Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby  (5)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das Neue Testament trägt augenscheinlich einen vom Alten Testament durchaus verschiedenen Charakter. Das Wesentliche dieser Verschiedenheit habe ich bereits oben angedeutet. Das Neue Testament handelt von der Offen­barung Gottes Selbst und zeigt uns, wie der Mensch in Gerechtigkeit in die Herrlichkeit der Gegenwart Gottes eingeführt wird. Ehemals gab Gott Verheißungen und übte Gerichte aus. Er regierte ein Volk auf der Erde und handelte gegen die übrigen Nationen in einer Weise, daß Er dieses Volk als den Mittelpunkt Seiner Ratschlüsse bezüglich der Erde stets im Auge behielt. 

Er gab diesem Volke Sein Gesetz und, vermittelst der Propheten, einzunehmendes Licht, das immer näher und näher die An­kunft Dessen ankündigte, der ihm alles von Gott kund­tun sollte. Doch die Gegenwart Gottes Selbst, eines Menschen unter Menschen, brachte alles in eine neue Stel­lung. Entweder mußte der Mensch Ihn als eine Krone des Segens und der Herrlichkeit aufnehmen ‑ Ihn, dessen Gegenwart alles Böse verbannen und jedes Element des Guten entwickeln und zur Vollkommenheit bringen sollte, und Der zugleich einen Gegenstand darbot, der der Mittel­punkt aller Zuneigungen sein sollte ‑ und dann wäre der Mensch durch ' den Genuß dieses Gegenstandes völlig glücklich gemacht worden; oder unsere arme Natur mußte, indem sie Ihn verwarf, sich in ihrer wahren Gestalt, als Feindschaft wider Gott, offenbaren und die Not­wendigkeit einer gänzlich neuen Ordnung der Dinge dar­tun, in der das Glück des Menschen und die Herrlichkeit Gottes auf eine neue Schöpfung gegründet sein würden.

Wir wissen, was geschehen ist. Er, der das Bild des unsichtbaren Gottes war, mußte nach Ausübung einer vollkommenen Geduld sagen: "Gerechter Vater! und die Welt hat dich nicht erkannt"‑. 

Ja, leider noch mehr als das. Wir hören Ihn sagen: "Sie haben gesehen und ge­haßt sowohl mich als auch meinen Vater" (Joh. 17, 25; 15, 24).Dieser Zustand ‑des Menschen verhinderte Gott jedoch keineswegs, Seine Ratschlüsse zu erfüllen; im Gegenteil der eine wurde gerade das Mittel zur Ausführung der anderen. Gott wollte den Menschen nicht verwerfen, ‑bevor der Mensch Ihn verworfen hatte ‑ geradeso wie einst im Garten Eden, wo der Mensch, der Sünde sich bewußt und unfähig, die Gegenwart Gottes zu ertragen, sich aus ihr entfernte, ehe Gott ihn aus dem Garten vertrieb. 

Als aber der Mensch seinerseits Gott, der in Güte inmitten seines Elends erschienen war, ganz und gar verworfen hatte, war Gott frei ‑ wenn man so sagen darf und der Ausdruck richtig ist ‑, Seine ewigen Ratschlüsse auszuführen. Aber nicht Gericht ist es, das Gott jetzt vollzieht, wie seinerzeit in Eden, als der Mensch sich bereits von Ihm entfernt hatte. Nein, es ist unumschränkte Gnade, die da, wo der Mensch offensichtlich verloren ist und sich als Feind Gottes erklärt hat, ihr Werk tut, um ihre Herrlichkeit in der Errettung armer Sünder, die Ihn verworfen hatten, angesichts des ganzen Weltalls ausstrahlen zu lassen*. 

Damit sich jedoch die vollkommene Weisheit Gottes sogar in den Einzelheiten kundgebe, mußte dieses Werk der unumschränkten Gnade, in welchem Gott Sich Selbst offenbarte, mit allen Seinen früheren, im Alten Testament geoffenbarten Wegen übereinstimmen und auch Seiner Regierung über die Welt ihren ungeschmälerten Platz einräumen. 

Alles das hat zur Folge, daß außer dem einen großen, alles beherrschenden Gedanken sich vier Gegenstände im Neuen Testament vor den Augen des Glaubens entfalten. 

* Siehe Tit. 1, 2; 2. Tim. 1, 9. 10; und vergleiche Sprüche 8, 22‑31, besonders V. 30 u. 31, und Röm. 16, 25. 26; Eph. 3, 5. 10; Kol. 1, 26. Unter dem Gesetz trat Gott nie aus Seiner Verborgenheit hervor, und der Mensch konnte nicht zu Ihm hineingehen. Im Christentum ist Gott hervorgetreten und der Mensch ist eingegangen. Diese Dinge kennzeichnen das Wesen beider Haushaltungen ‑ früher gab es nur Verheißungen ‑; es sind charakteristische Merkmale.


Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby  (6)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Hauptgegenstand, die am meisten hervortretende Tatsache ist, daß das vollkommene Licht geoffenbart worden ist: Gott offenbart Sich Selbst. Doch dieses Licht ist geoffenbart in Liebe, diesem zweiten Wesensnamen Gottes. 

Christus, der die Offenbarung dieses Lichtes und dieser Liebe ist, und Der, wenn Er Aufnahme gefunden hätte, die Erfüllung aller Verheißungen gewesen wäre, ist also dem Menschen vorgestellt worden, und vorzugsweise Israel (in seiner Verantwortlichkeit betrachtet), mit allen persönlichen und sittlichen Beweisen und mit allen Beweisen der Macht, so daß dieses Volk ohne Entschuldigung ist. 

Zweitens: da Christus verworfen ist (eine Verwerfung, durch die das Heil erfüllt wurde), wird die neue Ordnung der Dinge, die neue Schöpfung, der verherrlichte Mensch sowie die mit Christo an der himmlischen Herrlichkeit teilnehmende Versammlung vor unsere Augen gestellt. 

Drittens werden die Beziehungen zwischen der alten und neuen Ordnung der Dinge auf der Erde hinsichtlich des Gesetzes, der Verheißungen, der Prophezeiungen oder der göttlichen Einrichtungen hienieden auseinandergesetzt, indem einerseits die neue Ordnung als die Erfüllung und Beiseitesetzung des Veralteten dargestellt, andererseits der zwischen der alten und der neuen Ordnung bestehende Gegensatz bestätigt und endlich die vollkommene Weisheit Gottes in allen Einzelheiten Seiner Wege bewiesen wird.