Die Himmel und ihre Herrlichkeit
Unermeßliche Entfernungen. — Hunderttausend Billionen Kilometer. — Spiralnebel. — Die alten Völker und die Sternkunde. — Davids Beschreibung. — Ist der Mensch das einzige intelligente Geschöpf des Weltalls? — Sind die Sterne bewohnt? — Professor Lowell und der Mars. — Die Antwort der Bibel. »Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk« (Ps. 19,2). Wie wunderbar sind diese Himmel! Der begrenzte Menschengeist erbebt beim Vernehmen der Wunder, von denen uns die Astronomie erzählt. Sie erfüllen das Herz mit Ehrfurcht und führen dem Menschen seine Winzigkeit vor Augen. 384.000 Kilometer (durchschnittlicher Abstand) ist der Mond, unser Trabant, von der Erde entfernt. Das Licht legt 300.000 Kilometer in einer Sekunde zurück, so daß es nur 1,28 Sekunden bedarf, um den Abstand zwischen Erde und Mond zu durchmessen. Mit etwa 228 Millionen Kilometer Abstand (mittlere Entfernung) umkreist der Planet Mars unsere Sonne.
Wenn er bewohnt wäre, würde unsere Erde den Wesen dort nur wie ein leuchtender Stern vorkommen. In einer Entfernung von über 1.400 Millionen Kilometer zieht der Planet Saturn seine Bahn um die Sonne. Der Durchmesser dieses Planeten ist 9,5 mal größer als der unserer Erde. Ungeheure Ringe von ca. 280.000 Kilometer Durchmesser umgeben ihn. Etwa 5.900 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt befindet sich der Planet Pluto. Außer diesem mögen noch andere, bis jetzt unbekannte Planeten existieren, die zu den äußeren Regionen unseres Sonnensystems gehören. Und darüber hinaus ist der unendliche Himmel! Dort, Billionen von Kilometern von unserer Erde entfernt, ist jeder Stern eine strahlende Sonne. Welchem Stern wir uns auch nähern, wir finden in ihm eine Sonne, die einer riesigen Feuerglut gleicht. Diese unzählbaren Welten von Licht, Wärme und Schwerkraft erscheinen uns infolge der unermeßlichen Entfernungen, die uns von ihnen trennen, nur wie kleine Lichtpunkte.
Die im Weltenraum liegende nächste Sonne glüht in einer Entfernung, die 270.000 mal so groß ist wie unsere Entfernung von der Sonne. Das sind etwa 40 Billionen Kilometer. Würden wir mit einer Rakete, die mit einer Geschwindigkeit von 40.000 Kilometern pro Stunde in das Weltall rast, auf den nächsten Stern zusteuern, so erreichten wir unseren Bestimmungsort nach einer ununterbrochenen Reise von etwa 114.000 Jahren. Selbst wenn wir einen Flugkörper bauen könnten, der mit Lichtgeschwindigkeit (300.000 Kilometer pro Sekunde) von unserer Erde wegsteuern würde, brauchten wir etwa 4 Jahre, um dort anzukommen. Doch selbst dieser unfaßbare Abstand schrumpft zusammen angesichts der Tatsache, daß in einer Entfernung von 100.000 Billionen Kilometern noch andere wunderbare Sonnen vorhanden sind. Und darüber hinaus? — Ein weiteres Weltall! Die Spiralnebel, welche den Menschen durch Spiegelteleskope sichtbar gemacht werden, sind Sternsysteme, ähnlich unserem eigenen Sternsystem; man hat über eine Million davon festgestellt, mit Entfernungen bis zu 100 Millionen Lichtjahren.
»Nun verstehe ich, daß alle Sterne, die je am Himmel beobachtet worden sind, alle die Millionen leuchtender Punkte, welche die Milchstraße bilden, die unzähligen Himmelskörper, Sonnen jeder Größe und Leuchtkraft, Sonnensysteme, Trabanten und Planeten, welche millionen- und hundertmillionenweise einander in dem uns umgebenden Räume folgen — daß das, was menschliche Zungen mit dem Ausdruck Universum bezeichnet haben, im Vergleich zu dem unendlichen Weltall nicht mehr bedeutet als eine Gruppe himmlischer Inseln oder als eine Stadt in einem weiten und sehr bevölkerten Lande. In dieser Stadt eines Reiches von unbegrenzter Ausdehnung stellt unsere Sonne mit allem, was ihr System bildet, einen Punkt dar, ein einzelnes Haus unter Millionen anderer Behausungen. Ist unser Sonnensystem ein Palast oder eine Hütte in dieser großen Stadt? Vermutlich nur eine Hütte! Und die Erde? Sie ist nur ein Zimmer in diesem Sonnenhaus, eine enge, armselig beschränkte Wohnung.«1
Und welch eine Herrlichkeit! Seit den ältesten Zeiten hat sich der Mensch mit den Himmeln und ihren unergründlichen Geheimnissen beschäftigt. Die Sternkunde und die Sterndeutekunst waren die Lieblingsbeschäftigung der alten Weisen in Ägypten, Syrien, Babylon und anderen großen Reichen der Vergangenheit. David, Israels großer König, schildert, durch den Geist Gottes geleitet, welche Gedanken die Betrachtung dieses wunderbaren Himmels in ihm erweckte: »Wenn ich anschaue deinen Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, daß du sein gedenkst, und des Menschen Sohn, das du dich um ihn kümmerst?« (Psalm 8, 4 und 5).
David gibt seiner Bewunderung Ausdruck, daß der mächtige Schöpfer, der alle diese Sonnen und Sterne aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat, sich herabläßt, des staubgeborenen Menschen zu gedenken. Er erkannte, wie jedes denkende menschliche Wesen nach ihm, daß diese Erde nichts ist als ein Sandkörnlein an den gewaltigen Weltenufern, und daß der Mensch ein winziges Geschöpf auf diesem kleinen Pünktchen ist. Hier tauchen weitere Fragen auf: Ist der Mensch in diesem unendlichen Raum, unter diesen Millionen und aber Millionen flammenden Welten, das einzige Geschöpf Gottes, das imstande ist, diese Meisterwerke Gottes zu betrachten und zu würdigen? Besitzt Gott keine anderen denkenden Geschöpfe, die Ihn für alle Seine Werke preisen und Ihm dienen? Sind diese Millionen Sterne unbewohnt? Ist unsere Erde der einzige Planet, auf welchem ein Geschlecht lebt, das fähig ist, Gott und Seine Werke zu erkennen? Ist der Mensch das einzige Geschöpf Gottes, dem Er die Gabe schenkte, Seine Schöpfung zu erforschen, Seine Werke zu bewundern und Ihn dafür zu preisen?
O, wie wenig Ehre und Lob wird Ihm dann von Seinen Geschöpfen zuteil! Die große Mehrzahl unseres Geschlechts hat, obwohl es aufrecht einhergeht, nur Augen für die Dinge des Staubes und gedenkt niemals dessen, der alles geschaffen hat. Ja, was noch viel schlimmer ist: Tausende leugnen das Dasein eines persönlichen Gottes, nennen den Stoff ewig, in sich selbst bestehend; Erde und Himmel in ihrer jetzigen Gestalt sind für sie das Ergebnis eines erdachten Entwicklungsganges, dessen Wann und Wie »noch« in ein Geheimnis gehüllt ist. Nur ein sehr kleiner Teil des Menschengeschlechts verehrt und preist Ihn, Gott, als den Schöpfer aller Dinge. Ist es göttlich, außer den menschlichen Bewohnern dieser kleinen Kugel, die wir »Erde« nennen, keine anderen Welten mit Geschöpfen gestaltet zu haben, die Gott und Seine Schöpfung würdigen können?
