Kompromisslos - Keith Green; Melody Green; David Hazard

04/15/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

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Eines Tages wurde in einer Generation, die in endloser Leere und geistlicher Finsternis umhertappte, ein Junge geboren, dem eine große Gabe anvertraut war. Hochtalentiert, als Musiker ausgebildet, besaß er eine einzigartige (manche sagten später: eine geniale) Fähigkeit, geistliche Wahrheiten zu nehmen und in die Sprache und das Vokabular der ganz normalen Menschen seiner Zeit zu übersetzen. Seine biographischen Schriften (in die wir heute Einblick haben) geben Zeugnis von der Intensität seiner inneren Auseinandersetzungen und seiner früheren Odyssee über verschlungene Pfade, die vieles versprachen, doch leider nirgendwohin führten. 

Diese Aufzeichnungen beschreiben die Suche eines jungen Mannes, der offenbar mit seiner Zeit nicht Schritt hielt - der sich nicht scheute, für das, was er als wahr und richtig erkannt hatte, alles andere aufs Spiel zu setzen. Er war in allen Dingen intensiv - und in dieser Intensität spürte er allem und jedem nach, was ihm einen Schlüssel zum Leben und zur Wirklichkeit zu bieten schien. Und als er diese Antwort einmal gefunden hatte (daß er sie fand, wissen wir), konnte ihn nichts mehr davon ablenken.

Aufgrund dieser Hingabe begann er einen lebenslangen Kreuzzug, um seine Welt ebenso zu verändern. Niemand, der ihn kannte, würde bestreiten, daß er viele verletzte. Besonders schockierte er häufig etablierte religiöse Menschen in seinem jugendlichen Eifer, Barmherzigkeit, Ehrlichkeit und Echtheit in die Gemeinde Jesu zurückzubringen. Der vielleicht zutreffendste Prüfstein für einen Propheten ist die Frage: 'Verursacht er mir Unbehagen?' 

Tut er das, so ist er wahrscheinlich ein Prophet. Tut er es nicht, so ist er wahrscheinlich keiner. Schließlich lesen wir nirgends in der Bibel von einem populären Propheten, außer von den falschen, die dauernd herumliefen und den Leuten das sagten, was sie hören wollten.
Er war unverblümt, er war witzig, er war taktlos und manchmal sogar grob. Er weigerte sich standhaft, den geistlichen Status quo zu akzeptieren. 

Er verspottete die Heuchelei mit leisem Lachen, während er seine eigenen inneren Kämpfe und Ängste unter Tränen offenlegte. Viele seiner Lieder sind einfach vertonte Predigten - mit Harmonien unterlegte prophetische Aussagen, die für eine ganze Generation Maßstäbe setzten. Er war umstritten. Er mußte viel Kritik einstecken. Es war unmöglich, ihn zu ignorieren. Sein Leben und sein Werk beeinflußten buchstäblich Millionen in aller Welt. Obwohl er nun von uns gegangen ist, schlug er in seiner Generation ein wie eine Wasserstoffbombe, und der Widerhall seines Lebens, seines Mutes und seiner Hingabe wird auch in keinmenden Generationen noch zu spüren sein.

Die meisten heutigen Menschen, die nie Gelegenheit hatten, seine Schriften und Tagebücher zu lesen, kennen ihn nur von seiner Musik her. (Schließlich ist nicht jeder in der Lage, ein Lied zu schreiben, das noch fünfhundert Jahre nach seinem Tod gesungen wird!) Wir erinnern uns heute au ihn als den Mann, der die Reformation in Gang setzte; den Musiker, den es danach hungerte, Gott zu erkennen und ihn durch den Glauben bekannt zu machen; den Mann, der Martin Luther hieß.
Und dies ist natürlich nicht seine Geschichte. Aber sie hätte es sein können, in einem anderen Jahrhundert, einer anderen Kultur und mit weniger Zeit, um eine Aufgabe in kleinerem Maßstab zu erfüllen. Keith liebte Jesus. Er tat, was er in den wenigen, intensiven Jahren tun konnte, in denen ich das Vorrecht hatte, ihn zu kennen. Wenn Sie niemals Gelegenheit hauen, Anteil am Leben eines Menschen zu nehmen, der buchstäblich für Jesus LEBTE, dann werden Sie einen Schimmer dieser Liebe in dieser Geschichte erkennen, seiner Geschichte. Er war mein Freund. Ich vermisse ihn. Danke, Mel, für diesen Blick hinter die Kulissen. Winkte Pratney


Inhalt
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt ("Ofle Day You're Up...") 11
Bis hinten gegen ("Run To The End Of The Highway") 25
Dringend erledigen ('You're On My List Of Things To Do") 55
Die Liebe hier ("Love With Me") 81
Es gibt den Befreier ("There IsA Redeemer") 98
Du gabst mir Liebe ins Herz ("You Put This Love In My Heart") 113
Solang' die Liebe lebt ("When There's Love") 126
Bin aufgewacht ('Youre Love Broke Through") 145
Wer Ohren hat zu hören --- ('For Him Who Has Ears To Hear") 166
Licht an und trotzdem eingenickt ("Asleep In The Light") 183
Stürme ("Rushing Wind") 205
Überwältigt ("1 Want To Rain Upon You...") 217
Allein aus Gnade ("Grace By Which 1 Stand") 231
Wie Jesus werden (1 Want To Be More Like Jesus") 247
Wenn Gott das Haus nicht selbst mitbaut ("tJnless The Lord Builds...) . .267
Öffne deine Augen ("Open Your Eyes") 283
Das Weizenkorn ("Unless A Grain Of Wheat...") 309
Nachwort 333
Erinnerungen an Keith 337
Danksagungen 339
Last Days Ministries 343

