Giertz Bo, Das Herz aller Dinge - Und etliches fiel auf den Fels

05/22/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Am Tag des Gerichts Februar 1543
Herr Johann Turesson, der Reichsrat, hatte sich vom Stuhl, hoben und ging im Zimmer einige Schritte hin und her, währe, er las Er fuchtelte entzückt mit der geballten Faust In der L herum und sog die Luft zwischen den Zähnen ein, so daß es zi te. Seine Augen hingen die ganze Zeit an dem Papier.
Martin, der Schreiber, folgte ihm mit einem wachsamen Bi; hinten aus seiner Ecke. Er wußte, daß der große Bogen das: Spannung erwartete Manifest des Königs enthielt, das zu Neuj an die Bauernschaft in Östergötland und Smaland ausgefe T war. Es fiel ihm schwer, seine Neugierde zu zähmen.


Jetzt setzte sich Herr Johann wieder, schleuderte das Papier' den Tisch und fuhr im Lesen mit krumm gebeugtem Rücken f während beide geballten Fäuste auf die Tischplatte trommel und das ganze wettergebräunte Gesicht sich von einem Grini um das andere verzog.
'>0 du herrlichster Jeremias! Das soll ihnen schmecken! Ein IC nigsschmaus für unsere griesgrämigen Vadstenaer Papisten! Je kriegen sie's dafür, daß sie nach allem Überkommenen und hergebrachten schreien. Trefflich, trefflich .'. -
Er hatte die Hände über dem Bauch gefaltet und wiegte sich und her. Endlich war er soweit, etwas von sich zu geben. '>Hier könnt ihr's hören(
Wir haben erfahren, daß eine allgemeine Rede aufgekomiti; ist, daß der Bauernstand fordert, was überkommen und alth; gebracht ist indem er damit die Verminderung der Steue meint . . .
Wenn der Bauernstand die Einnahmen des Reiches den vermindern will, dann wird daraus folgen, daß man we' Kriegsleute im Reich bekommt. Dadurch würden die Feinde. Reiches wieder leichten Zutritt zum Reich bekommen - überkommen und althergebracht ist! Uns ist als nützlich und guter Brauch erschienen, daß das Reich durch zahlreiche gutC taugliche Kriegsleute verstärkt bleiben möchte, desgleich durch treffliche Büchsen und Schwerter, was nicht alter Braud vor Uns gewesen ist! Und zu einem solchen trefflichen Hauf Kriegsleute gehören große Aufwendungen, vieigrößer, alsi nach altem Brauch gewesen sind, was man nicht bedenken will, sondern ruft ständig nach altem Brauch. «
Herr Johann streckte behaglich seine Beine aus, so daß die Sporen :Holzspäne aus dem Boden schnitten, lachte abermals und fuhr fort, noch einige Kostproben vorzulesen.
>'Welchen Nutzen das Reich von solchen alten Bräuchen hatte, das geben Wir euch selber zu bedenken. Die Kaufleute wurden ihrer Schiffe und Güter beraubt, die Schiffsleute wurden über Bord geworfen und wie Hunde ertränkt. Item, wie es derart sowohl in König Hans' wie jetzt zuletzt in König Christians Zeit mit Mord und Brand zugegangen ist, das ist auch alter Brauch! Da lag mancher arme schwedische Mann den Hunden zum Fraß und konnte nicht auf den Kirchhof kommen. Und geben Wir nun jedem verständigen, getreuen Schweden zu erwägen, ob diese alten Bräuche unserem Vaterland derartig nützlich gewesen sind «
YDer Reichsrat machte noch eine Auslassung und gab die Schluß-. pointe zum besten:
»So, ihr lieben Bauersleute alle, Wir hoffen, daß niemand mit Grund oder Recht Uns in Wahrheit etwas anderes nachsagen werde, als daß Wir für Unser armes Vaterland und den gemeinen Mann mit aller Treue gesorgt haben; und wollen Wir Uns
» nicht allein dafür in dieser Welt vor Menschen verantworten, sondern gleichwohl vor dem höchsten Gericht, das Gottes gerechtes Gericht ist, der da rechtlich urteilt und die ganze Wahrheit weiß . . . «
Der Reichsrathattedie Stiefel wieder unterden Stuhl gezogen und sich zu einer anstandsvolleren Haltung aufgerichtet, die zu dem feierlichen Schluß paßte. Er legte den Erlaß auf den Tisch und haute mit der flachen Hand gegen seine Lederhosen.
* »Der Schmier dürfte wohl hinhauen sogar hier bei unseren ] Erzpapisten in Vadstena und Linköping! So vollgepfropft sie auch sind mit St. Brigittas Offenbarungen und Jungfrau Mariens Milch! Seine Gnaden weiß, wie solche Leute genommen werden müssen.«
Martin, der Schreiber, nickte Beifall hinten in seiner Ecke. Das war wirklich die alte Art und die alte gradsinnige Fürsorge für das eigene Volk, die jedermann begreifen und billigen mußte. Das waren andere Töne als all jenes Gepolter von »Unserer königlichen i Machtvollkommenheit«, das mit den deutschen Ratgebern ins Land gekommen war. Dies würde draußen im Lande gut wirken.
Er sah die Fröjerumer Bauern vor sich auf dem Kirchhügl ve, sammelt mit zottigen Bärten, verbeulten Nuten und einem klu gen wachsamen Schimmer in den wasserblauen Augen Eine so che Rede wurde ihnen Eindruck machen wenn nur nicht sein Bn der Anders hinterher den guten Eindruck durch sein Reden aus löschte.