Diese Frage ist alt. Schon die Menschen des Altertums dachten darüber nach, und seit Jahrhunderten hat sie manchen großen Geist unter uns beschäftigt. Man hat die Sternkundigen befragt, ob andere Welten (Planet Mars, Planet Venus usw.) bewohnt seien, und oft haben sie bejahende Antwort gegeben. Aber wer vermag etwas zu sagen von den anderen Sonnen und ihren Planeten, ob und von wem sie bewohnt sein mögen? Wenden wir uns nun zur Bibel, der Offenbarung Gottes. Beantwortet das Wort Gottes unsere Frage, ob in diesem unvorstellbaren Raum, den wir Himmel nennen, noch Wesen vorhanden sind, die Gott als Schöpfer kennen, die Seine Werke kennen und die Ihm dienen? Und wenn es solche Wesen gibt, wer sind sie, wo sind sie, und was tun sie? Die Bibel schweigt zu diesen Fragen nicht. Gottes Heiliges Wort gibt uns Antwort. Es gibt Lebewesen, die über dem Menschen stehen. Es sind die Engel Gottes, die himmlischen Heerscharen, die Bewohner der Himmel, die unzähligen Scharen der unsichtbaren Diener Gottes.
Sadducäer und Modernisten. — Das Zeugnis Christi über die Engel. — Die Götterlehren der Nationen. — Die Engel, höhere Wesen als der Mensch. — Die Söhne Gottes jauchzen. — Die unzähligen Scharen der Engel. — Der Erzengel, die Seraphim und die Cherubim. Vom ersten Buch Mose an bis zur Offenbarung werden die Engel Gottes außergewöhnlich oft erwähnt: über 100 mal im Alten und mehr als 150 mal im Neuen Testament. Wir begegnen ihnen in der ganzen heiligen Geschichte. In beiden Testamenten wird uns geschildert, was sie in der Vergangenheit im Himmel und auf Erden gewirkt haben, und auch ihr zukünftiges Eingreifen ist uns prophetisch geoffenbart. An dem Dasein dieser übernatürlichen Wesen kann daher kein Zweifel bestehen, denn als solche spricht das unfehlbare Wort Gottes von ihnen. Die Sekte der Sadducäer unter den Juden glaubte nicht an Engel (Apostelgesch. 23,8).
Der heutige Modernismus, das Sadducäertum des zwanzigsten Jahrhunderts, leugnet ebenfalls das Dasein dieser Wesen. Die zersetzende "Kritik, die den Modernismus hervorgebracht hat, erklärt, der Glaube an Engel bei den Juden sei darauf zurückzuführen, daß die letzteren während ihrer babylonischen Gefangenschaft mit babylonischen und persischen Sagen in Berührung gekommen sind. So wird, wie von vielen anderen kostbaren Dingen im Worte Gottes, auch vom Glauben an Engel behauptet, er sei babylonischen Ursprungs. Wir schließen uns diesen Erfindungen angeblicher Bibelkundiger nicht an, die nur darauf abzielen, die Autorität der Bibel, unserer einzigen Quelle, zu untergraben. Allen diesen Ableugnungen stellen wir einen Zeugen gegenüber: den Sohn Gottes, unseren Herrn Jesus Christus. Was hatte Er über die Engel zu sagen? Er bestätigte die Engellehre in den hebräischen Schriften.
Er sprach von ihnen als von wirklichen Wesen. In Seinen Gleichnissen vom Reich nennt Er sie die Schnitter am Ende des Zeitalters. Er spricht von ihnen als von solchen, die bei Seinem zweiten Kommen mit Ihm sein werden. Als Petrus Ihn im Garten verteidigte, tadelte Er ihn durch einen Hinweis auf die Engel: »Oder meinst du, daß ich nicht jetzt meinen Vater bitten könne und er mir mehr als zwölf Legionen Engel stellen werde?« (Matth. 26, 53). Er beschreibt ihre wirkliche Natur, wie auch ihre Anteilnahme an den Geschehnissen auf Erden (Luk. 15, 10) und verkündet, daß in den Tagen Seines Reiches die Engel Gottes gesehen werden, wie sie auf- und niedersteigen werden auf des Menschen Sohn (Joh. l, 51).
Was der Modernismus auf diese Zeugnisse unseres Herrn zu sagen weiß, verunehrt den Herrn in einer Weise, daß wir nicht im Zweifel sein können, aus welcher Quelle diese ungläubigen Lehren fließen. Die Modernisten sagen, daß unser unfehlbarer Herr, Er, der die Wahrheit ist, Seine Belehrungen mit den irrigen Anschauungen Seiner Hörer verquickt habe. Vielleicht war es Ihm bekannt, vielleicht auch nicht — so meinen sie —, daß es niemals Engel gegeben hat; jedenfalls habe Er sich den damals unter den Juden geläufigen Ansichten angepaßt. Wir möchten einen weiteren Beweis hinzufügen. Wie wir später zeigen werden, wurde unser erhabener Herr nach Seiner Auferstehung als der verherrlichte Mensch über die Engel erhoben, indem Er einen vorzüglicheren Namen vor Ihnen ererbt hat (Hebr. l, 4).
Wären nun die Engel nur erdachte Wesen, und existierten sie tatsächlich nicht, dann könnten wir folgern, daß auch Seine Erhöhung und Sein Erbe unwirklich und erdichtet sind. Gleich allem anderen, was der Modernismus vorgebracht hat, rüttelt auch die Leugnung der Engel an der Gottheit und Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus. Die Mythologien (Götterlehren) fast aller alten Völker reden von solchen Wesen.
Die babylonische Mythologie stellte sie als Götter dar, die den Menschen Botschaften der Götter überbrachten. Die römische und griechische Mythologie hatte ihre Genien, Halbgötter, Faune, Nymphen und Najaden, welche besuchsweise auf die Erde kamen. Hesiod, nach Homer der älteste griechische Dichter, sagte: »Millionen geistiger Geschöpfe wandeln über die Erde.« Ägypten und die Völker des Ostens glaubten an solche übernatürliche, unsichtbare Geschöpfe; dieser Glaube ist beinahe allgemein. Die Mythologien sind nur der schwache und entstellte Widerhall einer Erkenntnis, die dem Menschen einst zu eigen war.
Würden derartige übermenschliche Wesen nicht existieren, so fänden wir sie nicht in den überlieferten Lehren der alten Völker. Die Bibel lehrt, daß die Engel eine über den Menschen stehende Klasse erschaffener Wesen sind. Gott hat des Menschen Sohn eine kleine Zeit unter die Engel erniedrigt (Ps. 8, 5; Hebr. 2, 7). Dies stellt eine weitere falsche Auffassung richtig. Es wird öfters gelehrt, daß Gläubige, die abscheiden, ebenso wie auch die Kinder, Engel werden. Der Mensch kann nie ein Engel werden, denn die Engel sind für immer von den menschlichen Wesen verschieden. Der erlöste Mensch wird durch die Erlösung nicht zu der Würde eines Engels erhoben, aber in Christus wird er auf eine höhere Stufe gestellt, als die Engel je einnehmen können. Hierüber später mehr.
