H Schriftsteller

Heijkoop H.L, Der Heilige Geist

09/04/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

H.L. Heijkoop: Der Heilige Geist

EINLEITUNG

Die große Wahrheit des Alten Testamentes ist die, daß nur ein Gott ist, der als Schöpfer, als der Allmächtige und als Jehova gekannt war (5. Mose 6, 4). Der Teufel suchte diese Wahrheit immer wieder zu verderben und zu zerstören, indem er die Menschen von Gott abwendete und ihre Herzen zu vielen Götzen und vielen Herren hinlenkte (1. Kor. 8, 5).

Die große Wahrheit des Neuen Testamentes aber ist die, daß dieser Gott ein dreieiniger Gott ist, der sich uns geoffenbart hat als Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist, wie es uns Epheser 4, 4‑6 so deutlich vor Augen führt in den bekannten drei sich stets erweiternden Kreisen. (Siehe auch 1. Kor. 8, 6; 1. Tim. 2, 5). Gerade gegen diese Grundwahrheit des Christentums richten sich die Angriffe Satans. Er weiß, daß damit der christliche Glaube steht oder fällt. Darum läßt er durch den frivolen Unglauben das Bestehen Gottes leugnen und durch viele, die bekennen Christen zu sein, die Gottheit des Christus oder Seine wirkliche, reine Menschheit bestreiten. Und bei Tausenden von Gläubigen ist es ihm gelungen, die biblische Kenntnis von dem Heiligen Geist so zu verdunkeln, daß sie sich praktisch in dem Zustand der jüdischen Gläubigen von Apg. 19, 1‑4 befinden, die noch keine Christen waren.

Wie viele Gläubige sind sich praktisch dessen bewußt, daß der Heilige Geist nicht nur eine Kraft oder ein Einfluß, sondern eine göttliche P e r s o n ist? Wie viele von ihnen w i s s e n, daß der Heilige Geist in ihnen wohnt? Und doch sagt Römer 8, 9, daß jemand, der den Heiligen Geist nicht hat, Christus nicht angehört! Welchen Einfluß würde es auf unser Leben haben, wenn wir uns praktisch dessen bewußt wären, daß Gott der Heilige Geist in jedem Gläubigen wohnt (Eph. 1, 13; 2. Kor. 1, 22) und unser Leben regieren und leiten will! Wenn wir uns dessen bewußt wären, daß Er auch in der Versammlung wohnt (Eph. 2, 22; 1. Kor. 3, 16) und dort alles leiten will nach Seinen Gedanken und benutzen will, wen Er will! Und welchen Einfluß schließlich würde es auf unser Leben haben, wenn wir uns praktisch dessen bewußt wären, daß wir Ihn betrüben, wenn wir Ihm die Leitung unseres Lebens nicht überlassen (Eph. 4, 30), und Ihn sogar auslöschen können, wenn wir uns Seiner Leitung im Versammlungsleben nicht unterwerfen (1. Thess. 5, 19)!

Laßt uns denn Gottes Wort untersuchen und in unser Herz aufnehmen und in unserem Leben verwirklichen, was wir darin finden über Gott, den Heiligen Geist.

DER HEILIGE GEIST, EINE GÖTTLICHE PERSON

Vielleicht wird man sagen, daß es praktisch kaum darauf ankommt, ob der Heilige Geist eine Person, eine Kraft oder ein Einfluß ist. Bewußt oder unbewußt denken denn auch viele an Ihn nur als an eine Kraft. Das ist jedoch ein gewaltiger Unterschied. Wenn man das annimmt, wird dadurch erstens eine wichtige Grundwahrheit angetastet: Wenn der Heilige Geist keine Persönlichkeit, keine göttliche Person wäre, dann gäbe es keinen dreieinigen Gott.

Aber zweitens wird auch für das praktische Leben dadurch alles verändert. Wenn der Heilige Geist nur eine Kraft ist, die in mir wirkt, kann i c h die Pläne machen und ausführen und dabei von dieser Kraft Gebrauch machen. Ist Er jedoch eine göttliche Person, die in mir wohnt, dann mache nicht mehr i c h die Pläne, und nicht mehr i c h bringe sie zur Ausführung. Dann ist Er es, der die Pläne macht und sie ausführt, und ich habe nichts anderes zu tun, als mich durch Ihn gebrauchen zu lassen. Ich bin dann nicht der Wirkende, sondern nur ein Werkzeug, das durch Ihn gebraucht wird, wie E r will. Und ist es nicht ein gewaltiger Unterschied, ob ich, das Geschöpf, den Schöpfer für m e i n e Zwecke benutzen will, oder ob der allmächtige Gott sich zu dem Geschöpf herabläßt und es in Seiner Gnade gebrauchen will, um S e i n e n Willen auszuführen? Die erste dieser Auffassungen ist rein heidnisch und führt zu Selbstüberschätzung und eigenwilligem Handeln. So macht es der Heide mit seinen Göttern! Die zweite bewirkt Demut und Abhängigkeit, führt aber zu der herrlichen Gewißheit, auf den Wegen Gottes zu gehen und Seine Zustimmung zu haben. Und könnte irgend etwas das Herz glücklicher machen als dieses Bewußtsein, daß der Herr mit uns ist? Nur so können wir standhalten, wie groß der Widerstand von Satan und der Welt auch sein mag.

Es ist darum von größter Wichtigkeit, die Heilige Schrift hinsichtlich dieses Punktes genau zu untersuchen.

Was sind denn die Kennzeichen einer Person? Nicht, daß sie einen Leib hat, wie viele meinen! Bei u n s allerdings sind Person und Leib eng miteinander verbunden. Darum ist der in Christus gestorbene Gläubige nicht vollkommen, ehe er nicht in der Auferstehung einen neuen Leib empfangen hat, obwohl er bis dahin bei dem Herrn und deshalb glücklich ist. Aber wenn der Besitz eines Leibes für eine Person als solche kennzeichnend wäre, dann wären z. B. die Engel keine Personen, und selbst Gott der Vater wäre es nicht und ebensowenig der Herr Jesus vor Seiner Menschwerdung. Eine Person ist ein lebendes Wesen, das sich seiner Existenz bewußt ist und bewußt denkt, will und handelt.

Was sagt die Heilige Schrift über den Heiligen Geist? Sie lehrt:

  • daß Er Kraft und Liebe hat (Römer 15, 13. 30);
  • daß Er ein denkendes, urteilendes Wesen ist und für uns bittet (Römer 8, 26. 27);
  • daß Er erforscht, Kenntnis hat, unterweist und überführt (1. Kor. 2, 10. 11; Neh. 9, 20; Joh. 16, 8. 13);
  • daß Er einen souveränen Willen hat (l. Kor. 12, 11; Apg. 13, 2);
  • daß Er in dem einzelnen Gläubigen (l. Kor. 6, 19) und in der Versammlung wohnt (1. Kor. 3, 16; Eph. 2, 22);
  • daß Er betrübt (Eph. 4, 30; Jes. 63, 10), geschmäht (Hebr. 10, 29), belogen (Apg. 5, 3) und ausgelöscht (l. Thess. 5, 19) werden kann.

Der Herr Jesus spricht von Ihm als von einer P e r s o n. Er benutzt für Ihn ein männliches Fürwort, das im Griechischen nur in bezug auf eine Person gebraucht werden kann, obwohl nach dem üblichen Sprachgebrauch da immer ein unpersönliches Fürwort stehen müßte, denn das Wort "Geist" ist im Griechischen sächlich (pneuma). ".. . daß Er bei euch sei in Ewigkeit." ‑.. weil sie Ihn nicht sieht." jener wird euch alles lehren‑ (Joh. 14, 16. 17. 26).

Ferner sagt die Heilige Schrift in Apostelgeschichte 5, 3. 4, daß der Heilige Geist Gott ist, und Er wird an mehreren Stellen mit dem Vater und dem Sohn in einem Atemzug genannt (z. B. Matth. 28, 19; 1. Kor. 12, 4‑6; 2. Kor. 13, 13 und Eph. 4, 4‑6).

Der Heilige Geist ist also eine Person, und zwar eine göttliche Person. Er ist Gott, der Heilige Geist.

DER HEILIGE GEIST IM ALTEN TESTAMENT

Daß der Heilige Geist eine göttliche Person ist, war im Alten Testament nicht bekannt. Wohl wird an sehr vielen Stellen von Ihm gesprochen und Sein Wirken uns vorgestellt. Schon im zweiten Vers der Bibel heißt es: "Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern" und in 1. Mose 6, 3: "Mein Geist soll nicht ewiglich mit dem Menschen rechten". Dort sehen wir den Heiligen Geist sich beschäftigen mit einer Erde, die wüst und leer war, und mit Menschen, die Gott verworfen hatten. Er wollte etwas zustande bringen, von dem Gott sagen kann‑ Es ist gut".

Seine Wirksamkeit war so gut bekannt, daß von Josua gesagt werden konnte: er "war erfüllt mit dem Geiste der Weisheit", und David bat in Psalm 51, 11: "Den Geist Deiner Heiligkeit nimm nicht von mir". Der Heilige Geist war es, der den Bezaleel erfüllte mit Weisheit, mit Verstand und mit Kenntnis in jeglichem Werk (2. Mose 35, 31). Durch David weissagte Er von dem Messias und dem zukünftigen Friedensreich(2. Sam. 23, 1‑7). Er inspirierte die heiligen Schreiber des Alten Testamentes, so daß sie sagen konnten: "So spricht der Herr" (2. Petrus 1, 21). ja, der Prophet konnte sogar dem schwachen Überrest Israels tröstend sagen: "Mein Geist besteht in eurer Mitte, fürchtet euch nicht" (Haggai 2, 5). Der Heilige Geist wirkte zuweilen selbst in Ungläubigen (4. Mose 24, 2; 1. Sam. 10, 10).

Dennoch war nie geoffenbart, daß der Heilige Geist eine Person war. Er war nur bekannt als der Geist Gottes, als die von dem einigen Gott ausgehende Kraft. Sowenig wie der Herr Jesus geoffenbart war ‑ obwohl wir im Alten Testament unzählige Bilder von Ihm finden und viele Weissagungen so von Ihm sprechen, daß wir im Licht des Neuen Testamentes in ihnen Seine Gottheit bestätigt finden (vergl. Sach. 12, 10, wo wir sehen, daß der Herr Jesus Jehova ist) ‑ ebenso­wenig war auch der Heilige Geist als göttliche Person bekannt, obwohl wir im Licht des Neuen Testamentes hierauf deutliche Hinweise im Alten Testament finden. Er war noch nicht geoffenbart und wohnte noch nicht auf Erden. "Der Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war" (Joh. 7, 39), und die Gläubigen kannten die Bedeutung des Kreuzes und der Auferstehung noch nicht. Sie mußten sagen: "Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist da ist‑ (Apg. 19, 2).

Sein Wirken war zeitlich gebunden, so daß in 1. Sam. 16, 14 gesagt werden mußte: "Aber der Geist Jehovas wich von Saul", und David bittet Gott in Ps. 51: "Den Geist deiner Heiligkeit nimmt nicht von mir". Wohl wurde über die Ausgießung des Heiligen Geistes ge­weissagt (Vergl. Hes. 39, 29 und Joel 2, 28‑29), aber das bezog sich immer auf die Zukunft.

DER HEILIGE GEIST IM NEUEN TESTAMENT

Im Neuen Testament finden wir ganz andere Ver­hältnisse. Das Wunder der Zeitalter ist geschehen: "Gott ist geoffenbart im Fleisch" (l. Tim. 3, 16). Der ewige Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, ist herniedergekommen, "das Heilige", das aus der Jung­frau geboren wurde. "Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben Seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit" (Joh. 1, 14). Die Morgensterne jubelten miteinander, und es jauchzten alle Söhne Gottes, als sie Seine Schöpfertaten sahen (Hiob 38, 7). Aber wie jubelten sie, als sie ihren Schöpfer Mensch werden sahen, Ihn sahen als ein Kindlein in der Krippe zu Bethlehem, da Er die Welt retten wollte, verlorenen Sündern das ewige Leben geben, für sie sterben wollte am Fluchholz. Sie sahen die Herrlichkeit Seiner Gnade. "Und plötzlich war bei dem Engel eine Menge der himmlischen Heerscharen, welche Gott lobten und sprachen: Herrlichkeit Gott in der Höhe und Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen" (Luk. 2, 13. 14). "Gott war in Christus, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend" (2. Kor. 5, 19).

Mit diesem wunderbaren Geschehen beschäftigt sich der dreieinige Gott. Nachdem der Sohn in dem "Rat des Friedens‑ gesagt hatte: "siehe, Ich komme, um Deinen Willen zu tun" (Hebr. 10, 9), hat Gott Ihm einen Leib bereitet (Hebr. 10, 5), und der Heilige Geist zeugte in Maria den Menschen Jesus (Matth. 1, 20). Bei Beginn des öffentlichen Auftretens des Herrn Jesus sehen wir die erste Offenbarung des dreieinigen Gottes: den Sohn in Niedrigkeit auf der Erde; Gott, den Vater, der aus dem Himmel spricht und den Menschen Jesus als Seinen Sohn anerkennt; Gott, den Heiligen Geist, der in leiblicher Gestalt auf den Sohn herniederkommt (Luk. 3, 22). Wie sollte es möglich sein, daß während der Zeit, als Gott, der Sohn, auf Erden war und dort Gott, den Vater, kundmachte (Joh. 1, 18), nicht auch der Heilige Geist gesehen würde? Wir finden in den Evan­gelien dann auch eine herrliche Offenbarung von Ihm.

Sehen wir uns zunächst an, was von dem Geist in Verbindung mit dem irdischen Leben des Herrn Jesus gesagt wird! Ober die Geburt lesen wir: "Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt wer­den" (Luk. 1, 35). Bei dem öffentlichen Auftreten des Herrn Jesus haben wir gesehen, wie der Heilige Geist in leiblicher Gestalt auf Ihn herniederfuhr und bezeugte, daß Jesus der Sohn Gottes sei (Joh. 1, 32‑34). In Luk. 4, 1 wird gesagt: "Jesus aber, voll Heiligen Geistes, kehrte vom Jordan zurück und wurde durch den Geist in der Wüste umhergeführt", und in Vers 14 erfahren wir, daß Er in der Kraft des Geistes nach Galiläa zu­rückkehrte. Durch den Geist lehrte, tröstete und heilte Er (Vers 18 und 19), trieb die Dämonen aus (Matth. 12, 28), und opferte sich selbst ohne Flecken Gott (Hebr. 9, 14). Ja, Gott hatte Ihm den Geist nicht nach Maß gegeben.

Im Speisopfer (3. Mose 2) finden wir ein herrliches Bild hiervon. Da wird das Feinmehl, das ein Bild der reinen menschlichen Natur des Christus ist, mit öl (einem Bild des Heiligen Geistes) gemengt, gesalbt, begossen. So kommt in jeder Hinsicht, in der der Herr als Mensch betrachtet werden kann, die totale Abwesenheit der Sünde zum Ausdruck sowie auch die Bildung Seiner menschlichen Natur in der Kraft des Heiligen Geistes (Matth. 1, 20; Luk. 1, 35) und Seine Salbung mit dem Heiligen Geist.

Ein deutlicheres Bild erlangen wir durch die Unter­weisungen des Herrn Jesus. In Joh. 3 sagt Er, daß die Wiedergeburt durch den Heiligen Geist geschieht, ja daß wir durch Ihn eine neue Natur empfangen haben. In Kapitel 4, 14 wird hinzugefügt, daß die Gabe Gottes in dem Gläubigen zu einer Quelle (besser: Fontäne") Wassers wird, das ins ewige Leben quillt, (besser: "springt"); es ist die Kraft, die dieser neuen Natur ent­spricht. Und in Kapitel 7, 37‑39 finden wir den Heiligen Geist als "Ströme lebendigen Wassers", die aus dem Leibe dessen fließen sollten, der an den Herrn Jesus nach Seiner Himmelfahrt glauben würde.

In Johannes 14, 15 und 16 finden wir dann einen ganz neuen Teil der Wahrheit über den Heiligen Geist. Dort spricht der Herr Jesus über einen "anderen Sach­walter" (Tröster), der kommen sollte, wenn Er von ihnen gegangen sein würde. Hier sehen wir eine gött­liche Person, die an Stelle des Herrn Jesus fortan bei den Seinen bleiben sollte. Der Herr Jesus stand im Be­griff, die Erde zu verlassen, Sein Tod stand vor Ihm. Das Werk sollte vollbracht werden, das Gott Ihm zu tun gegeben hatte und in dem Gott vollkommen verherr­licht werden würde. Und der einzig mögliche gerechte Lohn würde Seine Verherrlichung zur Rechten des Va­ters sein. Das bedeutete aber für die Jünger, daß sie allein zurückbleiben würden. Um sie zu trösten, ver­heißt der Herr, ihnen einen anderen Sachwalter, den Geist der Wahrheit, zu senden. Dieser werde bei ihnen bleiben, ja in ihnen sein. Und so groß ist diese Gabe, daß es den Jüngern nützlich war, daß der Herr Jesus von ihnen ging, weil nur dann der Sachwalter zu ihnen kommen konnte.

Aber wie weitgehend diese Verheißungen auch sind und wie groß diese Offenbarung ist, so ist es doch deutlich, daß die volle Offenbarung noch nicht vorhan­den war. Der Heilige Geist wohnte noch nicht auf Erden außer in dem Herrn Jesus. Die Taufe mit dem Geist hatte noch nicht stattgefunden. Das waren bisher nur Verheißungen (Joh. 14, 16). Und wie wir in Matth. 3, 11 sehen, daß die Taufe mit dem Heiligen Geist vor der Menschwerdung des Herrn Jesus nicht stattgefun­den hatte, so sehen wir in Johannes 7, 39, daß es auch nicht geschehen sollte, bevor der Herr gen Himmel ge­fahren wäre. Aber dann kommt auch die Verheißung, daß es "nach nunmehr nicht vielen Tagen" geschehen solle (Apg. 1, 5), und in Apg. 2 finden wir sie erfüllt: Gott der Heilige Geist tauft alle Gläubigen zu e i n e m Leib (l. Kor. 12, 13) und wohnt in ihnen als einer Be­hausung Gottes im Geiste, als Gottes Tempel (Eph. 2, 22; 1. Kor. 3, 16) und in jedem Seiner Glieder per­sönlich (l. Kor. 6, 19).

Stellen wie Lukas 1, 15. 41. 67 stehen mit Obigem durchaus nicht in Widerspruch. Hier ist die Rede vom Erfülltsein mit dem Heiligen Geist. Johannes der Täufer hatte den Heiligen Geist sogar von seiner Geburt an. Er wurde auf eine außergewöhnliche Weise mit der Kraft und den Gaben des Geistes erfüllt, wie es seiner bevorrechteten Stellung als Vorläufer des Herrn ent­sprach. Daß dies aber nicht dasselbe ist wie das Inne­wohnen des Heiligen Geistes in dem Gläubigen, zeigt sich deutlich aus Stellen wie Apg. 4, 8 und 31, wo Petrus und andere jünger auch mit Heiligem Geist er‑

füllt wurden, obwohl die Ausgießung schon am Tage der Pfingsten stattgefunden hatte. Das Innewohnen des Heiligen Geistes und das Erfülltsein mit Heiligem Geist sind zwei verschiedene Dinge, die sowohl zusam­men als auch einzeln vorhanden sein können.

DIE TAUFE MIT HEILIGEM GEIST UND MIT FEUER

Bevor wir dazu übergehen, von dem Werk des Hei­ligen Geistes zu sprechen, müssen wir uns noch einen Augenblick mit den Worten aus Matthäus 3, 11 und Lukas 3, 16 beschäftigen: "Er wird euch mit Heiligem Geiste u n d F e u e r taufen".

Viele fassen diese Stellen so auf, als ob geschrieben stände: "Er wird euch mit dem Feuer des Heiligen Geistes taufen", und man hört dann auch von der "Feuertaufe" sprechen und darum bitten. Man denkt dabei an die Ausgießung des Heiligen Geistes am Tage der Pfingsten und an die "zerteilten Zungen wie von Feuer", die sich auf die jünger setzten als ein öffent­liches Zeichen, daß der Heilige Geist auf sie ausgegos­sen war.

Wenn man den Text genau liest, wird deutlich, daß diese Auffassung nicht richtig ist. Gewiß wird von einer Feuertaufe gesprochen, aber das ist etwas ganz anderes als die Taufe mit dem Heiligen Geiste. In neueren über­setzungen wie z. B. der Mengebibel wird das noch deutlicher. Dort steht: "Er wird euch taufen mit dem Heiligen Geiste und mit Feuer". Es wird also von zwei Taufen gesprochen, von der mit dem Heiligen Geist und von der mit Feuer.

Feuer ist in der Schrift stets ein Bild von Gericht oder Erprobung. Aus Matthäus 3, 12 ist das auch zu ersehen. Die Ausgießung des Heiligen Geistes ist jedoch kein Gericht, sondern eine Tat großer Gnade, so daß der Herr Jesus dies immer wieder den Jüngern als einen Trost verheißt (Johannes 14 bis 16). Die Taufe mit dem Heiligen Geist kann also nicht dasselbe sein wie die Taufe mit dem Feuer. Der Herr Jesus läßt dies auch deutlich werden, denn Er sagt: "Denn Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geiste getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen" (Apg. 1, 5). Das sind die gleichen Worte, die Johannes ge­braucht hatte, nur mit dem Zusatz, daß die Taufe mit dem Heiligen Geist jetzt "nach nunmehr nicht vielen Ta­gen" stattfinden würde. Über die Taufe mit dem Feuer wird nichts gesagt. Wäre das nicht seltsam, wenn die Taufe mit Feuer tatsächlich am Pfingsttage stattgefunden hätte? Eine sorgfältige Untersuchung von Matthäus 3,11 in diesem Zusammenhang wird uns die Bedeutung er­kennen lassen.

In den alttestamentlichen Weissagungen von dem Kommen des Herrn Jesus werden immer zwei Folgen dieses Kommens vor Augen gestellt: Die Segnungen und die Herrlichkeit für die Gottesfürchtigen und das Gericht für die, die hochmütig sind und gottlos handeln. (Vergl. Jes. 61, 1‑2 und Mal. 4, 1‑3.) Aus keiner Stelle ist zu entnehmen, daß diese Folgen nicht gleichzeitig gesehen werden sollten. Der fromme Jude erwartete, daß der Messias sie, die Juden, befreien würde, indem Er ihre Feinde richtete. Darum finden wir so viele Rachepsalmen, in denen der Psalmist sich freut über das Gericht, das die Gottlosen treffen soll. (Vergl. Psalm 58,6‑11; Psalm 83; 109 usw.) Dieses Gericht sollte statt­finden, wenn der Gott des Himmels Sein Königreich auf der Erde aufrichten (Dan. 2, 44) und es dem Messias, dem Sohn des Menschen, übergeben würde (Dan. 7, 13‑14). Johannes der Täufer war der in Jes. 40 und Mal. 3 und 4 angekündigte Herold des Königs, der das Evangelium des Reiches predigen mußte. "Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen." Dies finden wir in Matthäus 3 und Lukas 3 dargestellt.

Leider war das Volk als Ganzes nicht gottesfürchtig. Äußerlich zwar hielt es fest am Wort Gottes und er­füllte die gesetzlichen Vorschriften. In Wirklichkeit war der Zustand jedoch genauso wie in der Zeit Maleachis, wo nur ein ganz kleiner Überrest Gott fürchtete. Dieser Überrest glaubte den Worten Johannes des Täufers, daß das Königreich nahe gekommen sei. Sie ließen sich taufen mit der Taufe der Buße (Apg. 19, 4) und son­derten sich dadurch ab von der Masse des Volkes, das Gott nicht fürchtete. Sie bekannten durch die Taufe, daß der Zustand, in dem sie bis dahin waren, im Wider­spruch zu dem kommenden Reich und seinem König stand.

Auch die religiösen Führer des Volkes kamen zu Johannes ‑ leider ohne Buße zu tun. An sie richtete Johannes seine Worte. Er kam im Wege der Gerechtig­keit (Matth. 21, 32) und sprach also von Buße, während er das Gericht über alle Ungerechtigkeit ankündigte. Er taufte mit Wasser, einem äußeren Zeichen der Ab­sonderung vom Bösen, welches jedoch niemals eine in­nere Reinigung zuwege bringen konnte. Selbst die christ­liche Taufe spricht von Tod, von Begraben‑werden, nie­mals von Leben. Johannes war nicht der Messias. Er war nur die "Stimme eines Rufenden", aber nach ihm sollte der Stärkere kommen, der so hoch über ihm stand, daß er nicht würdig war, Seine Sandalen zu tragen. Es war Gott selbst, Jehova, der Bundesgott Israels (Sach. 12. und 14). Durch diesen würde die Gnade und die Wahrheit werden (Joh. 1, 17; Matth. 11, 16‑19; Luk. 7, 32‑35). Er würde mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen: mit dem "Heiligen Geist" als der Frucht Seines ersten Kommens, als der Kraft der Segnungen Gottes in dem Königreich der Himmel in seiner gegenwärtigen Gestalt, wodurch die Versamm­lung (Ekklesia) von den Juden abgesondert wird (Apg. 2, 40. 47); mit "Feuer" wird Er das ernste Gericht Gottes an der Welt ausüben, wenn Er "in flammendem Feuer ... Vergeltung gibt denen, die Gott nicht ken­nen"(2. Thess. 1, 8).

Der Heilige Geist reinigt nicht allein äußerlich. Er erneuert den Sinn (Römer 12, 2) und ist die göttliche Kraft in uns, die uns von allem scheidet, was dem Fleisch gefällt. Er bringt uns in Verbindung mit der Herrlichkeit, in die Gott uns einführt ‑ mit allem, worin Gott sich geoffenbart hat ‑ indem Er alles über­windet, was uns hindert, diese Vorrechte zu genießen. Das Feuer ist das Gericht, das alles Gottfeindliche verzehrt. Beide entfernen also das Böse, nur auf ver­schiedenen Wegen.

Johannes der Täufer hat dies nicht alles verstanden. 1. Petrus 1, 10‑12 zeigt uns, daß Propheten oftmals Dinge weissagten, die weit über ihre Einsicht hinaus­gingen. Erst viel später ist offenbar geworden, auf welche Weise Christus die Weissagung des Johannes erfüllte. Es war das "Geheimnis des Christus, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden" (Eph. 3, 2‑12). Die Weis­sagungen des Alten Testamentes geben im allgemeinen nicht an, daß zwischen dem Kommen des Herrn in Gnade auf Erden und Seinem Kommen in Herrlichkeit zum Gericht ein wesentlicher Zeitunterschied besteht. Hätten die Juden sich auf die Predigt des Johannes hin bekehrt und den Herrn Jesus angenommen, dann wäre dies auch nicht der Fall gewesen. Dann wäre das Königreich in Herrlichkeit aufgerichtet worden. Darum sagt der Herr Jesus in der Bergpredigt (Matth. 5‑7), welchen Charakter diejenigen haben müßten, die in die­ses Reich der Himmel eingehen wollten. In Matth. 8‑12 finden wir jedoch, daß er von den Juden verworfen wird, und in Kapitel 13, 1 geht der Herr aus dem Hause (Israel) hinaus und setzt sich an den See (Nationen). Dort zeigt Er in den bekannten sieben Gleichnissen, was durch die Verwerfung des Königs aus diesem Reich geworden ist, aber auch, wie es in der Voll­endung des Zeitalters durch die Verbrennung alles Un­krautes (die Taufe mit Feuer) gereinigt werden wird. Und dann zeigt Er weiter, wie dieses gereinigte König­reich in Herrlichkeit geoffenbart werden wird, und zwar was seinen irdischen Teil betrifft, unter dem Namen "Reich des Sohnes des Menschen" (Vers 41), und was seinen himmlischen Teil betrifft als das " Reich des Vaters" (Vers 43). Dann wird die Weissagung des Johannes ganz erfüllt sein. Dann ist das Reich der Himmel in Kraft und Herrlichkeit geoffenbart, und der Herr Jesus hat Israel "mit Feuer getauft".

In der Zwischenzeit vollzieht sich jedoch etwas Neues. Der verworfene König findet im Acker einen Schatz (Vers 44‑46); die Versammlung (Gemeinde) wird geoffenbart. Er verkauft alles, was Er hat, um sie zu besitzen, und tauft sie durch den Heiligen Geist zu Seinem Leib (l. Kor. 12, 13). Das ist die Taufe mit dem Heiligen Geist, von der Johannes weissagte und die am Pfingsttage stattfand (Apg. 2).

Manchmal werden die "zerteilten Zungen wie von Feuer" als Beweis dafür angeführt, daß die "Feuer­taufe" mit der Taufe mit Heiligem Geist identisch sei. Es steht jedoch nicht da, daß es Feuer war, sondern " w i e von Feuer". Es waren Zungen, was auf Sprechen hinweist. Das bedeutet, daß die Macht des Heiligen Geistes sich in ihrer Predigt des Wortes offenbaren würde, so daß dieses Wort, das wie ein Feuer alles richtet (oder‑ beurteilt, Hebr. 4, 12), mit Kraft verkündet werden würde (Apg. 1, 8). Daß es "zerteilte" Zungen waren, ist meines Erachtens ein Hinweis darauf, daß das Zeugnis sich nicht nur an die Juden, sondern auch an die Nationen richten würde.

Wie groß ist Gottes Gnade, die uns nicht alles gibt. was wir erbitten, sondern nur das, was gut für uns ist! Wo würden wir sein, wenn Er die Bitten Seiner Kinder um die "Taufe mit Feuer" erhört hätte! Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer!

DIE BUSSE

1. Mose 1, 2 lautet: "Die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern". Wie das ganze erste Kapitel, so hat auch dies nicht nur eine buchstäbliche Bedeutung. Es stellt uns darüber hinaus das Werk des Heiligen Geistes vor' der sich mit einem Menschen beschäftigt, dessen Herz in Gottes Augen "wüst und leer" ist.

Gott hat den Menschen in Reinheit geschaffen, aber er wandte sich von Gott ab und diente Satan. In allen Umständen, sei es ohne Regierung, mit Regierung, unter dem Gesetz, unter dem Königtum usw., bewies er, daß er nicht willens war, Gott zu dienen. Und als Gott aus Liebe "in Christus [kam], die Welt mit sich selbst ver­söhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend" (2. Kor. 5, 19), verwarfen sie Ihn und kreuzigten den Herrn Jesus. So bewies der Mensch, daß er wüst und leer war. Es war nichts in ihm, das vor Gott ange­nehm war.

Mit diesen Menschen beschäftigt sich der Heilige Geist. Im Evangelium Johannes, Kapitel 16, hören wir von dem Herrn Jesus, daß sein Weggehen für die jünger nützlich sei, da dann der Heilige Geist auf die Erde kommen würde. "Wenn Er gekommen ist, wird Er die Welt überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht. Von Sünde, weil sie nicht an Mich glauben; von Gerechtigkeit aber, weil Ich zu Meinem Vater gehe und ihr Mich nicht mehr sehet; von Gericht aber, weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist."

Jeder Mensch hat gesündigt, und vor dem großen weißen Thron wird jeder, der davor stehen wird, gerichtet werden nach seinen Werken. Aber in der Ver­werfung des Herrn Jesus ist die ganze Welt eins ge­worden. Da verband sich der Sadduzäer mit dem Pha­risäer, der Gesetzgelehrte mit dem Volk, das er ver­flucht hatte, weil es das Gesetz nicht kannte, verbanden sich der Priester mit Pilatus, die römischen Soldaten mit den Missetätern am Kreuz. Dort ist die gemeinsame Schuld der Menschheit offenbar geworden. Die geist­lichen und weltlichen Führer verbündeten sich mit dem Wunsch der Geführten, und das gesamte Räderwerk der menschlichen Gesellschaft setzte sich in Bewegung, um den von Gott Gesandten, den Reinen, den Hei­ligen, den, der Sünde nicht kannte, zu verstoßen und zu vernichten. Nicht nur jeder einzelne Mensch war ein Sünder, sondern die Welt, die organisierte menschliche Gesellschaft, war durch und durch böse. "Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt" (Joh. 1, 5). "Sie haben gehaßt sowohl Mich als auch Meinen Vater" (Joh. 15, 24).

Der Herr Jesus wurde also durch "die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geheftet und umgebracht" (Apg. 2, 23). Aber andererseits ist Er freiwillig gekom­men, um den Willen Gottes zu tun und Gottes Namen zu verherrlichen, und Er hat "durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert" (Hebr. 10, 9; 9, 14). Er hat "selbst unsere Sünden an Seinem Leibe auf dem Holze getragen" (l. Petr. 2, 24), aber daneben, oder richtiger gesagt: in erster Linie Gott am Kreuze verherrlicht. Der Mensch hatte Gottes Liebe, Gottes Wahrheit, Gottes Gerechtigkeit, Gottes Heiligkeit ver­leugnet, als er den Behauptungen Satans glaubte, Gott wolle dem Menschen etwas vorenthalten, das gut für ihn sei, und die Folgen des Essens vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen seien nicht so, wie Gott sagte, sondern derMensch würde sein "wie Gott, erkennend Gutes und Böses". Und Gottes Langmut, die das Gericht in seiner vollen Auswirkung aufschob, wurde als Beweis für die Wahrheit der Behauptung Satans ausgelegt (2. Petr. 3, 4).

Und nun erschien ein Mensch, dessen Lebensgrund­satz in Gehorsam und Hingabe an Gott bestand und von dem Gott sagen konnte, Er habe an Ihm Sein Wohlgefallen gefunden. Dieser gab sich freiwillig für den Sklaventod am Kreuz, ja, für den Tod unter Gottes Gericht, um Gottes Namen zu verherrlichen, dahin. Er war das vollkommene Opfer, weil Er vollkommen war in sich selbst, aber überdies war Er auch als Opfernder vollkommen. Er opferte sich selbst auf eine vollkommene Weise. Er war das Brandopfer, ein lieb­licher Geruch für Jehova.

Wie vollkommen wurde Gott hierin verherrlicht! Kann es einen größeren Beweis der Liebe Gottes geben, als den, daß Gott Seinen eingeborenen Sohn für verlorene Sünder gab? (1. Joh. 4, 8‑10; Röm 5, 8; Joh. 3, 16). Konnte Gottes Wahrheit, Gottes unbeug­same Gerechtigkeit herrlicher erstrahlen, als dort, wo Er das volle Gericht über die Sünde Ihn treffen ließ, an dem Er Sein Wohlgefallen gefunden hatte, der nun aber freiwillig die Stelle verlorener Sünder ein­nahm? Konnte Gottes Heiligkeit, das Licht, in dem "gar keine Finsternis ist" (1. Joh. 1, 5), sich deutlicher offenbaren als dort, wo der Herr Jesus, der sagen konnte: "Ich tue allezeit das Ihm Wohlgefällige" (Joh. 8, 29) und: "Ich aber wußte, daß Du Mich allezeit erhörst" (Joh. 11, 42), ausrufen mußte: "Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?" und­"In den Staub des Todes legst Du Mich" (Matth. 27; Psalm 22), weil Er unsere Sünden auf sich genommen hatte? ja, am Kreuz ist Gott verherrlicht worden wie nie zuvor, und mehr, als wenn Adam nicht gefallen wäre. Konnte Gott diese herrliche Person im Grab lassen? Er weckte Ihn auf aus den Toten und gab Ihm als gerechten Lohn einen Platz zu Seiner Rechten. Gottes Gerechtigkeit offenbarte sich hierdurch aufs neue, aber jetzt auf eine auch für die Welt sichtbare Weise; sie kann diese Tatsache nicht leugnen.

Was war die Stellung Satans? Er war der große Widersacher Gottes, der das Werk Gottes zu vernichten trachtete. Deshalb versuchte er den Herrn Jesus in der Wüste und bot Ihm sogar die Weltherrschaft an, wenn Er ihn anbeten wolle. Aber als sich dann zeigte, daß all seine List auf die Heiligkeit und Abhängigkeit des zweiten Adam keinen Einfluß hatte versuchte er es mit seiner Macht. Er versammelte die gesamte Welt ‑jeder ihrer Bereiche war vertreten, die religiöse, die politische Welt und die Welt der Bildung ‑, und diese Welt ließ sich nur allzu willig durch Satan, ihren Obersten, leiten, wie dies auch später geschehen wird (Offb. 20, 8). Da der Herr Jesus sich freiwillig hingab, trug Satan scheinbar den Sieg davon; denn seine Macht hatte scheinbar den Lebensfürsten besiegt (Hebr. 2, 14‑15). Seine Absichten sind deutlich geworden. Er hat auf Golgatha seine ganze Bosheit geoffenbart und seine volle Macht entfaltet. Aber er hat eine Niederlage er­litten, denn der Herr ist auferstanden. Der Tod konnte Ihn nicht behalten: der Fürst dieser Welt ist gerichtet.

Das ist das Zeugnis des Heiligen Geistes gegenüber der Welt, wie auch der Herr es auf dieser Erde ab­gelegt hat (Joh. 7, 7). Es ist ein dreifaches Zeugnis, das spricht von einer vollkommenen Offenbarung. Der Herr Jesus sagt jedoch nicht, daß der Heilige Geist der Welt predigen werde. Allein Seine Gegenwart auf der Erde ist der Beweis für diese drei Dinge und wird die Welt überzeugen von der Gerechtigkeit des Gerichtes Gottes, dem sie bald anheimfallen wird.

Wir finden dagegen sehr wohl, daß der Heilige Geist sich mit den einzelnen Personen beschäftigt. Sein erstes Werk ist, daß Er obige drei Dinge vor Augen führt. Er stellt den Menschen die Sünde vor in ihrer ganzen Abscheulichkeit, vor allem auch, wie sie sich zeigt in der Verwerfung des Herrn, damit das Gewissen dadurch getroffen wird und dem Menschen sein verlorener Zustand zum Bewußtsein kommt. Ohne das ist keine Erlösung möglich. Der Mensch muß sich seiner Sünde bewußt sein und erkennen, daß er verloren ist und vor einem heiligen und gerechten Gott nicht bestehen kann. Aber dann zeugt der Heilige Geist auch von etwas anderem. Er zeigt, daß das Werk der Ver­söhnung vollbracht ist und daß Christus "unserer Übertretungen wegen dahingegeben" ist, so daß Gott auf Grund dieses Werkes allen, die an dieses Opfer glauben und dadurch mit Ihm einsgemacht sind, die Sünden vergeben kann. Aber dann folgt auch, daß Er "unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist" (Röm. 4, 25), d. h. der Wert des Werkes des Herrn Jesus wird demjenigen zugerechnet, der es im Glauben für sich in Anspruch nimmt; und wenn Gottes Ge­rechtigkeit den Herrn Jesus aus dem Tode, in den Er für unsere Sünden hinabgestiegen ist, auferweckt hat (wodurch der Beweis erbracht ist, daß das Versöhnungs­werk vollbracht und die Sünden gesühnt sind), wird dieselbe Gerechtigkeit uns ohne Sünde als Gerecht­fertigte vor Gott hinstellen.

Und dann zeigt der Heilige Geist das dritte: das endgültige Gericht, das alles, was mit Gott in Wider­spruch ist, auf richterliche Weise beseitigen wird.

Diese drei Dinge werden uns in der ersten Predigt des Petrus am Tage der Pfingsten in Apg. 2, 23. 24 und 38‑40 vor Augen gestellt. Das herrliche Ergebnis dieses Werkes des Heiligen Geistes war, daß drei­tausend Seelen hinzugetan wurden.

DIE WIEDERGEBURT

In Joh. 3 wird uns eine neue Wahrheit vor Augen geführt. Im Garten Eden standen zwei Bäume, der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Der Mensch aß von dem letzteren und verwirkte damit das Recht auf den ersteren. So ist er fortan moralisch "tot in Sünden und Vergehungen" (Eph. 2, 1). Sein natürliches Leben ist gekennzeichnet durch Sünde und besitzt auch nicht das Geringste, das mit Gott Gemeinschaft haben könnte.

Dies zeigte sich, als der Herr Jesus auf die Erde kam. "In Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt" (Joh. 1, 4. 5). Der Mensch konnte selbst das Leben nicht begreifen: "Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird" (l. Kor. 2, 14).

Doch berichtet Joh. 1, 12, daß einige den Herrn Jesus annahmen, aber von diesen wird gesagt, daß sie "aus Gott geboren sind". "SO viele Ihn aber aufnahmen, denen gab Er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an Seinen Namen glauben, welche nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." Nicht der Glaube des natürlichen Menschen bringt ihn in Verbindung mit Gott. In Kapitel 2, 23 finden wir viele, die an Seinen Namen glauben, und wenn wir das oberflächlich mit dem Obenstehenden (Kapitel 1, 13) vergleichen, könnten wir meinen, daß dies also die Kinder Gottes sind, genügen sie doch dem, was dort steht: "die an Seinen Namen glauben". Aus Joh. 2, 24‑25 geht jedoch hervor, daß dies nicht so ist.

Diese Menschen waren überzeugt durch die Zeichen, die der Herr tat. Sie glaubten an Ihn. Aber der Glaube, der nur auf Verstand oder Gefühl gegründet ist, sei es ein sogenannter historischer Glaube von Menschen, die auf Grund der Umgebung, in der sie aufgewachsen sind, oder auf Grund ihrer Erziehung nicht an den christlichen Wahrheiten zweifeln, oder sei es ein Glaube, der ge­gründet ist auf eine verstandes‑ oder gefühlsmäßige überzeugung von der Richtigkeit und dem Wert des Christentums ‑ ein solcher Glaube bringt niemanden in Verbindung mit Gott. "Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, weil Er alle kannte und nicht bedurfte, daß jemand Zeugnis gebe von dem Menschen; denn Er selbst wußte, was in dem Menschen war."

Bei einem von diesen Menschen jedoch war nicht allein der Verstand oder das Gefühl, sondern das Ge­wissen berührt. Und obwohl er unkundig ist und das Licht auch nicht erfaßt, fühlt er doch, daß bei Jesus etwas zu finden ist, was er nötig hat. Er meint, es sei Belehrung. Aber der natürliche Mensch kann durch bloße Kenntnis das Leben nicht empfangen. Darum antwortet der Herr: "Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen".

