Seine Wege der Gnade mit dem Menschen als Mittel erschöpft waren.

Ihrem Gewissen nach überführt und ihrem Herzen nach verhärtet, wurden die Glieder des Synedriums mit Wut erfüllt und knirschten mit den Zähnen gegen ihn (V. 54). Wenn aber Stephanus dieses letzte Zeugnis gegen Israel ablegen sollte, so sollte er es nicht bloß ablegen, sondern es vielmehr in seine währe Stellung setzen, und zwar durch einen lebendigen Ausdruck von dem, was ein Gläu­biger kraft der Gegenwart des Heiligen Geistes war, der hienieden in ihm wohnte. In der Geschichte der Juden haben wir den Menschen, wie er immer dem Heiligen Geiste widersteht, in Stephanus aber einen Menschen, der infolge der Erlösung von Ihm erfüllt ist.Dies sind die Elemente dieser rührenden und treffen­den Szene, die in der Geschichte der Kirche einen wich­tigen Zeitabschnitt bildet. Die Häupter Israels knirschen mit den Zähnen vor Wut wider das mächtige und über­führende Zeugnis des Heiligen Geistes, womit Stephanus erfüllt war. Sie verwerfen einen verherrlichten Christus, wie sie einen erniedrigten getötet hatten. Folgen wir jetzt der Wirkung in bezug auf Stephanus selbst. Er schaut unverrückt auf zum Himmel, der jetzt dem Glauben völlig geöffnet ist. Dorthin richtet der Geist das Herz und be­fähigt es, dort zu verharren. 

Er offenbart dem, der also mit Ihm Selbst erfüllt ist, die Herrlichkeit Gottes in der Höhe, und in dieser Herrlichkeit Jesum zur Rechten Got­tes an dem Orte der Kraft. Dann gibt der Geist die Wir­kung des Zeugnisses, das in der Gegenwart der Macht Satans, des Mörders, abgelegt ist. "Ich sehe", sagt Ste­phanus, "die Himmel geöffnet." Das ist also die Stellung des wahren Gläubigen in Gegenwart der Welt, die Chri­stum verworfen hat, der mörderischen Welt. Der Gläubige, lebendig im Tode, sieht durch die Kraft des Heiligen Geistes in den Himmel und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes. Stephanus sagt nicht, daß er "Jesum" sehe. 

Der Geist charakterisiert Ihn als den Sohn des Menschen. Köstliches Zeugnis für den Menschen! Nicht für die Herrlichkeit Gottes legt Stephanus Zeugnis ab (dies war nichts Ungewöhnliches für den Himmel), son­dern für den Sohn des M e n s c h e n in der Herrlich­keit ‑. dazu wurden ihm die Himmel geöffnet.in bezug auf den Fortschritt des Zeugnisses heißt es jetzt nicht: "Jesus ist der Messias, und Er wird zurück­kommen, wenn ihr Buße tut" (was nicht aufhört, wahr zu sein), sondern es ist der Sohn des Menschen im Him­mel, der dem mit dem Heiligen Geiste erfüllten Men­schen geöffnet ist ‑ jener Himmel, zu dem Gott die Seele bald hinführen wird, wie es die Hoffnung und das Zeug­nis derer ist, die Sein sind. 

Die Langmut Gottes handelte ohne Zweifel noch in Israel; aber der Heilige Geist öff­nete dem Gläubigen neue Szenen und Hoffnungen *. Doch bemerken wir hier, daß Stephanus infolge dessen, daß er Jesum. im Himmel sieht, Ihm vollkommen ähnlich ist auf der Erde ‑ eine für uns so köstliche und gnaden­reiche Tatsache; nur bedurfte Jesus keiner Erscheinung, um Ihm einen Gegenstand Seines Glaubens vorzustellen, noch wurde durch Offenbarung der Herrlichkeit irgend­welche Verwandlung nach demselben Bilde bei Ihm her­vorgebracht.

 Allein diese. Sater, in deine Hände über‑* Der Heilige Geist öffnet unseren Blicken den Himmel, befähigt uns, das zu betrachten, was dort gefunden wird, und bildet uns auf der Erde nach dem Charakter Jesu. In bezug auf die Veränderung, die beim Fortschritt der Wege Gottes stattfand, scheint es mir, daß es der durch den Geist ver­wirklichte Erfolg des zerrissenen Vorhangs war. Jesus wird noch stehend gesehen, weil Er Sich bis zur Verwerfung des Zeugnisses des Heiligen Geistes durch Israel nicht für immer­dar niedersetzte, um auf das Gericht Seiner Feinde zu war­ten. Vielmehr verharrte Er in der Stellung eines Hohen­priesters vor Gott. 

Der Gläubige tritt mit Ihm durch den Geist innerhalb des Vorhangs ein, und die Seele ist droben Im Himmel mit Ihm vereinigt; denn durch das Blut Christi, durch diesen neuen und lebendigen Weg, können sie jetzt innerhalb des Vorhangs eingehen. Andererseits, nach dem gebe ich meinen Geist", finden wir in den Worten: "Herr Jesus, nimm meinen Geist auf l" Und die Liebe zu Israel, die sich in der Fürbitte ausspricht: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun", finden wir in den Worten: "Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu", aus­genommen, daß hier der Heilige Geist nicht bezeugt, daß sie es in Unwissenheit getan haben.

Bemerken wir auch ‑ und dies hebt noch klarer die besondere Stellung des Stephanus hervor ‑ das Gefäß des Zeugnisses des Geistes, insofern es schließlich von den luden verworfen wurde, sowie den göttlichen Cha­rakter und die Person Jesu in dem, worin Sein jünger Ihm am meisten gleicht. Der Himmel ist Jesu geöffnet, der Heilige Geist kommt auf Ihn hernieder, und Er wird als Sohn Gottes anerkannt (Matth. 3, 16. 17). Der Him­mel öffnet sich über Ihm, und die Engel kommen auf den Sohn des Menschen hernieder (Joh. 1, 52): Allein Ihm wird kein Gegenstand vorgestellt. Er Seilbst ist der die Judin hinsichtlich des Zeugnisses des Heiligen Geistes dasselbe getan haben, was sie in bezug auf Jesum taten, indem sie Ihm in Stephanus sozusagen einen Gesandten nach­schickten, um Ihm zu sagen: "Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche" (siehe Luk. 19,14), setzt Sich Christus für immerdar im Himmel, bis Er die Feinde richten wird, die Seine Herrschaft über sich nicht gewollt haben. 

In dieser letzten Stellung wird Er in der Epistel an die Hebräer be­trachtet, in der sie folglich ermahnt werden, aus dem Lager Israels hinauszugehen und dem Schlachtopfer zu folgen, des­sen Blut ins Heiligtum gebracht worden war. Auf diese Weise sollten sie dem Gericht entfliehen, das vermittels der Römer über Jerusalem kommen werde, um die Nation beiseite zu setzen, wie es schließlich durch Jesum Selbst vollzogen wer­den wird. Die Stellung des Stephanus gleicht deshalb der von Jesu; sein Zeugnis ist das des Geistes für einen verherr­lichten Jesus. Dies macht den großen Grundsatz der Epistel an die Hebräer sehr einfach.Die Lehre der Kirche, die durch Paulus nach der ihm auf dem Wege nach Damaskus gemachten Offenbarung verkündigt wird, geht weiter als dieses. 

Sie verkündigt die Einheit der Christen mit Jesu im Himmel und nicht nur ihren Eintritt in das Allerheiligste durch den zerrissenen Vorhang. Hinter die­sen Vorhang, der Gott dem Volke verbarg, durfte früher nur der Hohepriester eingehen.Gegenstand, den die Himmel anstaunen. Der Himmel wird sich am Ende des Zeitalters öffnen, und Jesus Selbst wird auf dem weißen Pferde (d. i. in Gericht und Tri­umph) erscheinen (Offb. ig, 11). Aber hier tut sich der Himmel auf, und der jünger, der Christ, voll des Heiligen Geistes, sieht hinein und erblickt dort Jesum zur Rechten Gottes. Jesus ist auch jetzt noch, mehr als der Himmel, der Gegenstand des Gläubigen, der mit dem Heiligen Geiste erfüllt ist, so daß die vor uns liegende Szene, sowohl in bezug auf den Gegenstand des Glaubens als auch auf die Stellung des Gläubigen, bis zum Ende charakteristisch ist. Verworfen, und zwar durch die luden verworfen wie Jesus, ein Genosse Seiner Leiden und mit Seinem Geiste der Gnade erfüllt, sind die Blicke des glücklichen Märtyrers unverrückt nach oben gerichtet, nach dem Himmel, den der Heilige Geist ihm öffnet; und er sieht daselbst den Sohn des Menschen, bereit, seinen Geist aufzunehmen. 

Das Zeugnis von den noch übrigen Ratschlüssen Gottes wird später kommen. Es ist aber nicht allein Jesus, den die Himmel empfangen müssen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, wovon die Propheten geredet haben, sondern sie müssen auch die Seelen Seines gläubigen Volkes bis zu dem Augen­blick der Auferstehung empfangen, sowie die ganze Kirche, im Geiste getrennt von der Welt, die Ihn ver­worfen, und von dem Judentum, das sich dem Zeugnis des Heiligen Geistes widersetzt hat. Letzteres, das Juden­tum, wird durchaus nicht mehr anerkannt; da ist kein Raum mehr für die Langmut Gottes gegen dasselbe. Sein Platz ist durch den Himmel eingenommen und durch die Kirche, die ihrem Herrn dort im Geiste folgt, indem sie auf Seine Rückkehr wartet*. ‑ Saulus war bei dem Tode des Stephanus zugegen und willigte darin ein.* Wir mögen hier bemerken, daß das Heiligtum sozusagen jetzt allen Gläubigen geöffnet ist.

 Der Vorhang war durch den Tod Christi wirklich zerrissen, aber die Gnade Gottes war noch mit den luden als solchen beschäftigt und verkündigte ihnen die Rückkehr Jesu auf die Erde, d. h. außerhalb des Vorhangs, falls sie Buße täten. Alsdann würde die Segnung auf der Erde kommen ‑ die Zeiten der Erquickung durch die Wiederkunft Christi, welche die Propheten angekündigt hatten. Allein jetzt ist es nicht mehr ein Messias, der Sohn Davids, sondern ein Sohn des Menschen im Himmel, und durch den Heiligen Geist wird hienieden ein geöffneter Him­mel gesehen und gekannt, und der große Hohepriester, der zur Rechten Gottes steht, ist nicht hinter einem Vorhang ver­borgen. Alles ist dem Gläubigen geöffnet: die Herrlichkeit und Der, welcher dorthin eingegangen ist für Sein Volk.

 Und dies ist, wie mir scheint, der Grund, warum Er stehend ge­sehen wird. Er hatte noch nicht für immerdar (ei~r~ btiivexc;) Seinen Platz, als sitzend auf dem himmlischen Throne, ein­genommen. Dies geschah erst, nachdem das dem Volke Israel gegebene Zeugnis des Heiligen Geistes von Seiner Erhöhung völlig auf der Erde verworfen war. Das freie Zeugnis des Geistes, das hier und später entfaltet wird, ist höchst wichtig; jedoch wird die apostolische Autorität, wie wir später sehen werden, in dem ihr von Gott angewiesenen Platz gar nicht angetastet. Was die luden betrifft, so können sie, bis der große Hohepriester aus dem Heiligtum droben zurückkommt, nicht wissen, daß Sein Werk für das Volk angenommen ist, gleichwie sie vormals am Versöhnungstage zu warten hatten, bis er aus dem Allerheiligsten kam. Aber für uns ist der Heilige Geist aus dem Heiligtum, dem Himmel, hernieder­gekommen, während Jesus innerhalb ist, und daher wissen wir, daß Sein Werk für uns angenommen ist.

Hier endigt die erste Periode der Kirche Gottes ‑ ihre Geschichte in unmittelbarer Verbindung mit Jerusalem und den Juden, als dem Mittelpunkt, auf den das Werk der Apostel sich bezog, "anfangend von Jerusalem". Sie wird in einem gläubigen Überrest fortgesetzt. Israel als solches wurde eingeladen, hereinzukommen, weil es als Volk der Gegenstand der Liebe und Fürsorge Gottes war: allein sie wollten nicht. Es folgen dann einige Ereignisse, die den Wirkungskreis ausdehnen und die Einheit des Ganzen aufrechterhalten. Sie sind sozusagen die Vor­läufer der Offenbarung der Berufung der Nationen als solche und der Kirche als ein Leib, unabhängig von Jerusalem und getrennt von der Erde. 

Diese Ereignisse sind: Das Werk des Philippus in der Bekehrung Sama­rias und des Eunuchs; die Bekehrung des Kornelius mit der Entzückung, die über Petrus kam ‑ ein Ereignis, das nach der Berufung Sauls stattfand, der durch einen Juden, welcher unter seiner Nation einen guten Namen hatte, hineingebracht wurde, ferner die Arbeit des Petrus im ganzen Lande Kanaan, und endlich die Verbindung, die zwischen den Aposteln zu Jerusalem und den bekehrten Heiden zu Antiochien gestiftet wurde; der Widerstand des Herodes, des falschen Königs der luden, sowie die Sorge, die Gott beständig für Petrus trägt, und Gottes Gericht über den König. Nachher kommt das direkte Werk unter den Nationen, das Antiochien zum Ausgangspunkthat. Dieses Werk war schon vorbereitet durch die Bekeh­rung Sauls, durch Mittel und mit einer Offenbarung, die ganz besonderer Art waren. Laßt uns jetzt den Einzel­heiten dieser Kapitel folgen.

KAPITEL 8

Nach dem Tode des Stephanus bricht die Verfolgung aus. Der Sieg, erlangt durch einen Haß, dem die Vor­sehung die Erfüllung seines Zweckes zugelassen, öffnet die Schleusen für die Gewalttätigkeit der jüdischen Leiter, der Feinde des Evangeliums. Da das Hemmnis, das sie zurückhielt, einmal beseitigt ist, überströmen die Fluten der Leidenschaft auf allen Seiten ihre Ufer. Man wird oft zurückgehalten durch einen kleinen 'Überrest von Gewissen, durch Gewohnheiten, durch einen gewissen Begriff von den Rechten anderer; aber wenn die Dämme durchbrochen sind, so befriedigt sich der Haß (der Geist des Mordes im Herzen), wenn Gott es zuläßt, durch Handlungen, die klar ans Licht stellen, was der Mensch ist, sobald er sich selbst überlassen wird. Allein all dieser Haß erfüllt den Willen Gottes, in dem der Mensch vielleicht auf andere Weise gefehlt haben würde, und den er in einigen Beziehungen nicht ausführen konnte oder es sogar nicht sollte, d. h. den Willen Gottes in unum­schränktem Gericht. Die Zerstreuung der Versammlung war ein Gericht über Israel. 

Gewiß würden die Jünger es schwierig gefunden haben, dieses Gericht sich durch Mitteilung größeren Lichtes zu erklären und es zu voll­ziehen; denn was auch die Segnung und Energie in dem Kreise, worin der Geist Gottes wirkt, sein mögen, so sind doch die Wege Gottes in der Leitung aller Dinge in Seiner eigenen Hand.Die ganze Kirche also, mit Ausnahme der Apostel, ist zerstreut. Es ist auch fraglich, ob die Apostel recht taten, in Jerusalem zu bleiben, und ob ein einfacherer Glaube sie nicht hätte weggehen lassen und auf diese Weise der Kirche mancher Kampf und manche Schwierigkeit erspart worden sei, die mit der Tatsache, daß Jerusalem fort­dauernd ein Mittelpunkt von Autorität blieb, in Ver­bindung standen* ‑Der Herr hatte sogar im Blick auf Israel den Aposteln gesagt: Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere"; und nach Seiner Auferstehung befiehlt Er ihnen, hinzugeben und alle Völker zu Jüngern zu machen. Diesen letzten Auftrag finden wir in der Apostel­geschichte und in dem Werke unter den Nationen nicht ausgeführt. 

Er wurde, wie wir in Galater 2 sehen, durch eine besondere, zu Jerusalem getroffene Übereinkunft in die Hände Pauli gelegt und so auf einen neuen Boden gesetzt. Das Wort sagt nichts von der Erfüllung dieser Mission der Zwölfe unter den Nationen, ausgenommen die kurze, allgemeine Andeutung in Markus 16, 20. Gott wirkte kräftig in Petrus unter der Beschneidung und in Paulus unter den Nationen (siehe Gal. 2, 8). Es mag gesagt werden, daß die Zwölfe nicht verfolgt worden seien. Es ist möglich, und ich sage nichts Bestimmtes über diesen Punkt; doch ist es gewiß, daß die Stellen, die ich ange­führt habe, wo der Herr von der Mission der Zwölfe unter den Nationen spricht, nicht ihre Erfüllung finden in der Geschichte der Bibel, und daß statt dessen, was der Herr vorschrieb, eine andere Anordnung, ein anderer* Dies verhindert in keiner Weise die Offenbarung der un­umschränkten Weisheit Gottes. 

Die Entfaltung der Lehre von der Kirche in ihrer Einheit und als der Leib Christi war nur um so vollkommener und unvermischter, wie wir sie durch Paulus gelehrt finden, der außerhalb des Judentums durch die Offenbarung eines himmlischen Christus berufen worden war. Auch bringen diese Wege der unumschränkten Weisheit Gottes durchaus keine Veränderung in der Verantwortlich­keit des Menschen hervor. Ebenso wurde die äußere Einheit der Kirche bewahrt durch die unterhaltende Verbindung zwi­schen Jerusalem und den anderen Orten, bis das Werk unter den Nationen außerhalb des Judentums diese Verbindung überaus schwierig und unsicher machte.

 Dies stellt die Gnade und Weisheit Gottes nur um so augenscheinlicher dar.Gang der Dinge stattfand, und daß die jüdischen Vorurteile wirklich einen Einfluß ausübten, der aus dieser Zusammenziehung zu Jerusalem entsprang ‑ ein Einfluß, von dem sich zu befreien selbst Petrus die größte Schwierigkeit hatte.Die Zerstreuten nun gingen umher und verkündigten das Wort, doch nur den Juden, bis etliche Männer von ihnen nach Antiochien kamen (Kap. 11, 19. 20). Philippus aber ging hinab in eine Stadt Samarias und predigte ihnen den Christus und wirkte Wunder (V. 5 ff.). Alle achteten auf das, was er redete, und wurden sogar getauft. Ein gewisser Mann, der das Volk von Samaria bis dahin lange Zeit mit seinen Zaubereien außer sich gebracht hatte, so daß sie sagten, "dieser ist die große Macht Gottes" ‑ auch dieser unterwarf sich einer Macht, die seine falschen Wunder verdunkelte, und die ihn um so mehr von ihrer Wirklichkeit überführte, als er sich der Falschheit seiner eigenen bewußt war.

Die Apostel machen keine Schwierigkeit hinsichtlich Samarias. Sie schicken Petrus und Johannes hin, die ihnen die Hände auflegen, und sie empfangen den Heiligen Geist. Die Geschichte Jesu muß ihnen in dieser Hinsicht Licht ge­geben haben. überdies waren die Samariter keine Heiden. Auch war es ein Hellenist, der dort das Evangelium predigte. Eine neue Wahrheit tritt hier in Verbindung mit dem regelmäßigen Wachstum der Kirche hervor, nämlich, daß die Apostel den Heiligen Geist durch Gebet und Auflegung der Hände erteilen: eine sehr wichtige Tatsache in der Geschichte der Wege Gottes (V. 14‑19): Außerdem war Samaria eine Eroberung, die die ganze Energie des Judentums nie zu machen imstande gewesen war. 

Seine Bekehrung war ein neuer und glänzender Triumph für das Evangelium. Die geistliche Unterwerfung der Welt gehörte der Kirche an. Jerusalem war beiseite gesetzt; sein Tag war in dieser Hinsicht vorüber. Gleichwohl wird das Ansehen der Apostel und das Band der Einheit, das die anderen Christen mit der Versammlung in Jerusalemverknüpfte, aufrechterhalten. Die Gegenwart der Macht des Heiligen Geistes, die in Petrus wirkte, bewahrte die Kirche bis jetzt vor dem Eindringen der Heuchler, der Werkzeuge Satans. Die große und mächtige Tatsache, daß Gott da war, offenbarte sich und machte die Finsternis sichtbar, die die Umstände verborgen hatten. Von der starken Strömung fortgerissen, hatte Simon hinsichtlich seiner Einsicht der Autorität Christi nachgegeben, dessen Name durch den Dienst des Philippus verherrlicht wor­den war. 

Aber der wahre Zustand seines Herzens, das Verlangen nach seinem eigenen Ruhme, der völlige Ge­gensatz zwischen seinem moralischen Zustand und je­dem göttlichen Grundsatz und Licht, verrät sich in Ge­genwart der Tatsache, daß ein Mensch die Macht ver­leihen kann" deren Wirkungen er gesehen hatte. Er wünscht, diese Macht mit Geld zu erkaufen. Welch ein Gedanke! Der Unglaube, der ganz zu verschwinden scheint, so daß die Dinge Gottes äußerlich angenommen werden, verrät sich auf diese Weise durch eine Hand­lung, die Gott ‑ für den, der den Geist hat ‑ so gänz­lich zuwider ist, daß der wahre Charakter derselben sogar einem Kind, das von Gott Selbst belehrt ist, offen­bar wird.

Samaria, wo das Werk die Frucht der unabhängigen Handlung war, von der wir gesprochen haben, wird also mit dem Mittelpunkt des Werkes zu Jerusalem, wo sich noch die Apostel befanden, in Verbindung gebracht. Schon die Mitteilung des Heiligen Geistes an die Sama­riter war ein unermeßlicher Schritt in der Entwicklung der Kirche. Ohne Zweifel wurden sie beschnitten, er­kannten sie das Gesetz an, obwohl der Tempel in einem gewissen Grad seine Wichtigkeit verloren hatte. Die Kirche, der Leib von Gläubigen, wurde mehr befestigt, und dies war, insofern sie sich noch an Jerusalem hielten, ein wirklicher Gewinn; denn Samaria trat durch die An­nahme des Evangeliums mit ihrer früheren Neben­buhlerin in Verbindung, insofern es die Apostel selbst waren, und unterwarf sich ihr. Wahrscheinlich gingen die Apostel während jener Verfolgungszeit nicht in den Tempel. 

Gott hatte ihnen außerhalb ein weite Tür ge­öffnet und ihnen mit ihrem Werk einen reichen Ersatz gegeben für den Erfolg der Leiter Israels, die dasselbe in Jerusalem unterdrückt hatten; denn die Kraft des Geistes war mit ihnen. Mit einem Wort, das, was hier dargestellt wird, ist die freie Energie des Geistes, die in anderen Personen wirkt als den Aposteln, und zwar außerhalb Jerusalems, das seinerseits diese Energie und diese Wirksamkeit verworfen hatte. Zugleich finden wir hier die Aufrechterhaltung der Beziehungen der Neubekehrten mit den Aposteln und mit Jerusalem, und zwar durch die Vermittlung der Apostel sowie durch die Autorität und Macht, womit sie bekleidet waren. 

Petrus und Johannes kehren, nachdem sie ihr Werk vollbracht und in mehreren Dörfern der Samariter das Evangelium verkündigt haben, nach Jerusalem zurück (V. 25). Das Werk nach außen hat seinen Fortgang, und zwar durch andere Mittel. Philippus, der den Charakter eines pünktlichen und nicht zweifelnden Gehorsams in Einfalt des Herzens zeigt, wird berufen, sein gesegnetes Werk, womit seine ganze persönliche Wichtigkeit (wenn er die­selbe gesucht hätte) verbunden, und in dem er mit Ach­tung und Liebe umgeben war, zu verlassen. "Gehe", sagte der Engel des Herrn, "gegen Süden auf den Weg, der von Jerusalem nach Gaza hinabführt" (V. 26). Es war eine Wüste. Der bereitwillige Gehorsam des Philippus denkt nicht an den Unterschied zwischen Samaria und Gaza, sondern an den Willen des Herrn, und er geht. 

Das Evan­gelium breitet sich jetzt aus bis zu den Proselyten aus den Nationen und bahnt sich einen Weg bis zum Mittel­punkt Abessiniens. Der Schatzmeister der Königin wird unter die jünger des Herrn aufgenommen durch die Taufe, die seinen Glauben an das Zeugnis des Propheten Jesaja besiegelte. Er zieht seinen Weg, indem er sich des Heils erfreut, für welches er, um es in Jerusalem zu suchen, eine so beschwerliche Reise aus fernem Land unternommen hatte. Ein schönes Gemälde von der Gnade des Evangeliums! Der Eunuch trägt das, was die Gnade ihm in der Wüste verliehen und was seine schwierige Reise nach Jerusalem ihm nicht verschafft hatte, für sich selbst davon und bringt es in seine Heimat. 

Die armen luden, die das Zeugnis aus Jerusalem vertrieben hatten, sind außerhalb aller Segnung. Der Geist des Herrn führt den Philippus weit weg, und er wird zu Asdod gefunden (V. 39. 40), denn alle Macht des Herrn steht dem Sohne des Menschen zu Diensten, um das Zeugnis Seiner Herr­lichkeit zu erfüllen. Philippus verkündigt das Evangelium in allen Städten, bis er nach Cäsarea kommt. 

KAPITEL 9 

Ein Werk und ein Arbeiter von ganz anderem Charak­ter beginnen jetzt auf dem Schauplatz zu dämmern. Wir haben den eingewurzelten Widerstand der Leiter Israels gegen das Zeugnis des Heiligen Geistes gesehen sowie ihre Hartnäckigkeit, womit sie die Langmut Gottes zu­rückstießen. Israel verwarf alles Wirken des Gottes der Gnade zu ihren Gunsten. Saulus macht sich zum Ge­sandten ihres Hasses wider die jünger Jesu, wider die Diener Gottes. Nicht zufrieden, ihnen in Jerusalem nach­zuforschen, erbittet er sich Briefe von dem Hohenpriester, damit er in ausländische Städte gehen und die Hand an sie legen möge. 

Ist Israel in völligem Widerstand gegen Gott, so ist er der feurige Gesandte ihrer Bosheit ‑ ohne Zweifel in Unwissenheit, aber der willige Sklave seiner jüdischen Vorurteile. Also beschäftigt nähert er sich Da­maskus. Dort, im vollen Lauf eines ungebrochenen Wil­lens, hemmt ihn der Herr fesus. Ein Licht vom Himmel umstrahlt ihn und hüllt ihn in seinen blendenden Glanz ein. Er fällt zur Erde und hört eine Stimme, die zu ihm sagt: "Saul, Saul, was verfolgst du mich?" (V. 4.) Die Herrlichkeit, die ihn zu Boden geworfen, ließ ‑ begleitet von jener Stimme ‑ keinen Zweifel übrig, daß die Auto­rität Gottes darin geoffenbart war.

 Sein Wille war ge­brochen, sein Stolz besiegt, sein Herz unterworfen, und er fragt: "Wer bist du, Herr?" Die Autorität dessen, wel­cher redete, war unzweifelhaft. Sauls Herz war dieser Autorität unterworfen, und die herrliche Person, die ihm begegnete, war Jesus. Der Lauf seines eigenen Willens war für immer beendet,Überdies machte er nicht nur die Entdeckung, daß der Herr der Herrlichkeit, der ihm er­schienen, Jesus Selbst war, sondern auch, daß dieser Jesus die armen jünger, die Saul als Gefangene nach Je­rusalem zu führen gedachte, als sein eigenes Ich aner­kannte: "Ich bin Jesus, den du verfolgst" (V. 5).

Wie vieles wurde in jenen wenigen Worten geoffen­bart! Der Herr der Herrlichkeit erklärte, daß Der, den Saul verfolgte, Jesus war. Die jünger waren eins mit Ihm. Die luden waren im offenbaren Krieg mit dem Herrn Selbst. Das ganze System, das sie aufrechterhielten, ihr ganzes Gesetz, ihre ganze amtliche Autorität, alle die Sat­zungen Gottes hatten nicht verhindert, daß sie mit dem Herrn in offenem Krieg standen. Saul selbst, bekleidet mit ihrer Autorität, war beschäftigt, den Namen des Herrn und Sein Volk von der Erde zu vertilgen ‑ eine schreckliche Entdeckung, die seine Seele völlig überwäl­tigte, die allmächtig war in ihren Wirkungen, und die nicht e in moralisches Element in der Seele dieses energischen Mannes übrigließ, um ihrer Kraft zu wider­stehen. 

Eine Beschönigung desübels war fruchtlos. Sein Eifer für das Judentum war ein Eifer gegen den Herrn. Sein eigenes Gewissen allein hatte diesen Eifer belebt. Die von Gott verordneten Autoritäten, seit Jahrhunder­ten mit dem Nimbus der Ehrwürdigkeit umgeben ‑ einem Nimbus, der durch den gegenwärtigen traurigen Zustand Israels, das jetzt nichts mehr als seine Religion besaß, noch erhöht worden war ‑ diese Autoritäten hatten seine j%~istrengungen wider den Herrn nur bestätigt und be­gunstigt. Der Jesus, den sie verwarfen, war der Herr. Das Zeugnis, das sie zu unterdrücken trachteten, war S e i n Zeugnis. 

Welch eine Veränderung bei Saulusl Welch eine neue Stellung, sogar neu den Gedanken der Apostel selbst, die in Jerusalem blieben, als alle zerstreut wurden. Sie waren wirklich treu, trotz des Widerstandes der Lei­ter Israels, aber sie blieben in Verbindung mit ihrer Nation.Noch andere wichtige Punkte treten hier ans Licht. Saulus hatte Jesum auf der Erde nicht gekannt. Ein Zeug­nis, das sich auf seine Bekanntschaft mit Ihm von Anfang an gründete und erklärte, daß Er zum Herrn und Chri­stus gemacht sei, hatte er nicht. Für ihn war es nicht ein Jesus, der in den Himmel hinaufgeht, wo Er unseren Blicken entzogen ist, sondern es war der Herr, der ihm zuerst im Himmel erscheint und ihm verkündigt, daß Er Jesus ist.

