Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby  (8)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Weil es sich also verhält, ist über die Lehre von einer n a c h ‑h e r i g e n Entwicklung der Wahrheit das Urteil gesprochen. Gibt es etwas, das mehr wäre als "die Falle der Gottheit"? oder mehr als "alles, was der Vater hat"? etwas Klareres als "das wahr­haftige Licht"? 

Und das gerade ist geoffenbart worden. Denkt man an den Menschen, dessen Gedanken in ihm selbst ihren Ur­sprung haben, wie die Spinne ein Netz aus ihrem eigenen Stoffe webt, so kann man allerdings von Entwicklung sprechen; handelt es sich aber um die Offenbarung Christi durch die Gabe des wahren, schon gekommenen Lichtes, so wichst, so entwickelt sich Christus nicht; und man wird gewiß außer "allem, was ihm der Vater gegeben hat", nichts Gutes finden, und das ist es, was wir durch die Offenbarung besitzen.

Eine Entwicklung der dem Menschen gewordenen Mitteilung der Wahrheit gibt es nur in Verbindung mit dessen Auffassungsfähigkeit (darin gibt es für 2inen jeden von uns ein Fortschreiten), sowie mit der Offenbarung Christi von der Zeit Johannes des Täufers an bis zu Seiner vollen Offenbarung durch den Heiligen Geist, wie wir sie im Neuen Testament besitzen. Keine Überlieferung kann der Offen­barung dessen, was Christus ist, etwas hinzufügen; keine Ent­wicklung kann eine einzige neue Wahrheit betreffs Seiner Fülle geben. Die stolzen Anmaßungen des Menschen sind damit ver­nichtet. 

Ohne Zweifel sind die Offenbarungen des Neuen Testa­ments für die Heiligen aller Jahrhunderte bestimmt; ge­schichtlich wurden sie aber an lebende Menschen gerichtet und dem Zustand derselben angepaßt. Doch dieser Um­stand schwächt keineswegs die mitgeteilte Wahrheit. Sie ist von Gott, wie auch der Apostel dies ausdrückt: "Denn wir verfälschen nicht, wie die vielen, das Wort Gottes, sondern als aus Lauterkeit, sondern als aus Gott, vor Gott, reden wir in Christo." Ferner: "Indem wir nicht das Wort Gottes verfälschen. sondern durch die Offenbarung der Wahrheit uns selbst jedem Gewissen der Menschen emp­fehlen vor Gott" (2. Kor. 2, 17; 4, 2).

 Paulus fügte diesem reinen Wein nichts hinzu, er verfälschte ihn nicht; was er empfangen hatte, floß so rein von ihm aus, wie er es empfing*. Aber, an die Menschen gerichtet, hat das Wort Gottes mehr Wirklichkeit als eine bloß gedachte Wahrheit; es ist unmittelbarer von Gott. Es sind nicht menschliche Gedanken über Gott, es sind nicht Vernunft­schlüsse des menschlichen Geistes, selbst wenn die Wahr­heit deren Gegenstand wäre; noch ist die Wahrheit, wie sie in Gott ist, dem Fassungsvermögen des Menschen in abstrakter Weise unterworfen, damit er sie beurteile. Gott wendet sich an den Menschen. Er redet zu ihm, Er teilt ihm Seine Gedanken, als die Seinigen, mit. Denn wenn der Mensch berufen wäre, sie zu beurteilen, so würden es nicht die Worte Gottes sein; aber als solche sind sie an­gekündigt. "Ihr nahmet es nicht auf", sagt Paulus, "als Menschenwort, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Got­teswort" (l. Thess. 2, 13).

Man hat die auf den Menschen hervorgebrachte Wir­kung des Wortes, durch die er veranlaßt wird, die Wahr­heit und Autorität desselben anzuerkennen, oft mit einem Urteil verwechselt, das der Mensch über dieses Wort fällt, als wäre es etwas, das seinem Beurteilungsvermögen unterworfen wäre. Niemals aber kann das Wort Gottes sich so darstellen; das hieße seine eigene Natur ver leugnen und sagen, daß nicht Gott es sei, der da redet. Könnte Gott sagen, daß Er nicht Gott sei? Wenn das aber unmöglich ist, so kann Er auch nicht reden und zu­gleich zugeben, daß Sein Wort nicht in Sich Selbst Autorität besitze. 