Das war ein seltsames Wort für Nikodemus. Er war ein Lehrer in Israel und kannte das Alte Testament. Es sprach von dem Reich, und gerade darüber wollte er belehrt werden. Aber seine Worte hatten bewiesen, daß er das Königreich nicht sehen konnte, obwohl es in der Person des Herrn vor ihm stand! Er hatte Jesus die höchste Ehre erwiesen, die einem Menschen erwiesen werden kann: "Wir wissen, daß du ein Lehrer bist, von Gott gekommen". Aber gerade diese Worte bewiesen, daß auch er das Licht nicht erfaßt hatte. Die Propheten des Alten Testamentes hatten von dem Reich gespro­chen. Aber nun war Gott selbst, der Ursprung des Reiches, geoffenbart. Nun kam es auf das Wesen der Sache an. Daß der natürliche Mensch das, was von Gott ist, nicht sehen kann, zeigte sich an seinen eigenen Worten. "Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

In der Tat, der Mensch muß ein anderes Leben besit­zen, um etwas, das von Gott kommt, sehen zu können. Der Herr spricht zu Nikodemus von irdischen Dingen, von dem Reich (Joh. 3, 12), aber was Er sagt, sind all­gemeine Grundsätze ‑ wie fast immer im Evangelium Johannes. Ein neues Leben ist notwendig, nicht gleich­artig dem des natürlichen Menschen, sondern ein ganz anderes. "Wie könnte ein Reiner aus einem Unreinen kommen?" (Hiob 14, 4). ja, wenn der Mensch zehnmal geboren würde, es würde ihm nichts nützen, weil dieses Leben ebensowenig Gott sehen kann. Und darum war die Antwort des Nikodemus eine törichte Frage. Aber der Herr benutzt sie, um diese Wahrheit weiter zu offenbaren. Wahrlich, Wahrlich, Ich sage dir: Es sei denn, daß jemand aus Wasser und Geist geboren werde, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen."

Wasser reinigt dasjenige, worauf es angewandt wird. Hier wird es sinnbildlich gebraucht im Blick auf die Weissagung: "Und ich werde reines Wasser auf euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von allen euren Unreinigkeiten und von allen euren Götzen werde ich euch reinigen. Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleische wegneh­men und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde Meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, daß ihr in Meinen Satzungen wandelt und Meine Rechte bewahret und tut" (Hes. 36, 25‑27). In Vers 10 spielt der Herr deutlich auf diese Stelle an. In dieser Weise benutzt der Herr auch in Joh. 2 den Tempel (Verse 19‑21) und in Kapitel 4 eine Quelle (Verse 6‑15) als Sinnbild.

Wenn wir Eph. 5, 26 und Joh. 13, 10 in Verbindung mit Joh. 15, 3 lesen, so sehen wir, daß das Wasser hier ein Bild von Gottes Wort ist. Dies wird bestätigt durch Stellen wie: 1. Petr. 1, 23; Jak. 1, 18; 1. Kor. 4, 15. "Die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das leben­dige und bleibende Wort Gottes." "Nach Seinem eigenen Willen hat Er uns durch das Wort der Wahr­heit gezeugt." "In Christus Jesus habe ich euch gezeugt durch das Evangelium." *)

* ) Es ist unbegreiflich, daß einige in Joh. 3, 5 die Taufe sehen, durch die der Täufling wiedergeboren werde. Ein be= kanntes Wort über die Kindertaufe lautet: "In demselben Augenblick, da der Diener das Wasser der Taufe spendet, wirkt der Mittler aus dem Himmel eine Gnadenwirkung in der Seele des Kindes, das getauft wird". Die Taufe spricht niemals vom Leben, sondern nur vom Tod. "Oder wisset ihr nicht, daß wir, so viele auf Christus Jesus getauft worden, auf Seinen Tod getauft worden sind?" (Röm. 6, 3; Kol. 2, 12). Von den elf Aposteln wird wohl gesagt, daß sie tauften, aber niemals, daß sie mit der christlichen Taufe (und darum geht es) getauft waren. Waren sie denn nicht wiedergeboren? Waren die alttestamentlichen Gläubigen nicht wiedergeboren? Konnte der Herr Jesus Nikodemus den Vorwurf machen, daß er die christliche Taufe nicht kenne (Joh. 3, 10), obwohl diese noch nicht geoffenbart war? Ist übrigens die Auffassung, daß materielle Dinge (Wasser) geistliches Leben vermitteln können, nicht absolut heidnisch?

Das Wort Gottes in seiner reinigenden Kraft, ange­wandt durch den Heiligen Geist, pflanzt in dem Men­schen ein neues Leben. Wenn das Gewissen durch das Wort getroffen wird, werden Herz und Gewissen, die Neigungen, die Gedanken und Taten gereinigt, und der Heilige Geist wirkt ein neues Leben. Es ist kein natür­liches Leben, denn es wird durch den Geist Gottes gezeugt und ist also ein göttliches Leben. Das Kind Gottes ist aus Gott geboren (Joh. 1, 13; 1. Joh. 3, 9‑10; 5, 18). Und so wenig wie das natürliche Leben veredelt werden kann, bis es die geistlichen Dinge sehen und Verbindung mit Gott erlangen kann, ebensowenig kann das neue göttliche Leben degenerieren. "Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist" (Joh. 3, 6). "Sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist" (1. Joh. 3, 9).

In den folgenden Versen teilt der Herr neue Einzel­heiten mit. Dieses neue Leben kann allein auf Grund der Erhöhung des Herrn Jesus am Kreuz geschenkt werden, denn der Mensch ist ein Sünder. Aber Gottes Liebe gab den eingeborenen Sohn, auf daß jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Hier wird es also das ewige Leben genannt.

Auch im Alten Testament wird vom ewigen Leben gesprochen (Daniel 12, 2; Psalm 133, 3). Dort wird es genannt in Verbindung mit der Herrlichkeit des Tau­sendjährigen Reiches, der Wiederherstellung aller Dinge. Hier aber wird es geoffenbart ohne die Herrlichkeit. Hier sehen wir den eingeborenen Sohn des Vaters, Er, der zur gleichen Zeit, da Er auf Erden mit Nikodemus sprach, im Himmel war (Joh. 3, 13; 1, 18); Er, der selbst der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist (l. Joh. 5, 20), Er gibt keine Belehrung über das ewige Leben, sondern ist selbst dessen Offenbarung: Er ist das ewige Leben. Welch eine Offenbarung! Welch ein Werk des Heiligen Geistes! Natürliche Menschen, die tot sind in Sünden und Vergehungen, werden durch Sein Werk wiedergeborene Menschen, die ein neues Leben, ein göttliches Leben, ja das ewige Leben selbst, den Herrn Jesus, als ihr Leben besitzen (1. Joh. 5, 11‑13, 20).

Hieraus können wir sehen, was es eigentlich be­deutet, ewiges Leben zu haben. Es bedeutet nicht nur, daß Kinder Gottes nie sterben. Es schließt die Befähi­gung in sich, die geistlichen Dinge, alles, was von Gott kommt, zu erfassen. Es bedeutet, daß wir mit Gott selbst Gemeinschaft haben können, denn wir sind ja Teilhaber der göttlichen Natur (2. Petr. 1, 4; 1. Joh. 1, 3). Es bedeutet, daß Christus in uns ist, daß wir ein göttliches Leben haben, das nicht sündigen kann (1. Joh. 3, 9). Es bedeutet, "daß der Sohn Gottes ge­kommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, auf daß wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben" (1. Joh. 5, 20). Gott hat uns ein ganzes Evangelium gegeben, "auf daß ihr glaubend Leben habet in Seinem Namen" (Joh. 20, 31), und einen ganzen Brief, "auf daß ihr wisset, daß ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes" (l. Joh. 5, 13).

Bedeutet dies auch in der Praxis unseres Lebens: "Nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal. 2, 20)?

DER HEILIGE GEIST ALS KRAFT IN UNS

Es ist jedoch nicht genug, durch die Wiedergeburt das neue Leben zu besitzen. Wir sind dadurch wohl fähig zur Gemeinschaft mit Gott, aber es muß eine Kraft da sein, die diese Gemeinschaft zustande bringt. Das finden wir im ersten Teil von Johannes 4.

Das erste, was uns in Vers 10 vor Augen geführt wird, ist, daß Gott in diesem Evangelium kein For­dernder, sondern der Geber ist. Im Gesetz wurde ge­fordert: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben usw.", und sogar zu dem untadeligen Nikodemus sagte der Herr: Ihr m ü s s e t von neuem geboren werden‑. Hier dagegen verkündet Gott Seine Liebe zu dem Sünder, ja zu der elendesten Sünderin, zu einer sitten­losen samaritischen Frau. Es ist souveräne Gnade, die sich nicht auf die Juden beschränkt, sondern sich auch zu den Nationen ausstreckt.

Ich glaube nicht, daß es ganz richtig ist, wenn man sagt, mit "Gabe Gottes" sei hier Christus gemeint. Unstreitig ist Er die große Gabe Gottes. Aber in Röm. 6, 23 wird auch gesagt: "Die Gnadengabe Gottes aber [ist] ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn". Ich meine, daß wir in Joh. 4 den gleichen Gedanken haben wie in 2. Kor. 9, 15: "Gott aber sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe". Dort ist mit Gabe die Gesamtheit der Segnungen Gottes gemeint, so daß das Auge nicht auf die G ab e , sondern auf Gott als den G e b e r gerichtet wird.

Der Herr Jesus sagt, daß Er der Christus sei (Vers 26). Er offenbart sich als der Allwissende (Vers 18) und als Derjenige, der das lebendige Wasser gibt, das ins ewige Leben quillt (Verse 10 und 14). Diese herr­liche Person sehen wir ermüdet von der Reise, hungrig und durstig bei der Quelle sitzen und eine sündige Samariterin um ein wenig Trinkwasser bitten. "An­erkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart im Fleische" (l. Tim. 3, 16). Und sieht Ihn die Samariterin auch nur als "einen Juden", so ist Er doch der Sohn Gottes, der Richter der Lebendigen und der Toten (Joh. 5, 17‑29). Er ist der, welcher lebendiges Wasser geben kann, so daß jeden, der davon trinkt, in Ewigkeit nicht dürsten wird.

Zum dritten finden wir lebendiges Wasser. In Ka­pitel 3 haben wir von "geboren aus Wasser und Geist" gelesen, und wir haben dort gesehen, daß Wasser ein Bild von Gottes Wort ist. Durch das Wort wirkt der Heilige Geist Leben in einem Menschen, der kein Leben aus Gott besitzt, sondern nur eine sündige Natur.

Hier ist es lebendiges Wasser, also Wasser, gekenn­zeichnet durch Leben, durch eine Quelle Lebens, die unaufhörlich fließt. Es ist das Wort und der Geist zu­sammen, aber gekennzeichnet durch den Geist. In Ka­pitel 7, 37‑39 sehen wir dann auch, daß lebendiges Wasser ein Bild des Heiligen Geistes ist, aber als in dem Gläubigen wohnend.

Dies ist nicht dasselbe wie das neue göttliche Leben, das wir durch die Wiedergeburt besitzen, selbst nicht in seiner reichsten Form, wie sie uns in dem Aus­druck ewiges Leben vorgestellt wird. Dieses ist in sich selbst abhängig und kann niemals eine Quelle sein. Es wäre ein Widerspruch zur ganzen Wahrheit über diese neue und göttliche Natur, wenn wir sie durch eine Quelle darstellten. Aber der Heilige Geist, der in dem Gläubigen wohnt, ist eine Quelle der Kraft und der Freude, die ins ewige Leben quillt.

Die lebendigmachende Kraft des Heiligen Geistes, den Gegensatz zwischen der alten und der neuen Schöpfung, wie wir sie in Joh. 3 finden, sehen wir auf der Erde seit dem Sündenfall. Von 1. Mose 3 an hat der Geist Gottes in Seelen gewirkt, um in ihnen die Wiedergeburt zustandezubringen, denn ohne die Wie­dergeburt kann kein Sünder gerettet werden. Aber nie­mals wurde der Geist Gottes gegeben, bevor der Sohn als Mensch auf Erden in Seiner Liebe zu Sündern geoffenbart war und bevor Gott sich als der Geber offenbarte. Es ist auch Christus, der gibt, und Er gibt hier nicht sich selbst oder nur Leben. Das sahen wir in Kapitel 3, und die Schrift wiederholt sich niemals. Er gibt den Heiligen Geist, der in dem Gläubigen eine Quelle der Kraft ist.

Joh. 7, 39 sagt uns, daß dies erst geschah, nachdem der Herr verherrlicht war. Am Tage der Pfingsten haben wir die Erfüllung. Joh. 4 bezieht sich nur auf die Zeit der Versammlung auf Erden, was wir in den Ver­sen 23 und 24 wohl deutlich bestätigt finden.

Obwohl ihr Herz sich durch die Gnade angezogen fühlt, begreift diese Frau doch nichts von dem, was der Herr sagt, und sie kennt Seine Herrlichkeit nicht. Sie meint, der Brunnen sei für den Herrn zu tief, und in der Tat, der Brunnen, aus dem Er schöpft, ist tief; es ist das Herz des Vaters, der sich Sündern als der große Geber offenbaren will.

Vor dem Sündenfall hat Adam keinen Durst gehabt. Ich glaube, auch leiblich nicht, aber auf jeden Fall geistlich nicht, denn sonst wäre Gottes Schöpfung nicht "sehr gut" gewesen. Aber nach dem Sündenfall hatte der Mensch Durst. Das Beste, was er hatte, war Hoff­nung, aber er sah die Erfüllung nicht. Und auch die Tradition, der Jakobsbrunnen, aus dem der religiöse Mensch seinen Durst zu stillen sucht, kann kein Ge­nüge geben. "jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wiederum dürsten." Aber jetzt war der Sohn Gottes gekommen, um jedem, der wiedergeboren ist, der das ewige Leben hat, den Heiligen Geist zu geben, die Kraft, die den Menschen zum Teilhaber alles dessen macht, was in Gott ist.

Mit den natürlichen Dingen verhält es sich so, daß mein Besitz vermindert wird, wenn ich etwas fortgebe. In den geistlichen Dingen ist es anders; je mehr ich gebe, um so mehr empfange ich. Die Quelle ist uner­schöpflich, sie quillt bis ins ewige Leben und stillt alle Wünsche des neuen Lebens. Man kann nicht sagen, daß dies praktisch der Fall ist, wenn jemandes Herz an den irdischen Dingen hängt. Ein Christ, der sich in einem fleischlichen Zustand befindet, hat Durst. Aber wenn er zu Christus zurückkehrt, findet er auf dem Grunde seiner Seele die Quelle.

Der Heilige Geist wird uns hier nicht als eine Per­son vorgestellt. Das finden wir später, wenn die Wahr­heit dargelegt wird, daß nach der Aufnahme des Herrn Jesus eine andere göttliche Person auf diese Erde kom­men und hier wohnen würde. Hier sehen wir den Heiligen Geist als göttliche Kraft, die in dem neuen Leben wirkt und hervorbringt, was mit Gott in 10ber­einstimmung ist. Das lebendige Wasser, welches der Herr gibt, "wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das bis ins ewige Leben quillt".

Eine Quelle (wörtlich: ein Springbrunnen) ist etwas unaufhörlich Strömendes, dem die Kraft innewohnt, das Wasser hoch aufsprudeln zu lassen. Diese Kraft wird hier noch unterstrichen durch die Worte "das bis ins ewige Leben quillt [wörtlich: springt]". So wirkt der Heilige Geist in dem Gläubigen und bringt hervor: "Liebe, Freude, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit" (Gal. 5, 22). Alle diese Dinge gehören zum neuen Leben, aber sie werden hervorgebracht durch diese Kraft, die in dem neuen Leben wirkt. Hier ist Ruhe und Kraft. Wir haben nicht nur ewiges Leben in Ihm, sondern eine Quelle Wassers in uns; Kraft, die von Gott hernieder­kommt ‑ der Himmel ist in mein Herz gekommen. Es ist die Kraft des göttlichen Lebens, die mich mit dem Vater und dem Sohne in Gemeinschaft bringt.

Es ist hier alles persönlich: in meiner eigenen Seele ist eine Quelle Wassers, die ins ewige Leben quillt. Der Mensch hat Durst ‑ er trinkt von dem leben­digen Wasser, und dieses wird ihm zu einer Quelle, die ihn an allem, was in Gott ist, teilhaben läßt. Und er ruft jedem zu: "Wen da dürstet, der komme, wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst­(Offb. 22, 17).

In Röm. 8 finden wir das Resultat der Lehre von Joh. 3 und 4: Der Geist als Leben und als Kraft in dem Gläubigen. In den ersten sieben Kapiteln des Römerbriefes wird nur zweimal von dem Geist ge­sprochen, und zwar in Kapitel 1, 4 in Verbindung mit der Auferstehung des Herrn Jesus und in Kapitel 5, 5, wo Er genannt wird, um zu erklären, warum der Gläu­bige sich der Trübsale rühmen kann. In Kapitel 8, wo die eigentliche Lehre des Briefes beendet ist und die Stellung des Gläubigen dargelegt wird in ihrer gan­zen herrlichen Freiheit: frei von Sünden, frei von der alten Natur, frei vom Gesetz, finden wir das Wort "Geist" oder "des Geistes" jedoch achtzehnmal.

In Vers 2 sehen wir den Geist des Lebens, der in dem Menschen das neue Leben erweckt, so wie in 1. Mose 2, 7 Adam eine lebendige Seele wird durch den Odem des Lebens. Es ist jedoch nicht genug, daß der Mensch ein neues Leben besitzt. Er hat gesündigt ‑ aber Christus trug seine Sünden auf dem Kreuz. Er hat eine sündige Natur, die nicht anders als sün­digen kann ‑ Gott hat sie in Christus am Kreuz ge­richtet. "Den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht", und "das ... tat Gott, indem Er, Seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte." Und in Vers 4 finden wir nicht nur das Verlangen des neuen Menschen, Gutes zu tun: "Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen" (Römer 7, 22), sondern Kraft, danach zu handeln; "auf daß das Recht des Gesetzes erfüllt würde in uns, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln." Es ist nicht nur das Fleisch auf der einen und die neue Natur auf der anderen Seite, sondern die alte Natur (die Sünde im Fleische), durch Gott im Tod und in der Auferstehung des Christus gerichtet, und der Geist als Kraft, die die neue Natur mit dem Sohn in lebendige Verbindung bringt. Es ist die Offenbarung des Vaters und des Sohnes, welche die Seele empfängt, in der der Heilige Geist wohnt.

Dies ist nicht das gleiche wie das, was von Bileam gesagt wird. Auf ihm war der Geist Gottes nur für eine Zeit (4. Mose 24, 2). Aber hier sehen wir, wie der Gläubige den Heiligen Geist empfängt, nachdem er zum Leben gebracht ist. Seine Stellung wird da­durch gekennzeichnet, daß er nicht im Fleisch, sondern im Geist ist. Er hat den Geist des Christus und gehört Christus an ‑ der Vater liebt ihn wie Er Christus liebt ‑ er hat den Geist Gottes und dadurch Gemein­schaft mit Gott. Er hat den Geist der Sohnschaft, durch welchen er ruft: "Abba, Vater!" "Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind."

Niemals kann der Geist Zweifel an der Errettung wecken oder den Gedanken: "Ich h of f e , gerettet zu sein". Der Heilige Geist bringt die Gewißheit der Sohnschaft und das gesegnete Gefühl der Ge­meinschaft. Ja, da der Heilige Geist in uns wohnt, gehören auch unsere Leiber nicht mehr der Erde an, sondern dem Himmel, und Gott wird sie einst auf­erwecken, wie Er auch Jesus aus den Toten auferweckt hat. "Wenn aber Kinder, so auch Erben ‑ Erben Gottes und Miterben Christi."

Das ist die wirkliche Stellung eines Christen, eine Stellung, welche die alttestamentlichen Gläubigen nicht besaßen. Sind wir uns bewußt, was wir geworden sind, und verwirklichen wir es in der Praxis?

STRÖME LEBENDIGEN WASSERS

In Joh. 4 sahen wir den Herrn Jesus als den Sohn Gottes, der lebendiges Wasser gibt, das in dem Empfän­ger zu einer Quelle Wassers wird, das ins ewige Leben quillt, Es ist der Heilige Geist, ein Brunnen der Kraft, die in dem Gläubgen wirkt und ihn befähigt, mit dem Vater und dem Sohne Gemeinschaft zu pflegen und den Vater anzubeten (Joh. 4, 23‑24).

In Kapitel 7 sehen wir den Herrn Jesus wieder leben­diges Wasser geben, und es wird ausdrücklich gesagt, daß dies der Heilige Geist ist. Aber die Art, in der der Herr hier gezeigt wird, ist ganz anders, ebenso das, was Er sagt.

Im Alten Testament wird von drei großen Festen ge­sprochen (2. Mose 23; 3. Mose 23; 4. Mose 28 und 29; 5. Mose 16). Es sind dies das Passah, das Fest der Wochen (Pfingsten) und das Laubhüttenfest. In Joh. 6 finden wir das Passah (Vers 4), und der Herr gibt die Erfüllung dieses Bildes an: Er ist aus dem Himmel her­niedergekommen, um für die, welche das Gericht ver­dient haben, zu sterben. "Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, hat ewiges Leben' (Joh. 6, 54). Das Pfingstfest finden wir nicht. Wie wir wissen, finden wir seine Erfüllung in der Ausgießung des Heiligen Geistes in Apg. 2. In Joh. 7 wird direkt von dem Laubhüttenfest gesprochen. Es ist eine Erinnerung an das Wohnen in Laubhütten in der Wüste. Es mußte gefeiert werden, nachdem die gesamte Ernte einschließlich der Weinernte eingebracht war. "Wenn du den Ertrag von deiner Tenne und von deiner Kelter eingesammelt hast" (5. Mose 16, 13). Aus Jesaja 63 und Offb. 14 wissen wir, daß die Weinlese ein Bild des Gerichtes ist, das bald auf der Erde ausgeübt werden wird. Das Laubhüttenfest hingegen stellt bildlich die herrliche Zukunft dar, wenn Israel nach den Gerichten in Ruhe und Frieden in seinem Lande wohnen wird. Dann wird der Herr Jesus als der Messias in Herrlichkeit in Jerusalem regieren.

War aber für den Herrn nun schon die Zeit ange­brochen, um in Herrlichkeit in Jerusalem Seinen Einzug zu halten (Matth. 23, 39)? Die Juden suchten Ihn zu töten. Seine Brüder nach dem Fleische, die Ihm am näch­sten standen, glaubten nicht an Ihn. Einer von Seinen Jüngern würde Ihn überliefern (Joh. 6, 71). Die Welt stand Ihm feindlich gegenüber, und Sein eigenes Volk nahm Ihn nicht an. Wie konnte Er nun in Herrlichkeit erscheinen und irdische Segnungen über das Volk aus­schütten? Seine Brüder erkennen wohl an, daß Er Macht hat, Seine Verheißungen zur Ausführung zu bringen. Sie zweifeln nicht an Seiner Kraft und wünschen, daß Er sie öffentlich zeige, auf daß die Welt Ihn ehre und sie daran teilhätten. Aber das ist kein Glaube. Und in der Antwort des Herrn sehen wir die Situation deutlich dargestellt. Sie waren von der Welt und darum haßte die Welt sie nicht (Joh. 7, 7). Ihre Zeit war stets bereit, denn sie waren ein Teil derselben Welt, ein Teil desselben gesellschaftlichen Systems auf Erden, das Ihn nicht annahm, sondern Ihn haßte und Ihn töten wollte. Und darum konnte Er nicht öffentlich hinaufgehen nach Jerusalem. Er konnte dies wohl nachher zum Passah­fest tun, denn Er stand bereit, als das wahre Passah­lamm dieses Bild zu erfüllen (Matth. 21).

Aber wie konnte der Sohn des Menschen, den die Welt verworfen hatte, Seine irdische Herrlichkeit an­treten? Einmal, wenn durch die Gerichte das Böse weggetan sein wird und der Überrest sich zu Gott bekehrt hat, wird Er auf Grund des Passah in Jerusalem einen herrlichen Einzug halten und Seine Herrschaft antreten (Sach. 14; Matth. 23, 39). Aber jetzt hatte Er nur die Aufgabe, als ein Verworfener Seinen Weg zu gehen und gegenüber denen, die Ihn verwarfen, von Gott zu zeugen. Und als die Pharisäer und Hohenpriester Diener senden, um Ihn zu greifen, sagt Er, sie brauchten sich nicht zu überstürzen, da die Zeit Seines Weg­gehens von dieser Erde nahe sei. Er hatte keine Ge­meinschaft mit der Welt. Er suchte sie auch nicht und begehrte gewiß keine Ehre von seiten der Welt. Er suchte nur die Ehre Dessen, der Ihn gesandt hatte. Und den Durstigen in der Welt ruft Er zu, sie möchten aus der Welt zu Ihm kommen und trinken, auf daß ihr Durst gestillt werde und Ströme lebendigen Wassers aus ihrem Leibe fließen möchten. "Dies aber sagte Er von dem Geiste, welchen die an Ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus nicht verherrlicht worden war" (Joh. 7, 39).

Wenn wir die Verse 37‑39 genau lesen, sehen wir wichtige Dinge. Der Herr Jesus ruft diese Worte an dem letzten, dem großen Tage des Festes. Das Alte Testament lehrt uns, daß nur das Laubhüttenfest acht Tage dauerte und daß der achte Tag einen besonderen Platz einnahm. In 5. Mose 16 wird der achte Tag gar nicht erwähnt, und auch in 3. Mose 23 und 4. Mose 29 wird er von den ersten sieben Tagen getrennt. Die Zahl 8 bedeutet immer etwas Neues, das zwar mit dem Alten verbunden ist, aber doch einen neuen Anfang darstellt. So ist der achte Tag des Laubhüttenfestes ein Bild der ewigen Herrlichkeit, die nach den tausend Jahren irdischer Herrlichkeit das Teil aller Seligen sein wird.

An diesem Tage spricht der Herr von dem Heiligen Geist, den Er, nachdem Er als Sohn des Menschen verherrlicht sein wird, geben würde. Er konnte die irdische Herrlichkeit nicht in Besitz nehmen. Er war der Verworfene, der bald getötet werden würde (Joh. 7, 7. 19. 33). Aber Gott würde Ihn aus den Toten auferwecken und Ihm in der himmlischen, ewigen Herr­lichkeit einen Platz zu Seiner Rechten geben. Und von dort würde Er den Heiligen Geist allen geben, die an Ihn glauben.

In Joh. 4 war es der Sohn Gottes, der in göttlicher Macht das lebendige Wasser gibt. Hier dagegen ist es der Sohn des Menschen, von der Welt verworfen, ge­storben, aber von Gott auferweckt und auf Grund Seines Werkes verherrlicht im Himmel, der von dort den Heiligen Geist herniedersendet, um die Gläubigen mit sich zu verbinden. Sie erhalten dadurch auf Erden die gleiche Stellung, die Er innehatte. Und wie in Joh. 4 dargelegt wird, daß der Heilige Geist den Gläubigen mit dem Sohn und dem Vater verbindet, was ihm die Stellung eines Anbeters gibt, so finden wir hier, daß Ströme Wassers aus dem Leibe dessen fließen sollen, der den Heiligen Geist empfängt. Es geht hier um den Dienst für Gott in dieser Welt.

Das Innewohnen des Heiligen Geistes bestimmt also unsere Stellung auf Erden. Durch Ihn sind wir mit einem Herrn verbunden, der durch die Welt verworfen, ja durch sie ans Kreuz genagelt wurde. Aber Gott hat Sein Werk angenommen und Ihn auf Grund dessen aus den Toten auferweckt und aufgenommen in Herrlichkeit. "Wir sehen aber Jesus ... wegen des Leidens des Todes mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt" (Hebr. 2, 9). Die Kraft des Heiligen Geistes erfüllt das Herz mit der Herrlichkeit, in die Jesus eingegangen ist. Unsere Stellung auf Erden aber ist dieselbe, die auch Christus auf Erden innehatte.

Wir sehen in der Geschichte der Erde abwechselnd, daß Gott Seine Rechte auf die Erde geltend macht als der Gott der Erde und daß Er sich gewissermaßen in den Himmel zurückzieht als der Gott des Himmels. Das Verhalten des Gläubigen muß hiermit in Über­einstimmung sein.

In 1. Mose 1 und 2 sehen wir, wie Gott Seine Rechte auf die reine Schöpfung wahrt. Nach dem Sündenfall aber finden wir, daß Gott sich nur in indirekter Weise mit der Erde beschäftigt, bis die Sünde und Ungerech­tigkeit der Menschen ihren Höhepunkt erreicht hat. Dann übt Er Gericht durch die Sintflut und beschäftigt sich mit der gereinigten Erde auf direkte Weise (l. Mose 8 und 9), indem Er Noah die neue Erde übergibt, einen Bund mit ihm schließt und die Regierung anordnet (1. Mose 9, 6). Leider lehnen sich auch Noah und seine Nachkommen gegen Gott auf und mißbrauchen die Erde. Nach dem Turmbau zu Babel ruft Gott Abraham, nicht damit er die Erde besitze, sondern als Fremdling auf ihr lebe in Erwartung der Stadt, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist (Hebr. 11, 9‑10). Als dann die Ungerechtigkeit der Bewohner Palästinas voll ist, ruft Gott wieder ein Volk, das die Erde besitzen soll, und macht sich selbst zum Anführer ihres Heeres (Josua 5, 14). Dann wird Gott "der Herr der ganzen Erde" ge­nannt (Josua 3, 11). Und in 1. Chronika 29 wird gesagt, daß der Thron Jehovas in Jerusalem stand. Aber auch das Volk Israel wandte sich von Gott ab, so daß Er es richten mußte. Er sendet sie in die Gefangenschaft. Die Herrlichkeit des Herrn verläßt Jerusalem (Hes. 10 und 11). Die Regierung über die Erde gibt Er heid­nischen Königen, und Er nennt sich selbst nicht mehr Herr der ganzen Erde, sondern Gott des Himmels (Da­niel 2, 37). Nach der Gefangenschaft finden wir nur eine teilweise Wiederherstellung. Unabhängig ist das Volk nicht mehr geworden. Und als der Herr Jesus auf die Erde kommt, zeigt sich ihre Bosheit und totale Verdorbenheit; sie kreuzigen den Erben, Ihn, der das Anrecht auf die Erde hatte, dem es zustand, selbst das Erbteil in Besitz zu nehmen (Matth. 21, 33‑46).

Das Evangelium nach Johannes betrachtet alles von diesem Standpunkt aus. Von Anfang an wird der Herr als verworfen dargestellt (Joh. 1, 5‑11). Zwar wird Er einst Seine irdische Herrlichkeit antreten, wenn das Gericht über die Welt ausgeübt sein und das wahre Laubhüttenfest gefeiert werden wird. Aber jetzt hat Gott keine direkte Verbindung mit der Erde. Der Herr Jesus ist hienieden ein Fremdling, durch die Welt verworfen, Er, der nur die Ehre Gottes sucht, indem Er Sein Wort verkündigt (Joh. 7, 14‑18).

Sah Er denn nicht, daß die Römer das irdische Volk Gottes unterdrückten? Sah Er die Ungerechtigkeit und Grausamkeit eines Herodes und eines Pilatus nicht? Sah Er die Mißstände in Israel nicht? Sollte Er, der All­wissende (Joh. 4, 18), der wußte, was im Herzen der Menschen wohnte, (Joh. 2, 25), nicht alles wissen, was mit Gottes Gedanken in Widerspruch war? Sollte Er, der beim Anschauen der Macht und der Folgen der Sünde sich erschütterte und weinte (Joh. 11, 33‑38), nicht bewegt gewesen sein und getrauert haben über alles, was den Namen Gottes auf Erden verunehrte?

Sehen wir Ihn in Seinem Auftreten sich damit be­schäftigen? Er kämpft nicht, um die römischen Unterdrücker zu verjagen, sondern sagt im Gegenteil: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist". Er versucht nicht, die korrupte gottlose Priesterherrschaft zu vertreiben zugunsten von Männern, die Gott fürchteten. Er ver­sucht nicht, die bestehenden Mißstände zu beseitigen. ja, als jemand zu Ihm sagt: "Lehrer, sage meinem Bruder, daß er das Erbe mit mir teile", antwortet Er, obwohl der Mann sicherlich das Recht auf seiner Seite hatte: "Wer hat Mich zu einem Richter oder Erbteiler über euch gesetzt?" (Luk. 12, 14). Der Herr nimmt den Platz eines Verworfenen ein, der hier keine andere Auf­gabe hat, als ein Zeuge Gottes zu sein, und jeden Durstigen aus der Welt aufzufordern, zu Ihm zu kom­men. Er sucht keine Ehre für sich selbst (Joh. 7, 18). Als sie Ihn zum König machen wollen, geht Er fort. Wenn Er Wunder tut, verbietet Er, darüber zu spre­chen. Er begehrt nur, Gottes Willen zu vollbringen, und das bedeutete das Kreuz.

Dieser Jesus ist nun im Himmel. Das gesamte gesell­schaftliche System auf Erden hat Ihn ans Kreuz ge­bracht und ermordet. Aber Gott weckte Ihn auf aus den Toten und setzte Ihn zu Seiner Rechten, "bis Ich Deine Feinde lege zum Schemel Deiner Füße". Aus dem Himmel sandte Er den Heiligen Geist hernieder. Jeder, der Durst hat, kann kommen ‑ jeder einzelne persönlich. Und jeder, der an Ihn glaubt, empfängt den Heiligen Geist, der in ihm zu Strömen lebendigen Wassers wird, die aus Ihm fließen und der ihn mit dem verherrlichten Herrn verbindet, ihn aber auch er­hebt über die Wüste, durch die er geht. "Durch das Tränental gehend, machen sie es zu einem Quellen­ort" (Psalm 84, 6). Er befähigt den Gläubigen zum Dienst hienieden. Er kann dem Durstigen Erquickung anbieten, denn aus ihm fließen Ströme Wassers. Das ist der Platz des Gläubigen in unseren Tagen, in der Zeit der Versammlung.

Nehmen wir praktisch diesen Platz ein? Wird in unserem Leben gesehen, daß wir durch das Wohnen des Heiligen Geistes in uns eins sind mit dem verherr­lichten Sohn des Menschen im Himmel, den die Welt verworfen hat? Hat unser Leben keinen anderen Inhalt, als den Willen Gottes zu tun? Die meisten von uns müssen einen Beruf haben, um für ihren eigenen Un­terhalt und den ihrer Familie zu sorgen, und das ist gut, denn viele Gläubige können die Zucht der täglichen Arbeit nicht entbehren. Aber wollen wir damit nur unseren notwendigen Unterhalt erwerben, oder be­zwecken wir, dadurch eine ehrenvolle Stellung in der Gesellschaft zu erringen? Ist das Ziel unseres Umgangs und unseres Auftretens, daß Gott geehrt wird, oder daß wir selbst geehrt werden? Die Zeit, Ehre zu empfangen, ist für uns noch nicht gekommen. Einst werden wir auf Thronen sitzen und Welt und Engel richten (l. Kor. 6, 2‑4). Aber jetzt ist Ehre von seiten der Welt in Wirklichkeit eine Schande für einen Chri­sten. Wir sind nur auf Erden, um Gottes Willen zu tun und Zeugen eines verworfenen Christus zu sein, der verherrlicht im Himmel ist. Dies zu vergessen ist ver­derblich für den Christen und vernichtet sein Zeugnis.

DAS AUFERSTEHUNGSLEBEN

In Joh. 20 sehen wir den Herrn Jesus aus dem Grabe auferstanden, nachdem Er das Versöhnungswerk voll­bracht hat. Hier wird nicht gesagt, daß Gott Ihn auf­erweckt hat. Das ist gewiß wahr, und der Apostel Petrus sagt auch in Apg. 2, 32: "Diesen Jesus hat Gott auf­erweckt, wovon wir alle Zeugen sind". In Joh. 20 finden wir jedoch, daß der Herr durch Seine eigene göttliche Kraft auferstand. Er stand auf aus dem Tode durch dieselbe Kraft, mit der Er das Töchterlein des Jairus, den Jüngling zu Nain und den Lazarus auferweckt hatte. Dadurch bewies Er, daß Er der Sohn Gottes war (Röm 1, 4).

Dieser Jesus offenbart sich der Maria Magdalena. Sie war durch Ihn von sieben Dämonen erlöst worden. Sie war vollständig in der Macht Satans gewesen. Aber Jesus hatte die dämonische Macht gebrochen und die Dämonen ausgetrieben. Darum hing ihr Herz an Ihm mit aller Liebe, der sie fähig war. Außer Ihm hatte sie nichts auf Erden. Es ist rührend, wenn wir in Joh. 20, IL‑18 lesen, wie sehr ihr Herz von dem Herrn erfüllt war. Wie groß wird ihre Freude gewesen sein, als der Herr ihren Namen nannte! Wir können verstehen, daß sie den Herrn voll Freude begrüßte als einen, den sie nie wiederzusehen gedacht hatte. Nun war alles wieder gut, so wie es gewesen war vor jener schrecklichen Nacht, da man Ihn gefangen nahm.

Doch dann hört sie auf einmal die Stimme des Herrn: "Rühre Mich nicht an, denn Ich bin noch nicht auf­gefahren zu Meinem Vater ... und eurem Vater, und zu Meinem Gott und eurem Gott" (Vers 17). Es war also nicht alles so wie früher. Gewiß war es derselbe Jesus ‑ aber ein Jesus, der am Kreuz das Versöhnungs­werk vollbracht hatte und deshalb gestorben war, der nun auferstanden war und ein Auferstehungsleben be­sag. Dadurch wurde alles anders. Vor dem Kreuz hatten die Jünger mit dem Herrn Umgang gehabt. Sie waren Ihm gefolgt, sie hatten dem gelauscht, was Er lehrte. Sie hatten Ihm mit ihren materiellen Gütern gedient. Aber bei all diesem war Er stets allein geblieben. "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht" (Joh. 12, 24). Nun war Er ihnen leiblich nicht mehr so nahe, denn Sein Auferstehungsleib war ganz anders als ihre natürlichen Leiber. Aber auf geistliche Weise war Er ihnen viel näher gerückt, ja, der verherr­lichte Herr im Himmel war ihnen unendlich näher, als Er es je vor Seinem Sterben gewesen war. Denn Er brachte sie in dieselbe Stellung, die Er einnahm. Er ver­einigte sie mit sich, so wie Er zur Rechten Gottes ist.

Der Herr Jesus ist der ewige Sohn des Vaters. Hierin steht Er natürlich allein, und als solcher kann Er nur der Gegenstand unserer Anbetung sein. Aber Er war auch der Sohn Gottes durch Seine Geburt auf Erden. "Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeugt" (Psalm 2), und "das Heilige, das geboren werden wird, wird Sohn Gottes genannt werden" (Luk. 1, 35).

Sowohl in Seiner göttlichen als auch in Seiner mensch­lichen Natur war Er der Sohn Gottes. Wie vollkom­men kannte Er den Vater! In den Evangelien sehen wir, wie Er den Jüngern den Vater offenbarte. Niemals finden wir, daß der Herr Jesus Gott anders ansprach denn als Vater, ausgenommen am Kreuz. Aber niemals stellte Er die jünger in das Verhältnis zum Vater, das Er einnahm.

Jetzt sehen wir den Sohn des Menschen, nachdem Er das Versöhnungswerk vollbracht hat, gestorben, aber auch durch Seine göttliche Kraft auferstanden. Und mit Seinen ersten Worten gibt Er Seinen Jüngern S e i n e n Platz und stellt sie in dasselbe Verhältnis zum Vater. Was der Vater für den Sohn ist, ist der Vater auch für die Söhne. Was Er, der Vater des Herrn Jesus, immer für den gesegneten Menschen war, der die Sünde hinweggetan hat, das ist Er auch für die, deren Sünden weggetan sind. Gott ist jetzt nicht nur vollkom­men geoffenbart als der Gott und Vater unseres Herrn Jesus. Durch die Erlösung und Auferstehung, durch die wir vereinigt sind mit dem verherrlichten Jesus im Him­mel, hat Er sich auch als u n s e r Gott und Vater geoffenbart. Welche Gnade, welche gesegnete Stellung! Das ist wirkliches Christentum.

Die Juden konnten nur mit einem auf Erden leben­den Messias Verbindung haben. Aber die Jünger sind vereinigt mit einem verherrlichten Menschen im Him­mel. Das ist der große Unterschied zwischen Juden­tum und Christentum. In Joh. 20 beginnt das Christen­tum. Es ist die Familie Gottes, in der Jesus Seine Jünger, die Er erlöst hat, Brüder nennt und sie in S e i n e Stel­lung versetzt. Der zweite Mensch wird das Haupt eines neuen Geschlechtes. "Der erste Mensch ist von der Erde, von Staub; der zweite Mensch vom Himmel. Wie der von Staub ist, so sind auch die, welche von Staub sind; und wie der Himmlische, so sind auch die Himm­lischen" (1. Kor. 15, 47‑48). Das war die herrliche Bot­schaft, die Maria Magdalena den Jüngern bringen durfte.

In Joh. 20, 19‑23 finden wir diese Wahrheit weiter entwickelt. Am Auferstehungstag sind die jünger beisammen. Sie haben die Türen verschlossen, denn Jesus ist nicht mehr bei ihnen, um sie als Messias öffentlich zu beschützen (Luk. 22, 35‑37). Und doch ist Er in ihrer Mitte, aber als der Auferstandene, vor dessen verherrlichtem Leib keine Türen oder Schlösser be­stehen. Und sie hören Seine Stimme. Es ist die Stimme, die sie oft gehört haben in den Jahren, da sie Ihm auf Seinen Zügen durch das Land gefolgt waren. Aber nie hatten sie diese Worte gehört. Er hatte ihnen wohl zugerufen: "Fürchtet euch nicht!" als sie in großen Schwierigkeiten waren. Er hatte verheißen, ihnen Frie­den zu lassen. Aber nun sagt Er: "Friede euch!" Und um ihnen zu zeigen, warum sie nun Frieden haben konnten, Frieden mit Gott, läßt Er sie Seine durch­bohrten Hände und Seine durchstochene Seite sehen. Das war der Grund des Friedens mit Gott: "Indem Er Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes" (Kol. 1, 20).