 Ein herrlicher Herr ist der einzige, den er kennt. Sein Evangelium (wie er sich ausdrückt) ist das Evan­gelium der Herrlichkeit. Wenn er Christum nach dem Fleische gekannt hätte, so kennt er Ihn doch jetzt nicht mehr also (2. Kor. 5, 16). Es wird hier aber noch ein anderer wichtiger Grundsatz gefunden. Der Herr der Herrlichkeit hat Seine Glieder auf der Erde. Er sagt zu Saul: "Ich bin Jesus, den du verfolgst." Er war es Selbst, jene armen jünger waren Gebein von Seinen Gebeinen und Fleisch von Seinem Fleische. Er blickte auf sie und liebte sie als Sein eigenes Fleisch. Die Herrlichkeit und die Einheit der Kirche mit Jesu, ihrem Haupte im Him­mel ‑ das sind die kostbaren Wahrheiten, die in Ver­bindung stehen mit der Bekehrung des Saulus, mit der ihm zuteil gewordenen Offenbarung Jesu, mit dem Her­vorbringen des Glaubens in seinem Herzen.

 Dieses Her­vorbringen geschah zugleich in einer Weise, die das Judentum mit allen seinen Früchten in seiner Seele über den Haufen warf ‑ in einer Seele, in der das Judentum einen großen Teil ihrer Existenz bildete und ihr ihren ganzen Charakter verlieh.Dennoch kommt er durch das gewöhnliche Mittel in die Kirche hinein ‑ gleichwie Jesus in Israel, der in Demut dort seinen Platz nahm, wo die Wahrheit Gottes durch Seine Kraft festgestellt war. 

Während drei Tagen blind, und ‑ wie natürlich ‑ mit einer solchen Entdeckung gänz­lich erfüllt, ißt und trinkt er nicht. Nachher muß ‑ außer der Tatsache seiner Blindheit die ein stiller, beständiger und untrüglicher Beweis von der Wahrheit des ihm be­gegneten Ereignisses war ‑ sein Glaube befestigt worden sein durch die Ankunft des Ananias, der ihm von seiten des Herrn das mit ihm Vorgefallene erklären kann, obgleich er nicht außer der Stadt gewesen ist ‑ ein Um­stand, der um so schlagender war, weil Saulus in einem Gesicht ihn hatte kommen und seine Augen wieder­herstellen sehen. Und eben dies tut Ananias. 

Saulus er­hält das Gesicht wieder und wird getauft. Er nimmt Speise und wird gestärkt. Die Unterhaltung Jesu mit Ananias ist bemerkenswert, da sie uns einerseits zeigt, mit welcher untrüglichen Klarheit der Herr Sich in jenen Tagen offenbarte, und andererseits die heilige Freiheit und das Vertrauen, womit der wahre und treue jünger mit Ihm verkehrte. Ananias unterredet sich mit demHerrn hinsichtlich des Saulus, und Jesus antwortet ihm, indem Er erklärt, daß Saulus ein auserwähltes Gefäß sei, Seinen Namen zu tragen sowohl vor Nationen als Könige und Söhne Israels, und daß Er ihm zeigen werde, wie vieles er um Seinetwillen leiden müsse (V. 15. 16).Saulus zögert nicht, seinen Glauben zu bekennen und zu verkündigen; und das, was er sagt, ist in hohem Grade der Beachtung wert. 

Er predigt in den Synagogen, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Zum erstenmal wird Christus auf diese Weise verkündigt. Daß Er zur Rechten Gottes erhöht, daß Er Herr und Christus war, war schon ge­predigt worden. Der verworfene Messias war droben erhöht. Allein hier ist es die einfache Lehre hinsichtlich Seiner persönlichen Herrlichkeit: Jesus ist der Sohn Got­tes. Bemerken wir noch, daß in den Worten, die Jesus zu Ananias spricht, die Kinder Israel zuletzt kommen.Saulus beginnt seinen öffentlichen Dienst noch nicht. Seine Predigt ist sozusagen nur der Ausdruck seiner per­sönlichen Treue, seines Eifers, seines Glaubens unter denen, die ihn umgaben, mit denen er von Natur ver­bunden war. 

Es dauerte nicht lange, so zeigte sich der Widerstand, und die jünger senden ihn weg, indem sie ihn in einem Korbe an der Mauer hinablassen. Durch die Vermittlung des Barnabas ‑ der ein guter Mann und voll Heiligen Geistes und Glaubens war, den die Gnade unterwiesen hatte, die Wahrheit in bezug auf den neuen jünger zu schätzen ‑ fand der gefürchtete Saulus seinen Platz unter den Jüngern, sogar zu Jerusalem (V. 23‑29). Wunderbarer Triumph des Herrn! Es wäre dort eine seltsame Stellung für ihn gewesen, wenn der Gedanke an Jesum nicht sein ganzes Herz innegehabt hätte. Zu Jerusalem unterredete er sich mit den Hellenisten. Er war einer von ihnen. Die Hebräer waren nicht sein natür­licher Kreis. 

Sie trachten ihn zu töten; die jünger geleiten ihn nach dem Meer und senden ihn hinweg nach Tarsus, dem Orte seiner Geburt. Der Triumph der Gnade hat unter der Hand Gottes den Gegner zum Schweigen ge­bracht. Die Versammlungen werden in Ruhe gelassen und erbauen sich, indem sie in der Furcht Gottes und in dem Troste des Heiligen Geistes ‑ den zwei großen Elementen der Segnung ‑ wandeln, und ihre Zahl wächst.Die Verfolgung erfüllt die Vorsätze Gottes. Der Friede, den er gewährt, gibt Anlaß, reif zu werden in der Gnade und in der Erkenntnis Seiner Selbst (V. 31).Nachdem der Friede befestigt ist durch die Gute Guttes ‑ die alleinige Zuflucht derer, die mit Unterwerfung un­ter Seinen Willen in Wahrheit auf Ihn warten ‑ zieht Petrus durch alle Teile Israels hindurch. 

Der Geist Got­tes teilt diesen Umstand hier zwischen der Bekehrung des Saulus und seinem apostolischen Werke mit, um uns, wie ich nicht zweifle, einerseits die apostolische Energie in Petrus sehen zu lassen, die zu jener Zeit bestand, als die Berufung dieses neuen Apostels neues Licht hinein­bringen sollte, und uns andererseits ein Werk zu zeigen, das in vielen wichtigen Beziehungen neu war. Auf diese Weise bestätigt Gott das Werk, das vorher getan worden war, als das Seinige und an seinem Platze, welche Fort­schritte auch Seine Ratschlüsse hinsichtlich der Erfül­lung machen mochten. Zugleich will Er uns die Einfüh­rung der Nationen in die Kirche zeigen, wie sie durch Seine Gnade im Anfang gegründet war, indem Er auf diese Weise die Einheit der Kirche bewahrt und auf dieses Werk himmlischer Gnade Sein Siegel setzt.

KAPITEL 10 + 11

Die Versammlung oder Kirche war errichtet; aber die Lehre ihrer Einheit, als Leib Christi außerhalb der Welt, war noch nicht ans Licht gestellt. Die Aufnahme des Kornelius kündigte diese Einheit nicht an, obwohl sie den Weg zu ihrer Offenbarung anbahnte. Die ungeschwächte Kraft des Petrus, seine apostolische Autorität inmitten der Gläubigen, der Eintritt des Kor­nelius in das geistliche Haus Gottes in Verbindung mit dem Dienste des Petrus, und zwar nach der Berufung des Saulus, die eine neue Aussicht eröffnet ‑ alle diese Tat­sachen zusammengenommen waren nur eine Bestätigung dessen, was bisher geschehen war. Das ursprüngliche Werk war in keiner Weise beiseite gesetzt, um ein ande­res hineinzubringen.

 Weder das Gesicht des Petrus noch die Zulassung des Kornelius offenbarte ‑ ich wiederhole es ‑ die Kirche. Diese beiden Tatsachen zeigten nur, daß unter jeglicher Nation der, welcher Gott fürchtete, Ihm angenehm war ‑ mit einem Wort, daß sich die Gunst Gottes nicht auf die luden beschränkte, und daß es nicht notwendig war, ein Jude zu werden, um an dem Heil, das in Christo ist, teilnehmen zu können. Die Einheit des mit seinem Haupte im Himmel vereinigten Leibes wurde nicht durch diese Tatsache der Zulassung der Heiden zu der Zahl der Erretteten hervorgebracht; aber sie bereitete den Weg zur Offenbarung dieser Wahr­heit, weil in der Tat der Heide auf der Erde zugelassen war, ohne vorher ein Jude geworden zu sein.

 Das, was die Grundlage der Existenz der Kirche auf der Erde bil­dete, wurde im einzelnen verwirklicht, obwohl die Lehre noch nicht bekanntgemacht worden war. Den Nationen als solchen war die Buße zum ewigen Leben gewährt. Der Heilige Geist ‑ das Siegel christlicher Segnung unter den Juden, die Frucht der durch Jesum vollbrachten Er­lösung ‑ wurde sowohl den Nationen als den luden gegeben. Die letzteren mochten sich darüber verwundern; aber es war nicht möglich, Gott zu wehren. Durch die Gnade konnten sie Ihn preisen für die Gabe, die Er in unumschränkter Weise denen gewährt hatte, die das Judentum nicht anerkennen konnte.

 Von Kapitel 9, 32 bis 11, 18 finden wir dann die Kraft des Geistes Gottes mit Petrus in der Mitte Israels, die Einführung der Nationen in die Versammlung auf der Erde, ohne daß sie luden werden oder sich der alten Ordnung, die vorüberging, unterwerfen. Das Siegel des Geistes ist ihnen aufgedrückt; die Häupter der Versamm­lung zu Jerusalem sowie die eifrigsten Anhänger der Beschneidung erkennen diese Tatsache als den Willen Gottes an, indem sie sich derselben trotz ihrer Vorurteile unterwerfen und Seinen Namen loben. Die Tür ist also den Nationen geöffnet. Das war ein großer Schritt. 

Die köstliche Lehre der Versammlung mußte noch kund­gemacht werden. Petrus hatte die Berufung der Nationen in seiner ersten Rede verkündigt; aber diese Berufung zu verwirk­lichen und ihren Bedingungen in Verbindung mit dem, was schon geschichtlich bestand, eine Form zu geben, erforderte die Dazwischekunft, die Autorität und die Offenbarung Gottes. Der Fortschritt in der Offenbarung der Wahrheit ist durch die Langmut Gottes augenschein­lich; denn die Quelle dieser Offenbarung war sicher nicht die Weisheit des Menschen. Ganz jüdisch beim Beginn, war das Werk in Jerusalem begleitet von der Erklärung an das jüdische Volk, daß Jesus zurückkommen würde, wenn sie Buße täten. 

Dieses Zeugnis der Gnade wurde verworfen, und in der Person dessen, der es ablegte, gingen die Erstlinge der Versammlung hinauf zum Him­mel. Nach der durch die Verfolgung hervorgerufenen Zerstreuung wirkte der Heilige Geist in Seiner unum­schränkten Freiheit in Samaria und unter den Prose­lyten. Saulus wird berufen durch die Offenbarung eines verherrlichten Christus und durch ein Zeugnis aus Sei­nem Munde, das die Einheit der Heiligen auf der Erde, als ein Leib mit Ihm, ihrem Haupte im Himmel, ankün­digt. Nach diesem empfängt ein frommer Heide (be­kehrt, aber noch ein Heide) den Glauben an Christum und den Heiligen Geist, so daß ‑ ausgezeichnet durch dieses Zeugnis, durch dieses Siegel, das von Gott Selbst seinem Glauben verliehen war ‑ die Apostel und die jünger, welche am meisten am Judentum hingen, ihn aufnehmen: Petrus durch Zulassung zur Taufe und die anderen durch Anerkennung dieser Handlung des Petrus. 

Laßt uns hier bemerken, daß die Errettung nicht nur in der Tatsache besteht, lebendig gemacht und fromm zu sein, sondern in der völligen Befreiung, so daß Gott uns Sich Selbst darstellen kann in Gerechtigkeit, die Er einem jeden darreicht, der durch die Wirkung Gottes das Leben hat. Kornelius war fromm, und das in Wahrheit; aber er hört Worte von einem für ihn vollbrachten Werke, wodurch er errettet werden kann und, wie wir wissen, auch errettet wurde. Endlich ist das Siegel des Heiligen Geistes auf den Glauben an Jesum der Grund, auf dem diejenigen, die Gott annimmt, anerkannt sind, das will sagen: es ist der völlige Beweis für den Menschen. 

In Kapitel 11, 19 beginnt die Mitteilung der neuen Ord­nung der Dinge, durch die der Dienst Pauli sich auszeich­net: Unter denen, die zerstreut wurden nach dem Tode des Stephanus, und die sogar bis nach Antiochien zogen und den Herrn Jesum verkündigten, gab es etliche, welche, weil sie aus Cypern und Cyrene waren, gewöhn­lich mehr mit Griechen in Verbindung standen. Sie wandten sich daher in dieser alten Hauptstadt der Seleu­ciden auch an die Griechen, und viele nahmen ihr Wort an und wandten sich zum Herrn. Die Versammlung zu Jerusalem, die schon durch die Bekehrung des Kornelius, wodurch Gott den Eintritt der Nationen gezeigt hatte, vorbereitet war, erkennt auch dieses Ereignis an und sendet Barnabas, der aus Cypern gebürtig war ‑ nach Antiochien. 

Er ist ein guter Mann und erfüllt mit dem Heiligen Geiste. Sein Herz ist voll von Freude, als er dieses Werk der Gnade Gottes sieht; und eine große Menge wird dem Herrn hinzugetan (V. 24).Noch ist alles mit dem Werke zu Jerusalem verbunden, obwohl es sich jetzt auch auf die Nationen erstreckt. Barnabas, der augenscheinlich nicht mehr ausreichte für das Werk und jedenfalls von Gott geleitet wurde, reist ab, um Paulus zu suchen, der nach Tarsus gegangen war, als sie ihn in Jerusalem zu töten getrachtet hatten (Kap. 9, 29). Und diese beiden Männer versammeln sich mit der Kirche zu Antiochien und lehren eine zahlreiche Menge. Dennoch findet dies alles, ich wiederhole es, in Verbindung mit Jerusalem statt, woher einige Propheten kommen und eine Hungersnot ankündigen. 

Die Bande zwischen der Herde von Antiochien und Jerusalem als Mittelpunkt geben sich zu erkennen und werden enger geknüpft durch die Sendung einer Unterstützung an diese religiöse Hauptstadt des Judentums und des Christen­tums, insofern man seinen Anfang in dem jüdischen Überrest findet, der an Jesum als den Christus glaubte. Barnabas und Saulus selbst werden mit Überbringung dieser Unterstützung der Christen in Antiochien für ihre bedürftigen Brüder beauftragt und gehen hinauf nach Jerusalem, um diesen Dienst zu erfüllen. Dieser Um­stand führt uns nach Jerusalem zurück, wo uns der Geist noch etwas von den Wegen Gottes zu zeigen hat. 

KAPITEL 12

Herodes fängt an, die Versammlung in dieser Stadt zu verfolgen, um den luden zu gefallen. Wir mögen hier bemerken, daß die gesamten Gläubigen zu Antiochien auch die Versammlung (oder Kirche) genannt werden was bisher noch nirgends der Fall war. Alle wurden bis dahin als einen ergänzenden Teil des Werkes zu Jerusalem betrachtet, wie alle luden, wo sie sich auch befan­den, mit diesem Mittelpunkt ihres religiösen Systems verbunden waren. jeder Jude als solcher kam aus Jerusalem hervor, wie zahlreich auch die Synagoge, die er besuchte, und wie groß auch der Einfluß ihres Rabbiners sein mochte. Barnabas und Saulus versammeln sich mit der Versammlung oder Kirche zu Antiochien. 

Eine ört­liche Versammlung war gebildet worden, die sich ihres Daseins bewußt war. Sie war von Jerusalem unter­schieden, aber doch mit ihr verbunden. Versammlungen, die nicht von einer Hauptstadt abhängen, beginnen in die Erscheinung zu treten. Wir wenden uns nach Jerusalem zurück. Herodes, ein gottloser König, und in gewisser Hinsicht ein Vorbild des gesetzlosen Königs am Ende, fängt an, den treuen Überrest zu Jerusalem zu verfolgen. Es sind nicht nur die luden ihnen entgegen. Der König ‑ den sie als luden verabscheuten ‑ vereinigt sich mit ihnen durch seinen Haß wider das himmlische Zeugnis, indem er dadurch ihre Gunst zu gewinnen gedenkt. Er tötet Jakobus und fährt fort, auch den Petrus zu ergreifen und ins Ge­fängnis zu setzen (V. 2. 3). Aber Gott bewahrt Seinen Knecht und befreit ihn durch Seinen Engel, als Antwort auf die Gebete der Heiligen. 

Er läßt es zu, daß einige getötet werden ‑ glückliche Zeugen ihres himmlischen Teiles in Christo! ‑ und bewahrt andere, um das Zeug­nis auf der Erde fortzusetzen trotz all der scheinbar unwiderstehlichen Macht des Feindes ‑ einer Macht, die der Hexr vereitelt durch die Offenbarung der Macht, die Ihm und Ihm allein gehört, und die Er gebraucht, wie und wann Er will. Die armen Heiligen, obwohl sie inbrünstig beteten (sie hatten Gebetsversammlungen in jenen Tagen), können kaum glauben, als Petrus zur Tür hereinkommt, daß Gott wirklich ihr Gebet erhört hat. Das Verlangen stellt sich Gott aufrichtig dar; aber der Glaube kann kaum auf Ihn rechnen. Herodes, der durch die Macht Dessen, dem er wider­steht, zuschanden geworden ist, verurteilt die Werk­zeuge seines Hasses zum Tode und geht hinweg, nach Cäsarea, dem heidnischen Sitze seiner Gewalt. 

Indem er dort seine Herrlichkeit entfaltet und die abgöttische Verehrung des Volkes entgegennimmt, als ob er ein Gott wäre, schlägt ihn Gott und zeigt, daß Er der Herrscher dieser Welt ist, wie groß auch der Hochmut des Men­schen sein mag. Das Wort Gottes aber breitet sich aus durch Seine Gnade, und nachdem Barnabas und Saulus ihren Dienst erfüllt haben, kehren sie nach Antiochien zurück und nehmen auch Johannes, mit dem Zunamen Markus, mit sich.

KAPITEL 13

jetzt kommen wir zum Anfang der eigentlichen Ge­schichte des Werkes, das in einigen wichtigen Punkten neu ist und mit der Sendung des Paulus durch die un­mittelbare Dazwischenkunft des Heiligen Geistes in Ver­bindung steht. Es ist jetzt nicht Christus auf der Erde, der durch Seine persönliche Autorität die Zwölfe aus­sendet, die nachher mit der Kraft des Heiligen Geistes aus der Höhe begabt werden, um Seine Erhöhung in den Himmel und Seine Rückkehr zu verkündigen und alle, die an Ihn glauben würden, unter die Standarte des Kreu­zes zu versammeln. Paulus hat Christus in Herrlichkeit gesehen und hat sich deshalb mit der schon versammel­ten Kirche vereinigt.

 Es ist hier kein Christus persönlich gegenwärtig, um Paulus als einen Zeugen Seiner Gegen­wart auf der Erde oder Seiner Verwerfung auszusenden ‑ als einen Zeugen dessen, den er hienieden gekannt hätte. Der Heilige Geist Selbst sendet ihn, und zwar nicht von Jerusalem aus, sondern von einer griechischen Stadt, wo Er in freier und unumschränkter Macht etliche aus den Heiden bekehrt und versammelt hatte. Ohne Zweifel waren auch einige aus den Juden in ihrer Mitte; aber die Gläubigen aus den luden und Heiden bildeten eine Versammlung, deren Dasein zuerst gekennzeichnet war durch die Tatsache, daß das Evangelium den Griechen verkündigt worden war.In diesem 13. Kapitel befinden wir uns wieder in der Versammlung zu Antiochien und inmitten der unab­hängigen* Wirksamkeit des Geistes Gottes.

 Es sind dort gewisse Propheten; Saulus ist unter ihnen. Sie fasteten und waren mit dem Dienste des Herrn beschäftigt. Der Heilige Geist befiehlt ihnen, Barnabas und Saulus aus­zusondern zu dem Werke, wozu Er sie berufen hatte. Das war die Quelle des Dienstes dieser beiden neuen Apostel. Gewiß gab dieser Dienst Zeugnis für Ihn, an den sie geglaubt und den Saulus wenigstens gesehen hatte, und sie handelten unter Seiner Autorität. Die bestimmte und unverkennbare Quelle ihrer Sendung aber war der Heilige Geist. 

Er war es, der sie zu dem Werke berief. Sie waren von Ihm ausgesandt (V. 4) ‑ein überaus wichtiger Grundsatz bezüglich der Wege des Herrn auf der Erde. Wir treten aus Jerusalem, aus dem Judentum, aus dem Rechtsgebiet der Apostel, die von dem Herrn, als Er auf der Erde war, ernannt wurden, heraus. Christus wird nicht mehr nach dem Fleische ge­kannt, wie Saulus (nachdem er Paulus geworden) es aus­drückt. Sie haben wider den jüdischen Geist zu kämpfen. Sie haben ihn zwar zu berücksichtigen, soweit er auf­richtig ist, aber die Quellen ihres Werkes sind nicht mehr in Verbindung mit dem System, das von diesem Werke nicht länger als Ausgangspunkt betrachtet wird. 

Ein ver­herrlichter Christus im Himmel, der die jünger als Glie­der Seines Leibes, als Sich Selbst droben anerkennt ‑eine Sendung von seiten des Heiligen Geistes auf der Erde, die nur Seine Energie als die Quelle des Wirkens und der Autorität betrachtet (und, wie natürlich ist, für Christum Zeugnis ablegt) ‑ dies ist das Werk, das jetzt anfängt, und das Barnabas und Saulus anvertraut wird. Barnabas bildet, es ist wahr, eine Verbindung zwischen* Die Wirksamkeit des Geistes ist immer unabhängig; aber hier will ich sagen, daß sie außerhalb der Autorität der Apostel war. Was dort geschah, hatte weder diese Autorität zur Quelle, noch bezog sie sich auf dieselbe.dem alten und neuen Werke. 

Er war ein Hellenist aus Cypern, und er war es, der Saulus nach seiner Bekehrung in der Nähe von Damaskus den Aposteln vorstellte. Bar­nabas hatte ein weiteres Herz ‑ war mehr geöffnet für die Zeugnisse der Gnade Gottes ‑ als selbst die Apostel und die anderen, die in einem strengen Judentum er­zogen waren; denn Gott trifft in Seiner Gnade Vorsorge für alles. Er gibt immer einen Barnabas, einen Niko­demus, einen Joseph und sogar einen Gamaliel, wenn es nötig ist. Die Handlungen Gottes in dieser Hinsicht sind in der ganzen Geschichte, die uns beschäftigt, be­merkenswert. 

Möchten wir nur, während wir durch den Geist Seinen Willen tun, uns völliger Dem anvertrauen, der alles lenkt! Dennoch wird sogar dieses Band bald gebrochen. Bar­nabas hielt noch ein wenig an dem "alten Kleide", dem "alten Schläuche", wie gesegnet er selbst auch sein mochte, er, dem der Heilige Geist ein so schönes Zeugnis gab, und in dem wir einen so ausgezeichneten Charakter sehen. Er wollte später auch seinen Verwandten Markus mitnehmen (siehe Kol. 4, 10). Markus hatte sich beinahe im Beginn des Werkes der Evangelisation in den heid­nischen Gegenden nach J e r u s a l e m zurückgewandt. 

Saulus aber weigert sich, einen Mann als Mitarbeiter anzunehmen, der das Werk verlassen hatte, und setzt dasselbe mit solchen Werkzeugen fort, wie Gott sie unter Seiner Hand bildete, oder mit einem Silas, der vorzog, zu Antiochien zu bleiben, als der besondere Dienst, der ihm zu Jerusalem aufgetragen worden, be­endet war und er deshalb mit Judas dorthin hätte zurück­kehren können.Es gehen also, um wieder auf den eigentlichen Punkt unserer Erzählung zurückzukommen, Barnabas und Sau­lus, ausgesandt von dem Heiligen Geiste, mit Johannes Markus als ihrem Diener, nach Seleucien und dann nach Cypern. 

Als sie sich in Salamis, einer Stadt auf jener Insel, befanden, predigten sie das Wort Gottes in den Synagogen der luden (V. 5). Was nun auch die Energie des Heiligen Geistes sein mochte, immer handelte Er in Verbindung mit den Ratschlüssen und Verheißungen Gottes, und zwar mit vollkommener Geduld. Bis zum Ende seines Lebens, ungeachtet des Widerstandes der Juden, mochte sich dieser auch noch so erbittert und unversöhnlich zeigen, geht der Apostel voran, wie die Wege und Ratschlüsse Gottes in Christo es verordnet hatten; er wendet sich "zuerst zu den Juden und dann zu den Nationen". 

War man einmal eingeführt in die Versammlung Gottes, wo die Wahrheit und die Gnade völlig geoffenbart waren, so gab es keinen Unterschied mehr zwischen Jude und Heide. Gott ist einer in Seinem Charakter und völlig geoffenbart, und der Vor­hang ist zerrissen. Die Sünde ist e i n e in ihrem Cha­rakter und ist Gott entgegengesetzt. Die Grundlage der Wahrheit verändert sich nicht; und die Einheit der Ver­sammlung ist verbunden mit der Höhe der Gnade in Gott Selbst und kommt hernieder bis zu der tiefen Gesamtheit der Sünde, wegen der diese Gnade sich ent­faltet hat. 

Die luden waren Kinder des Zornes, wie auch die übrigen, aber in bezug auf die Wege Gottes auf der Erde hatten sie den ersten Platz, und der Geist, der über allem ist, kann daher in völliger Freiheit handeln und alle die Wege der Unumschränktheit Gottes anerkennen, gleichwie auch Christus, der Sich in Gnade zu einem Knechte machte, Sich diesen Wegen unterwarf, und jetzt, da Er zum Himmel erhöht ist, vereinigt Er alle diese verschiedenen Wege und Haushaltungen in Sich Selbst als Haupt und Mittelpunkt einer Herrlichkeit, der der Heilige Geist Zeugnis gibt, um sie hienieden so weit wie möglich durch die Gnade zu erfüllen.

Dies verhindert den Apostel nicht, über den Zustand der luden, wenn die Gelegenheit es erfordert, ein klares und bestimmtes Urteil auszusprechen. Sogar hier im An­fang seines Dienstes sind die beiden Dinge zusammen dargestellt: die Rücksicht des Apostels gegen die luden gemäß der Liebe Gottes und das Urteil, das er über sie ausspricht, wenn sie sich dem Zeugnis an die Nationen widersetzen. Wir haben schon bemerkt, daß er mit den Juden beginnt. Nachdem er die Inseln durchzogen hat, kommt er nach Paphos, dem Sitz der Regierung. Dort verlangt der Prokonsul, ein kluger und verständiger Mann, das Evangelium zu hören. Von einem falschen Propheten bereits umgeben (der sich das Bedürfnis einer Seele zunutze machte, die, obwohl unwissend, ernst­lich nach etwas verlangte, das die Leere ausfüllen könnte, die sie in der Nichtigkeit heidnischer Gebräuche und in ihrer ekelhaften Sittenlosigkeit empfand), läßt Sergius Paulus den Barnabas und Saulus rufen.

 Elimas wider­steht ihrem Zeugnis, wie dies ganz natürlich war. Er verlor seinen Einfluß bei dem Prokonsul, wenn dieser die Wahrheit, die Paulus predigte, annahm. Elimas war ein Jude. Saulus (der hinfort Paulus genannt wird*), erfüllt mit dem Heiligen Geiste, verkündigt ihm von seiten Gottes das Urteil einer zeitweiligen Blindheit ‑ein Urteil, das augenblicklich durch die mächtige Hand Gottes vollzogen wird. Der Prokonsul, in Erstaunen ge­setzt über die Kraft, die das Wort des Apostels begleitete, unterwirft sich dem Evangelium Gottes. Ich zweifle nicht, daß wir in diesem elenden Bar‑Jesus ein Bild der luden in der Jetztzeit sehen, die für eine Zeit mit Blindheit geschlagen sind, weil sie auf den Ein­fluß des Evangeliums eifersüchtig waren. 

Um das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll zu machen, widerstanden sie der Predigt des Evangeliums an die Nationen. Ihr Zu­stand ist gerichtet; ihre wahre Geschichte ist in der Mission des Paulus dargestellt. Weil sie der Gnade wider­strebten und ihre Wirkung auf die Nationen zu zer­stören suchten, sind sie mit Blindheit geschlagen wor­den, jedoch nur für eine Zeit. Von Paphos abgereist, gehen Paulus und seine Be­gleiter nach Kleinasien (V. 13 ff.). Hier nimmt der Apostel in den Augen des Geschichtsschreibers des HeiligenGeistes mit Bestimmtheit seinen Platz ein. Es ist Paulus und die mit ihm waren, (otneei Ilai)~ov: ein Ausdruck im Griechischen, der Paulus zu allem macht). 

Als sie Perge erreichten, verläßt sie Johannes Markus, um nach Jerusalem zurückzukehren. Seine Abreise war eine Kund­gebung des jüdischen Einflusses unter einer milderen und gemäßigteren Form, wie wir sie bei anderen an-* Ich weiß nicht, ob der bei dieser Gelegenheit angegebene Wechsel des Namens (dessen Bedeutung die Neugierde der Sprachforscher gereizt hat) nicht einfach eine Veränderung ist, durch die seine jüdische Form verlorenging, um ein römisches oder heidnisches Ansehen anzunehmen. treffen; allein sie zeigt, daß ein solcher Einfluß, falls er sich geltend machte, wenigstens die für das Werk Gottes, wie es sich jetzt unter den Nationen entfaltete, nötige Kraft wegnahm, wenn er auch keinen Widerstand hervor­brachte. 

Barnabas geht dennoch weiter und setzt mit Paulus das Werk fort, Letzterer wendet sich nach ihrer Ankunft zu Antiochien in Pisidien aufs neue zunächst an die luden. Er geht am Sabbattage in die Synagoge, und nach der Einladung des Vorstehers verkündigt er ihnen Jesum, der von den Juden zu Jerusalem verwor­fen und gekreuzigt, aber durch die Kraft Gottes wieder auferweckt worden sei, und daß von allem, wovon sie im Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden könnten, in diesem jeder Glaubende gerechtfertigt sei (V. 39). Hier ist das Zeugnis des Paulus dem des Petrus sehr ähnlich und ist in bezug auf seinen Charakter besonders verwandt mit dem Anfang der Epistel an die Hebräer. 