Die Bibel erteilt auf diese Frage keine bestimmte Antwort, aber es ist zum mindesten eine Schriftstelle vorhanden, der wir entnehmen können, daß sie im Anfang geschaffen wurden, als Gott Himmel und Erde schuf. Wann dieser Anfang war, wird keines Wissenschaftlers Forschen jemals aufdecken können. Vielleicht existierte die Erde in einer von ihrer jetzigen verschiedenen Gestalt Millionen von Jahren, ehe der Mensch auf dieselbe gestellt wurde'. Zur Zeit, als diese ursprüngliche Schöpfung bestand, muß Gott jene Art Wesen geschaffen haben, die wir Engel nennen. Alles, was geschaffen ist, wurde von Gott geschaffen, und zwar in der Person Seines Sohnes und für Ihn, und dazu gehören auch die unsichtbaren Dinge, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten (Kol. 1, 16). In den schönen Worten, mit welchen Jehova dem Hiob aus dem Sturme antwortete, finden wir den folgenden Hinweis auf die Zeit, da die Engel ins Dasein gerufen wurden:
»Wo wärest du, als ich die Erde gründete? Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest! Wer hat ihre Maße bestimmt, wenn du es weißt? Oder wer hat über sie die Meßschnur gezogen? In was wurden ihre Grundfesten eingesenkt? Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, Als die Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?« (Hiob 38, 4-7.) Daß sich Jehova hier auf die Schöpfung bezieht, ist vollkommen klar. Die Engel existierten also schon, als Gott der Erde Grund legte, als Er zum ersten Male schuf. Und als sie Seine Schöpfungswunder erblickten, jauchzten sie vor Freude. Wir müssen dem ihnen hier gegebenen Namen »Söhne Gottes« unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Verschiedene Male lesen wir im Alten Testament von den »Söhnen Gottes« und jedesmal sind damit diese übernatürlichen Wesen gemeint (1. Mose 6, 2; Hiob l, 6; 2, 1; 38, 7; vergleiche auch PS. 29, 1; 78, 25; 89, 6).
Aber es muß darauf hingewiesen werden, daß, wenn die Engel auch »Söhne Gottes« genannt werden, so doch niemals »Söhne des Herrn«. Es heißt im Hebräischen immer Bnai2 Elohim (Elohim ist der Name Gottes als der Schöpfer), und niemals Bnai Jehova. Die Bnai Jehova sind erlöste Sünder, die durch die Erlösung in die Sohnschaft versetzt sind. Die Bnai Elohim sind ungefallene, als Söhne Gottes erschaffene Wesen. Die Engel sind die Söhne Gottes der ersten Schöpfung; die durch Gnade geretteten Sünder sind Söhne Gottes der neuen Schöpfung.
Da sie nach dem Zeugnis unseres Herrn geschlechtslos sind (»in der Auferstehung heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet«, Matth. 22, 30) und sich daher nicht nach der Art der Menschen vermehren, so müssen sie alle zur gleichen Zeit, im Anfang, erschaffen worden sein. Die Heilige Schrift berichtet uns, daß ihre Zahl sehr groß ist. Daniel sah sie in seinen Gesichten der Nacht vor dem Throne: »Tausend mal Tausende dienten Ihm, und zehntausend mal Zehntausende standen vor Ihm« (Dan. 7, 10). Johannes erzählt uns von einem demjenigen Daniels ähnlichen Gesicht: »Und ich sah: und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron her und um die lebendigen Wesen und die Ältesten; und ihre Zahl war Zehntausende mal Zehntausende und Tausende mal Tausende« (Offbg. 5, 11). Auch in Hebräer 12, 22 wird von »Myriaden von Engeln« gesprochen. Eine Menge himmlischer Heerscharen erschien bei der Geburt Christi und jauchzte wiederum vor Freude über den Beginn der neuen Schöpfung (Luk. 2, 13).
Wie groß ihre Zahl ist, weiß einzig Er, dessen Name »Jehova-Zebaoth«, der Herr der Heerscharen ist. Die Heilige Schrift verkündet, daß es in der Engelwelt, diesem weiten Reich voll Licht und Herrlichkeit, verschiedene Stufen und Ordnungen gibt. Im Epheser- und Kolosserbrief lesen wir von Fürstentümern, Gewalten, Herrschaften und Thronen, die in jener unsichtbaren Welt, den himmlischen Örtern, vorhanden sind (Eph. 1,21; Kol 1,16). Wir wissen auch, daß es einen Erzengel gibt. Die Christenheit spricht von Erzengeln und folgt darin gewissen Überlieferungen von Erscheinungen verschiedener Erzengel; aber in der Heiligen Schrift kommt nur ein Erzengel vor. Sein Name ist Michael, auf Deutsch: »Wer ist wie Gott?« Er wird dreimal genannt: in Dan. 12, l, wo sein Eingreifen zugunsten des Überrestes Israels erwähnt wird — hier wird er »der große Fürst« genannt. Weiter in Judas 9, wo wir hören, daß er mit dem Teufel um den Leib Moses' stritt, und in Offb. 12, wo er als der siegreiche Führer der himmlischen Heerscharen erscheint, der gegen Satan und seine Engel Krieg führt.
Ferner finden wir den Namen Gabriel in der Heiligen Schrift. ; Gabriel, das heißt: »ein Mächtiger Gottes«, ist von Juden und Christen ein Erzengel genannt worden, doch ohne schriftgemäße Begründung, denn er wird in der Schrift niemals als solcher bezeichnet. Er ist eine sehr erhabene Persönlichkeit. Er selbst zeugt von seinem Platz in der Herrlichkeit, denn er sagt zu Zacharias, dem amtierenden Priester: » Ich bin Gabriel, der vor Gott steht« (Luk. 1,19). Er war es, der die Geburt Johannes des Täufers anzukündigen hatte. Darüber hinaus aber wurde er vom Thron Gottes abgesandt, um der Welt die zwei größten Botschaften zu überbringen, die jemals von den Stätten des Himmels ausgegangen sind. Als Daniel in ernster Demütigung betete, wurde Gabriel beauftragt, dem betenden Propheten die Antwort Gottes auszurichten. So schnell durcheilte er die unermeßlichen Räume, daß er nur wenige Augenblicke brauchte, um Daniel zu erreichen und ihn in seinem Gebet zu unterbrechen (Dan. 9, 21-23).
Aber die größte aller Botschaften, die ein Engel je zur Erde trug, war die durch Gabriel der Maria, der Jungfrau von Nazareth, gesandte Verkündigung der bevorstehenden Menschwerdung des Sohnes Gottes (Luk. 1, 26-38). Die Cherubim und Seraphim sind Engelwesen von sehr hohem Range und werden immer in Verbindung mit dem Throne Gottes gesehen. Die Seraphim erscheinen nur in Jesajas Tempelgesicht (Jes. 6). Hesekiel und Johannes in der Offenbarung erblicken die Cherubim als »lebendige Wesen« 3 Und nun, bevor wir die Heilige Schrift über die Natur der Engel befragen, über ihre körperliche Beschaffenheit, ihre Wohnstätten, ihre Ämter und Aufgaben in Vergangenheit und Gegenwart, ihre wunderbaren Beziehungen zu kommenden Ereignissen und ihre herrliche Entfaltung im zukünftigen Zeitalter, müssen wir unsere Aufmerksamkeit richten auf jene im Alten Testament so oft erwähnte Persönlichkeit, die genannt wird: »Der Engel Jehovas«.
