Was die Auslegung selbst betrifft, so kann man das Neue Testament (da sich die Wahrheit, Licht und ewiges Leben in dem darin Geoffenbarten finden) von so vielen Gesichtspunkten aus betrachten, daß dadurch die tatsächliche Schwierigkeit noch bedeutend‑vermehrt wird.
Denn man kann diese Wahrheit nach ihrem inneren und wesentlichen Wert, als die Offenbarung der ewigen Natur Gottes, oder in ihrer Offenbarung bezüglich der Herrlichkeit des Sohnes betrachten; man kann ferner ihre Beziehungen und Gegensätze erwägen zu den stückweisen alttestamentlichen Mitteilungen, die sie erfüllt und durch ihren eigenen Glanz verdunkelt, sowie zu der Haushaltung der irdischen Regierung Gottes, die durch sie beiseite gesetzt wird, um das einzuführen, was ewig und himmlisch ist.
Man kann endlich diese Wahrheit in ihren Beziehungen zu dem Menschen betrachten; denn "das Leben war das Licht der Menschen". Es hat Gott gefallen, Sich im Menschen zu offenbaren und zu verherrlichen. Er wollte Sich dem Menschen zu erkennen geben und ihn als Mittel zur Offenbarung Seiner Selbst für Seine anderen vernünftigen Geschöpfe benutzen.
So könnte man bei jedem Abschnitt des Neuen Testamentes von diesen verschiedenen Gesichtspunkten aus etwas sagen; denn die Wahrheit ist eine, weil sie von Gott ist, aber sie beleuchtet alle Dinge und zeigt den wahren Charakter derselben.
Angesichts aller dieser Schwierigkeiten ermuntern mich zwei Dinge; erstens, daß wir es mit einem Gott von vollkommener Güte zu tun haben, der uns diese wundervollen Mitteilungen zu unserem Nutzen gemacht hat, und zweitens, daß ‑ obwohl die Quelle der Wahrheit unendlich und vollkommen ist und obwohl diese Offenbarungen aus der Fülle der Wahrheit Gottes quellen und deren Mitteilung vollkommen ist gemäß der Vollkommenheit Dessen, der sie gegeben hat ‑ diese Mitteilung doch vermittelst verschiedener Werkzeuge geschehen ist, welche, in sich selbst von begrenzter Fähigkeit, von Gott gebraucht worden sind, um den einen oder anderen Teil der Wahrheit ans Licht zu stellen.
Dieses lebendige und reine Wasser ist in keinerlei Weise getrübt, wohl aber in jeder Mitteilung nach der Absicht Gottes in der Anwendung des Werkzeuges begrenzt worden, wiewohl. stets in Verbindung mit dem Ganzen nach der vollkommenen Weisheit Dessen, der alle Wahrheit mitgeteilt hat. Der Kanal ist nicht unendlich; das darin fließende Wasser ist unendlich, doch nicht in seiner Mitteilung, denn die Schreiber prophezeiten stückweise und wir erkennen stückweise.
Die Darstellungsweise und die Anwendung der Wahrheit tragen sogar, je nach dem Gefäß, durch das Gott dieselbe mitgeteilt hat, einen besonderen Charakter. Das lebendige Wasser ist in seiner vollkommenen Reinheit vorhanden. Es sprudelt aus der Quelle, so wie es sie « h darin findet; der Kanal, durch den es den Menschen zu fließt, erhält seine Form nach der Weisheit Dessen, der ihn zu diesem Zweck zu Seinem Werkzeug gemacht hat.
Der Heilige Geist wirkt im Menschen, in dem dazu bereiteten Gefäß. Gott hat dasselbe geschaffen, gebildet, gestaltet und es, in sittlichem und geistlichem Sinne, für diesen oder jenen Dienst hinsichtlich der Wahrheit passend gemacht. Er wirkt in diesem Gefäße dem Zweck gemäß, für den Er es bereitet hat. Christus war und ist die Wahrheit. Andere haben dieselbe mitgeteilt, je nach dem einem jeden gegeben war, und zwar in Verbindung mit jenen Grundsätzen, durch die Gott Verstand und Herz des Werkzeugs in Einklang gebracht, und mit dem Zweck, für den der Heilige Geist es gerade so zubereitet hatte.
Indem ich daher meine Befürchtungen beiseite setze, trete ich mit Zuversicht an diesen Dienst heran, indem mein Herz in der vollkommenen Güte Gottes ruht, dessen Wonne es ist, uns zu segnen. Möge das rechte Gefühl meiner Verantwortlichkeit mich bewahren, irgend etwas zu sagen, das nicht nach Gottes Gedanken ist; und möge es dem Herrn Selbst in Seiner Gnade gefallen, mich zu leiten und mir das darzureichen, was dem Leser zum Segen gereicht!