In Vers 33 haben wir genau das Zeugnis des Petrus in Kapitel 3. Im 31. Vers setzt er die Zwölfe als die, welche den Herrn persönlich begleitet und Ihn nach Seiner Auferstehung gesehen hatten, bestimmt an den Platz des Zeugnisses für Israel. "Sie sind", sagt er, "Seine Zeugen an das Volk." Das Zeugnis aber des Paulus (das hinsichtlich der Erfüllung der Verheißungen durch die Ankunft Christi und der treuen Gnaden Davids, die in Seiner Auferstehung gewiß gemacht waren, in die Ord­nung der Predigt des Petrus zurückkehrt), weicht in einem wichtigen Punkte davon ab. Er sagt nichts davon, daß Gott Jesum zum Herrn und Christus gemacht hat. 

Er kündigt an, daß die Vergebung der Sünden in Seinem Namen verkündigt wird, und ermahnt seine Zuhörer, dieses große Heil nicht zu vernachlässigen*.Viele schließen sich Paulus** und Barnabas infolge dieser Verkündigung an und werden durch sie ermahnt, in dar Gnade, die ihnen verkündigt worden, zu verharren (V. 42. 43). Am folgenden Sabbat kommt eine große Volksmenge zusammen, um das Wort Gottes zu hören, 

*Beide folgen, wie wir gesehen haben, hauptsächlich dem Auftrage in Lukas 24,** Hier ist Paulus vor Barnabas gestellt; im vorigen Kapitel hat Barnabas den ersten Platz. 

nachdem die Heiden gebeten hatten, daß ihnen dieses Evangelium der Gnade von neuem verkündigt werden möchte. Ihre Seelen hatten mehr Wahrheit gefunden in der Lehre des alleinigen Gottes, die von den luden anerkannt wurde, als in dem sinnlosen Kult der Heiden. Dieser Kult bot einem aufgeweckten und unbefriedigten Gemüt keine Nahrung mehr dar, die es befriedigen konnte - einem Gemüt, das zu tätig war, um der Einbildung zu gestatten, sich mit Zeremonien zu unterhalten, die nur Reize hatten für die Unwissenheit. Diese konnte freilich durch den Prunk von Festen, an die sie gewöhnt war und die das religiöse Element des Fleisches befriedigten, gefesselt werden. 

Dennoch war es nicht die oberflächlich anerkannte Lehre des alleinigen wahren Gottes, die zwar das Gemüt von allem befreite, was diesem in der sinnlosen und unmoralischen Mythologie des Heidentums zuwider war, aber die Seele nicht im gerin2Stenernährte, wie es das kraftvolle Zeugnis eines in Gnade handelnden Gottes tat. Und ein solches Zeugnis wurde jetzt von dem Heiligen Geist durch den Mund der von Ihm gesandten Boten hervorgebracht - ein Zeugnis, welches, treu den Verheißungen, die den luden gegeben waren, sich dennoch als ein "Wort des Heils" an alle wandte, die Gott fürchteten [V. 26). Allein die luden, eifersüchtig auf die Wirkung des Evangeliums , das dem Bedürfnis der Seele auf eine Weise begegnete, wie ihr System es nicht vermochte, widerstehen Paulus und lästern die Lehre Christi (V. 45). Deshalb wenden sich Paulus und Barnabas mit Freimütigkeit zu den Nationen.

Es war ein entscheidender und wichtiger Augenblick. Diese beiden Boten des Heiligen Geistes führen ein prophetisches Zeugnis des Alten Testaments an hinsichtlich des Vorsatzes Gottes in betreff der Nationen, denen Christus ein Licht sein sollte - eines Vorsatzes, den sie nach dem Verständnis, das der Geist ihnen darin gab, und durch Seine Kraft erfüllten. Die Stelle, worauf sich Paulus und Barnabas beziehen, findet sich in Jesaja 49, wo der Widerstand Israels, der das Zeugnis Christi für sie selbst nutzlos machte, Gott Gelegenheit gab, zu erklären, daß das Werk, den überrest Israels zusammenzubringen, nur eine geringe Sache sei, und daß Christus "ein Licht der Nationen und sein Heil sein werde bis an das Ende der Erde" (V. 6).

Wir werden wohltun, diesen letzten Umstand zu beachten, nämlich die Energie im Handeln, die durch geistliches Verständnis mitgeteilt wird, und den Weg, auf dem prophetische Aussagen das Licht und die Auto­rität zum Handeln werden, wenn der Geist Gottes die wahre praktische Bedeutung ‑ die Anwendung ‑ angibt. Ein anderer mag es vielleicht nicht verstehen, aber der geistliche Mensch hat eine völlige Garantie für sein eigenes Gewissen in dem Wort, das er verstanden hat. Das übrige überläßt er Gott.Die Nationen freuen sich des Zeugnisses, und es glau­ben so viele, wie zum ewigen Leben verordnet waren (V. 48). 

Das Wort breitet sich aus durch die ganze Gegend. Die luden zeigen sich jetzt in ihrem wahren Charakter als Feinde des Herrn und Seiner Wahrheit; und Paulus und Barnabas schütteln den Staub von ihren Füßen wider sie ab. Die jünger waren, was auch ihre Schwierigkeiten sein mochten, erfüllt mit Freude und mit dem Heiligen Geiste. Die Schwierigkeiten waren dazu kein Hindernis. Die hier von den Juden eingenom­mene Stellung ‑ die wir freilich überall finden ‑ läßt uns verstehen, welch eine Quelle von Kummer und Schmerz sie für die Apostel gewesen sein müssen.

KAPITEL 14

Paulus und Barnabas setzen ihr Missionswerk in Iko­nium fort, und zwar unter demselben Widerstand von seiten der Juden, die, selbst unfähig zu dem Werke, die Nationen wider jene aufwiegeln, die es ausüben. Solange es bei einfachem Widerstand blieb, war dies nur ein Be­weggrund zum Ausharren; da sie aber früh genug vor einem Anschlag gewarnt wurden, der gegen sie beschlos­sen war, so reisten sie nach Derbe und Lystra (V. 6. 7). Hier erregen sie durch die Heilung eines Lahmen die ab­göttische Verehrung dieser armen Heiden, die ihnen Op­fer bringen wollen. Nachdem die Apostel dies vernom­men, wenden sie, mit Abscheu erfüllt, durch die Kraft des Heiligen Geistes und treu dem Zeugnis ihres Gottes, die Menge von diesem Irrtum ab. Die Juden folgen den Aposteln auch dorthin. 

Wenn nun der Mensch, wie wir hier sehen, sich nicht mit der Abgötterei des Herzens ver­einigen und die Ehre der Menschen entgegennehmen will, so wird die Kraft seines Zeugnisses ‑ das sie anfangs be­wunderten, solange sie dadurch den Menschen zu er­heben und durch die von ihnen entgegengenommenen Schmeicheleien Wichtigkeit zu erlangen vermeinten ‑ für das Herz eine Quelle des Hasses. Die luden bringen die­sen Haß zur Tat und wiegeln das Volk auf, so daß es Paulus steinigte und für tot liegen ließ. Er aber steht wieder auf und geht in die Stadt hinein. Dort hält er sich noch einen Tag in der Stille auf und reist am folgenden Tage mit Barnabas nach Derbe.Danach besuchen sie die Städte, durch die sie gekom­men waren, und befestigen zu Lystra, lkonium und An­tiochien die Seelen der jünger im Glauben und lehren sie, daß sie durch viele Trübsale gehen müßten, um das Reich zu ererben. 

Sie wählen ihnen Älteste, und nach­dem sie noch einige andere Städte bis zu dem Orte, von dem sie abgesegelt waren, durchzogen haben, kehren sie nach Antiochien zurück, von wo sie der Gnade Gottes für das Werk befohlen waren; und sie bereiten den Jün­gern eine große Freude durch die Mitteilung, daß den Nationen eine Tür des Glaubens geöffnet worden sei.Dies war die erste förmliche Mission unter den Natio­nen, wo Versammlungen gebildet, von den Aposteln Äl­teste gewählt wurden und die Feindschaft der luden ge­gen die Gnade Gottes außerhalb ihres Volkes und unab­hängig von ihrem Gesetz klar ans Licht trat. 

Das Werk nimmt einen bestimmten Charakter unter den Nationen an, und die Kraft des Heiligen Geistes entfaltet sich zu diesem Zweck; sie bildet aus ihnen Versammlungen, stellt örtliche Leiter in ihrer Mitte an, außerhalb und unabhän­gig von der Wirksainkeit*der Apostel und der Versamm­lung zu Jerusalem sowie der Verpflichtung des Gesetzes, die daselbst noch aufrechterhalten wurde.

KAPITEL 15

Sehr bald erhebt sich zu Antiochien die Frage, ob die Errichtung von Versammlungen unter den Nationen, gänzlich unabhängig von dem Judentum und der Autori­tät des Gesetzes Moses, erlaubt werden könne. Wir ha­ben nicht mehr den Widerstand der dem Evangelium feindlich gesinnten Juden, sondern den blinden Eifer derer, die dasselbe angenommen hatten, und welche be­gehrten, daß den Bekehrten aus den Nationen das Gesetz auferlegt würde. Doch die Gnade Gottes sorgt auch für diese Schwierigkeit.

Das vorliegende Kapitel enthält die Mitteilung darüber. Etliche Personen kommen von Jerusalem, wo alles noch in Verbindung mit den Forderungen des Gesetzes stand, und suchen diese Forderungen den Nationen in diesem neuen Mittel‑ und Ausgangspunkte des Werkes der Evan­gelisation, der sich zu Antiochien gebildet hatte, aufzu­bürden. Es war der Wille Gottes, daß diese Sache fest­gestellt würde ‑ nicht durch apostolischu Gewalt des Paulus oder nur durch die unabhängige Wirkung des Hei­ligen Geistes zu Antiochien, wodurch die Kirche hätte ge­teilt werden können, sondern vermittels einer Konferenz zu Jerusalem. Hierdurch blieb die Einheit bewahrt, was auch die Vorurteile der Juden sein mochten. 

Die Wege Gottes in dieser Hinsicht sind bemerkenswert, weil sie zeigen, auf welche Weise Er in Gnade Seine unbe­schränkte Sorge für die Kirche aufrechthält. Wenn wir die Epistel an die Galater lesen, so sehen wir, daß in Wirklichkeit von solchen Dingen die Rede war, die das Christentum in seinem innersten Wesen antasteten, seine Fundamente erschütterten. Es handelte sich um die tie­fen Grundsätze der Gnade, der Rechte Gottes, des sün­digen Zustandes des Menschen ‑ Grundsätze, worauf der ganze Bau der ewigen Beziehungen des Menschen zu Gott gegründet ist. Wurde jemand beschnitten, so war er unter dem Gesetz; er hatte die Gnade aufgegeben; er war von Christo abgefallen. 

Dennoch ist Paulus, der Apostel ‑ Paulus, voll von Glauben, Energie und bren­nendem Eifer ‑, verpflichtet, nach Jerusalem hinaufzu­gehen, wohin zu gehen er nicht gewünscht hatte, um diese Sache in Ordnung zu bringen. Paulus hatte in An­tiochien gearbeitet, allein das Werk in dieser Stadt war nicht das seinige. Er war nicht der Apostel Antiochiens, wie er der von lkonium, Lystra und nachher von Maze­donien und Griechenland war. Er ging aus von Antiochien, aus dem Schoß der schon dort gebildeten Versammlung,           um seine Mission unter den Nationen zu vollbringen. Die Streitfrage mußte für die Kirche in Ordnung gebracht werden, abgesehen Von der apostolischen Autorität des Paulus.

 Der Apostel mußte sich Gott und Seinen Wegenüberlassen.          Paulus streitet mit den Männern von Judäa, allein der Zweck wird nicht erreicht (V. 2). Es wird bestimmt,           daß einige Glieder der Versammlung nach Jerusalem ge­sandt werden sollen, und mit ihnen Paulus und Barnabas ‑ Männer, die an dieser Sache ein so großes Interesse           hatten. überdies hatte Paulus eine Offenbarung, daß er   hinaufgehen sollte (Gal. 2, 2). Gott leitete seine Schritte. Es ist dennoch gut, sich bisweilen unterwerfen zu müs­sen, auch wenn wir völlig recht haben oder voll geist­licher Kraft sind. Die Frage wird nun zu Jerusalem behandelt. Es war   schon ein Großes, daß der Unterwerfung der Nationen unter das Gesetz zu Jerusalem Widerstand geleistet wer­den sollte, und mehr noch, daß man dort entscheiden     sollte, daß diese Unterwerfung nicht nötig war. Wir sehen           darin die Weisheit Gottes, der es also ordnet, daß eine    solche Lösung dieser Frage ihren Ursprung zu Jerusalem haben sollte.

 Hätte sich daselbst kein blinder Eifer erhoben, so wäre die Frage nicht nötig gewesen; doch das  Gute muß ausgeübt werden trotz aller Schwachheit und             Überlieferungen der Menschen. Eine Lösung, die zu Anti­ochien stattgefunden hätte, würde etwas ganz anderes ge­      wesen sein als eine Lösung, die von Jerusalem ausging.   Die jüdische Versammlung würde die Wahrheit nicht an­         erkannt, die apostolische Autorität der Zwölfe ihr Gut      achten darüber nicht abgegeben haben. Die Richtung zu Antiochien und die der Nationen würde eine abgeson       derte gewesen sein, und ein anhaltender Streit zwischen beiden Parteien würde begonnen haben, in dem jede (we            nigstens dem Schein nach) ihren Stützpunkt gefunden hätte, die eine in der Autorität der ursprünglichen und apostolischen Kirche, und die andere in der Energie und Freiheit des Geistes, deren Vertreter Paulus war. 

Die jüdische Neigung der menschlichen Natur ist stets bereit, die hohe Kraft des Geistes zu verlassen und sich zu den Wegen und Gedanken des Fleisches zurückzuwenden. Diese Neigung durch die Überlieferungen eines alten Glaubens genährt, hatte bereits genug Mühe und Betrüb­nis demjenigen bereitet, der besonders unter den Natio­nen nach der Freiheit des Geistes wirksam war, und zwar wirksam ohne Hinzufügung der Richtung der Apostel und der Kirche zu Jerusalem, um dieser Freiheit ein Ansehen zu geben. Nach vielem Wortwechsel, wozu völlige Freiheit gege­ben worden war, erzählt Petrus, der die Leitung über­nimmt, die Geschichte des Kornelius. Nachher teilen Pau­lus und Barnabas die wundervolle Offenbarung Gottes durch die Kraft des Heiligen Geistes mit, die unter den Nationen stattgefunden hatte.

 Dann faßt Jakobus das Ur­teil der Versammlung in Worten zusammen, die die Zu­stimmung aller erhalten, daß nämlich die Nationen nicht verpflichtet werden sollten, sich beschneiden zu lassen oder dem Gesetz zu gehorchen, sondern sich nur vom Blute, vom Erstickten, von Hurerei und von dem den Götzen geopferten Fleische zu enthalten (V. 7‑20). Wir werden wohltun, die Natur und die Bestimmung die­ses Beschlusses etwas näher zu betrachten. Wir haben hier (V. 20) eine Anweisung, die uns nicht das lehrt, was an und für sich gut oder böse ist, sondern das, was dem vorliegenden Falle angemessen ist. Es war "notwendig" (nicht "gerecht vor Gott"), sich gewisser Stücke zu enthalten. Diese konnten wirklich böse sein, allein sie werden hier nicht als solche betrachtet. Es gab etliche Dinge, woran die Nationen gewöhnt waren, und sie taten recht, sich davor zu bewahren, damit die Ver­sammlung, wie es sich geziemte, vor Gott in Frieden wan­deln möchte. Den anderen Satzungen des Gesetzes sollten sie nicht unterworfen sein. Mose hatte solche, die ihn predigten.

 Dies genügte, ohne daß man die Nationen zwang, sich seinen Gesetzen zu unterwerfen, wenn sie sich dem Herrn und nicht den Juden anschlossen.          Dieser Beschluß spricht sich daher nicht Über die Natur der verbotenen Dinge, sondern über ihre Schicklichkeit aus, weil die Nationen wirklich die Gewohnheit hatten, dies alles zu tun. Wir müssen bemerken, daß diese Dinge nicht nur im Gesetz verboten waren. Sie waren auch nicht in Übereinstimmung mit der von Gott als Schöpfer einge­setzten Ordnung, noch mit dem, was Gott Noah verboten hatte, als Er ihm erlaubte, Fleisch zu essen (i. Mose 9, 4). 

Die Frau sollte nur mit dem Manne in der Heiligkeit der Ehe verbunden sein. Das Leben gehörte Gott an. Alle Ge­meinschaft mit den Götzen war eine Beleidigung gegen die Autorität des wahren Gottes. Mose mag seine eige­nen Gesetze lehren‑, diese Dinge waren der einsichts­vollen Erkenntnis des wahren Gottes entgegen. Was wir hier haben, ist nicht ein neues dem Christen auferlegtes Gesetz, noch eine Nachgiebigkeit bezüglich der Vorurteile der luden. Es hat nicht dieselbe Art von Gültigkeit wie ein moralisches Gebot, das in sich selbst verpflichtend ist. Es ist der Ausdruck für das christliche Verständnis in bezug auf die Grenze der wahren Beziehungen des Men­schen zu Gott in den Dingen der Natur und ist durch die Güte Gottes, vermittels der Leiter zu Jerusalem, unwis­senden Christen gegeben. 

Es ließ sie frei vom Gesetz und erleuchtete sie hinsichtlich der Beziehungen zwischen Gott und dem Menschen und dessen, was dem Menschen geziemte ‑ Dinge, in denen sie, als den Götzen dienende Heiden, unwissend gewesen waren. Ich habe gesagt, daß diese Bestimmungen an das christliche Ver­ständnis gerichtet sind; demgemäß wider­sprechen sie dem nicht, etwas zu essen, was im Fleisch­laden verkauft wird; denn ich erkenne Gott an, der es gab, und nicht einen Götzen. Wenn aber die Handlung Gemeinschaft mit einem Götzen in sich schließt, sogar für das Gewissen eines anderen, und ich würde dann essen so würde ich Gott zum Eifer reizen; ich sündigte ent weder gegen Ihn oder gegen meinen Nächsten (1, Kor. 11 22‑29). Ich mag nicht wissen, ob ein Tier erstickt is oder nicht; wenn ich aber so handle, als sei es gleich gültig, ob das Leben Gott angehört oder nicht, so sündig ich.

 Ich werde also durch die Sache selbst die ich esse nicht verunreinigt, aber ich fehle in christlichen Verständnis hinsichtlich der Rechte Gottes als Schöpfer. Was die Hurerei betrifft, so ist sie ein Vergehen gegen die christ­liche Reinheit, ebenso wie sie auch der Ordnung des Schöpfers zuwider ist. Es ist eine direkte Frage über Gutes oder Böses, und nicht nur eine Frage der Rechte Gottes, die unserem Verständnis geoffenbart sind. Kurz, die festgestellten Grundsätze sind diese: Die Einheit Got­tes als alleiniger, wahrer Gott; Reinheit vermittels der Ehe nach Gottes ursprünglicher Einsetzung; das Leben gehört Gott an. Die Wichtigkeit liegt also mehr im all­gemeinen Grundsatz als in den Einzelheiten der Dinge selbst. Ebenso verhält es sich auch in bezug auf das, was die Apostel als Grundlage ihrer Verordnung anführen: "Es hat dem Heiligen Geiste und uns gut geschienen. 

"Der Heilige Geist hatte Sich bei Kornelius und durch die Bekehrung der Nationen geoffenbart, worüber Petrus, Paulus und Barnabas Mitteilung gemacht hatten. An­dererseits waren die Apostel die Vertreter der Autorität Christi: ihnen war die Regierung der Versammlung, die in Verbindung mit dem wahren jüdischen Glauben ge­gründet war, aufgetragen worden. Sie vertraten die Au­torität des aufgefahrenen Christus, wie auch die Kraft und der Wille des Heiligen Geistes in den Fällen, die ich soeben mitgeteilt habe, offenbar geworden waren. Diese Autorität wurde ausgeübt in Verbindung mit dem, was in gewisser Hinsicht die Fortsetzung eines durch neue Offenbarungen ausgebreiteten Judentums war, und das seinen Mittelpunkt zu Jerusalem hatte und den vom Volke verworfenen, aber zum Himmel aufgefahrenen Jesus, als Messias anerkannte. Christus hatte ihnen die Autorität übertragen, die nötig war, um die Versammlung zu regieren. Sie waren auch am Pfingsttage versiegelt worden, um dies zu vollbringen. Der Geist der Gnade und Weisheit zeigt sich deutlich in ihrer Handlungsweise. 

Sie geben Paulus und Barnabas ihre völlige Genehmigung und senden Personen mit ihnen, die in der Versammlung zu Jerusalem Ansehen hatten und von denen man nicht vermuten konnte, daß sie eine Antwort bringen würden, um ihre eigenen An­maßungen zu stützen, wie man dies bei Paulus und Bar­nabas hätte voraussetzen können. Die Apostel und die Ältesten sind versammelt, um diese Sache zu besehen; aber sie handeln in Gemein­schaft mit der ganzen Herde. Jerusalem hatte also ent­schieden, daß das Gesetz für die Nationen nicht bindend sei. Diese, aufrichtig in ihrem Wunsche, mit Christo zu wandeln, freuen sich sehr über ihre Freiheit von diesem loche. Judas und Silas, die Propheten waren, ermahnen und befestigen sie und werden nachher in Frieden ent­lassen. Silas aber, beeinflußt durch den Geist, zieht das Werk unter, den Nationen dem zu Jerusalem vor (V. 40).

 Dieses Werk wird zu Antiochien durch Paulus, Barnabas und andere fortgesetzt (V. 35). Wir sehen dort wiederum die vollkommene Freiheit des Heiligen Geistes. Kurze Zeit nachher schlägt Paulus dem Barnabas vor, die durch ihre Vermittlung in Kleinasien gegründeten Versammlungen zu besuchen. Barnabas gibt seine Zu­stimmung; aber er will Johannes mitnehmen, der sie, wie wir in Kapitel 13, 13 gesehen haben, verlassen hatte. Paulus aber wünscht jemanden mitzunehmen, der sich weder von dem Werke zurückgezogen noch den Platz eines Fremdlings, wozu das Werk ihn machte, verlassen hatte, um in seine Heimat zurückzukehren. Barnabas be­harrt darauf, und diese beiden treuen Diener Gottes trennen sich, Barnabas nimmt Markus mit sich und geht nach Cypern. Markus war sein Verwandter und Cypern seine Heimat, Paulus nimmt Silas, der das Werk Jerusa­lem gegenüber und nicht Jerusalem dem Werke gegen­über vorgezogen hatte, mit sich und reist ab.

 Aus seinem Namen können wir schließen, daß Silas ein Hellenist war. Es ist erfreulich zu hören, wie Paulus nachher mit völliger Liebe von Barnabas redet und wünscht, daß Markus zu ihm kommen möchte, weil er ihn zum Dienste nützlich gefunden hatte (siehe 1. Kor. 9, 6 u, 2. Tim. 4, 11).Überdies wird Paulus der Gnade Gottes von den Brüdern befohlen. Der Titel, den die Apostel dem Paulus und Bar­nabas gegeben hatten, zeigt den Unterschied zwischen der apostolischen Autorität, die von Christo in Person verliehen, und derjenigen, die durch die Macht des Hei­ligen Geistes eingesetzt war. Paulus und Barnabas waren ohne Zweifel von Christo Selbst gesandt worden, tat­sächlich aber waren sie durch die Leitung des Heiligen Geistes von Antiochien ausgezogen, und ihre Mission war durch Seine Kraft bestätigt. Bei den Aposteln haben Pau­lus und Barnabas keinen Titel als ihre Arbeit ‑ Männer, die ihr Leben hingegeben haben für den Namen unseres Herrn Jesu Christi" (V. 26). 

Sie sind das, wozu der Hei­lige Geist sie gemacht hat. Die Apostel sind die Zwölfe. Die Freiheit und die Kraft des Geistes kennzeichnen Pau­lus. Er ist das, wozu der Geist ihn macht. Wenn Jesus ihm erschienen ist, so muß er es (obwohl Ananias es bezeugen kann) in Wirklichkeit durch seinen Dienst beweisen. Die Früchte seines Dienstes sowie auch der Charakter des­selben werden in den Kapiteln 16 bis 20 mitgeteilt. Die Wirkung und die Freiheit des Heiligen Geistes werden uns dort auf eine bemerkenswerte Weise dargestellt.

KAPITEL 16

Es gibt von dieser Freiheit vielleicht kein merkwür­digeres Beispiel als das, was Paulus in betreff des Ti­motheus tut. Er macht von der Beschneidung in aller Freiheit Gebrauch, um jüdische Vorurteile zu beseitigen. Es ist sehr zweifelhaft, ob er dem Gesetz nach hätte be­schnitten werden sollen. Esra und Nehemia zeigen uns, daß die fremden Weiber weggesandt werden mußten, aber hier, weil die Mutter eine Jüdin ist, läßt Paulus den Sohn dieser gemischten Ehe der Regel der luden folgen und sich ihren Satzungen unterwerfen. Die Freiheit er­kennt das Gesetz völlig an seinem Platze an, obwohl sie selbst davon frei ist, und bestätigt zur Beruhigung der Nationen deutlich, daß gar keine Ansprüche von seiten der jüdischen Christen vorhanden sind, das Gesetz den Nationen aufzubürden.

 Paulus beschneidet Timotheus, während er sich auch nicht eine Stunde denen unterwirft, die Titus nötigen wollen, sich beschneiden zu lassen, Er wollte aus Liebe den Juden ein Jude werden; allein die Juden selbst mußten auf alle Ansprüche, anderen das Ge­setz aufzuerlegen, verzichten. Die zu Jerusalem gegebe­nen Verordnungen werden den Versammlungen über­lassen ‑ eine einfache Antwort für einen jeden Juden, der die Nationen dem Judentum zu unterwerfen wünschte. Diese Verordnungen waren, was wir beachten mögen, die der Apostel und Ältesten". Es ist der Heilige Geist allein, der den Apostel leitet. Er verhindert ihn, in der Provinz Asien zu predigen, und erlaubt ihm nicht, nach Bithynien zu reisen. Durch ein Gesicht in der Nacht wird er nebst seinen Gefährten berufen, nach Mazedonien zu gehen (V. 9 ff.). Hier treffen sie mit Lukas, dem Geschichtsschreiber ihres Werkes, zusammen. Es ist der Herr, der sie nach Mazedonien ruft, und sie suchen alsbald, dorthin abzureisen. Zu Philippi angekommen, geht der Apostel zunächst zu den luden, wenn es auch nur einige Weiber waren, die an dem Fluß zusammenkamen ‑ ein Ort, der, wie es scheint, da gewählt wurde, wo es keine Synagoge gab. Ein griechisches Weib, das den Gott Israels anbetete, wird durch die Gnade bekehrt. Also wird die Tür geöff­net, und auch noch andere glauben (V. 40). Hier sucht Satan sich in das Werk zu mischen, indem er den Dienern des Wortes Zeugnis gibt (V. 16 ff.).

 Der Geist, von dem hier die Rede ist, erkannte Jesum nicht an, sonst würde er nicht ein böser Geist gewesen sein und würde die Magd nicht auf solche Weise besessen haben. Er spricht von den Boten, um an der Ehre des Werkes Anteil zu haben, und von dem höchsten Gott. Vielleicht war er durch die Gegenwart des Heiligen Geistes genötigt, also zu sprechen, wie dies bei anderen durch die Gegenwart Jesu der Fall war, wenn sich Seine Macht vor ihren Augen entfaltete. Das Zeugnis Satans konnte nicht so weit gehen, daß er Ihn als Herrn" anerkannte. Wäre Paulus nicht treu gewesen, so würde er das Werk des Feindes mit dem des Herrn vermischt haben. Allein er suchte nicht ein Zeugnis zu seinen Gunsten, ein Zeugnis für sich selbst, noch ein Zeugnis, das durch einen bösen Geist gegeben war, was auch der Schein dieses Zeugnisses sein mochte. Der Beweis, den der böse Geist von der Ge­genwart der Kraft Gottes geben sollte, war, daß er sich dieser Kraft unterwarf und ausfuhr. Er konnte dem Werke Gottes nicht zur Stütze dienen. 

Wir sehen in die­sem Umstande die Uneigennützigkeit des Apostels, sein geistliches Urteil, die Kraft Gottes, die mit ihm war, und den Glauben, der keine andere Stütze verlangt als die des Herrn. Ein für seinen Dienst gegebenes Zeugnis würde für Paulus von Nutzen gewesen sein, und die Vernunfts­schlüsse des Fleisches hätten sagen können: "Ich habe es nicht gesucht." Auf diese Weise wäre die Verfolgung ver­mieden worden. Gott aber will nur das Zeugnis, das Er Sich Selbst gibt. Kein anderes Zeugnis kann ein Zeugnis von Ihm sein; denn Er offenbart Sich Selbst da, wo Er nicht gekannt wird. Der Glaube wartet, um das Zeugnis zu geben, das er zu geben berufen ist, nur auf Ihn. Pau­lus setzte seinen Weg fort, ohne sich um diesen bös­artigen Anschlag des Feindes zu kümmern, bis er durch dessen Beharrlichkeit genötigt war, darauf zu achten (V. 18). Der Geist Gottes duldet nicht die Gegenwart eines bösen Geistes, wenn dieser sich in tätiger Weise vor Ihm offenbar macht. 

Er läßt sich nicht mit seinen Kunstgriff en ein, indem Er ihm durch eine freiwillige Dazwischenkunft Wichtigkeit verleiht; denn Er hat Sein eigenes Werk, und von diesem wendet Er Sich nicht ab, um Sich mit dem Feinde zu beschäftigen. Er ist in Liebe mit den Seelen be­müht. Wenn aber Satan Ihm in den Weg tritt, um diese Seelen einzuschüchtern, so offenbart Er Sich in Seiner Kraft, und der Feind flieht vor Ihm. Doch ist Satan nicht ohne Hilfsquellen. Die Kraft, die er nicht unmittelbar aus­üben kann, gebraucht er, um die Leidenschaften und Lüste der Menschen zu erregen, und zwar gegenüber einer Kraft, der er selbst nicht zu widerstehen vermag und die sich weder mit ihm vereinigt noch ihn anerkennt. Ebenso wie die Gadarener Jesum baten, von ihren Grenzen weg­zugehen, als Er den Mann, Legion genannt, geheilt hatte (Matth. 8, 37), so erheben sich die Philipper auf Antrieb der Männer, die ihren unehrlich >en Gewinn verloren hat­ten, wider Paulus und seine Mitarbeiter. Gott aber ge­braucht dies alles, um Sein eigenes Werk zu fördern und ihm die Form zu geben, die Er für gut findet. In Philippi muß der Kerkermeister bekehrt werden und die Obrig­keit ihr Unrecht in betreff der Boten Gottes anerkennen. Die Versammlung, eine Herde (wie die an sie gerichtete Epistel bezeugt) voller Liebe und Zuneigung, wird zu­sammengebracht. 