1. Kapitel Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt
("One Day You're Up ...")
Auf den Straßen von Hollywood kann alles mögliche passieren. Ich hatte schon einige ziemlich grelle Sachen erlebt - aber noch nie etwas so Bizarres wie in jener Nacht auf dem Ventura Boulevard. Als Keith und ich aus dem "BIn Bla Cafe" kamen, strömte uns ein Schwall heißer Nachtluft entgegen. Es war schon nach zwei Uh morgens, doch die Straße war immer noch belebt und voller Aktivität. Vier Transvestiten rauschten an uns vorbei, gefolgt von einem Pärchen in Diso-fla-motten, die alle drinnen ein nächtliches Frühstück einnehmen wollten. Auf dem Nachbargrundstück liefen die Wachhunde von 'Bruno's Corvette Repairs' hinter ihrem Maschendrahtzaun entlang und heilten alles an, was sich bewegte - uns eingeschlossen. Keith hatte in dieser Nacht drei Sets gespielt, und wir machten uns erschöpft auf den Heimweg. Ich war froh, "Victor", unseren alten VW-Bus mit seinen im Hippiestil indianisch bedruckten Vorhängen, am Straßenrand stehen zu sehen.

Keith trat nun schon seit einem Jahr im "Bla" auf, wie es von seinen Stammgästen liebevoll genannt wurde. Es war ein kleiner Talentschuppen im San Fernando Valley, direkt an der Straße von Hollywood. Das "Bla" brachte hoffnungsvolle Nachwuchsmusiker auf die Bühne und wurde von den Talentsuchem der großen Plattenfirmen frequentiert. Keith war einer dieser hoffnungsvollen Nachwuchsmusiker. Doch heute abend hatte er wieder einmal alles gegeben - und nun gingen wir nach Hause, immer noch unentdeckt.

Während Keith vorne um den Bus herumging, öffnete ich die Beifahrertür. In diesem Moment entdeckte ich eine Gestalt, die aus dem Dunkel auf uns zukam. Es war Harmony.
Harmony sah aus wie ein wilder Mann aus den Bergen mit seinem zottigen braunen Haar und Bart. Wir schrieben 1974, aber dieser Bursche kam uns vor wie einer, der in den Sechzigern in einer Zeitfalte steckengeblieben war. Er war ruhig und gelassen. Er redete von nichts anderem als von Liebe, Frieden und Leben von dem, was das Land hergab. Wir waren nicht sehr eng befreundet, aber Keith und er hatten einmal zusammen einen Trip geworfen.

"Hey, wie läuft's?" rief Keith. Er schloß seine Tür wieder und kam zurück auf den Bürgersteig.
Müde lehnte ich meinen Kopf zurück, da ich wußte, ich würde eine Weile warten müssen. Die meisten unserer Gespräche liefen in jener Zeit unvermeidlich auf das Thema "spirituelle Erfahrungen hinaus. Keith und ich hatten allerhand ausprobiert - wirklich allerhand. Seit neuestem beschäftigten wir uns mit Jesus Christus. Wir waren keine Christen. 

Die Kirche war für uns eine tote Institution. Dennoch schien uns Jesus eine Art spiritueller Meister zu sein, und wir empfanden einen gewissen Respekt vor seinem Leben und seiner Lehre.
Unvermeidlicherweise begannen Keith und Harmony sofort, sich über das Übernatürliche zu unierhalten. Es war ein ganz typisches Gespräch - für Leute, die mit Drogen und mystischen Erfahrungen zu tun hatten. Was auf die meisten Leute zutraf, die wir kannten.
"Ich habe in letzter Zeit einiges über Jesus gelesen", sagte Keith gerade. "Er war ganz schön radikal."
Harmonys Augen schienen heller zu werden, dann kam langsam ein merkwürdiger Ausdruck über sein Gesicht. Sehr ruhig sagte er: "Ich bin Jesus Christus."
Keith reagierte, als sei er von einem Skorpion gestochen worden. Ohne einen Atemzug zu verlieren, schoß er zurück: "Seht euch vor vor den falschen Pro pheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe!" Ich erkannte das Zitat als etwas, das Jesus gesagt hatte. Was daraufhin geschah, war wirklich schwer zu glauben.