Frieden mit Gott! In 1. Mose 6, 3 sagt Gott: "Mein Geist soll nicht ewiglich mit dem Menschen rechten". Solange etwas in dem Menschen mit Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit, ja in irgendeiner Weise mit Gott in Widerspruch ist, kann es keinen Frieden mit Gott geben. Aber nun hat der Mensch Christus nicht nur die Sünden aller, die an Ihn glauben, getragen, sondern überdies Gott am Kreuze über die Maßen verherrlicht. Gottes Liebe und Gnade, Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit, ja alle Eigenschaften Gottes sind durch das Werk des Herrn Jesus herrlich geoffenbart. Gott ist in dem Menschen Jesus verherrlicht und kann mit Wohl­gefallen auf Ihn herniederschauen. Aber der Herr Jesus hat das Werk für uns getan. Alle, die an Ihn glauben, werden als eins mit Ihm gesehen. Wir sind vereinigt mit dem verherrlichten Menschen im Himmel. Und das Wohlgefallen, das Gott an dem Sohne hat auf Grund Seines Werkes, ruht auch auf denen, die mit Ihm ver­einigt sind: "Wir haben Frieden mit Gott!"

Dann sagt der Herr ein zweites Mal: "Friede euch!" Aber Er fügt hinzu: "Gleichwie der Vater Mich aus­gesandt hat, sende Ich auch euch‑. Hier geht es also um das Verkündigen des Evangeliums. Die Jünger muß­ten ausgehen und überall von diesem Frieden mit Gott erzählen, wie der Herr es getan hatte. "Und Er kam und verkündigte Frieden, euch, den Fernen, und Frieden den Nahen. Denn durch Ihn haben wir beide den Zugang durch e i n e n Geist zu dem Vater" (Eph. 2, 17). Und Er gab ihnen (also nicht allein den Aposteln, son­dern allen Jüngern) die Macht, Sünden zu vergeben oder zu behalten. Aber damit sie die Kraft und die Einsicht hierzu besäßen, hauchte Er in sie und sagte: "Empfanget Heiligen Geist!"

Denken wir hierbei nicht gleich an 1. Mose 2, 7, wo Gott in die Nase Adams haucht und ihn so zu einer lebendigen Seele macht? So sehen wir hier den letzten Adam, der aber zugleich Gott selbst ist, in göttlicher Macht in die jünger hauchen, um ihnen ein neues Leben mitzuteilen. Adam als lebendige Seele wurde das Haupt seiner Familie, seines Geschlechtes. Christus, der letzte Adam, wurde auf Grund Seines Werkes und Seiner Auferstehung das Haupt der neuen Familie, eines neuen Geschlechtes, der Familie Gottes. "Der erste Mensch, Adam, ward eine lebendige Seele; der letzte Adam ein lebendig machender Geist" (1. Kor. 15, 45).

Dies ist also nicht die Ausgießung des Heiligen Geistes, von der in Joh. 4 und 7 die Rede ist. Kapitel 7, 39 sagt ausdrücklich, daß das erst geschehen würde, wenn der Herr Jesus verherrlicht sei. Und in Apg. 1 sagt der Herr, daß es noch geschehen müsse. Wir wis­sen, daß die Ausgießung am Pfingsttage stattgefunden hat. Aber hier geht es um das neue Leben. Was der Herr Jesus in Joh. 3 lehrt, nämlich, daß niemand, der nicht aus Wasser und Geist geboren ist, in das Reich Gottes eingehen kann, sehen wir hier in der Tat. Wir sehen den auferstandenen Jesus, der Heiligen Geist gibt als neues Leben.

Es ist bemerkenswert, daß im Griechischen vor "Hei­ligen Geist" kein Artikel steht, ebenso wie in Joh. 3, 6 auch nicht steht "Was aus dem Geist geboren ist, ist der Geist", sondern "ist Geist". Es ist nicht der Hei­lige Geist, der Fleisch geworden wäre, sondern der Heilige Geist, der ein neues Leben weckt, das durch diesen seinen Ursprung gekennzeichnet ist; es ist "Geist". Und für die jünger, für Christen ist dies neue Leben das Auferstehungsleben, das durch den auf­erstandenen Herrn gegeben wird. Es ist Sein Leben, das sie auf denselben Auferstehungsboden stellt, auf dem Er steht. Sie werden einsgemacht mit einem Jesus, der das Versöhnungswerk vollbracht hat, aus den Toten auferstanden ist und einen Platz zur Rechten Gottes empfangen hat. Das ist Christentum. Hierin sehen wir den gewaltigen Unterschied zu den Gläubigen von Adam bis zum Kreuz. Auch sie waren wiedergeboren und hatten Leben aus Gott. Aber sie hatten nicht das Auferstehungsleben. Sie standen unter dem Gesetz. Sie waren all den Satzungen unterworfen, die dem natürlichen Menschen gegeben sind. Aber, wie Röm. 8 so deutlich auseinandersetzt, ist der Christ frei von der Sünde, frei von der alten Natur, frei vom Gesetz. In einem anderen Abschnitt wird hierauf ausführlicher eingegangen werden (s. u. S. 81).

DER SACHWALTER (TRÖSTER, FÜRSPRECHER)

Wir kommen jetzt zum Kernpunkt der Lehre vom Heiligen Geist, wie wir sie in Joh. 14, 15 und 16 finden.

In den ersten Versen von Joh. 14 sagt der Herr Jesus, Er gehe zum Himmel zurück, um für die Seinen eine Stätte zu bereiten, und danach werde Er wieder­kommen, um sie dorthin zu bringen. In den folgenden Versen spricht Er dann über die Zeit Seiner Abwesen­heit. Und in Vers 15‑19 sagt Er: "Wenn ihr Mich liebet, so haltet Meine Gebote; und Ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, daß Er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie Ihn nicht sieht noch Ihn kennt. Ihr aber kennet ihn, denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich werde euch nicht als Waisen lassen, Ich komme zu euch. Noch ein Kleines, und die Welt sieht Mich nicht mehr; ihr aber sehet Mich: weil Ich lebe, werdet auch ihr leben".

In Vers 26 sehen wir, daß der Sachwalter der Heilige Geist ist. Aber der Herr spricht von Ihm in ganz anderer Weise als an allen Stellen, die wir bisher behandelt haben. Der Herr spricht nicht von dem Leben wie in den Kapiteln 3 und 20 oder von der Kraft, die in diesem Leben wirkt wie in Kapitel 4 und ebensowenig von Strömen lebendigen Wassers, die aus dem Gläubigen fließen sollen (Joh. 7). Er spricht hier von einer Person, die mit Ihm zu vergleichen ist, weil sie das gleiche Wesen hat. Nur eine Person kann gesandt werden, kann bei und in uns bleiben, kann uns lehren und erinnern an das, was der Herr Jesus gesagt hat (Vers 26), kann Zeugnis geben (15, 26), kann überführen (16, 8) und leiten, hören, reden, verkündigen, nehmen (16, 13‑15). Wenn wir diese Abschnitte lesen, wird uns das sehr deutlich.

Diese Person wird durch den Vater gesandt (Vers 26) und durch den Herrn Jesus mit sich selbst gleichgestellt. Das griechische Wort parakletos, welches hier durch "Sachwalter" übersetzt ist, kommt im Neuen Testament nur fünfmal vor: viermal in den obengenannten Ab­schnitten, wo der Herr Jesus den Heiligen Geist so nennt, und einmal in 1. Joh. 2, 1, wo der Herr Jesus so genannt wird. Die Bedeutung des Wortes parakletos wird nicht vollkommen durch Sachwalter, Fürsprecher oder Tröster wiedergegeben. Es bezeichnet jemanden, der für einen anderen auftritt und alle seine Interessen wahrnimmt.

Das hat der Herr Jesus für Seine jünger getan, als Er bei ihnen war (Luk. 22, 35‑37; Joh. 10, 11). Nun geht Er von ihnen, und Er bittet sie, durch das Halten Seiner Gebote ihre Liebe zu beweisen. Er werde Seine Liebe zeigen, indem Er den Vater bitte, an Seiner Statt einen anderen Sachwalter zu senden, der nicht nur für eine Zeit bei ihnen bleiben solle, wie Er nur drei Jahre bei ihnen gewesen sei. Dieser Sachwalter werde bis in Ewigkeit bei ihnen bleiben, ja, in Ihm werde der Herr selbst zu ihnen kommen (Joh. 14, 18). Und in Joh. 16, 7 sagt der Herr sogar, es sei den Jüngern nützlich, daß Er weggehe, denn nur dann komme der andere Sachwalter. Aus allem geht hervor, daß es eine göttliche Person ist, die auf die Erde kom­men soll, wenn der Sohn zum Himmel zurückkehrt. In Apg. 5, 3‑4 wird dann auch ausdrücklich gesagt, daß der Heilige Geist Gott ist.

Gab es in den Tagen der jünger eine wichtigere Tatsache als die, daß Gott der Sohn auf Erden war? Gibt es, nachdem der Herr Jesus zum Himmel zurück­gekehrt ist, eine wichtigere Tatsache als die, daß Gott der Heilige Geist auf Erden wohnt? Gewiß, Er ist nicht Fleisch geworden wie der Sohn, aber Er wohnt ebenso wahrhaftig auf Erden. In der Tat, die Gegenwart des Sachwalters ist die große Tatsache der Zeit des Christen­tums. Und gibt es irgend etwas, dem weniger Rechnung getragen wird?

Im Alten Testament wirkte der Geist auf Erden, und die Gläubigen jener Zeit waren durch den Geist wie­dergeboren. Aber nie w o h n t e der Geist auf Erden. Niemals hat Gott vor dem Erlösungswerk Christi bei Menschen gewohnt. Gott wohnte weder bei Adam noch bei Henoch noch bei Noah und auch nicht bei Abraham. Erst nachdem das Blut des Passahlammes geflossen war und die Israeliten durch das Rote Meer von Ägypten getrennt waren, konnte Gott inmitten des Volkes woh­nen, wenn auch hinter dem Vorhang verborgen, da die wahre Erlösung noch nicht stattgefunden hatte (2. Mose 29, 42‑46). Und so auch jetzt. Erst nachdem das Werk der Erlösung zustande gekommen ist, kann der Heilige Geist bei uns wohnen ‑ und zwar nicht nur für eine Zeit, so wie der Herr Jesus für eine Zeit bei den Jün­gern war; Er wird in Ewigkeit bei uns bleiben.

Und wo wohnt Er? "Er wird in euch sein" (Joh. 14, 17). "Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euer selbst seid?" (l. Kor. 6, 19). Diese göttliche Person kommt, um uns ‑ unse­ren eigenen Leib ‑ zu Seiner Wohnstätte, zu Seinem Tempel zu machen.

Aber wohnt die Sünde denn nicht in uns? Wie kann der Heilige Geist in solch einem Leibe wohnen? Dies ist tatsächlich das Argument verschiedener Formen des Perfektionismus ‑ "Christus und Belial können nicht in ein und demselben Tempel wohnen". Und es ist wahr, unser Leib kann nicht der Tempel des Geistes Gottes und der des Belial sein.

Am großen Versöhnungstag sehen wir, wie Gott in der Mitte eines sündigen Volkes wohnen kann. "Und er tue Sühnung für das Heiligtum wegen der Unreinig­keiten der Kinder Israel und wegen ihrer Übertretun­gen, nach allen ihren Sünden; und ebenso soll er sie für das Zelt der Zusammenkunft tun, das bei ihnen weilt, inmitten ihrer Unreinigkeiten" (3. Mose 16, 16). Gott wohnt nicht mehr in mit Händen gemachten Ge­bäuden, sondern in Menschen. Und die Innewohnung des Heiligen Geistes ist das Zeugnis von der Vollkom­menheit des Opfers Christi (Hebr. 10, 14‑15).

Aber der Geist wohnt nicht nur in jedem Gläu­bigen, "Er bleibt bei euch". Er wohnt auch inmitten der Gläubigen. "Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tem­pel seid und der Geist Gottes in (oder: unter) euch wohnt?" (l. Kor. 3, 16). "In welchem auch ihr mit­aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste" (Eph. 2, 22). "Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu e i n e m Leibe getauft worden" (1. Kor. 12, 13). Wie sehr wird diese Wahrheit in der Christenheit prak­tisch verleugnet, auch in den orthodoxen Gruppen!

Die Welt kann den Heiligen Geist nicht empfangen, denn sie sieht Ihn nicht und kennt Ihn nicht (Joh. 14, 17). Gott der Sohn ist Fleisch geworden, um den Vater zu offenbaren, aber die Welt hat "gesehen und gehaßt sowohl Mich als auch Meinen Vater" (Joh. 15, 24). Nun verläßt der Sohn die Welt, und Gott der Geist kommt auf die Erde hernieder, aber Er wird nicht Fleisch wie der Sohn. Die Welt hat sich als der bittere Feind Gottes erwiesen, der sogar das letzte und größte Zeugnis Gottes verworfen hat (Matth. 21, 33‑41). Nun gibt es für sie kein Angebot der Gnade mehr. Und sie, die nicht glauben wollte, kann den Tröster nicht sehen und kennt Ihn nicht. Aber w i r kennen Ihn (Joh. 14, 17) ‑ zuallererst durch das Wort des Herrn Jesus, das wir im Glauben annehmen, aber auch durch die Folgen der Gegenwart des Heiligen Geistes. Sollte eine göttliche Person in uns wohnen und in uns die Kraft sein zur Gemeinschaft mit Gott und zum Genießen alles dessen, was Gott uns gibt, ohne daß wir diese Person kennen? Röm. 8, 16 sagt es uns: "Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste, daß wir Kinder Gottes sind".

"Ich werde euch nicht als Waisen lassen, Ich komme zu euch", sagt der Herr Jesus (Joh. 14, 18). In dem Geist kommt Er zu den Seinen auf die Erde, und das ist ihr Trost. Und obwohl sie durch Gnade an Ihn als den Sohn Gottes geglaubt haben, werden sie Ihn nun doch auf eine viel wirklichere Weise sehen, als sie es jemals mit ihren natürlichen Augen getan haben; ihre Kenntnis wird viel tiefer sein. Der Heilige Geist ist gekommen, um das Haus Gottes auf Erden zu bauen, darin zu wohnen und die Gläubigen einzeln zu Seinem lebendigen Tempel zu machen. Er ist gekommen, um uns zum Leib des Christus zu formen und so die Gläu­bigen eins zu machen mit Christus, dem Haupt in der Herrlichkeit (Eph. 1, 22).

Aber es geht hier noch weiter! "Weil Ich lebe, werdet auch ihr leben. An jenem Tage werdet ihr erkennen, daß Ich in Meinem Vater bin und ihr in Mir und Ich in euch" (Joh. 14, 19‑20). Der Gläubige ist persön­lich mit Christus vereinigt; Gemeinschaft in Natur und Leben wird hier gefunden. Der Heilige Geist ist die Kraft und das Band dieser Vereinigung. Nicht allein kenne ich Christus in der Herrlichkeit als den Gegen­stand meines Herzens, sondern der Heilige Geist tut mir kund, daß ich mit Ihm vereinigt bin.

Das hat es im Alten Testament nie gegeben. Aber auch im Tausendjährigen Reich wird dies nicht gefunden werden. Wohl spricht Joel 2, 28 von einer Ausgießung des Heiligen Geistes. Aber nirgends finden wir, daß der Heilige Geist auf Erden in den Gläubigen wohnen wird. Er wird niemanden zur Anbetung Gottes in das Allerheiligste leiten; der Vorhang ist dann nicht mehr zerrissen (Hes. 41, 23). In Hesekiel finden wir wohl Priester, die Priesterdienst ausüben, aber niemals im Allerheiligsten. Und der hölzerne Altar, der im Aller­heiligsten stehen wird, wird in Hesekiel nicht benutzt. Ich glaube, es wird für die Priester ein Hinweis sein, daß ein anderes priesterliches Volk da ist, das in Gottes unmittelbarer Gegenwart dient, so wie auch in 3. Mose 16 die priesterliche Familie Aarons eine von dem Volk abgesonderte Stellung einnahm. ‑

Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist stehen in diesem gesegneten Werke nicht getrennt. Der Heilige Geist kommt, um die Gemeinschaft zustande zu brin­gen, aber es ist der‑Vater, der Ihn in Seiner Liebe sendet. Und Er sendet Ihn in dem Namen des Sohnes (Joh. 14, 26), auf daß der Sohn verherrlicht werde (Joh. 16, 14).

In Seinem Leben auf Erden offenbarte der Herr Jesus den Vater in all Seinen Wegen der Gnade und Liebe (Joh. 1, 18). Seine Worte waren die Worte des Vaters, der Ihn gesandt hatte (Joh. 7, 16‑18; 14, 24). Der Heilige Geist würde die jünger an diese Worte erinnern (joh.14,26). Aber Er sollte auch zeugen von dem verherrlichten Jesus (Joh. :15, 26; 16, 13). So wie der Herr Jesus während Seines Lebens auf Erden zu­gleich im Schoße des Vaters im Himmel war und da­durch den Vater kundmachen und die himmlischen Dinge, die Er gesehen hatte, mitteilen konnte (Joh. 1, 18; 3, 11‑13), so redet der Heilige Geist auf Erden zu den Gläubigen, was Er im Himmel von dem ver­herrlichten Jesus hört und sieht (Joh. 16, 13). Er, der selbst Gott ist, gepriesen in Ewigkeit, und eins mit dem Vater und dem Sohn, hat eine Stellung der Ab­hängigkeit eingenommen. Er läßt sich senden durch den Vater (Joh. 14, 26) und den Sohn (Joh. 15, 26), und Er spricht nicht aus (von) sich selbst, d. h. nicht unabhängig von dem Vater und dem Sohn.

Er erinnert die jünger an die Worte, die der Herr Jesus gesprochen hat (Joh. 14, 26), so daß sie von dem Herrn zeugen können (Joh. 15, 27). Das finden wir in den Evangelien. Aber Er selbst gibt eine himmlische Ergänzung durch Sein Zeugnis von der himmlischen Stellung des Herrn Jesus (das nur Er geben kann), auf daß auch sie davon wüßten und ihre Herzen sich darin erfreuten. Das finden wir in der Apostelgeschichte und den Briefen. Und das Kommende (Zukünftige) schließ­lich würde Er ihnen verkündigen (Joh. 16, 13), was wir dann auch in den Briefen und in der Offenbarung sehen.

Aber obwohl der Heilige Geist die gesegnete Quelle unserer Gefühle ist, kann Er nicht ihr Gegenstand sein, wie der Herr Jesus es ist. Als Gott lieben wir Ihn und

preisen wir Ihn, aber Er ist nicht für uns Mensch gewor­den und gestorben, und wir können nicht mit Ihm ver­einigt werden. Wir können von Ihm nicht wie von unse­rem Heiland sagen: "Denn sowohl Der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen Er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen" (Hebr. 2, 11). Der Heilige Geist hat sich zu uns nicht in das gleiche Verhältnis gestellt wie der Herr Jesus, der Sohn Gottes, der aber auch Mensch geworden ist und ewig bleiben wird und der in unserer Mitte war als ein Dienender.

Aber während dieser Jesus in der Herrlichkeit unser Fürsprecher bei dem Vater ist, haben wir auf Erden den "anderen Fürsprecher", Gott den Heiligen Geist, der in uns und bei uns sein wird bis in Ewigkeit.

WANN EMPFÄNGT EIN GLÄUBIGER DEN HEILIGEN GEIST?

In der Apostelgeschichte finden wir die Erfüllung der Verheißungen. Während der Herr Jesus auf Erden lebte, hatte Gott geoffenbart, daß Er mit uns sei (,Em­manuel", Matth. 1, 23), und der Glaube sieht in dem Tod und der Auferstehung Christi, daß Gott f ü r uns ist (Röm. 8, 31‑32). In Apg. 2 aber finden wir Gott i n uns. Das war nicht möglich, bevor das kostbare Blut Christi vergossen war. Wo das Blut gesprengt ist, dahin kann der Heilige Geist kommen, und da kann Er woh­nen (2. Mose 29, 41‑46; 3. Mose 14, 14‑18). Vor dem Kreuz hatte der Heilige Geist nur in e i n e m Men­schen, dem Herrn Jesus, gewohnt. Nur in diesem Flek­kenlosen, Vollkommenen konnte Er wohnen, ohne daß vorher Blut vergossen worden war. Aber jetzt war das Opfer dargebracht, und das Blut der Versöhnung war geflossen. Der Herr sagte Seinen Jüngern, sie würden innerhalb weniger Tage mit dem Heiligen Geist getauft werden (Apg. 1, 5). Zehn Tage nach der Himmelfahrt finden wir dies dann auch erfüllt.

Apg. 2 gibt uns eine ausführliche Beschreibung dieser Tatsache. So wie die Geburt des Herrn Jesus durch sichtbare Zeichen geoffenbart wurde, so erschienen auch besondere Zeichen, als Gott der Geist herniederkam, um auf Erden zu wohnen. Gott gab von diesem einmaligen Geschehen ein doppeltes äußeres Zeichen. Das Haus ganz allgemein wurde erfüllt, und daneben zeigten sich auf jedem einzelnen die zerteilten Zungen wie von Feuer, und sie redeten in anderen Sprachen. Diese dop­pelte Wahrheit: "Er bleibt bei euch und wird in euch sein" (Joh. 14, 17) finden wir immer wieder. Er hat alle Gläubigen zu e i n e m Leibe getauft (l. Kor. 12, 13), und dieser Leib, die Versammlung, als Haus Gottes gesehen, wird in 1. Kor. 3, 16 Gottes Tempel genannt, in dem der Heilige Geist wohnt. Die Stätte, wo die Jünger beteten, bewegte sich (Apg. 4), und in Apg. 5 wird gesagt, Ananias und Sapphira hätten Gott den Heiligen Geist belogen, als sie der Versammlung die Unwahrheit sagten. Gott war in der Person des Heiligen Geistes herniedergekommen und wohnte in der Ver­sammlung, und das ist auch heute noch so. Auf einer der nächsten Seiten werden wir hierauf näher eingehen. ‑ Aber daneben finden wir das Zeugnis auf jedem ein­zelnen: Zerteilte Zungen wie von Feuer. Es waren Zun­gen ‑ was auf Sprechen hinweist ‑, aber zerteilte Zungen: Das Zeugnis geht aus zu jedem Volk unter dem Himmel. Die Sprachen bestätigen dies.

Es ist sehr wichtig, zu untersuchen, wann und wie ,Menschen den Heiligen Geist empfangen können. Die Ansichten der Menschen hierüber gehen weit auseinan­der, doch sagt die Schrift es uns deutlich: "Nachdem ihr geglaubt habt, [seid ihr] versiegelt worden ... mit dem Heiligen Geist der Verheißung" (Eph. 1, 13). Und auch die Beispiele in der Apostelgeschichte sind nicht undeutlich. In Kapitel 2, 38 sagt der Apostel Petrus: "Tut Buße, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfan­gen". Hier wird nicht von dem Glauben gesprochen wie in Apg. 16, 31 und Eph. 1. War er denn nicht nötig, oder war die Buße nicht nötig? Gewiß, beides ist nötig. Der sündige Mensch muß sich bekehren, und er muß an die Person und das Werk des Herrn Jesus glauben. Aber Gott sieht die Herzen an, und darum spricht Paulus bei dem Kerkermeister von Glauben und Petrus bei den Juden von Buße. Die stolzen, hochmütigen Juden mußten sich von dem Volk, auf das sie stolz waren, absondern und sich öffentlich zu Jesu bekennen, indem sie sich taufen ließen auf diesen verachteten Namen, dessen Träger sie verworfen und gekreuzigt hatten, sie mußten Buße tun und ihre Sünde und Schuld erkennen. So würden sie Vergebung empfangen und des Heiligen Geistes teilhaftig werden. Wir sehen, daß das Letztere von selbst auf die Buße und den Glauben an den Herrn Jesus folgt. Es ist nicht ein Vorrecht einzel­ner, sondern gilt für alle.

In Apg. 8 finden wir einen ganz anderen Gang der Dinge. Die Samariter hatten das Evangelium angenom­men und waren auf den Namen des Herrn Jesus getauft worden. Aber niemand hatte den Heiligen Geist emp­fangen. Stand dies nicht in absolutem Widerspruch zu Eph. 1? Ich glaube, für diese Abweichung besteht ein wichtiger Grund. Wie bekannt, herrschte zwischen den Juden und den Samaritern große Verbitterung, vor allem auch wegen der Stätte der Anbetung (Joh. 4, 20). Wenn die gläubigen Samariter unmittelbar nach der Predigt des Philippus den Heiligen Geist empfangen hätten, also auf die gleiche Weise wie die gläubigen Juden, wäre dann die Gefahr zur Eifersucht nicht groß gewesen, auch zwischen den Gläubigen dieser beiden Orte? Wäre dadurch nicht von Anfang an die Einheit bedroht gewesen? Außerdem hatte der Herr dem Petrus die Schlüssel des Reiches der Himmel gegeben. Deshalb empfingen sie den Heiligen Geist erst, nachdem Petrus und Johannes gekommen, für sie gebetet und ihnen als Zeichen der Einheit die Hände aufgelegt hatten.

In Apg. 10 finden wir wieder einen anderen Verlauf. Kornelius und die Seinen gehörten zu den Nationen, aber sie hatten ohne Zweifel Buße getan und waren wiedergeboren. Sie hatten das Evangelium gehört (Vers 36),aber siewußten nicht, ob es auch für sie galt.Petrus, durch eine besondere Offenbarung hierüber belehrt, öffnet die Tür für die Nationen (Vers 35), und nachdem sie das Wort, "daß jeder, der an Ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch Seinen Namen‑, gehört und geglaubt hatten, fiel der Heilige Geist auf sie mit den gleichen äußeren Zeichen wie in Jerusalem. Hier ist also nichts voraufgegangen, keine Gebete, kein Händeauf­legen und nicht einmal eine Taufe.

Einen vierten Fall finden wir in Apg. 19. Dort sehen wir eine Anzahl Gläubige, die mangelhaft unterwiesen waren. Sie hatten das Evangelium von einem kommen­den Erlöser gehört, wußten aber nicht, daß das Ver­söhnungswerk vollbracht und das Blut gesprengt war. Deshalb konnten sie nicht an das vollbrachte Werk 'Christi glauben und auf Grund dessen den Heiligen Geist empfangen. Sie wußten nicht einmal, daß die alt­testamentliche Verheißung, von der auch ihr Lehrer Jo­hannes der Täufer so oft gesprochen hatte, erfüllt war. Aber nachdem Paulus sie unterwiesen und sie die christ­liche Taufe empfangen hatten, kam der Heilige Geist auf sie. Paulus, der Heidenapostel, legt diesen gläu­bigen Juden die Hände auf, und sie empfangen den Heiligen Geist, wie einst die Samariter nach dem Hände­auflegen durch Petrus und Johannes den Heiligen Geist empfingen. Gott zeigt, daß die Autorität des Heiden­apostels nicht weniger groß war als die der Zwölf.

Aus allen diesen Abschnitten geht hervor, daß jeder, der Buße tut und an den Herrn Jesus glaubt, den Hei­ligen Geist empfängt. Das gilt sowohl für Juden als auch für Nichtjuden. Wohl ist ein Unterschied da, denn die Juden mußten erst mit der christlichen Taufe getauft sein, während wir dies bei Gläubigen aus den Nationen nirgends finden. Aber der allgemeine Grundsatz bleibt bestehen: jeder, der an den Herrn Jesus und an Sein vollbrachtes Werk glaubt, empfängt den Heiligen Geist, Und was uns betrifft, die wir keine Juden sind, wir brauchen hierzu kein Händeauflegen und keine aposto­lische Autorität: "Nachdem ihr geglaubt habt, [seid ihr] versiegelt worden ... mit dem Heiligen Geiste der Ver­heißung" (Eph. 1, 13).

Gewiß kann zwischen der Bekehrung bzw. Wieder­geburt einerseits und dem Empfangen des Heiligen Geistes andererseits einige Zeit vergehen, denn es sind ganz verschiedene Dinge. Es kann sein, daß, wie bei Paulus, eine tiefe Übung in der Seele stattfindet, be­vor sie in den Genuß der vollen Freiheit kommt. Es ist sogar möglich, daß durch das Nichtverstehen des vollen Evangeliums ‑ sei es, weil man ein unvollständiges

Evangelium hört, sei es infolge anderer Ursachen ‑ die bekehrte, wiedergeborene Seele "das Evangelium eures Heils" nicht völlig glaubt, sondern sich mit sich selbst beschäftigt, indem sie gegen die Sünde und gegen sich selbst arbeitet und kämpft usw. und dadurch den Hei­ligen Geist nicht empfängt. Aber Gottes Wille ist, daß die bekehrte Seele das v o 11 e Evangelium glaubt, wo­nach sie auch unmittelbar den Heiligen Geist empfängt und in den vollen Genuß all dessen tritt, was uns durch das Werk Christi bereitet ist.

BEFREIUNG

In Römer 8 finden wir die allgemeine Bedeutung des Wohnens des Heiligen Geistes in dem Gläubigen aufs deutlichste dargestellt. Dort wird uns gesagt, daß der Wandel eines Gläubigen entweder nach dem Fleische oder nach dem Geiste ist. ja, in Vers 9 wird gesagt: "Ihr aber seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand den Geist des Christus nicht hat, der ist nicht sein". Wir finden hier also zweierlei:

1. Nur der, in dem der Heilige Geist wohnt, ist nicht im Fleische, sondern im Geiste.

2. Wenn jemand den Geist des Christus nicht hat, gehört er Christus nicht an, mit anderen Worten: er ist kein Christ.

Das sind Punkte von allergrößter Wichtigkeit.

Der erste Punkt zeigt uns, daß nicht wahr ist, was SO oft gesagt wird, nämlich, daß ein Mensch entweder ein natürlicher Mensch sein muß oder aber jemand, der

geistlich ist. Nach dem Neuen Testament gibt es eine dritte Klasse zwischen beiden. Wenn Gottes Gnade einen natürlichen Menschen, ein Kind Adams, zur Buße bringt, ihm ein neues Leben einpflanzt und er auf Grund der Erlösung zu Gott gebracht ist, dann ist er hierdurch noch nicht geistlich. Geistlich ist jemand, von dem der Apostel sagt: "Ihr seid nicht im Fleische, son­dern im Geiste". Der Apostel nennt die Korinther weder natürliche Menschen (l. Kor. 2, 14), noch auch geist­liche (3, 1); sie waren fleischlich (3, 3). Und in Röm 7, 14 bekennt der bekehrte Mensch, der unter dem Gesetz ist, daß er fleischlich ist.

Verschiedene Umstände können verhindern, daß ein Gläubiger ein Geistlicher ist. Bei den Korinthern war es fleischliche Weisheit. Aber der wichtigste ‑und häufigste ‑ dieser Umstände ist der, den uns der Brief an die Römer kundtut: daß viele von neuem Geborene nie zu dem Bewußtsein gelangen, daß das Fleisch nur böse ist, und ebensowenig zu dem Glau­ben, daß es im Tode Christi völlig gerichtet ist.

Im ersten Teil dieses Briefes, bis Kapitel 5, 11, wird die Frage unserer Sünden, also unseres sündigen Tuns, behandelt. Das Resultat finden wir in Kapitel 5, 1‑2: ,Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus usw." Sehr viele Menschen bleiben hierbei stehen. Sie sind sozusagen nur halb gerettet. Sie erkennen etwas von dem Werke Christi, aber sie sehen nicht, daß sie in Christus sind. Nicht daß sie diesen Ausdruck nicht kennen. Aber wenn sie beispiels­weise Röm. 8, 1 lesen: "Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind", sehen sie darin nicht mehr, als was Röm. 4, 25 sagt: "Welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Recht­fertigung wegen auferweckt worden ist", nämlich, daß ihre Sünden weggetan sind und sie gerechtfertigt vor Gott stehen.

Das ist aber nicht die volle Bedeutung von R ö in. 8, 1. Der Unterschied ist der, daß von Kapitel 5, 12 an durch den Heiligen Geist eine neue Frage behan­delt wird, die Frage unserer alten Natur, unseres sün­digen Fleisches. Nicht nur sind meine Sünden vergeben und stehe ich gerechtfertigt vor Gott, sondern meine alte Natur ist im Tod Christi gerichtet. Es ist nicht nur Rechtfertigung durch Blut, sondern Rechtfertigung des Lebens. Nicht nur glaube ich an Christus und weiß, daß ich durch Sein kostbares Blut Vergebung habe. Nein, Gottes Wort gibt mir das Recht, zu wissen und zu sagen, daß ich in dem Tode Christi gestorben bin. Ich bin nicht auf Sein Leben oder auf Sein Werk ge­tauft, sondern auf Seinen Tod (Röm. 6, 3). Ich war ein Sünder, ich konnte nur sündigen, aber das wird durch die Vergebung nicht geändert. Ich muß aus diesem Zustand befreit werden, und die einzige wirkliche Be­freiung aus einem sündigen Zustand ist der Tod. Diese Befreiung habe ich "in Christus'. "Denn das dem Ge­setz Unmögliche [nämlich zu bewirken, daß Sünde und Tod nicht Gesetz in mir waren, also ununterbrochen in mir herrschten], weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er Seinen eigenen Sohn in Gleich­heit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sen­dend, die Sünde im Fleische verurteilte (Röm. 8, 3). Das ist die Lehre von Kapitel 5 ab Vers 11 und Ka­pitel 6.

Es ist für einen von neuem Geborenen außerordent­lich schwer, diese Wahrheit anzunehmen. Zu glauben, daß Gott seine Sünden vergeben hat, geht noch, weil das etwas ist, das gänzlich außer ihm stattfindet. Aber zu glauben, seine alte Natur sei mit Christus gestorben, ist weit schwieriger, denn seine tägliche Erfahrung ist ganz anders. Jeden Augenblick bemerkt er sein sündiges Fleisch, und solange er diese Wahrheit nicht im Glauben ergriffen hat, spürt er das Gesetz der Sünde und des Todes in sich. Aber in den Dingen Gottes gibt es nichts Wichtigeres als Einfalt, und es ist kein Glaube so groß wie der, der Sein Wort und Seine Autorität kindlich annimmt, auch wenn er nur wenig davon versteht. Wenn Gott dir, der du von neuem geboren bist, sagt, du seiest tot, glaubst du das, oder glaubst du das nicht?

Wenn jemand es nicht glaubt, versucht er, sich selbst zu verbessern. Das neue Leben in ihm will nach Gottes Gedanken leben, aber er sieht in sich die Sünde, und zu welch einem furchtbaren Kampf kommt es dann! In Röm. 7 sehen wir solch einen Menschen. Er ist von neuem geboren ‑ bekehrt ‑ und besitzt also Leben aus Gott. Wie sollte ein Unbekehrter sagen können: "Ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen" (Röm. 7, 22)? Von den Un­bekehrten wird gesagt: "Da ist keiner, der Gott suche" (Röm. 3, 11). Dieser von neuem Geborene in Röm. 7 hatte das Gefühl, er müsse, nachdem er in Christus Ver­gebung gefunden habe, durch die innere Wirksamkeit des Geistes Gottes sich selbst befreien. Er griff dazu nach dem Gesetz und machte dies zu seiner Richtschnur. Aber er machte die Erfahrung: je mehr er strauchelte, um so weniger half ihm der Geist Gottes; Er machte ihn vielmehr unglücklich über sich selbst. Der Heilige Geist kam vom Himmel auf die Erde, nicht um das Gesetz, sondern um den Herrn zu verherr­lichen.

Es geht hier nicht um das äußere Leben, sondern um tiefere Dinge. Der Mensch in Röm. 7 mag nicht in offenbare Sünden gefallen sein, aber die Sünde wirkte in ihm. Kennen wir nicht alle den Kampf, der in Röm. 7 beschrieben wird? Einige vielleicht aus der Zeit vor ihrer Bekehrung, als der Heilige Geist an ihren Herzen wirkte, aber die meisten aus der Zeit nach ihrer Bekeh­rung. Ich glaube nicht, daß es einen Gläubigen gibt, der diesen Kampf nicht mitgemacht hat. Denn obwohl die Befreiung von Röm. 8 eine Befreiung ist, müssen wir sie doch auch durch Erfahrung kennenlernen. Durch die Erfahrung lernen wir, daß Gottes Wort die Wahrheit spricht, wenn es sagt, unsere alte Natur sei unverbes­serlich. Durch die Erfahrung lernen wir ferner, daß es wahr ist, wenn Gottes Wort sagt, das Gesetz könne uns nicht helfen, "weil es durch das Fleisch kraftlos ist". Durch die Erfahrung werden wir durchdrungen von der Wahrheit des Wortes Gottes, daß wir uns selbst nicht helfen können. Und je ernster wir unser Gott dienen nehmen, desto tiefer wird dieses Erfahrungserlebnis in unser Herz eingeschrieben, so daß wir zum Schluß in Verzweiflung ausrufen: "Ich elender Mensch, wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" (Röm. 7, 24). Wir haben dann die Erfahrung gemacht, daß das Gesetz für jemanden, der eine sündige Natur hat, keine Richtschnur für das Leben, sondern eine Richtschnur des Todes ist. Anstatt eine befreiende Kraft zu sein, kann es nur verdammen. Und darum rufen wir nicht: " w a s " wird mich retten, denn wir wissen, es gibt nichts, was uns helfen kann. Wir rufen: " w e r " wird mich retten, und dann sagt Gott uns durch Sein Wort ‑ und glück­lich sind wir, wenn wir es angenommen haben – „Jesus Christus, unser Herr, h a t dich erlöst". Dann beginnt der Jubelgesang von Röm. 8 in unseren Herzen: "Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind, denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes". Welch ein Unterschied zu Röm. 7!

Es ist Selbstbetrug und Mangel an Einsicht und Ver­ständnis des Wortes Gottes, zu behaupten, der Mensch könne sich der Befreiung von Röm. 8 erfreuen, während er in dem Kampf zwischen Gut und Böse in dem letzten Teil von Röm. 7 steht. Kann man sich in Sklaverei und zu gleicher Zeit in Freiheit befinden? Kann jemand sa­gen: "Ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft" und "das Böse, das ich nicht will, tue ich", und zu gleicher Zeit jubeln: "Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes"? Sollte ein Zustand, in dem ein Gläubiger sagen muß, er sei der Gefangene des Geset­zes der Sünde in seinen Gliedern (Röm. 7, 23), der normale Zustand eines durch den Herrn Jesus Erlösten sein? Ich sage damit nicht, daß es nicht der gewöhnliche Zustand vieler ist, sondern ich frage, ob dies nach Gottes Gedanken ist!

In Röm. 8 wird uns die normale Stellung des Gläu­bigen nach Gottes Gedanken vorgestellt. Er hat seine Sünden erkannt und glaubt, daß sie auf Grund des kostbaren Blutes unseres Heilandes vergeben sind. Er hat die Verdorbenheit des Fleisches gesehen und glaubt., daß das Fleisch in Christus auf dem Kreuz gerichtet ist. Und nachdem er geglaubt hat, ist er mit dem Heiligen Geiste versiegelt worden (Eph. 1, 13). Er weiß, daß er in Christus gestorben und jetzt auch "in Christus" ist und daß es deshalb keine Verdammnis für ihn gibt. Er weiß, daß die Macht der Sünde über ihn weggetan ist, denn seine alte Natur ist in Christus gerichtet. Er hat ein neues Leben, das nicht sündigen kann (l. Joh. 3, 9), und eine göttliche Person, der Heilige Geist, wohnt in ihm und ist in ihm die Kraft, die in dem neuen Leben wirkt und ihn fähig macht, in Übereinstimmung damit zu leben. Er ist im Geist, ein geistlicher Mensch, der nach dem Geiste wandeln kann. Er ist aus der Familie des ersten Adam, die in dem Stand und im Zustand des gefallenen Menschen vor Gott steht, in die Familie Gottes übergegangen, von der der letzte Adam, Jesus Christus, das Haupt ist. Und nicht nur das. Er, der auf Erden durch den Heiligen Geist gesalbt war und durch den Geist wandelte, hat uns nun von Seinem Geiste gegeben (1. Joh. 4, 13). Der auferstandene Christus ist das Haupt der Familie Gottes, und die Stellung der Familie ist das Ergebnis des Todes und der Auferste­hung Christi; wenn jemand den Geist Christi hat, der ist Sein (Röm. 8, 9).

Aber das ist noch nicht alles. Wir kennen und ge­nießen diese Befreiung wohl in unserer Seele, aber prak­tisch hat unser Leib noch kein Teil daran. Aber auch das kommt. "Wenn aber der Geist dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird Er, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen Seines in euch wohnenden Geistes" (Röm. 8, 11). Das ist völlige Befreiung von Seele und Leib und die vollkom­mene Antwort auf den Notschrei: Ich elender Mensch, wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" (Röm. 7, 24). Während wir noch auf Erden sind, be­zeugt der Heilige Geist mit unserem Geist (dem neuen Leben in uns), daß wir Kinder Gottes sind. Er gibt den Gefühlen Ausdruck, die wir als neue Menschen haben, während wir in einer unter dem Fluche liegenden Schöpfung unseren Weg gehen. "Der Geist selbst ver­wendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern" (Röm. 8, 26).

Das ist die Befreiung, die in Christus Jesus ist. Aber die Schrift sagt uns, daß wir sie durch den Heiligen Geist empfangen und nur durch Ihn genießen können. Nicht die kleinste Segnung empfangen wir ohne Ihn. Er wirkt in dem Herzen des Sünders, um ihn zur Buße zu bringen. Durch Ihn gibt der Sohn Gottes einem toten Sünder das Leben. Er wirkt in dem Herzen des Bekehrten und wohnt in dem, der glaubt, als eine Per­son neben der neuen Natur, um ihn mit dem vollen Wert der Segnungen Gottes bekannt zu machen und in ihm die Kraft zu sein, all dies zu verwirklichen. ja, der Heilige Geist gibt sogar Seinen Namen zur Bezeichnung der Stellung, die wir als Befreite, als Christen, auf Grund des Todes und der Auferstehung des Christus einnehmen. Wir, die hieran teilhaben, sind "im Geiste", und der Geist Gottes wohnt in uns.