Der Apostel reist ab, um anderswo zuarbeiten. Wir sehen hier in Philippi ein wirksameres, ein kräftigeres Zeugnis und eine glänzende Dazwischenkunft Gottes als in dem ähnlichen Fall, der mit Petrus stattfand ist man in dem alten Jerusalem, das(Apg. 12). Bei Petrus allem veraltet ist, ausgenommen im Haß; und Gott ist demjenigen treu, der auf Ihn traut, der Haß wird getäuscht. Paulus und Silas lobsingen Gott, statt im Ge­fängnis zu schlafen. Alle Türen öffnen sich plötzlich. Der Kerkermeister selbst und seine Familie werden bekehrt. Die Hauptleute sind genötigt, als Bittende zu Paulus zu kommen. Das ist die Frucht des Aufruhrs zu Philippi. Der Feind hatte sich hier geirrt, und wenn er das Werk hemmte, so sandte er die Apostel hinweg, um anderswo nach dein Willen Gottes zu predigen. Wir dürfen diese Energie, die ganze Häuser umfaßte und sie dem christlichen Glauben unterwarf, nicht mit Stillschweigen übergehen ‑ eine Energie, die sich jedoch nur dann zeigt, wenn es sich um die Einbringung der Na­tionen handelt*. Kornelius, Lydia, der Kerkernieister von Philippi sind alle Zeugen dieser Kraft.

KAPITEL 17

In dem, was sich in Philippi zutrug, war es die auf die Leidenschaften der Nationen vom Feinde ausgeübte, Macht, die die Verfolgung der Apostel veranlaßte. In   wir wieder die alte und allgemeine Thessalonich finden das Zeugnis und das Werk Feindschaft der luden gegen Gottes. Dennoch nehmen viele luden und Proselyten das Evangelium an; aber nach einem Aufruhr daselbst gehen die Apostel nach Beröa (V. 1(). Hier sind die luden edler; sie untersuchen das Gehörte durch das Wort Gottes. Des­halb glauben auch viele von ihnen. Doch die luden von Thessalonich, eifersüchtig auf den Fortschritt des Evan­geliums, kommen nach Berba, und die Brüder beeilen sich, Paulus aus der Stadt hinauszuführen, während Silas* Was wir in Lydda und Saron sehen, stimmt vielmehr mit der Einbringung eines Volkes überein.

 Sie hörten von dem wunder, das an Aeneas bewirkt worden war, und die Stadt und die umgegend bekehrten sich zum Herrn (Kap~ 9, 34. 35).Saron ist eine Gegend an der Küste entlang. und Timotheus vorläufig noch dort bleiben; denn Paulus war der besondere Gegenstand der Verfolgung der luden. Der Apostel geht nach Athen, und dort wird, indem er sich nach der Synagoge der luden begibt, sein Geist beim Anblick des allgemeinen Götzendienstes dieser eitlen Stadt in ihm ganz erregt. Er redet an jedem Tage an einem öffentlichen Platze mit ihren Philosophen. Infolge dieser Unterredung verkündigt er den Vornehmsten dieser gebildeten Stadt der damaligen Welt den wahren Gott. Er hatte Silas und Timotheus sagen lassen, daß sie dorthin zu ihm kommen möchten.

 Bei einem Volke wie die Athener ‑ und das ist die Frucht einer geistigen Bildung ohne Gott ‑ muß der Apo­stel bis zu der untersten Stufe auf der Leiter der Wahr­heit hinabsteigen. Er stellt die Einheit Gottes, des Schöp­fers, und die Beziehung des Menschen zu Ihm dar; er bezeugt auch, daß Jesus die Welt richten werde, wovon Gott den Beweis gegeben, da Er Ihn aus den Toten auf­erweckt habe (V. 22‑31). Man könnte denken, man höre Petrus sich an die luden wenden, ausgenommen, daß hier das Gericht dieser Welt an die Stelle der Verheißungen in bezug auf die Rückkehr Jesu tritt. Wir dürfen nicht voraussetzen, daß unser Geschichtsschreiber uns alles mitteilt, was Paulus gesagt hat. Was uns berichtet wird, ist seine Verteidigung. Der Heilige Geist gibt uns nur das­jenige, was die Art und Weise kennzeichnet, in welcher der Apostel den Umständen derer begegnet, an die er sich wandte. 

Seine Verkündigung von Jesu und der Auf­erstehung blieb seinen ersten Zuhörern besonders im Gedächtnis. Es scheint sogar, daß einige sowohl die Auf­erstehung als auch Jesum für einen Gott hielten. Der Apostel legt hier in der Tat das Fundament des Christen­tums, das auf die Person Jesu und auf die Tatsache Sei­ner Auferstehung gegründet ist; aber er legt nur dieses Fundament. Ich habe gesagt, daß uns seine Rede an die Predigt des Petrus erinnert, und habe damit die Stufe der Höhe in seiner Lehre in bezug auf Christum gemeint. Wir werden in beiden Fällen bemerken, wie gerecht und passend die Anwendung der Tatsachen auf die angeredeten Personen ist. Petrus predigte den verworfenen Christus, der zum Himmel aufgefahren und bereit war, zurückzukommen, wenn die Juden Buße tun würden ‑ den Christus, der bei Seiner Ankunft alles, wovon die Propheten geredet hatten, erfüllen würde. 

Hier in Athen wird das Gericht der Welt ‑ die Bestätigung der Wahrheit für das natür­liche Gewissen ‑ sowohl den Gelehrten als auch dem neugierigen Volke dargestellt. Da war nichts, was ihren philosophischen Geist befriedigen konnte; es war ein ein­faches und überführendes Zeugnis von der Torheit ihres Götzendienstes, sogar übereinstimmend mit dem, was das natürliche Gewissen ihrer eigenen Poeten anerkannthatte.

 

KAPITEL 18

Der unehrliche Gewinn, dessen Satan sich bediente, begegnete zu Philippi dem Evangelium; zu Athen war es die Härte und die moralische Gleichgültigkeit des Wis­sens, das der menschlichen Eitelkeit schmeichelte; zu Thessalonich waren es die Anstrengungen der jüdischen Eifersucht. Das Evangelium, siegreich über den einen dieser feindlichen Zustände, und der Wirkung des an­deren nachgebend, verfolgt seinen Weg; und nachdem es den gelehrten Athenern alles, wie es ihrem Zustande an­gemessen war, vorgestellt hatte, verläßt es sie und findet inmitten der Üppigkeit und der entarteten Sitten der reichen Stadt Korinth ein zahlreiches Volk, um es der Versammlung hinzuzufügen. Das sind die Wege Gottes und die Übungen Seines Ihm gewidmeten Knechtes, der vom Heiligen Geiste geleitet wird. Man wird bemerken, daß diese Energie, die die Nationen sucht, nie die Gunst Gottes gegen Sein auserwähltes Volk aus dem Auge ver­liert ‑ eine Gunst, die dieses Volk suchte, bis es dieselbe verwarf.

 Zu Thessalonich erhielt Paulus zweimal eine Unter­stützung aus Philippi, zu Korinth, wo viel Geld und ein großer Handel war, arbeitet er ruhig mit zwei seiner Landsleute, die mit ihm vom gleichen Handwerk waren. Er fängt wiederum mit den luden an, die aber seiner Lehre widerstreben und lästern. Der Apostel nimmt seine Maßregel mit der Freimütigkeit und Entschiedenheit eines in Wahrheit von Gott geleiteten Mannes sowie mit der Ruhe und der Erkenntnis, die sich der Ursache dieser Maßregel bewußt ist und nicht vom Wege abgelenkt wer­den will. Er schüttelt zum Zeichen, daß er von ihrem Blute rein ist, seine Kleider aus und bezeugt, daß er, Jesaja 49 gemäß, von jetzt an zu den Nationen gehe, indem er jene Prophezeiung als einen Befehl von Gott betrachtet. 

In Korinth hatte Gott ein "großes Volk". Daher benutzt er die ungläubige Gleichgültigkeit des Gallion, die Vor­sätze und Bosheit der Juden zunichte zu machen, die wie immer eifersüchtig waren auf eine Religion, die ihre Wichtigkeit in den Schatten stellte, was auch die Gnade Gottes gegen sie sein mochte, Nachdem Paulus daselbst eine lange Zeit gearbeitet hat, geht er in Frieden weiter. Seine jüdischen Freunde, Priscilla und Aquila, reisen mit ihm (V. 18). Er selbst geht nach Jerusalem, weil er unter einem Gelübde war. Der Widerstand der luden nimmt seine Liebe zu seinem Volke nicht weg noch seine Treue, ihnen zuerst das Evangelium zu verkündigen und alles anzuerkennen, was ihnen in Gnade vor Gott gehörte. Er unterwirft sich sogar jüdischen Satzungen. Möglicher­weise hatte die Gewohnheit noch in etwa Einfluß auf ihn, und das war nicht vom Geiste; aber dem Geiste gemäß dachte er nicht daran, dasjenige zu verkennen, was die Langmut Gottes dem Volk verliehen hatte. Er wendet sich an die Juden zu Ephesus. Sie wollen ihn gerne hören; allein er wünscht das zukünftige Fest in Jerusalem zu halten. Hier ist er noch ein Jude mit seinen Festen und Gelübden.

 Der Geist hat offenbar diese Umstände mit­geteilt, um uns ein wahres und vollständiges Bild der Beziehungen zwischen dem jüdischen System und dem zu geben, dessen Diener Paulus war: das Maß der Be­freiung von dem Einfluß des einen sowie die Energie, welche das andere aufrichtete. Ein altes System, das sich mit dem Fleische verbindet, behält oft in gewissem Maße seinen Einfluß, während die Energie, nach einem anderen System zu handeln, das geistlich ist, in hohem Grade vor­handen sein kann. Die Freiheit, die Vorurteilen und Ge­wohnheiten nachgibt, ist nicht dasselbe, wie sich in ei­gener Person diesen Vorurteilen zu unterwerfen. In unserer Schwachheit mischen sich die beiden Dinge zusam­men‑, aber sie sind in der Tat einander entgegengesetzt. Das zu achten, was Gott achtet (selbst wenn das Systemseine ganze wirkliche Kraft und seinen wahren Wert ver­loren hat), falls man berufen ist, in Verbindung mit die­sem System zu handeln, wenn dieses in der Tat nichts weiter ist als Aberglaube und Schwachheit, ist ganz etwas anderes, als sich unter das Joch des Aberglaubens und der Schwachheit zu beugen. Das erste ist die Frucht des Geistes, das letzte die des Fleisches. In uns wird das eine oft mit dem anderen verwechselt.

 Liebe wird Schwachheit und macht das Zeugnis unsicher. Paulus setzt seine Reise fort; er geht hinauf nach Jeru­salem und grüßt die Versammlung (V. 22). Danach reist er zurück nach Antiochien und besucht wiederum alle die ersten Versammlungen, die er gebildet hatte, und verbindet auf diese Weise sein ganzes Werk ‑ Antiochien und Jerusalem. Wie weit seine alten Gewohnheiten ihn in seinen Handlungen beeinflußten, überlasse ich dem Urteil des Lesers. Er war ein Jude. Der Heilige Geist wollte uns sehen lassen, daß der Apostel so weit wie möglich von aller Verachtung gegen das alte Volk Gottes, gegen das die Gunst Gottes sich nie verändern wird, ent­fernt war. Dieses Gefühl in Paulus war gewiß richtig. Das Wort zeigt uns, daß er in einem anderen Falle die Gren­zen, die der Geist und die Geistlichkeit diesem Gefühl setzen, überschritt. Hier haben wir nur die Tatsachen. 

Der Apostel mag irgendeinen besonderen Grund gehabt ha­ben, der hinsichtlich seiner Stellung gültig war. Man kann in Umständen sein, die der Freiheit des Geistes widersprechen und die dennoch, wenn wir uns darin befinden, ein gewisses Recht über uns haben oder einen Einfluß ausüben, der notwendig in der Seele die Kraft jener Freiheit schwächt. Wir können verkehrt gehandelt haben, indem wir uns in diese Umstände begaben, allein wenn wir darin sind, wird der Einfluß ausgeübt; die Rechte machen ihre Ansprüche geltend. Wenn jemand, der be­rufen ist, Gott zu dienen, aus seines Vaters Haus ver­trieben worden ist, so wandelt er in der Freiheit des Geistes. Kehrt er später in das väterliche Haus zurück, ohne daß sein Vater sich verändert hat, und die Rechte seines Vaters machen sich geltend ‑ wo ist dann seine Freiheit? Oder wenn jemand, der mit klarem geistlichem Verständnis begabt ist, sich in die Mitte von Freunden begibt, die in geistlicher Beziehung unter ihm stehen, so ist es ihm beinahe unmöglich, ein geistliches Urteil auf­rechtzuhalten. Wie es auch hier gewesen sein mag, das Band mit einem System, das noch unter dem Joch des Gesetzes war, ist von seiten dessen freiwillig geknüpft, der den Platz der Freiheit und der Gnade eingenommen hat.

 Die Christen zu Jerusalem bleiben auf der Höhe ihrer früheren Vorurteile und beanspruchen Geduld und Nach­sicht von dem, der das Gefäß und der Zeuge der Freiheit des Geistes Gottes war. Dieses bildete mit der Hinzu­fügung seines Werkes zu Ephesus den Kreis der Wirk­samkeit des Apostels in dem Evangelium, um uns in ihm die Wege des Geistes mit den Menschen zu zeigen. Von Kapitel 18, 24 bis Kapitel 19, 7 haben wir eine Art Übersicht der Fortschritte der Lehre Christi und der sie begleitenden Kraft. Apollos kannte nur den Unterricht des Johannes; aber brünstig im Geiste, bekannte und predigte er öffentlich, was er wußte. Es war der Glaube einer wiedergeborenen Seele. Aquila und Priscilla un­terweisen ihn völlig in den Tatsachen des Evangeliums und der Lehre eines gestorbenen und verherrlichten Chri­stus. 

Zu Korinth wird er ein mächtiger Lehrer des Evan­geliums des Herrn unter den Juden und befestigt auf diese Weise den Glauben der jünger. Es offenbart sich in ihm die Kraft des Heiligen Geistes ohne irgendwelche Vermittlung von seiten des Apostels oder der Zwölfe. Er handelt unabhängig; mit anderen Worten, der Geist han­delt unabhängig in Ihm. Man konnte sagen: "Ich bin des Apollos" (i. Kor. 1, 12). Es ist wichtig, diese verschie­denen Offenbarungen der Kraft und der Freiheit des Geistes zu sehen und zu bedenken, daß der Herr über allen ist, und daß, wenn Er auch Großes wirkt durch einen Paulus, Er zugleich wirkt, in wem er will.

KAPITEL 19

In dem, was jetzt folgt, finden wir andererseits die Fortschritte der göttlichen Offenbarung in Verbindung mit der apostolischen Autorität des Paulus. Die Gegen­wart dieser Macht in dem Apostel wird in hervorragen­der Weise dargetan durch die Befähigung, den Heiligen Geist mitzuteilen. Während Apollos in Korinth war, fin­det Paulus in Ephesus zwölf Personen, die gläubig wa­ren, die aber keine andere Unterweisung empfangen hatten als die Johannes des Täufers. Ihre Taufe war mit dieser Unterweisung übereinstimmend. 

Es war ein kom­mender Christus und ein Heiliger Geist, den Er mitteilen wollte, Worauf sie warteten. Nun erheischte die Taufe des Johannes Buße, überschritt aber keineswegs die jüdi­sche Grenze, obwohl sie nach der Unumschränktheit Gottes und als die Frucht der Ankunft Christi die Aus­sicht auf etwas anderes eröffnete. Es war eine Taufe zur Buße für den Menschen auf der Erde und bezeichnete nicht den Tod und die Auferstehung. Die Gnade han­delte in einem Überrest, aber in einem Überrest, von dem Jesus auf der Erde ein Gefährte war. 

Das Christentum (denn die Sünde der Menschen ist völlig geoffenbart worden) ist auf den Tod und die Auferstehung Christ! gegründet; zuerst auf den Tod und die Auferstehung Christi, wodurch die Erlösung bewirkt wurde, und dann auf unseren Tod und unsere Auferweckung mit Ihm, so daß wir in Ihm und wie Er vor Gott gestellt sind in einem sündlosen Leben ‑ in einem Leben von Seinem Leben ‑ und in Seinem Blut gewaschen sind von allen unseren Sünden. Doch die Taufe des Johannes lehrte in der Tat nur Buße hienieden, um die Juden auf den Empfang Christi vorzubereiten. Das Christentum lehrt die Wir­kung des Todes und der Auferstehung eines verworfe­nen Christus, kraft deren der Heilige Geist, der vom Himmel herniedergekommene Sachwalter, empfangen werden sollte. 

Diese zwölf Männer zu Ephesus wußten wohl, daß Johannes die Taufe des Heiligen Geistes als das Resul­tat der Dazwischenkunft Christi angekündigt hatte, aber sie wußten nicht, ob der Heilige Geist schon da war ‑ein deutlicher Beweis, daß sie nicht in das Haus Gottes, wo Er wohnte, eingegangen waren. Paulus gibt ihnen eine Erklärung darüber, und sie werden getauft auf den Namen Jesu. Er legt ihnen in seinem Charakter als Apostel die Hände auf, und sie empfangen den Heiligen Geist. Sie reden in Sprachen und weissagen (V. 6).Diese Kraft des Heiligen Geistes und der, welcher das Werkzeug dieser Kraft war, sollten jetzt ganz klar her­vortreten. Die Hauptstadt Asiens (nämlich der also ge­nannten römischen Provinz) ist der Schauplatz, wo dies stattfinden sollte. 

Wir werden in dieser Stadt eine Kraft sich entfalten sehen, die von allen überlieferten Formen unabhängig handelt und die alles, was sie umgibt, be­herrscht, sei es der Mensch, das Gewissen oder der Feind ‑ eine organisierende Kraft, die von sich selbst und für sich selbst Satzungen und den dazu gehörenden Leib bildet (V. 9). Die Kraft der wirksamen Gnade war in dem Werk des Paulus von Antiochien an offenbar ge­worden und hatte sich auf verschiedene Weise gezeigt. Hier in Ephesus haben wir einige Einzelheiten von der förmlichen Gründung des Werkes dieser Gnade in einem großen Mittelpunkt. Während eines geduldigen Wartens von drei Monaten predigt der Apostel Christum in der Synagoge und unter­redet sich im Bewußtsein seiner Kraft und der Wahr­heit mit den luden. 

Er räumt, als Kreis des Zeugnisses, denjenigen den Vorrang ein, die das Werkzeug und das Volk Gottes gewesen waren: er wendet sich "zuerst an die Juden". Es heißt zwar nicht mehr: "Das Heil ist aus den luden", aber wohl wird es ihnen zuerst verkün­digt. Nachdem aber dieses Werk in ihrer Mitte seine Ent­wicklung gehabt hat und viele sich als Gegner erweisen, handelt Paulus als Gründer dessen, was Gott gemäß und von seiten Gottes ist, Er sondert die jünger ab und redet vom Christentum in der Schule eines Griechen. Dieses geschah zwei Jahre lang, so daß die Lehre durch das ganze Land unter luden und Griechen ausgebreitet wurde. Gott hörte nicht auf, dem Worte Seiner Gnade Zeugnis zu geben, und Seine Kraft wurde auf eine merk­würdige Weise, in Verbindung mit der Person des Apostels, der das Zeugnis gab, geoffenbart. Die Äußerungen der Kraft des Feindes verschwinden vor der Wirkung dieser freimachenden Kraft des Herrn, und der Name Jesu wird verherrlicht. 

Nun trat das Wesen dieser gött­lichen Handlung, die den Händen des Apostels anver­traut war, auf eine treffende Weise ans Licht. Einerseits wurde die Quelle der göttlichen Befreiung, die dem Men­schen in dem persönlichen, positiven und wesentlichen Handeln des Herrn gewährt ist, deutlich geoffenbart sowie andererseits die Sendung des Paulus und der Glaube als das Mittel, wodurch diese übernatürliche Kraft wirkte. Etliche luden wünschten sich dieser Kraft zu ihrem eigenen Interesse zu bedienen (V. 13 ff.), und, ohne zu glauben, gebrauchen sie den Namen "Jesu, den Paulus predigte" als ob dieser Name eine Art Zauber einschlösse. 'Doch der böse Geist ‑ dessen Kraft in ihrer Art ebenso wahr und wirklich war wie die des Herrn, die er genötigt war anzuerkennen, sobald sie sich zeigte‑ wußte ganz gut, daß diese Kraft hier nicht wirkte, daß hier weder Glaube noch Kraft vorhanden waren. "Jesum kenne ich, und von Paulus weiß ichL", sagt er den Söhnen des Skeva, "aber ihr, wer seid ihr“ Und der Mensch, in dem der böse Geist war, warf sich auf sie und ver­wundete sie.

 Ein treffendes Zeugnis von der Wirkung des Feindes ‑ ein treffendes Zeugnis zugleich von der größeren Kraft, die jene Wirkung hemmte, wenn sie es für gut fand, sowie von der Wirklichkeit der Dazwischenkunft Gottes, die vermittels des Apostels sich wirksam erwies. Wenn aber Gott Sich zeigt, so zeigt sich auch immer das Gewissen; und der Einfluß des Feindes auf dasselbe wird offenbar und hört auf. Die luden und Griechen werden mit Furcht erfüllt; und viele, die Christen werden, bringen die Beweise ihrer früheren Zaubereien und verbrennen ihre Bücher. Die mächtige Wirkung des Geistes zeigte sich in der Ent­schiedenheit, die sie hervorbrachte, in der unmittelbaren und nicht zögernden Ausführung der Gedanken und Vorsätze, die in dem Herzen hervorgebracht waren. Es gab da keine langen inneren Überlegungen: Die Gegenwart Gottes brachte ihre natürlichen Wirkungen hervor.

 Die Hilfsquellen des Feindes waren aber noch nicht erschöpft. Das Werk Gottes, hinsichtlich der Gründung des Zeugnisses durch. apostolische Wirksamkeit, war aus­geführt, und Gott sandte Seinen Knecht nach. einem an­deren Ort (V. 21 ff.). Der Feind macht jetzt, wie gewöhn­lich, einen Aufruhr, indem er die Leidenschaften wider die Werkzeuge des Zeugnisses Gottes aufregt. Paulus hatte sich schon vorgenommen wegzugehen, jedoch ein wenig später. Er hatte daher Timotheus und Erastus vor sich her nach Mazedonien gesandt, indem er sich vor­setzte, Mazedonien, Achaja und Jerusalem zu besuchen und dann nach Rom zu gehen. Er bleibt aber noch einige Zeit in Asien. Nachdem diese zwei Brüder abgereist sind, regt Demetrius das Volk wider die Christen auf. Feind­lich wider das Evangelium, welches das ganze System erschütterte, dem er seinen Wohlstand verdankte, und das mit allem verbunden war, was ihm Wichtigkeit ver­lieh, wußte dieses Werkzeug des Feindes auf die Lei­denschaften der Arbeiter zu wirken, die mit ihm den­selben Erwerb hatten. 

Er machte nämlich kleine, trag­bare silberne Tempel der Diana. Sein Geschäft war mit dem verbunden, was die Welt bewunderte ‑ mit einem Gegenstand des Kultus, der die Herzen der Menschen er­füllte ‑ mit dem, was schon lange ihren religiösen Ge­wohnheiten seinen Glanz verliehen hatte; und es ist ein großer Trost für den Menschen, daß er solch einen Gegenstand der Verehrung hat, indem er etwas bedarf, was in seinen Augen sicher zu sein scheint. Ein großer Teil des Einflusses, den dieser Götze auf die Volksmenge ausübte, war nicht: "Groß ist die Diana!", sondern: "Groß ist die Diana d e r  E p h e s e r 1 " Es war mit einem Wort die Macht des Feindes unter den Nationen. Die luden suchten dies augenscheinlich zu benutzen, indem sie einen gewissen Alexander hervorstießen ‑ vielleicht derselbe, der dem Paulus widerstanden hatte, und von dem sie voraussetzten, daß das Volk auf ihn hören würde. Aber es war der böse Geist des Götzendienstes, der sie reizte; und die luden waren in ihrer Hoffnung getäuscht. Paulus wurde sowohl von den Brüdern als auch von einigen Asiarchen zurückgehalten, sich nach dem Theater zu begeben. Die Versammlung wurde von den Obrigkeiten der Stadt aufgelöst, und Paulus reiste, nachdein er die jünger gesehen hatte, in Frieden ab*.

 Sein Werk dort war beendigt und das Evangelium in der Hauptstadt der Provinz Asien und sogar in der ganzen Provinz ausgebreitet. Griechenland und Maze­donien hatten es schon empfangen jetzt war Rom noch zu besuchen. Auf welche Weise sollte er dorthin gelangen? Dies war die Frage, die übrig­blieb. Sein freies und wirksames Leben endete mit den Ereignissen, die uns jetzt beschäftigten, soweit es uns vom Heiligen Geist mitgeteilt wird. Ein Leben, gesegnet mit einem Glauben, der fast ohnegleichen war, mit einer Kraft, die alles übertraf, was im Menschen je gesehen worden ist ‑ ein Leben, das durch die Kraft Gottes, die in ihm wirkte, seine Frucht brachte trotz anscheinend unübersteigbarer Hindernisse, trotz des Widerstandes aller Art, in Verachtung und Mangel ‑ ein Leben endlich, das als Werkzeug in den Händen Gottes der Kirche

 

* Es mag vielleicht den Leser interessieren und ihm zum Verständnis dieses Teiles der Geschichte des Neuen Testa­ments nützlich sein, wenn ich die Zeit angebe, in der Paulus etliche seiner Briefe geschrieben hat. Er schrieb den ersten Brief an die Korinther von Ephesus aus und schickte ihn durch Titus. Timotheus sandte er durch Mazedonien, und wir sehen, daß dieser vielleicht nach Griechenland gehen sollte. "Wenn er kommt", sagt der Apostel zu den Korinthern. Darauf kam der Aufruhr in Ephesus, worin das Leben des Apostels in großer Gefahr war; er dachte sogar nicht, daß er es behalten würde. Er hatte sich vorgesetzt, durch Griechen­land nach Mazedonien zu reisen und dann nach Griechenland zurückzukehren; allein der Zustand in Korinth verhindert dieses, und er geht zuerst nach Mazedonien. Auf seinem Wege kommt er nach Troas, hält sich aber daselbst nicht auf. 

In Mazedonien ist er sehr beschäftigt im Geiste und hat keine Ruhe, weil Titus ihm noch keine Nachricht von den Korinthern gebracht hatte. Indessen findet ihn Titus dort, und der Apostel wird in seiner Trübsal durch die frohe Bot­schaft, daß die Korinther zu einem guten Herzenszustand zurückgekehrt seien, getröstet. Hierauf schreibt er ihnen den zweiten Brief; und nachdem er die Versammlungen besucht hat, setzt er seine Reise nach Korinth fort. Von da schreibt er seinen Brief an die Römer. Ich spreche hier nur von dem, was sich auf diesen Teil der Geschichte des Apostels bezieht und über seine Arbeit Licht verbreitet.

 

seinen Charakter aufdrückte, indem es dieser ihr Dasein gab; und dieses nicht nur trotz zweier feindlicher Reli­gionen, die die zivilisierte Welt unter sich teilten, son­dern auch. trotz eines religiösen Systems, das die Wahr­heit besaß, aber stets bestrebt war, sie innerhalb der Grenzen von Überlieferungen zu halten, die dem Fleisch etwas Raum ließen ‑ ein System, das den Vorrang be­ansprudite und durch die Gewohnheiten der vom Herrn Selbst auserwählten Apostel bestätigt war.Die Kirche kehrte wirklich, wie Paulus vorhersah, bald zu ihren jüdischen Wegen zurück, als die Energie des Apostels nicht mehr vorhanden war. Die Kraft des Heiligen Geistes ist genötigt, sich über die Religiosität des Fleisches zu erheben. Die Frömmigkeit tut dieses nicht notwendigerweise, und Kraft ist nie Überlieferung. Kraft ist immer Kraft und dadurch unabhängig von den Menschen und ihren Überlieferungen, obwohl sie diesel­ben auch in Liebe trägt. Das Fleisch wendet sich daher immer zu dem Pfade der Überlieferungen und Formen, weil es niemals eine K r a f t ist in den Dingen Gottes, obwohl es eine P f l i c h t anerkennen kann. Daher steigt es nicht auf zum Himmel, es versteht die Gnade nicht. 

Es kann sehen, was der Mensch. vor Gott sein muß (ohne daß es jedoch die Folgen davon berechnen kann, wenn Gott geoffenbart wird); allein es kann nicht sehen, was Gott in Seiner unumschränkten Gnade für den Menschen ist. Wo der Geist gewirkt hat, wird das Fleisch vielleicht die Lehre der Gnade als Orthodoxie festhalten, aber es wird nie die Seele, in den Genuß dieser Gnade bringen. Diese fleischliche Rückkehr zu einem gesetz­lichen, traditionellen Geist war es mehr als die Gewalt der Heiden oder der Haß der Juden, die das Herz des treuen und gesegneten Apostels niederdrückte und ihm Angst verursachte ‑ ihm, der durch die Gnade einen Charakter oder vielmehr eine Stellung hatte, die mehr als irgend jemand auf der Erde der des Christus ähnlich war. 

Seine Briefe zeigen uns sowohl die Größe und Mannig­faltigkeit seiner Kämpfe als auch das brennende Herz, das ‑ weil es in seinem Innern alle die geoffenbarten Ratschlüsse Gottes aufnahm und jedes Teil an seinem Platz setzte und in seinen Zuneigungen das Ganze des Werkes und der Versammlung Gottes umfaßte ‑ eben­sowohl seine ganze Energie des Gedankens auf einen einzigen wichtigen Punkt als auch seine ganze Kraft der Liebe auf einen armen Sklaven, den in seinen Fesseln die Gnade ihm gegeben hatte, vereinigen konnte. Paulus, das Gefäß des Geistes, leuchtet mit himmlischem Glanz durch das ganze Werk des Evangeliums hindurch. Er zeigt sich zu Jerusalem nachgiebig, erhebt mit Macht seine Stimme in Galatien, wo Seelen verdorben wurden, leitet die Apostel, um für die Freiheit der Nationen zu ent­scheiden, und gebraucht selbst alle Freiheit, um den lu­den ein Jude zu sein und als ohne Gesetz denen, die kein Gesetz hatten ‑ aber immer Christo unterworfen. 