Harmonys Augen weiteten sich. Dann verengten sie sich zu Schlitzen, Falten legten sich über seine Stirn, und seine buschigen Augenbrauen zogen sich. zusammen. Ein verächtlicher Ausdruck kam über sein sonst so mildes Gesicht, und seine Oberlippe schob sich hinauf und gab seine gelben, vom Tabak verfärbten Zähne frei. Mit gebleckten Zähnen lehnte er sich auf Keith zu und stieß ein Knurren aus, das in seinem Hals begann wie bei einem Wolf und mit dem fürchterlichen Zischlaut einer Schlange endete.
Das Ganze dauerte nur Sekunden. Harmonys Gesicht entspannte sich wieder. Doch seine Augen sahen verwirrt aus. Verlegen. Das Zischen schien immer noch in der stillen Nachtluft zu hängen.
Meine Haut prickelte noch von dem Schock. Auch Keith war offenbar wie vom Schlag gerührt. Mit schreckgeweiteten Augen wandte er den Blick von Harmony zu mir. Na gut, wir waren in Hollywood- aber solche Dinge passierten sonst nur in Filmen. Ich fragte mich, was Keith wohl dachte.
Es war, als ob jemand oder etwas von einem Moment auf den anderen die Herrschaft über Harmony übernommen und ihn für seine eigenen Zwecke benutzt hatte. Dann hatte es ihn genauso schnell wieder fallen und ihn in verwirrter Verlegenheit die Scherben aufkehren lassen. Geistesabwesend murmelte Harmo-ny etwas. Doch Keith verabschiedete sich eilends, sprang in Victor und schob den Schlüssel ins Zündschloß.
Während wir durch die dunklen Straßen nach Hause fuhren, warfen wir uns immer wieder ungläubige Blicke zu. Keith war erregter als sonst. Immer wieder sagte er: "Hat er das wirklich getan? Ich kann es nicht glauben!"
Wir sprachen von nichts anderem mehr, bis wir irgendwann nach halb vier ins Bett krochen und einschliefen.
Das unheimliche Erlebnis mit Harmony hinterließ Spuren bei uns. Es machte uns eines sehr deutlich bewußt; nämlich daß es tatsächlich einen sehr realen spirituellen Bereich gab - einen Bereich voller Macht und möglicherweise auch voller Gefahren. Wir waren gerade dabei zu erkennen, daß es jenseits unseres Wissens spirituelle Kräfte geben mußte. Hatten wir eine Stimme von dieser anderen Seite gehört, die durch Harmony gesprochen hatte? Oder war es nur die "Stimme" unserer Zeit gewesen? Schließlich gab es eine Menge Musiker, Künstler und Schriftsteller - all die "schöngeistigen" Leute - die Dinge sagten wie: "Du bist dein eigener Gott. Gut und Böse gibt es nicht."
Wir jedoch fragten uns, ob die spirituelle Energie am Ende doch eine dunkle und eine helle Seite hatte.

Keith und ich waren seit einiger Zeit dabei, unsere "spirituelle Identität" zu suchen. Wir suchten nach Wahrheit - was immer das sein mochte - und unsere Suche nach dem Licht hatte uns beide auf viele seltsame Wege geführt, angefangen vom Buddhismus bis hin zu Astralreisen und natürlich Drogen. Beide waren wir überzeugt, daß "die Wahrheit" irgendwo da draußen verborgen war wie eine Perle im Ozean und daß sie, wenn wir sie endlich finden, einen leeren Raum in unseren Herzen ausfüllen würde. 

Daß sie unser Leben wirklich lebenswert machen würde. Bis dahin barg jeder Tag die Möglichkeit, der Tag der großen Offenbarung zu werden.
Zur Zeit unserer unheimlichen Begegnung mit Hannony hatten wir unsere Suche ein wenig schleifen lassen, die Hoffnung verloren und sogar wieder mit Drogen herumgepfuscht - denen wir schon abgeschworen hatten, wobei wir jedoch immer wieder rückfällig wurden. Unsere spirituellen Ambitionen hielten uns nie sehr lange aus dem Sumpf heraus. Ja, das ständige Lecken dieser anderen "Stimmen" hatte uns nahezu davon überzeugt, daß es tatsächlich eine dunkle und eine helle Seite gab. Nach dem Erlebnis mit Harrnony war Keith in seiner üblichen Alles-oder-nichts-Haltung entschlossen, zu lernen, wie man beide Seiten unterscheiden konnte. Obwohl wir den Vorfall vor dem "Bla" nie vergaßen, gab es jedoch noch dringendere Angelegenheiten, wie zum Beispiel Keiths alles verzehrenden Traum.