SALBUNG UND VERSIEGELUNG

Wir kommen nun zu der Salbung und der Versie­gelung mit dem Heiligen Geist.

In Luk. 4, 18 lesen wir: "Der Geist des Herrn ist auf Mir, weil Er Mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen", in Joh. 6, 27: "Diesen hat der Vater, Gott, versiegelt", in Apg. 4, 27: "Den du gesalbt hast" und Kapitel 10, 38: "wie Gott Ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat", in Joh. 3, 34: "Denn der, welchen Gott gesandt hat, redet die Worte Gottes; denn Gott gibt den Geist nicht nach Maß". Diese Stellen sprechen allesamt von dem Herrn Jesus. Er, der von dem Heiligen Geist gezeugt war (Matth. 1, 20), war auch gesalbt und versiegelt mit dem Geist. Und da Gott Ihm die Fülle des Geistes gegeben hatte, konnte Er die Worte Gottes reden. Vor Apg. 2 lesen wir nicht von anderen, daß sie mit dem Heiligen Geiste gesalbt oder versiegelt gewesen wären. Christus (das ist: Gesalbter) war allein. Niemand konnte den Heiligen Geist emp­fangen, ehe nicht das Werk der Erlösung zustandege­bracht war. Dies ist auch in Übereinstimmung mit den Bildern im Alten Testament. In 2. Mose 29 und 3. Mose 8, wo wir die Weihung der Priester finden, wird Aaron v o r dem Darbringen der Opfer gesalbt. Die Söhne Aarons aber werden na c h den Opfern mit Blut und Salböl besprengt. Dem Brief an die Hebräer zufolge ist Aaron ein Bild des Herrn Jesus, und die Söhne Aarons sind ein Bild von uns als dem priesterlichen Haus. (Siehe z. B. Hebr. 2, 11‑13; 3, 1. 6; 1. Petr. 2, 4‑5)

In den Briefen finden wir drei Stellen, die von unserer Salbung sprechen. "Der uns aber mit euch befestigt in Christus und uns gesalbt hat, ist Gott, der uns auch versiegelt hat und hat das Unterpfand des Geistes in unsere Herzen gegeben" (2. Kor. 1, 21). "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles." "Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt in euch, und ihr bedürfet nicht, daß euch jemand belehre, sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge ist und wie sie euch belehrt hat, so werdet ihr in Ihm bleiben" (1. Joh. 2, 20 und 27).

Aus diesen Stellen wird uns klar, was die Bedeu­tung der Salbung ist. Dadurch wissen wir alle Dinge, denn sie belehrt uns über alles. In 1. Kor. 2 wird dies 'durch den Apostel Paulus auseinandergesetzt. Der Geist Gottes weiß, was in Gott ist, und wir haben empfan­gen "den Geist, der aus Gott ist, auf daß wir die Dinge kennen, die uns von Gott geschenkt sind" (Verse 10‑12). Die Salbung mit dem Heiligen Geist hat also zur Folge, daß wir durch das Innewohnen des Heiligen Geistes in unmittelbarer Gemeinschaft mit Gott sind, dadurch Seine Gedanken kennen und auch wissen, was damit in Widerspruch ist, und daß wir uns an der Wahrheit Gottes in Christus in Kraft erfreuen können.

In dem Bild von der Priesterweihung in 3. Mose 8 und 9 wird uns dies deutlich gezeigt. Nachdem in dem ersten Teil von Kapitel 8 die Weihung statt­gefunden hat, finden wir in den letzten Versen und in Kapitel 9 die Aufgabe der Priester. In Kapitel 8 ist das die Vorschriften Jehovas beobachten und in Kapitel 9, im Blick auf die zukünftige Herrlichkeit und den Segen des Volkes, das Blut dahin bringen, wo der Hohepriester es gebrauchen muß.

Durch die Salbung zu Priestern haben sie Gemein­schaft mit Gott in Seinem Hause, kennen die Vor­schriften des Herrn, haben Einsicht in das Erlösungs­werk und wissen, wo der Hohepriester das Blut an­wendet. Sie wissen auch, daß dieses Werk die Herr­lichkeit und den schließlichen Segen für das Volk mit sich bringen wird.

Natürlich will das nicht sagen, daß jeder, in dem der Heilige Geist wohnt, die gesamte Wahrheit in ihren Einzelheiten kennt und keine Unterweisung nötig hätte. In den folgenden Kapiteln von 3. Mose werden den Priestern ausführliche Anweisungen gegeben. Und nachdem der Apostel in 1. Joh. 2, 20 sagt: "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles gibt

er im weiteren Verlauf des Briefes noch viele Unter­weisungen. Vers 27 erklärt den Ausdruck: "sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt". Jeder, in dem der Heilige Geist wohnt und der also die Sal­bung von dem Heiligen hat, ist damit in die direkte Gegenwart Gottes gebracht. Und dort in der Gegen­wart des Heiligen wird unmittelbar gesehen, ob etwas mit Gott in Übereinstimmung ist oder nicht.

Das gilt auch für den jüngsten Gläubigen mit der geringsten Kenntnis, für einen, der gerade Frieden gefunden hat. Der Apostel schreibt an Kindlein. Diese Kindlein wußten, daß ihre Sünden in Jesu Namen vergeben waren (1. Joh. 2, 12; Apg. 4, 12), und sie hatten den Vater erkannt (1. Joh. 2, 13). Das war genug, denn dann wohnte der Heilige Geist in ihnen, dann hatten sie die Salbung von dem Heiligen und wußten alles. Sie kannten sicher nicht die gesamte geoffenbarte Wahrheit ‑ welcher Vater in Christus könnte ihre ganze Fülle kennen? Wenn ein Irrlehrer zu ihnen kam, konnten sie ihn sicher nicht widerlegen, und vielleicht konnten sie nicht einmal sagen, worin seine Irrlehre bestand. Aber in der Gegenwart des hei­ligen Gottes fühlten sie, was mit diesem heiligen Gott in Widerspruch war: "Wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt und wahr ist und keine Lüge ist, und wie sie euch belehrt hat, so werdet ihr in Ihm bleiben".

Das ist ein herrlicher Gedanke für einen jungen Gläubigen. In der Christenheit gibt es so viele ver­schiedene Lehren. Sogar von Gläubigen hört man manchmal die widersprüchlichsten Gedanken. Wie kann dann ein Neubekehrter, der noch wenig weiß, auf dem rechten Weg bleiben und wissen, was Gottes Gedanken sind? Hier haben wir die Antwort: "Ihr habt die Sal­bung von dem Heiligen und wisset alles". In 1. Joh. 2, 24 wird hinzugefügt: "Was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch". Das Wort Gottes offenbart uns die Wahrheit, und der Heilige Geist, der in unseren Herzen wirkt, unterweist uns aus diesem Worte und bewahrt uns vor Irrlehren.

Wie kommt es denn, daß Gläubige manchmal den­noch in eine Irrlehre fallen und andere es nicht wahr­nehmen, wenn durch eine Irrlehre die Wahrheit ange­tastet wird? Die Priester des Alten Testamentes konn­ten durch Verunreinigung, durch Gebrechen ‑ oder durch beides ‑ manchmal nicht in der Nähe Gottes sein (3. Mose 21), obwohl sie zum Haus Aarons ge­hörten. Nachdem der Apostel in 1. Kor. 2 gesagt hat: "Der geistliche aber beurteilt alles" (Vers 15), muß er in Kapitel 3, 1 zu den Korinthern sagen, sie seien nicht geistlich, sondern fleischlich. Sie waren praktisch nicht in der Nähe Gottes geblieben. Es gab etwas, das sie hinderte, dort zu sein. In der Gegenwart Gottes zu sein ist ein wunderbares Vorrecht und ein unaussprech­liches Glück, es bedeutet Ruhe für das Herz eines Gläubigen. Aber dort kann man keinen eigenen Willen haben. Dort können keine Sünden bestehen, die nicht im Selbstgericht beseitigt sind. Dort kann weder die Welt sein noch irgend etwas von der Welt. Dort kann man nur sein, wenn man sich im Selbstgericht gereinigt hat und nur mit einem Herzen, das Ihm geweiht ist. Dort können wir auch nur sein, wenn wir allein nach Seinen Gedanken handeln wollen und also eigene Ge­danken ausschalten. Bei den Korinthern waren fleisch­liche Dinge vorhanden. Es war Neid und Streit in ihrer Mitte. Menschliche Weisheit hatte bei ihnen Eingang gefunden. Sittlich Böses wurde geduldet. Ihre Einsicht ging verloren, so daß einige von ihnen in Irrlehren verfielen (1. Kor. 15, 12).

Wie steht es mit uns, mit jedem persönlich und mit uns gemeinschaftlich?

Über unsere Versiegelung mit dem Heiligen Geist wird außer in 2. Kor. 1, 21. 22 noch in Eph. 1, 13 und 4, 30 gesprochen. In Joh. 6, 27 wird von dem Herrn Jesus gesagt: "Diesen hat der Vater, Gott, versiegelt". Aus den verschiedenen Stellen, wo über Versiegelung gesprochen wird (siehe z. B. Esther 8, 8; Daniel 6, 18; Jer. 32; Offb. 5, 1‑7 und Offb. 7, 1‑8), wird klar, was sie zu bedeuten hat: das Versiegelte wird gekenn­zeichnet als das Eigentum dessen, der versiegelt. In allen Stellen, wo von dem Versiegeln mit dem Hei­ligen Geist die Rede ist, finden wir dies auch bestätigt. In Eph. 1, 10‑12 spricht Paulus von den gläubigen Juden, die auf Grund der Verheißung teilhaben sollen an der Herrlichkeit des Friedensreiches auf Erden in der Verwaltung der Fülle der Zeiten. Aber in Vers 13 (siehe Fußnote der Elberfelder Übersetzung) sagt er dann: "in welchem [das ist Christus] auch ihr ein Erb­teil erlangt habt, nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, in welchem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geiste der Verheißung, welcher das Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des er­worbenen Besitzes, zum Preise Seiner Herrlichkeit".

Wir sehen hieraus:

1. daß die Versiegelung stattfindet, nachdem wir geglaubt haben und in Verbindung damit,

2. daß sie stattfindet im Blick auf das Erbe.

Daß die Versiegelung stattfindet, nachdem man geglaubt hat, bestätigt aufs neue, daß das Innewohnen des Heiligen Geistes etwas ganz anderes ist als die Wiedergeburt. Die Wiedergeburt macht aus einem S ü n d e r einen neuen Menschen. Der Heilige Geist versiegelt den Gläubigen.

Aber Eph. 1, 13 sagt mehr. Das Versiegeln steht in Verbindung mit dem "Evangelium eures Heils" und mit dem Glauben daran. In 3. Mose 14, 17 wird das Öl auf das rechte Ohr, den rechten Daumen und die große Zehe des rechten Fußes, "auf das Blut des Schuldopfers" getan. Wenn wir den Aussprüchen und Bildern der Schrift genau nachgehen, scheint mir, daß wir sagen können, daß der Glaube an das Werk des Herrn Jesus zur Vergebung der Sünden versiegelt wird.

Wir waren Sünder aus den Nationen, die kein Teil hatten an den Verheißungen (Eph. 2, 12). Wir haben an das vollkommene Werk, an das vergossene Blut geglaubt. Durch dieses Blut haben wir Frieden mit Gott und sind Ihm nahe gebracht (Röm. 3, 21‑26; Kol. 1, 20; Eph. 2, 13. 14). Diesen Glauben versiegelt Gott. Er erkennt ihn an und setzt zum Zeichen Sein Siegel darauf, wodurch er gleichzeitig sichergestellt und be­festigt ist. Der Heilige Geist, als in uns wohnend, ist dieses Siegel: der Beweis, daß wir Sein Eigentum sind.

Eph. 4, 30 sagt, daß wir mit dem Heiligen Geiste Gottes versiegelt sind "auf den Tag der Erlösung", und auch Eph. 1, 13 und 2. Kor. 1, 22 sprechen von dem zukünftigen Erbteil. Wie schon gesagt, haben wir die Erlösung unseres Leibes noch nicht empfangen und ist das Erbteil noch "zukünftig". Wir sind er­rettet worden in "Hoffnung" (Röm. 8, 23‑24). Aber diese zukünftigen Dinge sind für uns dennoch nicht ungewiß, wenn wir auch keine Juden sind und also an den ihnen gegebenen Verheißungen kein Teil haben. Gott hat uns jetzt schon versiegelt zum Beweis, daß wir Ihm angehören und also teilhaben werden an Sei­nem Erbteil. Und dieses Siegel, der Heilige Geist, ist zugleich das Unterpfand, der Beweis, daß diese Er­lösung unser Teil sein wird. Denn der Heilige Geist ist es ja, durch den wir die Erlösung unseres Leibes empfangen werden (Röm. s, 1:1). So hat das "in Hoff­nung seid ihr errettet worden" wohl eine ganz andere Bedeutung als oftmals gesagt wird. Keine Ungewißheit, sondern Gewißheit ohne jeden Zweifel! Gott der Hei­lige Geist ist jetzt schon das Siegel, durch das Gott uns als die Seinen anerkennt, und zugleich unser Unter­pfand, daß Gott Seine Verheißungen an uns erfüllen wird.

"AUF DASS IHR NICHT DAS TUET, WAS IHR WOLLT“

(GALATER 5,17)

In den vorigen Kapiteln haben wir gesehen, daß der Heilige Geist eine göttliche Person ist ‑ Gott, der Hei­lige Geist. Wir haben gesehen, daß Er sich mit verlore­nen Sündern beschäftigt, um sie zur Buße zu bringen; daß Er denen, die Buße tun, ein neues Leben einpflanzt, ein Auferstehungsleben, das verbunden ist mit aus dem aus den Toten auferstandenen Herrn, der jetzt im Himmel weilt; daß Er in dem Wiedergeborenen, nach­dem dieser an das vollkommene Erlösungswerk des Herrn Jesus geglaubt hat, Wohnung nimmt und dort die Kraft ist, die ihn mit dem Vater und dem Sohn in Gemeinschaft bringt, ihn aber auch mit einem durch die Welt verworfenen Herrn verbindet, dessen Zeuge er sein mußte; daß Er der Sachwalter ist und daß wir durch Ihn die Befreiung von der Macht der Sünde empfangen haben und mit Ihm gesalbt und versiegelt sind. ja, wir haben gesehen, daß alle unsere Segnungen und Vorrechte mit Ihm in Verbindung stehen und daß unsere ganze Stellung gekennzeichnet ist durch Sein Wohnen in uns. Wir sind "im Geiste"!

Welchen Einfluß hat dies alles auf unser praktisches Leben? Es ist doch nicht möglich, daß Gott der Heilige Geist in uns wohnt und daß dies keinen Einfluß auf unser tägliches Leben haben sollte! In Gal. 5, Eph. 4, 30 und an anderen Stellen ist hiervon die Rede.

Gal. 5 spricht über die Freiheit des Gläubigen. In Röm. 8 haben wir gesehen, daß der Gläubige von dem Gesetz der Sünde und des Todes freigemacht ist. Und diesen Freigemachten sehen wir hier vor uns. In Vers 1 steht: Jür die Freiheit hat Christus uns freigemacht; stehet nun fest und lasset euch nicht wiederum unter einem Joche der Knechtschaft halten". Und Vers 13 sagt: "Denn ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder; allein gebrauchet nicht die Freiheit zu einem Anlaß für das Fleisch". In diesem Kapitel wird die Freiheit von zwei Seiten betrachtet: im ersten Teil als eine Frage der Rechtfertigung und im zweiten Teil als das, was verbunden ist mit praktischer Heiligkeit und zu ihr hinführt.

In dem ersten Teil des Kapitels ist es das Gesetz, das die Freiheit bedroht. Die Galater kannten die Er­lösung, die in Christus Jesus ist, und hatten Teil daran. Daneben wollten nun einige sich unter das Gesetz stel­len. Aber der Apostel sagt ihnen, sie seien dann jeglichen Segens, der in Christus ist, beraubt, ganz gleich, aus welchem Grunde sie sich unter das Gesetz stellten. Auch wenn man es "aus Dankbarkeit" tut, wie so oft gesagt wird, ist das Resultat dasselbe. Das Gesetz kennt nur lebende Menschen, die seinen Forderungen nicht genügen und darum unter das Gericht kommen. Obwohl es heilig und gerecht und vollkommen ist, hat es doch keine Kraft, zu rechtfertigen oder zu ver­söhnen. Es kann auf gar keine Weise die alte Natur besser machen, und niemals ist es Richtschnur für die Natur. Mit dem alten Menschen in dem Gläubigen (der ja in Christus g e s t o r b e n ist) hat das Gesetz nichts mehr zu tun, und der neue Mensch braucht kein Ge­setz. Die neue Schöpfung hat einen anderen Gegen­stand für sich und eine andere Kraft, die in ihr wirkt, um das hervorzubringen, was gut und annehmbar vor Gott ist: Christus ist ihr Gegenstand, verwirklicht in der Kraft des Heiligen Geistes. Das ist die wahre Freiheit!

Aber die Freiheit wird auch auf eine andere Weise bedroht. Der freigemachte Christ ist nicht mehr "im Fleische", wie wir in Röm. 8, 9 gesehen haben, aber das Fleisch ist noch in ihm. Und dieses Fleisch hat Begierden, die offenbaren, was das Fleisch ist, nämlich böse, sündig und feindlich gegenüber Gott. Gal. 5, 19‑21 gibt eine furchtbare Aufzählung dieser Begierden. Gehorche ich ihnen, dann bin ich nicht mehr frei, sondern wieder zu einem Sklaven der Sünde geworden! Was muß ich nun tun? Das Fleisch ist in mir und sucht mich zur Befriedigung seiner Begierden zu bringen! Muß ich gegen das Fleisch kämpfen? Röm. 7 hat uns gelehrt, daß ich dann bestimmt eine Niederlage erleide, denn ich habe keine Kraft, es zu überwinden, auch nicht, wenn ich das Gesetz zu meiner Richtschnur mache.

Der Apostel gibt die Antwort: "Wandelt im Geiste [oder: durch den Geist], und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen". Wir, in denen Gott der Heilige Geist wohnt, wir, die im Geiste sind, wir kön­nen in unserem täglichen Leben durch den Geist wan­deln und werden dann die Begierden unserer alten Natur nicht vollbringen. Wenn ich auch keine Kraft habe, das Fleisch zu überwinden ‑ der Heilige Geist hat diese Kraft sehr wohl. Und wenn das Fleisch wider den Geist gelüstet, uns also zu hemmen sucht, durch und nach dem Geist zu handeln ‑ der Heilige Geist widersteht dem Fleisch und überwindet es. Und das tut Er, auf daß wir nicht tun, was wir wollen, sondern allein nach Gottes Willen handeln, damit in Schwachheit bei uns gefunden werde, was der Herr Jesus sagen konnte: "Ich tue alle­zeit das Ihm Wohlgefällige".

Wird dies bei uns gefunden? Die Antwort braucht nicht zweifelhaft zu sein! Wir können sehr gut wissen, ob die Werke des Fleisches oder die Früchte des Geistes in unserem Leben gefunden werden. Sie sind von so ver­schiedenem Charakter, daß wir es ohne weiteres sehen können.

Daß Hurerei, Unreinigkeit, Ausschweifung, Götzen­dienst usw. Werke des Fleisches sind, wird wohl keiner bezweifeln. Aber sind wir uns auch bewußt, daß Hader, Eifersucht, Zwietracht, Gezänk, Sekten und Neid Werke des Fleisches sind? Ja, daß selbst wenn wir untadelig leben, unser Wandel doch nach dem Fleische sein kann? (Siehe Phil. 3.) Laßt uns nicht uns selbst betrügen! Es gibt ein sicheres Zeichen, das uns sagen kann, ob etwas, das wir tun, durch den Geist ist oder von dem Fleisch. Der Geist sucht allein die Ehre des Herrn Jesus und nie­mals unsere Ehre. Und Er tut nie etwas, das von der Bibel abweicht. Alles, was wir tun, um selber Ehre zu empfangen, ist von dem Fleisch. Laßt uns unser Leben beurteilen!

Eph. 4, 17‑32 spricht von unserem täglichen Leben. Dann heißt es in Vers 30: "Und betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes". Gott der Heilige Geist wohnt in uns. 1. Kor. 6, 19 sagt es so deutlich: "Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?" Muß Er dann nicht die Leitung unseres Lebens haben? Wollen wir Ihn dann nicht in allem fragen, was wir tun sollen, damit Er uns gebrauchen kann?

Wenn wir unseren eigenen Willen tun, wird Er dann nicht betrübt sein? Gebrauchen wir unseren Leib, der Sein Tempel ist, so, daß der Heilige Geist nicht betrübt wird? Oder gebrauchen wir ihn auch einmal anders, vielleicht, wenn wir irgendwo allein sind? Wenn wir irgendwo hingehen, denken wir dann daran, daß der Heilige Geist in uns wohnt? Dürfen wir den Heili­g en Geist überall hinbringen, wo wir gewohnt sind, hinzugehen? Ist alles, was wir dort sehen und hören, in Übereinstimmung mit Seiner Heiligkeit? Kann Er alles hören und sehen, was wir sagen oder tun, ohne betrübt zu sein? Möchten wir uns dies alles ernstlich fragen!

VOLL HEILIGEN GEISTES UND ERFÜLLT MIT HEILIGEM GEISTE

Wir finden in der Schrift zwei Ausdrücke, die mit unseren letzten Fragen in enger Verbindung stehen, nämlich "voll Heiligen Geistes" und "erfüllt mit Heiligem Geiste". Diese Ausdrücke ähneln sich sehr und werden auch häufig verwechselt. Doch ist beides nicht dasselbe.

Nur viermal wird in der Bibel von jemandem gesagt, daß er voll Heiligen Geistes war: in Luk. 4, 1; Apg. 6,3.5; 7, 55 und 11, 24. Die erste Stelle spricht von dem Herrn Jesus. Er, dem der Vater den Geist nicht nach Maß gegeben hatte (Joh. 3, 34), war in der Tat voll Heiligen Geistes. Aber auch von Stephanus und Barna­bas wird dies gesagt, und in Apg. 6, 3 sagen die Apostel zu der Menge der jünger, sie möchten Männer aussu­chen "voll Heiligen Geistes".

Hieraus ist wohl ersichtlich, daß dieser Ausdruck keinen vorübergehenden Zustand andeutet, obwohl da­mit natürlich auch nicht gesagt ist, daß beispielsweise Barnabas bis zu seinem Tode so geblieben wäre. Es wird dadurch ein geistlicher Zustand der Seele ange­zeigt, in dem nichts ist, was das Werk des Heiligen Geistes hindert und in dem alle Gefühle, Gedanken, Worte und Taten ständig durch Ihn kontrolliert werden. Welch ein herrlicher Zustand ist das!

Von Stephanus wird dann auch gesagt, daß er voll Glaubens und voll Gnade und Kraft war und Wunder und große Zeichen unter dem Volk tat und daß die Juden der Weisheit und dem Geiste, womit er redete, nicht widerstehen konnten. Seine Widersacher sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht (Apg. 6,15). Und als er nach seiner großen, wunderbaren Rede gesteinigt wurde, sah er die Herrlichkeit Gottes und Jesus stehend zur Rechten Gottes. Von Barnabas wird gesagt, sein Name bedeute "Sohn des Trostes", weiter, daß er einen Acker verkaufte und das Geld den Aposteln gab (Apg. 4, 36. 37), und in Apg. 11 erfahren wir, daß er ein guter Mann und voll Glaubens war; der Heilige Geist verbindet damit, daß eine zahlreiche Menge dem Herrn hinzugetan wurde (Vers 24).

Der Ausdruck "erfüllt mit Heiligem Geiste" kommt häufiger vor. In 2. Mose 28, 3 und 5. Mose 34, 9 wird bereits gesprochen von Erfülltsein mit dem Geiste der Weisheit, und in 2. Mose 31, 3 wird gesagt "erfüllt mit dem Geiste Gottes". Im Neuen Testament finden wir den wörtlichen Ausdruck "erfüllt mit Heiligem Geiste" in Luk. 1, 15. 41. 67 in Verbindung mit Johannes dem Täufer und seinem Vater und seiner Mutter, und in Apg. 2, 4; 4, 8. 31; 9, 17; 13, 9. 52 und Eph. 5, 18 in Verbindung mit Petrus und Paulus allein und mit gan­zen Gruppen von Jüngern. Zweimal wird gesagt, daß sie erfüllt werden, sollten (Johannes der Täufer und Paulus), fünfmal, daß sie erfüllt wurden, und zweimal, daß sie erfüllt waren (Petrus und Paulus). Die letzte Stelle, in der der Ausdruck vorkommt (Eph. 5, 18), ist eine Er­mahnung: "Werdet mit dem Geiste erfüllt".

Wenn wir all diese Stellen genau in ihrem Zusam­menhang lesen, sehen wir, daß das Erfülltsein mit dem Heiligen Geist immer in Verbindung steht mit einem 'Dienst für Gott, und zwar manchmal mit einem be­stimmten, langdauernden Auftrag wie bei Johannes dem Täufer und Paulus, aber meist mit besonderen, vorübergehenden Diensten, Weissagungen oder Zeug­nissen. Und welche Bedeutung hat dieses Erfülltsein? Ich glaube, Apg. 1, 8 gibt die Antwort: "Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet Meine Zeugen sein".

Wie kräftig war das Zeugnis eines Johannes des Täufers und das eines Paulus! Ein Petrus, der Angst gehabt hatte vor einer Magd, legt Zeugnis ab, als er vor einer großen Menge Juden aus verschiedenen Ländern steht, ja in Kapitel 4 sagt er den Regierenden des Vol­kes freimütig, daß es kein Heil gibt als nur in dem Namen Jesu, den sie verworfen und gekreuzigt hatten! In Apg. 4, 31 reden alle, die mit Heiligem Geist erfüllt werden, das Wort Gottes mit Freimütigkeit.

Wie kommt es, daß unser Zeugnis sowohl in Bezug auf das Evangelium gegenüber Unbekehrten als auch, was die Wahrheit Gottes betrifft gegenüber Gläubigen, oft so kraftlos und matt ist? Die Gläubigen in der Apostelgeschichte gebrauchten nicht viele Hilfsmittel. Sie sprachen nicht über die besten Methoden der Evan­gelisation und schufen ebensowenig Organisationen, die einen bestimmten Teil der Evangelisation oder des Unterrichts in den göttlichen Wahrheiten übernahmen. Sie handelten einfach nach dem Auftrag, den sie von Gott empfangen hatten, und legten Zeugnis ab in der Kraft des Heiligen Geistes.

Es geht hier nicht um das Wohnen des Heiligen Geistes in dem Gläubigen. Seit dem Tage der Pfingsten wohnt Er in jedem Gläubigen, heute genau wie damals. Das Beten um den Heiligen Geist, das von manchen Gläubigen geschieht, steht also in direktem Widerspruch zu der geoffenbarten Wahrheit. Aber nachdem der Heilige Geist herniedergekommen war und in jedem Gläubigen wohnte, sehen wir, daß einzelne Personen oder ganze Gruppen außerdem mit Heiligem Geist erfüllt werden. Auch da finden wir nichts von Bitten darum, obwohl wir in Eph. 5, 18 ermahnt werden, mit dem Geiste erfüllt zu sein. Wir lesen in der Apostelgeschichte nur, daß sie einmütig ihre Stimme zu Gott erhoben und Ihn baten, Er möge ihnen geben, mit Freimütigkeit Sein Wort zu verkündigen. Als Antwort darauf wurden sie mit Heiligem Geiste erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimütigkeit.

Nicht der Wein, also das, was den natürlichen Mut und die Fröhlichkeit des Herzens wachruft, soll in dem Dienst gefunden werden (Luk. 1, 15; Eph. 5, 18), son­dern allein die Kraft und die Freudigkeit des Heiligen Geistes. Und wo diejenigen, die durch Gott gerufen sind oder werden, sich dessen bewußt sind, daß nichts von dem natürlichen Menschen in der Ausführung eines von Gott aufgetragenen Dienstes von Nutzen sein kann, und darum ‑ ohne nach menschlichen Hilfsmitteln zu greifen ‑ von Gott erbitten, was sie nötig haben und sich durch den Heiligen Geist gebrauchen lassen, da werden sie mit dem Geiste erfüllt werden, und ihr Dienst wird den Beweis davon erbringen.

Welch eine Freude und Kraft und welch eine Verherr­lichung Gottes sehen wir bei Elisabeth und Zacharias (Luk. 1), am Pfingsttage und danach (Apg. 2, 11; 13,52 usw.) und in Eph. 5, 18‑21!

Dieses Sich‑leiten‑lassen durch den Heiligen Geist ist nun nicht nur für einen besonderen Dienst notwen­dig. Röm. 8, 14 sagt: "Soviele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes". Wie können wir in Übereinstimmung mit der hohen Stellung leben, die Gott in Seiner Gnade uns gegeben hat, in der Stel­lung von "Söhnen Gottes", wenn unser Leben nicht durch den Heiligen Geist geleitet wird? Wie sollte dies auch möglich sein? Röm. 7 lehrt uns, daß wir keine Kraft besitzen, und wenn wir uns selbst ein klein wenig kennen gelernt haben, wissen wir auch aus Erfahrung, daß es so ist. Aber Gott sagt auch: "Meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht" (2. Kor. 12, 9). Die Kinder Korah singen in Psalm 84, 5: "Glückselig der Mensch, dessen Stärke in Dir ist". Diese Kraft, ja, die Kraft­quelle, Gott der Heilige Geist, wohnt in mir. Ist das nicht genug? Kann die Kraft mir nicht den Sieg geben über alle Feinde in mir und außerhalb von mir? Kann mein Leben dadurch nicht ein Überwinderleben sein, in dem Gott verherrlicht wird? Kann mein Dienst, der Auftrag, den Gott mir gab, dadurch nicht ein Dienst sein voller Segen für andere und für mich zur Verherr­lichung Gottes? Kann ich dadurch nicht wissen, wie ich in allen Dingen nach Gottes Gedanken handeln kann, so daß ich nicht unsicher zu sein brauche, was ich tun soll?

Ja und tausendmal ja! Der Heilige Geist kennt Gottes Gedanken und Gottes Willen vollkommen (1. Kor. 2, 10). Er kennt mein Herz und spricht meine Wünsche vor Gott aus (Röm. 8, 26. 27). Er hat geistliche Worte für mich, mit denen ich die geistlichen Dinge, die Er mir geoffenbart hat, anderen mitteilen kann, so daß auch diese sie besitzen und genießen können (1. Kor. 2, 10‑13). Und Er ist die Kraft, die göttliche Kraft, die in mir selbst, in meinem persönlichen Leben, in meinem Dienst für Gott, alles zustande bringen kann.

Aber was nützt Kraft, die nicht wirken kann? Was hilft es, daß der Heilige Geist in mir wohnt, wenn ich Ihn nicht wirken lasse? Eine Lokomotive kann unter Dampf sein und doch stille stehen, weil der Dampf seine Kraft nicht entfalten kann. Spanne deine Kräfte an, um sie vorwärts zu stoßen! Mit Hilfe anderer und einer guten Organisation glückt es vielleicht. Aber ist das Ergebnis zu vergleichen mit dem, was der Maschi­nist mit einem Handgriff tut? Er wirft einen Hebel herum und das, was den Dampf hinderte, seine Kraft zu entfalten, ist weggenommen. Die Lokomotive fährt ohne die geringste Mühe und zieht noch einen langen Zug hinter sich her.

Ist bei uns der Hebel herumgeworfen? Kann der Heilige Geist in uns ungehindert Seine Kraft entfalten, oder sind noch Hindernisse da? Steht unser Ich Ihm im Wege: unsere Kraft, unser Verstand, unser Organi­sationsvermögen, unser Wirken, unser Eifer, vielleicht gar unsere Sünde? Wenn diese Dinge vorhanden sind oder auch nur das Geringste von uns selbst da ist, kann der Heilige Geist nicht in uns wirken. Aber wenn wir uns bewußt sind, daß wir mit Christus gekreuzigt sind (Gal. 2, 20), dann wird unser ganzes Leben Ihm offen­stehen, Er wird unser ganzes Tun und Lassen unter Kontrolle haben.

Oft wird gesagt, es sei so schwierig, der Leitung des Heiligen Geistes zu folgen, ja oftmals unmöglich, weil wir nicht immer wüßten, was Er will.

Wenn Gott der Heilige Geist in uns wohnt und wir Ihm die Leitung unseres Lebens geben, wird Er uns dann nicht unzweideutig Seinen Willen zu erkennen geben? Laßt uns auf unser vollkommenes Vorbild, den Herrn Jesus, sehen 1 Er wurde durch den Geist in die Wüste geführt (Luk. 4, 1) und kehrte in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück (Vers 14). Durch den Geist lehrte, tröstete und heilte Er (Verse 18‑19) und trieb Dämonen aus (Matth. 12, 28). ja, durch den Geist opferte Er sich selbst ohne Flecken Gott (Hebr. 9, 14). Und in der Apostelgeschichte finden wir, daß der Geist zu Petrus sagt: "Siehe, drei Männer suchen dich. Stehe aber auf, gehe hinab und ziehe mit ihnen, ohne irgend zu zweifeln, weil Ich sie gesandt habe" (10, 19‑20). Der Heilige Geist sagt‑ "Sondert Mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werke aus, zu welchem Ich sie berufen habe" (Apg. 13, 2). Die Apostel können sagen: "Es hat dem Heiligen Geiste und uns gut geschienen... " (Apg. 15, 28). Der Heilige Geist hindert Paulus und Silas, das Wort in Asien zu reden, und erlaubt ihnen nicht, nach Bithynien zu gehen (Apg. 16, 6. 7). Paulus sagt, der Heilige Geist bezeuge ihm von Stadt zu Stadt, daß er gefangen genommen werden würde (Apg. 20,23). Die Jünger sagen durch den Heiligen Geist, Paulus möge nicht nach Jerusalem hinaufgehen (siehe Kap. 21, 11). Ist das nicht die ausdrückliche Leitung des Heiligen Geistes in einer Weise, die für einen einfältigen Gläu­bigen jede Unsicherheit beseitigt?

Und dies ist heute ebenso gut möglich wie damals! Auch jetzt will der Heilige Geist uns Seinen Willen deutlich zu erkennen geben, wenn wir nur einfältig und unabhängig sind, uns dem Wort Gottes unterwerfen und unser Gewissen durch das Wort gebildet und er­leuchtet ist. Wie viele Gläubige haben solche Leitung in ihrem Leben erfahren! Hat er nicht oftmals gewarnt, wenn wir nach eigenen Gedanken handeln wollten ‑die innere Stimme, die uns beunruhigte? Hat Er uns nicht oft an etwas erinnert, das wir tun mußten, aber vergessen hatten? Hat Er uns nicht oftmals Aufträge gegeben? *)

Gebe der Herr, daß wir allezeit bereit sind, zu hören und zu gehorchen! "So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes" (Röm. 8, 14).

DIE TAUFE MIT DEM HEILIGEN GEIST

"Denn gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, e i n Leib sind: also auch der Christus. Denn auch in e i n e m Geiste sind wir alle zu e i n e m Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit e i n e m Geiste getränkt wor­den" (l. Kor. 12, 12‑13).

In diesen Versen sehen wir die Versammlung, den Leib des Christus. Dies ist es, was Gott wirkt. Er erret­tet nicht allein Seelen, sondern v e r s a m m e 1 t sie auch. Und nicht nur, daß Er sie in eins versammelt, son­dern Er macht die gläubigen Juden und die Gläubigen aus den Nationen, während sie noch auf Erden sind, zu einem neuen Menschen in Christus, zu Seinem Leib. Das ist in der Tat neu. Bis zu der Zeit waren sie nach Gottes eigenem Befehl scharf getrennt, und die Natio­nen hatten kein Teil an den Vorrechten der Juden (2. Mose 12, 45; Esra 9 usw.).

*) Ein Gläubiger erzählte, daß, als er eines Abends im Bett lag, der Gedanke in seinem Herzen entstanden sei, er müsse jemanden, der bekannt hatte, ein Christ zu sein, aber jetzt in der Sünde lebte, besuchen. Dieser Gedanke wurde so stark, daß er aufstand und ging, obwohl der Betreffende am anderen Ende der Stadt wohnte. Auf sein Klingeln öffnete der Mann selbst und fragte, was der Besucher wolle. Der erzählte dann ehrlich, weshalb er gekommen sei, worauf er folgende Antwort empfing: "Das ist merkwürdig. In dem Augenblick, da sie klingelten, stand ich auf einem Stuhl mit einem Strick um den Hals, um mich zu erhängen. Als sie ‑klingelten, kam mir der Gedanke, erst noch schnell zu sehen, wer da so spät noch klingelt".

Dies ist nicht nur eine ausschließlich neutestament­liche Wahrheit, sondern sie ist auch nur durch einen Apostel, Paulus, geoffenbart worden. Wir finden sie nur in seinen Schriften. In Eph. 3 sagt er dies auch aus­drücklich. Den Anfang finden wir schon bei seiner Be­kehrung. Als er auf dem Wege nach Damaskus war, um die verhaßten Jünger Jesu gefangenzunehmen, wird der Himmel geöffnet, und eine Stimme sagt: "Saul, Saul, was verfolgst du Mich?" und "Ich bin Jesus, den du verfolgst" (Apg. 9). Der verherrlichte Jesus im Himmel macht sich eins mit Seinen verachteten Jüngern auf Erden. Und diese Einheit ist so groß, daß in 1. Kor. 12, 12, wo über die Gesamtheit der Gläubigen gespro­chen wird, gesagt werden kann: also auch der Christus".

Wir finden diese Wahrheit vor allem in dem Brief an die Epheser dargelegt. In Eph. 3, 3‑6 steht: " . . . daß mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan wor­den, welches in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden, wie es jetzt geoffen­bart worden ist Seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geiste: daß die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte" (wörtlich "Mitleib", siehe Fußnote der "Elberfelder Übersetzung"). Hier finden wir, daß so­wohl der gläubige Jude als auch der gläubige Nichtjude vereint werden als Erben und als Glieder e i n e s Lei­bes. Eph. 2 zeigt, wie das möglich ist: "Denn Er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht und abgebrochen hat die Zwischenwand der Umzäunung, nach­dem Er in Seinem Fleische die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, hinweggetan hatte, auf daß Er die zwei, Frieden stiftend, in sich selbst zu einem Menschen schüfe und die beiden in e i n e m Leibe mit Gott versöhnte durch das Kreuz, nachdem Er durch das­selbe die Feindschaft getötet hatte" (Verse 14‑16).

Christus hat am Kreuz die Scheidewand hinwegge­tan. Niemals hätte ein Jude dies tun dürfen oder können, denn er hätte dadurch nicht die Nationen in die bevorrechtete Stellung gebracht, sondern lediglich sich selbst davon ausgeschlossen. Bei dem Kreuz zeigte sich jedoch die vollständige Verderbtheit des Menschen. Das bevorrechtetste Volk, das durch Gott abgesondert und mit Wohltaten überhäuft war, verwarf seinen Gott und kreuzigte den Sohn Gottes. Nun war Segen nur noch möglich auf Grund unumschränkter Gnade. Und darin konnte es zwischen Juden und Griechen keinen Unter­schied geben. So können nun beide in e i n e m Leibe vereinigt werden. Aber dieser Leib muß ein Haupt haben. Eph. 1, 20‑23 zeigt uns das Haupt: "und hat Ihn [Christus] als Haupt über alles der Versammlung gegeben, welche Sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt".

Eph. 1 sieht den Herrn Jesus als Menschen. Deshalb wird in Vers 17 gesprochen von dem "Gott unseres Herrn Jesus Christus". Aber solange der Herr nicht am Kreuz gestorben war, konnte Er nicht das Haupt des Leibes werden: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht" (Joh. 12, 24). Darum ging Er ans Kreuz, um Gott zu verherrlichen und uns zu erlösen. Und Gott, der durch Sein Werk am Kreuz so vollkommen verherrlicht wurde, weckte Ihn auf aus den Toten und setzte Ihn zu Seiner Rechten in den himm­lischen Örtern. Und auch uns, die des Christus sind, weckt Gott mit auf (Eph. 2, 6).

Wir haben in Eph. 2 gesehen, daß der Leib nur auf Grund des Kreuzes gebildet werden konnte. Aber er konnte auch nicht gebildet werden, bevor das Haupt da war. Das Haupt ist nicht für den Leib, sondern der Leib für das Haupt. Und darum konnte der Leib auf Erden erst gebildet werden, als das Haupt verherrlicht zur Rechten Gottes war. Tod und Auferstehung allein konnten d i e Grundlage bilden, und nur der auferstan­dene und verherrlichte Jesus konnte das Haupt sein. So sehen wir, daß alle Wahrheiten Christus und Sein Kreuz und die Stellung, die Er nun zur Rechten Gottes einnimmt, zum Mittelpunkt haben.

Was haben wir also als große Wahrheit von der Versammlung Gottes gefunden? Sie ist der Leib des Christus, nachdem dieser die Erlösung vollbracht und als Folge davon die Sünde vollkommen weggetan hat, zur Verherrlichung Gottes und zur Rechtfertigung des Gläubigen. Hieraus ergibt sich, daß die Glieder des Leibes Christi nicht nur wiedergeboren sind und ge­rechtfertigt von Sünden durch das Blut des Christus, sondern daß sie auch mit Christus, ihrem gesegneten Haupt, einsgemacht sind zur Rechten Gottes, während Gott durch den Geist in ihnen wohnt. Sie sind nicht nur Gläubige und Heilige; das war auch von Adam an jeder, der wahrhaftig an Gott glaubte; sie sind Christen, und das ist unendlich viel mehr.

Wie werden nun diese Christen zu dem Leib des Christus vereinigt? Dadurch, daß sie sich auf Grund eines gemeinsamen Bekenntnisses zusammenschließen? Oder dadurch, daß sie denselben Glauben haben? Oder durch die Taufe?