Kein geschaffener Engel, sondern der Herr selbst. — Der Metatron der jüdischen Überlieferung. — Hagar und die Samariterin— Abraham in Mamre — Der Herr als sein Gast — Gebet für Sodom — Die Opferung Isaaks — Jakob und der Engel — Der Engel bei Pniel. — Im brennenden Busch. — Der Engel des Angesichts. — Josua sieht den »Anführer unserer Errettung«. — Gideon und Manoah. —Die Vernichtung des assyrischen Heeres. — Der Engel Jehovas im Buche der Offenbarung. Das Wort »Engel« kommt m der Heiligen Schrift zum ersten Mal im 16. Kapitel des ersten Buches Mose vor. Hagar, die Leibeigene, war gezwungen worden, das Zelt Abrahams zu verlassen — sie floh vor Sarah. »Und der Engel Jehovas fand sie an einer Wasserquelle m der Wüste, an der Quelle auf dem Wege nach Sur« (1. Mose 16, 7).
Dieser Engel Jehovas (hebräisch: Malach-Jehova) ist kein erschaffenes Wesen, sondern ein unerschaffener Engel— es ist Jehova, der Herr, der sich zu verschiedenen Zeiten im Gewände eines Engels und meistens m menschlicher Gestalt offenbarte. Dieser Engel Jehovas ist kein von Gott gesandter Bote, sondern eine Theophame, eine Sichtbarwerdung der Gottheit. Jehova, der »Ich bin«, ist der Sohn Gottes. Wir haben daher in der mehrmaligen Erscheinung des Engels Jehovas höchst beachtenswerte Offenbarungen des Sohnes Gottes, unseres Herrn, vor Seiner Menschwerdung. Wir werden sehen, daß m jedem Falle der Offenbarwerdung dieses Engels Jehovas die Kennzeichen der Gottheit gegenwärtig sind. Es ist auffallend und sehr interessant, daß die alten Juden m ihren Überlieferungen den Engel Jehovas bei Seinem jeweiligen Erscheinen nicht als einen gewöhnlichen Engel, sondern als den einzigen Mittler zwischen Gott und der Welt, als den Urheber aller Offenbarungen, ansahen, dem sie den Namen Metatron gaben. Sie nannten Ihn »den Engel seines Angesichts« (vergl Jes63, 9), weil Er immer Gottes Angesicht erblickt, und sie sprechen von Ihm als von der höchsten Offenbarung des unsichtbaren Gottes, der an Seiner Natur und Majestät teil hat. Auch nennen sie Ihn die Schechina. Eine Talmudstelle sagt:
»Der Metatron, der Engel Jehovas, ist durch Wesenseinheit mit dem höchsten Gott verbunden«, wahrend eine andere Quelle Ihn »Herrscher über alles Geschaffene« nennt. Der sehr alte Midrasch, bekannt als: »Otiot de Rabbi Akiba« bringt folgende Erklärung über den Engel Jehovas: »Der Metatron ist der Engel, der Fürst des Angesichts, der Fürst des Gesetzes, der Fürst der Weisheit, der Fürst der Kraft, der Fürst der Herrlichkeit, der Fürst des Tempels, der Fürst der Könige, der Fürst der Herrscher und der Hohen und Erhabenen«. Nach diesen alten judischen Quellen ist also der von ihnen »Metatron« genannte Engel Jehovas eins mit dem Messias und zugleich mit Gott. Die war auch die Ansicht der Juden späterer Zeit. Maleachi 3, l bestätigt eine derartige Auslegung; der »Engel des Bundes« ist Jehova, und der Messias ist der »Engel Jehovas«. Wir wollen nun einige dieser Erscheinungen des Engels Jehovas kurz prüfen. Wie zu Anfang dieses Kapitels erwähnt, erschien Er zuerst der Hagar, zeigt ihr Seine Gute; es ist die Zartheit dessen, der da kam, das Verlorene zu suchen und zu erretten. Er fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste. Alle ihre Umstände und ihre Trübsal waren Ihm bekannt. Er fragte sie: »Woher kommst du, und wohin gehst du?« Er offenbarte sich als der allwissende Herr, der die Geheimnisse des Lebens kennt, und Er gab ihr Verheißungen, wie sie ein erschaffener Engel niemals hatte geben können.
Und Hagar nannte den Namen des Herrn, der ihr in Engelsgestalt gegenübergestanden: »Du bist ein Gott, der sich schauen laßt!« Er hatte ihr Geheimnis enthüllt und die Zukunft geoffenbart. Er ist derselbe, der viele Jahrhunderte später, da Er als Mensch auf diese Erde gekommen war, einer anderen Frau am Wasserbrunnen von Samaria begegnete und dessen Geheimnisse offenbar machte, — und auch sie bekannte Ihn als den Allwissenden. »Kommt, sehet einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was irgend ich getan habe« (Joh. 4,29). Viele Jahre danach saß Abraham bei der Hitze des Tages am Eingang seines Zeltes. Plötzlich sah er drei Fremde in der Nahe stehen; er verließ seinen Platz und lief ihnen entgegen. Vor dem einen, vielleicht vor dem m der Mitte, warf er sich zur Erde und nannte ihn »Herr«. Gewiß wohnte diesem Besucher eine besondere Wurde inne, so daß der Glaubensmann Ihn sogleich erkannte. Seine Gefährten waren zwei Engel (1. Mose 19,1).
Abraham bewirtet den Herrn, und dieser verheißt ihm einen Sohn. Die beiden Engel scheiden von ihnen; der Herr verweilt noch bei Abraham, Seinem Freunde, und richtet folgende Worte an ihn: »Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?« Dieselbe Stimme sprach in jenem Obersaal zu den um Ihn gescharten Jüngern: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut, aber ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kundgetan habe« (Joh. 15,15). Abrahams Fürbitte für Sodom war an den Herrn gerichtet, als dieser in menschlicher Gestalt vor ihm stand. Er kannte Ihn in Seiner Herrlichkeit als Richter, denn er sagte zu Ihm: »Fern sei es von dir, so etwas zu tun, den Gerechten mit dem Gesetzlosen zu toten, so daß der Gerechte sei wie der Gesetzlose; fern sei es von dir! Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?« (1. Mose 18, 25).
Danach verließ ihn der Herr und wandte sich nach Sodom, wohin die zwei Engel Ihm schon vorausgegangen waren. Bemerkenswert ist die Stelle 1. Mose 19, 24: »Und Jehova ließ auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen von Jehova aus dem Himmel.« Der Jehova auf Erden ruft dem Jehova im Himmel, das Feuergericht über die verderbten Städte auszuüben. Er ist derselbe, der in den Tagen Seines Fleisches sagte: »Ich und der Vater sind eins«, derselbe, der in künftigen Tagen die Welt in Gerechtigkeit richten wird, denn der Vater richtet niemanden, sondern das ganze Gericht hat Er dem Sohn gegeben (Joh. 5, 22). Dann erscheint der Engel Jehovas auf dem Opferberg. Abraham erhält den Befehl, seinen Sohn, seinen einzigen, den er lieb hatte, zu nehmen und ihn als Brandopfer darzubringen. Und Er, der gegenwärtig war, der aufmerkte, der alle Dinge wußte, der eingriff, als das Schlachtmesser schon erhoben war, Er wußte, daß Er Selbst, Gottes einiger Sohn, das Opfer sein sollte, sobald Seine Stunde gekommen war. Als Abraham zu Isaak sagte: »Gott wird sich ersehen das Schaf zum Brandopfer, mein Sohn«, da wußte der Engel Jehovas, daß Er dieses Opfer sein wurde.