Im Besonderen drehte sich unser ganzes Leben tun Keiths Drang, es im Musikgeschäft zu etwas zu bringen. Nun, da er im "Bla" auftrat, Warteten wir mit Begierde auf den Abend, an dem die "richtige" Person hereinkam und Keith G,-e-cii "entdeckte".
Das Bla befand sich nicht weit von der Queen Mary aus den Ventura Boulevard hinunter, und Keiths Publikum war stets aus Homosexuellen und Heterosexuellen gleichmäßig zusammengesetzt. Keines der beiden Lager schien sich am anderen zu stören. Um ehrlich zu sein, es war oft schwer, zu unterscheiden, wer zu welcher Gruppe gehörte. Die Auffälligsten waren die Transvestiten, die mit Satin-kleidern, baumelndem Schmuck und perfekt gestylten Perücken behangen herein-rauschten und nur durch ihre übertrieben weibliche Gestik und ihre frühmorgendlichen Bartschatten, die durch die dicken Make-up-Schichten schimmerten, ihr wahres Geschlecht verrieten.
Keiths Familie und meine Mutter lebten hier in Südkalifomien. Doch das "Bla" war wie ein zweites Zuhause für uns. Die Leute dort waren unsere Familie. Obwohl Keiths letzter Set um ein Uhr endete, blieben wir oft dort, bis Albie, der Besitzer, drei Stunden später die Türen abschloß. Dann trugen Keith und Albie einen Tisch auf die leere Bühne, und wir setzten uns zu viert zusammen und mischten die Karten, um unter großem Gelächter eine heiße Partie Whist zu spielen.
Manchmal traf sich auch sonntagnachrnittags ein Haufen Leute aus dem "Bla", um Softball zu spielen.
Albie, ein Mann in den Vierzigern, war stolz darauf, einen erfolgreichen Club zu leiten und mit der "Beinahe-Elite" von Hollywoods Kehrseite ein Herz und eine Seele zu sein. Er kluckte wie eine Henne über seinen Musikern und erwartete vom Publikum, daß es jedem Auftritt volle Aufmerksamkeit zollte. Auch für Keith war Albie ein Freund und Mentor geworden. Darum warf sein plötzliches Ultimatum Keith so aus der Bahn.
Es kam an einem Mittwochabend nach Keiths drittem Set. Was den Besuch anging, war das Ergebnis enttäuschend. Mittwoch war natürlich nicht der stärkste Abend, aber es war ein Anfang. Albie schaute freundlich und gab sich väterlich wie sonst auch, als er an unseren Tisch kam. Dann ließ er die Katze aus dem Sack.
"Tut mir leid, Keith, aber du hast noch zwei Wochen, um den Saal voll zu kriegen - oder ich muß dich durch einen anderen Künstler ersetzen."
"Du machst Witze", sagte Keith überrascht. Auch ich fühlte einen messerscharfen Stich der Ablehnung.
"Mache ich nicht. Wenn du deinen eigenen Abend willst", sagte Albie, "mußt du mehr Leute ziehen. Ich habe einen Club zu führen. Löhne zu zahlen. Es tut mir leid, Keith, aber ich kann es mir nicht leisten, weiterhin Geld an dir zu
verlieren." -
Wir trauten unseren Ohren nicht. Tief deprimiert fuhr Keith an diesem Abend nach Hause. Selbst das Quaalude, das er einnahm, um seine angeschlagenen Gefühle zu besänftigen, konnte die wahre Wunde nicht berühren - das flüsternde Bewußtsein des Versagens. Mir schien, das Schlimmste am Auftreten war, daß man sich selbst verkaufen mußte. Daß man so verwundbar war. Wenn du nicht ankommst, kann dir nichts das üble Gefühl erleichtern, daß es vielleicht nicht nur dein 'Act" sein könnte, der nicht gut genug ist. Vielleicht bist du selbst nicht gut genug.
Nach Albies Ultimatum brach Keith sofort in fieberhafte Aktivität aus Es hatte ihm noch nie gelegen, sich vor einer Herausforderung zu drücken. Von Donnerstag an verbrachte er die ganze Woche damit, jeden anzurufen, den er kannte. Er bettelte sie beinahe an zu kommen und erzählte ihnen von all seinen neuen Liedern, wie gern er sie sehen würde - und daß er seinen Job verlieren würde, wenn der Saal nicht gerammelt voll war. Mir war das peinlich - und es wurde noch schlimmer, als er darauf bestand, daß auch ich meine Freunde anrief! Aber wir steckten in einer fürchterlichen Klemme.

Keith hatte sich bereits an die Fersen jeder größeren Plattenfirma in der Stadt geheftet. Manchmal fanden wir dadurch ein paar Krümel. Eine Firma hatte uns nach New York fliegen lassen. Nichts kam dabei heraus. Keith hatte sogar versucht, auf einer Platte mit nachgespielten Grand-Funk-Stücken zu singen, aber es hatte nicht ähnlich genug geklungen. Es gab noch andere Krümel - aber keine Bissen. Das Geld war knapp und wurde immer knapper.

Wir hauen bereits meinen roten Triumph-Sportwagen und meine geliebte Martin-D-35-Gitarre verkauft. Mein Sparbuch hatte sein Leben ausgehaucht. Um unser kleines Einkommen aus dem "Bla" - manchmal weniger als fünfzehn Dollar - zu ergänzen, biß Keith deshalb die Zähne zusammen und spielte auf Strandkonzerten, Partys und Banketten. Fürjeden ernsthaften Künstler war das die schlimmste Erniedrigung, aber 1974 hieß für uns die Losung Überleben. Und nun drohte die äußerste Demütigung mit der Möglichkeit, im "Bla" - einem kleinen Fisch unter den Hollywooder Nachtclubs - gefeuert zu werden.
Am folgenden Mittwochabend betraten wir mit einem leisen Gefühl der Spannung gegen halb neun das 'Bla". Ich schaute mich um und war überrascht, wie leer dieser Saal aussehen konnte.
Das "Bla" war innen dunkel und eng; vom Eingang aus rechts war die kleine Bühne. Die Theke, die zu klein war, als daß jemand tatsächlich daran hätte sitzen können, stand an der Hinterseite, direkt vor der winzigen Ein-Mann-Küche. Das Zusammenhängendste an der Dekoration war ihre Zusammenhanglosigkeit. 

