Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby  (7)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Schließlich wird die Regierung der Welt von seiten Gottes prophetisch ans Licht gestellt; und die Erneuerung der Beziehungen Gottes zu Israel, sei es in Gericht oder in Segnung, wird gelegentlich der Unterbrechung dieser Beziehungen durch die Verwerfung des Messias kurz, aber klar dargetan. 

Man kann hinzufügen, daß alles, was der Mensch als Pilger auf der Erde bedarf, bis Gott die Vorsätze Seiner Gnade in Macht erfüllt, ihm reichlich dargeboten wird. Ausgegangen auf den Ruf Gottes von dem, was verworfen oder verurteilt ist, aber noch nicht im Besitz des Teiles, das Gott ihm bereitet hat, bedarf der Mensch, der diesem Rufe gefolgt ist, einer Leitung sowie alles dessen, was ihm einerseits die Quellen der nötigen Kraft offenbart, um dem Ziel seiner Berufung zuzustreben, und anderer­seits die Mittel zeigt, um sich diese Kraft anzueignen. In­dem Gott ihn zur Nachfolge eines Herrn berief, den die Welt verworfen hat, hat 

Er nicht ermangelt, ihm so­wohl all das Licht und die Unterweisungen darzureichen, die nötig sind, ihn auf seinem Wege zu leiten und zu er­mutigen, als auch ihn auf die Quellen der Kraft auf­merksam zu machen und ihm zu zeigen, wie er sich die­selben zunutze machen kann.

Jeder Bibelleser wird verstehen, daß diese Dinge im Neuen Testament nicht in methodischer Weise und jedes für sich behandelt sind. Wäre das der Fall, so würden sie viel unvollkommener verstanden werden. Sie enthüllen sich vor unseren Herzen in Leben und Kraft, sei es die­jenige Christi oder die des in den inspirierten Schrei­bern wirkenden Heiligen Geistes.

Im allgemeinen offenbaren uns die Evangelien zunächst Christum als Licht und Gnade (zugleich, obwohl nicht in Ichhafter Weise, als Gott Selbst), den Menschen in die­ser Welt vorgestellt, wie auch als Den, in welchem die dem Volke Israel gegebenen Verheißungen erfüllt wer­den sollten; und dann öffentlich als eine göttliche Per­son, in der die Vorsätze des Vaters ihre Erfüllung finden sollten, während die Juden in ihrer damaligen Stellung als verworfen betrachtet werden. Das Buch der Offen­barung zeigt die Einführung der Regierung Gottes über diese Welt in Verbindung mit der Verantwortlichkeit, unter welche dieselbe durch ihre Beziehungen zu einem geoffenbarten Gott gestellt ist. Die Schriften des Paulus entwickeln die Annahme und den Platz des Menschen vor Gott durch die Erlösung, d. h. die neue Schöpfung und die Versammlung nach den Ratschlüssen Gottes: das Geheimnis Gottes. Verschiedene hiermit verbundene Gegenstände werden jedoch überall in den Briefen ge­funden, und jede einzelne Entwicklung eines dieser Gegenstände wirft Licht auf die übrigen.

Man kann noch hinzufügen, daß die Schriften des Johannes hauptsächlich von der Offenbarung Gottes reden sowie von dem göttlichen Leben, wie es sich zu­nächst in Christo gezeigt hat und nun in dem lebendig gemachten Menschen sich kundgibt, da beide notwendig einander entsprechen müssen, während die Schriften des Petrus von der auf die Auferstehung Christi gegründeten Pilgrimschaft des Christen und von der sittlichen Regie­rung Gottes über die Welt handeln.

Aber ich wiederhole. die Wahrheit, ob in der Person Christi oder in den Mitteilungen des Heiligen Geistes (indem das Leben Christi in der einen oder anderen Weise das Licht der Menschen ist), strahlt hervor durch die lebendige Offenbarung Gottes und in ihrer lebendigen An­wendung auf die Menschen. Zugleich ist die Wahrheit, ‑der Weisheit Gottes gemäß, mit der zunehmenden Ent­wicklung verbunden*, die ihr eigentümlich ist, sobald sie dem Menschen mitgeteilt und den besonderen Bedürf­nissen und geistigen Fähigkeiten derer angepaßt wird, an ,die sie gerichtet wurde. 

* Ich spreche selbstverständlich von der'im Neuen Testament geoffenbarten Wahrheit. Die Mitteilung derselben wurde in dieser 0ffenbarung stufenweise klarer, weil nach der Verherr­lichung des Herrn der Heilige Geist gegeben wurde. Der Apostel Johannes konnte sagen, indem er von der Natur Gottes selbst sprach: "Was wahr ist in Ihm (Christus) und in euch, weil die Finsternis vergeht und das wahrhaftige Licht schon leuchtet" (1‑ Joh. 2, 8). Es ist ein Christus, der die Weisheit Gottes ist. "In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig" (Kol. 2, 9). "Es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen" (Kol. 1, 19). Er heiligte Sich Selbst, auf daß auch wir geheiligt würden durch Wahrheit. Der Heilige Geist leitete die Apostel in alle Wahrheit, indem Er die Dinge Christi nahm und sie ihnen offenbarte. Alles nun, was der Vater hat, gehört Christo; deshalb sagte Er, daß der Heilige Geist von dem Sei­nigen nehmen und ihnen verkündigen würde (Job. 16, 15).

Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby  (8)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Weil es sich also verhält, ist über die Lehre von einer n a c h ‑h e r i g e n Entwicklung der Wahrheit das Urteil gesprochen. Gibt es etwas, das mehr wäre als "die Falle der Gottheit"? oder mehr als "alles, was der Vater hat"? etwas Klareres als "das wahr­haftige Licht"? 

Und das gerade ist geoffenbart worden. Denkt man an den Menschen, dessen Gedanken in ihm selbst ihren Ur­sprung haben, wie die Spinne ein Netz aus ihrem eigenen Stoffe webt, so kann man allerdings von Entwicklung sprechen; handelt es sich aber um die Offenbarung Christi durch die Gabe des wahren, schon gekommenen Lichtes, so wichst, so entwickelt sich Christus nicht; und man wird gewiß außer "allem, was ihm der Vater gegeben hat", nichts Gutes finden, und das ist es, was wir durch die Offenbarung besitzen.

Eine Entwicklung der dem Menschen gewordenen Mitteilung der Wahrheit gibt es nur in Verbindung mit dessen Auffassungsfähigkeit (darin gibt es für 2inen jeden von uns ein Fortschreiten), sowie mit der Offenbarung Christi von der Zeit Johannes des Täufers an bis zu Seiner vollen Offenbarung durch den Heiligen Geist, wie wir sie im Neuen Testament besitzen. Keine Überlieferung kann der Offen­barung dessen, was Christus ist, etwas hinzufügen; keine Ent­wicklung kann eine einzige neue Wahrheit betreffs Seiner Fülle geben. Die stolzen Anmaßungen des Menschen sind damit ver­nichtet. 

Ohne Zweifel sind die Offenbarungen des Neuen Testa­ments für die Heiligen aller Jahrhunderte bestimmt; ge­schichtlich wurden sie aber an lebende Menschen gerichtet und dem Zustand derselben angepaßt. Doch dieser Um­stand schwächt keineswegs die mitgeteilte Wahrheit. Sie ist von Gott, wie auch der Apostel dies ausdrückt: "Denn wir verfälschen nicht, wie die vielen, das Wort Gottes, sondern als aus Lauterkeit, sondern als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christo." Ferner: "Indem wir nicht das Wort Gottes verfälschen. sondern durch die Offenbarung der Wahrheit uns selbst jedem Gewissen der Menschen emp­fehlen vor Gott" (2. Kor. 2, 17; 4, 2).

 Paulus fügte diesem reinen Wein nichts hinzu, er verfälschte ihn nicht; was er empfangen hatte, floß so rein von ihm aus, wie er es empfing*. Aber, an die Menschen gerichtet, hat das Wort Gottes mehr Wirklichkeit als eine bloß gedachte Wahrheit; es ist unmittelbarer von Gott. Es sind nicht menschliche Gedanken über Gott, es sind nicht Vernunft­schlüsse des menschlichen Geistes, selbst wenn die Wahr­heit deren Gegenstand wäre; noch ist die Wahrheit, wie sie in Gott ist, dem Fassungsvermögen des Menschen in abstrakter Weise unterworfen, damit er sie beurteile. Gott wendet sich an den Menschen. Er redet zu ihm, Er teilt ihm Seine Gedanken, als die Seinigen, mit. Denn wenn der Mensch berufen wäre, sie zu beurteilen, so würden es nicht die Worte Gottes sein; aber als solche sind sie an­gekündigt. "Ihr nahmet es nicht auf", sagt Paulus, "als Menschenwort, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Got­teswort" (l. Thess. 2, 13).

Man hat die auf den Menschen hervorgebrachte Wir­kung des Wortes, durch die er veranlaßt wird, die Wahr­heit und Autorität desselben anzuerkennen, oft mit einem Urteil verwechselt, das der Mensch über dieses Wort fällt, als wäre es etwas, das seinem Beurteilungsvermögen unterworfen wäre. Niemals aber kann das Wort Gottes sich so darstellen; das hieße seine eigene Natur ver leugnen und sagen, daß nicht Gott es sei, der da redet. Könnte Gott sagen, daß Er nicht Gott sei? Wenn das aber unmöglich ist, so kann Er auch nicht reden und zu­gleich zugeben, daß Sein Wort nicht in Sich Selbst Autorität besitze. 

* Die Ausführungen des Apostels in 1. Kor. 2 sind in dieser Beziehung sehr schlagend und von großer Wichtigkeit für unsere Tage. Wir lesen dort: "Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben" (das war der alttestament­liche Zustand), "uns aber hat Gott es geoffenbart durch seinen Geist , '; das ist Offenbarung. "Welche (Dinge) wir auch ver­kündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist"; das ist die Mit­teilung derselben, die Eingebung. Drittens: "sie werden geistlich beurteilt"; das ist die Aufnahme dieser Dinge. Die Offenbarung, das inspirierte Zeugnis und die Aufnahme des Geoffenbarten ‑alles ist, wie hier aufs bestimmteste bezeugt wird, allein durch die Gnade und Kraft des Geistes.