Die Heilige Schrift kennt solche Gründe nicht. Es ist der Heilige Geist, der nach der Himmelfahrt auf die Erde kam, um den verherrlichten Menschen und das Haupt zur Rechten Gottes zu verherrlichen. Er bildet den Leib des Christus. "Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft." Die Versamm­lung, der Leib des Christus, ist also Pfingsten gebildet worden, und jeder Gläubige wird in dem Augenblick, da er den Heiligen Geist empfängt, diesem Leibe hinzu­gefügt und also mit Christus und den Seinen ver­einigt. Welch eine wunderbare Stellung, ein Glied des Leibes des Christus zu sein, einsgemacht mit dem ver­herrlichten Herrn zur Rechten Gottes (Apg. 2)1

Nirgends in der Heiligen Schrift wird von dem Leibe des Christus in der Mehrzahl gesprochen. In der Christenheit werden viele Leiber gefunden. Aber das Haupt hat nur einen Leib; alles andere ist mensch­lich, ein Grund zu tiefer Trauer und Beschämung für diejenigen, die Gottes Wort in diesem Punkt kennen.

Aber was muß der Christ tun inmitten der großen Verwirrung um ihn her? Der eine Leib ist auf Erden äußerlich nicht mehr sichtbar. Muß er sich in das Verkehrte ergeben und darin mittun? Gottes Wort gibt die Antwort auf alle Fragen: "Euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens. Da ist e i n Leib und e i n Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung (Eph. 4, 3‑4).

Kein Gläubiger, der dem Worte Gottes gehorsam sein will, kann sich in einen Zustand menschlichen Abweichens ergeben und darin mittun. Aber muß er denn versuchen, die Einheit wiederherzustellen? ‑ Die Einheit, durch den Geist zustandegebracht, kann durch den Menschen nicht zerstört werden. Sie besteht auch heute, aber wir werden aufgefordert, sie zu bewahren, also praktisch zu verwirklichen. Und wie können wir das tun?

Gibt es einen anderen Weg, als den, im Gehorsam gegen Gottes Wort und zur Ehre unseres verherr­lichten Hauptes die Verbindung mit allen menschlichen "Leibern" abzubrechen und dann als einfache Glieder des Leibes des Christus und als nichts weiter unter der Leitung des Heiligen Geistes die Einheit zu offen­baren, wo dies gemäß der Heiligen Schrift allein möglich ist: an dem Tische des Herrn (l. Kor. 10, 15‑22)?

Wenn es irgendwo auch nur zwei oder drei wären, die so zusammenkämen, so würden sie die Einheit des Geistes bewahren in dem Bande des Friedens und an dem betreffenden Orte der alleinige Ausdruck des Leibes des Christus sein.

DER TEMPEL GOTTES

"In welchem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste" (Eph. 2, 22).

J Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr" (l. Kor. 3, 16‑17).

Auf den vorigen Seiten haben wir gesehen, daß der Heilige Geist die Gläubigen am Tage der Pfingsten (Apg. 2) zu e i n e m Leibe getauft hat, dem Leibe des Christus, dessen Haupt der verherrlichte Herr im Himmel ist (Eph. 1, 20‑23). In den obengenannten Versen sehen wir eine andere Wahrheit: die Christen bilden zusammen den Tempel Gottes, eine Behausung Gottes im Geiste.

Diese Wahrheiten dürfen wir nicht voneinander trennen. Es sind zwei Seiten einer und derselben Sache. Beide beschäftigen sich mit der Versammlung, aber betrachten sie von verschiedenen Seiten. (Siehe z. B. Eph. 1, 22: "die Versammlung, welche Sein Leib ist", und 1. Tim. 3, 15. "das Haus Gottes ... welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist".) Wie schon gesagt, ist das Kennzeichen des Christentums, daß es einen verherrlichten Herrn im Himmel hat und daß der Heilige Geist auf Erden wohnt. Der Ausdruck "Leib des Christus" stellt uns besonders unsere Gemeinschaft vor mit Christus selbst als dem Haupt der Versamm­lung im Himmel. Aber der Heilige Geist sieht die Versammlung nicht nur so, sondern auch als eine Behau­sung Gottes im Geiste Und das ist sie als die Behau­sung des Heiligen Geistes auf Erden. Dies läßt uns also die gegenwärtige Stellung der Versammlung auf Erden sehen. Beide Seiten der Wahrheit bestätigen, daß die Versammlung vor Pfingsten nicht bestand.

Es gab nie einen Leib des Christus oder eine Be­hausung im Geiste, ehe nicht die Sünde auf dem Kreuz gerichtet und der Heilige Geist auf die Erde hernieder­gekommen war, um die Versammlung zu bilden. Das ist von unermeßlichem praktischen Wert für das Herz, das diese Wahrheit erfaßt hat. Leider meinen viele Gläubige, die Versammlung habe schon vor Pfingsten, ja, seit Adam bestanden. Wenn sie jedoch das Wort Gottes untersuchen, werden sie sehen, daß dieser Ge­danke nicht richtig ist.

In dem Brief an die Epheser wird nur zu Christen gesprochen. Er ist gerichtet an die "Treuen in Christus Jesus". Und der Heilige Geist will gerade beweisen, daß das jüdische System beiseite gesetzt und etwas Neues an seine Stelle getreten ist. Beim Kreuze Christi zeigte sich, daß der Mensch tot war in Sünden und Vergehungen; es gab in dieser Hinsicht keinen Unter­schied zwischen Juden und Nationen. Wenn alles nur Gnade ist, kann es keine Vorrechte geben. Dann kann eine Trennung auf Grund irdischer Vorrechte nicht be­stehen bleiben. Deshalb wird darauf hingewiesen, daß Christus in Seinem Tode die Zwischenwand abge­brochen und durch Sein Blut alle diejenigen aus den Nationen, die glauben, herzugebracht hat. Sie sind durch Sein Blut gereinigt, durch Sein Kreuz mit Gott versöhnt ‑ es gibt keinen Unterschied mehr ‑ und sie werden in Ihm zu einem neuen Menschen geschaf­fen, zu der Versammlung ‑ ob sie nun gesehen wird als der Leib des Christus oder als eine Behausung Gottes im Geiste. In dem Fundament, auf dem die Ver­sammlung gebaut ist, kann der Unterschied zwischen Juden und Heiden nicht mehr da sein, obwohl Gott diesen Unterschied in früheren Tagen selbst eingesetzt und bestätigt hatte.

Wohl finden wir die Versammlung in verschiedenen alttestamentlichen Bildern dargestellt, z.B. als Braut in Eva (siehe Eph. 5, 31‑32) und als Tempel Gottes. Aber die Wahrheit über die Versammlung selbst, die ekklesia, war nicht geoffenbart. Dies war ein Geheim­nis, das erst durch die Apostel und Propheten des Neuen Testaments geoffenbart wurde (Eph. 3, 5). Auf die Versammlung als den Leib des Christus, vereinigt mit ihrem himmlischen Haupt, finden wir im Alten Testa­ment keinen einzigen Hinweis.

Die Apostel und Propheten haben den Grund gelegt. Aus Eph. 3, 5 ersehen wir, daß dies die neutestamentlichen Propheten sind und nicht die Propheten des Alten Testamentes. übrigens schließt auch der Ausdruck an sich diesen Gedanken aus. Die Apostel werden zu­erst genannt, und sie werden mit den Propheten als eine Gruppe gesehen: es steht nur ein einziger Artikel davor, auch im Griechischen.

Wann ist dieses Fundament gelegt worden? Als der Mensch gesündigt hatte? Nein, viertausend Jahre später, als Christus gekommen, für die Sünde gestorben, aus den Toten auferweckt und gen Himmel gefahren war. In Eph. 2, 21 lesen wir, daß "der ganze Bau, wohl zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn". Einst wird der Bau vollendet sein in Herrlich­keit, wenn auf der neuen Erde die Hütte Gottes bei den Menschen sein wird (Offb. 21, 2‑3). Aber es ist

nicht nur ein zukünftiges Gebäude. Es ist auch Gottes Haus: "In welchem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste"; "wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid?"

Epheser 2 stellt uns in den ersten Versen den völlig verdorbenen Zustand des Menschen vor Augen. Da­nach finden wir die Erlösung und auf Grund dieser die kostbare Wahrheit, daß Gott bei uns wohnen will. Nirgendwo finden wir in der Heiligen Schrift ange­deutet, daß Gott bei den Menschen wo h n t , außer, nachdem die Erlösung geoffenbart war. Das ist sogar in den Bildern des Alten Testamentes so. Gott wohnte weder vor noch nach dem Sündenfall bei Adam, Henoch, Noah oder Abraham. Waren dies keine Gläubigen, die Leben aus Gott besaßen? Ohne Zweifel! Und doch wird erst in 2. Mose 15 von einem Wohnen Gottes bei den Menschen gesprochen. Von 2. Mose 25 ab finden wir die Aufrichtung der Stiftshütte. Erst, nachdem die Er­lösung (hier aus Ägypten) völlig geoffenbart war, konnte auf Grund derselben von einer "Behausung Gottes" auf Erden die Rede sein. Und in der Tat finden wir nirgends im Alten Testament solch ein vollständiges Bild der Erlösung wie in 2. Mose 12‑15.

In den ersten Kapiteln des zweiten Buches Mose sehen wir, gerade wie in Eph. 2, den traurigen Zu­stand des Volkes. Danach finden wir das gerechte Gericht Gottes und das Blut auf den Türpfosten, das vor dem Gericht bewahrt. Dann in Kapitel 14 sehen wir den Zug durch das Rote Meer, in dem Pharao und sein Heer vernichtet wurde, während Israel gerettet das andere Ufer erreichte, befreit von seinen Feinden. Dies alles ist ein Bild vom Tod und der Auferstehung. Erst jetzt ist das Volk erlöst, und deshalb wird auch erst hier von Erlösung gesprochen. Die Heilige Schrift sagt nicht, daß jemand erlöst sei oder das Heil besitze, wenn er bekehrt sei und also Leben aus Gott habe. Erst wenn er die Befreiung in Christus kennt, wie sie in Röm. 5,12 bis einschließlich Kapitel 8 vorgestellt wird, also sagen kann, daß er mit Christus gestorben und auferstanden sei, ist er erlöst. Und nur bei Erlösten kann Gott wohnen. An der anderen Seite des Roten Meeres, als Israel sowohl vor dem Gericht Gottes sichergestellt als auch aus Ägypten befreit war, sang es das Lied der Erlösung. Zum erstenmal wird hier in der Bibel gesungen, zum erstenmal wird über Erlösung gesprochen, zum erstenmal über eine Wohnung für Gott geredet, und zum erstenmal wird Gottes Heiligkeit vorgestellt. Das sind sehr bedeutungsvolle und wichtige Dinge. "Die Behausung Gottes im Geiste" ist gegründet auf die Erlösung, und die Heiligkeit Gottes wird in innigste Verbindung gebracht mit Seinem Tempel hie­nieden, "einem heiligen Tempel im Herrn" (Eph. 2, 21), "denn der Tempel Gottes ist heilig" (l. Kor. 3, 17). Und wodurch wird die Versammlung zum Tempel Gottes? Allein durch die Gegenwart des Heiligen Geistes.

Dies sind nicht nur Offenbarungen an sich, sondern sie mahnen uns gleichzeitig ernstlich zur Heiligkeit. Das Christentum besteht nicht nur aus Lehrsätzen (Dogmen), sondern eben aus Tatsachen. Und diese Tatsachen sind die Grundlage der Lehre. Es handelt sich um eine Person, um einen wirklich lebenden Menschen, geboren, geoffenbart in dieser Welt, ge­storben, auferstanden und gen Himmel gefahren. Und Er hat nicht nur die Wahrheit kundgemacht, sondern ist selbst die Wahrheit. Und nun, da Er im Himmel ist, ist eine andere wirkliche göttliche Person, der Heilige Geist, herniedergekommen und ist nun die Kraft, durch die man den verherrlichten Herrn kennenlernt. Ist dies eine lebendige Wirklichkeit für uns oder ein bloßes Wissen? Auf wen z. B. ist in den Zusammenkünften unser Auge gerichtet, auf Brüder oder auf den Heiligen Geist, diese göttliche Person, die in unserer Mitte ist? Sind wir uns der unermeßlichen Bedeutung dieser Tat­sache bewußt?

Nicht unser Glaube oder der Besitz des Lebens aus Gott macht uns zu Gottes Versammlung. Das besaßen auch die alttestamentlichen Gläubigen. Nein, allein die Gegenwart des Heiligen Geistes hat uns zu Gottes Tempel gemacht (1. Kor. 3, 16). Und das ist so wahr, daß die Tatsache, daß Menschen "nebeneingekommen" (Judas 4) sind, die kein Leben aus Gott besaßen, das nicht ändert. Es ist traurig, daß wir so wenig Unter­scheidungsvermögen hatten, daß Menschen, die nicht wiedergeboren sind, zur Versammlung zugelassen wur­den. Aber die Tatsache bleibt, daß Gott in Seinem Hause wohnt. Das ist ein herrlicher Trost für uns, die wir in den Zeiten des Verfalls leben. Wir dürfen darauf bauen, daß der Heilige Geist auch heute in unserer Mitte wohnt.

Andererseits folgt daraus eine große Verantwortung. In 1. Kor. 3 wird uns diese vor Augen gestellt. Die Grundlage des Hauses ist gelegt, aber wir müssen darauf bauen. Und wie bauen wir darauf? Man kann mit Gold, Silber und köstlichen Steinen bauen, mit Material, das im Gericht Gottes bestehen kann. Aber es kann auch mit Holz, Heu und Stroh gebaut werden, was sämtlich durch das Gericht verzehrt wird. Ja, sogar der Tempel Gottes, der heilig ist, kann verdorben werden.

Und müssen wir nicht in Demut bekennen, daß dies geschehen ist? Ist das Fundament, Jesus Christus selbst (Vers 11), nicht angegriffen, zersetzt und verdorben worden? Lehren, die Seine Person und Sein Werk an­tasten, treten in der Versammlung auf. Das Ergebnis finden wir in der prophetischen Skizze, die der Apostel Paulus in seinem letzten Brief zeichnet (2. Tim. 2). Er spricht von Personen, die von der Wahrheit abge­wichen sind. "Doch der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Sein sind; und: jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit! In einem großen Hause aber sind nicht allein goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und die einen zur Ehre, die andern aber zur Unehre. Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werk bereitet."

Das ist der Zustand, der die heutige Zeit kenn­zeichnet. Die Christenheit ist ein großes Haus, in dem Gefäße zur Ehre und Gefäße zur Unehre gefunden werden. Und was muß der tun, der den Namen des Herrn anruft? Er muß abstehen von der Ungerechtig­keit und sich absondern von den Gefäßen zur Unehre, um ein Gefäß zur Ehre zu sein, nützlich dem Haus­herrn, zu jedem guten Werke bereitet. Er kann das Bekenntnis zu Seinem Namen nicht preisgeben. Das ist die einzige Stellung auf Erden, die gut ist. Aber wir haben uns zu trennen von allem, was mit Seinem Willen in Widerspruch steht. In Gemeinschaft bleiben mit bekanntem Bösen ist genau dasselbe wie zu sagen, Christus habe Gemeinschaft mit Belial (2. Kor. 6). Und dabei ist es ganz gleich, ob es sich um praktisches oder lehrmäßig Böses handelt. Manchmal ist es auch Gleichgültigkeit, die die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung negiert oder Seine Wirksamkeit verhindert. Wenn jemand den Namen des Herrn an­ruft und ihn verbindet mit Sünde, ist er ein Gefäß zur Unehre, und der Gläubige ist gehalten, sich von ihm abzusondern. Es ist ein fester, fundamentaler christlicher Grundsatz, daß es keinen annehmbaren Um­stand gibt, in dem es einem Christen erlaubt wäre, mit etwas, das gegen Gottes Willen ist, Gemeinschaft zu haben. Wir sind gewiß berufen, Geduld zu üben, aber niemals hinsichtlich des Bösen. Und nicht die Größe des Bösen, sondern die absichtliche Billigung des offen­bar Bösen beeinträchtigt und zerstört den Charakter des Tempels Gottes.

DER GEIST GEBRAUCHT, WEN ER WILL

Gottes Wort spricht auf drei verschiedene Weisen von der Gliedschaft am Leibe des Christus. In Eph. 5, 30 wird gesagt: "Wir sind Glieder Seines Leibes". Dort wird der Nachdruck gelegt auf unsere Verbindung mit Christus. In Röm. 12,15 steht: "Also sind wir, die Vielen, e i n Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinan­der". Hier wird hingewiesen auf unsere Verbundenheit mit allen Christen. Und in 1. Kor. 12, 27: "Ihr aber seid der Leib des Christus, und Glieder insonderheit", finden wir unsere persönliche Stellung in bezug auf den Leib. Alle drei Seiten dieser Wahrheit sind bedeutungs­voll, aber wir wollen uns jetzt nur mit der letzteren beschäftigen, weil diese in Verbindung steht mit dem Werk des Heiligen Geistes in der Versammlung.

In Korinth war große Unordnung in der Versamm­lung. Nicht, daß Schwachheit da war. Unordnung hat nichts mit Schwachheit zu tun. Es war Kraft vorhanden;

der Herr hatte große Gaben gegeben, und diese wurden auch benutzt. Aber die Kraft des Heiligen Geistes wurde nicht für ihren Zweck, die Verherrlichung Christi, ge­braucht (Joh. 16, 14), und die Gaben wurden nicht zum Nutzen aller verwendet (l. Kor. 12, 7; 14, 12). Die Korinther benutzten die Gaben zur eigenen Verherr­lichung, und die Folge war Unordnung. Die göttliche Ordnung wurde nicht mehr beachtet. Wenn dem Fleisch in den geistlichen Dingen Raum gegeben wird, ist das Verderben noch viel größer als in moralischen Dingen.

Infolgedessen hatten die Korinther auch kein Unter­scheidungsvermögen mehr. Und das ist unbedingt not­wendig, denn nicht allein der Heilige Geist wirkt in der Versammlung, sondern auch böse Geister. Wenn Gott kraftvoll wirkt, versucht Satan stets, die Menschen zu verführen, indem er Gottes Werk nachahmt. Wir sehen dies schon in 2. Mose 7, wo Jannes und Jambres schein­bar dasselbe tun wie Moses (2. Tim. 3, 8). Wir sehen es auch in Offbg. 13, wo wir eine satanische Dreieinheit finden, von der überdies die eine Person eine Nachah­mung des Lammes ist.

Der Apostel hatte die Korinther auf die bösen Geister aufmerksam gemacht, aber sie hatten kein Unterschei­dungsvermögen ‑mehr (1. Kor. 10, 19‑22). Sie sahen nicht einmal, daß der Heilige Geist, der auf die Erde gekommen ist, um den Herrn Jesus zu verherrlichen, niemals der Urheber eines Ausspruchs: "Fluch über Jesus!" sein kann (l. Kor. 12, 3). Wir sollten meinen, dies müßte selbst einem Ungläubigen mit gesundem Verstande klar sein. Aber bei diesen Gläubigen war dies Unterscheidungsvermögen nicht mehr vorhanden. Wir sehen hieraus, daß der gesunde Verstand nichts, oder nichts mehr bedeutet, wenn jemand durch böse Geister irregeleitet ist. Und sehen wir nicht oft, sowohl bei Ungläubigen wie auch bei Leuten, die bekennen, Christen zu sein, daß der gesunde Verstand nicht mehr wirkt und sie die törichtesten Dinge annehmen? In der Zukunft wird dies noch schlimmer werden, wenn der Heilige Geist nicht mehr auf Erden sein wird. Die Men­schen werden der Lüge glauben (2. Thess. 2, 11) und den Römischen Kaiser anbeten (Offbg. 13, 4) usw. Gott muß den gesunden Verstand geben und bewahren, sonst ist er nicht vorhanden.

Es sind also zwei Kräfte, die auf den Menschen in seinem Verhalten zu Gott einwirken: einmal der Geist, "der jetzt wirksam ist in den Söhnen des Ungehorsams" (Eph. 2, 2), und zum anderen der Heilige Geist, der in den Kindern Gottes wirkt. Niemals wird der letztere in jemand wirken, "Fluch über Jesus!" zu sagen. Gott hat den Herrn Jesus einmal unter den Fluch gestellt, als Er für unsere Sünden starb, aber niemals kann jemand durch den Geist Gottes aufs neue den Fluch über Jesus aussprechen. Und nie kann jemand durch einen bösen Geist "Herr Jesus" sagen. Satan kann sich als ein "Engel des Lichts" verkleiden (2. Kor. 11, 14). Seine Engel können den Herrn Jesus "Sohn Gottes" nennen (Matth. 8, 29) oder den "Heiligen Gottes" (Markus 1, 24). Sie können öffentlich die Ehre von Dienern Gottes verkün­digen (Apg. 16, 17). Aber nie finden wir, daß ein böser Geist den Herrn Jesus als Herrn anerkennt.

Der Titel "Herr" ist nicht die höchste Herrlichkeit des Herrn Jesus. Er zeigt nicht Seine persönliche und ewige Herrlichkeit an, sondern eine Stellung, die Ihm gegeben ist (Apg. 2, 36). Ihn als Herrn zu kennen, ist die einfachste Kenntnis, die ein Bekenner besitzen kann, denn es ist nur das Anerkennen, daß Jesus Autorität über ihn hat. Es läßt die Gnade' die innere Herrlichkeit des Herrn, nicht sehen. Aber nie wird ein böser Geist die Autorität des Herrn anerkennen.

Wir müssen diesen Abschnitt genau lesen. Es steht nicht da, jemand, der "Herr Jesus" sagt, sei ein Gläubi­ger, und ebensowenig, ein Ungläubiger könne diesen Ausdruck nicht gebrauchen. Es steht dort, nichts, worin die Autorität des Herrn nicht anerkannt wird und was nicht zu Seiner Ehre ist, sei aus dem Heiligen Geiste, sondern durch einen teuflischen Geist gewirkt. Und es ist gut, daß wir dies wissen. Der Prüfstein zur Beurtei­lung all dessen, was gebracht wird in Predigt oder in geschriebener Form, ist, ob es die Autorität des Herrn anerkennt und sich also auch vorbehaltlos vor Seinem Wort beugt und ob es zu Seiner Ehre gereicht. Wenn es dieser Prüfung nicht standhalten kann, ist es nicht aus dem Heiligen Geist, auch wenn es von jemandem ge­bracht werden sollte, der nach unserer festen Überzeu­gung ein Gläubiger ist, oder vielleicht sogar durch je­manden, den wir stets als einen Arbeiter und Knecht Gottes geschätzt und geehrt haben.

Der zweite Punkt, der in diesem Kapitel (1. Kor. 12) unsere Aufmerksamkeit erheischt, ist: "Es sind aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber derselbe Geist; und es sind Verschiedenheiten von Diensten, und derselbe Herr; und es sind Verschiedenheiten von Wir­kungen, aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt" (Verse 4‑6). Hier finden wir die einfachsten Grundsätze allen christlichen Dienstes, das mindeste, was vorhan­den sein muß, damit Gott es als den Dienst in Seiner Versammlung anerkennen kann.

Es sind Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber der­selbe Geist." Es gibt viele böse Geister (z. B. Luk. 8, 30), aber nur e i n e n Geist Gottes (Eph. 4, 4). Aber der Heilige Geist offenbart sich nicht nur auf e i n e Weise und durch e i n e Person. Der Leib des Christus ist wie ein natürlicher Leib. Und so wie Gott in der Schöpfung jedes Glied des Leibes anders gemacht hat, damit sie zusammen einen Leib bilden sollten, so bildet der Hei­lige Geist den Leib des Christus (1. Kor. 12, 11‑13). Jedes Glied wird durch Ihn an den Leib gefügt, wohin es gehört, und der Herr gibt jedem die Gnadengabe, die das Glied an diesem Platz nötig hat. Durch diese Ver­schiedenheit wird es gerade der e i n e Leib. Wenn alle Glieder gleich wären, könnten sie nicht den Leib bilden (Vers 19). So wird der Leib aufgebaut und ist nun in sich selbst vollkommen.

Die Verschiedenheiten der Gnadengaben sind in ihrer Ausübung die Stimme des e i n e n Geistes in den Glie­dern des Christus. Es sind Gaben der Gnade Gottes, die verschiedenartig sind, um den verschiedenartigen Bedürf­nissen Rechnung zu tragen. Wir haben im allgemeinen keinen Begriff davon, wie groß und wie verschieden­artig die Nöte und Bedürfnisse der Heiligen sind. Der Heilige Geist gibt alle Gaben, die diesen Nöten ent­sprechen. Er vereinigt sie nicht in einer Person oder einzelnen Personen. In einem Falle mag eine Person wie z. B. Paulus, mehrere Gaben haben, aber das ist eine Ausnahme. Er gibt "einem" das Wort der Weisheit und "einem andern" das Wort der Erkenntnis usw. (Verse 8‑11). Und Er gibt, "wie Er will". Er ist souverän, in der Versammlung zu gebrauchen, wen Er will.

Es ist deutlich, daß großer Schaden angerichtet wird, wenn diese Gnadengaben keine Gelegenheit haben, sich zu entfalten. Die Souveränität des Heiligen Geistes, zu gebrauchen, wen Er will, wird dadurch verneint und im Prinzip oder in der Praxis auf eine oder einzelne Perso­nen beschränkt. Vielen Nöten wird dann nicht mehr begegnet, weil diese Personen keine oder nur einige Gaben empfangen haben. Die Autorität des Heiligen Geistes und des Herrn Jesus wird verleugnet. Wo dies so ist, kann nie von Gottes Versammlung gesprochen werden, ja wir sind verpflichtet, jeden dahin gehenden Anspruch abzuweisen. Selbst wenn dabei nur Gläubige zusammenkämen (und dies wäre im Grundsatz natür­lich gut), wäre das nicht die Versammlung Gottes, son­dern eine menschliche Vereinigung von Personen.

Gott schuf durch ein Wort die Erde für den ersten Adam. Aber Er sandte erst Seinen Sohn auf die Erde, um das Erlösungswerk zu vollbringen, weckte Ihn auf aus den Toten und setzte Ihn als das verherrlichte Haupt in den Himmel und sandte danach den Heiligen Geist auf die Erde, alles, um die Versammlung zu schaf­fen für den letzten Adam. Nur der Tod und die Aufer­stehung konnten d i e Basis für die Versammlung und nur der auferstandene und verherrlichte Jesus konnte ihr Haupt sein. (Siehe auch Eph. 5, 23‑27.) Das zeigt uns, welchen Wert die Versammlung für Gott hat, aber auch, daß die Versammlung Gottes auf Erden niemals ein System von Verordnungen sein kann, das den Gottesdienst eines Volkes beherrscht, noch eine Vereini­gung von Personen, die sich zusammengetan haben auf Grund gemeinsamer Gefühle oder gleicher Gedanken in bezug auf bestimmte Dinge.

"Es sind Verschiedenheiten von Diensten und der­selbe Herr." Hier finden wir, wie die Gnadengaben ausgeübt werden müssen. Der Heilige Geist gebraucht, wen und wie Er will (Vers 11). Aber die Ausübung findet unter der Autorität des Herrn statt. Der Heilige Geist, der selbst Gott ist, wie wir verschiedentlich dargelegt haben, hat freiwillig eine dienende Stellung auf Erden eingenommen, wie einst der Sohn es getan hat. Er ist hier, um von dem Herrn Jesus zu zeugen und um Ihn zu verherrlichen (Joh. 15, 26). Diese Gesin­nung eines Knechtes will Er in jedem bewirken, den Er gebrauchen will. Dies ist sehr wichtig, vor allem in unserer Zeit. Der Dienst des Heiligen Geistes geht nie­mals über das Wort hinaus und tastet niemals die Autorität des Herrn Jesus an. Er gibt den Gliedern des Leibes die geistliche Kraft, die sie benötigen für die Ausübung der Gnadengaben und macht sie dadurch praktisch zu Dienern des Christus. In der Ausübung dieser verschiedenen Gaben sind sie Verwalter, nur einer ist Herr, nämlich Christus. Es ist nicht ein unab­hängiger und eigener Wille in ihnen. Wie groß auch die Kraft des Geistes in ihnen sein mag, sie bleiben Knechte und Verwalter des Christus. In diesem Charakter haben sie zu handeln, während sie in ihrem Dienst die Herr­schaft des Christus anerkennen.

"Es sind Verschiedenheiten von Wirkungen, aber derselbe Gott, der alles in allen wirkt." In der Ver­sammlung Gottes ist kein Platz für den Menschen und kein Raum für seinen Willen. Wenn Gott wirkt, muß der Mensch verschwinden, damit Gott ganz nach Seinem Willen wirken kann. Das ist ein vernichtendes Urteil über alles, was der Mensch im Blick auf den Dienst bestimmt hat. Wie sehr steht die Gewohnheit, daß der Mensch den Dienst beschränkt auf einen oder einzelne, die er dann noch selbst bestimmt, im Wider­spruch mit diesem Grundsatz! Wie ist auch der Ge­danke, daß jeder das R e c h t habe, an dem Dienst teilzunehmen, eine Leugnung dessen, was dieser Vers sagt! In der Versammlung ist nicht die Rede von Rechten, höchstens von Vorrechten. Aber in Verbin­dung mit dem Dienst kann nur von Gehorsam und Abhängigkeit gesprochen werden. Der Heilige Geist gebraucht, wen Er will, und Gott wirkt alles in allen.

Sind unsere Herzen wirklich von diesen drei Dingen erfüllt? Verschiedenheiten von Gnadengaben, die in der Kraft des Heiligen Geistes ausgeübt werden, und zwar durch wen Er will, die aber in Verantwortlichkeit vor dem Herrn ausgeübt werden müssen, während Gott der einzige ist, der wirken darf? Und wird das bei jedem einzelnen in unserer Mitte praktisch verwirklicht?

DIE BERUFUNG VON ARBEITERN DES HERRN

Wir haben in 1. Kor. 12 gesehen, daß die Gnaden­gaben eine Offenbarung des Heiligen Geistes sind und daß sie in Verantwortung gegenüber dem Herrn Jesus ausgeübt werden. Und in der Tat finden wir, daß der Heilige Geist die Kraft für die Ausübung der Gnaden­gaben gibt, so daß Er darin geoffenbart wird, aber nicht, daß diese Gaben von Ihm sind. Eph. 4 und Matth. 25 zeigen uns, daß sie von dem Herrn Jesus kommen und daß Er sie durch den Heiligen Geist der Ver­sammlung gibt.

In der umfassendsten Bedeutung des Wortes ist alles, was der Gläubige empfängt, eine Gnadengabe. Aber im allgemeinen beschränkt die Schrift den Aus­druck auf die Gabe, die einen Gläubigen zu einem Diener des Christus macht. In 1. Kor. 12 werden viele Gaben genannt, die dann in 1. Kor. 14, 22 in zwei ,Gruppen unterteilt werden: 1. Gaben, die ein Zeichen für die Ungläubigen sind und 2. Gaben, die für die Gläubigen sind. Die ersten hat Gott der Versamm­lung als Schmuck gegeben, damit die Ungläubigen sehen, daß Er die Versammlung als Sein Zeugnis anerkennt.

Diesen Grundsatz finden wir in der gesamten Hei­ligen Schrift. Wenn Gott ein neues Zeugnis gibt, läßt Er Wunder und Zeichen tun, um zu zeigen, daß dieses Zeugnis durch Ihn anerkannt wird. So sehen wir kraftvolle Zeichen bei Mose und Elia, und in Mark. 16, 20 steht: "jene aber gingen aus und predigten allent­halben, indem der Herr mitwirkte und das Wort be­stätigte durch die darauf folgenden Zeichen", so wie in den vorhergehenden Versen durch den Herrn Jesus verheißen worden war.

Wenn das Zeugnis einmal bestätigt und anerkannt ist als das Zeugnis Gottes, sind diese Zeichen nicht mehr so nötig. Aber leider hat der Mensch stets ver­dorben, was Gott ihm anvertraute. Ein abgefallenes Israel kann Gott nicht mehr öffentlich als Sein Zeugnis anerkennen, indem Er es mit den Zeichen Seiner Macht schmückt. Aus diesen beiden Gründen finden wir bei Jesaja, Jeremia, Hesekiel und den anderen alttestamentlichen Propheten keine Wunder. Und sollte Gott das Christentum in seinem Verfall und Abfall, die Ruine dessen, was es einst war, öffentlich als Sein Zeugnis anerkennen können, indem Er es mit den Zeichen für die Ungläubigen schmückt?

Was aber auch verschwinden mag, niemals überläßt Gott Sein Volk auf Erden seinem Los. Selbst in den Tagen des tiefsten Verfalls und des größten Abfalls gab Gott Israel Seine Propheten. Und wenn in Eph. 4 von den Gaben gesprochen wird, die der Herr Jesus Seiner Versammlung zur Auferbauung des Leibes des Christus gibt, dann wird gesagt, daß sie bleiben wer­den, "bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus", also bis die Ver­sammlung in der Herrlichkeit ist.

Eph. 4 nennt Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer. In Kapitel 3, 1‑12 und 2, 20 wird der Dienst der Apostel und Propheten angeführt. Sie haben den Grund, das Fundament der Versammlung gelegt. Nicht allein ist durch sie der wesentliche In­halt des Christentums kundgemacht worden (Eph. 3, 6 usw.), sondern sie haben auch als weise Baumeister das Fundament der Versammlung gelegt und, bildlich ausgedrückt, die Zeichnungen und den Bauplan ge­geben, nach denen das Gebäude errichtet werden sollte (l. Kor. 3). Diese beiden Gruppen waren also nicht dazu bestimmt, bis zum Ende zu bleiben (l. Kor. 4, 9), obwohl ihr Werk in den Büchern des Neuen Testa­mentes auch heute noch seinen Dienst tut. Aber das Fundament wird nur einmal gelegt und nicht immer wieder aufs neue. Es bleiben in Eph. 4 also übrig: Evangelisten, Hirten und Lehrer. Dies sind in der Tat die Gaben, die, wenn sie offen in Erscheinung treten, ihre Träger zu Arbeitern des Herrn stempeln.

Der Katechismus und der allgemeine Gebrauch in den Kirchen und Gemeinschaften nennt diese Gaben Ämter. Man spricht von dem Amt des Hirten, des Lehrers usw. Das ist jedoch nicht schriftgemäß. Die Schrift nennt keine anderen Ämter als die der Ältesten und Diener (Diakonen). Die Apostelschaft kann viel­leicht auch ein Amt genannt werden, aber dann nur insoweit, als die Apostel durch den Herrn Jesus direkt eingesetzt waren. Nach dem Geschehen von Apg. 2, also in der Versammlung, wird es eine Gabe genannt.

Dies ist von großer Bedeutung, denn der Unter­schied zwischen Gaben und Ämtern ist groß. Ein Amt gibt Autorität auf Grund des Amtes, ungeachtet der Person, die es bekleidet. Wenn ein Verkehrspolizist sagt, man müsse warten, tut man es, ganz gleich, wer es ist; wenn dagegen ein Umstehender es sagt, tut man es nur, wenn man seine persönliche Überlegenheit fühlt.

Ein Amt kann nur von oben her gegeben werden. Darum sehen wir in der Schrift, daß Älteste nur ein­gesetzt werden durch Apostel oder durch solche, die dazu von einem Apostel einen Auftrag empfangen haben. Diener (Diakonen) wurden, da sie im Auftrage der Versammlung die finanziellen Angelegenheiten be­sorgten, durch die Versammlung gewählt, aber doch auch noch durch die Apostel "über diese Sache gesetzt". Aber wo sind die Apostel oder die durch sie Bevoll­mächtigten, die jetzt das Amt verleihen könnten? Ganz zu schweigen von dem ruinierten Zustand der beken­nenden Christenheit, demzufolge die Versammlung als sichtbare Einheit nicht mehr besteht! Wenn Hirten‑, Lehrer‑ und Evangelistenschaft also Ämter wären, dann würde es sie heute auch nicht mehr geben können, und die Versammlung würde des aufbauenden Dienstes, den der Herr Jesus durch sie schenken will, beraubt sein.

Aber die Schrift spricht nur von den G a b e n des Hirten, des Lehrers und des Evangelisten usw. Der auferstandene und zum Himmel gefahrene Christus hat die Gefangenschaft, in der wir waren, gefangengenommen und uns befreit. Und aus diesen Befreiten nimmt Er Seine Diener, indem Er ihnen Seine Gaben gibt (Eph. 4).

Matth. 25, 14‑30 führt uns sehr deutlich vor Augen, wie ein Christ ein Diener, ein Arbeiter des Herrn wird. Der Herr selbst gibt ihm eine Gabe in Übereinstim­mung mit der natürlichen Veranlagung, die er besitzt. Der Herr gibt einem Stummen nicht die Gabe eines Evangelisten oder Lehrers. Nicht, daß ein Stummer nicht das Evangelium bringen könnte! Gott ruft alle Gläu­bigen auf, die frohe Botschaft zu verkündigen. Aber wenn wir das tun, sind wir noch keine Evangelisten! Denen, die Gott als Seine Diener gebrauchen will, gibt Er bei ihrer Geburt bereits die natürlichen Gaben, die sie später für ihren geistlichen Dienst gebrauchen kön­nen. Der Herr gibt Seine Gaben "einem jeden nach seiner eigenen Fähigkeit" (Matth. 25, 15), und Er leitet ihr Leben so, daß sie für den besonderen Dienst, den Er ihnen später auftragen will, vorbereitet werden. Zu Jeremia sagt Gott: "Ehe Ich dich im Mutterleibe bildete, habe Ich dich erkannt, und ehe du aus dem Mutterschoße hervorkamst, habe Ich dich geheiligt; zum Propheten an die Nationen habe Ich dich bestellt" (Jer. 1, 5). Und Paulus sagt in Gal. 1, 15: "Als es aber Gott, der mich von meiner Mutter Leibe an abgeson­dert und durch Seine Gnade berufen hat, wohlgefiel, Seinen Sohn in mir zu Offenbaren, auf daß ich Ihn unter den Nationen verkündigte, ging ich alsbald nicht mit Fleisch und Blut zu Rate und ging auch nicht hin­auf nach Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren". (Siehe auch Apg. 9, 15.)

Der Herr gibt also durch den Geist einzelnen von denen, die Er erlöst hat, nach ihrer Wiedergeburt die Gabe eines Hirten oder Lehrers oder Evangelisten in Übereinstimmung mit der natürlichen Begabung und Entwicklung, die Er ihnen vor und nach ihrer Bekehrung gegeben hat.

Dies wirft ein helles Licht auf Gottes Wege. Der Herr gibt die Gabe, und zwar diejenige Gabe, die der betreffende Gläubige als Glied des Leibes des Christus an dem Platz, wo er in dem Leibe hingestellt ist, nötig hat (l. Kor. 12, 18 usw.). Wir sehen denn auch niemals zwei Gaben, die einander ganz gleich sind. Das läßt uns die bösen Folgen menschlicher Organisation in den geistlichen Dingen erkennen. Bei einer Organi­sation stehen die Funktionen, die Tätigkeiten, fest. Wenn jemand wegfällt, muß ein anderer seine Stelle einnehmen, obwohl er nie genau die gleiche Gabe hat wie der erste. Bei einem Organismus wie dem Leib ist das anders. Wenn da ein Glied wegfällt, übernehmen die anderen Glieder nach ihrer Art, so gut es möglich ist, dessen Aufgabe, und der gesamte Organismus hilft ihnen dabei. Es ist bekannt, daß bei Invaliden einige Organe, die die Aufgabe fehlender Organe übernehmen müssen, viel stärker entwickelt sind als bei gesunden Menschen.

So ist es mit dem Leibe des Christus. Der Herr gibt jedem die Gabe, die nötig ist für den Platz, an den Er ihn in dem Leib stellt, und in Übereinstimmung mit der natürlichen Veranlagung und der Vorbereitung, die Er ihm vorher gegeben hat. Darum beruft Er einen Petrus und einen Johannes aus dem Fischerboot und einen Saulus, der zu den Füßen Gamaliels gesessen hat. Er erweckt einen Luther in der Klosterzelle. Darum nahm Er einen Darby und einen Kelly, die eine glän­zende wissenschaftliche Ausbildung genossen hatten, neben einem Stanley, der nur wenige Jahre die ein­fache Schule besucht hatte, und einen wissenschaftlich gegründeten Mann wie Dönges neben General von Viebahn und neben einem einfachen Fabrikarbeiter wie Joh. Menninga und einem Bäcker wie Franz Kaupp. Und das für uns Merkwürdige ist, daß Er dem Fabrik­arbeiter und dem Bäcker eine tiefe Einsicht in das Wort und eine gewaltige Erkenntnis des Wortes Gottes gab in Verbindung mit einer großen Gabe als Lehrer, wäh­rend Er Dönges und v. Viebahn mehr als Evangelisten gebrauchte.

Der Herr wählt Seine Arbeiter und gibt ihnen Seine Gaben, und wenn Er sie ruft, sind sie befähigt zu Seinem Dienst. Jede menschliche Ausbildung wird ihre Eignung für den Dienst, den der Herr ihnen aufträgt, vermindern, es sei denn, daß eine besondere Gnade Gottes diesem zuvorkommt.

Es ist nicht falsch, wenn junge Gläubige den Wunsch haben, eine Gabe zu besitzen und darum beten. "Eifert um die geistlichen Gaben" (1. Kor. 14, 1). Aber das Ziel muß sein, zu dienen und aufzuerbauen (Vers 3), denn einem jeden wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben (1. Kor. 12, 7). Der Geist offen­bart sich im Interesse aller. Die Verantwortlichkeit eines jeden, der eine Gabe empfangen hat, ist also, daß er dadurch ein Schuldner all derer geworden ist, zu deren Nutzen die Gabe gegeben ist. Er ist auch in dieser Be­ziehung nicht sein eigener Herr. In Verbindung mit Christus bestätigt der Heilige Geist den, den Er ge­braucht, als einen Diener, selbst wenn sein Dienst darin bestehen sollte, die Versammlung zu beaufsichtigen. Diese Beaufsichtigung ist der rechte Platz eines Dieners, der berufen ist, Aufsicht zu üben. Aber in Eph. 4, 16 steht, daß der Leib durch die Gaben sich selbst auf­erbaut in Liebe. Und in der Tat ist Liebe der prak­tische Prüfstein für alle wahre Auferbauung in Über­einstimmung mit Gott. Liebe ist der Geist des Dienstes. Sie bringt nicht allein zum Wirken, sondern zum Die­nen im Werk. Sie sucht nicht sich selbst, sondern das des anderen. Sie ist die göttliche Natur in ihrer Offen­barung in dem Menschen.