»Da rief ihm der Engel Jehovas vom Himmel zu und sprach: Abraham, Abraham! Und er sprach: Hier bin ich! Und Er sprach: Strecke deine Hand nicht aus nach dem Knaben, und tue ihm gar nichts! Denn nun weiß ich, daß du Gott fürchtest und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast« (1. Mose 22, 11.12). Dieser Engel bezeichnet sich hier selbst als eins mit Gott. Abraham wußte, daß es der Herr war, denn er nannte die Statte »Jehova-Jireh«.4 Und als der Engel Jehovas zum anderen Male rief, gab Er Abraham Verheißungen, wie dies kein geschaffener Engel jemals gekonnt hatte. Der Sohn Gottes war in Engelsgestalt bei diesem Geschehnis gegenwärtig — derselbe, der in Seinen Erdentagen sprach: »Ehe Abraham ward, bin ich« (Joh. 8, 58). Auch Jakob kannte Ihn wohl, denn es wurden ihm ganz außerordentliche Offenbarungen des Herrn im Laufe seines kampfbewegten, aber siegreich endenden Lebens zuteil. Als der alte Patriarch auf seinem Sterbebett die Sohne Josephs mit den Worten segnete:
»Der Gott, vor dessen Angesicht meine Vater, Abraham und Isaak, gewandelt haben, der Gott der mich geweidet hat, seitdem ich bin bis auf diesen Tag, der Engel, der mich erlöst hat von allem Übel, segne die Knaben« (1. Mose 48, 15.16), — da tat er es in dem Bewußtsein, daß der Engel Jehovas niemand anderes war, als der Erlöser, der »Heiligen Israels«, wie Ihn der Prophet Jesaja so oft nennt. Er erschien ihm im Traum als Engel und sprach zu ihm: »Ich bin der Gott von Bethel« (1. Mose 31, 11.13). Aber an der Furt des Jabbok offenbarte sich dieser Engel Jehovas dem Jakob auf die wunderbarste Weise. Dort war er ganz allein, als unversehens ein Mann erschien, der mit ihm zu ringen begann. Als der Tag anbrach, fragte der geheimnisvolle Fremdling Jakob: »Was ist dein Name?«
Er antwortete: »Jakob.« Er sprach: »Nicht Jakob soll hinfort dein Name heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gerungen und hast obgesiegt« (1. Mose 32, 24-32). Wer war der Geheimnisvolle? Die moderne Kritik mochte uns einreden, daß Jakob infolge seiner tödlichen Angst vor Esau wohl einen bösen Traum gehabt haben mag. Jakob wußte, wem er gegenüber gestanden hatte, denn er nannte die Statte »Pniel«: »Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen«. Hosea bezeugt dies in seiner Prophezeiung. »Er kämpfte mit dem Engel und überwand, er weinte und flehte zu Ihm; zu Bethel fand er Ihn, und daselbst redet* Er mit uns. Und Jehova, der Gott der Heerscharen — Jehova ist Sein Gedenkname« (Hosea 12, 5.6), Der, der mit Jakob war, der Engel, der Erlöser, ist derselbe, der den Seinen die Verheißung hinterlassen hat: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis zur Vollendung des Zeitalters.« Mose erblickte Ihn in dem brennenden Busch. Der Busch steht in Flammen, die Schechina-Herrlichkeit ist da, aber der Busch wird nicht verzehrt.
Aus der Flamme inmitten des brennenden Busches ertönt die Stimme des Engels Jehovas. Mose erhalt den Befehl, seine Schuhe auszuziehen, denn er stehe auf heiligem Land, in der Gegenwart des Heiligen. Und als Mose diese Stimme horte und vernahm, wer es war, der mit ihm redete, da verbarg er sein Angesicht, denn er fürchtete sich nicht vor dem Anblick eines Engels, sondern Gottes. Der Engel Jehovas sprach aus dem brennenden Busch: »Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs« ... »Ich bin, der ich bin.« Er tat Mose auch kund, daß Er die Leiden Seines Volkes kenne, dessen Elend gesehen und ihr Geschrei gehört habe, und daß Er kommen werde, um zu erretten, um heraus- und hineinzufuhren. In all ihrer Bedrängnis war Er bedrängt, und der Engel Seines Angesichts hat sie gerettet. In Seiner Liebe und in Seiner Erbarmung hat Er sie erlöst; und Er hob sie empor und trug sie alle Tage vor alters!« (Jes. 63, 9). Der Engel des brennenden Busches ist der gleiche, der sich in Gestalt eines erschaffenen Menschen geoffenbart hat, als der »Ich bin«, der liebende, mitfühlende Christus, welcher jetzt zur Rechten Gottes sitzt, der da sieht, kennt und hört — der alle Gewalt hat zu erlösen und zu erhalten. Derselbe unerschaffene Engel, der gnädige, liebevolle Herr war mit Israel in der Wüste. Er war ihr Führer und Versorger, denn Er hatte sie aus Ägypten herausgeführt (4. Mose 20, 16).
In der Geschichte Bileams begegnen wir Ihm gleicherweise, und dieweil der blinde Prophet aus den Heiden Ihn nicht gewahrte, sah seine Eselin den, der Herrlichkeit ist. Er war mit Seinem Volke, als es ins Land der Verheißung einzog. Als es in Gilgal, dem Ort des Selbstgerichtes, lagerte, wo die Schande Ägyptens von ihnen abgewälzt wurde, ging Josua hin und blickte auf die mächtigen, schier uneinnehmbaren Mauern Jerichos. Da auf einmal stand ein Mann mit einem gezückten Schwert ihm gegenüber. Furchtlos ging Josua auf Ihn zu und fragte Ihn, wer Er sei. Doch als der Mann sich als »der Oberste über das Heer Jehovas« zu erkennen gab, fiel Josua auf sein Angesicht zur Erde und huldigte Ihm. Und der Oberste hieß ihn tun, was Er vierzig Jahre vorher Mose geheißen hatte: »Ziehe deinen Schuh aus von deinem Fuße; denn der Ort auf dem du stehst, ist heilig« (Josua 5, 13-15). Er ist der Engel, der Erlöser, der Beschützer Seines Volkes. Sacharja, der große Prophet aus der Zeit nach der babylonischen Gefangenschaft, erblickte Ihn in seinem ersten Nachtgesicht in derselben Gestalt wie Josua. Er erschien dem jungen Propheten auf einem roten Pferd, gefolgt von einer Schar Reiter, die nun bereit sind, die Erde zu durchziehen. Der Oberste über das Heer Jehovas ist unser Herr, der Anführer unserer Errettung (Hebr. 2, 10), Der, welcher eines Tages wiederkommen wird, auf weißem Pferd, gefolgt von den Kriegsheeren des Himmels (Offb. 19, 11-16).
Im zweiten Kapitel des Buches der Richter kommt der Engel Jehovas von Gilgal herauf nach Bochim, der Statte des Weinens. Kein geschaffener Engel kann so sprechen, wie der Engel Jehovas damals sprach. Nur der Herr selbst kann solche Worte gebrauchen: »Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch in das Land gebracht, daß ich euren Vätern zugeschworen habe; und ich sagte: »ich werde meinen Bund mit euch nicht brechen ewiglich; ihr aber, ihr sollt keinen Bund mit den Bewohnern dieses Landes machen, ihre Altare sollt ihr niederreißen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht. Was habt ihr da getan!« (Richter 2, 1.2). Später in der Geschichte der Richter erschien Er Gideon. Auch hier wird Er Jehova genannt (Richter 6, 14). Gideon redet Ihn als »Adonai« (Herr) an und bittet Ihn, ein Speisopfer bringen zu dürfen. Der Engel berührte das Opfer mit der Spitze Seines Stabes, und das Feuer fuhr aus dem Felsen und verzehrte es. Und der Engel Jehovas verschwand aus seinen Augen. Gideon ist tief erschrocken, aber der Herr spricht zu ihm: »Friede dir! Furchte dich nicht, du wirst nicht sterben«. Ja, Er ist es, der Frieden gemacht hat, »Jehova-Schalom« (Jehova ist Friede), wie Gideon den Altar nannte, den er dem Herrn baute. Noch bedeutungsvoller und lehrreicher war die Begegnung dieses Engels mit Manoah und seinem Weibe, als Er ihnen die Geburt eines Sohnes ankündigte. Manoah fragte Ihn nach Seinem Namen. »Warum fragst du denn nach meinem Namen?« antwortete ihm der Engel; »er ist ja wunderbar« (Richter 13, 18).