Martin kehrte zu seiner Arbeit an den Stammrollen zurück E hieb ständig die Hacken aneinander unter dem Tisch Es war fuß kalt und zugig in der provisorischen Schreibstube die in dem eine Giebelraum beim Pfarrherrn eingerichtet war. Überall hier I,7 Vadstena bei allen Priestern, bei den Möncheh und sogar im Non nenkloster war .im Winter Burglager. Er konnte sich glücklic preisen daß er wenigstens ordentlich unter Dach in ein bewohnba res Haus gekommen war.
Eine gute Woche war er jetzt hier. Als es offenbar wurde, dat< Dacke den »Hühnerfrieden« nicht zu halten gedachte den er j Oktober nach der Niederlage bei Kisa eingegangen war, sonderrt daß der Krieg wieder aufflammen wurde hatte er verlangt de -Ieerfiihrung ins Feld folgen zu dürfen. Das war bewilligt worden; da er von hier unten her stammte und mit seiner Kenntnis der nordsmaländischen Waldgegenden von Nutzen sein konnte. Nur, saß er hier also als eine Art Sekretarius des Obersten Quartiermei4: stets, Herrn Peter Brahe. Er hatte vor der Abreise von Seiner Gna# den selbst die Instruktionen bekommen Er solle ein Auge auf de jungen Herrn Peter halten, so daß er wirklich Geld spare und be sonders an dem teuren spanischen Wein, der ihm zugesandt war so daß er nicht zur Unzeit für das Hauptquartier ausgeschenld sondern für die Landsknechte aufgespart werde bis es wirldic gelte sich für ein entscheidendes Ringen mit Dacke Mut in di Knochen zu trinken
Von Nykoping her hatte er von Mans Bryntesson Gesellscha gehabt, dem Kammerschreiber, der ihm jetzt am Eichentisch g. rade gegenübersaß und seine blaugefrorenen Finger um die Gänse feder krampfte. Er hatte kaum von seinem Papier aufgesehen;: während der Reichsrat vorlas, Mans hatte heute einen schwarze Tag gehabt. Er sollte die hoffnungslos verworrenen Abrechnungen über die Abgaben von Aska und Dal in Ordnung bringen. Hiet waren nun die Vögte den ganzen Tag herumgelaufen aber keiner konnte aus ihren Angaben klug werden was eigentlich emge-nommen war, was rechtmäßig durch Geld abgelöst war und was sie selber aus zweifelhaften Gründen nachgelassen oder in ihren eige nen Taschen hatten verschwinden lassen. Und nun hatte der König eine ordnungsgemäße Aufstellung vor dem Sonntag Okuli gefordert und gedroht, Vögten wie Schreibern für ihre Nachlässigkeiten anderenfalls Wachs und Teer über den Schädel zu gießen. Es war also menschlich, wenn Mans Bryntesson heute nicht geneigt war, die köstliche Beredsamkeit Seiner Gnaden zu bewundern, während er über seinem sauber linierten Papier und seinen hoffnungslos verworrenen Kladden herumdriickste.
Herr Johann hatte weiter in der großen Tasche herumgewühlt, die von Gripsholm gekommen war. Er holteweitere drei Schreiben hervor. Zwei legte er zur Seite, das dritte brach er auf.
Martin, der Schreiber, schrieb und horchte. Er war nun einmal auf alle Arten von Neuigkeiten unerhört begierig. Diesmal brauchte er auch nicht lange zuwarten. Herr Johann blickte von seinem Papier auf und wandte sich direkt an ihn.
»Martin, glaubst du, daß wir einige große Siegel im Lager haben?«
»Das des Reichshofnteisters ist das größte, das ich gesehen habe. Wofür soll es sein?«
Herr Johann lachte wieder sein breites Lachen.
»Das soll hier neben das Siegel Darlekarliens gesetzt werden und für das Helsinglands oder Lappmarkens oder Moskowiens oder sonst irgendwas gelten, was der Sache bei den Waldräubern ein größeres Ansehen geben kann. Seine Gnaden will ihnen ein gebührendes Schelmenstück bereiten. Er hat einen Brief aus Darle-karlien besorgt, in dem es heißt, daß Bauernstand und Bergleute ein gewaltiges Heer ausgesandt haben, die Verräter zu strafen, da die Darlekarlier ebensogut wie die Smaländer des Reiches Einwohner sind und nicht leiden wollen, daß das Reich ihrer Väter von einem ehrlosen Straßenräuber umgestürzt würde, der sich zwar drei Weiber halten kann, aber niemals ein Mann gewesen ist, der sein Wort hält. 

Damm haben sie jetzt ein Fähnlein nach Östergötland gesandt, um dem König zu helfen, und gedenken, danach zehn weitere noch zu senden, so daß sie mit so vielen Leuten kommen, wie es Wacholderbüsche zwischen Norra Vedbo und Kinnevald gibt.«
Er hielt das Papier hoch und lachte wie ein Hoiigkuchenpferd.
»Und nun befiehlt Seine Gnaden, daß wir sogleich auf den Sturz zwei der ärgsten Gesellen aus dem Darlekarlierfähnlin deCklei-nen Nils Hansson heraussuchen die beiden die das tollste Mundwerk haben, und ihnen Geld in die Hand geben, so daß sie sich wie