Absolut nichts paßte zusammen. Zwischen der Bühne und der Theke stand eine Sammlung von zerfurchten Holztischen. An den Wänden hingen riesige Schmetterlinge in Blau und Orange neben übergroßen Fotos mit Autogrammen von mehr oder weniger bekannten Musikern. Wenn es gerammelt voll war, konnte das "Bla" ungefähr 65 Leute aufnehmen, die auf Stühlen aus Chrom und 'Tmyl saßen - von der Art, wie man sie an den Plastik-Küchentischen der fünfziger Jahre fand. Im Augenblick waren diese Stühle größtenteils unbesetzt.
Nur einige wenige Gäste unterhielten sich leise, während Keith nervös die Bühne beäugte. Albie nahm an einem der Tische eine Bestellung auf. Der Koch und die beiden Kellner Eddie und "Mr. Sally" standen als einzige, die sonst noch im Saal waren, hinten an der Theke. Albies und Keiths Augen trafen sich. Keiner von beiden sagte etwas. Aber es war ein wissender Blick - heute abend ging es ums Ganze.
Keith und ich saßen schweigend im Hintergrund des schäbigen kleinen Clubs und beobachteten uns gegenseitig dabei, wie wir den Eingang beobachteten. Daß wir West-Coast-Musiker waren, konnte man uns schon von weitem ansehen. Wir waren erst seit acht Monaten verheiratet und ein ziemlich auffälliges Pärchen: Ich mit meinem indianisch bedruckten Rock, meiner bestickten Gazebluse und meinen langen, glatten Haaren. Und Keith in Blue Jeans und einem neuen geblümten Cowboy-Hemd. Sein langer, gelockter Pferdeschwanz war vor kurzem auf dem Boden des Friseurladens zurückgeblieben. 

Der Rest war in einem neuen kalifornischen Stil frisiert worden, der "The Shag" genannt wurde - ein Abkürzung für "shaggy" (zottig). Auch frisch geschnitten war sein Haar immer noch reichlich mehr als schulterlang. Im Stillen bewunderte ich sein neues professionelles Image. Nicht mehr so hippiemäßig ... aber immernoch voll im Trend.
Allmählich begannen Leute in Zweier- und Dreiergrüppchen hereinzukommen. Eine Zigarette nach der anderen wurde angesteckt, und Spiralen blauen Dunstes kräuselten sich graziös zur Decke hinauf. Während die Stühle nach und nach besetzt wurden, begann der Lärmpegel zu steigen. Stühle kratzten auf dem Zementfußboden. Lautes Gelächter durchdrang die Gespräche. Eddie, der Chefkellner, steckte seine Bestellungen an das Drehrad, und der Geruch und das Zischen im Fett bratender Hamburger quoll aus der Küche hervor.

Es waren immer noch nicht genug Leute da, und wir wußten es. "Mr. Sal-ly" kam an unseren Tisch, um meine Bestellung aufzunehmen. Er trug seine übliche Arbeitskleidung - ein maßgeschneidertes T-Shirt mit seinem aufgeplustert frisierten Konterfei und "Mr. Saily" in verschnörkelter weißer Schrift nebst einigen wohlplacierten Straßsteinchen auf der Vorderseite. Ich hatte nicht viel Hunger, deshalb bestellte ich "Guac-And-Papas" - Bratkartoffeln mit einer Schale "Gua-camole" (Avocados und Tomaten mit Zwiebeln). Würde irgendjemand von unseren Freunden sich die Mühe machen, hier aufzutauchen? Keiths erster einstündiger Set begann um neun Uhr. Bis dahin waren es nur noch zehn Minuten.
Keith wippte nervös mit dem rechten Bein. Er steckte voller ungezügelter Energie und war bereit anzufangen. Noch mehr gespannte Minuten rannen dahin.
"Sehe ich gut aus?" fragte er und zupfte an seinen Haaren.
"Du siehst großartig aus, Liebling", versicherte ich ihm.

Ich liebte Keiths Aussehen. Seine hellblauen Augen und seine helle Haut verliehen ihm eine reine, beinahe kindliche Ausstrahlung. Und nun, da er seinen Bart abrasiert hatte, war nicht zu übersehen, daß er erst zwanzig Jahre alt war.
"Es ist acht Uhr achtundfünfzig", unterbrach Keith meine Gedanken. "Wo stecken die alle?" Er war bis zum Zerreißen gespannt.
Ich versuchte, ihn ein wenig zu beruhigen.
"Sie werden in ein paar Minuten da sein", antwortet ich und versuchte, meine eigenen Ängste zu verbergen. "Wir haben noch ein bißchen Zeit
"Wir haben keine Zeit mehn Das war's." Keith schob seinen Stuhl zurück. Die Enttäuschung stand ihm deutlich im Gesicht geschrieben. Doch ich spürte seine Entschlossenheit. Er war ein Kämpfer, und ich wußte, er würde alles geben, was er hatte, auch wenn die Chancen schlecht für ihn standen.