Doch wie schwierig war es, inmitten so vieler entgegengesetz­ter Richtungen die Höhe des Lebens und der geistlichen Offenbarung zu behaupten! Auch war er "ohne Anstoß". Nichts hinderte von innen seine Gemeinschaft mit Gott ‑diese Gemeinschaft, aus der er seine Kraft schöpfte, um unter den Menschen treu zu sein. Er konnte sagen, und niemand wie er: "Seid meine Nachahmer, gleichwie auch ich Christi" (i. Kor. 11, 1).

 Er konnte sagen: "Ich erdulde alles um der Auserwählten willen, auf daß auch sie die Seligkeit erlangen, die in Christo Jesu ist, mit ewiger Herrlichkeit" (2. Tim. 2, 10) ‑ Worte, die in dem Munde des Herrn nicht unpassend sein würden, ohne Zweifel in einem erhabeneren Sinne, weil Er für Paulus selbst den Zorn trug, der seine ewige Verdammnis gewesen wäre. Doch es sind Worte, die die merkwürdige Stellung dieses Mannes Gottes hervorheben als das Gefäß des Heiligen Geistes, dessen Werkzeug er war. "Ich ergänze in meinem Fleische", sagt er, "was noch rückständig ist* an den Trübsalen des Christus, für Seinen Leib, das ist

 

* Der Leser muß einen Unterschied machen zwischen den Leiden des Herrn für die Sünde von seiten des in Gerechtig­keit handelnden Gottes und denen, die Er von dem sündigen Menschen erlitt um der Gerechtigkeit willen. An diesen letz­ten haben wir teil, während Christus uns von den ersten er­löst hat. Hinsichtlich dieser kann von keinem Anteil die Rede sein, sondern nur von der Stellvertretung Christi, weil wir dip Apr Sünde zukommende Verdammnis verdient haben.

 

die Versammlung, deren Diener ich geworden bin: ... um das Wort Gottes zu vollenden" (Kol. 1, 24. 25).Johannes war ‑ durch seine innige Kenntnis der Per­son Christi als Mensch auf der Erde und als Sohn Gottes ‑ fähig, die wesentliche und persönliche Wahrheit, die mit der Macht des Lebens des einzelnen verbunden war, in demselben Feld zu behaupten, wo Paulus arbeitete; aber es war das Teil Pauli, das tätige Werkzeug zur Ausbreitung der Wahrheit zu sein, welche die Seele errettet und den verlorenen Menschen durch den Glauben mit Gott in Verbindung bringt, indem er alle Seine Rat­schlüsse der Gnade mitteilt. Dennoch war Paulus ein Mens& obwohl ein wunderbar gesegneter Mensch. Die innere Kraft des Judentums in Verbindung mit seiner Beziehung auf das Fleisch. ist erstaunlich. 

Was das Re­sultat betrifft, wenn der Mensch seinen Platz unterhalb der Gnade, d. h. unterhalb Gottes einnimmt, so ist es in gewisser Hinsicht besser, daß der Mensch unter Gesetz als ohne Gesetz ist. Er wird das eine oder das andere sein; aber wenn er die ausschließliche Idee von Pflicht aufnimmt, so vergißt er Gott, wie Er ist ‑ denn Er ist Liebe; und er vergißt auch zu oft den Menschen, wie Er ist ‑ denn er ist Sünde. Wenn er die Ideen Pflicht und Sünde vereinigt, so ist eine fortwährende Knechtschaft die Folge. Hierzu ist überhaupt das Christentum er­niedrigt worden; und man hat Satzungen hinzugefügt, um das belastete Gewissen zu beruhigen, und Formen errichtet, um Frömmigkeit darzustellen, wo die Gemein­schaft fehlt. Dies System hat man mit dem Namen Christi und mit der Autorität der Kirche bekleidet, während das wirkliche Dasein der Kirche sich mit dem Grundsatz un­umschränkter Gnade einsmacht. ‑ Kehren wir jedoch zu der Geschichte des Paulus zurück.

KAPITEL 20

Nachdem der Tumult aufgehört hat, ruft der Apostel die jünger zu sich, grüßt sie und reist nach Mazedonien ab (V. 1). Er durchzieht die ganze Gegend und kommt nach Griechenland. Der Anfang des zweiten Briefes an die Korinther gibt uns die Einzelheiten über diesen Teil seiner Geschichte. In Griechenland hält er sich drei Monate auf; und als die Juden einen Anschlag gegen ihn machen, kehrt er durch Mazedonien zurück, anstatt direkt nach Syrien zu fahren. In Troas (wo ihm auf seinem Weg nach Griechenland eine Tür geöffnet worden war, wo ihn aber seine Liebe zu den Korinthern nicht bleiben ließ) bringt er den ersten Tag der Woche und sogar die ganze Woche zu, um die Brüder zu sehen. 

Wir sehen hier einmal den gewöhnlichen Zweck ihrer Zusammen­kunft ‑ sie "versammelten sich, um Brot zu brechen", und zum anderen die gewöhnliche Gelegenheit, dies zu tun ‑ "am ersten Tag der Woche". Paulus benutzt dies, um den ganzen Abend zu ihnen zu reden; es war eine außergewöhnliche Gelegenheit. Doch die Gegenwart und die Ermahnungen eines Apostels genügten nicht, um sie alle wach zu halten. Es war nicht eine im Geheimen oder im Finstern gehaltene Versammlung. Viele Fackeln er­leuchteten den Obersaal, wo sie versammelt waren. Wir sehen aus dem Platz, wo sie zusammenkamen, daß die Versammlungen nicht aus sehr vielen Personen bestan­den: der Obersaal in Jerusalem enthielt vielleicht hundertzwanzig Personen. Aus mehreren Grüßen in den Briefen läßt sich schließen, daß sie in gewöhnlichen Häu­sern zusammenkamen ‑ wahrscheinlich in mehreren, wenn die Zahl der Gläubigen es erforderte; aber es gab nur e i n e Versammlung. Eutychus leidet die Strafe für seine Unaufmerksamkeit; aber Gott gibt Zeugnis Seiner eigenen Güte und der Kraft, womit Er den Apostel begabt hatte, indem er den Jüngling aus einem Zustand des Todes erweckte. Paulus geht hinab, beugt sich über ihn, umarmt ihn und sagt, seine Seele sei noch in ihm. 

Er hatte nur die Verbindung zwischen ihr und der phy­sischen Organisation des Eutychus zu erneuern. In an­deren ähnlichen Fällen wurde die Seele in den Körper zurückgerufen. Paulus zog vor, von Troas bis Assos allein zu Fuß zu gehen. Wir sehen die ganze Geschichte hindurch, daß er durch die Kraft, die der Geist ihm über seine Gefähr­ten gab, ihre freiwilligen Dienste ordnete ‑ ohne Zwei­fel nicht als ihr Meister, und dennoch unbedingter, als wenn er dies gewesen wäre. Er ist (unter Christo) der Mittelpunkt des Systems, in dem er arbeitet, der Mittel­punkt der Kraft. Christus allein kann mit Recht der Mittelpunkt des Heils und des Glaubens sein. Nur als mit dem Geiste Gottes erfüllt, war Paulus der Mittel­punkt sogar jener Kraft, und zwar deshalb, weil er, wie wir gesehen, Ihn nicht betrübte, und weil er sich übte, sowohl vor Gott als audi vor Menschen ein gutes Ge­wissen zu haben. Der Apostel hält sidi zu Ephesus nicht auf, weil er in einer so großen Stadt ja längere Zeit hätte verweilen müssen. Dies war nicht Mangel an Zuneigung für seine teuren Epheser, noch wollte er sie irgendwie ver­nachlässigen. Es ist aber notwendig, das zu vermeiden, was ein gewisses moralisches Recht an uns hat, wenn wir durch die Verpflichtung, die dieses Recht uns auf­erlegt, nicht aufgehalten werden wollen oder nicht sollen. Er ruft die Ältesten zu sich und wendet sich in einer Rede an sie, die wir ein wenig untersuchen müssen, weil sie uns den Zustand der Versammlung und das Werk des Evangeliums unter den Nationen zu jener Zeit darstellt. 

Die Versammlung hatte sich über eine ziemlich große Strecke Landes befestigt und hatte an verschiedenen Or­ten wenigstens die Form einer regelmäßig geordneten Einrichtung angenommen. Es waren Älteste gewählt und anerkannt. Der Apostel konnte zu ihnen senden und sie zu sich kommen lassen. Seine Autorität wurde auch von ihnen anerkannt. Er spricht von seinem Dienst als von etwas Vergangenem ‑ ein feierlicher Gedanke! aber er nimmt sie nicht nur zu Zeugen, daß er ihnen die Wahr­heit verkündigt hatte, sondern es war eine Wahrheit, die zu ihrem Gewissen sprach. Er stellte sie einerseits vor Gott, und andererseits stellte er ihnen Den vor, in dem Gott Sich geoffenbart und in dem Er die ganze Fülle Seiner Gnade ihrethalben bekannt gemacht hatte ‑ Jesum, den Gegenstand ihres Glaubens, den Heiland ihrer Seelen. Er hatte ihnen dies alles verkündigt in­mitten von Trübsalen und Schwierigkeiten angesichts des gewissenlosen Widerstandes der Juden, die den Gesalbten verworfen hatten. 

Er hatte seine schwierige Aufgabe erfüllt in Übereinstimmung mit der Gnade, die sich über all dieses Böse erhob ‑ der Gnade, die den Juden Heil verkündigte und, diese Grenze überschreitend (weil es Gnade war), sich an die Nationen, ja an alle Menschen wandte, weil sie Sünder und vor Gott ver­antwortlich waren. Paulus hatte dieses getan, nicht mit dem Hochmut eines Lehrers, sondern mit der Demut und dem Ausharren der Liebe. Er wünschte auch seinen Dienst zu vollenden und in nichts, was Jesus ihm auf­getragen hatte, zurückzubleiben. Und jetzt ging er nach Jerusalem, indem er sich in seinem Geist gebunden fühlte, dies zu tun, und wußte nicht, was ihm dort begegnen würde, außer, daß der Heilige Geist ihm be­zeugte, daß Bande und Trübsale seiner warteten. Was die Epheser betraf, so wußte der Apostel, daß sein Dienst beendigt war und er ihr Angesicht nicht mehr sehen würde. Hinfort lag die Verantwortlichkeit besonders auf ihnen. Was der Heilige Geist uns hier in dieser rührenden Szene darstellt, ist, daß der Apostel jetzt ‑ wo die Ein­zelheiten seines Werkes, inmitten der Nationen das Evangelium zu pflanzen, als ein vollkommenes Gemälde seiner Wirksamkeit unter Juden und Nationen darge­stellt werden ‑ dem Werk Lebewohl sagt, um die, welche er versammelt hatte, in einem neuen Zustand zurück­zulassen und gewissermaßen sich selbst zu überlassen. 

Es ist eine Rede, die das Ende einer der Phasen der Ver­sammlung ‑ die des apostolischen Wirkens ‑ und den Eintritt in eine andere andeutet, in die der Verantwort­lichkeit der Christen, um die Stellung zu bewahren, in die die Arbeit des Apostels, die jetzt aufhörte, sie ge­bracht hatte. Sie zeigt uns den Dienst der Ältesten, die "der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hatte", und zu­gleich die Gefahren und Schwierigkeiten, die die Ab­wesenheit der apostolischen Wirksamkeit hervorrufen würde, und die die Arbeit der Ältesten, auf denen von jetzt an die Verantwortlichkeit besonders ruhte, treffen würden. Die erste Bemerkung, die aus der Betrachtung dieser Rede fließt, ist, daß die apostolische Nachfolge dadurch gänzlich verneint wird. Die Abwesenheit des Apostels würde, wie er selbst bezeugt, verschiedene Schwierig­keiten verursachen, und doch würde niemand an seiner Stelle sein, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen oder zuvorzukommen. Er hatte also keinen Nachfolger. Zwei­tens kündigt die Rede des Apostels an, daß, wenn ein­mal diese apostolische Energie, die den Geist des Übels im Zäume hielt, nicht mehr vorhanden sei, verderbliche Wölfe von außen und Lehrer verkehrter Dinge von innen ihr Haupt erheben und die Einfachheit und das Glück der Versammlung zerstören würden. Sie würde durch die Bestrebungen Satans verwüstet werden, und die Gegenwart der apostolischen Energie, diesen Be­strebungen zu widerstehen, würde fehlen. 

Das Zeugnis des Apostels ist in bezug auf das ganze kirchliche System von höchster Wichtigkeit. Die Auf­merksamkeit der Ältesten, denen die Aufsicht der Herde anvertraut war, wird auf etwas anderes als auf die apostolische Sorge gerichtet (weil sie diese Hilfsquelle oder etwas, was dieselbe offiziell ersetzte, nicht mehr hatten), damit die Versammlung in Frieden gehalten und vor dem Übel bewahrt bleiben möchte. Es war ihre Aufgabe, in diesen Umständen für die Versammlung zu sorgen. Das, was sie hauptsächlich zu tun hatten, um das Übel zu verhindern, war: die Herde zu hüten und sowohl auf sich selbst als auch auf sie zu diesem Zwecke acht zu haben. Um es mit Erfolg zu tun, erinnert der Apostel sie daran, wie er selbst sie Tag und Nacht mit Tränen ermahnt habe. "Wachet deshalb", sagt er. Dann befiehlt er sie weder dem Timotheus noch irgendeinem Bischof, sondern ‑ auf eine Weise, die alle amtliche Hilfe aus­schließt ‑ Gott und dem Worte Seiner Gnade, das fähig war, sie aufzuerbauen und ihnen das Erbe zu sichern. Dies war der Zustand, worin Paulus die Versammlung zurückließ; was er nachher getan hat, ist hier nicht mein Gegenstand.

 Kam Johannes später, um in diesen Gegen­den zu arbeiten, so war das eine große Gnade Gottes; allein dies veränderte nichts an der Lage in amtlicher Be­ziehung. Das Wirken des Johannes bezog sich (mit Aus­nahme der Warnungen an die sieben Versammlungen in der Offenbarung, wo vom Gericht die Rede ist) auf das persönliche Leben, auf dessen Charakter und das, was es unterhielt. Mit tiefer und rührender Liebe nimmt Paulus von der Versammlung zu Ephesus Abschied. Wer füllte diese Lücke aus, die sein Weggang verursachte? Zugleich be­ruft er sich auf ihre Gewissen hinsichtlich der Aufrichtig­keit seines Wandels. Die freie Wirksamkeit des Apostels der Nationen war zu Ende. Ein feierlicher und ergreifen­der Gedanke! Er war das von Gott auserwählte Werk­zeug gewesen, um der Welt Seine Ratschlüsse betreffs der Versammlung mitzuteilen und inmitten der Welt diesen kostbaren Gegenstand Seiner Liebe aufzurichten, der mit Christo zu Seiner Rechten vereinigt ist. Was würde hienieden aus ihr werden? Nach dieser Zeit hat der Apostel seinethalben Rechen­schaft abzulegen und auf eine treffende Weise die Vor­hersagungen des Herrn zu erfüllen. 

Durch die Bosheit der Juden vor den Richterstuhl gebracht, durch ihren Haß in die Hände der Nationen überliefert ‑ alles wurde zu einem Zeugnis. Könige und Oberste werden das Evan­gelium hören, aber die Liebe vieler wird erkalten. Dies ist im allgemeinen seine Stellung; doch gab es Einzel­heiten, die ihn persönlich betrafen. Wir mögen bei dieser Gelegenheit einen Hauptzug in diesem Buche bemerken, der wenig beachtet worden ist, nämlich die Entwicklung der Feindschaft der Juden‑, die auf ihre endliche Verwerfung auslief. Die Apostel­, Geschichte endigt mit dem zuletzt dargestellten Falle. Das Werk inmitten dieses Volkes tritt in den Hinter­grund, und die Arbeit des Paulus füllt das ganze Ge­mälde in der historischen Erzählung, die durch den Hei­ligen Geist mitgeteilt wird. 

Der Widerstand der Juden gegen die Offenbarung der Versammlung, die an ihre Stelle gesetzt wurde und den Unterschied zwischen ihnen und den Nationen beseitigte, indem der Himmel und die vollkommene und unumschränkte Gnade (an der der Sünder durch den Glauben teil hatte) hineingebracht wurden ‑ dieser Widerstand, der sich bei jedem Schritt in der Laufbahn des Apostels kundgab, obwohl er mit aller möglichen Umsicht handelte, wird in seiner ganzen Heftigkeit zu Jerusalem, in seinem natürlichen Mittel­punkte, aufgeweckt und zeigt sich in den Gewalttätig­keiten der Menge und in Anstrengungen, die bei den Nationen zu dem Zwecke gemacht wurden, um Paulus von der Erde zu vertilgen. Dies machte hinsichtlich der Nationen die Stellung des Apostels zu Jerusalem sehr ernst ‑ in einer Stadt, die um so eifersüchtiger auf ihre religiöse Wichtigkeit war, als sie die Wirklichkeit der­selben unter der römischen Knechtschaft verloren hatte, weil sie diese Wichtigkeit in einen Geist der Empörung gegen die Autorität verwandelte, die sie hinderte.

KAPITEL 21

Nach der Geschichte des Christentums, das (hinsicht­lich der Verheißungen und ihrer Erfüllung in dem Mes­sias) in Verbindung mit dem Judentum betrachtet wird, finden wir Paulus in drei verschiedenen Stellungen. Wir sehen ihn erstens zu den jüdischen Gefühlen und zu dem Bewußtsein, das die luden von ihren alten Be­ziehungen zu Gott hatten, sich herablassen, und zwar zum Zweck der Versöhnung und um alles das zu berück­sichtigen, was noch in Jerusalem bestand. Er wandte sich überall an die luden in ihren Synagogen, weil sie das erste Recht hatten, das Evangelium zu hören: "Zuerst den luden und dann den Griechen"; denn Jesus war der Diener der Beschneidung für die Wahrheit Gottes, um die den Vätern gegebenen Verheißungen zu erfüllen. In dieser Beziehung fehlte der Apostel nie, und er legt diese Grundsätze klar und dogmatisch in dem Briefe an die Römer dar. Zweitens finden wir den Apostel in seinem eigenen, besonderen Werke in der ganzen Freiheit der vollen Wahrheit der Gnade und der Vorsätze Gottes. 

Diese Freiheit, die aus der Fülle der Gnade fließt, charak­terisiert die wahre geistliche Erhabenheit ihres Dieners ‑ eine Erhabenheit, von der er durch die Gnade hinab­stieg. Dies wird uns in der Epistel an die Epheser mit­geteilt. In diesen beiden Stellungen handelt der Apostel unter der Leitung des Heiligen Geistes und erfüllt den Willen Gottes. Nachher sehen wir ihn drittens im Kampf mit der Feindschaft des gesetzlichen Judentums, dessen Spionen er fortwährend begegnete und in dessen Zen­trum er sich schließlich warf, indem er nach Jerusalem ging. Dies ist der Teil der Geschichte, zu dem wir jetzt übergehen. Wieviel von Gott und wieviel die Folge von'egenstand unserer den Schritten Pauli war, wird der Betrachtung sein. Daß die Hand Gottes in allem war, um es zum Besten der Versammlung sowie auch zum schließlichen Wohl Seines geliebten Dieners zu lenken, ist außer jedem Zweifel. Wir haben nur zu erforschen, inwieweit der Wille und die Gedanken Pauli hinzu­kamen, die Gott als Mittel gebrauchte, um das Ergebnis,das Er beabsichtigte, sei es für die Versammlung oder für Seinen Diener oder für die luden, hervorzubringen. 

Diese Gedanken sind von höchster Wichtigkeit und er­fordern eine demütige Untersuchung dessen, was uns Gott, um uns über diesen Punkt zu belehren, durch den Geist Selbst von diesen letzten Ereignissen des Lebens Pauli mitgeteilt hat. Die erste Sache, die uns gleich beim Anfang dieser Ge­schichte auffällt, ist, daß der Heilige Geist zu Paulus sagt, er solle nicht nach Jerusalem hinaufziehen (V. 4). Dieses Wort ist von augenscheinlicher Wichtigkeit. Paulus fühlte sich gebunden, nach Jerusalem hinaufzugehen; es war etwas in seinem Geiste, das ihn dorthin drängte ‑ein Gefühl, das ihn nach jener Richtung hintrieb; allein der Geist in Seinem bestimmten und äußerlichen Zeug­nis hieß ihn, nicht zu gehen.

 Der Zweck des Apostels war, nach Rom zu reisen. Paulus, als Apostel der Nationen, war ausgesandt, um aller Kreatur das Evangelium zu verkündigen. In diesem Vorsatz war nichts von ihm selbst ‑ nicht irgend etwas, was mit der Gnade nicht in Übereinstimmung gewesen wäre (Röm. 1, 13‑15). Den­noch hatte Gott ihm nicht erlaubt, dorthin zu gehen. Er war genötigt, ihnen seinen Brief zu schreiben, ohne sie gesehen zu haben. Der Himmel ist die Hauptstadt des Christentums. Rom und Jerusalem sollen bei Paulus keinen Platz finden, es sei denn, um dieses in Liebe zu ertragen und bereit zu sein, wenn es ihm erlaubt wurde, jenem das Evangelium zu verkündigen. Paulus, wie wir in Apostelgeschichte 19, 21 lesen, setzte sich in seinem eigenen Geiste vor, nach Jerusalem zu gehen, indem er sagte: "Wenn ich dort gewesen bin, muß ich auch Rom sehen." Nachher übernahm er es, die Opfer der Heiligenin Adiaja und Mazedonien zu besorgen. Er wünschte seine Liebe für die Armen seines Volkes zu beweisen (Gal. 2, 10). Alles dies war gut; doch weiß ich nicht, ob es zum apostolischen Dienst gehörte. Es war offenbar ein jüdisches Gefühl, das auf die Armen zu Jerusalem und somit auf Jerusalem selbst einen besonderen Wert setzte. 

Ein Jude wollte lieber arm sein zu Jerusalem als reich unter den Nationen. Arme Christen waren ohne Zweifel dort von der Zeit ihrer Bekehrung an; aber die Liebe zu Jerusalem, die für einen luden natür­lich und selbst lobenswert war, war der Ursprung dieses Verhältnisses zwischen den anderen luden und denen, die zu Jerusalem wohnten (vgl. Neh. 11, 2; Apg. 24, 17). Das Vorhandensein dieser jüdischen Gefühle war die Folge der Beziehungen der Christen zum Judentum (Röm. 15, 25‑28). Die Zuneigung des Herzens Pauli zu der Nation, der er dem Fleische nach angehörte und die das geliebte Volk Gottes gewesen und, obwohl es für eine Zeit verworfen, noch Sein Volk war, hatte ihre wahre und tief rührende Seite. Der Überrest sollte jetzt durch das Christentum in das Reich Gottes eingehen. 

Diese Liebe des Apostels zu Israel hatte es andererseits mit dem Fleische zu tun und führte ihn in den Mittelpunkt des Judentums. Er war der Bote der himmlischen Herrlichkeit, die die Lehre von der Ver­sammlung offenbarte, die aus Juden und Nationen zu­sammengesetzt und ohne Unterschied in dem e i n e n Leibe Christi vereinigt war. Das Judentum als solches wurde dadurch beiseite gesetzt; aber die Liebe des Apostels zu seinem Volke führte ihn, ich wiederhole es, in den wahren Mittelpunkt des feindlichen Judentums, das wider diese geistliche Gleichheit in Wut geriet. Der Herr hatte ihm schon zu Anfang des Werkes gesagt, daß sie sein Zeugnis nicht annehmen würden. Dennoch war ohne Zweifel die Hand Gottes in diesem allen. Als das Werkzeug der Offenbarung Gottes verkündigt der Apostel den Vorsatz der unumschränkten Gnade Gottes in seiner ganzen Ausdehnung und Kraft. Der Wein war nicht verfälscht; er kam ebenso rein hervor, wie Paulus ihn empfangen hatte. Und der Apostel wan­delte in einer merkwürdigen Weise auf der Höhe der ihm anvertrauten Offenbarung (vgl. 2. Kor. 2,17; 4,1‑4). Dennoch ist Paulus persönlich ein Mensch; er muß geübt und offenbar gemacht werden, und zwar in solchen Übungen, denen Gott uns unterwirft. 

Wo das Fleisch sein Vergnügen gefunden ‑ die Sphäre, in der es seine Be­friedigung hatte ‑ gerade dort findet es, wenn Gott han­delt, seine Trübsal. Dessen ungeachtet, wenn Gott es auch für nötig hielt, Seinen Knecht auf die Probe zu stel­len und ihn sich selbst offenbar zu machen, so stand Er ihm doch bei und segnete ihn, sogar durch die Versuchung selbst, indem Er dieselbe in ein Zeugnis verwandelte und das Herz Seines geliebten und treuen Knechtes erquickte. Die Offenbarung dessen in ihm, was nicht nach dem Geiste oder auf der Höhe seiner Berufung war, ist in Liebe für ihn und für die Versammlung zum Segen ge­worden. Glückselig ist der, welcher ebenso treu wandeln und durch die Gnade seinen Standpunkt in demselben Maße auf dem Wege der Gnade aufrechthalten kann1 In­dessen ist Christus das alleinige Muster; doch sehe ich keinen, der (in einer anderen Laufbahn) Ihm in Seinem öffentlichen Leben so ähnlich war wie Paulus. je mehr wir den Wandel des Apostels untersuchen, desto mehr werden wir diese Ähnlichkeit erblicken; allein Christus war das Muster des vollkommenen Gehorsams, während wir in Seinem treuen Knechte das Fleisch sehen. 

Gewiß wäre Paulus der erste gewesen, um anzuerkennen, daß nur Jesu die Vollkommenheit zugeschrieben werden könne. Ich glaube also, daß die Hand Gottes in. dieser Reise Pauli war; ich glaube, daß Er in Seiner unumschränkten Weisheit wollte, daß Sein Knecht sie unternehmen und also einen Segen darin finden sollte; allein ich glaube auch, daß das Mittel, das in dieser unumschränkten Weisheit gebraucht wurde, ihn zu dieser Reise zu brin­gen, die menschliche Liebe des Apostels zu Israel, "sei­nen Verwandten nach dem Fleische", war, und daß er nicht dazu geleitet wurde durch den Heiligen Geist, der auf seiten Christi in der Versammlung wirkte. Diese An­hänglichkeit an sein Volk, diese menschliche Liebe traf das unter dem Volke, was sie an ihren Platz setzte. Menschlich gesprochen war es ein liebliches Gefühl; allein es war nicht die eigentliche Frucht der Kraft des Heiligen1Geistes, die auf den Tod und die Auferstehung Christi gegründet ist. In dein Ergebnis dieses göttlichen Werkes, in den Gedanken, die dort herrschten, gab es weder Jude noch Heide.

 In dem l e b e n d e n Christus war dies Gefühl der Verbindung mit Jerusalem richtig. Am Ende Seines Lebens ging Er nach Jerusalem Zu diesem Zwecke war Er gekommen. Die Liebe Pauli war an und für sich gut, allein als Quelle des Handelns erreicht sie nicht die Höhe des Werkes des Geistes, der ihn von seiten eines verherr­lichten Christus fern von Jerusalem zu den Nationen ge­sandt hatte, um die Versammlung als Seinen mit Ihm im Himmel verbundenen Leib zu offenbaren. Deshalb hörten die luden ihn bis zu dem Augenblick an, wo er von dieser Mission sprach; dann aber schrien sie und machten einen Tumult, der die Verhaftung des Apostels veranlaßte.

 Er litt um der Wahrheit willen; aber es war dort, wo nach Christ! eigenem Zeugnis die Wahrheit keinen Eingang fand: "Eile und gehe eilend aus Jerusalem, denn sie werden dein Zeugnis von mir nicht an­nehmen." Es war dennoch notwendig, daß die luden ihren Haß wider das Evangelium zeigten und den end­lichen Beweis ihres eingewurzelten Widerstandes gegen die Wege Gottes in Gnade lieferten. Welches nun auch die weitere Arbeit des Apostels (wenn es eine gab) gewesen sein mag, so macht doch der Heilige Geist keine Erwähnung davon. Paulus sieht die Juden in seinem eigenen gemieteten Hause und empfängt alle, die zu ihm kommen; aber die Seite der Geschichte des Geistes sdiließt hier. Diese Geschichte ist beendigt. Die apo­stolische Sendung zu den Nationen in Verbindung mit der Gründung der Versammlung ist geschlossen. Rum ist nur das Gefängnis des Apostels der Wahrheit, dem die Wahrheit anvertraut worden war. Jerusalem verwirft ihn, Rom verhaftet und tötet ihn, wie sie es mit Jesu getan hatten, dem der gesegnete Apostel auch hierin gleich werden sollte nach seinem Wunsche in Philipper 3; denn Christus und Gleichheit mit Ihm waren sein all­einiger Zweck. 

Es war ihm gegeben worden, diese Gleich­heit mit seinem Herrn in seinem Dienste zu finden, wo sie schon so mächtig in seinem Herzen und in seiner Seele war, nur mit dem notwendigen Unterschiede zwi­schen einem Dienste, der weder das zerknickte Rohr zer­brach, noch seine Stimme in den Straßen hören ließ, und einem Dienste, der im Zeugnis den Nationen das Gericht anzeigen sollte. Die Mission der Zwölfe an die Nationen von Jerusalem aus (Matth. 28) hat, soweit es uns der Heilige Geist mit­teilt, niemals stattgefunden *. Jerusalem hielt sie zurück. Sie durchreisten sogar nicht die Städte Israels. Die Be­dienung der Beschneidung war dem Petrus gegeben, die der Nationen dem Paulus; und letztere war in Verbin­dung mit der Lehre von der Versammlung und einem verherrlichten Christus ‑ einem Christus, den er nicht mehr dem Fleische nach kannte. Jerusalem, zu dem der Apostel durch seine Liebe hingezogen war, verwarf bei­des, ihn und seine Mission.