Das Wort »Pele«, »wunderbar«, wird auch von Jesaja gebraucht, da er den Messias voraussagt, das Kind, das geboren, den Sohn, der gegeben, und dessen Namen »Wunderbar« sein werde. Auch Manoah und sein Weib brachten dem Engel ein Opfer dar (Richter 13. 19-22). Da geschah etwas Erstaunliches. Die Flamme stieg vom Altar gen Himmel empor, und der geheimnisvolle Besucher, der Engel Jehovas, fuhr in der Flamme des Altars zum Himmel hinauf, von wo Er gekommen war, ein besonders eindrucksvoller Hinweis darauf, daß Er nach Seiner Menschwerdung selbst das Opfer sein und nach Vollbringung Seines Werkes in den Himmel zurückkehren sollte. Es war der mächtige Engel Jehovas, der das Heer der Assyrer vernichtete, welche die Theokratie5 mit Zerstörung bedrohte (2. Kön. 19, 35). Er deutete dadurch im voraus die künftige Befreiung Jerusalems an, am Ende der Zeit der Nationen, wenn alle Nationen nach Jerusalem zum Kriege versammelt werden und die Stadt wiederum belagert wird. Dann wird, wie Sacharja uns prophezeit, Jehova ausziehen und wider jene Nationen streiten, und Seine Fuße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen (Sach. 14. 1-4).
Wir führen auch 1. Chron. 21, 16 an: »Und als David seine Augen erhob, sah er den Engel Jehovas zwischen der Erde und dem Himmel stehen, Sein Schwert gezuckt in Seiner Hand, ausgestreckt über Jerusalem«. Im Psalm 34, 7 wird Er als der beschützende, befreiende Engel gesehen. Rom hat diese Schriftstelle in seinen falschen Lehren so dargestellt, als ob die Engel gefürchtet, verehrt und angebetet werden sollten. Der »Engel Jehovas« ist Jehova selbst. Wenn wir das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, lesen, erfahren wir, daß der Herr Jesus Christus, dessen ganze Herrlichkeit in diesem »Schlußstein der Bibel« geoffenbart ist, wiederum unter dem symbolischen Namen eines Engels erscheint.
Der Heilige Geist scheint uns darauf hinweisen zu wollen, daß Er der Engel des Bundes des Alten Testamentes ist, der die Israel gegebenen Verheißungen erfüllt und Barmherzigkeit im Zorn übt, wenn das jetzige Zeitalter endigt und das Tausendjährige Reich beginnt. In Offenbarung 8, 1-5 wird Er in Seinem Mittleramt gesehen, da Er die Gebete der judischen Heiligen darbringt, die in der großen Drangsalszeit leiden, mit welcher Zeit der Nationen schließt. Dann schleudert Er das Feuer des Gerichts auf die Erde. Kapitel 10 offenbart Ihn als »starken Engel« mit einem Regenbogen, dem Bundeszeichen, auf Seinem Haupt; Sein Antlitz ist wie die Sonne, und Seine Fuße sind wie Feuersäulen.
Er steht auf dem Meer und auf der Erde. Dies ist eine vollkommene Darstellung unseres Herrn, ehe Er kommt, um Seine Kronansprüche auf Meer und Erde zu erheben. Mit allen diesen Ausführungen mochten wir dartun, daß wir bei unseren Betrachtungen über die Engel Gottes diesem »Engel Jehovas« einen besonderen Platz einräumen müssen, weil Er der Herr selbst ist. Im folgenden wollen wir noch eingehender erforschen, was die Heilige Schrift über die Engel und ihren Dienst lehrt.
Engel sind Geister. — Haben sie Körper? — Unwissentliches Beherbergen von Engeln. — Sie nehmen sichtbare Körper an, um sich zu offenbaren. — Sie haben auch fortdauernde Körper. — Nicht Fleisch und Bein. — 1. Korinther 15. — Himmlische und geistige Leiber. — Christi Antwort an die Sadducäer. — Die Natur der Leiber ist uns noch unbekannt. — Zusammenfassung. — Wo wohnen sie? — Die drei Himmel. Was für Wesen sind denn nun diese wunderbaren Gottesgeschöpfe? Das Wort Gottes antwortet uns, daß sie Geister sind. »Sind sie nicht dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche die Seligkeit ererben sollen?« (Hebr. l, 14.) Diese Tatsache bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Frage, ob Engel Körper haben, wird oft von denkenden Gläubigen aufgeworfen.
Wenn ja, welcher Art sind diese Körper? Betrachten wir daher die Frage über die Körperlichkeit der Engel Gottes ein wenig naher. Nicht wenige Bibelausleger behaupten, ein Geist müsse unkörperlich sein, die Geistigkeit schließe die Körperlichkeit aus, und demzufolge seien die Engel als Geister körperlose Wesen. Wir wissen aus der Heiligen Schrift, daß sie in sichtbarer und zwar gewöhnlich in menschlicher Gestalt erschienen sind. Nehmen unsichtbare Geister eine sichtbare Gestalt an, so scheint es, daß sie nicht immer von gewöhnlichen Geschöpfen unterschieden werden konnten. In einer Ermahnung zur Gastfreundschaft lesen wir in Hebr. 13, 2: »Der Gastfreundschaft vergesset nicht, denn durch dieselbe haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt«.
Es ist also in alttestamentlichen Zeiten vorgekommen, wie wir hieraus ersehen, daß fromme Hebräer Fremde bei sich aufnahmen und sie bewirteten, um nachher zu entdecken, daß es Boten Gottes waren. Wir entnehmen daraus, daß sie nicht mit Flügeln und Heiligenschein erschienen, wie sie oft auf Gemälden dargestellt werden, sondern daß sie gewöhnlichen Sterblichen glichen. Aus anderen Schriftstellen sehen wir, daß ihren Leibern manchmal eine wunderbare Herrlichkeit innewohnte. Ihre Gewänder werden als glänzend geschildert, ihre Angesichter als dem Blitz gleichend und ihre ganze Erscheinung weiß wie Schnee. Wie kann dies mit der Behauptung in Einklang gebracht werden, sie seien nur Geister? Man sagt von ihnen, sie besäßen die Fähigkeit, willkürlich in körperlicher Gestalt erscheinen, das Weltall schneller als ein Lichtstrahl durcheilen und, dem Auge der Sterblichen nicht wahrnehmbar, kommen und gehen oder auch sichtbar erscheinen zu können. Wohl glauben auch wir, daß diese heiligen Wesen eine Fähigkeit besitzen, körperliche Gestalt anzunehmen und zu erscheinen oder zu verschwinden, wenn sie wollen. Aber das ist nicht die Frage, die uns jetzt beschäftigt. Haben sie als Geisteswesen fortdauernde Körper?