Albie hatte begonnen, hinten auf und ab zu gehen, während Keith sich den Weg zur Bühne bahnte und sich an das abgestoßene Klavier setzte. Er blinzelte in den einzigen Scheinwerfer, lehnte sich zum Mikrofon vor und imitierte einen militärischen Tonfall.
"Meine Damen und Herren ... und alle anderen. Ich möchte Ihre ziellosen Gespräche mit etwas Musik unterbrechen."
Keith fing an, auf dem Klavier herumzuklimpern, aber nur wenige Leute im spärlichen Publikum hörten zu. Keith rutschte auf seinem Hocker hin und her, während sein Finger einige Augenblicke lang über die Tasten wanderten. Ich wußte, daß er sich klar zu werden versuchte, was er spielen sollte. Schließlich begann er mit "Life Goes On" - einem Lied, das er gerade mit seinem neuen Freund Ran-dy Stonehill geschrieben hatte:
Marvin war ein Kenner in Sachen billiger Wein.
Man sah ihn Groschen schnorren unten auf dem Sunset und dem Vine,
Eines Tages schied sein reicher Onkel dahin in Bei Air
Und nun schlürft er einen Spitzenjahrgang.
Marvin schlürft einen Spitzenjahrgang!
Dann kam der Refrain:
Dar Leben geht weiter und die Welt dreht sich.
Einen Tag bist du oben, am nächsten Tag bist du unten.
Verlaß dich nicht auf dein Glück, es gibt nichts zu sagen außer
"Danke, Herr für einen neuen Tag!"
Der witzige Text und der spritzige Rhythmus ließen alle aufhorchen. Keith haute auf eine Weise in die Tasten, die jeden Klavierlehrer, den er je hatte, schaudern ließ. Ich hielt oft die Luft an und hoffte, daß er nicht danebenschlug; doch selbst wenn das einmal passierte, machte es nichts aus. Nicht Perfektion war das Anziehende an Keiths Musik, ebensowenig wie an ihm selbst. Es war das Herz.
Einige weitere Tische wurden besetzt. Und zu meiner Erleichterung klatschte jemand mit, als Keith in die zweite Strophe einstieg:
Es gab mal einen berühmten Senator, den jeder kannte.
Eines Tages fand ein gerissener Reporter ein Mädchen in seinem Zimmer
Laut Meinungsumfrage sollte er das Rennen machen -
Doch jetzt wäscht er Geschirr ab in "Joe's Bar und Grill".
Er hält seine berühmten Reden jetzt in "Joe's Bar and Grill"!
Der Refrain wurde mehrmals wiederholt, und die Leute begannen begeistert mitzusingen und Keiths komische Gesten nachzumachen. Keith sang "One day yöu're up" und zeigte dabei zur Decke. Dann drehte er seinen Daumen nach unten, schüttelte den Kopf und sang: "Next day you're down ...Allmählich wurde es lebendig im Saal.
Eddie tanzte mit seinen Bestellungen durch den engen Gang und balancierte Tabletts voller Shish-Kebabs, Hamburgern und Bier über seinem Kopf. Mt Sally schlug den Rhythmus mit einer Gabel auf den Zapfhähnen und ich mit einem Löffel an meinem Wasserglas. Der Saal füllte sich immer mehr, während Keith sein zweites und drittes Lied spielte. Von unseren Freunden hatte ich noch keinen gesehen - doch dann zog eine Bewegung am Eingang meinen Blick an. Es war unsere jüdische Freundin Michelle Brandes, die ich selbst in dieser» schummrigen Licht erkannte. Durch einen Geburtsfehler humpelte sie stark. Langsam bahnte sie sich ihren Weg durch die Rauchschwaden und setzte sich neben mich.
Ich achtete immer noch weitaus mehr auf den Eingang als auf Keith. Er begann gerade mit Joni Mitchells Song "Free man in Paris", und ich spürte, daß er dabei war, sich ein wenig zu entspannen. Da ich mich wunderte, wo all unsere Freunde blieben, fühlte ich mich auf die Botschaft dieses Liedes besonders eingestimmt.
"Free man in Paris' erzählt die Geschichte eines Repräsentanten einer Plattenfirma, der in Paris Urlaub macht und es leid ist, Hit-Musiker zutage zu för-dem - "die Starmacher-Maschinerie hinter dem populären Song zu schüren". An einer anderen Stelle heißt es: "Ich war ein freier Mann in Paris, ich fühlte mich entfesselt und lebendig. Keiner, der mich um einen Gefallen bat, keiner, über dessen Zukunft ich entscheiden mußte."
Keith war nur zu vertraut mit der "Stannacher-Maschinerie" - mit den Plattenfirmen, Produzenten, Verlegern und Agenten - und mit all den Kämpfen darüber, "wer was bekommt" von den verschiedenen Urheberrechten. Wenn ein Künstler Erfolg hat, dann ist er eine "heiße Ware", und alle "lieben ihn", während sie sich um ihr Stück von dem Kuchen streiten. Bis dahin jedoch sucht man nur nach Beziehungen und wartet auf den "großen Durchbruch". Und das Getriebe dieser Maschinerie ist geölt mit den Tränen zahlloser hoffnungsvoller Künstler, die ihren Durchbrach niemals schaffen. Ich liebte Joni Mitchells Musik, und dieses Lied war mir eines der liebsten. Aber es ließ mich schaudern.
Keiths Angst, keinen Erfolg zu haben, wurde nur noch übertroffen von seiner Angst, sich zu verkaufen - sich aus Verzweiflung mit den falschen Leuten einzulassen.
Während ich mich in dem verräucherten Raum umschaute, dachte ich: "Vielleicht sitzt in diesem Augenblick jemand hier, der Keith eine riesige Unterstützung geben könnte." 