Aber wie kann man wissen, ob man durch den Herrn berufen wird? Matth. 25 gibt die Antwort. Der Herr gibt Gaben und ohne ausdrücklich zu sagen, was sie damit tun sollen, fragt Er, wenn Er zurückkommt, was sie mit den Gaben getan haben. D e r B e s i t z einer Gabe ist zugleich der Auf trag, diese Gabe auszuüben.

Aber wie kann jemand wissen, ob er eine Gabe besitzt? Tatsächlich kann sich der Gläubige, durch menschliche Gefühle geleitet, irren. Natürliche Bered­samkeit ist etwas ganz anderes als der Besitz einer Gnadengabe. Doch wodurch wissen wir, daß wir Frie­den mit Gott besitzen? Wir sind den Weg gegangen, den Gott in Seinem Worte zeigt: Buße ‑ Glaube an das Werk des Herrn Jesu und an das Wort Gottes, das uns versicherte, daß nichts mehr zwischen Gott und uns steht, nachdem wir bei dem Kreuz gewesen waren. Und danach bestätigte es der Heilige Geist in unseren Herzen, indem Er uns die Freude dieses Frie­dens mit Gott schenkte.

So ist es auch mit dem Dienst. Wenn wir im Ge­horsam gegen das Wort Gottes "die Tugenden Dessen verkündigen, der uns berufen hat aus der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht" (l. Petr. 2, 9), wird es sich zeigen, ob der Herr uns eine besondere Gabe gegeben hat, und der Heilige Geist wird das auch in unserem eigenen Herzen bestätigen. Der Herr wird auch in unserem Herzen das Bedürfnis wecken, Ihm in den Seinen zu dienen oder als Evangelist verlorenen Menschen die Botschaft der Errettung zu bringen. Aber wenn wir die Güte Gottes nicht praktisch in unserem Herzen kennen, dadurch, daß wir in Seiner Gemein­schaft unseren Weg gehen, werden wir unser Talent in der Erde verbergen (Matth. 25, 24‑25). Wieviel Talente mögen begraben sein?

Es ist also jeder, der eine Gabe empfangen hat, be­rufen, in den besonderen Dienst des Herrn zu treten. Und jeder, der die Gabe ausübt, ist ein Diener, ein Arbeiter des Herrn. Das hat nichts zu schaffen mit dem Haben oder Nicht‑Haben eines Berufes zur Be­streitung des Lebensunterhaltes. jeder Arbeiter hat das Recht, von seinem Werk zu leben (I.Kor.9,14). Aber er muß sich in persönlicher Gemeinschaft mit dem Herrn darüber klar werden, ob und wann er von diesem Recht Gebrauch machen muß. Paulus hat in den anderthalb Jahren seines Aufenthaltes in Korinth (Apg. 18) Zelte gemacht, um für seinen Lebensunter­halt zu sorgen, obwohl dort reiche Gläubige waren. In Philippi dagegen nahm er dankbar die Gaben der Gläubigen an.

Gott gibt dem Arbeiter das Recht, von seinem Werk zu leben, und wenn er vor dem Herrn überzeugt ist, von diesem Recht Gebrauch machen zu müssen, darf er von dem Herrn erwarten, daß Er für alle seine Be­dürfnisse sorgen wird. Er braucht und darf es nicht von Menschen erwarten, auch nicht von der Versamm­lung, sondern allein von dem Herrn, in dessen Dienst er steht. Aber er kann von seinem Recht nur Gebrauch machen, wenn er dieses Recht h a t , also vorher schon ein Arbeiter des Herrn war. Er geht also nicht in das Werk des Herrn, wenn er beschließt, seinen irdischen Beruf aufzugeben, sondern er kann diesen Beschluß fassen, weil er in dem Werk des Herrn ist. Wäre er kein Arbeiter des Herrn, dann hätte er das Recht nicht, von dem Werk des Herrn zu leben.

Aus Obigem ergibt sich, daß ein Gläubiger dadurch ein Arbeiter des Herrn ist, daß er eine Gabe von Ihm empfangen hat und diese in Seinem Dienst verwendet. Er bedarf dazu keiner Ernennung und ebensowenig einer Zustimmung oder Anerkennung von einem oder mehreren anderen Arbeitern oder anderen Gläubigen oder von Versammlungen. Paulus ging nicht mit Fleisch und Blut zu Rate, als Gott ihn rief (Gal. 1, 16), und Apollos wartete nicht auf Anerkennung von irgend je­mandem, sondern predigte feurigen Geistes, selbst als er noch sehr unkundig war. Der Fall in Apg. 13 hat hiermit nichts zu tun, denn dort geht es um Männer, die bereits seit Jahren in dem Werk des Herrn waren, aber nun durch den Heiligen Geist zu einem beson­deren Auftrag berufen wurden. In dem ersten Vers werden sie unter den Propheten und Lehrern erwähnt, und in Apg. 14, 14 werden sie Apostel genannt.

Zwar zeigt sich sowohl bei Paulus als auch bei Apollos, daß sie das Vertrauen von örtlichen treuen Brüdern besaßen, obgleich nicht gesagt wird, daß sie danach gefragt haben. Aber auch ohne ausdrücklich zu fragen weiß der Betreffende das. Und gewiß wird das Fehlen dieses Vertrauens ein Grund sein, die Gegen­wart des Herrn zu suchen, um sich in Seinem Licht zu prüfen. Aber niemals haben Paulus oder Apollos gefragt, was die, die vor ihnen Diener Gottes waren, davon denken würden, daß sie predigten. Es war ihnen genug, daß sie durch den Herrn gerufen waren. Erst etwa drei Jahre später ging Paulus nach Jerusalem, um Petrus kennenzulernen, und erst vierzehn Jahre später wird er offiziell durch die Apostel anerkannt, als sein Werk bewies, daß er in der Tat durch Gott berufen war. Nur der Ruf des Herrn, also der Besitz der Gabe, ist die Ernennung und Anerkennung des Arbeiters. Er ist nur seinem Meister verantwortlich.

Das gibt ihm jedoch nicht das Recht, von anderen Anerkennung zu fordern. Gewiß hat die Versammlung die Pflicht, die Arbeiter anzuerkennen und sie in mate­rieller Hinsicht zu unterstützen. Aber das kann sie nur tun, wenn der Herr ihr persönlich die Über­zeugung gegeben hat, daß der Betreffende wirklich in Seinem Dienst steht. Und das ist eine Sache allein zwischen ihr und dem Herrn.

Ebensowenig hat ein Arbeiter des Herrn das Recht, zu verlangen, daß andere Arbeiter ihn als solchen an­erkennen. Auch das ist eine Sache zwischen den Ar­beitern und dem Herrn.

Aber ist die Gewißheit, durch den Herrn berufen zu sein und durch Ihn gebraucht zu werden, nicht das einzig Wichtige? Das macht das Herz glücklich und gibt Ausharren in dem Werk, auch wenn alle uns ver­kennen sollten.

LEITUNG IM DIENST

Wir haben gesehen, daß der Besitz einer Gabe der Auftrag ist, diese Gabe zu gebrauchen. Das will jedoch nicht sagen, daß der, der eine Gabe besitzt, selbst wissen kann, wo und wie er die Gabe ausüben soll. Ein Evangelist z. B. hat die gesamte Welt als Arbeits­feld. Der Herr hat gesagt: "Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium der ganzen Schöp­fung" (Mark. 16, 15). Aber der Evangelist hat nicht das Recht, selbst zu bestimmen, wie er diesen Auftrag ausführen will.

Jedem Gläubigen wird gesagt: "Soviele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes" (Röm. 8, 14), und in Gal. 5, 25. 16‑17 steht: "Wenn wir durch den Geist 1 e b e n, so laßt uns auch durch den Geist w a n d e 1 n‑. "Ich sage aber: Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; diese aber sind einander entgegengesetzt, auf daß ihr nicht das tuet, was ihr wollt."

Wenn dies für das ganze Leben eines Gläubigen gilt, wieviel mehr für den besonderen Dienst eines Arbeiters des Herrn! Nicht nur der eigene Wille eines Unbe­kehrten ist böse, sondern auch der eines Gläubigen und auch der eines solchen, der in dem besonderen Dienst des Herrn steht. Er darf nicht seinen eigenen Willen tun, sondern muß den Heiligen Geist in seinen Wegen wirken lassen. So finden wir es in der Heiligen Schrift, wenn sie uns den Dienst von Arbeitern vor Augen führt.

In Apg. 13 sehen wir, daß Paulus und Barnabas ein besonderes Werk beginnen. Obwohl Paulus berufen war, allen Menschen zu predigen (Apg. 22, 15. 21), erhält er doch einen besonderen Auftrag. Er und Bar­nabas waren schon Arbeiter. Vor allem er selbst hatte viel gepredigt. Aber nun nimmt sie der Heilige Geist aus dem Werk, in dem sie an diesem Ort zusammen mit anderen Arbeitern beschäftigt waren, um ihnen einen anderen Teil des Werkes aufzutragen. Sie gehen, aus­gesandt durch den Heiligen Geist, und wir sehen sie in den Kapiteln 13 und 14 die aufgetragene Aufgabe erfüllen (Apg. 14, 26).

Aber der Heilige Geist gibt nicht nur Aufträge. Er will die Arbeiter auch bei deren Erfüllung leiten. In Kapitel 16, 6‑10 finden wir dies ausdrücklich dar­gestellt. Paulus und Silas durchreisten Phrygien und die galatische Landschaft, nachdem sie von dem Hei­ligen Geist verhindert worden waren, das Wort in Asien zu reden. Gehörten diese Gegenden nicht zu dem Arbeitsfeld des Paulus? Gewiß gehörten sie dazu! In Apg. 2 wird Phrygien schon genannt als ein Gebiet, aus dem gottesfürchtige Männer kamen. Und wie hat Paulus später in Galatien und in Asien gearbeitet! Zwei Jahre wohnte er in Ephesus, so daß nicht allein die Menschen in dieser Stadt, sondern alle, die in Asien (die römische Provinz Asia) wohnten, das Wort des Herrn hörten, sowohl Juden als Griechen. Und Gott tat außergewöhnliche Zeichen durch die Hände des Paulus (Apg. 19, 10‑12). Aber jetzt verhinderte der Heilige Geist sie, dort zu reden. Er wollte sie jetzt an anderen Orten gebrauchen.

In Kapitel 16, 7 wird es noch deutlicher gesagt: "Sie ersuchten, nach Bithynien zu reisen, und der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht". Paulus und Silas wollten nach Bithynien. Sie hatten sich vorgenommen, dort das Evangelium zu verkündigen. Aber es war jetzt nicht die Zeit, dorthin zu gehen. Der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht.

Der Heilige Geist nennt hier sich selbst "Geist Jesu". Dieser besondere Ausdruck redet zu dem Arbeiter von seinem Herrn, der ihm die Gabe gegeben hat. Aber erinnert er nicht auch an den Dienst des Herrn Jesus selbst während Seines Erdenlebens? "Jesus" ist Sein Name als Mensch auf Erden. Und "der Geist Jesu" spricht von dem Geist, durch den Er Seinen Dienst ausübte.

Wie sehen wir die Leitung des Heiligen Geistes in dem Leben des Herrn! Luk. 4 beginnt mit den Worten: "Jesus aber, voll Heiligen Geistes, kehrte vom Jordan zurück und wurde durch den Geist in der Wüste um­hergeführt‑, und in Vers 14 steht: "Und Jesus kehrte in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück". Durch den Geist lehrte, tröstete und heilte Er, und durch den Geist trieb Er die Dämonen aus (Matth. 12, 28). ja, durch den Geist opferte Er sich selbst Gott (Hebr. 9, 14). Aber nie finden wir, daß der Herr durch den Geist verhindert wurde, irgendwo hinzugehen oder das Wort zu reden. Bei Ihm war alles vollkommen. Er kannte vollkommen den Willen des Vaters, und Er handelte in vollkommener Übereinstimmung damit. Welch ein Vorbild für jeden Gläubigen! Welch ein Vor­bild für jeden Arbeiter des Herrn!

In Kol. 1, 9 schreibt der Apostel: "Deshalb hören auch wir nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, auf daß ihr erfüllt sein möget mit der Erkenntnis Seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefal­len, in jedem guten Werke fruchtbringend". In Psalm 32, 8. 9 sagt Gott: "Ich will dich unterweisen und dich lehren den Weg, den du wandeln sollst; Mein Auge auf dich richtend, will Ich dir raten. Seid nicht wie ein Roß, wie ein Maultier, das keinen Verstand hat; mit Zaum und Zügel, ihrem Schmucke, mußt du sie bän­digen, sonst nahen sie dir nicht". Und in Matth. 6, 22 steht: "Die Lampe des Leibes ist das Auge; wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht Sein; wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein.

Gott will uns unterweisen. Er will uns leiten mit Seinem Auge, und wenn unser Auge einfältig ist, wird unser Leib licht sein: wir werden wissen, wie wir zu handeln haben. Oft sprechen Gläubige über die Leitung Gottes in ihrem Leben und erzählen dann Vorfälle, bei denen Gott sie verhindert hat, irgendwo hinzu­gehen oder irgend etwas zu tun, so wie wir es in Apg. 16, 7 sehen. Aber das ist keine eigentliche Leitung! Gott will uns unterweisen und Rat geben. Er will uns leiten mit Seinem Auge. Aber dazu müssen wir in Seiner Nähe sein, im Heiligtum. Dazu muß unser Auge auf Ihn gerichtet und unser Ohr für Ihn geöffnet sein, damit wir Seinen Willen erkennen. Und wenn wir Seinen Willen kennen, können wir durch Sein Auge geleitet werden. Das ist Leitung im Leben und Leitung im Dienst. Dann werden wir dahin gehen, wo Gott uns in diesem Augenblick haben will, und das tun, was Er in diesem Augenblick von uns will.

So war es bei dem Herrn Jesus. Als Er die Nachricht empfing, Lazarus sei krank, ging Er nicht, obwohl Sein Herz ohne Zweifel nach Lazarus und dessen Schwestern

verlangte. Erst, als Gottes Zeit gekommen war, ging Er. "Diese Krankheit ist um der Herrlichkeit Gottes willen" (Joh. 11, 4). Einige Verse weiter sagt Er: "Sind der Stunden des Tages nicht zwölf? Wenn jemand am Tage wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht." Wenn wir nach dem Lichte wandeln, werden wir uns nicht stoßen. Wenn wir dagegen nicht nach dem Licht wandeln, weil wir nicht ins Heiligtum hineingehen und nicht abhängig von Ihm sind, dann werden wir uns stoßen.

Wenn ich irgendwo hingehe, um einen Vortrag zu halten, und der Zug fährt mir vor der Nase fort, weil meine Uhr plötzlich nachgeht, und ich also nicht dorthin kommen kann, dann kann ich dankbar sein, daß Gott mich verhindert, irgendwo hinzugehen, wo Er mich offenbar in dem Augenblick nicht haben will. Aber es beweist, daß ich nicht durch Sein Auge geleitet wurde. Ich bin wie ein Pferd oder Maultier, das keinen Ver­stand hat: Gott hat mich mit Zaum und Zügel auf dem Wege halten müssen.

Aber das ist nicht Seine Absicht mit Seinen Kindern und ebensowenig mit Seinen Dienern. Er will, daß sie mit Kenntnis Seines Willens ihren Weg gehen, wissend, daß das, was sie tun, nach Gottes Gedanken in eben diesem Augenblick, auf diese Weise und an diesem Ort getan werden muß. Wie würde Gott verherrlicht werden, wenn alle Seine Diener so durch den Heiligen Geist geleitet würden! Aber dazu ist nötig, daß ich mich in vollkommener Abhängigkeit unter die Leitung und Zucht des Heiligen Geistes stelle und darauf warte, was Er mir sagt. Hingebung, Eifer und selbst große Ergebnisse sind noch kein Beweis für die Richtigkeit des Weges in dem Dienst des Herrn.

DIE LEITUNG DES HEILIGEN GEISTES IN DEN ZUSAMMENKÜNFTEN

In einem früheren Abschnitt haben wir gesehen, daß der Besitz einer Gabe zugleich der Auftrag ist, sie auszuüben. Aber so wenig wie der Arbeiter selbst bestimmen kann, wo, so wenig kann er selbst ent­scheiden, wann er seine Gabe gebrauchen soll. In allem ist er abhängig von dem Heiligen Geist, der ihn in allen Dingen leiten will.

Das ist ganz besonders der Fall, wenn es sich um die Zusammenkünfte der Gläubigen handelt. Dort ist der Heilige Geist in besonderer Weise anwesend, weil Er in der Versammlung w o h n t (1. Kor. 3, 16; Joh. 141 17 usw.). Und Er will dort gebrauchen, w en Er will und zu der Zeit, w an n Er will. Er will auch an­geben, was gebraucht werden soll, weil Er allein weiß, was die Anwesenden brauchen. Ich spreche jetzt nicht von den Zusammenkünften am Tische des Herrn, denn dort werden keine Gaben ausgeübt, dort kommen wir als priesterliche Familie zusammen.

Welcher Bruder kann genau ermessen, was die an­wesenden Brüder und Schwestern oder die Kinder und die Fremden brauchen? Er kann darüber Vermutungen anstellen und versuchen, etwas aus dem Wort Gottes zu geben, was dem entspricht. Aber der Heilige Geist kennt die Herzen vollkommen: "Denn der Geist er­forscht alles, auch die Tiefen Gottes" (1. Kor. 2, 10; Röm. 8, 26‑27). Er weiß auch vollkommen, was alle .Anwesenden nötig haben. Wie wichtig ist es deshalb, genau auf die Leitung des Heiligen Geistes achtzugeben! Wie wichtig ist es, daß wir uns durch Ihn in unseren Zusammenkünften leiten lassen!

Das gilt nicht nur für das Sprechen. Der Heilige Geist will durch das erste Lied oder die Lieder und durch das Gebet oder die Gebete die Herzen vorbereiten auf das, was Er in diesen Zusammenkünften bringen will. Wie notwendig ist es deshalb, daß die, die das Lied vor­schlagen oder beten, dies in Abhängigkeit von Ihm tun! Nicht weil sie das Lied so schön finden, haben sie es vorzuschlagen, sondern weil der Heilige Geist den Ge­danken an das Lied in diesem Augenblick in ihren Herzen weckt und ihnen die Freimütigkeit gibt, es vor­zuschlagen. Wenn sie ein falsches Lied vorschlagen, werden die Brüder, die der Heilige Geist in dieser Zu­sammenkunft zum Sprechen benutzen will, in Verwir­rung gebracht. Und selbst wenn diese unter der Leitung des Geistes doch den rechten Gegenstand behandeln, ist die Einheit des Dienstes gestört und Verwirrung angerichtet.

Hieraus ergibt sich, wie gefährlich es ist, wenn der Bruder, der selbst das erste Lied vorgeschlagen hat oder gebetet hat, auch spricht. Wir können nicht sagen, dies sei immer falsch, denn der Heilige Geist besitzt Freiheit, zu gebrauchen, wen Er will. In kleinen Versammlungen, wo z. B. nur zwei oder drei Brüder sind, wird der Hei­lige Geist oftmals denselben Bruder benutzen. Aber es ist eine große Gefahr damit verbunden, nämlich die, daß der betreffende Bruder seine eigenen Gedanken als die Leitung des Heiligen Geistes ansieht oder sogar bewußt selbst leitet, so daß Lied, Gebet und Gesproche­nes wohl eine Einheit bilden, aber nicht die Einheit, die durch den Geist gewirkt ist. Gewiß, nicht immer gibt das erste Lied den Gedankengang der Zusammenkunft an. Auch der Bruder, der dieses Lied vorschlägt, kann einen Fehler gemacht haben. Aber ein Bruder, der über einen Gegenstand spricht, der einen ganz anderen Gedanken enthält als das vorher gesungene Lied, muß doch ganz besonders sicher sein, daß der Heilige Geist dies will.

Es ist wahr, daß der Heilige Geist meistens das benutzt (oder vielleicht gar ausschließlich das benutzt), wodurch der Sprecher selbst erst einen Segen für sein eigenes Herz empfangen hat und woraus er selbst für sein praktisches Leben etwas gelernt hat. Aber oftmals ist dazwischen Zeit vergangen. Oftmals übt der Heilige Geist das Herz einer einzelnen Person, während die ganze Versammlung diese Übung nicht nötig hat. Und meistens ist es unmöglich, über etwas zu sprechen, das wir selber gerade lernen. Kann z. B. jemand, der sich in dem Zustand von Röm. 7 befindet, darüber sprechen zur Erbaung der Zuhörer? Das ist unmöglich! Erst wenn er die Lehre von Römer 7 gelernt und die Befreiung von Römer 8 erfahren hat, kann er in Ruhe weiter­geben, was er selber gelernt hat.

Wie wichtig ist es deshalb, daß die Leitung der Zusammenkünfte völlig dem Heiligen Geist überlassen wird! Dann weiß selbst der begabteste Bruder vorher nicht genau, ob der Heilige Geist ihn in der Zusammen­kunft benutzen will. Und keiner weiß, worüber ge­sprochen werden soll, auch nicht derjenige, der wahr­scheinlich sprechen wird. Dann gibt es ein ruhiges Warten auf die Leitung des Geistes, wen Er benutzen will. Er wird in dem Herzen des betreffenden Bruders (oder der Brüder) die Überzeugung geben, über welchen Gedanken aus Gottes Wort sie sprechen sollen. Es kann sein, daß dies ein Abschnitt ist, mit dem sie sich lange nicht beschäftigt haben und über den sie nicht so flie­ßend sprechen können wie über einen Gegenstand, den sie kurz vor der Zusammenkunft überdacht haben. Aber wenn sie sich auch in ihrem Sprechen unter die Leitung des Heiligen Geistes stellen, wird Er die rechten Ge­danken in ihren Herzen wirken. Und dann wird nicht der Sprecher durch seine fließende, wohldurchdachte Rede das Gefühl der Hörer zufriedenstellen und geehrt werden, sondern der Heilige Geist wird durch die viel­leicht schwache Rede den wirklichen Bedürfnissen von Herz und Gewissen entsprechen. Und das allein ist doch wichtig. Sollten wir, wenn wir uns gemäß dem Worte Gottes ganz unter die Leitung des Heiligen Geistes stellen, weniger gesegnet werden, als wenn wir nach unseren eigenen Gedanken handeln? Gewiß ist es mög­lich, daß Gefühl oder Verstand weniger beeindruckt werden. Aber es ist auch nicht Gottes Absicht, in erster Linie auf den Verstand oder das Gefühl einzuwirken. L Kor. 14, 23‑25 sagt uns, daß der wirkliche Segen darin besteht, daß das Verborgene des Herzens offen­bar werde.

Obiges gilt natürlich nicht für besondere Zusammen­künfte zur Erläuterung bestimmter Wahrheiten. Dort ist zum voraus bestimmt, welches Thema behandelt werden und wer sprechen soll. Aber das ist auch keine Zusammenkunft der Versammlung im eigentlichen Sinne des Wortes. Auch auf die Evangeliumsverkün­digung ist Obiges nicht ohne weiteres anwendbar. Aber Gott wird sicher einen reichen Segen geben, wenn der Sprecher, auch was das Thema betrifft, auf die Leitung des Heiligen Geistes wartet.

DER HEILIGE GEIST IM GOTTESDIENST UND IN DER GEBETSTUNDE

Das, was wir für die Zusammenkünfte zur Erbauung fanden, gilt auch, wenn die Gläubigen zusammenkom­men, um den Herrn zu preisen, Ihm Lob, Dank und Anbetung zu bringen, und für die Gebetsstunde; ja es gilt für diese Zusammenkünfte in noch stärkerem Maße, weil ihr Charakter ein besonderer ist. In dem Dienst zur Auferbaung nehmen diejenigen, die die Gabe eines Hirten oder Lehrers empfangen haben, einen beson­deren Platz ein, denn der Heilige Geist wird meist die durch den Herrn gegebenen Gaben benutzen. Diese sind in ihrem Dienst die Werkzeuge, durch welche Gott zu den Versammelten spricht. Deshalb wird in 1. Petr. 4, 11 gesagt: "Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes". Das heißt nicht nur, daß das, was er sagt, mit dem Wort Gottes in Übereinstimmung sein muß. Es geht viel weiter, es heißt: das, was er sagt, müssen Aussprüche Gottes sein, also Gott muß direkt durch ihn sprechen.

In der Anbetungs‑ und in der Gebetsstunde ist das anders. Da redet Gott nicht zu uns, sondern wir (die Versammelten) sprechen zu Gott. Dort kommen wir, um unsere Opfer des Lobes und des Dankes darzubringen oder um Gott unsere Bedürfnisse und Sorgen mitzu­teilen, aber nicht, um von Ihm etwas zu empfangen ‑obwohl es natürlich unmöglich ist, zu Gott zu kom­men, ohne daß man einen Segen für das Herz empfängt. Hieraus ist zu ersehen, daß zwischen den Zusammen­künften ein grundsätzlicher Unterschied besteht. Jeder Bruder, der dann aufsteht, um zu sprechen, wenn die Gläubigen zu Lob, Dank und Anbetung zusammen­gekommen sind, muß sich dessen wohl bewußt sein.

Durch sein Sprechen wird der Charakter der Zusam­menkunft verändert. Dann bringt nicht mehr die Ver­sammlung Gott ihre Opfer des Lobes und Dankes dar, sondern sie lauscht, was Gott durch Seinen Diener zur Erbauung geben will. Dabei ist es ganz gleich, worüber der Bruder spricht, also auch, wenn er z.B. über das Leiden des Herrn sprechen sollte.

Nun können wir nicht sagen, im Gottesdienst (An­betung) d ü r f e nicht gesprochen werden. Der Heilige Geist hat völlige Freiheit, zu leiten, wie E r will. Und wenn die Christen als Leib des Christus versammelt sind und die Glieder durch den Geist jedes an seinem Platz sind, dann ist die Gelegenheit da zur Ausübung der Gaben, die zur Auferbauung dienen. Eine Ver­sammlung, die zum Gottesdienst versammelt ist, ist also die gegebene Gelegenheit zur Ausübung aller Ga­ben, die zur Auferbauung des Leibes dienen, obwohl dies keinesfalls der Zweck ihres Zusammenseins ist. Der Gottesdienst ist ebenso vollkommen, ja, sogar voll­kommener, wenn keine einzige Gabe ausgeübt wird. Die Weise, in der die Gaben gewöhnlich ausgeübt wer­den, hat zur Folge, daß, wie schon gesagt, der Charakter der Anbetungsstunde verändert wird und sie diesen Charakter verliert. Das ist stets ein Verlust. Denn ob­wohl es sein kann, daß der Geist Gottes es auch in dieser Zusammenkunft nötig findet, die Glieder des Leibes zu belehren oder zu ermahnen, so bleibt es doch stets wahr, daß es ein besserer Zustand ist, Gott an­beten zu können, ohne daß es nötig ist, ermahnt zu werden. Man ist in diesem Fall einfältiger und völliger in der Nähe Gottes und genießt durch die Gnade Ihn selbst.

Im Gottesdienst und in der Gebetstunde selbst haben die Gaben keinen Platz. Da versammelt sich die Versammlung als priesterliche Familie, und jeder kann Gott nahen, der Neubekehrte wie der Vater in Christus. Alle sind zu Priestern gemacht durch das Blut des Christus, und alle sind würdig, die Opfer des Lobes und des Dankes darzubringen. Aber allerhand Dinge können sie dazu unfähig machen (3. Mose 21 und 22). Daraus, daß praktisch dies einen Priester charakterisiert, daß er durch ständigen Aufenthalt in der Nähe Gottes weiß, wie er in Gott wohlgefälliger Weise Ihm nahen kann und welche Opfer Gott angenehm sind, wird deutlich, daß dies mit der Gabe eines Hirten oder Lehrers oder mit der Fähigkeit, sich fließend in gewählten Worten auszudrücken, nichts zu tun hat. Es ist sehr gut mög­lich, daß diese Gaben vorhanden sind und leider doch keine innige tägliche Gemeinschaft mit Gott da ist. Es ist also sicher nicht genug, wenn die Brüder auf einen Bruder mit großen Gaben warten oder wenn dieser selbst auf Grund seiner Gabe auch in der Anbetungs­stunden eine führende Rolle spielen will. Die Gefahr hierzu ist groß.

Aber durch Obiges wird die Leitung des Heiligen Geistes im Gottesdienst noch wichtiger, weil Er hier gewöhnlich einen viel größeren Kreis von Brüdern ge­brauchen wird als in den anderen Zusammenkünften. Und wer außer dem Heiligen Geist kann Leitung geben in der Anbetung? Zwar kommt die Anbetung aus dem geistlichen Zustand der Anwesenden hervor. Aber die Kraft, die alleinige lebendige Quelle alles dessen, was in der Anbetung wahrhaftig ist, ist der Heilige Geist. Souverän in Seinem Wirken, handelt Er aber in Über­einstimmung mit der geistlichen Fähigkeit eines jeden und bedient sich ihrer, um den Gefühlen Ausdruck zu geben, die der Versammlung vor Gott geziemen, und erhebt sie so zu sich. Was in der Anbetungsstunde ge­schieht, muß, obschon es in Übereinstimmung mit dem geistlichen Zustand der Versammlung sein wird, sie doch erheben und in die Nähe Gottes bringen. Dies tut der Heilige Geist. Denn obwohl Er im Menschen wirkt, tut Er es doch nach der Kraft und Gnade Gottes.

Welcher Bruder kann ermessen, was der geistliche Zustand der Versammlung ist, so daß er ihren Ge­fühlen Ausdruck geben und wirklich der Mund der Versammlung sein kann? Denn jeder, der eine Dank­sagung ausspricht, ein Lied vorschlägt oder einen Ab­schnitt aus der Schrift liest, soll darin nicht nur seinen eigenen Gefühlen, sondern denen der Versammlung Ausdruck geben, obwohl es natürlich wahr ist, daß er dazu allein nach dem Maße seines geistlichen Zustandes fähig ist. Nur dadurch, daß der Heilige Geist in geist­lichen Brüdern wirkt, um den geistlichen Gefühlen der Versammlung Ausdruck zu geben, wird Gott in der Versammlung Anbetung dargebracht.

Hier sehen wir wiederum, wie wichtig es ist, auf die Leitung des Heiligen Geistes acht zu geben. Die Wahr­heit, daß der Heilige Geist Freiheit haben muß, zu wirken, wie Er will, wird von keinem Christen ge­leugnet werden. Aber es besteht ein großer Unter­schied zwischen dem Kennen einer Wahrheit und ihrer Verwirklichung in der Praxis. Um diese Wahrheit verwirklichen zu können, müssen wir von der Wirklichkeit der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes ‑ Er ist Gott, der Heilige Geist ‑ in unseren Zusammenkünften durchdrungen sein. Mangelt es hieran nicht sehr oft, und ist dies nicht die Ursache, daß in unseren Zusammenkünften soviel Schwachheit ist und das Fleisch so oft wirken kann?

Nun kommt bei jungen Gläubigen und bei denen, die in der Praxis des Zusammenkommens das "Sich unter die Leitung des Heiligem Geistes stellen" nicht kennen, die Frage auf: Wie kann ich diese Leitung er­kennen und wie weiß ich, ob es nicht mein eigener Wille ist, der mich antreibt, ein Lied vorzuschlagen usw.? Es gibt in Verbindung mit der praktischen Lei­tung des Heiligen Geistes tatsächlich Dinge, die nur in der Praxis gelernt werden können. Die Erfahrung läßt uns Bedürfnisse erkennen, denen allein durch gött­liche Belehrung entsprochen werden kann.

Wer wird sich anmaßen, zu bestimmen, auf welche Weise der Geist in den Herzen wirkt und ihnen die Gewißheit gibt, was Sein Wille ist? Was in Joh. 3 im Blick auf die neue Geburt gesagt wird: "Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht", kann gewiß auch von dem Wirken des Heiligen Geistes in den Herzen der Gläubigen gesagt werden. Aber auf der anderen Seite gibt das Wort Gottes in dieser Be­ziehung doch auch wertvolle Anweisungen.

Zunächst haben wir die Grundsätze von 1. Kor. 14. "Wenn ihr zusammenkommet, so hat ein jeder von euch einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Sprache ... ; alles geschehe zur Erbauung." ‑ . . auf daß alle lernen und alle getröstet werden." "Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens." Alles, was getan wird, muß also erbauen. Und es muß Ordnung vorhanden sein, was u. a. nach den Versen 26‑33 sich darin zeigen soll, daß nicht zwei zugleich etwas tun, sondern daß sie aufeinander warten. Ferner wird ge­sagt, daß die Leitung des Heiligen Geistes nicht dem Wirken teuflischer Geister gleicht, die ihre Opfer zwin­gen, zu handeln, wie sie wollen. "Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan"; der Heilige Geist gibt Seine Gedanken zu erkennen und schenkt die Fähigkeit, dementsprechend zu handeln; die betref­fende Person kann danach handeln, sie kann es aber auch lassen.

Ferner sagt 2. Tim. 1, 7: "Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit". Wir sollen also nicht unbesonnen, sondern ruhig handeln, wissend, was wir tun. Aber dann sollen wir auch nicht furchtsam sein, sondern Vertrauen haben, daß, wenn wir wirklich in Abhängigkeit warten, Er auch deutlich in unserem Herzen wirken wird. Und wenn Er es tut, sollen wir dies annehmen und nicht ängstlich fragen: Ist das wohl das Rechte?

Sollte Gott von Seinen Kindern erwarten, daß sie sich durch den Heiligen Geist leiten lassen, und ihnen dann nicht die Leitung schenken, wenn sie in Abhängigkeit darauf warten? Wenn wir Gottes Liebe kennen und auch in unserem Herzen Liebe wohnt, kann es solch ein Mißtrauen nicht geben. Laßt uns Ihm vertrauen! Der Heilige Geist wirkt nicht durch blinde Triebe oder durch vage, unklare Eindrücke. Er erfüllt den geist­lichen Verstand mit den Gedanken Gottes, wie diese in dem geschriebenen Worte Gottes entfaltet sind, wäh­rend Er die Gefühle und Zuneigungen des neuen Men­schen wachruft.

Er bewirkt in unseren Herzen ‑ anknüpfend an das, was Er schon vorher durch andere wirkte ‑ Gefühle des Dankes, des Lobes und der Anbetung, die wir als der Mund der Versammlung aussprechen dürfen. In Verbindung mit dem Gedankengang, den Er in diese Zusammenkunft gebracht hat, lenkt Er unsere Ge­danken auf ein Lied oder einen Abschnitt aus dem Worte Gottes, damit wir dieses Lied vorschlagen oder diesen Abschnitt vorlesen. Aber hieraus folgt bereits, daß Er uns nur frei benutzen kann, wenn wir das Wort Gottes und die Lieder kennen. Weiter folgt hieraus, daß wir stets einen Prüfstein haben in der Frage, ob das, woran wir denken, wohl mit dem Hauptgedanken, den Er in dieser Zusammenkunft wirkt, in Übereinstimmung ist. Und sehr wichtig ist es, daß wir uns fragen, wann es Zeit ist, das zu tun, was der Heilige Geist in unseren Herzen wirkt: nicht zu früh und nicht zu spät, damit es nicht vorkommt, daß zwei Brüder etwas zugleich tun, obwohl sie doch vielleicht beide durch den Heiligen Geist benutzt werden.

Wenn wir uns alle so unter die Leitung des Hei­ligen Geistes stellen würden, sowohl Brüder als auch Schwestern, welch herrliche Zusammenkünfte würden wir haben! Welch ein ehrerbietiges, ruhiges Warten würde da sein auf das, was E r wirken will! Welch ein Zusammenhang würde sein in allem, was geschieht! Welch eine Anbetung würde aus den Herzen aller An­wesenden emporsteigen! Wie würde Gottes Name verherrlicht und wie würden unsere Herzen gesegnet werden!

So sind wir nun am Ende unserer Ausführungen über den Heiligen Geist angekommen. Müssen wir als Ergebnis von allem Besprochenen nicht sagen, daß das Wohnen des Heiligen Geistes auf Erden, in dem Herzen jedes Gläubigen und in der Versammlung als Ganzes, eine der wichtigsten Wahrheiten dieser Zeit, wenn nicht die wichtigste, ist? Gebe Gott, daß dies tief in die Herzen des Schreibenden und der Leser geprägt sein möge, so daß wir in unserem Leben mehr davon verwirklichen!

ANHANG

DER HEILIGE GEIST IN DER OFFENBARUNG

Es wird dem aufmerksamen Leser auffallen, daß der Heilige Geist in jedem Buch der Bibel, in dem von Ihm die Rede ist, in Übereinstimmung mit dem Charakter des betreffenden Buches dargestellt wird Dies fällt vor allem beim Lesen der Offenbarung auf.

Im Neuen Testament haben wir den Heiligen Geist gesehen als herniederkommend auf die Erde. Auf Grund der Erlösung nimmt Er Wohnung in dem Leibe eines jeden, der das volle Evangelium angenommen und ge­glaubt hat (1. Kor. 6, 19; Eph. 1, 13). Außerdem bildet Er die Versammlung Gottes auf Erden (l. Kor. 12, 13) und macht sie durch Sein Wohnen in ihr zu einer Be­hausung Gottes im Geiste (Eph. 2, 22).

In der Offenbarung finden wir jedoch etwas ganz anderes. Selbst wo über die Versammlung gesprochen wird (Kap. 2 und 3), finden wir den Heiligen Geist nicht i n der Versammlung, sondern a u ß e r h a 1 b von ihr. Darum spricht Er zu ihr: "Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt". Das ist in Übereinstimmung mit dem Charakter dieses Buches.

Die Offenbarung ist ein Buch des Gerichtes. Gott wird hier nicht als Vater gezeigt, sondern als der Richter. Der Herr Jesus trägt in Kapitel 1 zwar ein priesterliches Gewand, aber Er verrichtet dort nicht den Priesterdienst, wie der Brief an die Hebräer ihn uns vorstellt: nämlich, daß Er das Versöhnungswerk voll­bracht hat und danach sich bei Gott für die Seinen verwendet. Er ist mehr: Seine Augen sind wie eine Feuer­flamme, und aus Seinem Munde geht ein scharfes, zwei­schneidiges Schwert hervor, auf daß Er damit die Nationen schlage (Offb. 1, 13‑16; 19, 11‑16). Sogar wo Er als das geschlachtete Lamm gezeigt wird (Kap. 5, 6), als der Verworfene, hat Er sieben Hörner, die vollkommene Macht, und sieben Augen, vollkommene Kenntnis und Einsicht, und wird anerkannt als Der­jenige, der Recht auf die Erde hat: "Er nimmt das Buch".

Die Offenbarung beschreibt uns Gottes Gerichte: zuerst über die Versammlung (Kap. 2 und 3), dann über die Welt, vor allem über das Römische Reich und über Juda (Kap. 6‑11, 18), danach über die große Hure und die großen Werkzeuge Satans (Kap. 13‑19), dann das Gericht über die Lebendigen (Kap. 20, 4‑9) und zum Schluß das Gericht über Satan und die Toten (Kap. 20, 10‑15). Nicht die Gnade wird hier vor Augen gestellt wie sonst im ganzen Neuen Testament. Wir finden hier mehr den Charakter des Alten Testamentes, den des Gesetzes und der Propheten.

Tatsächlich ist es nicht möglich, die Offenbarung zu verstehen, wenn wir das Alte Testament nicht kennen. Doch ist es kein alttestamentliches Buch. Es sind die Worte, der Geist des Alten Testamentes, jedoch ge­kennzeichnet durch die letztliche völlige Offenbarung Gottes, die wir nur im Neuen Testament finden.

Schon die ersten Verse tragen dieses Kennzeichen. Vers 4 spricht von "Dem, der da ist und der da war und der da kommt". Das ist sozusagen die neutesta­mentliche Form des alttestamentlichen Namens Jehova. Danach spricht der Prophet über "die sieben Geister, die vor Seinem Throne sind". Der Heilige Geist wird hier nicht in Seiner Verbindung mit der Versammlung gezeigt. Im ganzen übrigen Neuen Testament wird ge­sprochen von "d e m Geist" oder sogar von "e i n e m Geist" (Eph. 4, 4). Aber so, wie Er in Jesaja 11, 2 in Verbindung mit dem Messias dargestellt wird, so sehen wir Ihn hier als den Geist der Weisheit, der Kraft, des Lichtes. Es ist der Geist in Seiner mannigfaltigen Voll­kommenheit der Handlungen in jeder Beziehung, um den Willen Gottes in der Welt vollbringen zu können. Es wird hinzugefügt: "vor Seinem Throne", denn das Thema des Buches der Offenbarung ist die Regierung Gottes.

In Kapitel 4 finden wir den Thron Gottes im Himmel beschrieben. Wenn wir vergleichen, sehen wir, daß dieser die Form des Tempels hat: die Leuchter, das Meer, die lebendigen Wesen. Wir lesen: "Sieben Feuerfackeln brannten vor dem Throne, welche die sieben Geister Gottes sind".

Feuer ist in der Schrift das wohlbekannte Zeichen der prüfenden Heiligkeit Gottes. Es ist der Heilige Geist in völliger Vollkommenheit als Licht und als Feuer, welches das Böse verzehrt, so wie Er in Jesaja 4, 4 sich selbst vorstellt als "der Geist des Gerichtes und der Geist des Vertilgens". Alles wird hier dargestellt in dem Tempel. Der Ausdruck weist hin auf die zu den Eigen­schaften Gottes gehörenden Vollkommenheiten, die Sein Tun in der Welt kennzeichnen.