Es handelt sich nicht um ihre Fähigkeit, sich mit einem sichtbar machenden Gewände zu bekleiden, sondern darum, ob sie immer Körper haben oder nicht. Diese Frage können wir nach der Heiligen Schrift mit »ja« beantworten. Die Bibel lehrt die Körperlichkeit der Engel. Sie sind Persönlichkeiten und, obwohl Geister, besitzen sie ihre eigenen, besonderen Leiber. Daß diese nicht den unsrigen gleichen, können wir den Worten unseres auferstandenen Herrn entnehmen. Als Er plötzlich inmitten Seiner Jünger erschien, schrieen diese vor Furcht auf. »Sie aber erschraken und wurden von Furcht erfüllt und meinten, sie sähen einen Geist. Er sprach zu ihnen: Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen? Sehet meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin; betastet mich und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, daß ich habe« (Luk. 24, 37-39). Demzufolge lehrte unser Herr ausdrücklich, daß ein Geist keinen Körper von Fleisch und Bein besitzt. In dem großen Auferstehungskapitel, dem 15. Kapitel des ersten Briefes des Apostels Paulus an die Korinther, werden verschiedene Arten von Körpern erwähnt.
Der Geist Gottes spricht von irdischen und von himmlischen Körpern. Er sagt uns, daß es einen natürlichen Leib und einen geistigen Leib gibt. Der Mensch erhielt seinen irdischen, seinen natürlichen Leib von der Mutter Erde. Aber die Engel waren niemals mit einem solchen Leibe bekleidet, denn es wird in der Heiligen Schrift berichtet, daß der Mensch ein wenig unter die Engel erniedrigt ist. Diese haben also geistige, d. i. himmlische Körper, die ihrer erhabenen, herrlichen, geistigen Natur entsprechen. Außer dieser allgemeinen Tatsache besitzen wir von den Lippen unseres Herrn noch weitere Aufklärungen. Die Sadducäer, diese Ungläubigen der Vergangenheit, die ebenso die Existenz der Engel wie auch die Auferstehung leugneten, kamen, um dem Herrn eine Frage vorzulegen: »Lehrer, Moses hat uns geschrieben: Wenn jemandes Bruder stirbt, der ein Weib hat, und dieser kinderlos stirbt, daß sein Bruder das Weib nehme und seinem Bruder Samen erwecke. Es waren nun sieben Brüder.
Und der erste nahm ein Weib und starb kinderlos; und der zweite nahm das Weib, und dieser starb kinderlos; und der dritte nahm sie; desgleichen aber auch die sieben hinterließen keine Kinder und starben. Zuletzt aber von allen starb auch das Weib. In der Auferstehung nun, wessen Weib von ihnen wird sie? Denn die sieben hatten sie zum Weibe« (Luk. 20, 27-36). Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten sie diese Geschichte selbst erfunden, um dem Herrn Jesus Christus eine Schlinge zu legen. Seine Antwort enthält die Aufklärung über die Körperlichkeit der Engel: »Und Jesus sprach zu ihnen: Die Söhne dieser Welt heiraten und werden verheiratet; die aber würdig geachtet werden, jener Welt teilhaftig zu sein und der Auferstehung aus den Toten« (der ersten Auferstehung) »heiratet nicht, noch werden sie verheiratet; denn sie können auch nicht mehr sterben, denn sie sind Engeln gleich, und sind Söhne Gottes, da sie Söhne der Auferstehung sind.«
Hier lehrt der Herr, daß die Engel wirkliche Körper haben. Die logische Schlußfolgerung daraus ist, daß die Engel wohl Körper besitzen, daß diese aber von den menschlichen insofern verschieden sind, als die Engel nicht heiraten noch verheiratet werden, und daß sie nicht sterben. Auch hierin liegt ein wertvoller Hinweis auf die Auferstehungsleiber der Erlösten; die Teilhaber an der ersten Auferstehung werden Leiber besitzen, die zumindest in zwiefacher Hinsicht den Leibern der Engel gleich sein werden. Unsere Auferstehungsleiber sind unsterblich, und die irdische eheliche Gemeinschaft wird nicht mehr existieren. Aber die wichtigste Offenbarung über den Auferstehungsleib der Erlösten geschah, nachdem der Herr Jesus Christus von den Toten auferstanden war. Der Geist Gottes lehrt uns, daß unsere Leiber Seinem verklärten Leib gleich sein werden. Wie schon gesagt, sprach unser Herr nur von zwei Punkten, in welchen unsere Auferstehungsleiber denen der Engel gleich sein werden. Aus diesen Seinen Worten können wie erkennen, daß die Engel wirklich Körper besitzen. Aber was für eine Art Körper? Diese Frage kann nicht beantwortet werden. Auf den ersten kirchengeschichtlichen Konzilien wurde die Auffassung vertreten, die Körper der Engel seien ätherisch und feuerähnlich, wahrend die Scholastiker6 und das Laterankonzilium sich dahin festlegten, sie seien materiell.
Die Synagogenliteratur der Juden enthält reichlich Annahmen aller Art in bezug auf die Körper der Engel, sowie seltsame Überlieferungen darüber. Viele Rabbiner erklärten, in Daniel 10, 6 sei der Körper eines Engels eingehend beschrieben. Aber das sind rein menschliche Gedanken. Wir müssen zugeben, daß wir hinsichtlich dieser unsichtbaren Dinge in einen dunklen Spiegel blicken. Nach unserer gegenwärtigen Beschaffenheit können wir diese Dinge weder erklären noch verstehen. Über das, was geschrieben steht, dürfen wir nicht hinausgehen. Gewiß wird einmal die Zeit kommen, wo wir nicht langer in einen dunklen Spiegel sehen, sondern vom Glauben zum Schauen gelangen werden. Dann werden wir über das Unsichtbare, die Engel und ihre herrlichen Leiber eingeschlossen, völlige Kenntnis erhalten. Was wir aus der Heiligen Schrift wissen, sind die folgenden Tatsachen: 1. Die Engel sind Geister, die durch einen unmittelbaren Schöpfungsakt ins Dasein gerufen wurden. 2. Als sie mit den Menschen in Berührung kamen, entfalteten sie ihre Fähigkeit, willkürlich Menschengestalt anzunehmen, plötzlich zu erscheinen und ebenso plötzlich wieder zu verschwinden. Auch erschienen sie in weißen Gewändern, umgeben von einem strahlenden Licht. 3. Sie besitzen Körper. Ein Geschöpf ohne Körperlichkeit ist geradezu undenkbar. Körperlichkeit ist das Ziel aller Wege Gottes. Der Herr Jesus Christus zeigt, daß die Auferstehungsleiber der Seinen den Leibern der Engel gleich sein werden. 4. Die Natur dieser Engelleiber ist unbekannt, denn sie wurde uns nicht kundgetan. Als Nächstes haben wir ihre Aufenthaltsorte 2u ermitteln.