* Die Ausführungen des Apostels in 1. Kor. 2 sind in dieser Beziehung sehr schlagend und von großer Wichtigkeit für unsere Tage. Wir lesen dort: "Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben" (das war der alttestament­liche Zustand), "uns aber hat Gott es geoffenbart durch seinen Geist , '; das ist Offenbarung. "Welche (Dinge) wir auch ver­kündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist"; das ist die Mit­teilung derselben, die Eingebung. Drittens: "sie werden geistlich beurteilt"; das ist die Aufnahme dieser Dinge. Die Offenbarung, das inspirierte Zeugnis und die Aufnahme des Geoffenbarten ‑alles ist, wie hier aufs bestimmteste bezeugt wird, allein durch die Gnade und Kraft des Geistes.

Einleitung zum Neuen Testament, J.N.Darby  (9)

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das Wort Gottes ist der Natur des Menschen angepaßt: "Das Leben ist das Licht der Menschen." Es gibt viele Dinge, welche eine Wirkung hervorbringen, der Natur des Gegenstandes entsprechend, auf den sie angewandt werden, ohne daß dieselben durch diesen Gegenstand be­urteilt würden ‑ eine Tatsache, die bei jedem chemischen Prozeß hervortritt. 

Man gibt mir ein Heilmittel, das seine Wirkung meiner Natur entsprechend auf mich aus­übt. Ich werde auf diese Weise von jener Wirkung und von der Kraft der Arznei überzeugt. Es handelt sich aber für mich gar nicht darum, mir über die Arznei selbst, als meinem Beurteilungsvermögen unterworfen, ein Ur­teil zu bilden. Geradeso verhält es sich durch die Gnade mit der Offenbarung Christi, nur mit dem Unterschiede, daß der böse Wille des Menschen diese Offenbarung auch zurückstößt und verwirft, so daß sie ein Geruch des To­des zum Tode wird. Nicht das Wort Gottes wird beurteilt, wenn es seine Wirkung hervorbringt, es selbst ist viel­mehr "ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens" (Hebr. 4, 12). Der Mensch ist dem Wort unter­worfen, er beurteilt es nicht.

Wenn der Mensch durch die Gnade das Wort der Wahr­heit, das sich als solches an ihn richtet, aufgenommen hat, so ist er unter dem Beistand des Heiligen Geistes fähig, die ganze Tragweite dieses Wortes zu verstehen ‑und in diesem Falle werden die Umstände der Personen' an welche das Wort geschichtlich gerichtet wurde, ein Mittel zum Verständnis der Absichten und Gedanken Got­tes in dem in Rede stehenden Teile des Wortes. 

Wie wir gesehen haben, ändern diese Umstände nichts an der gött­lieben Reinheit des Wortes, sondern weil Gott zu den Menschen redet ihrem Zustande gemäß, erleichtert uns dieser Zustand, so wie er uns in dem Worte selbst dar­gestellt wird, in hohem Maße das Verständnis des Mit­geteilten; dieser Zustand selbst aber wird nur durch das Wort und mit Hilfe des Heiligen Geistes verstanden. Zu­weilen ist er die Folge der ' Bosheit des menschlichen Herzens, zuweilen ist er zum Teil von den Wegen Gottes abhängig.

Doch wie dem auch sei, die Gnade richtet sich an die Menschen ihrem Zustand entsprechend*, gemäß den Treue Gottes betreffs Seiner Verheißungen sowie in Verbindung mit Seinen ihnen bereits kundgemachten Wegen. Nicht als ob das wahre Licht, nachdem es gekommen ist, ver­dunkelt oder verringert wäre, um es so der Finsternis anzupassen; denn dann wäre es nicht mehr das Licht selbst, noch auch geeignet, den Menschen aufzurichten, indem es ihn aus dem Zustand befreit, in welchem er sich befindet; sondern das wahre Licht ist in einer den Menschen zugänglichen und auf ihren Zustand anwend­baren Weise mitgeteilt. Das ist es, was die Menschen be­durften, und was zugleich Gottes würdig war; aber auch nur Gott konnte es ausführen. 

* Es ist Gott, der in Gnaden in die Mitte des Bösen tritt ‑eine Gnade, die dem Menschen in demselben angepaßt ist. Sie offenbart Gott, wie nichts anderes ihn offenbaren könnte, aber sie ist dem Menschen angepaßt, so böse er auch sein mag, ja als böse; so daß sie, während sie einerseits darbietet, was rein himm­lisch und göttlich ist, andererseits dem Bösen hier begegnet, und zwar um so mehr, weil sie in dieser Weise dem Menschen an­gepaßt ist. Das ist (obwohl die Gnade offenbart, wie Gott im Himmel gekannt sein wird), was die Tatsache seiner Wirkung betrifft, in einem irdischen oder himmlischen Paradiese un­bekannt. 

Es ist das Gute inmitten des Bösen. Die Engel begehren hineinzuschauen. Überdies ist es Unumschränktheit, Gnade, Weisheit, was das einfach Gute nicht sein kann, obwohl es in seiner höchsten Form dahin führt.