In Kapitel 5 finden wir den Herrn Jesus als das Lamm. Der Name "das Lamm" steht in Verbindung mit dem Gedanken an die Erlösung (Joh. 1, 29), ge­schlachtet" spricht von Seiner Verwerfung durch die Welt. Aber es hat hier sieben Hörner. Das zweite Tier

in Offb. 13 hat nur zwei Hörner, das erste Tier zehn. Aber der von der Welt verworfene Jesus besitzt alle Macht. "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden" (Matth. 28, 18). Ferner hat es "sieben Augen, welche die sieben Geister Gottes sind, die ge­sandt sind über die ganze Erde". Sie sind das Symbol vollkommener Kenntnis und Einsicht, der Fülle des Geistes, hier im Blick auf die Erde und ihre Regierung.

Gott ist a u f dem Thron, der Geist v o r dem Thron und Jesus in Verbindung mit der Erde; das ist der Gesamtinhalt der Offenbarung. In Verbindung hier­mit wird der Heilige Geist in einem irdischen und rich­terlichen Charakter gesehen, alttestamentlichen Ge­sichtspunkten entsprechend, aber gekennzeichnet durch die letztliche und völlige Offenbarung Gottes.

Dadurch ist die Stellung der Gläubigen, die in der in diesem Buch beschriebenen Zeit leben, so ganz anders als die unsrige. Gewiß, auch dann wirkt der Heilige Geist in verlorenen Sündern Buße und neue Geburt, wie Er dies seit dem Sündenfall getan hat. Aber wäh­rend Er jetzt in dem, der das volle Evangelium geglaubt hat, Wohnung macht und ihn mit einem verherrlichten Herrn im Himmel verbindet und ihn teilhaben läßt an dessen Herrlichkeit, in ihm eine Quelle wird, die ins ewige Leben quillt, wird Er dies dann nicht tun. Er wird nicht mehr auf Erden wohnen. Und die Gläubigen in jenen Tagen werden nicht in Christus in die himm­lischen Örter versetzt sein (Eph. 2, 6) wie wir. Ebenso­wenig haben sie eine Hoffnung auf eine Entrückung "in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft", um so alle­zeit bei dem Herrn zu sein (1. Thess. 4, 17).

Wie Offb. 6, 9‑11 uns lehrt, werden sie nach Rache an ihren Feinden rufen, aber Geduld haben müssen.

Das Kommen des Sohnes des Menschen auf die Erde, die Segnungen des Tausendjährigen Reiches sind ihre Hoffnung. Der Geist der Weissagung ist das Zeugnis Jesu, das Zeugnis, daß Er Rache nehmen wird an Seinen Feinden und Seine Herrschaft auf Erden antreten wird.

Welch ein Unterschied zu unserem kostbaren Teil! Nachdem in Kapitel 22 die Weissagung beendet ist, sehen wir, wie der Geist sich mit der Braut, der Ver­sammlung, eins macht. Und worin? In dem Rufen zum Herrn: "Komm!", in dem Einladen der Durstigen, zu kommen und das Wasser des Lebens umsonst zu neh­men.

Der Geist macht sich eins mit der Versammlung in ihrem Rufen zu dem Herrn Jesus. So wie der Knecht in 1. Mose 24 sich nicht aufhalten lassen wollte, sondern Eile hatte, Rebekka zu Isaak zu bringen, so auch der Heilige Geist. Auch Ihn verlangt nach dem Augenblick, da Er diese Erde verlassen wird, um die Frucht Seines Wirkens auf Erden, die Braut des Lammes, dem Bräu­tigam zuzuführen. Und zugleich vereinigt Er Seine Stimme mit jedem, der im Blick auf das baldige Kom­men des Herrn Jesu verlorene Sünder einlädt, das Heil anzunehmen.

"Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: K o m m ! Und wen da dürstet, d e r komme; wer da will, nehme das Was­ser des Lebens umsonst."

Siehe, mein Knecht, Hamilton Smith

11/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

«Siehe, mein Knecht!» hat Gott gerufen, 

als Er den Sohn auf Erden sah, wie Er, 
vertraut mit Gottes Willen, 
voranschritt bis nach Golgatha, 
altes Prophetenwort erfüllend, 
das einst durch Christi Geist geschah.

«Siehe, mein Knecht!» Der Sohn des Höchsten,
der Schöpfer-Gott macht sich zu nichts,
wird armer Mensch, im Stall geboren,
d& König künftigen Geschlechts!
Zuletzt geht Er als ein Verstossner
für uns ins Feuer des Gerichts.

«Siehe, mein Knecht!» 0 welche Leiden
brachte sein Dienst Ihm täglich ein! 
Doch blieb sein Wesen Licht und Liebe 
trotz Hass, Verachtung, Schmach und Pein.
Er wollte hier nur Gott gefallen, 
der treue Zeuge für Ihn sein.

«Siehe, mein Knecht!» Er hat nun droben
und auch auf Erden alle Macht;
Gott selbst hat seinen Jesus-Namen
zum höchsten Namen jetzt gemacht.
Bald wird aus allen Regionen
dem Herrn der Welten Ruhm gebracht.


Epheser 1,13 Die Versiegelung und Salbung mit dem Heiligen Geist H.L.Heijkoop

07/27/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Gestern abend haben wir uns damit beschäftigt, was Befreiung ist. Sie ist das Teil eines jeden, der an das Werk des Herrn Jesus glaubt und die Folgen dieses Werkes für sich in Anspruch nimmt. Ein solcher weiß, daß Gott im Blick auf seine Sünden vollkommen zufriedengestellt ist, denn Christus ist dafür unter dem Gericht Gottes auf dem Kreuz gestorben. Gott hat Ihn dort zur Sünde gemacht und auf diese Weise das sündige Fleisch in Ihm gerichtet (Röm 8,3). Das bedeutet aber auch, daß wir mit Christus gestorben sind (vgl. Kol 2,20) und jeder einzelne sagen darf. "Ich bin mit Christo gekreuzigt" (Gal 2,20). Also sollen wir uns der Sünde für tot halten (Röm 6,11), denn Gott betrachtet uns als in Christus gestorben (Kol 3,3). Wer das glaubt, hat Frieden mit Gott und ist befreit.

Wir haben auch gesehen, daß jemand, der in Römer 5 ankommt und sagen kann: "Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott", auch zugleich in Römer 8 ankommt und weiß, daß keine Verdammnis mehr für die ist, die in Christo Jesu sind. Es ist nicht so, daß jemand, der Römer 5 erreicht hat, danach noch die Erfahrungen von Römer 6 und 7 zu machen hat, um dann schließlich in Römer 8 anzukommen. Normalerweise machen wir die Erfahrungen von Römer 5,1 und 8,1 gleichzeitig.

Wer wirklich Frieden mit Gott hat und weiß, daß er in der Gunst Gottes steht und sich der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes rühmt, wird nicht mehr ausrufen: "Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" (Röm 7,24). Diese Kapitel sind nämlich nicht chronologisch, sondern behandeln zwei verschiedene Wahrheiten: von Kapitel 1,18‑5,11 geht es um die Frage unserer Sünden und unserer Schuld, um unsere sündigen Taten, wozu natürlich auch sündige Worte und Gedanken zählen. Von Römer 5,12 an bis Kapitel 8 geht es dagegen um unseren Zustand, um das, was wir von Natur aus sind. 

Dabei spielen die sündigen Taten keine Rolle. Selbst ein kleines Kind, das soeben geboren ist, hat diese sündige Natur, auch wenn es noch keine einzige Sünde getan hat. Es ist in dem Gleichnis und nach dem Bilde Adams (l. Mo 5,3), der ein Sünder geworden war, und deshalb verwerflich für Gott. Aber das Werk des Herrn Jesus reicht für jeden aus, der Teil daran hat. Es reicht aus für all die sündigen Taten, die ein Mensch getan hat. Denn Gott hat seine Sünden auf Ihn gelegt: "Welcher selbst unsere Sünden an seinem Leibe auf dem Holze getragen hat" (l. Petr 2,24). Doch Christus hat nicht nur unsere Sünden getragen, sondern Er wurde auch zur Sünde gemacht, zu dem, was wir von Natur sind, wie wir in 2. Korinther 5,21 lesen: "Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm." Wer glaubt, was das Wort Gottes über das Werk des Herrn Jesus sagt, hat Frieden mit Gott und ist befreit. Er ist ein Christ geworden.

Nun, in Römer 8,11 lesen wir, daß in einem solchen der Geist Gottes wohnt, und in Epheser 1,13, daß derjenige, der das Evangelium geglaubt hat, versiegelt worden Ist mit dem Heiligen Geist. Gott setzt Sein Siegel auf den, der Seinem Wort glaubt. Bereits in Römer 5,5 lesen wir, daß der Heilige Geist uns gegeben worden ist, nachdem wir Frieden mit Gott bekommen haben. Danach wird in Römer 6 und 7 nicht mehr über den Heiligen Geist gesprochen, sondern erst wieder in Kapitel 8,9: "Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der Ist nicht sein."

Ich möchte kurz auf diesen Vers etwas näher eingehen, weil über den Ausdruck "der ist nicht sein" einige Verwirrung besteht. Dieser Ausdruck wird sehr klar, wenn wir den Zusammenhang dieses Verses beachten. Es heißt hier nicht, daß derjenige, der Christi Geist nicht hat, nicht von neuem geboren ist, sondern daß er "nicht sein" ist, d. h. daß er kein Christ ist. Der Ausdruck "Christ" besagt viel mehr, als daß jemand von neuem geboren und bekehrt ist. In Johannes 3 wird gesagt, daß kein Mensch mit Gott in Verbindung kommen kann, wenn er nicht von neuem geboren ist. Das gilt nicht nur für die Gläubigen des Neuen Testamentes, sondern das galt auch für alle Gläubigen des Alten Testamentes. Mit einem Menschen, dessen Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse ist (l. Mo 6,5), kann Gott unmöglich in Verbindung stehen. Seit dem Sündenfall können nur solche Menschen mit Gott in Verbindung kommen, die von neuem geboren sind. Das war im Alten Testament so, das ist heute so, und das wird auch nach der Entrückung der Versammlung der Fall sein: auch dann werden Menschen, die zuvor das Evangelium der Gnade nicht gehört hatten und dann zur Bekehrung kommen, von neuem geboren werden.

Und schließlich werden auch von denen, die im Tausendjährigen Reich leben werden, nur diejenigen nicht vor dem großen weißen Thron stehen und nicht in den Feuersee geworfen werden (Offb 20), die von neuem geboren sind. Obwohl also die Gläubigen des Alten Testamentes von neuem geboren waren, waren sie deshalb doch keine Christen. Ich werde sogleich noch darauf zurückkommen, was für einen Christen kennzeichnend ist.

Genau genommen stehen Frieden mit Gott und die Befreiung nicht in direkter Verbindung mit unserem Glauben an die Person des Herrn Jesus, ebensowenig wie die neue Geburt in direktem Zusammenhang mit dem Glauben an das vollbrachte Werk des Herrn Jesus steht. Die Gläubigen des Alten Testamentes waren von neuem geboren, obwohl sie den Herrn Jesus nicht kannten, wie wir Ihn kennen. Sie kannten Ihn nur als den Engel Jehovas, bzw. als Gott [Jehova]. Ebenso waren die Jünger des Herrn Jesus ‑ mit Ausnahme natürlich von Judas Iskariot ‑ bereits vor dem Kreuz von neuem geboren, denn der Herr sagt ausdrücklich zu Ihnen: "Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe" (Joh 15,3; vgl. 13, 10.11). Trotzdem hatten die Jünger in der Zeit vor dem Kreuz keinen Frieden mit Gott und waren auch nicht befreit, genausowenig wie die Gläubigen des Alten Testamentes. Sie wußten nicht einmal, daß es den Frieden mit Gott gab. Sie hofften, daß Gott gnädig sein würde, und vertrauten darauf, daß Gott Sünden vergeben würde (siehe z. B. Ps 32 und 51). Doch Frieden mit Gott, die vollkommene Gewißheit, daß zwischen Gott und mir nichts mehr geordnet zu werden braucht, konnte es erst geben, nachdem der Herr Jesus das Werk vollbracht hatte und aus den Toten auferstanden war. Als Er in Johannes 20 nach der Auferstehung In die Mitte der Seinen trat, sagte Er zum erstenmal zu ihnen: "Friede euch." Das hatte Er zuvor niemals gesagt.

Wir haben an einem der vorigen Abende in Römer 4,24.25 gesehen, daß Christus unserer Sünden wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. Wir glauben nun an Gott als Denjenigen, der Christus aus den Toten auferweckt hat. Durch diesen Glauben sind wir gerechtfertigt und haben Frieden mit Gott. Das ist nur möglich aufgrund dieser beiden Tatsachen: erstens durch das Werk und die Auferstehung des Herrn Jesus und zweitens dadurch, daß in dieser Auferstehung geoffenbart wurde, daß Gott durch das Werk des Herrn Jesus vollkommen befriedigt ist.

Wer das im Glauben annimmt, hat Frieden mit Gott, ist befreit, und der Heilige Geist kommt, um persönlich in ihm zu wohnen. Bis zum Pfingsttag hat es keinen einzigen Menschen gegeben, in dem der Heilige Geist wohnte, mit Ausnahme natürlich in dem Herrn Jesus. Am Pfingsttag wurde zum erstenmal der Heilige Geist in Menschen ausgegossen. Nun haben wir in Römer 8,9 gelesen: "Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein." Wie ich bereits gesagt habe, bedeutet dieser Ausdruck, daß jemand, der den Geist Christi nicht hat, kein Christ ist. Ein Christ ist jemand, der Frieden mit Gott hat, der aus der Macht der Sünde, der Welt und Satans befreit ist und den Heiligen Geist empfangen hat. Es ist also möglich, daß jemand von neuem geboren ist, ohne den Heiligen Geist zu besitzen, und er Ist somit dann auch kein Christ.

Wir haben in Epheser 1,13 die lehrmäßige Feststellung gefunden, wann jemand den Heiligen Geist empfängt: " . . . nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, in welchem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geiste der Verheißung." Wer also glaubt, was Gott im Evangelium verkündigen läßt, daß Christus für denjenigen, der an das vollbrachte Werk glaubt, gestorben ist, wird von Gott mit dem Heiligen Geist versiegelt. Die Versiegelung ist eine der Seiten der Innewohnung des Heiligen Geistes: Gott setzt auf denjenigen Sein Siegel, den Er als einsgemacht sieht mit Christus in Seinem Tode und den Er daher als Seinen Sohn, als Christen, anerkennen kann. Ein solcher entspricht dem, was Gott Sich in Seinem Ratschluß vorgenommen hat.

In Epheser 1,5 lesen wir, daß Gott uns zur Sohnschaft zuvorbestimmt hat, und in Römer 8,29, daß Er uns zuvorbestimmt hat, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein. Es war Sein Ratschluß, daß wir dem Bild Seines Sohnes gleichförmig sein sollten, damit dieser Sohn der Erstgeborene unter vielen Brüdern wäre. Gleichförmig dem Bild Seines Sohnes zu sein bedeutet, dem Herrn Jesus als Sohn gleichförmig zu sein und die gleiche Stellung wie Er vor Gott einzunehmen. Zwei weitere Stellen, die über das Empfangen des Heiligen Geistes sprechen, sind Galater 4,6: "Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt", und Römer 8,14.15: "Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes ... einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst zeugt mir unserem Geiste, daß wir Kinder Gottes sind." Hier heißt es sogar, daß jemand, der durch den Heiligen Geist geleitet wird, ein Sohn Gottes ist. Ist denn derjenige, der nicht von dem Geist Gottes geleitet wird, kein Sohn Gottes? Jedenfalls können wir sagen, daß jemand, der den Heiligen Geist noch nicht empfangen hat, kein Christ ist In dem Sinn, wie Gottes Wort diesen Ausdruck gebraucht.

Auch wenn ich ein wenig vom Thema abweiche, möchte ich doch gerne etwas bei dem Ausdruck verweilen: "So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes." Man könnte daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß jemand, der den Heiligen Geist empfangen hat, aber wieder abweicht und untreu ist, kein Sohn Gottes mehr ist. So weit dürfen wir nicht gehen, obwohl diese Schlußfolgerung in eine richtige Richtung weist. Wir lesen dazu in 2. Korinther 6,14‑18: "Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildem? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.'

Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige." Hier sehen wir also, daß, wenn Gläubige in unreinen Verbindungen mit Ungläubigen stehen, Gott sie nicht öffentlich als Seine Söhne anerkennt. Gott kann Sich dann nicht als Vater zu uns bekennen, obwohl wir vielleicht Kinder Gottes sind, also aus Ihm geboren sind. Kennen wir nicht etwas Ähnliches aus dem praktischen Leben? Wenn ein Kind unartig ist, kann der Vater es nicht als sein liebes Kind behandeln, sondern muß es vielmehr bestrafen. 

Er kann ihm seine väterliche Liebe nicht zeigen. Es entspricht einem normalen Verhältnis zwischen Vater und Sohn, daß der Vater seinem Sohn sein Herz öffnet und seine Gedanken mit ihm teilt. Doch das kann der Vater so lange nicht tun, wie der Zustand des Sohnes es nicht erlaubt. So sehen wir, daß es auch in dieser Beziehung praktisch wahr ist, wenn Römer 8 sagt: "So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes." Gott kann sie nur dann praktisch als Seine Söhne anerkennen, wenn sie sich von dem Geiste Gottes leiten lassen. Die angeführten Stellen zeigen uns also, wann jemand mit dem Heiligen Geist versiegelt wird und daß die Versiegelung bedeutet, daß Gott einen solchen als Seinen Sohn, als einen Christen anerkennt.

Gottes Wort verwendet aber auch noch andere Ausdrücke für die Innewohnung des Heiligen Geistes, die wieder auf andere Seiten hinweisen. In 1. Johannes 2 und in 2. Korinther 1 wird über die Salbung mit dem Heiligen Geist gesprochen. Wir kennen aus dem Alten Testament eine Salbung mit Öl. Öl ist in der Schrift, wie wir aus Sacharja 4 wissen, ein Bild des Heiligen Geistes. Im Alten Testament wurden Könige, Priester und Propheten mit Öl gesalbt und erhielten durch diese Salbung Ihre Würde. Die Salbung mit dem Heiligen Geist weist also auf eine besondere Würde hin, die wir empfangen haben, aber auch darauf, daß wir Einsicht empfangen haben: "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles" (l. Joh 2,20) und: " . . . sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt" (l. Joh 2,27).

Ich möchte noch einige Stellen vorlesen, die über das Empfangen des Heiligen Geistes sprechen: "Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?" (l. Kor 6,19) und: "Wenn aber der Geist ... in euch wohnt. . . " (Röm 8,11). In diesen Stellen geht es um das Wohnen des Heiligen Geistes in uns. Dieses Wohnen hatte der Herr Jesus in Johannes 14 angekündigt, als Er sagte, daß Er den Vater bitten würde, den Tröster, den Heiligen Geist zu senden: "Er bleibt bei euch und wird In euch sein" (V. 17). "In euch" deutet auf die persönliche Seite der Innewohnung des Heiligen Geistes hin und "bei euch" auf die Gemeinschaft der Gläubigen als Versammlung durch den Heiligen Geist. Die gemeinschaftliche Seite der Innewohnung des Heiligen Geistes finden wir z. B. in 1. Korinther 3,16: "Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?" und in Epheser 2,22: " . . . zu einer Behausung Gottes im Geiste". Die Versammlung ist das Haus Gottes auf der Erde, in dem Gott, der Heilige Geist, wohnt. In diesem Sinn ist der Heilige Geist "bei uns".

Wenn wir in Epheser 1 von der Versiegelung mit dem Heiligen Geist und in 2. Korinther 1 von der Salbung gelesen haben, handelt es sich doch um ein und dieselbe Tatsache, die nur von verschiedenen Seiten aus betrachtet wird. Solange der Heilige Geist nicht in einem Menschen wohnt, kann nicht die Rede davon sein, daß er versiegelt oder gesalbt ist. Wir kommen noch einmal auf die Frage zurück, wann jemand den Heiligen Geist empfängt. Die Antwort haben wir bereits in Epheser 1,13 gefunden: "Nachdem ihr geglaubt habt." Hier steht also nicht: Nachdem ihr bekehrt oder von neuem geboren wart, sondern: "Nachdem ihr geglaubt habt". Die Frage ist nun: Was hatten die Epheser geglaubt? Natürlich glaubt jemand, der bekehrt ist, an Gott und zweifelt auch nicht an der Wahrheit des Wortes Gottes. 

Es ist unmöglich, daß jemand wirklich bekehrt ist und doch innerlich in seinem Herzen daran zweifelt daß die Bibel das Wort Gottes ist. Es kann sein, daß sein Verstand zweifelt, und wenn man ihn fragen würde, ob er glaubt, daß die Bibel von Gott eingegeben ist, würde er vielleicht nicht wissen, was er sagen soll. Doch in seinem Herzen glaubt er. Würde man mit ihm darüber sprechen, was Gott über den Menschen sagt, so würde er den Worten der Bibel recht geben. Das Wort Gottes hat sein Gewissen berührt und ihm gezeigt, daß er ein verlorener Sünder ist. Das, was in diesem Wort über die Güte Gottes steht, hatte ihm den Mut gegeben, mit seiner Schuld zu Gott zu gehen und sich selbst anzuklagen. 

Dazu ist noch nicht nötig, daß er das Werk des Herrn Jesus kennt und weiß, daß das Werk für ihn geschehen ist. Jemand, der bekehrt ist, weiß noch nicht viel mehr, als daß er ein verlorener Sünder ist. Es hat eine Sinnesänderung bei ihm stattgefunden, er hat Buße getan (was in dem Wort Bekehrung eingeschlossen ist) und hat erkannt, daß Gott, wenn Er gerecht ist, ihn richten muß. Der Heilige Geist hat ein neues Leben in ihm gewirkt. Erst danach kann Gott zu ihm sagen: Ich habe ein Evangelium für dich, eine frohe Botschaft. Ich habe Meinen Sohn für verlorene Sünder gesandt. Gott verkündigt keinem Menschen das Evangelium, solange er sich nicht als verlorener Sünder erkannt hat.

Was hatten die Gläubigen in Ephesus nun geglaubt? Paulus sagt zu ihnen: "Das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils. " Das griechische Wort für Heil bedeutet auch "Errettung", so wird dieses Wort auch an einigen Stellen in der Elberfelder Übersetzung wiedergegeben (siehe Röm 13,11; Hebr 2,3.10; 1. Petr 1,5.9.10, 2,2‑, 2. Petr 3,15). In 1. Korinther 15 finden wir eine Beschreibung dieses Evangeliums: "Ich tue euch aber kund, Brüder, das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in welchem ihr auch stehet, durch welches ihr auch errettet werdet, (wenn ihr an dem Worte festhaltet, das ich euch verkündigt habe) es sei denn, daß ihr vergeblich geglaubt habt." 

Dann sagt Paulus, was er verkündigt hat: "Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: daß Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften; und daß er begraben wurde, und daß er auferweckt worden ist am dritten Tage, nach den Schriften." (l. Kor 15,1‑4). Das Evangelium, das die Korinther angenommen hatten, beinhaltete also nicht nur, daß Christus nach den Schriften für ihre Sünden gestorben war, sondern auch, daß Er begraben wurde, und drittens, daß Er am dritten Tag auferweckt wurde. Wer also glaubt, daß Christus für seine Sünden gestorben Ist, ist damit noch nicht errettet.

Er weiß zwar, daß der Herr Jesus das Werk auf dem Kreuz vollbracht hat, und vielleicht auch, daß Er dieses Werk aus Liebe zu ihm getan hat, wie Galater 2,20 sagt: "Der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat." Aber er weiß noch nicht, daß Gott durch dieses Werk völlig zufriedengestellt ist. Das wußte noch niemand, solange der Herr Jesus am Kreuz hing. Der Lohn der Sünde ist der Tod (Röm 6,23), und der Herr hat diesen Lohn empfangen und ist gestorben. Wenn Gott Ihn nicht auferweckt und in die Herrlichkeit aufgenommen hätte und der Heilige Geist nicht auf diese Erde gekommen wäre, um uns zu sagen, daß der Herr Jesus auferstanden ist, wüßten wir nicht, daß Gott durch das Werk des Herrn Jesus befriedigt ist.

Das Volk Israel wird erst dann wissen, daß Gott auch sie auf der Grundlage des Werkes des Herrn Jesus annimmt, wenn der Herr Jesus aus dem Himmel wiederkommt, um Israel in die Segnungen des Tausendjährigen Reiches einzuführen. Der Überrest des Volkes Israel, der nach der Entrückung gebildet wird, wird zwar darauf vertrauen, daß Gott in Seiner Güte bereit Ist, Sünden zu vergeben, wie wir das in Psalm 32 finden. Doch andererseits wird dieser Überrest auch wissen, daß sie vor nahezu zweitausend Jahren den Messias an das Kreuz gebracht haben, und ausrufen: Errette uns von Blutschuld, Gott, du Gott meiner Rettung (vgl. Ps 51,14). Doch sicher werden sie erst sein, daß Gott auch sie annimmt aufgrund des Werkes des Herrn Jesus, wenn Er aus dem Himmel wiederkommt und sie erkennen: 

Gott hat Sein Werk angenommen. Vorbildlich finden wir das in 3. Mose 16, wenn Aaron am großen Versöhnungstag in das Heiligtum hineinging und das Volk draußen wartete, daß er wieder herauskommen würde. Wenn er dann wieder aus dem Heiligtum herauskam, wußte das Volk, daß Gott das Opfer angenommen hatte. Noch deutlicher sehen wir das vorbildlich in 3. Mose 9, wo Mose und Aaron ins Heiligtum hineingingen und das Volk segneten, wenn sie wieder herauskamen. Das weist hin auf den Beginn des Tausendjährigen Reiches, wenn der Herr Jesus aus dem Himmel wiederkommt und als der König und Hohepriester Seines Volkes erscheint, um das Volk in die Segnungen des Tausendjährigen Reiches einzuführen.

Wir hingegen wissen schon jetzt, daß Gott das Werk des Herrn Jesus angenommen hat, denn es ist der verherrlichte Herr im Himmel, der den Heiligen Geist auf diese Erde gesandt hat (Apg 2,33). Der Herr Jesus Selbst hat gesagt, daß der Heilige Geist, den Er senden würde, die Welt überführen würde von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht (Joh 16,7.8). In Vers 10 erklärt der Herr das näher: "Von Gerechtigkeit aber, weil ich zu meinem Vater gehe." 

Der Heilige Geist zeugt hier auf der Erde davon, daß der Herr Jesus jetzt zur Rechten Gottes in der Herrlichkeit sitzt. Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt und Ihm diesen Platz zu Seiner Rechten gegeben als Beweis dafür, daß Er durch Sein Werk vollkommen zufriedengestellt ist. Das Ist auch, wie wir gesehen haben, die Grundlage unseres Friedens mit Gott. Wir, die wir an Ihn glauben, der Jesum, unseren Herrn auferweckt hat ‑ der unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist ‑, sind gerechtfertigt worden aus Glauben und haben Frieden mit Gott (Röm 4,25‑5,1).

Das sind also die drei Hauptpunkte des Evangeliums, die wir in 1. Korinther 15,3.4 gefunden haben: Erstens ist Christus gestorben, zweitens wurde Er begraben, und drittens ist Er auferweckt worden. Wir wollen diese Punkte nun noch einmal in ihrer Reihenfolge durchgehen.

Erstens ist Christus für unsere Sünden gestorben oder, wie Römer 4,25 sagt: "Welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben ... worden ist." Welch eine wunderbare Tatsache, daß wir Ihn am Kreuz sehen dürfen. Wir können nun singen: "Auf dem Lamm ruht meine Seele ... Alle, alle meine Sünden hat Sein Blut hinweggetan." Wir wissen, daß unsere Sünden vergeben sind, weil Er auferstanden ist. Das Ist nun die erste wichtige Tatsache, daß wir, nachdem wir bekehrt und von neuem geboren sind, im Glauben annehmen, daß Christus für unsere Sünden gestorben ist.

Zweitens wurde der Herr Jesus begraben. Wir haben gestern in Römer 6 gelesen, daß wir, was unsere Stellung auf der Erde betrifft, in der Taufe zum Ausdruck gebracht haben, daß wir diesen Platz mit Ihm einnehmen. Wir sind auf Seinen Tod getauft. Wir drücken durch die Taufe nicht aus, daß wir mit Ihm gestorben sind, sondern machen uns In der Taufe eins mit Seinem Tod, werden mit Ihm begraben und nehmen so den Platz Seines Todes ein. Natürlich drücken wir das in der Taufe nur deshalb aus, weil wir es geistlich wirklich empfangen haben: In Gottes Augen sind wir mit Ihm vereinigt In Seinem Tod. Doch in der Taufe drücken wir aus, daß wir diesen Platz hier auf der Erde mit Ihm auch einnehmen wollen In Seinem Grab, wo Er als Gestorbener lag. Das Grab Christi ist der einzig sichere Ort, weil das Gericht dort bereits ausgeübt ist. Die ganze übrige Welt liegt im Argen und wird von Gott gerichtet werden.

Die Schlußfolgerung in Römer 6 ist dann, daß, wenn wir mit Christus gekreuzigt und mit Ihm gestorben sind, wir uns auch der Sünde für tot halten sollen. Das ist die Grundlage der Befreiung. Wenn wir anerkannt haben, daß wir mit Christus gestorben sind, sind wir auch befreit aus der Macht Satans und der Welt, denn Satan und die Welt haben nur Macht über lebende, nicht über gestorbene Menschen. Einem Gestorbenen kann keine Macht der Welt noch etwas antun. So ist ein Christ von Sünde, Satan und der Welt befreit, wenn er in seinem Herzen verwirklicht, wie Gott ihn sieht, nämlich als mit Christus gestorben. Das ist die zweite Voraussetzung dafür, daß jemand den Heiligen Geist empfängt.

Drittens ist Christus nach drei Tagen auferweckt worden. Das ist der Beweis dafür, daß Gott durch dieses Werk vollkommen zufriedengestellt wurde, sowohl was unsere Sünden als auch was unsere alte Natur betrifft. Christus lebt jetzt jenseits von Tod und Grab. Mit Ihm sind auch wir auferweckt worden und haben das Auferstehungsleben empfangen (das ist allerdings schon das Thema des Kolosserbriefes und nicht mehr des Römerbriefes). Nachdem der Herr Jesus auferweckt war, konnte Er in die Mitte der Jünger treten und zu ihnen sagen: "Friede euch!" (Joh 20,19.21). Danach hauchte Er Sein eigenes Leben, das Auferstehungsleben, In sie mit den Worten: "Empfanget [den] Heiligen Geist!"

Es geht hier noch nicht um die Person des Heiligen Geistes, denn die empfingen die Jünger erst genau fünfzig Tage später am Pfingsttag. Mit "Heiliger Geist" ist hier das durch den Geist gewirkte neue Leben gemeint, wie der Herr in Johannes 3,6 sagt: "Was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist." Dort wird dieses Leben "Geist" genannt. Es ist das Leben, das der Herr in Johannes 10,10 "Leben in Überfluß" nennt. Wir können auch sagen, es ist das ewige Leben, das nur diejenigen empfangen, die in der Zeit der Verwerfung Christi mit Ihm vereinigt sind, wir, die Christen, die zur Versammlung des lebendigen Gottes gehören.

Das also ist Aas Evangelium eures Heils". Durch den Glauben an dieses Evangelium waren die Epheser errettet worden, d. h. aufgrund dieses Glaubens hatte Gott sie mit dem Heiligen Geist versiegelt (Eph 1,13).

Daraus geht also hervor, daß nur derjenige mit dem Heiligen Geist versiegelt ist, der auch Frieden mit Gott hat. Hiermit meine ich einen gefestigten Frieden mit Gott. Es kann sein, daß jemand heute glaubt, daß nichts mehr zwischen ihm und Gott steht und doch morgen wieder daran zweifelt, ob das wirklich so ist. Das ist kein gefestigter Friede mit Gott. Wahrer Friede setzt voraus, daß jemand im Glauben annimmt, was Gottes Wort sagt, nämlich daß Gott durch das Werk des Herrn Jesus vollkommen befriedigt ist. Wer diesen Frieden mit Gott hat, diesen versiegelt Gott mit dem Heiligen Geist. Das macht eigentlich auch klar, daß wir normalerweise zur gleichen Zeit In Römer 5,1 und Römer 8,1 ankommen. 

Wer Frieden mit Gott hat und weiß, daß er in der Gunst Gottes steht und sich der Herrlichkeit Gottes rühmt, weiß auch, daß keine Verdammnis für die Ist, die in Christo Jesu sind. So jemand hat dem Evangelium völlig und nicht nur halb geglaubt, weiß also, daß Gott alles vollkommen in Ordnung gebracht hat. Einen solchen anerkennt Gott als Christen, als Sein Kind, als Seinen Sohn und versiegelt Ihn mit dem Heiligen Geist. Gott, der Heilige Geist, kommt, um in ihm zu wohnen. Er macht den Leib dieses Menschen*), dieses Christen, zu Seinem Tempel.

Nun möchte ich noch etwas ausführlicher darauf eingehen, was ich nur kurz angedeutet habe, daß ein Christ neues Leben empfangen hat, das in Johannes 10,10 als "Leben in Überfluß" bezeichnet wird und wiederholt In Gottes Wort "das ewige Leben" genannt wird. Es ist göttliches Leben, wie Petrus es nennt: "Auf daß ihr ... Teilhaber der göttlichen Natur werdet" (2. Petr 1,4). Es ist das göttliche Leben In seiner reichsten Form. Auch die Gläubigen im Alten Testament hatten göttliches Leben, so wie es auch die Gläubigen nach der Entrükkung haben werden. Um mit Gott in Verbindung zu kommen, muß man neues, göttliches Leben haben. Doch nur die Gläubigen in dieser Zeit der Verwerfung des Herrn Jesus, also vom Pfingsttag an bis zur Entrükkung der Versammlung, haben dieses Leben in dieser reichen Form, das der Herr, Jesus Selbst in Johannes 3,15.16 "ewiges Leben" nennt.

*Gottes Wort nennt in den Briefen Christen Im allgemeinen nicht mehr Menschen, sondern bezeichnet mit "Menschen" in der Regel Ungläubige.

Wir haben dieses Leben nur als Folge des Werkes des Herrn Jesus erhalten: " . . . also muß der Sohn des Menschen erhöht werden, auf daß jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe" und auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe." Nach 1. Johannes 5,20 ist es das Leben des Herrn Jesus Selbst: "Dieser [Jesus Christus] ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben." 

Im ersten Kapitel desselben Briefes lesen wir, daß Er als Gott, der Sohn, das ewige Leben ist, das Leben, welches bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist. Wir, die wir zum Leibe Christi gehören, haben das wunderbare Vorrecht, dieses ewige Leben zu besitzen. Der Besitz des ewigen Lebens und das Innewohnen des Heiligen Geistes sind die beiden Dinge, die nur Christen haben und die sie als Christen charakterisieren. Jemand, der nicht die Gewißheit hat, daß seine Sünden vergeben sind, ja noch mehr, der keinen Frieden mit Gott hat und nicht befreit ist, ist daher kein Christ im Sinne der Schrift. Erst derjenige, der den Heiligen Geist empfangen hat, der also dem Evangelium des Heils geglaubt hat, ist ein Christ.

Vielleicht wendet jemand ein: Sind diese Dinge nicht nur eine Frucht der Gnade? Selbstverständlich! Doch ist Vergebung, ist die neue Geburt keine Frucht der Gnade? Und doch lesen wir ausdrücklich in Gottes Wort, daß Gott nur dann Sünden vergibt, wenn sie bekannt werden. Es ist unendliche Gnade, daß wir unsere Sünden bekennen dürfen. Diejenigen, die mit ihren Sünden zu Gott gegangen sind und sie bekannt haben, wissen nur allzu gut, daß es der Heilige Geist war, der uns dahin geführt hat. 

Von uns aus wollten wir nicht zu Gott kommen. Doch der Heilige Geist hat unser Gewissen in das Licht Gottes gebracht, so daß wir sahen, daß wir verlorene Sünder waren. Als wir keinen Rat mehr wußten und überzeugt waren, daß nur die Hölle für uns offenstand, blieb uns kein anderer Ausweg, als zu Gott zu gehen und Ihm unsere Sünden zu bekennen. Das alles ist Gnade. Das ändert den Grundsatz nicht, daß Sünden nur dann vergeben werden, wenn sie bekannt werden: "Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit" (l. Johannes 1,9).

So ist es auch mit dem Evangelium. Wir sind gerechtfertigt worden durch den Glauben. Es ist Gnade, wenn Gott uns rechtfertigt, und das geschieht allein aufgrund des Werkes des Herrn Jesus. Der Hebräerbrief sagt: "Mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden" (Kap. 10,14). Gott sieht bei einem Kind Gottes keine Sünden mehr. Das ist Gnade. Und doch steht in Römer 5,1: "Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus [oder: aufgrund von] Glauben, so haben wir Frieden mit Gott." 

Wir haben also Frieden mit Gott aufgrund des Glaubens. Nur wenn wir glauben, wenn wir auf das vertrauen, was Er gesagt hat, eben weil Er es gesagt hat, werden wir gerechtfertigt und empfangen Frieden mit Gott. Erst wenn wir geglaubt haben, daß Gott vollkommen befriedigt ist und deshalb unsere Sünden vergeben hat und auch unsere alte Natur in Christus gerichtet hat und sie daher als gestorben betrachtet, sind wir befreit. Gott versiegelt uns dann und anerkennt uns als Gläubige. Der Heilige Geist nimmt Besitz von uns. Er kommt, um in unserem Leib zu wohnen, wie 1. Korinther 6,19 sagt: "Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?"

Dann sind wir wirklich Christen und auch fähig, durch den Heiligen Geist die Gedanken Gottes zu verstehen. Solange in meinem Herzen Furcht vor Gott ist und ich nicht weiß, daß alles zwischen Gott und mir vollkommen geordnet ist, ich also keinen Frieden mit Gott habe und nicht befreit bin, kann ich mich nicht mit den Gedanken Gottes beschäftigen. Es ist der Heilige Geist, der uns in die Gedanken Gottes einführt. Wir lesen in 1. Korinther 2 ausdrücklich, daß die Bibel das Wort Gottes ist und daß die Worte, die darin gebraucht werden, geistliche Worte sind, die geistliche Dinge mitteilen: "

Wir (das sind die Apostel und die Schreiber der Bibelbücher) aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, auf daß wir die Dinge kennen, die uns von Gott geschenkt sind, welche wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel. Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird; der geistliche aber beurteilt alles, er selbst aber wird von niemand beurteilt; denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, der ihn unterweise?' Wir aber haben Christi Sinn" (V. 12‑16). Nur jemand, der geistlich ist, kann also das Wort Gottes verstehen.

Nun kann es sein, daß jemand von neuem geboren ist, den Heiligen Geist empfangen hat, eine geistliche Gesinnung hatte und dann doch in einen Zustand gerät, in dem Gott ihn nicht mehr als Seinen Sohn anerkennen kann, weil er in Verbindungen lebt, wie sie in 2. Korinther 6,14 beschrieben werden. Gottes Wort nennt eine solche Person, die nicht geistlich ist, fleischlich. Das ist nicht dasselbe wie "im Fleische" (Röm 7,5). 

Der Ausdruck "im Fleische" weist auf den Zustand eines Unbekehrten hin, der nicht von neuem geboren ist. Der normale Zustand eines Christen ist es, geistlich zu sein. Denn er weiß ja, daß seine Sünden abgewaschen sind, daß er mit Christus gestorben ist und ein neues Leben empfangen hat, in dem er vor Gott steht. Gott hat ihn mit dem Heiligen Geist versiegelt. Sein ganzes Leben wird gekennzeichnet durch dieses neue Leben und den Heiligen Geist, der in diesem neuen Leben wirkt. Alle Taten und Worte eines solchen Christen tragen den Stempel des Heiligen Geistes. Dieser Zustand ist die notwendige Voraussetzung, um Gottes Wort verstehen zu können.

In 1. Korinther 3,1 sagt der Apostel Paulus zu den Korinthern: "Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistlichen, sondern als zu Fleischlichen." Die Fußnote sagt, daß das griechische Wort eigentlich mit "Fleischernen" übersetzt werden müßte. Es gibt nämlich Im Griechischen zwei Wörter für das deutsche "fleischlich": sarkinos und sarkikos. Sie unterscheiden sich also lediglich durch einen einzigen Buchstaben. Sarkinos finden wir z. B. in Römer 7,14, wo es den Zustand von jemandem andeutet, der zwar von neuem geboren ist, aber noch nicht befreit Ist und noch in dem schrecklichen Kampf von Römer 7 steht und schließlich ausruft: "Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" (V. 24). Die Korinther waren nicht mehr In diesem Kampf.

Sie hatten den Heiligen Geist empfangen. Trotzdem mußte der Apostel schreiben: "Ich konnte nicht zu euch reden als zu Geistlichen [sie waren nicht geistlich], sondern als zu Fleischlichen [sarkinos]." Er sagt nicht: Ihr seid fleischlich; sondern: Ich müßte euch eigentlich so schreiben, als wäret ihr noch nicht über die Erfahrungen von Römer 7 hinausgekommen. Ihr versteht nicht mehr als das. Wenn ihr auch den Heiligen Geist empfangen habt, seid ihr doch nicht geistlich; das Fleisch herrscht in euch.

 Doch dann sagt er in Vers 3: "Ihr seid noch fleischlich" und gebraucht hier für "fleischlich" das andere Wort (sarkikos). Das kennzeichnet jemanden, der zwar ein Kind Gottes geworden ist, den Heiligen Geist empfangen hat und in dem Augenblick auch geistlich war, aber danach seiner alten Natur in seinem praktischen Leben doch wieder einen Platz eingeräumt hat. Er hat nicht Teil an der Beschneidung, wie Paulus sie in Philipper 3,3 beschreibt: "Wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen."