Wie wir vorhin ausgeführt haben, ist ihre Zahl so groß, daß keine Schätzung darüber möglich ist. Die unsichtbare Engelwelt ist ein mächtiges Reich mit Thronen, Herrschaften, Fürstentümern und Gewalten. Da nun die Engel mit Leibern bekleidete Geister sind, müssen sie auch bestimmte Wohnstätten besitzen. Wo sie sich aufhalten, ist daher eine weitere, interessante Frage, deren wenigstens teilweise Beantwortung die Heilige Schrift ebenfalls enthält. Ein Kind, das etwas über die Bibel weiß, wird diese Frage sofort beantworten. Es wird sagen: »Die Engel wohnen im Himmel.« Aber das Wort Himmel besitzt eine mannigfaltige Bedeutung. Im Hebräischen steht dieses Wort stets in der Mehrzahl: »die Himmel«. Die Bibel spricht von drei Himmeln. Der dritte Himmel ist aller Himmel Himmel, Gottes Wohnstätte, wo von jeher Sein Thron gestanden. Die Stiftshütte Seines Bundesvolkes Israel war ein Abbild der Himmel. Mose hatte vom Berg aus in die weiten Himmel geschaut. Er besaß kein Fernrohr. Gott selbst aber zeigte ihm der Himmel Geheimnisse und gebot Seinem Diener, die Stiftshütte zu erbauen, indem Er sprach: »Siehe, daß du alles nach dem Muster machest, das dir auf dem Berge gezeigt worden ist.« (Hebr. 8, 5). Die Stiftshutte bestand aus drei Teilen: dem Vorhof, dem Heiligen und dem Allerheiligsten. Einmal im Jahr ging der Hohepriester durch den Vorhof in das Heilige und zuletzt mit dem Opferblut in das Allerheiligste, um es in Jehovas heiliger Gegenwart zu sprengen. Aber Aaron war nur ein Vorbild des wahren Hohenpriesters, der größer ist als Aaron. Von Ihm, dem wahren Priester, unserem Herrn und Heiland Jesus Christus steht geschrieben, daß Er durch die Himmel gegangen ist (Hebr. 4, 14). »
Denn der Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen« (Hebr. 9, 24). Er ist durch die Himmel gegangen: Durch den Vorhof, d. h. den Himmel, der die Erde umgibt; durch das Heilige: durch die unendlichen Welten mit ihren unermeßlichen Weiten, und endlich ist Er in den dritten Himmel eingegangen, jenen Himmel, um dessen Vorhandensein die Astronomie weiß, den aber kein Fernrohr je zu erreichen vermag. In den himmlischen Örtern befinden sich nach dem Epheserbrief die Fürstentümer und Gewalten, die unzähligen Engelscharen, deren Wohnort in diesen Himmeln ist. Gott, der sie als Geister erschuf und sie mit Leibern bekleidete, die ihrer geistigen Natur entsprechen, muß ihnen auch Wohnstätten zugewiesen haben.
Welcher Art und wo sind nun diese Wohnstätten? Daß sie sich in den Himmeln befinden, wird nicht nur im Epheserbrief gesagt. In dem Gebet, das unser Herr Seine Jünger lehrt, findet sich eine Bitte folgenden Wortlautes: »Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden«; dies heißt doch soviel, daß sich im Himmel Wesen befinden, und daß diese Seinen Willen tun. Es ist bezeichnend und nicht bedeutungslos, daß der Ausdruck »die himmlischen Heerscharen« sowohl Sternen- als auch Engelscharen bedeutet. »Herr der Heerscharen« hat auch diese zweifache Bedeutung. Wir werden viel aus der großen Katastrophe lernen können, die lange vor der Erschaffung des Menschen stattfand, als ein mächtiger Engelfürst sich auflehnte und samt einer großen Schar anderer Engel fiel.
»Luzifer«, der Sohn der Morgenröte. — Seine Herrlichkeit und sein Fall. — Er besaß einen Thron. — Seine ursprüngliche Wohnstätte: unsere Erde. — Die Lehre der Bibel. — Engel haben ihre eigenen Behausungen. — Das Vaterhaus. — Was sind die vielen Wohnungen. — Die Sternenblume. — Christus in der Mitte. — In der Kirche. — In der Herrlichkeit. — Im Weltall. — Die große Anbetung. Im vierzehnten Kapitel des Propheten Jesaja wird der Fall dieses großen Engelfürsten, den manche auch für einen Erzengel halten, geschildert. Er wird mit dem Namen »Luzifer, Sohn der Morgenröte« angeredet. Luther übersetzt diesen Namen: »schöner Morgenstern«. Das Wort Luzifer ist der Vulgata8 entnommen, die das hebräische Wort Helel mit dem lateinischen Luzifer »Lichtträger« wiedergibt. Das hebräische Wort wird am besten von der Wurzel »Halal« abgeleitet, was so viel wie glänzend, prächtig oder herrlich bedeutet. Jenes »Sohn der Morgenröte« angeredete Wesen (vielleicht das erste erschaffene Geschöpf) war, wie sein Name bezeichnet, ein prächtiger, leuchtender Engel. Dies kann auch der Prophezeiung Hesekiels entnommen werden. In einer Botschaft an den König von Tyrus wendet sich der Geist Gottes plötzlich an eine andere Person und spricht Worte, die niemals einem menschlichen Wesen gelten konnten. Hinter dem König von Tyrus stand eine unsichtbare Macht — der Fürst der Finsternis.
Auf diesen einstmals großen Luzifer beziehen sich die folgenden Worte: »Der du das Bild der Vollendung warst, voll von Weisheit und vollkommen an Schönheit, du warst in Eden, dem Garten Gottes; allerlei Edelgestein war deine Decke: Sardis, Topas und Diamant, Chrysolith, Onyx und Jaspis, Saphir, Karfunkel und Smaragd und Gold... An dem Tage, da du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein schirmender gesalbter Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht; du warst auf Gottes heiligem Berge, du wandeltest inmitten feuriger Steine. Vollkommen warst du in deinen Wegen von dem Tage an, da du geschaffen worden, bis Unrecht an dir gefunden wurde« (Hes. 28, 12-15). Wir bemerken, daß er »ein schirmender gesalbter Cherub«, genannt wird, was eine weitere große Auszeichnung bedeutet. Diese machtvolle und herrliche Persönlichkeit, dieser »Glanzstern«, dieser »Sohn der Morgenröte«, empörte sich. Jesaja berichtet uns die Geschichte seines Falles: »Und du, du sprachst in deinem Herzen: Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben, und mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden. Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten« (Jes. 14, 13.14). Er fiel durch Hochmut, denn er erhöhte sich selbst.
Da wir nicht beabsichtigen, uns weiter über Satan, den Ursprung des Böses, die gefallenen Engel und das Reich der Finsternis zu verbreiten, so wollen wir auf dieses Thema nicht näher eingehen, doch möchten wir einige hervorstechende Tatsachen der angeführten Schriftstelle herausgreifen. Es war Luzifers Ehrgeiz, zum Himmel emporzusteigen, womit der dritte Himmel gemeint sein muß, wo der Thron Gottes in ewiger Majestät steht. Weiterhin sagt er: »Hoch über die Sterne Gottes will ich meinen Thron erheben«; er besaß also einen, ihm von seinem Schöpfer verliehenen Thron, den er über die Sterne erhöhen wollte.
Hierin wieder finden wir den Beweis, daß es sein Ehrgeiz war, im dritten Himmel zu sein; denn das ist der Himmel, der über den Sternen ist. Ein Thron aber hat das Vorhandensein einer Örtlichkeit zur Voraussetzung. Hat ein König kein Reich, über welches er regiert: wie kann er einen Thron besitzen? Luzifer besaß einen Thron und hatte demzufolge ursprünglich einen Wohnsitz, einen bestimmten Platz in diesem ihm zugewiesenen Reich.
ISBN: 9783775111287 Format: 20,5 x 13,5 cm Seiten: 96 Verlag: CV Dillenburg Erschienen: 1986 Einband: Paperback