 Sein Dienst für die Nationen, soweit diese die freie Wirksamkeit der Macht des Gei­stes war, hatte ein ähnliches Ende. Die Kirchengeschichte mag uns vielleicht mehr davon mitteilen; allein Gott hat Sorge getragen, es in tiefe Dunkelheit zu hüllen. Durch den Geist wird nichts Weiteres anerkannt. Wir hören nichts mehr von den Aposteln zu Jerusalem, und Rom, wie wir gesehen haben, hatte keinen Apostel, um eine Kirche in seinen Mauern zu gründen (soweit es uns der Heilige Geist mitteilt), außer daß der Apostel der Natio­nen daselbst ein Gefangener war und schließlich zum Tode gebracht wurde. 

Der Mensch hat auf der Erde überall gefehlt. Die religiösen und politischen Mittel­punkte der Welt ‑ Mittelpunkte, die Gott in Seinen Wegen mit der Erde errichtet hatte ‑ haben das Zeugnis verworfen und die Zeugen getötet; aber das Ergebnis war, daß der Himmel seine Rechte unverletzt und in ihrer vollkommenen Reinheit bewahrte. Die Versamm­lung, die wahre himmlische und ewige Hauptstadt der

 

* Markus 16, 20 ist die einzige Stelle, von der man ver­muten könnte, daß sie auf die Erfüllung jener Mission hin­deute, und dodi fehlt etwas; denn diese Stelle und Kolosser 1, 6 beziehen sich auf die ganze Welt und sind auf die Himmelfahrt Christi gegründet, sind aber keine Mission an die Nationen, die nur auf die Auferstehung Christi gegründet war.

 

Herrlichkeit und der Wege Gottes ‑ die Versammlung, die ihren Platz in den Ratschlüssen Gottes hatte, bevor die Welt war ‑ die Versammlung, die Seinem Herzen in Gnade entspricht, weil sie mit Christo in der Herr­lichkeit vereinigt ist ‑ bleibt der Gegenstand des Glau­bens. Sie ist nach dem Herzen Gottes und genau so, wie sie in Seinem Herzen ist, geoffenbart, bis sie, als das himmlische Jerusalem, in Herrlichkeit geoffenbart wer­den wird; und dies wird in Verbindung mit der Erfüllung der Wege Gottes auf der Erde stattfinden, in der Wiederherstellung Jerusalems, dem Mittelpunkt Seiner Handlungen in Gnade mit der Erde, Seinem Thron, Sei­ner Hauptstadt, selbst inmitten der Nationen und beim Verschwinden der Gewalt der Nationen, deren Sitz und Mittelpunkt Rom war. 

Untersuchen wir jetzt die Gedanken des Apostels und das, was sich geschichtlich zugetragen hat. Paulus schrieb von Korinth aus nach Rom, als er diese Reise beabsich­tigte. Das Christentum war nach dem Mittelpunkt der Welt gekommen, ohne daß, wie schon bemerkt, irgend­ein Apostel es dort gepflanzt hatte. Paulus folgt dem­selben. Rom war sozusagen ein Teil seines apostolischen Gebietes, der ihm entging (siehe Röm. 1, 13‑15 und Kap. 15, wo er auf den Gegenstand zurückkommt). Wenn er nicht nach Rom kommen sollte (denn Gott will mit der Hauptstadt der Welt nicht anfangen; vergleiche die Ver­heerung Hazors in Kanaan ‑ Jos. 11, 11), so will er ihnen doch wenigstens aufgrund seiner allgemeinen Apostel­schaft an die Nationen schreiben. Einige Christen waren schon dort; Gott wollte es also haben. Doch waren sie gewissermaßen aus der Provinz des Apostels, und viele von ihnen waren persönlich mit ihm in Berührung ge­wesen ‑ siehe die Menge und den Charakter der Grüße am Ende des Briefes an die Römer, die einen besonderen Stempel tragen, indem sie uns die römischen Christen größtenteils als Pauli Kinder zeigen. In Römer 15, 14‑29 entfaltet Paulus seine apostolische Stellung in bezug auf die Römer und die anderen Natio­nen. 

Er wollte auch nach Spanien reisen, wenn er die Brüder zu Rom ein wenig gesehen hatte. Er wünscht ihnen geistliche Gaben mitzuteilen (Röm. 1, 11. 12), jedoch getröstet zu werden durch ihren gegenseitigen Glau­ben; er will ihre Gegenwart etwas genießen. Sie sind in Verbindung mit dem Apostel; aber sie haben ihren Platz jedoch als Christen zu Rom, ohne daß er je daselbst gewesen ist. Wenn er sie daher ein wenig gesehen hatte, wollte er nach Spanien reisen. Allein in betreff dieser Pläne ist er getäuscht worden. Alles, was der Heilige Geist uns mitteilt, ist, daß er zu Rom ein Gefangener war ‑ tiefes Schweigen in betreff Spaniens. Statt weiter­zugehen, nachdem. er die Brüder zu Rom gesehen hatte, bleibt er zwei Jahre ein Gefangener zu Rom. Es ist nicht bekannt, ob er in Freiheit gesetzt worden ist oder nicht. Einige bejahen, andere verneinen es; das Wort schweigt darüber. 

Hier kommt, nachdem er seine Absichten und den Charakter seiner Beziehungen im Geiste mit Rom dar­gestellt hat und sich im Westen ein ausgedehntes Feld vor seinen Blicken eröffnet, seine alte Zuneigung für sein Volk und für Jerusalem dazwischen: "jetzt aber reise ich nach Jerusalem im Dienste für die Heiligen" (Röm. 15, 25‑28). Warum nicht nach Rom gemäß der Kraft des Geistes, da doch sein Werk in Griechenland beendigt war (Röm. 15, 23)? Gott war es ohne Zweifel, der es also lenkte, daß diese Dinge zu Jerusalem ge­schahen und daß Rom und die Römer diesen traurigen Platz einnehmen sollten in bezug auf das Zeugnis eines verherrlichten Christus und der Versammlung, das der Apostel angesichts der Welt ablegte. Doch was Paulus betrifft ‑ warum setzte er das widerspenstige Jerusalem zwischen seinen evangelistischen Wunsch und sein Werk? Die Liebe war gut, und auch der Dienst war gut für einen Diakon oder einen Boten der Versammlung. Aber war er es auch für Paulus, der den ganzen Westen in seinem Geiste für die Verkündigung des Evangeliums offen sah? Für den Augenblick war sein Auge auf Jerusalem gerichtet. Demgemäß, wie wir gesehen haben, warnte ihn der Heilige Geist auf seinem Wege (V. 41). 

Er selbst sah auch die Gefahr voraus, in die er sich stürzte. Er wußte, daß er in der Fülle des Segens des Evangeliums Christi kommen werde; allein er war nicht gewiß, daß er auch mit Freuden kommen werde (Röm. 15, 29‑32).Die Sache, für die er ihre Gebete begehrte, gestaltete sich ganz anders, als er gewünscht hatte. Er wurde aus den Händen der luden befreit und kam zu ihnen ‑ aber als ein Gefangener. Als er in Italien ankam und die Brüder bei Appii‑Forum und Tres‑Tabernä sah, faßte er Mut. Von seiner Reise nach Spanien hören wir nichts mehr. Dies alles ist sehr ernst. Der Herr, voll Gnade und Zärtlichkeit, war mit Seinem armen, aber geliebten Knechte. 

Eine Geschichte wie die vorliegende, wo es sich um eine Person wie Paulus handelt, ist höchst ergreifend;. und die Wege Gottes sind anbetungswürdig und voll­kommen in Güte. Die Wirklichkeit des Glaubens ist bei Paulus in Fülle vorhanden. Die Wege der Gnade Gottes gegen ihn sind vollkommen und auch vollkommen in Zärtlichkeit. In der Trübsal steht Er Seinem Knecht zur Seite, um ihn zu stärken und zu ermuntern. Und zu­gleich wird er bezüglich seines Wunsches, nach Jeru­salem zu gehen, vom Geiste gewarnt, und die Folgen davon werden ihm vorgestellt. Da er aber nicht zurückkehrt, erleidet er die notwendige Zucht, die seine Seele auf ihren Platz und zwar auf einen Platz bringt, der voll des Segens vor Gott ist. Sein Wandel steigt zu der Höhe der geistlichen Kraft empor. 

Er fühlt äußerlich die Kraft von dem, was moralisdi einen Einfluß auf ihn ausgeübt hatte, um ihn in seinem Dienste zu hemmen; und eine Kette für sein Fleisch beantwortet die Freiheit, die er demselben gelassen hatte. Es war Gerechtigkeit in den Handlungen Gottes. Sein Knecht war Ihm zu teuer, als daß dies anders hätte sein können. Zugleich lenkt Gott alles in betreff des Erfolgs und des Zeugnisses zu Seiner eigenen Herrlichkeit und lenkt es mit vollkommener Weisheit in bezug auf das künftige Wohl der Versamm­lung. Jerusalem, wie wir gesehen haben, verwirft das Zeugnis an die Nationen und ebenso die Gnade, die dasselbe sandte, mit einem Wort, die Wege Gottes in der Versammlung (vgl. 1. Thess. 2, 14‑16); und Rom wird das,'efä gnis jenes Zeugnisses, während dieses nach der Verheißung des Herrn vor Oberste, Könige und vor den Kaiser selbst gebracht wird. Ich habe gesagt, daß die Gnade Paulus in die Stellung Christi setzte, indem er wie Christus durch den Haß der Juden den Nationen überliefert wurde, und dies war eine große Gunst. 

Der Unterschied zwischen Christo und ihm bestand ‑ außer der unendlichen Liebe des Herrn, der Sich Selbst überlieferte ‑ auch darin, daß Jesus dort an Seinem wahren Platze vor Gott war. Er war zu den Juden gekommen, und daß Er überliefert werden sollte, setzte Seiner Hingebung und Seinem Dienste die Krone auf. Es war in der Tat die Aufopferung Seiner Selbst durch den ewigen Geist in der eigenen Sphäre Seines Dienstes als der Gesandte Gottes. Paulus trat in diese jüdische Sphäre wieder ein, während die Kraft des Hei­ligen Geistes ihn außerhalb gestellt hatte. "Indem ich dich herausnehme", hatte der Herr gesagt, "aus dem Volke und den Nationen, zu welchen ich dich jetzt sende, ihre Augen aufzutun usw." (Apg. 26, 17). Jesus hatte ihn aus beiden herausgenommen, um einen Dienst aus­zuüben, der beide, Juden und Nationen, zu e i n e m Leibe in Christo im Himmel vereinigte, der ihn auf diese Weise gesandt hatte. Paulus kannte in seinem Dienste niemand nach dem Fleische; in Christo Jesu war weder Jude noch Grieche. Doch kehren wir zu der Geschichte des Apostels zu­rück. Er wird also vom Heiligen Geist gewarnt, nicht nach Jerusalem hinaufzugehen (Kap. 21, 4). 

Dennoch setzt er seine Reise fort bis nach Cäsarea. Ein Prophet, Agabus genannt, kommt hinab von Judäa und verkün­digt, daß Paulus gebunden und den Nationen überliefert werden würde (V. 10. 11). Man könnte einwenden, daß dieses sein Gehen nach Jerusalem nicht verboten habe. Es ist wahr, aber weil es auf die schon gegebene Weisung folgte, so bekräftigt es jene Warnung. Als er in der Freiheit des Geistes wandelte und wegen einer Gefahr gewarnt wurde, entfloh er, obwohl er jeglicher Gefahr trotzte, wenn das Zeugnis es erforderte. Zu Ephesus ließ er sich überreden, nicht ins Theater zu gehen. Der Heilige Geist warnt gewöhnlich die Gläubigen nicht vor der Gefahr, die ihnen drohen könne. 

Er leitet sie in den Pfad des Herrn, und wenn Verfolgung kommt, so gibt Er Kraft, sie zu erdulden. Hier wurde Paulus fortdauernd gewarnt. Seine Freunde bitten ihn auch, nicht nach Jerusalem hinaufzugehen; aber er will sich nicht überreden lassen. Sie schweigen, obwohl nicht ganz zufrieden gestellt, und sagen: "Der Wille des Herrn ge­schehe." Und ich zweifle nicht, daß es Sein Wille war, allein zur Erfüllung von Ratschlüssen, die Paulus nicht durch die vom Heiligen Geist gegebene Einsicht kannte. Nur fühlte er sich im Geiste gedrungen, hinzugeben und war bereit, alles für den Herrn zu erdulden. Er reist daher nach Jerusalem ab, und als er dort an­gekommen ist, geht er in das Haus des Jakobus, und alle die Ältesten kommen dahin (V. 17. 18). Paulus er­zählt ihnen von dem Werke Gottes unter den Nationen. jene wenden sich zu ihrem Judentum, mit dem die Menge erfüllt war, und indem sie sich des Guten freuen, das Gott durch den Geist gewirkt hatte, wünschen sie, daß Paulus selbst dem Gesetz gehorche. Die Gläubigen in Jerusalem müssen bei der Ankunft Pauli notwendig zusammenkommen und ihre Vorurteile hinsichtlich. des Gesetzes befriedigt werden. 

Paulus hat sich selbst in die Gegenwart menschlicher Anforderungen gebracht: hätte er sich geweigert, ihnen nachzugeben, so hätte er damit erklärt, daß ihre Gedanken betreffs seiner wahr wären; handelte er ihrem Wunsche gemäß, so machte er eine Regel, nicht von der Leitung des Geistes in aller Freiheit der Liebe, sondern von dem unwissenden und vorteils­vollen Zustande dieser jüdischen Gläubigen. Die Ursache der Schwierigkeit für Paulus kam daher, daß er nicht dem Geiste gemäß als Apostel in Jerusalem war, sondern nach seiner Anhänglichkeit an die früheren Verbindun­gen mit dem Judentum. Man muß über Vorurteile anderer erhaben und von ihrem Einfluß frei sein, um in Liebe zu ihnen hinabsteigen zu können. Paulus, da er nun einmal in Jerusalem ist, kann kaum anders, als ihren Bitten nach­geben. Doch die Hand Gottes ist darin. Paulus aber wird durch diese Handlung in die Gewalt seiner Feinde ge­trieben. Indem er den gläubigen Juden zu gefallen sucht, befindet er sich im Radien des Löwen, in den Händen der Juden, die dem Evangelium feind sind. 

Es kann hinzugefügt werden, daß wir nichts mehr von den Chri­sten zu Jerusalem hören. Sie hatten ihr Werk getan. Ich nnzweifle nicht, daß sie die Liebesgaben der Nationen entgegennahmen. Die ganze Stadt war in Aufregung und der Tempel geschlossen (V. 30). Da kommt der Oberste, um Paulus von den luden, die ihn zu töten suchten, zu befreien, während er selbst ihn verhaftet; denn die Römer waren diese Tumulte gewöhnt und verachteten aus Herzens­grund dieses Volk, das zwar von Gott geliebt, aber in seinem eigenen Zustand ebenso stolz wie herabgewürdigt war. jedoch gewinnt Paulus die Achtung des Haupt­manns durch die Art und Weise, womit er ihn anredet, und er erlaubt ihm, zum Volke zu reden.

KAPITEL 22

Paulus hatte zum Obersten auf griechisch geredet; aber weil er immer bereit war, durch die Aufmerksam­keit der Liebe andere zu gewinnen, und besonders wenn vom geliebten, obwohl widerspenstigen Volke die Rede war, redet er zu ihnen auf hebräisdi (d. h. in ihrer ge­wöhnlichen Sprache, hebräisch genannt). Er erzählt hier nicht, was der Herr zu ihm gesagt, als Er Sich ihm geoffenbart hatte, sondern er gibt ihnen eine besondere Mitteilung seines nachherigen Gesprächs mit Ananias, einem gläubigen und von allen geachteten luden. Dann geht er auf den Punkt ein, der notwendig seine Stellung und Verteidigung charakterisierte. Christus war ihm er­schienen und hatte gesagt: "Sie werden dein Zeugnis zu Jerusalem nicht annehmen. Ich werde dich weit weg zu den Nationen senden" (V. 18‑21). 

Gott sei gepriesen1 dies ist die Wahrheit; aber warum teilte er sie gerade jenen Menschen mit, die nach Seinen eigenen Worten sein Zeugnis nicht annehmen würden? Das einzige, was einer solchen Mission an die Nationen außerhalb des Systems, das Gott unter den Juden errichtet hatte, Auto­rität geben konnte, war die Person des Herrn Jesu, und die Juden glaubten nicht an Ihn. In seinem Zeugnis an das Volk legt der Apostel ver­gebens Nachdruck auf die jüdische Frömmigkeit des Ananias. So aufrichtig sie war, so war sie doch in dem Zeugnis, das Paulus ablegte, nur ein zerbrochenes Rohr. Dennoch war das Zeugnis des Ananias das einzige, wor­auf sich der Apostel berief, ausgenommen sein eigenes.

 Seine Rede hatte nur eine Wirkung ‑ daß sie den gewaltigen und unverbesserlichen Haß dieser unglück­lichen Nation gegen jeden Gedanken der Gnade in Gott wachrief und ihren unbegrenzten Stolz ans Licht brachte, der in der Tat dem Falle, der sie zerschmetterte, voran­ging (Spr. 16, 18). Das Volk, und nicht nur ihre Obersten, hatte die Gnade verworfen. Der Oberste, der die Wut des Volkes sieht und keineswegs versteht, um' was es sich handelt, befiehlt mit der stolzen Verachtung eines Römers, daß Paulus gebunden und gegeißelt werde, da­mit er bekenne, was die Ursache der Wut des Volkes gegen ihn sei. jedoch war Paulus selbst rIn Römer und als solcher geboren, während der Oberste jenes Bürger­recht für eine, große Summe erworben hatte. Paulus machte diese Tatsache mit Sanftmut bekannt, und die, welche ihn ausforschen sollen, stehen von ihm ab. Der Oberste fürchtete sich, weil er ihn gebunden hat; da aber seine Autorität dabei beteiligt ist, läßt er ihn gebunden. Am folgenden Tage macht er ihn los und bringt ihn vor das Synedrium der luden.

KAPITEL 23‑26

Paulus wendet sich an das Synedrium mit dem Ernst und der Würde eines aufrichtigen Menschen, der gewohnt ist, mit Gott zu wandeln. Seine Rede ist nicht ein Zeug­nis, das ihnen zu ihrem Wohl gebracht wird, sondern die Berufung eines guten Gewissens auf ihr Gewissen, falls sie ein solches hatten. Die unmittelbare Antwort, die der Apostel empfängt, ist eine Beleidigung von seiten des Richters oder Vorstehers des Rates. Paulus, durch diese Handlung gereizt, kündigt ihm von seiten Gottes das Gericht an; sobald ihm aber berichtet wird, daß Ana­nias der Hohepriester sei (er war jedenfalls nicht so gekleidet, daß man ihn erkennen konnte), entschuldigt er sich mit seiner Unwissenheit in dieser Sache, indem er das förmliche Verbot des Gesetzes: "Dem Obersten deines Volkes sollst du nicht übel reden", anführt (Kap. 23, 5). 

Alles dies war richtig und an seinem Platze den Menschen gegenüber; aber der Heilige Geist konnte nicht sagen: "Ich wußte nicht" Die Worte des Apostels vor dem Synedrium sind nicht das Resultat der Wirksamkeit des Geistes, der das Werk der Gnade und des Zeugnisses ausführt; sie sprechen vielmehr das endliche Gericht Gottes über das Volk aus. In diesem Charakter, insoweit es die Juden betrifft, tritt Paulus hier auf. Sein Ver­halten ist weit erhabener als das seiner Richter, die sich ganz und gar erniedrigen und ihren schrecklichen Zustand offenbar werden lassen; aber er erscheint nicht für Gott vor ihnen. 

Nachher benutzt er die verschiedenen Par­teien, aus denen das Synedrium zusammengesetzt war, um in ihrer Mitte eine völlige Verwirrung hervorzu­bringen, indem er bekennt, daß er ein Pharisäer sei, eines Pharisäers Sohn, und eine Lehre dieser Sekte zum Vorschein bringt (V. 6). Er war wirklich ein Pharisäer; allein eine Berufung darauf war unter der Höhe seiner eigenen Worte: "Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust gerechnet." Die luden zeigen jedoch völlig ihren Zustand. Was Paulus sagt, erregt einen Tumult, und der Oberste entreißt ihn ihren Händen. Danach sehen wir, wie Gott alles zu Seiner Verfügung hatte. Ein Schwestersohn des Paulus, der sonst nirgendwo genannt wird, hört von einem Hinter­halt, den man Paulus bereitete, und setzte ihn davon in Kenntnis. 

Paulus sendet den Jüngling zum Obersten, und dieser besorgt, unter Begleitung einer Wache, die Abreise des Apostels nach Cäsarea. Gott wachte über Seinen Knecht, aber alles geht den gewöhnlichen Gang menschlicher Wege und göttlicher Vorsehung. Es ist dort nicht ein Engel, wie bei Petrus, oder ein Erdbeben wie zu Philippi. Wir fühlen, daß wir hier auf einem anderen Boden stehen. Paulus erscheint vor den Obrigkeiten der Reihe nach: vor dem Synedrium, vor Felix, vor Festus, vor Agrippa und schließlich vor dem Kaiser selbst. Wenn er vor ihnen steht, so wendet er sich, je nachdem die Gelegenheit sich darbietet, an ihr Gewissen; und wenn es sich um seine Verteidigung handelt, so haben wir die männlichen und ehrlichen Erklärungen eines guten Gewissens, das über die ihn umgebenden Leidenschaften und Interessen erhaben ist. Ich übergehe mit Stillschweigen den welt­lichen Egoismus, der sich in Lysias und Festus verrät, indem sie sich allerlei gute Eigenschaften und gutes Ver­halten beilegen ‑ die Mischung eines erwachten Gewis­sens mit dem Mangel an Grundsätzen in Felix ‑ den Wunsch der Landpfleger, ihrer eigenen Wichtigkeit hal­ber den Juden zu gefallen oder ihre Regierung über ein aufrührerisches Volk zu erleichtern ‑ sowie die Ver­achtung, die diejenigen empfanden, die für öffentliche Ruhe nicht so verantwortlich waren wie Lysias. 

Die Stel­lung Agrippas und alle die Einzelheiten der Geschichte haben ein merkwürdiges Gepräge von Wahrheit und stellen die verschiedenen Charaktere in einer so le­bendigen Weise dar, daß man sich in die geschilderte Szene versetzt findet. Man sieht die Personen sich gleich­sam bewegen. Dies kennzeichnet überhaupt auf eine treffende Weise die Schriften des Lukas. Noch andere Umstände beanspruchen hier unsere Auf­merksamkeit. Festus, um den luden zu gefallen, bot Paulus an, ihn nach Jerusalem mitzunehmen. Allein Rom sollte in der Verwerfung des Evangeliums der Gnade, des Zeugnisses der Versammlung, seinen Anteil haben; und Paulus beruft sich auf den Kaiser. Festus muß ihn deshalb dorthin senden, obwohl er in Verlegenheit ist, da er nicht weiß, welches Verbrechen er ihm aufbürden soll, wenn er ihn sendet. Ein trauriges Gemälde der menschlichen Ungereditigkeit! Aber alles dient mit zur Erfüllung der Vorsätze Gottes. Durch seine Berufung auf den Kaiser hat Paulus keinen besseren Erfolg als bei seinen Anstrengungen, die Juden zufriedenzustellen, indem er an den Kosten der Opfer teilnimmt, die das Gelübde der Männer erforderte, welche Jakobus ihm empfohlen hatte. Es war vielleicht für das menschliche Auge unter den gegenwärtigen Umständen sein alleiniges Hilfsmittel; aber der Heilige Geist sorgt dafür, daß wir wissen, er hätte in Freiheit gesetzt werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte. In Agrippa erblicken wir Bedürfnisse und ein erwach­tes Gewissen. 

Er wer nicht weit von der Überzeugung von der Wahrheit des Christentums entfernt. Vielleicht wäre er ein Christ geworden, wenn ihm nicht seine Leidenschaften ein Hindernis in den Weg gestellt hätten. Er würde sich gefreut haben, wenn Paulus in Freiheit gesetzt worden wäre. Er drückt seine Überzeugung aus, daß dies hätte geschehen können, wenn Paulus sich nicht auf den Kaiser berufen hätte. Er spricht dem Festus seine Meinung aus als die eines verständigen und red­lichen Mannes; aber im Grunde waren seine Worte dik­tiert von seinem Gewissen ‑ Worte, die er aus zuspre­chen sich erkühnen konnte, wenn Festus und alle die übrigen darin einig waren, daß Paulus nichts getan hatte, was des Todes oder der Bande wert war. Gott wollte, daß die Unschuld Seines geliebten Knechtes vor der ganzen Welt dargetan würde. Seine Rede hat diesen Zweck. Er geht zwar weiter, allein seine Ansicht ist, von seinem Betragen Rechenschaft abzulegen. Seine wunderbare Bekehrung wird erzählt, um seine nach­folgende Laufbahn zu rechtfertigen; allein sie wird so erzählt, daß sie auf das Gewissen Agrippas wirken soll, der mit jüdischen Dingen bekannt war und offenbar wünschte, etwas von dem Christentum zu hören, von dem er vermutete, daß es die Wahrheit sei. 

Deshalb nimmt er diese Gelegenheit, die sich ihm darbietet, den Apostel die neue Lehre auslegen zu hören, mit Begierde wahr. Allein er bleibt beinahe, wo er war. Der Zustand seiner Seele öffnet dennoch den Mund des Paulus, und er wendet sich unmittelbar und besonders an den König, der, augenscheinlich überwältigt von dem Gegenstand, ihn zu reden aufgefordert hatte. Für Festus war dies alles nur Wortschwall. Die Würde in dem Verhalten des Apostels vor all diesen Landpflegern ist vollkommen. Er wendet sich an ihr Gewissen mit einer Selbstverleugnung, die einen Menschen zeigt, dem die Gemeinschaft mit Gott und das Bewußtsein seiner Beziehung zu Gott den Geist über alle Wirkung der Umstände erhob. Er handelte für Gott und mit einer vollkommenen Ehrerbietung gegen die Stellung derer, zu denen er redete; moralisch war er ganz über sie erhaben. je erniedrigender seine Umstände sind, desto schöner tritt diese Überlegenheit an den Tag.

Vor den Nationen ist er ein Gesandter von Gott. Er ist wieder ‑ Gott sei gepriesen! ‑ an seinem rechten Platz. Alles, was er zu den Juden sagte, war richtig und wohl verdient; allein warum war der, welcher von dem Volk überliefert worden war, ihrem gänzlichen Mangel an Gewissen, ihren blinden Leidenschaften, die dem Zeugnis keinen Raum ließen, bloßgestellt? Wie wir gesehen haben, sollte dies so sein, damit die luden in jeder Weise das Maß ihrer Ungerechtigkeit erfüllen möchten. Die Rede Pauli an den König Agrippa liefert uns das vollkommenste Bild der ganzen Stellung des Apostels, wie er selbst sie betrachtete, wenn sein langer Dienst und das Licht des Heiligen Geistes seinen Rückblick er­leuchtete. 

Er redet nicht von der Versammlung: dies war eine Lehre und nicht ein Teil seiner Geschichte; aber er gibt alles im einzelnen, was sich auf seine persönliche Geschichte in Verbindung mit seinem Dienst bezog. Er war ein gewissenhafter Pharisäer gewesen; und hier verbindet er die Lehre Christi mit den Erwartungen der luden. Er war in Banden "wegen der Hoffnung der den Vätern gegebenen Verheißung" * Ohne Zweifel kam die Auferstehung hinzu. Warum däuchte den König die Auf­erstehung etwas Unmögliches? War denn Gott nicht mächtig, die Toten zu erwecken? Dies führt den Apostel auf einen anderen Punkt. Er hatte wahrlich bei sich selbst gemeint, daß er gegen Jesum von Nazareth viel Widriges tun müsse, und er hatte es mit der ganzen Energie seines Charakters und mit dem blinden Eifer eines frommen luden ausgeführt. Sein gegenwärtiger Zustand, als Zeuge unter den Nationen, rührte von der Veränderung her, die die Offenbarung des Herrn in ihm gewirkt hatte, als er damit beschäftigt war, Seinen Namen zu zerstören. In der Nähe von Damaskus hatte ein Licht, das, den Glanz der Sonne übertraf, sie alle zu Boden geworfen; und er allein hatte die Stimme des Gerechten gehört, so daß er aus Seinem eigenen Munde wußte, daß es Jesus war, und daß Er diejenigen, welche an Ihn glaub­ten, als Sich Selbst betrachtete. 

Einem solchen Zeugnis konnte Paulus nicht widerstehen. Da aber gerade seine Mission unter den Nationen für die luden ein großes Herzeleid war, so zeigt er, daß seine Stellung in dieser96Hinsicht von dem Herrn Selbst förmlich verordnet wor­den war. Er war berufen, als Augenzeuge die Herrlich­keit, die er gesehen hatte, d. h. Jesum in dieser Herr­lichkeit zu verkünden, und auch andere Dinge, zu deren Offenbarung ihm Jesus noch erscheinen wollte. Ein herr­licher Christus, der (persönlich) nur im Himmel gekannt wurde, war der Gegenstand des ihm anvertrauten Zeug­nisses. Zu diesem Zweck hatte er Paulus sowohl aus den Juden als auch aus den Nationen herausgenommen, weil seine Sendung unmittelbar dem Himmel angehörte und dort ihren Ursprung hatte; und er war von dem Herrn der Herrlichkeit förmlich zu den Nationen gesandt, um ihre Stellung durch den Glauben an diesen verherr­lichten Jesus Gott gegenüber zu verändern: um ihre Augen aufzutun, um sie zu bringen von der Finsternis zum Licht, von der Gewalt Satans zu Gott, und ihnen ein Erbe zu geben unter denen, die geheiligt sind. 

Das war ein bestimmtes Werk. Der Apostel war nicht unge­horsam dem himmlischen Gesicht: er hatte die Nationen unterwiesen, sich zu Gott zu bekehren und danach als solche zu handeln, die sich also zu Ihm gewandt hatten. Dieserhalb suchten' die Juden ihn zu ermorden. Nichts ist einfacher und zuverlässiger als diese Ge­schichte. Sie setzt die Lage des Paulus und das Betragen der luden ins hellste Licht. Von Festus, der natürlich dachte, daß es nichts als unvernünftiger Enthusiasmus sei, zur Ordnung gerufen (Kap. 26, 24), beruft sich Pau­lus mit vollkommener Würde und schneller Unterschei­dungskraft auf Agrippas Kenntnis von den Tatsachen, auf die dies alles gegründet war; denn die Sache war nicht in einem Winkel geschehen. Agrippa.war nicht weit davon, überzeugt zu werden. Der Wunsch, den Paulus ausspricht, bringt die Sache zu ihrer moralischen Wirklichkeit zurück. 