Doch andererseits gab es manche Leute, deren Hilfe wir ganz bestimmt nicht wollten,
Zum Beispiel dieser Kerl vom letzten September. Er hatte Keith in" Bla" gehört und war schlichtweg ausgeflippt. Keith besuchte ihn später in seinem noblen Büro in Hollywood, und der Typ sprudelte nur so über vor "Ich-kann-einen-Star-aus-dir-machen-Sprüchen. Hier war eine Stimme, die den Erfolg und den Starruhm versprach, den Keith wollte. Doch die Sache hatte, wie Keith seinem Tagebuch anvertraute, das er jahrelang führte, wie üblich einen Haken:
Er ist sehr reich und hat einen einflußreichen Namen in der Branche. Er ist aber auch unglaublich schwul, und ich spürte, wie er mich anmachte. Obwohl er eine Menge für mich tun könnte - was Brot und Beziehungen angeht - habe ich "nein" zu der Zusammenarbeit mit ihm gesagt.

Und esagtUnd das war nicht das erste Mal gewesen, daß ein Repräsentant einer Plattenfirma einen "Hit" aus Keith machen wollte. Dann war da der Film-Soundtrack gewesen. Ein populärer Regisseur, aber ein Film, der selbst nach unseren Maßstäben reichlich versaut war. Je weiter sich Keith darauf einließ, desto mehr wollte er wieder heraus. Auch auf der finanziellen Seite stimmte die Sache nicht. Keith hatte die Musik für zwei Spulen fertig, als er das Projekt verließ. In sein Tagebuch schrieb er, es sei gescheitert "an Billigkeit und Mauscheleien auf ihrer Seite und an Mangel an echter Begeisterung auf meiner." Das war ein weiteres Prcblem - Keiths hohe Maßstäbe.
Während Michelle und ich Keith nun zuschauten, kam mir der Gedanke, daß er vielleicht schon "entdeckt" worden wäre, wenn er nur ein bißchen flexibler sein könnte. Doch für Keith waren manche Dinge in Beton gegossen. Sein Vater war jahrelang sein Manager gewesen und hatte ihm sehr hohe Maßstäbe mitgegeben. Wenn irgend etwas Keith nicht richtig schien, dann tat er es nicht, und damit hatte es sich. Seine hohen Grundsätze waren bewundernswert, aber insgeheim hatte ich Angst, er könnte eine Kleinigkeit zu wählerisch für sein eigenes Wohlergehen sein.
Während Keith die nächsten Lieder sang, blinzelte er durch das grelle Bühnenlicht, um zu sehen, wie viele Leute da waren. 

Ab und zu kamen noch ein paar. Einige treue Freunde hatten die zweistündige Fahrt aus der Wüste bei Lancaster nicht gescheut. Keiths Eltern kamen, um ihn aufzumuntern. Eine weitere Freundin, Karen Bender, hatte sogar ihre Tochter Dawn mitgebracht, die die längsten Zöpfe trug, die ich je bei einem Kind gesehen hatte. Ich war enttäuscht, daß Keiths bester Freund Todd nicht kommen konnte, aber unsere Poker-Kumpane aus Mama DeJ Rey erschienen ebenso wie einige Freunde aus der Branche.
Keith spielte noch zwanzig Minuten bis zu seiner ersten Pause. Zum Schluß gab es begeisterten Applaus, und er sprang voller Freude von der Bühne.
Seine Augen glitzerten im Sieg des Augenblicks.
Ein volles Haus!
Als er mit schweißglänzendem Gesicht zum Tisch herüberkam, war sein ohnehin fedemder Gang durch die Erregung noch federnder. Wir waren jedoch nicht nur high von der Begeisterung des Augenblicks, sondern auch von den "Geschenken", die unsere Freundin Harriet mitgebracht hatte.
Harriet schob Keith einen Schuhkarton zu.
"Schuhe?"
"Mach ihn auf."
Keith hob den Deckel ab. Seine Augen fingen an zu leuchten. "Schokola-
denplätzchen!"
"Mein eigenes Spezialrezept", zwinkerte Harriet. "Aus eigener Ernte, wenn du verstehst, was ich meine."
"Du hat Gras hineingetan?'
"Vom Feinsten."
"Eddiel Hey, Eddiet Bring mir ein großes Glas Milch."
Keith nahm sich eine Handvoll der mit Marihuana versetzten Plätzchen
und gab die Schachtel einigen ausgewählten Freunden in einem rituellen "Teilen des Reichtums" weiter - nach dem Muster von Indianern, die eine Friedenspfeife weitergeben. Wir machten die Runde und sagten allen, wie froh wir über ihr Kommen waren.
Als die Schokoladenplätzchen alle waren, sah die Welt noch rosiger aus. Die Spannung wich aus Keiths Augen, und er genoß offensichtlich jeden Augenblick.
Albie kam mit einem breiten Lächeln an den Tisch. Er klopfte Keith auf den Rücken und sagte: "Du hast es geschafft, Junge. Ein großartiger Abend! Ich freue mich für dich."
Keith grinste übers ganze Gesicht. "Ja? Also wann kann ich samstags auftreten?"
Albie kicherte und schüttelte den Kopf. Die Frage erforderte keine Antwort - nicht sofort. Doch Keith hatte den Blick bereits in die Zukunft gerichtet, auf etwas weit jenseits eines eigenen großen Abends im "Bla Bla Cafe".
Als Keith mit seinem zweiten Set begann, verschwammen der Dunst, das Klirren der Gläser und das melodische Klavierspiel in meinem Innern, während meine Gedanken abschweiften. Ich starte die komischen Schmetterlinge an der Wand an und genoß das Gefühl des Erfolges.
Irgendwie wurden meine Gedanken jedoch auf unsere Zukunft und die Frage gelenkt, was vor uns liegen mochte. 