Die Versammlung wird aufgelöst. Der König nimmt in Höflichkeit und Herablassung seinen königlichen Platz wieder ein und der jünger den eines Gefangenen; aber was auch die Lage des Apostel sein mochte, wir erblicken in ihm ein durchaus glückliches und mit dem Geist und der Liebe Gottes erfülltes Herz. Zwei Jahre Gefangenschaft hat­ten weder sein Herz noch seinen Glauben niedergedrückt, sondern hatten ihn nur befreit von seiner ermattenden Verbindung mit den Juden, um ihm Augenblicke zu ge­ben, die er in Gemeinschaft mit Gott zubrachte. Agrippa ‑ der überrascht und hingerissen wird von der klaren und gradsinnigen Erzählung ‑ bezeugt, daß er in kurzem überredet sei, ein Christ zu werden (V. 28). Die Liebe hätte sagen können: "Wollte Gott, daß du einer würdest!" Aber es gibt eine Quelle in dem Herzen des Apostels, die nicht aufhört mit: "Wollte Gott!" Nein, er sagt: Wollte Gott, daß nicht allein du, sondern auch a 11 e, die midi heute hören, solche würden w i e i ch b in, ausgenommen die Bande" (V. 29). 

Welch ein Glück und weldi eine Liebe (und in Gott gehen beide zusammen) finden sich in diesen Worten ausgedrückt! Ein armer Gefangener, alt und verworfen, am Ende sei­ner Laufbahn, ist reich in Gott. Gesegnete Jahre, die er im Gefängnis zugebracht hatte! Er konnte sich als ein Muster des Glückes vorstellen, denn sein Herz war davon erfüllt. Es‑gibt Zustände der Seele, die sich untrüglich äußern. Und warum sollte Paulus nicht glücklich sein? Seine Trübsale und sein Werk waren gewissermaßen beendigt; er besaß Christum und in Ihm alles. Der ver­herrlichte Jesus, der ihn in die Beschwerden und die Arbeit des Zeugnisses hatte eintreten lassen, war jetzt sein Eigentum und seine Krone'. Dies ist in einem christ­lichen Leben immer der Fall. Das Kreuz im Dienst ‑ kraft dessen, was Christus ist ‑ ist für die Seele der Genuß von allem, was Er ist, wenn der Dienst sein Ende er­reicht hat, und ist in gewisser Hinsicht auch der Maß­stab dieses Genusses. Dies war bei Christo Selbst der Fall in seiner ganzen Fülle; und dies ist auch der Fall bei uns, in unserem Maße, nach der un­umschränkten Gnade Gottes; allein der Ausdruck des Paulus setzt voraus, daß der Heilige Geist völlig in dem Herzen wirkt, so daß es frei ist, alles zu genießen; er .setzt voraus, daß der Geist nicht betrübt ist. 

Ein verherrlichter Jesus ‑ ein Jesus, der ihn liebt ‑ein Jesus, der das Siegel Seiner Genehmigung und Liebe auf seinen Dienst drückt ‑ ein Jesus, der ihn zu Sich in die Herrlichkeit aufnehmen wird und mit dem er ver­einigt ist ‑ ein Jesus, gekannt nach der überschwenglichen Kraft des Heiligen Geistes, nach der Gerechtigkeit Gottes ‑ ein Jesus, der den Vater geoffenbart und durch den er den Platz der Annehmung hatte ‑ dieser Jesus war für Paulus die unendliche Quelle der Freude, der herrliche Gegenstand seines Herzens und seines Glau­bens und erfüllte, da er in Liebe gekannt war, sein Herz mit dieser Liebe, die gegen alle Menschen überströmte. Was konnte er seinen Zuhörern Besseres wünschen, als zu sein wie er war, ausgenommen seine Bande? Wie sollte er, mit dieser Liebe erfüllt, es nicht wünschen, oder von dieser starken Zuneigung nicht voll sein? Jesus war ihr Maßstab. 

Nachdem seine Unschuld völlig ans Licht gestellt und von seinen Richtern anerkannt ist, müssen die Vor­sätze Gottes dennoch erfüllt werden. Seine Berufung auf den Kaiser mußte ihn nach Rom bringen, damit er auch dort Zeugnis ablegen möge. In seiner Stellung hier ist er wieder Jesu ähnlich; aber zugleich wenn wir beide miteinander vergleichen, wird der Diener, so gesegnet er ist, verbleichen und von Christo überschattet, so daß wir nicht länger an ihn denken können. Jesus opferte Sich in Gnade, Er berief Sich nur auf Gott, Er antwortete nur, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; und diese Wahrheit war die Herrlichkeit Seiner Person, Seiner eigenen Rechte, wie sehr Er auch erniedrigt war.

 Seine Person strahlt hervor durch all die finsteren Wolken der menschlichen Gewalt, die keine Macht über Ihn gehabt haben würde, wenn es nicht der Augenblick gewesen wäre, also den Willen Gottes zu erfüllen. Zu diesem Zweck gibt Er der Gewalt nach, die Seinen Feinden von oben gegeben war. Paulus hingegen beruft sich auf den Kaiser. Er ist ein Römer; er besitzt eine menschliche Würde, die der Mensch verliehen hatte und bei dem Menschen gültig war. Paulus macht von dieser Würde Gebrauch. für sich selbst, und Gott erfüllt also Seine Ratschlüsse. Paulus wird gesegnet und sein Dienst; Chri­stus ist vollkommen, der vollkommene Gegenstand des Zeugnisses selbst.

 Jedoch, wenn es nun auch für Paulus keinen freien Dienst des Heiligen Geistes mehr gibt und er in den Händen der Römer ein Gefangener ist, so ist seine Seele doch wenigstens mit dem Geist erfüllt. Zwischen ihm und Gott ist alles Freiheit und Freude. Alles, was dem Apostel begegnet war, wird zu seiner Seligkeit, d. h. zu seinem endlichen Sieg in seinem Kampf mit Satan ausschlagen. Wie gesegnet, also reden zu können durch die Darreichung des Geistes Jesu Christi! Das Wort Got­tes ist nicht gebunden. Andere gewinnen durch seine Bande mehr Kraft und Freimütigkeit, obwohl sie auch einige in dem niedrigen Zustand der Kirche zu ihrem Vorteil benutzen. Allein Christus wird gepredigt und verherrlicht werden, und damit ist Paulus zufrieden (Phil. 1, 15‑20). 0 wie wahr ist es, daß dies die voll­kommene Freude des Herzens ist, es komme, was da wolle! Wir sind sowohl die Gegenstände der Gnade ‑Gott sei gepriesen! ‑ als die Werkzeuge der Gnade im Dienst. 

Christus allein ist der Zweck der Wege Gottes und des vom Heiligen Geist erfüllten Herzens, und Gott si­chert die Herrlichkeit Christi. Nichts mehr ist nötig. Dies selbst ist unser Teil und unsere vollkommene Freude. Man wird in dieser merkwürdigen Geschichte sehen, daß in dem Augenblick, da Paulus am meisten in Not gewesen sein mag ‑ in dem Augenblick, da sein Weg vielleicht am wenigsten nach der Kraft des Geistes war, da er Verwirrung in dqm Rat hervorrief, indem er Gründe hervorbrachte, die er selbst nachher nicht gänz­lich zu rechtfertigen den Mut hatte ‑ daß in diesem Augenblick es ist, wo der Herr ihm voll Gnade er­scheint, um ihn zu ermuntern und zu stärken. 

Der Herr, der ihn zuvor in Jerusalem weggehen hieß, weil sie sein Zeugnis nicht annehmen würden, der ihm Warnungen zukommen ließ, nicht dorthin zu gehen, der aber Seine eigenen Vorsätze der Gnade in der Schwachheit und den rUenschlichen Zuneigungen Seines Knechtes und sogar durch dieselben erfüllte, indem Er zugleich in Seiner göttlichen Weisheit durch dieselben Mittel eine heilsame Zucht an Seinem teuren Knecht ausübte ‑ die­ser Jesus erscheint ihm, um ihm zu sagen, daß, so wie er von Ihm zu Jerusalem gezeugt habe, er auch in Rom zeugen müsse (Kap. 23, 11). Auf diese Weise erklärt der Herr in Gnade die ganze Geschichte in dem Augen­blick, da Sein Knecht alles Peinliche in seiner Lage gefühlt haben mag und vielleicht davon überwältigt wurde, wenn er daran dachte, daß der Geist ihm untersagt hatte, nach Jerusalem zu gehen; denn in der Trübsal ist der Zweifel eine Pein. Der treue und gnadenreiche Heiland tritt deshalb dazwischen, um Paulus zu ermutigen und ihm Seine eigene Deutung von der Lage Seines armen Knechtes mitzuteilen und ihm den Charakter Seiner Liebe zu bezeichnen. Wenn es zu seinem Besten wegen seines Zustandes und um ihn zu vollenden nötig war, Zucht auszuüben, so war Jesus mit ihm in derselben. Nichts ist rührender als die Zärtlichkeit und die passende Zeit dieser Gnade. Überdies, wie wir gesagt haben, er­füllte dies alles die Vorsätze Gottes in betreff der Ju­den, der Nationen und der Welt; denn Gott kann auf e i n e m Wege die verschiedensten Zwecke vereinigen.

KAPITEL 27und28

jetzt zeigt Paulus, da er durch die Gnade hergestellt und sein Mut wieder belebt ist, auf seiner Reise, daß er Herr der Lage ist. Er ist es, der, nach der Mitteilung, die er von Gott empfängt, Rat erteilt; er ist es, der er­mutigt, der in allen Wegen, inmitten der ihn umgeben­den Szene, auf seiten Gottes handelt. Die Beschreibung, voll von Leben und Wirklichkeit, die Lukas, sein Reisegefährte, von dieser Reise gibt, bedarf keiner Er­klärung. Sie ist als ein lebendes Bild der ganzen Szene bewundernswürdig. 

Was uns bezüglich der Reise nach Rom interessiert, ist das Verhalten des Paulus inmitten des falschen Vertrauens oder der Niedergeschlagenheit der ganzen Reisegesellschaft. *Zu Melite sehen wir den Apostel wiederum seine ge­wöhnliche Macht unter dem barbarischen Volk dieser Insel ausüben. Man nimmt wahr, daß Gott mit ihm ist. jedoch wird uns in dem Bericht seines Aufenthaltes daselbst oder seiner Reise dorthin nichts von der Ver­kündigung des Evangeliums gemeldet. 

Gelandet in Ita­lien, sehen wir ihn niedergeschlagen. Die Liebe der Brüder ermuntert und belebt ihn; und er geht weiter nach Rom, wo er zwei Jahre in einem eigenen gemiete­ten Hause wohnt, indem er einen Soldaten als Wächter bei sich hat. Wahrscheinlich hatte man denen, die ihn nach Rom führten, zu verstehen gegeben, daß es nur eine Sache jüdischer Eifersucht sei; denn während der ganzen Reise behandelten sie ihn mit aller möglichen Achtung. 

Bald nach seiner Ankunft in Rom beruft Paulus die Vornehmsten der luden zusammen, und hier wird zum letztenmal ihr Zustand vor uns gestellt sowie das Ge­richt, das stets seit dem Ausspruch der Weissagung über ihrem Haupt geschwebt hatte ‑ eine Weissagung, die besonders mit dem Haus Davids und mit Juda ver­bunden war. Dieses Gericht, das durch Jesaja angekün­digt war und das nach dem Zeugnis des Herrn Jesu auf das Volk kommen sollte, weil es Ihn verwarf ‑dieses Gericht, dessen Ausführung nach der Langmut Gottes aufgeschoben, bis auch das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen worden war ‑ dieses Gericht wird hier am Ende der Geschichte des Neuen Testaments von Paulus in Erinnerung gebracht. 

Das Zeugnis Pauli ist die feierliche Erklärung des wirklichen Zustandes der lu­den durch den Diener der unumschränkten Gnade ‑ eines Zustandes, der fortdauern sollte, bis Gott mit Seiner Macht einschritte, um ihnen Buße zu geben, sie zu er­lösen und Sich an ihnen durch Gnade zu verherrlichen. Wir haben diesen Charakterzug der Apostelgeschichte schon bemerkt, der hier auf eine klare und treffende Weise hervortritt, nämlich die Beseitigung der Juden; das heißt: sie beseitigen sich selbst, indem sie das Zeug­nis Gottes und das Werk Gottes verwerfen. Sie nehmen ihren Platz außerhalb dessen, was Gott aufrichtete, ein. Sie wollen Ihm nicht folgen in dem Fortschritt der Wege Seiner Gnade. Und also werden sie gänzlich zurück­gelassen, ohne Gott und ohne gegenwärtige Gemein­schaft mit Ihm. 

Sein Wort und Seine Güte währen ewig­lich; aber andere nehmen den Platz wirklicher und gegenwärtiger Gemeinschaft mit Ihm ein. Einzelne lu­den treten in eine andere Sphäre und auf einen anderen Grund ein, allein Israel als Volk verschwindet und wird für eine Zeit vor dem Angesicht Gottes hinweggetan. Dies wird in dem Buch der Apostelgeschichte dargestellt. Die Langmut Gottes wird den luden gegenüber in der Predigt des Evangeliums und der apostolischen Mission im Anfang ausgeübt. Ihre Feindschaft entfaltet sich allmählich und erreicht ihre Höhe bei Stephanus. Paulus wird erweckt als ein Zeuge der Gnade gegen sie, wenigstens in der Berufung eines auserwählten Über­restes; denn er war selbst aus Israel. jedoch führt er, in Verbindung mit einem himmlischen Christus, etwas ganz Neues als Lehre ein ‑ die Versammlung, den Leib Christi im Himmel, die das Aufhören alles Unterschiedes zwischen Jude und Heide klar ans Licht stellt, sei es, daß sie als Sünder oder als solche betrachtet werden, die ihren Platz in der Einheit dieses Leibes haben. 

Um die Einheit und den Zusammenhang der Verheißungen zu bewahren, verbindet sich die Entwicklung dieser Lehre mit dem, was zu Jerusalem aufgerichtet war; aber in sich selbst, als Lehre, war die Versammlung ein Geheim­nis, das von den Zeitaltern her in Gott verborgen war, obwohl es sich vor Grundlegung der Welt in Seinen Ratschlüssen der Gnade befand. Die Feindschaft der Juden gegen diese Wahrheit legte sich nie. Sie benutzten jedes Mittel, um die Nationen wider jene, die diese Lehre brachten, aufzureizen und die Bildung der Ver­sammlung selbst zu verhindern. Nachdem Gott bis zum Ende mit vollkommener Geduld und Gnade gehandelt hat, setzt Er die Versammlung an die Stelle der Juden, als Sein Haus und das Gefäß Seiner Verheißungen auf der Erde, indem Er sie durch den Geist zu Seiner Woh­nung macht. Die Juden werden als Volk beiseite gesetzt, obgleich ihr Geist ‑ ach! ‑ sich bald der Versammlung selbst bemächtigte. Die Versammlung ist geoffenbart, und die klare und unzweideutige Lehre, daß es zwischen Jude und Heide keinen Unterschied gibt (da sie von Natur beide Kinder des Zornes waren) und daß sie, als Glie­der e i n e s e i n z i g e n Leibes, gemeinschaftliche und gleiche Vorrechte haben, ist vollkommen dargestellt und bildet die Grundlage jeder Beziehung zwischen Gott und einer jeglichen Seele, die Glauben besitzt. Dies ist die Lehre des Apostels in den Episteln an die Römer und Epheser. 

Zugleich ist die Gabe des ewigen Lebens, als verheißen vor Grundlegung der Welt, offenbar ge­worden durch die Wiedergeburt* ‑ den Anfang eines neuen Daseins, das einen göttlichen Charakter hat und einer göttlichen Gerechtigkeit teilhaftig ist. Beides, das göttliche Leben und die göttliche Gerechtigkeit, ist ver­einigt in unserer Auferstehung mit Christo, wodurch wir vor das Angesicht Gottes gestellt sind wie Christus Selbst, der zugleich unser Leben und unsere Gerechtig­keit ist. Dieses Leben offenbart sich durch Gleichförmig­keit mit dem Leben Christi auf der Erde, der uns ein Beispiel gelassen hat, auf daß wir Seinen Fußstapfen nachfolgen sollen. Es ist das göttliche Leben, geoffenbart in dem Menschen ‑ in Christo als dem Gegenstand und in uns als Zeugnis. Das Kreuz Christi ist die Grundlage und der fundamentale Mittelpunkt all dieser Wahr­heiten ‑ der Beziehungen zwischen Gott und dem Men­schen, wie er war: seine Verantwortlichkeit, die Gnade, die Versöhnung, das Ende des Lebens des Menschen in bezug auf die Sünde, auf das Gesetz und die Welt, die Abschaffung der Sünde und ihrer Folgen in uns durch den Tod Christi. 

Dies alles ist auf dem Kreuz dargestellt oder erfüllt und gibt durch die Kraft des Lebens, das in Christo war, der auf dem Kreuze Gott vollkommen verherrlicht hat, diesem neuen Dasein Raum ‑ einem Dasein, in dem dieser Jesus als Mensch in die Gegen­wart des Vaters ging, durch Dessen Herrlichkeit sowohl als auch durch Seine eigene göttliche Macht und die Kraft des Heiligen Geistes Er aus den Toten auferweckt wurde.Dies verhindert nicht, daß Gott Seine Wege in Seiner Regierung mit den luden auf Erden wieder aufnimmt, wenn die Kirche vollendet und droben geoffenbart sein wird; und Er wird es auch tun nach Seinen Verheißungen

 

* Dieses Wort wird in der Schrift nicht auf unser Wieder­geborensein angewandt, wohl aber auf die Veränderung der Stellung, die mit unserem Gestorbensein und unserer Auf­erstehung verbunden ist. Es wird zweimal gefunden: einmal in Matthäus ig, wo es das kommende Reich Christi ist, und in Titus, wo es die Waschung der Taufe als ein Vorbild der Befreiung aus dem Zustand des alten Adams in den christ­lichen bedeutet, aber unterschieden ist von der Erneuernng des Heiligen Geistes.

 

und den Erklärungen der Propheten. Der Apostel setzt diesen Gegenstand ebenfalls in der Epistel an die Römer auseinander; aber das gehört zur Betrachtung jener Epistel. Die Offenbarung (sowie auch die prophetischen Stellen der Episteln, die auf die Ankunft Christi Bezug haben) zeigt uns die Wege Gottes betreffs der Nationen in demselben Zeitraum, ferner Seine Regierung Über die Welt im allgemeinen von Anfang bis zum Ende, verbunden mit den nötigen Warnungen für die Ver­sammlung, wenn die Tage der Verführung anbrechen und sich moralisch entfalten in dem Ruin der Versamm­lung, die als Zeuge Gottes in der Welt betrachtet wird. Nach Rom gebracht, bezeugt unser Apostel (auf die Offenbarung des Unglaubens unter den luden hin, wor­auf wir besonders aufmerksam gemacht haben), daß das Heil Gottes den Nationen gesandt worden sei; und er wohnt zwei Jahre hindurch in dem von ihm gemieteten Haus, empfängt alle, die zu ihm kommen ‑ denn er hatte nicht die Freiheit, zu ihnen zu gehen ‑ und predigt das Reich Gottes und die Dinge, welche den Herrn Jesum betreffen, mit aller Freimütigkeit, weil niemand ihn hin­dert.

 Hier endet die Geschichte dieses teuren Knechtes Gottes, geliebt und geehrt von seinem Herrn, und ein Gefangener in jenem Rom, das, als Haupt des vierten Reiches unter den Nationen, wie Jerusalem dies unter den luden war, der Sitz des Widerstandes gegen das Reich und die Herrlichkeit Christi sein sollte. Die Zeit für die völlige Offenbarung jenes Widerstandes war noch nicht gekommen; aber der Diener der Versamm­lung und des Evangeliums der Herrlichkeit ist dort ein Gefangener. Auf diese Weise beginnt Rom seine Ge­schichte in Verbindung mit dem von dem Apostel ge­predigten Evangelium. Gott aber war mit Seinem Knecht.

Dembsen Ewald, Die Brücke über den San

05/15/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Brücke über den San

»In der letzten Nacht traf im Lager Friedland wieder ein Transport von Umsiedlern aus Rußland. ein. Es sind fast alles Volksdeutsche aus Polen, die im Kriege von den Russen nach Kasachstan verschlepptwren. In der Mehrzahl Frauen und Kinder.« So ging es durch die Nachrichten im Rundfunk und in den Zeitungen. Von einem Empfang, wie er einst den heimkehrenden Kriegsgefangenen bereitet wurde, war nichts zu hören und zu lesen. Ob sie weniger Anteilnahme verdienten; vielleicht, weil sie »nur« Volksdeutsche waren und die Kinder besser russisch als deutsch sprachen?


Zwei von ihnen lernte ich gut acht Tage später ken-en: Zwei Frauen, die ich auf etwa 60 und 40 Jahre hätzte, betraten meine Amtsstube als Bürgermeister. je hatten hier Verwandte und sollten hier auch Woh-üng und Arbeit finden. Als ich die Geburtstage auf-hrieb, gab die jüngere an: geboren am 10. 9. 1939 in
1.jelikije Zentowka am Sn.
Wjelikije Zentowka am San —10. 9. 1939.—Ich sehe tf und die beiden Frauen an. Plötzlich steht das alles. ieder vor mir, was mich seit den Tagen des »Blitzkrie-es« gegen Polen durch die Jahre als Frage begleitete d meinen Vorgesetzten Anlaß gegeben hatte, mich en den Beförderungen auszuschließen, weil ich kein zackiger« Soldat wäre. Wie war das damals?
Früher Nebel lag noch über den Pregelwiesen um uü, seren Flugplatz, als uns der Einsatzbefehl aus den Betten riß. Den einzelnen Maschinen wurden Sonderaufgaben im Einsatzraum zugewiesen. Wir sollten die Brücke über den San bei Wjelikije Zentowka durch unsere Bomben zerstören, um dem Gegner den Rückzug abzuschneiden.
Es war ein wunderbarer Flug über die ostpreußische Landschaft mit den gelben Gevierten der Stoppelfelder, den braungrauen der Kartoffeln, dem Blaugrün der' Wälder und den dunklen Augen der Seen. »Land der dunklen Wälder und kristallen Seen ... «‚ summte ich vor mich hin. Neben uns die weißen Schaumberge der Haufenwolken, die sich in den großen Wassern spiegelten. Eine stolze und zugleich demütige Freude erfüllte - unsere Fliegerherzen ob der Schönheit der Natur und der Kunst des Fliegens, die dem Menschen diese Wunder erschloß. Wer denkt da an Krieg? Es war ein Flug wie im Frieden. Keine Gegenwehr störte uns, als wir die Weichsel aufwärts flogen. Das mußte schon der San sein, der dort von Osten her seine Fluten der Weichsel zuführt! Und da - ein Blick auf die Karte bestätigte es: Das da ist die Brücke von Wjelikije Zentowka!
Friedlich liegt ein sauberes Großdorf an der geraden Straße, die über die Brücke führt. Bis auf das andere Ufer haben sich die Häuser vorgeschoben. Ringsum Felder, wie wir sie ähnlich in der Heimat überflogen
haben.
Das Graugelbe da müssen Maisfelder sein! Und das Leuchtende dort Sonnenblumep.felder! Einige Bauern brechen mit vier Pferden vor dem Pflug schon die Stop pelfelder um. Das Ganze ein Bild tiefsten Friedens. Die Brücke ist unverteidigt. Am Ufer des San ein paar Frauen beim Wäschespülen. Wir sehen ihr Spiegelbild im stillen Wasser zwischen den Buhnen. Ihre weißen Kopftücher grüßen zu uns herauf wie Wollgrasblüten aus einer grünen Wiese. Und nun winken sie auch mit ihrer nassen Wäsche!
Wißt ihr da unten denn gar nicht, daß Krieg ist? Daß in wenigen Minuten die Trümmer der Brücke über euer Dorf fliegen werden?
Nun kommen sie, durch das fremde Brummen in der Luft angelockt, aus den Häusern und Höfen! Überall zwischen dem Dunkel der Kleidung diese weißen Kopftücher zwischen den Häusern! - Die werden sich wundern, wenn ihnen die Fensterscheiben in die Stuben fallen!
Soll ich sie noch warnen? - Die sollen was erleben! Es ist ja Krieg, und wir sind über Feindesland! - Krieg? Feinde? - Was haben die da unten mir getan —haben die mich durch ihr Winken angegriffen? Ich muß runtergehen und sie wenigstens warnen. Niedrig brausen wir über die Dächer hin, daß das Federvieh erschrocken flüchtet. Eine warnende Garbe aus dem Maschinengewehr wird vom Brummen unserer Motoren übertönt: Ein Winken vieler Hände ist die Folge!
Nun sollen sie aber merken, daß es ernst wird: Ich setze zum Angriff auf die Brücke an. Da kommen sie winkend an den Fluß gelaufen, ja die Kinder, allen voraus, sind mitten auf der Brücke, um besser sehen zu können! Halten die das alles für Spaß? Wissen die nichts vom Krieg, der schon zehn Tage durch ihr Land tobt?
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Und wissen die nicht, was sie von uns zu erwarten haben?
Aber kann ich das verantworten, in diese grüßenden Kopftücher, in diese Kinder auf der Brücke den Tod zu werfen? - »Befehl ist Befehl!« -Und lassen wir unsere Bomben fallen, dann geht nicht nur die Brücke, sondern ein großer Teil des Dorfes diesseits und jenseits der Brücke mit in die Luft! Und die Menschen, diese Menschen?! Nach einem neuen Bogen fliegen wir dicht über der Brücke hin. Sie ducken sich; aber winken zu uns hoch. Und diese Wehrlosen soll ich in den Tod schicken?
»Ich schwöre bei Gott diesen. heiligen Eid, daß ich . . . unbedingten Gehorsam leisten ... «‚ so heißt es im Fahneneid. Jawohl, bei Gott! Und weil ich meinen Eid vor Gott verantworten muß, darum: Nein und abermals Nein!!
Don, der lange, blaue Schlauch in der grünen Wiese, wohl ein alter Arm des San, weit genug weg von Dorf und Brücke, der soll unsere Bomben aufnehmen. Hochauf spritzen die Wasserfontänen. Eine Runde noch über das • Dorf. Kein Arm hebt sich mehr zum Gruß. Wie von Entsetzen gelähmt stehen sie vor ihren. Häusern.
Wir sind zurück. Hatten wir recht getan? Meine Kameraden in der Maschine geben mir die Hand: sie werden schweigen. Wenige Tage später ist der Polenkrieg zu Ende. Ich sage meinem Kommandeur, wie es wirklich war. Er sieht mich lange und unverständig an: »Merken Sie sich: Im Kriege gibt es keine Menschen auf. der anderen Seite, sondern nur Feinde! Mit solcher Ge fühlsduselei kann aus Ihnen nie ein zackiger Soldat werden! Wenn ich die Sache weitergebe, sind Sie geliefert!« Er nahm es mir nicht übel, daß ich bald die Luft mit der Erde vertauschte.
Das alles steht wieder vor mir, als ich schreibe: »Beck, Lydia, geboren am 10. 9. 1939 in Wjelikije Zen-towka am San (Polen)«. Ich sehe über das Formular zu den beiden Frauen hin, deren Gesichter noch die Jahre in der kasachstanischen Steppe widerspiegeln. Und ihre Augen wachen auf, als wir von ihrer Heimat sprechen: jenem alten schwäbischen Kolonistendorf am San. Die Ältere erzählt stolz von dem großen, schmucken Hof, dicht am Ufer, unweit der Brücke über den San.
»Und«, sagte die ältere in ihrem schwerfälligen Deutsch, dem man noch die schwäbischen Reste anmerkt, »als der Pfleger fort war, wurde meine Lydia hier geboren!«
Sie begreifen nicht, warum ich ihnen so herzlich danke, daß sie gekommen sind, zu mir gekommen sind: Das hat ihnen noch keiner hier gesagt.
Aber ich weiß es jetzt ganz gewiß: Wir sind und bleiben Menschen; und kein Eid kann uns die Verantwortung vor Gott füreinander abnehmen. Und wenn ich die Lydia Beck durch unser Dorf gehen sehe, dann sehe ich jene Brücke über den San vor meinen Augen.

​Gottes Herrlichkeit wird sichtbar, Heinz-Horst Deichmann

03/24/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

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Vor Leprakranken in Mandapeta
Vor 22 Jahren war ich zum ersten Mal bei euch hier in Mandapeta. Ich muß euch sagen, ich wurde reich gesegnet durch euch, die ihr hier um mich herum sitzt. Zuerst hatte ich Angst vor euch mit all euren Gesichtern, die die Zeichen der Lepra tragen. Doch dann sah ich, wie mein Bruder, John David, euch umarmte und• euch die Hand schüttelte. 

Und plötzlich kam es in mein Herz: Auch unser Herr Jesus Christus, dem wir dienen und dessen Evangelium wir predigen wollen, berührte euch. Er umarmte euch, weil er euch liebte. Er heilte die Leprakranken, weil er sie liebte. Er hatte Mitleid mit ihnen. Heilung und Speisung sind Dinge, die unser Herr tat und die wir auch tun. Doch noch wichtiger ist die ewige Speise. Jesus sagt: "Ich bin das Brot des Lebens." Ihr habt von dem Brot gegessen, das Jesus Christus ist. Ihr habt von dem Blut getrunken, das am Kreuz von Golgatha vergossen wurde zu eurer Rettung. Das wurde mir bewußt, als wir mit 500 Menschen in Mandapeta zusammen waren, mit Brüdern und Schwestern im Herrn, als wir das Brot zusammen aßen und den Wein zusammen tranken, ich selbst schob einigen das Brot zwischen ihre Lippen und goss einigen den Wein in den Mund, denn sie hatten keine Hände, keine Finger, um es selbst zu tun. 

Da wurde mir plötzlich bewußt: Der Herr ist mitten unter euch. Ich sah eure leuchtenden Gesichter. Im Epheserbrief heißt es in einem Vers: "Er ist in euch," Wisst ihr, er wird in euch leben. Er schickt seinen Heiligen Geist herab zu euch, in euch hinein. Christus ist in euch: die Hofihung auf die Herrlichkeit. Gottes Herrlichkeit spiegelt sich in euren Gesichtern wider.
Im 2. Korintherbrief, Kapitel 4, Vers 6 lesen wir, dass Gott die Welt aus der Dunkelheit erschaffen hat. Er, Gott, sprach: "Es werde Licht!" Und es wurde Licht. Es heißt dann weiter: Gott scheint in unsere Herzen, damit durch uns alle Menschen Gottes Herrlichkeit erkennen sollen, die in Jesus Christus sichtbar wird. Es ist Gott selbst, der die Dunkelheit aus unserem Herzen vertreibt, Er schenkt das Licht, das in unserem Herzen scheint. Wir sehen seine Herrlichkeit in Jesus Christus.
Jesus Christus war nicht wie einer der irdischen Könige. Er verließ den Himmel, er verließ seinen Vater, um für uns da zu sein. Er wurde arm wie ihr, wie wir alle. Und dann gab er sein Leben für uns.
Er litt für uns. Am Kreuz starb er mit ausgestreckten Armen für uns Er streckte seine Hände zu uns aus Das ist Gottes Liebe zu uns Keiner von euch oder von uns wird so leiden, wie Jesus für uns gelitten hat. Ich sehe Gottes Herrlichkeit auf euren leuchtenden Gesichtern. Wir sehen Gottes Herrlichkeit im Angesicht des sterbenden Jesus aufstrahlen. Es ist Gottes Kraft, die die Macht des Teufels besiegt hat wie auch alle schlechten Dinge, alle Missetaten und alles, was wir gegen Gott getanhaben.
Gott nahm das Opfer von Jesus Christus an. Jesus wurde von den Toten auferweckt. Am dritten Tag erstand er von den Toten. Er lebt jetzt zur Rechten Gottes. Er wird immer der Gekreuzigte bleiben.
Das ist das Wunder, das wir nicht verstehen können. Er ist das geschlachtete Lamm am Thron Gottes im Himmel. Alle Macht im Himmel und auf der Erde wurde ihm gegeben. Wir sind nicht allein. Jesus Christus lebt. Er ist jetzt auf der Erde gegenwärtig, gerade weil er im Himmel auf Gottes Thron ist. Und er wird wiederkommen. Dann wird die Erlösung beendet. Er wird uns unsere eigene Auferstehung bringen. Wir werden alle an dieser Auferstehung teilhaben, an diesem neuen Leben, das wir durch den Geist schon erhalten haben. Aber dann wird es sichtbar werden.

Wir warten also auf jenen Tag. Aber wir sind hier nicht allein. Wir haben hier Brüder und Schwestern. Und wir sind Diener von Jesus Christus. Wir alle wollen ihm dienen. Wie können wir es tun? Wie können wir dem lebendigen Gott dienen? Wir sind voller Sünden und Fehler. Jeden Tag sündigen wir. Aber es gibt Vergebung durch Jesus Christus. Wir sind mit unserer Schuld nicht allein. Er gibt uns seine Kraft. Denn er schickt seinen Geistauf die Erde, nicht nur zu Pfingsten. Er tut es jeden Tag, wenn ein Mann oder eine Frau oder ein Kind zum Glauben an Jesus Christus als Erlöser kommen. Durch diesen Heiligen Geist haben wir Gaben erhalten. Wir wollen euch also in der Kraft Gottes dienen. Durch Gottes Gnade, durch Gottes Gaben. Darum sind wir für Gottes Gnade dankbar. Darum sind wir für die Gemeinschaft mit euch dankbar. Vielleicht kommt ihr uns entgegen, wenn wir in den Himmel kommen. Ihr werdet dort sein. Wir werden uns dort in der Ewigkeit wiedersehen. Ihr werdet völlig geheilt werden. Laßt uns den Herrn loben. Preist den Herrn! Halleluja! Amen.

Quelle

ISBN:    9783935170000 
Format:    19 x 12,5 cm
Seiten:    128
Gewicht:    220 g
Verlag:    Selbstverlag
Einband:    Hardcover mit Bildumschlag

Adeles Wandlung Käthe Dorn

01/23/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

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Inhalt
1. Kapitel Hätt' ich's doch auch so gut!
2. Kapitel Keine Pflichten
3. Kapitel Emsig wie die Bienchen . .
4. Kapitel Mit heller Freude

1. Kapitel
Hätt' ich's doch auch so gut!
»Adele! Du Ideal einer überfleißigen Haustochter, hörst du denn gar nicht? Ich hab dich schon wer weiß wie oft gerufen. Kannst du nicht auf ein. paar Augenblicke zu mir herüberkommen? Ich möchte dir so gern mein neues Mädchenstübchen zeigen, das Papa mir nach meiner Heimkehr aus der Pension hat einrichten lassen.«

Über der wilden Rosenhecke am Gartenzaun tauchte ein dunkler Mädchenzopf auf - und bald wurde die ganze Gestalt einer sehr jungen Dame sichtbar, die noch im Backfischalter stand.
Die Gerufene wandte den Kopf und sah lächelnd zu ihrer liebsten Freundin empor, die jetzt droben auf der Gartenmauer kniete und sich mit beiden Händen an den Zweigen eines blühenden Apfelbaums festhielt.
»Gerda! Du wirst herunterstürzen«, riet sie besorgt.

»Ach, keine Ahnung«, lachte der Wildfang, »ich hab' Übung im Klettern wie ein Eichkätzchen - « und mit einem raschen Satz schwang sie sich über die Brüstung und sprang gerade vor Delas Füßen nieder in das weiche Gras.
Adele machte eine beschwichtigende Bewegung und zeigte mit der Hand auf einen nicht weit davon stehenden Kinderwagen, dessen himmelblaue Vorhänge sorglich zugezogen waren.
Gerda nahm eine schmollende Miene an. »Natürlich schon wieder stellvertretende Mutterpflichten, wenn man dich einmal auf ein halbes Stündchen haben will, als ob der Bengel das einzige Anrecht auf dich besäße. Wozu hat er denn
Hanne, das Ideal einer Kinderfrau?«

»Papa meint, es sei meine Pflicht, ihn unter meine besondere Obhut zu nehmen. Du weißt ja, daß Mama beständig leidend ist.«
»Na du! Das wird aber unbequem mit der Zeit. Ich glaube, ich eignete mich wenig dazu. Huh, wie langweilig!« Gerda schüttelte sich lachend.
Adele seufzte leise. »Ja du! Du hast es viel besser in allem. Von dir verlangt niemand einen Dienst. Du hast keine jüngeren Geschwister und auch keinen großen Bruder, der fortwährend Anspruch auf Gefälligkeiten erhebt«
Gerda lachte leise auf. »Um den würde ich mich gerade kümmern! Der dankt dir's doch sicher nicht. Hab' ich recht?«
Dela nickte. »Er tut immer, als könnte er alles als sein gutes Recht verlangen.«
»Na, siehst du, du bist eben ein kleines Schäfchen. Jetzt komm aber, derjunge schläft ja wie ein Murmeltier; der wird wohl ein Viertelstündchen allein bleiben können.«

Sie zog die Halbwiderstrebende mit sich fort durch das Pförtchen in den nachbarlichen Garten. Leichtfüßig eilten die beiden schlanken Gestalten durch die schattigen Wege dem Hause zu und standen bald darauf in Gerdas Mädchenstübchen. Adele stand still vor Staunen und konnte sich nicht satt sehen an all der Pracht und dem Luxus, der hier vereinigt war.
»Na, Kind, so sag doch etwas!«
»Ach, Gerda, du mußt doch überglücklich sein«, sagte Dela langsam.
»Überglücklich?« Gerda lachte und drehte sich auf dem Absatz herum. »0 ja, es ist wirklich nett geworden. Aber weißt du, Schatz, mit der Zeit fängt alles an, langweilig zu werden. Man sieht sich bald satt an dem Zeug.«
Die beiden jungen Mädchen setzten sich auf das zierliche Sofa und tauschten Pensionserinnerungen aus. Sie waren ganz versunken darin und vergaßen darüber die flüchtige Zeit. Plötzlich fuhr Adele erschrocken auf. Aus dem Nachbargarten war klägliches Weinen gedrungen. »Um Gotteswillen, das Kind!« Sie stürzte ans Fenster.

»Hab doch nicht solche Angst«, beruhigte sie Gerda. »Du siehst ja, Hanne bietet bereits ihre schätzenswerten Kenntnisse auf, es zu beschwichtigen.« Sie suchte die Freundin zu halten, aber Dela war es ungemütlich geworden. Sie eilte davon. Als sie durch das Mauerpförtchen trat, kam eben die Mama eilig aus dem Hause. Auf ihrem feinen, blassen Antlitz lag der Ausdruck des Schreckens. Dela senkte den Blick vor den dunklen Augen der Mutter, sie las einen Vorwurf darin.
»Verzeih, Mama«, sagte sie, an das Bettchen tretend, »Ich glaubte, Armin schliefe fest; ich wollte auch nicht so lange bleiben. Gerda wünschte mir nur ihr neues Zimmer zu zeigen.«
Die junge Frau strich ihr leise über das blonde Haar. »Ich gönne dir's ja von Herzen, wenn du mit deiner Freundin zusammen bist. Es tut mir leid, daß ich dir das Kind sooft zur Last legen muß.«
»Aber Mama!« Delas Gesicht überzog sich mit dunkler Glut. Der Mutter Sanftmut traf sie härter, als eine Strafpredigt es getan hätte. »Du siehst wirklich sehr schlecht aus, Mama! Bitte, schone dich, ich gehe nicht wieder fort von dem Kleinen!«

»Du bist mein gutes Kind«, sagte die junge Frau leise. Sie sah der Stieftochter freundlich in die Augen und kehrte ins Haus zurück.
Adele sah ihr nach. Sie merkte es der schwankenden Gestalt an, wie schwer ihr jeder Schritt wurde, und heiße Beschämung stieg in ihr auf. Sie gelobte sich, in Zukunft nicht wieder pflichtvergessen zu sein. Aber sie atmete doch wie erlöst auf, als das Kind abends in seinem Gitterbettchen lag und ihre Aufgabe für den heutigen Tag erfüllt war. Nach dem Abendbrot huschte sie noch ein wenig in den Garten hinab, wo die Freundin schon ihrer harrte, und bald wandelten beide, lebhaft plaudernd, Arm in Arm durch die schattigen Gänge.
»Hast du deinen Schreihals für heute endgültig zur Ruhe gebracht?« warf Gerda im Laufe des Gesprächs hin. »Es gab wohl eine große Strafpredigt heute nachmittag von Seiten der gnädigen Frau Mama?«
Adele errötete. »Mama schilt nie; sie ist immer gut Zu mir.«
»Hm, ja! So sieht's aus. Immer sanft wie ein Reh. Aber in den gewiß wunderschönen Augen steht eine ewige Anklage gegen ihre große Tochter geschrieben. Ich bin fest überzeugt, du machst ihr nichts recht«, schloß sie im Tone innigster Überzeugung.

Adele stimmte nicht mit ein in die lieblosen Äußerungen der Freundin, aber sie widersprach auch nicht. Schweigend ließ sie den Redestrom über sich ergehen, und dabei regte sich leise in ihrem Herzen der alte Trotz, mit dem sie der Stiefmutter zuerst begegnet war. Die weiche Regung von heute nachmittag war vergessen. Sie schämte sich derselben jetzt fast.
»Adele!« klang es plötzlich in den Garten hinab. Eine jugendfrische, kräftige Männerstimme rief der Schwester Namen. »Komm herauf, es wird kühl unten.«

»Horch! Dein gestrenger Herr Bruder ruft; da will ich dich ja nicht abhalten. Gute Nacht, mein Herz!« Gerda küßte die Freundin zärtlich und huschte über den Kiesplatz dem nachbarlichen Garten zu. Adele stieg langsam die Treppe empor; sie war wie traumbefangen, aber es war ein böser Traum. Die Äußerungen der leichtfertigen Freundin hatten Gift in ihre junge Seele geträufelt. Als sie oben ankam, suchte sie ihr Zimmer zu erreichen. Sie tat, als sähe sie den Bruder nicht, aber dieser vertrat ihr den Weg und faßte nach ihrer Hand.
»Dela«, sagte er im Ton ernsten Vorwurfs, »ich bitte dich, verkehre nicht so viel mit dieser Gerda Walther. Sie verdirbt dein junges Gemüt.«

Das junge Mädchen machte sich hastig frei. »Du gönnst es mir nicht, daß ich eine treue Freundin habe. Was habe ich denn überhaupt sonst?« sagte sie in ausbrechender Bitterkeit. »Ihr alle findet ewig zu tadeln an mir. Gerda ist die einzige, die mich wirklich lieb hat.«
»Adele, das glaubst du doch selber nicht. Sieh, ich meine es nur gut. Du hast schon gelitten unter diesem Einfluß, du bist nicht mehr das liebevolle Kind, das ich so liebte.«

»Das weiß ich längst«, gab sie trotzig zurück. »Du verhätschelst nur noch Lore, das wilde Ding.«
»Bist du es nicht selbst gewesen, die mir das Vertrauen entzogen hat?« entgegnete der Bruder schmerzlich bewegt. »Wäre es nicht besser, wir ständen wie früher treu zusammen und freuten uns gemeinsam an dem sonnigen Wesen unserer herzigen Lore - und ja und nähmen auch gemeinsam warmen Anteil an unserm lieben Nesthäkchen, das unsern Familienkreis bereichert hat?«
»Armin, meinst du? Kümmere ich mich etwa nicht um ihn? Sehe ich nicht auch Lores Schularbeiten täglich durch und halte ihre Sachen in Ordnung? 

Oder lasse ich etwa einen deiner Wünsche unberücksichtigt? Was willst du eigentlich noch mehr von mir? Willst du etwa mein Benehmen gegen Papas zweite Gattin tadeln? Habe ich ihr je den schuldigen Gehorsam verweigert?« -
»Das nicht, Adele!« gab der Bruder ernst auf dieses große Fragenheer zurück. »Du erfüllst deine Pflichten wohl gewissenhaft -‚ aber nicht mit freudigem Herzen, besonders Mama gegenüber. «
»Zur Liebe gegen sie kann ich mein Herz nicht zwingen«, entgegnete sie ihm trotzig. »Ich liebe meine selige Mama, die steht mir höher. Aber du hast keinen Funken Pietät für die Verstorbene, du hängst an der neuen Mutter wie ein kleines Kind.«

Der junge Mann erblaßte leicht. »Adele, vergiß dich nicht! Du weißt selbst am besten, wie tief wir beide unserer eigenen Mutter nachgetrauert haben!«
»Bis die von dir angebetete Stiefmutter kam,« murmelte Adele verbittert vor sich hin. Kurt überhörte diesen Einwurf geflissentlich und fuhr ruhig fort: '>Aber ich habe es meinem Vater nicht verdenken können, daß er eine zweite Frau in sein Haus einführte, zu dessen alleiniger Führung du noch zu jung warst, liebes Schwesterchen. Und ich muß sagen, ich habe Mamas stilles, sanftes Wesen, ihr edles, selbstloses Herz kennen und schätzen gelernt und kann ihr deshalb meine Hochachtung und auch eine gewisse Zuneigung nicht versagen. 

Denn sie ist uns Kindern aus der ersten Ehe wirklich mit warmem Herzen entgegengekommen. Doch sie drängt dabei ihre Liebe niemandem auf. Ich weiß aber, daß es sie bitter schmerzt, daß gerade du, an der sie am meisten zu hängen scheint, ihre dir mehr schwesterlich-freundschaftlich entgegengebrachte Liebe so wenig erwiderst. «
Adele hatte die letzte Rede ihres Bruders schweigend angehört. Sie war nachdenklich dabei geworden. Ihre Hand lag unentschlossen auf der Türklinke, in ihrem jungen Herzen kämpfte es. Doch ach! Dann siegte der von Gerda aufgewühlte Trotz in ihr. Sie wandte sich zum Gehen. »Wünschst du vielleicht noch etwas?« fragte sie halb über die Schulter zurück.
»Nein, ich danke dir, Adele! - Möchtest du aber nicht noch einmal nach Mama sehen? Sie scheint heute sehr leidend zu sein.«
»Hat sie nach mir gefragt?«

»Das nicht! Aber sie würde sich vielleicht freuen, wenn du von selber kämst.«
Adele schwankte einen Augenblick. Dann klinkte sie rasch die Tür ihres Mädchenstübchens auf. »Ich will sie nicht mehr stören, es ist schon spät. Gute Nacht!«
Noch ehe der Bruder auf die letzte Entgegnung antworten konnte, stand er vor der verschlossenen Tür. Er wandte sich mit einem tiefen Seufzer um und schritt in sein eigenes Zimmer.
Der nächste Morgen fand die Familie am Kaffeetisch vereinigt. Die Mutter saß, blaß und still, aber freundlich lächelnd, im Kreis ihrer Lieben. Der Vater schien Eile zu haben; Kurt rührte, ernst vor sich hinblickend, in seiner Kaffeetasse, selbst Lore war heute merkwürdig still. Das Brüderchen schlief noch.
Adele hatte ihr Frühstück schon beendet. Sie strich schweigend die Brötchen für Vater und Bruder zum Mitnehmen und wickelte sie ein. Da kamen die Postsachen an und brachten etwas Leben in den stillen Kreis; besonders erweckte ein an die Hausfrau gerichteter Brief allgemeines Interesse.

»Meine Schwester Marie hat sich zu mehrtägigem Besuch angemeldet«, wandte sich die junge Frau, nachdem sie den Brief überflogen hatte, an ihren Gatten und reichte ihm das offene Schreiben hin. »Ist es dir recht, wenn sie kommt, Arno?«
»Natürlich, mein Herz«, beeilte sich dieser zu versichern. »Es ist mir sogar sehr lieb, denn ich kann dir ohnehin jetzt so wenig Zeit widmen. Der Gang des Geschäftes erfordert meine ganze Kraft.«
»Auch mich freut es um deinetwillen, Mama«, warf Kurt lebhaft ein.
Lore war von ihrem Sitz herabgeglitten und schmiegte zärtlich ihr dunkles Lockenköpfchen an der Mutter Knie.
»Mama, wie sieht denn die Tante aus?« forschte sie nach Kinderart. »Auch so schön wie du?«
Die junge Frau lächelte und strich sanft über das Haar der Kleinen. »Jedenfalls sieht sie lieb und freundlich aus. Wirst du sie auch liebhaben, mein Kind?«

»Freilich, Mama, so lieb wie dich!« und Lore kletterte ihr flink auf den Schoß und schlang beteuernd die kleinen Arme um ihren Hals.
Die Mutter drückte sie an sich, ihre Augen aber schweiften hinüber zu Adele, die ruhig ihrer Beschäftigung nach ging, als ginge sie die ganze Sache gar nichts an.
»Nun, was meint denn meine große Tochter dazu? Bist du auch einverstanden, Dela?«
»Gewiß, Mama! Ich habe nie etwas gegen deine Anordnungen einzuwenden.« Es klang freundlich, aber es lag auch nicht ein Hauch von Herzlichkeit in ihrer Stimme.
Die junge Frau fühlte es und wandte sich schweigend ab; ein schmerzliches Zucken lief um ihren Mund. Dann stand sie auf, den beiden Herren, die sich zum Weggang rüsteten, Lebewohl zu sagen. Herr Werner küßte seine junge Frau, und Kurt zog artig ihre Hand an seine Lippen. Dann reichte er Adele die Hand und suchte ihr dabei in die Augen zu sehen. Aber Dela behielt dieselben hartnäckig gesenkt.
Es waren nicht gerade sehr freundliche Gedanken, die hinter der weißen Stirn kreisten.
»Für mich gibt es nur wieder neue Pflichten«, war ungefähr ihr Gang; »Das Vergnügen will ich den andern überlassen.«
Adele hatte sich so in diese Anschauung der Dinge verrannt, daß sie sich förmlich darin gefiel, sich selbst für eine Märtyrerin zu halten.
Sie bemühte sich daher, alles als aufgelegte Last mit ruhiger Würde zu tragen. Wie schwer sie dadurch sich und allen andern das Leben machte, ahnte sie nicht. Am meisten litt die junge Stiefmutter darunter. Sie hätte sich gern den Weg zum Herzen der Tochter gebahnt, aber alle ihre Versuche prallten ab an der gleichmäßigen, ruhigen Freundlichkeit, die jedes wärmere Gefühl ausschloß. Sobald Vater und Bruder das Zimmer verließen, griff Adele nach dem Schlüsselkörbchen.
»Ich will gleich nach dem Rechten sehen im Gaststübchen.«
»Nimm mich mit Dela«, sagte die junge Frau in fast bittendem Tone. »Wir wollen das Stübchen der Tante gemeinsam schmücken.«
»Bemühe dich nicht, Mama. Du sollst dich ja nicht anstrengen«, klang es kühl zurück, und ohne eine Antwort abzuwarten, war Adele hinausgeeilt.
Die junge Frau seufzte tief auf. Sie trat ans Fenster und schaute schweigend hinaus in den morgenfrischen Garten. Dann schweifte ihr Blick durchs Zimmer. 

Es war alles so schön darin. Warum sie sich nur nicht so recht von Herzen daran zu freuen vermochte? Trug nicht ihr Gatte sie auf den Händen; begegnete ihr nicht Kurt stets zart und ritterlich, und hing nicht Lore mit ganzer Zärtlichkeit an ihr? Und besaß sie nicht noch ein besonderes Glück - ihr eigenes Kind? Es blühte so viel Liebe um sie her. Doch anstatt sich darin reich zu fühlen, verzehrte sie sich um das eine Herz, das sich ihr entzog. Sie schalt sich selbst töricht! Aber sie mußte immer und immer wieder um die Liebe ihrer großen Tochter werben, obwohl sie nur Niederlagen, Schmerz und Enttäuschung von ihrer Seite erfuhr.
Ein schwerer Seufzer hob ihre Brust. Sie wandte das Auge flehend zum Himmel empor. »0 Gott! Ich kann nicht mehr. Du weißt, ich wollte ihr eine gute Mutter, eine Vertraute und schwesterliche Freundin sein. Wie soll ich ihr noch anders begegnen? Ach Herr! Erbarme du dich über diesen Mißklang unserer Herzen.«

»Mutti! Du hörst ja gar nicht, daß Armin weint«, weckte sie endlich Lore aus ihren düsteren Betrachtungen.
Die junge Frau fuhr erschrocken zusammen und eilte ins Nebenzimmer.
Der Kleine saß aufrecht im Bett. »Mama fort!« weinte er kläglich. Als er die Mutter sah, flog es wie Sonnenschein über sein Gesichtchen. Er streckte ihr die Arme entgegen, und die Mutter preßte ihn zärtlich an sich. Jetzt leuchtete das Antlitz der jungen Mutter im reinsten Glück. Sie kleidete selbst ihren kleinen Sohn an, während Lore in der Küche das Frühstück für ihn bestellte. Dann begaben sich alle drei in den Garten.
Der Vormittag verfloß still und ruhig. Ab und zu ging die junge Frau ins Haus zurück, um hier und da nach dem Rechten zu sehen. Dabei traf sie Dela, die dann sehr eifrig war in ihren häuslichen Beschäftigungen.
»Nimm dir Zeit, mein Kind«, rief sie ihr freundlich zu. »Laß mich lieber ein wenig helfen, wenn dir 's zuviel wird.« »Nein, Mama, ich danke dir; ich tue ja nur meine Pflicht. « Man sah am Ausdruck ihres Gesichtes, wie sauer ihr dies wurde, und doch hätte sie der Stiefmutter kin Haarbreit davon abgetreten. Sie haßte das Wort »Pflicht« und beneidete Gerda, die mit ihrer Zeit nach Belieben schalten und walten konnte. 

Es lebte ein starker Trotz in ihr, der es nicht zuließ, der Stiefmutter etwas von ihren Rechten abzutreten, die sie vor deren Eintritt ins Haus als große Tochter besessen hatte, obgleich sie sich scheinbar immer den Wünschen der Mama fügte.
Die junge Frau fühlte diese Macht wohl; es widerstrebte jedoch ihrer sanften Natur, sie zu brechen. So fügte sie sich um des lieben Friedens willen. Aber sie fühlte, daß sie sich heimlich verzehrte an diesem Schmerz, daß ihr körperliches Befinden nicht besser wurde, solange dieser Druck auf ihrer Seele lag. - Da dachte sie an ihre Schwester Marie. Ein neuer Hoffnungsfunken glomm in ihr auf. Vielleicht gelang es dieser, mit ihrem klaren, bestimmten Wesen einen Einfluß auf das junge Mädchen zu gewinnen. Sie sehnte ihre Ankunft mit fast krankhafter Ungeduld herbei.
Nun war die Tante da. Sie war mit großem Jubel empfangen worden und hatte gleich am ersten Tage die Herzen für sich gewonnen. Selbst Adele hatte sich dem Einfluß ihres angenehmen Wesens nicht ganz entziehen können.
Tante Marie wußte schon nach einigen Tagen, wie es im Hause stand. Mit klarem Blick hatte sie alle Verhältnisse durchschaut und benutzte das erste ungestörte Alleinsein mit der geliebten Schwester, diese zu bewegen, sich gründlich auszusprechen.
Die junge Frau zögerte erst, denn es widerstrebte ihr, die
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Anklagen gegen Dela zu erheben.
Die ältere Schwester aber wußte, wo der Haken saß. »Es ist deine Tochter, welche dir Kummer macht, nicht wahr?« fragte sie in warmer Anteilnahme.
Die junge Frau antwortete nicht, sie nickte nur leise, während eine Träne über ihre bleichen Wangen rollte.
Die andere aber fuhr mit sanftem Vorwurf fort: »Du behandelst sie aber auch ganz falsch, meine Else. Du beugst dich viel zu sehr unter ihren Willen, während doch der deine im Hause gelten sollte. Das ist nicht die gottgewollte Ordnung, daß die Tochter über die Mutter herrscht.«

»Ja, ich weiß, ich bin schwach gegen sie«, gab Else zu. »Doch ich wollte ihr gegenüber nicht die Stiefmutter herauskehren, sondern ihr mehr als Schwester und Freundin entgegenkommen, weil Dela schon erwachsen war. Das hatte ich mir so schön gedacht. Aber mein Kind versteht mich nicht. Sie betrachtet mich als die Fremde, während ich ihr doch so gerne nähertreten möchte.«
»Armes Herz!« tröstete Marie sie mitleidig. »Doch wir wollen nicht verzagen, sondern dem Herrn vertrauen, der alles ändern kann. Wir aber müssen auch an unserm Teile tun, was wir in eigner Kraft vermögen, damit euch beiden geholfen wird.«
»Wenn ich nur wüßte, wie ich's anfinge«, seufzte die junge Frau, »ich sehe auch gar keinen Ausweg.«

»Aber mir hat Gott einen gezeigt. Und deshalb wollte ich dich bitten: Gib mir deine große Tochter mit auf einige Zeit. Sie muß einmal ganz aus ihren jetzigen Verhältnissen herausgerissen werden, bis sie sich wieder danach sehnt.«
»Wenn du das wolltest, Marie! Aber ich fürchte, da wirst du sie lange behalten müssen. Und wenn Dela die Absicht merkt, wird sie wohl mißtrauisch werden. Sie ist so leicht zu verstimmen. «
»Davor ist mir nicht bange«, meinte Tante Marie fröhlich. »Ich habe als guter Feldherr das Terrain schon sehr gründlich untersucht und auch bereits den Schlachtplan entworfen. Laß mich nur machen. Ich bringe dir meine kleine Gefangene eher wieder als du denkst und ich hoffe sogar, vollständig besiegt. «
»Ich danke dir, Marie«, sagte die junge Frau warm. »Du machtest mein Glück vollkommen, wenn dein Plan gelänge.«
»Vollkommen kann es nur einer machen, der auch noch in euer Haus kommen muß - Jesus!« ergänzte Marie leise.
»Ja, du bist viel weiter im Glauben als ich, könnte ich doch auch so vertrauen wie du«, gestand die jüngere Schwester mit einem tiefen, sehnsuchtsvollen Seufzer ein.
Die ältere tröstete sie freundlich und ermunterte sie noch, ihre Augen aufzuheben zu den Bergen, von denen die Hilfe kommt. Sie selber aber wollte gern Gottes Handlanger dazu sein.

Francke ISBN 4 88224 562 X

Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby (1)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Einleitung

Mit einer gewissen Furcht behandle ich den auf das Neue Testament bezüglichen Teil unserer Betrachtungen, wie groß auch der Segen sein mag, der eine solche Arbeit begleitet. Das Zusammenströmen und zugleich die Aus­dehnung des göttlichen Lichtes im Neuen Testament, die­ser köstlichen Gabe Gottes, die unermeßliche Tragweite der ‑darin enthaltenen Wahrheiten, die unendliche Man­nigfaltigkeit der Gesichtspunkte und richtigen Anwendun­gen einer und derselben Stelle, sowie der Beziehungen dieser Stelle zu dem ganzen Umfang der göttlichen Wahr­heiten, die unermeßliche Wichtigkeit dieser Wahrheiten, sei es, daß man sie an und für sich oder im, Blick auf die Herrlichkeit Gottes und die Bedürfnisse der Menschen betrachtet, die Art und Weise, wie diese Wahrheiten Gott offenbaren und den Bedürfnissen des Menschen begegnen ‑ alle diese Erwägungen, die ich nur sehr unvollkom­men auszudrücken vermag, lassen jeden demütig gesinnten Menschen vor der Anmaßung zurückschrecken, einen wahren und (selbst dem Grundsatz nach) entsprechenden Begriff von der Absicht des Heiligen Geistes in den Bü­chern des Neuen Testamentes geben zu wollen. 

Und je mehr die Wahrheit selbst geoffenbart ist, je mehr das wahre Licht leuchtet, desto mehr muß man seine Unfähigkeit fühlen, darüber zu reden, desto mehr muß man befürch­ten, das Vollkommene zu verdunkeln. Je reiner die Wahr­heit ist, mit‑der wir uns beschäftigen (und mit der Wahr­heit selbst haben wir es hier zu tun), desto größer ist die Schwierigkeit, sie anderen vorzustellen, ohne ihre Rein­heit irgendwie zu beflecken, und desto verhängnisvoller ist dann diese Befleckung. Wenn wir die eine oder andere Stelle betrachten, so können wir zum Nutzen anderer das Maß des Lichtes mitteilen, das uns gegeben ist. Wenn wir aber eine Vorstellung von dem Neuen Testament als Ganzes geben wollen, so stellt sich die ganze Vollkommenheit der Wahrheit selbst vor unseren Geist, sowie die Gesamtheit des Vorsatzes Gottes in der Offenbarung, die Er von ihr gegeben hat; und man zittert bei dem Gedanken, eine wahre und allgemeine, wenn auch nicht vollständige Darstellung geben zu wollen, welch letzteres sich gewiß kein ernster Christ anmaßen wird.