Ich wußte einfach, daß es das Richtige für Keith war, vor vielen Menschen auf der Bühne zu stehen - Menschen, die von seiner Musik und von dem, was er zu sagen hatte, bewegt waren. Das Problem war nur, daß es Keith selbst nicht klar war, was genau er zu sagen hatte.. Er hatte nur den Eindruck, daß er der Welt eine Botschaft zu bringen hatte - etwas aus seiner spirituellen Suche. Eine wichtige Botschaft. Aber was?
Als Keith seinen dritten Set an diesem Abend beendete, hauen wir einen eindeutigen Sieg errungen. Es war einer der besten Abende gewesen, die Keith bisher erlebt hatte. Auf der Heimfahrt war ich immer noch berauscht von der Begeisterung des Abends - und von Harriets Schokoladenplätzchen. Mein Geist verlor sich in einer Million Fragen.
War dies der Beginn eines großen Durchbruchs für Keith? War & endlich auf der Spur des Erfolgs?
Und warum hatte jemand wie Keith, der bis zum Rand voller Talent steckte, es nötig, seine Freunde anzubetteln, damit sie kamen, um ihm zuzuhören? Das schien ein so großer Widerspruch zu sein; aber andererseits gab es in unserem Leben jede Menge Widersprüche.
Was Ehrlichkeit und Integrität anbelangte, schien Keith höhere Maßstäbe als irgendjemand sonst, dem ich je begegnet war. Wir hinterzogen keine Steuern - aber wir nahmen manchmal illegale Drogen. Gab es da einen Unterschied?
Und selbst wenn Keith als Musiker Erfolg hatte, würden wir auch als Paar Erfolg haben? So gern wir auch davon redeten, daß wir in Harmonie mit dem Universum und miteinander leben wollten, hatten wir doch auch allerhand Auseinandersetzungen. 

Schwere Auseinandersetzungen.
Es war schwer, mit so vielen unbeantworteten Fragen zu leben, und nicht nur, was Keiths beruflichen Erfolg anbelangte. Manche unserer anderen Schlachten schlugen wir an einer ganz anderen Front - einer Front, die noch vager und un-greifbarer war. Es war, als zerrte etwas an uns und zöge uns in unbekannte Gewässer. Etwas, das uns für immer verändern würde.
Tatsächlich hatten wir keine Ahnung, daß wir uns an der Schwelle zu einem Durchbruch befanden, der viel gewaltiger war, als wir uns je vorgestellt hätten.
Alles, was ich im Moment wußte, war, daß dieser Mann, den ich geheiratet hatte, in seiner Persönlichkeit wahrhaftig eine Menge komplexer Facetten barg. In den Tagen nach unserem Sieg in" Bla" dachte ich über die vielen Züge nach, die in seinem Innern zusammengewebt waren. Ich dachte an den empfindsamen inneren Menschen, der entschlossen war, spirituelle Antworten zu finden. Doch es gab noch eine andere Seite in ihm - den kleinen Jungen, der schon immer ins Showgeschäft wollte, Diese Seite war in hohem Maße dafür verantwortlich, wer Keith jetzt war. Aber gab uns das irgendwelche Hinweise, wohin wir unterwegs waren?

KOMPROMISSLOS - Keith Green
Autoren: Melody Green und David Hazard
Verlag: Pili Music GmbH, Postf. 143, D7405 Dettenhausen
Originaltitel: No compromise - The life story of Keith Green
Originalverlag: © 1989 Sparrow Corporation
Übersetzung: Christian Rendel, Witzenhausen
Ungekürzte Ausgabe mit Genehmigung des Verlages WORD (UK) Ltd. Printed in Germany
Druck und Verarbeitung: Ebner Ulm
ISBN-Nr. 3-928601-00-8 Best.Nr. 3040012980