Fleischliche Christen vertrauen sehr wohl auf Fleisch, obwohl sie Kinder Gottes sind. Sie verhalten sich wie die Korinther, die nicht durch den Geist Gott dienten und nicht auf den Geist Seines Sohnes vertrauten, sondern sich viel mehr der Gaben rühmten, die sie empfangen hatten, z. B. daß sie in fremden Sprachen reden konnten, ohne sie gelernt zu haben. Sie rühmten sich auch ihrer Redekunst und ihres schönen Griechisch. Diese letzteren Dinge sind an sich nicht "böse", sie sind aber von dieser Erde, von dem Fleisch. Paulus sagt in Philipper 3, daß die Tatsache, daß er ein Jude, ein Pharisäer und nach dem Gesetz tadellos war, etwas von dem Fleisch war. Es ist eine große Ehre für einen Menschen, auf der Erde zum Volk Israel zu gehören, denn es ist das einzige Volk Gottes auf dieser Erde. All das achtete Paulus für Schaden und Dreck, denn es war von dem Fleisch, und es hinderte ihn daran, nur mit dem Herrn beschäftigt zu sein.

Ein Kind Gottes ist also dann fleischlich, wenn es irdische Dinge hoch einschätzt und noch in Irgendeiner Form auf Fleisch vertraut. Der Maßstab ist: Durch den Geist Gott dienen und in allen Dingen allein auf den Herrn Jesus vertrauen. Wer statt dessen auf seinen Verstand vertraut, auf seine Geschicklichkeit als Kaufmann, auf sein Verständnis für technische Zusammenhänge, auf seine Sprachbegabung oder auch auf seinen Dienst und seine Schriftkenntnisse, ist fleischlich.

 Das bedeutet dann aber auch, wie wir in 1. Korinther 3 finden, daß wir nicht mehr fähig sind, die Gedanken Gottes zu verstehen. Der Apostel Paulus hätte den Korinthern gerne über die "Weisheit unter den Vollkommenen" (l. Kor 2,6) geschrieben. Vollkommene sind solche, die Gottes Wort Heilige und Treue (wörtlich Gläubige) nennt (Eph 1,1‑, Kol 1,2). Es sind solche, die den Glauben, die Lehre des Wortes Gottes, in ihre Herzen aufgenommen haben. Sie gehen jetzt praktisch ihren Weg als Beschnittene. Das ist der Zustand derer, die den Gedanken Gottes entsprechen und diese Gedanken verstehen können. Römer 8 sagt von ihnen, daß sie Söhne Gottes sind, weil sie durch den Geist Gottes geleitet werden (V. 14).

Ein Christ ist also dadurch gekennzeichnet, daß er den Heiligen Geist besitzt. Wir haben auch gesehen, daß das Empfangen des Heiligen Geistes unter drei Aspekten In Gottes Wort vorgestellt wird:

1. Der Heilige Geist ist das Siegel" das Gott auf uns setzt. Dadurch anerkennt Er uns als Seine Kinder, als Glieder des Leibes Christi.

2. Er ist die Salbung" durch die wir alles verstehen können: "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles" (l. Joh 2,20.27).

3. Der Heilige Geist wohnt in uns.

Ich möchte nun diese Aspekte noch einmal kurz zusammenfassen, um dann noch etwas ausführlicher auf das Wohnen des Heiligen Geistes in dem Gläubigen einzugehen.

Erstens haben wir gesehen, daß Gott Sein Siegel auf denjenigen setzt, der dem Evangelium geglaubt hat. Das bedeutet auch, daß Gott uns in die vollen Segnungen Seines Erbes einführen wird. Der Apostel Paulus schreibt davon in Epheser 1, daß Gott "uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe" (V. 3.4). 

Gott hat "uns zuvorbestimmt ... zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst" und "uns begnadigt ... in dem Geliebten" (V. 5.6). Im weiteren Verlauf dieses Kapitels sehen wir, daß Christus im Tausendjährigen Reich über das Weltall herrschen wird und daß wir dann mit Ihm herrschen werden (V. 11‑13). Jeder, der den Heiligen Geist empfangen hat, hat damit das Unterpfand dafür, daß er mit Ihm herrschen wird. Er ist das Unterpfand unseres Erbes.

Zweitens haben wir gesehen, daß wir mit dem Heiligen Geist gesalbt sind und daß der Heilige Geist uns die Kenntnis der Gedanken Gottes vermittelt hat. Wir sind durch die Salbung mit dem Heiligen Geist fähig, Priesterdienst für Gott auszuüben. Jeder Priester, der Im Alten Testament Gott dienen wollte, mußte zuvor mit Öl gesalbt werden (2. Mo 28; 3. Mo 8). Auch wir sind Priester geworden, wie 1. Petr 2,5 sagt, und können ins Heiligtum eingehen, um Gott dort zu dienen. Dieselbe Salbung hat uns aber auch zu Königen gemacht, denn auch Könige wurden im Alten Testament gesalbt. In Offenbarung 1,5 lesen wir, daß Christus uns zu einem Königtum und zu Priestern seinem Gott und Vater gemacht hat. 

So lesen wir auch in 1. Petrus 2,9, daß wir ein auserwähltes Geschlecht sind, "ein königliches Priestertum, eine heilige Nation". Gott hat uns zu Königen und Priestern gemacht, weil wir durch den Heiligen Geist die Gedanken Gottes kennen. Diese Salbung mit dem Heiligen Geist läßt uns auch die Stimme des guten Hirten erkennen, wie der Herr Selbst in Johannes 10 sagt: "Meine Schafe hören meine Stimme ... und sie folgen mir" (V. 27). Einem Fremden folgen sie nicht, weil sie die Stimme des guten Hirten kennen und daher beurteilen können, ob Er es ist, der spricht, oder ob es ein Dämon ist, der sich als ein Engel des Lichts ausgibt, oder Satan selbst, von dem wir in 2. Korinther 11,14 lesen, daß er die Gestalt eines Engels des Lichts annehmen kann.

Dieses Urteilsvermögen haben wir praktisch nur insoweit, wie der Heilige Geist frei In uns wirken kann. Die Korinther waren fleischlich, weil in ihnen nicht nur der Heilige Geist wirkte, sondern sie auch auf Fleisch vertrauten. Dadurch war ihr Verständnis vermindert, so daß sie kein Urteilsvermögen mehr hatten.

Drittens haben wir auch gesehen, daß der Heilige Geist in uns wohnt, und dazu möchte ich im besonderen etwas über die praktischen Auswirkungen im Leben eines Gläubigen sagen. Wenn ein Gläubiger heutzutage den Heiligen Geist empfängt, hat das nichts zu tun mit der Taufe mit dem Heiligen Geist. Gottes Wort ist in diesem Punkt sehr klar. Die Taufe mit dem Heiligen Geist hat einmal stattgefunden, und zwar am Pfingsttag, als der Leib Christi gebildet wurde. Wir lesen in 1. Korinther 12,13: "Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden." 

Die anderen Stellen, wo im Neuen Testament über die Taufe mit dem Heiligen Geist gesprochen wird, sind Matthäus 3,11; Markus 1,8; Lukas 3,16, wo Johannes der Täufer ankündigt, daß der Herr diese Taufe durchführen würde; ferner lesen wir von der Taufe mit dem Heiligen Geist in Apostelgeschichte 1,5, wo der Herr Selbst diese Taufe ankündigt, und Apostelgeschichte 11,16, wo Petrus lediglich an die Worte des Herrn über diese Taufe erinnert. Es ging also bei der Taufe mit dem Heiligen Geist ausschließlich darum, daß die einzelnen Glieder Christi am Pfingsttag zu einem Leib getauft wurden (Apg 2,1‑4). An diesem Tag wurden die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelt (Joh 11,52). 

Am Pfingsttag wurden alle Gläubigen durch den Heiligen Geist unzertrennlich miteinander verbunden und jeder einzelne wiederum mit dem verherrlichten Herrn im Himmel. Durch die Kraft Gottes wurde dieser Leib "zusammengeschmiedet" und kann durch keine Macht auseinandergerissen werden. Dazu kam der Heilige Geist am Pfingsttag auf die Erde, um diesen Leib hier zu bilden. Auf diese Weise wurde die Versammlung auch die Behausung Gottes im Geiste (Eph 2,22). Der Heilige Geist wohnt aber nicht nur in der Versammlung als Gesamtheit, sondern auch in jedem einzelnen Gläubigen persönlich. Was bedeutet es nun für unser persönliches Leben, daß der Heilige Geist in uns wohnt?

Dazu lesen wir in Römer 8,4: auf daß das Recht des Gesetzes erfüllt würde in uns, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln." Wer nach dem Geiste wandelt, dessen praktisches Leben ist durch den Heiligen Geist gekennzeichnet. Das ist der Fall, wenn der Heilige Geist frei in uns wirken kann und wir Seiner Leitung keine Hindernisse entgegensetzen. Unser Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes (l. Kor 6,19). Öffne ich meinen ganzen Leib, mein ganzes Herz, dem Heiligen Geist, oder halte ich, bildlich gesprochen, einige Zimmer geschlossen, so daß der Heilige Geist sie nicht betreten kann? Ich habe in Frankreich Schlösser gesehen, deren Eigentümer nur in einem Flügel dieses Schlosses wohnten, während der restliche Teil unbewohnt war. So kann es auch bei uns sein: Der Heilige Geist wohnt zwar in uns, aber bestimmte Bereiche in unserem Leben, in unseren Gefühlen, in unserem Herzen verschließen wir ihm.

Wenn das so bei uns ist, wird unser Leben nicht durch den Heiligen Geist gekennzeichnet, sondern sind wir fleischlich, wie wir in 1. Korinther 3 gelesen haben.

Nun, hier in Römer 8,4 steht, daß in denen, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln, das Recht des Gesetzes erfüllt wird. Was ist dieses Recht? Das Gesetz befiehlt: Du sollst, du sollst nicht. Es ist der Ausdruck der Rechte Gottes, der als Schöpfer von dem Menschen fordern kann, was er tun soll und was nicht. Seine Geschöpfe haben die Aufgabe, Ihm zu gehorchen. Der Herr Jesus ist der Schöpfer und hat alles für Sich Selbst geschaffen (Kol 1,16). Das Recht des Gesetzes ist also das Recht Gottes auf den Gehorsam Seiner Geschöpfe. Diese Rechte Gottes über mein Leben nicht anzuerkennen, das ist das Prinzip der Sünde.

Wann ist etwas Sünde, und warum ist es Sünde? Das ist eine überaus wichtige Frage, besonders für die jungen Gläubigen unter uns. Ist es Sünde, einen Apfel zu essen? Im Regelfall nicht. Aber es kann Sünde sein. Ebenso kann es Sünde sein, ein Buch zu lesen. Doch wann ist es Sünde? Die eindeutige Antwort des Wortes Gottes ist: Jeder, der die Sünde tut, tut auch die Gesetzlosigkeit, und die Sünde ist die Gesetzlosigkeit" (l. Joh 3,4). 

Gesetzlosigkeit ist das Nichtanerkennen einer Autorität über mir, der gegenüber ich verpflichtet bin, mich ihr zu unterwerfen. Wir kennen das auch im bürgerlichen Leben. Hier aber geht es um das Verhältnis zu Gott. Ich handle also gesetzlos, wenn ich die Tatsache, daß ich ein Geschöpf bin und dem Schöpfer zu dienen habe, nicht beachte, um so mehr, wenn Ich ein Eigentum des Herrn Jesus bin, der mich mit Seinem Blut erkauft hat: "Ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlichet nun Gott In eurem Leibe" (l. Kor 6,20). Alles also, was ich tue, denke oder sage, ohne die Rechte zu berücksichtigen, die der Herr Jesus als mein Erlöser und mein Herr, der mich erkauft hat, ja schon als mein Schöpfer über mich hat, ist Sünde.

So ist es Sünde, wenn ich ein Buch lese, ohne den Herrn gefragt zu haben, ob ich das tun soll, und Er nicht ja dazu gesagt hat. Ich sündige selbst dann, wenn in diesem Buch nichts Falsches steht und vielleicht sogar in diesem Buch das Evangelium klar dargelegt wird. Ebenso ist es Sünde, wenn ich auf die Straße gehe und dort das Evangelium verkündige, ohne vorher den Herrn gefragt zu haben, ob ich das tun soll. An sich ist es eine gute Sache, das Evangelium zu verkündigen. Doch wenn ich es in Unabhängigkeit von dem Herrn tue, sündige Ich. Das ist das Prinzip der Sünde. Das bedeutet es, daß in denen das Recht des Gesetzes erfüllt wird, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln. 

Wenn nämlich mein Leben nach dem Geist ist und der Heilige Geist also alles leiten und bestimmen kann, ist alles, was ich tue, Gott wohlgefällig und zur Ehre des Herrn Jesus. Ist es eigentlich nicht selbstverständlich, daß ich dem Heiligen Geist die Führung in meinem Leben übergebe, nachdem Er Wohnung in mir gemacht hat? Wie kann ich Ihn, Gott, den Heiligen Geist, dazu gebrauchen, daß meine Pläne ausgeführt werden? Wie kann ich Ihn dazu gebrauchen, letzten Endes meinen eigenen Willen zu tun!? Wenn Gott In mir wohnt, kann und darf nur Er die Führung In meinem Leben haben.

Für uns bleibt nur die Frage, die Paulus ausrief, als er von neuem geboren war: Herr, was willst du, daß ich tun soll? Die neue Natur In jedem, der von neuem geboren ist, will nichts anderes als sich Ihm zur Verfügung stellen. Gott, der Heilige Geist, bewirkt dann, daß ich das tue, was Ihm wohlgefällig ist, und Er gibt mir die Kraft dazu. So erfüllt sich dann in meinem ganzen Leben völlig das Recht des Gesetzes. Ich tue dann, was der Schöpfer, was mein Herr mir sagt, und nicht, was der natürliche Mensch, das Fleisch, die alte Natur noch will.

Weiter lesen wir: "Denn die, welche nach dem Fleische sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, welche nach dem Geiste sind, auf das, was des Geistes Ist. Denn die Gesinnung des Fleisches ist der Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden; weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft Ist gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht. Die aber, welche im Fleische sind, vermögen Gott nicht zu gefallen. 

Ihr aber seid nicht Im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt" (Röm 8,5‑9). Und weiter in Vers 11: "Wenn aber der Geist dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes." Der Heilige Geist, der in uns wohnt, Ist also die Garantie dafür, daß wir auferstehen werden.

Wenn wir dem Heiligen Geist in unserem Leben die Führung überlassen, sind wir Söhne Gottes. Gott anerkennt uns dann als solche, und wir können praktischerweise diesen Platz einnehmen. Söhne sind erwachsene Kinder, denen der Vater Sein Herz öffnet und die Er an Seinen Gedanken teilhaben läßt. Das tut Gott, wenn wir nicht nur unsere Stellung als Kinder Gottes, sondern als Söhne verwirklichen: "Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater" (Röm 8,15). "Abba, Vater" nannte der Herr Jesus, als Er auf Erden war, den Vater, und wir dürfen den Vater ebenfalls jetzt so ansprechen. 

"Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste [also mit unserem neuen Leben], daß wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben ‑ Erben Gottes und Miterben Christi“ (V. 16.17). In Vers 26 lesen wir dann: "Desgleichen aber nimmt auch der Geist sich unserer Schwachheit an; denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie sich's gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern." Gibt es nicht Umstände, in denen wir nicht wissen, was wir bitten sollen, weil uns die Einsicht fehlt, die der Herr hat? Doch wenn wir es auch nicht wissen, Gott, der Heilige Geist, ist in uns, und er verwendet sich für uns. Er weiß, was gut ist. So steigt unser Gebet doch auf zu Ihm, denn der Heilige Geist ist es, der sich mit uns einsmacht und in unserem Namen vor Gott dem Ausdruck gibt, was wir brauchen.

Eine wunderbare Tatsache in Verbindung mit der Innewohnung des Heiligen Geistes finden wir in Galater 5,16.17: "Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen.

Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; lese aber sind einander entgegengesetzt, auf daß ihr nicht das tuet, was ihr wollt." Den Kampf gegen das Fleisch, das noch in mir ist und sich behaupten will, das die Führung in meinem Leben haben will, brauche nicht ich zu führen, sondern führt der Heilige Geist, der In mir wohnt. Wir können diesen Kampf auch überhaupt nicht kämpfen. Für uns gilt die Erfahrung aus Römer 7,15: "Denn nicht was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus." 

Und warum ist das so? Weil das Fleisch in mir Macht über mein praktisches Leben hatte. Jetzt aber wohnt der Heilige Geist in mir, und er führt diesen Kampf. "Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch‑, diese aber sind einander entgegengesetzt" ‑ nicht: auf daß ihr nicht sündiget, sondern "auf daß ihr nicht das tuet, was ihr wollt." Wir haben nicht unserem eigenen Willen zu folgen, sondern das zu tun, was Er uns sagt. Der Heilige Geist wird das Fleisch besiegen und dafür sorgen, daß es nicht dazu kommt, in meinem praktischen Leben zu wirken. Gottes Kraft steht uns zur Verfügung, damit Er diesen Kampf für uns führen kann.

Abschließend möchte ich noch einige Worte über den Heiligen Geist sagen, wie er uns in Johannes 4 vorgestellt wird. Der Herr Jesus spricht dort über lebendiges Wasser. Das beinhaltet die beiden Dinge, die wir auch in Johannes 3,5 finden: "Aus Wasser und Geist“. Sie werden hier zusammengefaßt in dem einen Ausdruck: lebendiges Wasser. Wasser ist, wie wir gesehen haben, ein Bild des Wortes Gottes; hier als lebendiges Wasser gesehen, das eine innere Kraft in sich hat. Wasser springt aus sich selbst nicht hoch, wohl aber lebendiges Wasser: es hat eine innere Kraft In sich. Wir haben in 1 . Korinther 2 gesehen, was diese innere Kraft Ist: der Heilige Geist, der dieses Buch gegeben hat, der diese geistlichen Worte mitgeteilt hat und der die geistlichen Dinge, die in diesen Worten eingeschlossen sind, offenbart. 

Nun sagt der Herr Jesus, daß das Wasser, das Er geben würde, eine Quelle in uns werden würde, die ins ewige Leben quillt (eigentlich: aufspringt). Der Heilige Geist bringt das neue Leben, das ich in der neuen Geburt empfangen habe, in eine lebendige Verbindung mit Ihm, der der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist. Durch diese lebendige Verbindung kann ich Ihn und Seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit Seiner Person und Seiner Stellung, schon jetzt in mein Herz aufnehmen und genießen. Wir können Seine Herrlichkeit anschauen, wie Hebräer 2,9 sagt: "Wir sehen aber Jesum ... mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.

" Wir sehen Ihn so, wie Stephanus Ihn sah: "Ich sehe ... den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen" (Apg 7,56). Nicht mit unseren natürlichen Augen, sondern mit den Augen des Herzens (Eph 1,18). Das ist deshalb möglich, weil der Heilige Geist, Gott, der Heilige Geist, In diesem Wort die Herrlichkeit des Herrn Jesus entfaltet, so daß wir Ihn dadurch sehen können.

Dasselbe finden wir auch in Johannes 7, wo der Herr Jesus am achten Tag des Laubhüttenfestes ausrief. "Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen."

Und Johannes fügt dann hinzu: "Dies aber sagte er von dem Geiste, welchen die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war" (V. 3739). Der achte Tag ist ein Bild des ewigen Zustandes, während die ersten sieben Tage von, der Ruhe für Israel in dem Tausendjährigen Reich sprechen. Nach den sieben Tagen beginnt der achte Tag, und das kann nur noch die Ewigkeit sein. Der Heilige Geist in uns macht uns fähig, jetzt schon die Dinge zu genießen, die, bildlich gesprochen, am achten Tage, also in der Ewigkeit, unser Teil sein werden. 

Die Segnungen des ewigen Zustandes werden nicht nur in der Herrlichkeit, in dem neuen Himmel, im Vaterhaus, unser Teil sein, sondern der Heilige Geist, der diese Dinge alle kennt, hat sie bereits in dem Worte Gottes geoffenbart. Wenn wir in einem geistlichen Zustand sind und das Wort Gottes lesen, sehen wir diese Herrlichkeit schon jetzt. Der Heilige Geist ist die göttliche Kraft in uns, die uns fähig macht, diese Segnungen in Besitz zu nehmen, so daß wir schon jetzt die Dinge genießen können, die in alle Ewigkeit im Vaterhaus unser Teil sein werden. Wenn der Herr Jesus Selbst mein Leben ist und Gott, der Heilige Geist, in mir wohnt und die Kraft ist, die in diesem neuen Leben wirkt und mich fähig macht, alle geistlichen Segnungen in Besitz zu nehmen ‑ wie unendlich reich bin ich dann.

In Johannes 17 sagt der Herr zu Seinem Vater: "Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich [Vater], den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen" (V. 3). Das ist unser Teil: Gott als unseren Vater zu kennen, Seine Herrlichkeit zu genießen und den Herrn Jesus zu kennen als Gott, den Sohn, und Ihn als den verherrlichten Menschen im Himmel zu sehen, Seine Herrlichkeit und all die Schätze zu sehen und zu genießen, die unser Teil sein werden, wenn wir bei Ihm sind. Doch wir können sie schon jetzt in unsere Herzen aufnehmen und genießen. Ist das nicht wunderbar?! So reich ist nach Gottes Gedanken ein Christ!

 Wir sind noch auf der Erde, noch nicht im Haus des Vaters, aber wir werden dorthin kommen. Solange wir auf der Erde sind, haben wir das Fleisch noch; es bleibt hier zurück, wenn der Herr kommt, um uns heimzuholen. Doch schon hier auf der Erde gilt: Der Heilige Geist wohnt in mir. Ich bin das Eigentum des Herrn Jesus, bin um einen Preis erkauft worden, und Er ist mein Leben. Gott, der Heilige Geist, wohnt in meinem Leib und will den Kampf gegen das Fleisch für mich führen, so daß ich nicht zu kämpfen brauche. 

Er betet für mich, wenn ich nicht weiß, was ich beten soll. Er ist mein Fürsprecher, der mich in allem vertritt und der alles tut, was notwendig ist. Der Herr Jesus tut das für uns im Himmel, und der Heilige Geist tut das genauso hier auf der Erde. Wie glücklich ist doch ein Christ! Wir dürfen all das im Glauben annehmen, was Gottes Wort uns sagt: Was wir als Sünder waren und wer Gott in Seiner Herrlichkeit und Gerechtigkeit Ist, was Gott in dem Werk des Herrn Jesus für uns getan hat ‑daß alles in Ordnung gebracht ist und alle Hindernisse beseitigt sind, so daß alles, worüber wir heute abend gesprochen haben, unser Teil wird, wenn wir den Weg gehen, den Er uns gezeigt hat. "Unendliche Liebe, wie reich machst du doch", singen wir von dem Herrn Jesus. Wir können es auch von dem Vater singen, der es in Seinem Herzen hatte, uns dies alles zu geben.

Der Sohn hat das Werk vollbracht, weil auch Er uns liebte, "der Sohn Gottes, der mich geliebt hat" (Gal 2,20), und Er hat es dem Vater möglich gemacht, uns alle diese Dinge zu geben.

Humburg Paul, Sein Rat ist wunderbar

07/19/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Lehre von der Erwählung ist kein reformiertes Sondergut

Ehe ich in die Behandlung des Themas selbst eintrete, seien einige Vorbemerkungen gestattet.
»Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum glauben oder zu ihm kommen kann«, sagt Luther in der Erklärung des dritten Artikels. Das ist ein kräftiger Ausdruck der Lehre von der Erwählung der Gläubigen. Wir haben es hier nicht mit einer reformierten Sonderlehre zu tun. Immer wieder stößt man in unseren christlichen Kreisen auf diesen großen Irrtum. Keiner von den Reformatoren hat die Erwählung der Gläubigen mit solcher Deutlichkeit, ja Schärfe gelehrt wie Luther; und zwar auch in der Form, wie sie von den meisten immer als die eigentümlich reformierte Lehre verabscheut wird, nämlich daß er auch die Verwerfung eines Teils der Menschen aus Gottes Bestimmung lehrte. Diese Lehre hat Luther zuerst ausgesprochen.


Einige Zeit danach hat die lutherische Kirche angefangen, die Lehre von der Erwählung umzubiegen und abzuschwächen. Schon Melanchthon in seinen späteren Jahren begann damit; aber das war ihre Schuld. Damit ist sie von ihrem Meister abgewichen, denn dieser hat bis zuletzt festgehalten an dieser Lehre.
Wenn man die populäre Ansicht der meisten lutherischen Brüder heutzutage hört, so könnte man meinen, Luther habe den freien Willen gelehrt. Es wird ihnen schwer, sich daran zu erinnern, daß Luther als eine seiner Hauptschriften geschrieben hat »De servo arbitrio«. Darin stellt er dar, daß der freie Wille nichts sei.
Alle echt lutherischen Brüder standen daher damals und stehen heute ebenso wie ihr Meister auf der Lehre von der Gnadenwahl. Man hält diese Lehre darum weithin für eine besondere reformierte, nicht weil sie Calvin so besonders scharf gelehrt hat - das hat er getan, und er ist meines Erachtens darin zu weit gegangen -‚ sondern deshalb, weil die reformierte Kirche an diesem Punkt mehr an der reinen, ursprünglichen Lehre aller Reformatoren festgehalten hat. Das ist ohne Zweifel ihre Stärke.
Es gibt ein Buch von Klimptsius über die Gnadenwahl vom Jahre 1712 von »einem evangelisch-lutherischen Diener des Wortes zu Fischbach in Schlesien, samt einem nachdenklichen Anhang, worin klar vorgestellt wird, daß in der Lehre von der Gnadenwahl alle wahren Reformierten recht gut lutherisch gesinnt sind«. Man muß dem Märchen entgegentreten, als ob die Lehre von der Erwählung eine besondere Lehre Calvins gewesen sei. Man tut Luther bitter Unrecht, wenn man meint, er habe diese allerköstlichste Lehre von dem tiefsten Trost der Kinder Gottes nicht gekannt oder geliebt.
Paul Gerhardt, der doch wohl nicht als reformiert verdächtigt werden kann (denn um seines Kampfes gegen die Reformierten
willen ist er aus Amt und Beruf gegangen), singt: »Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren.« Und Joh. Gottfried Herrmann singt in
seinem Lied: »Geht hin, ihr gläubigen Gedanken, ins weite Feld der Ewigkeit«:
 
»Der Grund der Welt war nicht geleget,
der Himmel war noch nicht gemacht,
so hat Gott schon den Trieb geheget,
der mir das Beste zugedacht.
Da ich noch nicht geschaffen war,
da reicht er mir schon Gnade dar.

o Wunderliebe, die mich wählte
vor allem Anbeginn der Welt;
die mich zu ihren Kindern zählte,
für welche sie das Reich bestellt!
o Vaterhand, o Gnadentrieb,
der mich ins Buch des Lebens schrieb!«

Noch im Jahre 1543 hat Melanchthon, als ein gewisser Pighius von Kampen die Erwählungslehre von Luther, Calvin und Me-lanchthon angegriffen hatte, mit der Verteidigung der gemeinsamen Anschauung der Reformatoren Calvin beauftragt. Wir handeln also nicht über eine konfessionelle Sonderlehre, sondern über eine Botschaft, die Allgemeingut aller Reformatoren gewesen ist. »Unser Stammbaum geht über Calvin und Luther sowie alle großen Theologen aller Zeiten, über Augustin und Paulus auf Christus zurück«, sagt Charles Haddon Spurgeon, der große englische Baptistenprediger.

Wir müssen uns allein an die Schrift halten
Natürlich kann man auf den Seiten eines kleinen Heftes nicht alles sagen, was hier zu sagen wäre. Ich bitte, mir keinen Vorwurf daraus zu machen, wenn ich nicht alle einschlägigen Fragen eingehend und erschöpfend besprechen kann.
Ich möchte auch nicht Gedanken von Menschen, die über diese Lehre geschrieben und geredet haben, aufführen und besprechen. Es soll sich hier nicht um Gedankengebilde von Menschen handeln, sondern um den Versuch, Gottes Wort und seine Aussagen allein maßgebend sein zu lassen.
Man darf die Erwählungslehre nicht dadurch in Mißkredit bringen, daß man ein kaltes Lehrgebäude daraus macht und dieses auch noch in möglichst abschreckender Form vorträgt, vielleicht so: Gott hat die einen zum Heil, die andern zum Verderben bestimmt. Sie unterliegen beide einem unabänderlichen Schicksal. - Wenn man das sagt, dann wird alsbald die Entrüstung laut: Das ist kein Gott der Liebe und der Gerechtigkeit, das ist ein grausamer Tyrann.
So darf man diese Lehre nicht darstellen. Das ist nicht das biblische Wort von der Erwählung. Die starken Ausdrücke der Reformatoren, die beinahe und ungefähr so lauten, sind sicher nicht daher zu erklären, daß diese Männer Gottes den Gott der Liebe nicht gekannt hätten. Die Reformatoren sind mit ihren Aussprüchen ohne Zweifel der Wahrheit, auch der Wahrheit über Gottes Liebe, viel näher als viele weichliche und schwächliche Theologen, die sich vor diesen Aussagen so schrecklich fürchten.
Aber ich bin auch der Meinung, daß die Reformatoren in den verstandesmäßigen Konsequenzen, die sie gezogen haben, zu weit gegangen sind. Gleich zu Anfang will ich sagen, daß ich nicht glaube, in der Bibel werde gelehrt, daß ein Teil der Menschen von Ewigkeit her zum ewigen Verderben bestimmt sei. Gottes Zorn ist nicht der erste und nicht der letzte Wille Gottes (Adolf Schlatter). Gottes Zorn ist die Antwort auf unsere Sünde.
Wir müssen uns bei der Lehre von der Erwählung vor allem verstandesmäßigen, logischen Konsequent-Sein-Wollen hüten. Am springenden Punkt, das möchte ich gleich vorwegnehmen, werde ich jedesmal eine Auffassung vertreten, die verstandesmäßig ganz unkonsequent ist, sich logisch nicht reimen läßt und die doch das einzige ist, was ich zu sagen weiß. Wir haben es nicht zu tun mit einem Gedankengebäude oder gar mit Gedankenkunststücken, die uns eine Erklärung geben sollen, wie es nur kommt, daß einige Menschen selig werden und andere nicht, und wodurch wir dieses drückende und schwere Rätsel aus der Welt schaffen wollen. Wir werden es nie aus der Welt schaffen.

Wir haben es bei dieser Lehre nur zu tun mit einem Trost für die Gläubigen. Nur so weit geht auch die Schrift. Sie gibt uns die Lehre vom Heil für alle, die danach dürstet und hungert, nicht die Lehre vom Heil und Unheil. Sie zeigt uns den Weg, wie man selig werden kann, »erklärt« aber nicht, warum viele nicht selig werden. Und wir wollen uns in allen Stücken an die Schrift allein halten. Soweit diese uns Klarheit gibt, wollen und müssen wir sie annehmen. »Aber sobald der Herr seinen Mund zutut, muß auch der Mensch den Weg, weiter zu forschen, verlassen; denn jeder Schritt, den wir außerhalb des Wortes Gottes tun, muß uns in die Irre führen. Wir müssen uns gewöhnen, uns zu bescheiden, denn hier ist Unwissenheit die rechte Gelehrsamkeit« (Calvin).
Denselben Standpunkt vertritt Luther. Zwar betont er, »man muß über diese Dinge nicht mit einem überhinrauschenden, gemarterten oder zweifelhaftigen und auch wohl lasterhaftigen Glößlein zufrieden sein, aber man darf sich nur von der Schrift führen lassen. Denn wer wissen will, was Gott verborgen hat und will sich weise dünken, der sieht nicht, daß dies das Übel ist, daran Adam und Eva samt ihren Nachkommen den ewigen Tod gefressen haben.« Gottes Wort müssen wir fragen, und »es ist mit Gottes Wort nicht zu scherzen. Kannst du es nicht verstehen, so zeuch den Hut vor ihm ab« (Luther).
Es gilt, sich mit ganzer Entschlossenheit unter Gottes Wort zu beugen, auch wenn man es nicht versteht. Es ist für Gottes Wort eine Ehre, wenn es nicht so flach ist, daß man ihm alsbald auf den Grund sehen kann. Und wir werden, wenn wir überhaupt davon überzeugt sind, daß unser Wissen Stückwerk ist, uns daran ganz besonders erinnern müssen, wenn wir nachzudenken beginnen über die Tiefen der göttlichen Weisheit, die nicht mehr im Bereich dieser Welt und ihrer Geschichte liegen, sondern in die Ewigkeit hineinreichen. Da wird Bescheidenheit in den Aussagen doppelt angebracht sein. Manchmal beim Gewitter wird das Telefon abgestellt, weil man sonst elektrische Schläge bekommen könnte. So gibt es Gebiete im Reich des Glaubens, wo man gut tut, das Telefon abzustellen. Man telefoniert nicht ungestraft hinein. Wenn man keine Schläge bekommen und Schaden leiden will, so bescheide man sich.
»Ich laß die Runen stehen,
es kommt ein Sonnentag,
da bei des Morgens Wehen
kein Rätsel bleiben mag.«   (Gottlob Schrenk)
 
Ein Brautgeheimnis der Jünger des Herrn
Noch eins ist zu sagen, ehe wir an den Gegenstand näher herantreten. Wir haben es bei den Aussagen über die Erwählung in der Schrift mit Glaubensaussagen zu tun, die von persönlichem Glaubensleben nicht abzutrennen sind. Mit anderen Worten: Diese Lehre ist nur für die gläubigen Kinder Gottes bestimmt. Wer über diese Fragen nachdenkt und sucht dabei in Gottes geheime Kanzlei einzudringen mit seinem Vorwitz, ob er wohl erwählt sei, der sucht die Wahrheit »neben dem Weg« und stürzt in Abgründe der Verzweiflung (Calvin).
Auch Luther warnt davor. Man solle nicht den Römerbrief bei Kapitel 9 anfangen zu lesen. Viele gehen an diese Stelle zuerst heran und wollen erst den Abgrund der göttlichen Versehung verstehen. Das ist falsch. »Folge der Epistel in ihrer Reihenfolge, suche erst die Wahrheit über Sünde und Gnade zu erreichen, dann erst hindurch durch Trübsal und Leiden, von denen Kapitel 8 spricht. Dann wirst du erst fähig sein, die Tiefe der Lehre von der Versehung zu verstehen. Ohne Kreuz, Leiden und Todesnöte kann man die Versehung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott handeln. Eine jegliche Lehre hat ihr Maß, Zeit und Alter, und Säuglinge sollen nicht starken Wein trinken.«
Zumal aber sollen die überhaupt nicht an diese Lehre herangehen, die noch nicht in Christo sind, die noch nicht wiedergeboren sind zu dem Leben aus Gott. Erwählung ist eine Tat der Liebe; nur der kann sie verstehen, der die Liebe Gottes selbst erfahren hat. Und alles, was Liebe ist, ist ein Geheimnis, auch Gottes Liebe.
Die Lehre von der Erwählung ist eine Wahrheit des Glaubens, nicht der Philosophie. Das Grübeln nach der Weise des Verstandes hilft hier keinen Schritt weiter. Das Wort von der Erwählung ist ein Brautgeheimnis der Jünger des Herrn. Die sein eigen sind, die lernen es verstehen. So wie die bemalten Kirchenfenster von außen gesehen uns nur den Anblick verworrener Linien und unverständlicher Bleifassungen darbieten, aus dem Innern der Kirche gesehen aber, wenn das Licht hindurchscheint, herrliche Gemälde zeigen so ist es auch mit dieser Lehre. Wer außen steht, außerhalb Christus, sieht nur verworrene Linien, die ihn selbst verwirren. Wer innen steht, in der Gemeinschaft mit Christus, der hat klare Bilder, deutliche Wahrheiten.

@1982 Francke-Buchhandlung

Hörster Gerhard, Markenzeichen BIBELTREU - Die Bibel richtig verstehen auslegen anwenden

07/17/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

3. Wege zum Verständnis der Bibel oder: Was man bei der Auslegung der Bibel beachten muß

Solange es eine Bibel gibt, so lange gibt es auch eine Auslegung der Bibel. Die jüdischen Schriftgelehrten haben zunächst die Auslegung des Alten Testamentes betrieben. Seitdem es die Bibel aus Altem und Neuem Testament gibt, haben christliche Theologen diese Bibel ausgelegt.
Von Zeit zu Zeit, manchmal in großen Zeitabständen, ragt aus der Reihe der Ausleger einer besonders hervor, und sein Einfluß ist so maßgebend, daß er eine ganze Schule bildet, viele Schüler und Anhänger hat; und viele andere nehmen seine Ansichten auf und geben sie weitet Das ist in unserem Jahrhundert mit der Schule von Rudolf Bultmann so gewesen; Rudolf Buitmann, der seine Auslegungsarbeit in den zwanziger Jahren begann und ein ganzes Programm der Auslegung des Neuen Testaments vorgestellt hat. Viele sind durch dieses Programm geprägt worden.


Es scheint so, als würde sich etwas Neues dieser Art anbahnen, als gäbe es einen neuen Ausleger, der eine ganze Generation prägen kann. Er hat inzwischen schon eine Reihe von umfangreichen Büchern zum Verständnis der Heiligen Schrift, zum Verständnis des Neuen Testamentes veröffentlicht. Inzwischen ist er so bekanntgeworden, daß auch das Fernsehen auf ihn aufmerksam geworden ist. Ich spreche von Eugen Drewermann, Doktor der Theologie, Jahrgang 1940. Er hat Philosophie in Münster studiert, Theologie in Paderborn und Psychoanalyse in Göttingen. 
Er ist Privatdozent für SystematischeTheologie an der Philosophisch-Theologischen Fakultät in Paderborn und auch als Psychotherapeut tätig.
Eugen Drewermann setzt mit einer Beobachtung ein, die im vorhergehenden Kapitel bereits angesprochen wurde. Drewermann hält zwar die historisch-kritische Arbeit an der Bibel für verdienstvoll und unverzichtbar, aber ihr Ergebnis nach hundertJahrenAnwendung für äußerst mager. Ich lasse ihn selber zu Wort kommen: „Das aufgeschichtete Resultat geschichtlicher Untersuchungen in der Bibel ist, religiös betrachtet, nach mehr als hundert Jahren von einer monströsen Inhaltslosigkeit. Der' Eindruck, den ein Theologiestudent schon in den Anfangssemestern beim ersten Kontakt mit der gegenwärtigen Bibelwissenschaft gewinnt, trügt nicht. Er wird die Fragen, die er um seiner selbst willen an den Text richten möchte und die ihn zum Studium der Heiligen Schrift wesentlich motivieren, innerhalb der historisch-kritischen Methode nicht nur unbeantwortet lassen müssen; er wird sie überhaupt völlig zu vergessen haben. Sagen wir es offen: Auf diese Weise werden Menschen, die Gläubige, und Theologen sein möchten, unfehlbar zu Schriftgelehrten und Religionswissenschaftlern herangebildet, die im Status ihrer Vollendung eigentlich nur noch aus Traditionsgründen in der Theologie an-wohnen und ehrlicherweise besser in der altorientalischen oder gesellschaftswissenschaftlichen Abteilung untergebracht wären. 4412
Zu dieser Entwicklung der historischen Kritik zu einer „monströsen Inhaltslosigkeit" ist es nach Drewermann gekommen, weil man einseitig auf das menschliche Bewußtsein gesetzt hat. Oder um es mit meinen Worten zu sagen: Weil man einseitig auf die menschliche Vernunft und ihr Vermögen gesetzt hat,, biblische Texte zu analysieren, sie historisch zu befragen und auf ihren Kernbestand zu reduzieren.

Drewermanns These heißt: Diese von der Vernunft ausgehende Befragung biblischer Texte ist dem Gegenstand derTheologie und der Bibel nicht angemessen. - Das klingt gut, aber ehe man applaudiert, sollte man genauer hinsehen. Wie sieht denn die Alternative aus, die andere Auslegung der Bibel, die Eugen Drewermann vorschlägt? Er behauptet, es gehe in der Bibel und in der Theologie überhaupt um die Sprache der Bilder, der Mythen, der Sagen. Das sei in der Bibel und in der Theologie und in der christlichen Kirche nicht anders als in anderen Religionen. Und in diesen Bildern, Mythen, Sagen sprächen sich Grunderfahrungen der menschlichen Seele aus. Sehr bald kommt in seinen Werken heraus, wer sein Ratgeber ist: C.G. Jung mit seiner Lehre der Archetypen, also jener Grundmuster der menschlichen Seele, die den einzelnen übergreifen und die für das Menschsein typisch sind. Mit anderen Worten: Drewermann benutzt die Tiefenpsychologie, um die Brücke zu den Texten aus alter Zeit zu schlagen. Er meint, mit derTiefenpsychologie eine Methode gefunden zu haben, durch die diese Texte aus alter Zeit für Menschen heute Bedeutung haben, sie ansprechen.
Drewermann setzt nicht auf menschliche Vernunft, um die biblischen Texte zu erschließen, sondern er setzt auf menschliche Emotionalität. Bilder muß man sehen, in Bilder muß man sich hineinleben, von Bildern muß man sich mitnehmen lassen in den eigenen Gefühlen. Dann kommt man der Sache nahe.
Von vielen, die unsere Welt, die wesentlich von der Vernunft bestimmt und an Leistung orientiert ist, als nicht beglückend erleben, wird die Botschaft von Drewermann begierig aufgenommen. Viele haben einen

Hallesby Ole, Wie ich Christ wurde

07/14/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Vom Zweifel zum Glauben

Es gibt zwei Arten von Zweiflern.
Zunächst gibt es solche, die ihre Zweifel lieben, weil diese sie vor den Anklagen ihres Gewissens decken. Sie wollen ihr selbstsüchtiges Leben nicht aufgeben, das sie entweder in groben und offenbaren Sünden oder in der gewöhnlichen Weltliebe oder in moralischer Selbstgerechtigkeit führen. Wenn sie vom Gewissen beunruhigt werden, ist der Zweifel das beste Mittel, um es zum Schweigen zu bringen.
Darum sehen wir, daß diese Leute ihre Zweifel wie einen kostbaren Besitz verteidigen, den sie nicht missen möchten. Daher wählen sie auch Literatur, die ihre Zweifel bestärkt. Sie ergreifen jede Gelegenheit, über christliche Fragen zu debattieren. Vermögen sie ihren Gegner in der Debatte auch nicht zu überzeugen, so fühlen sie sich jedesmal bestärkt, wenn sie in einer solchen Debatte ihren gläubigen Gegner wenigstens verwirrt und an die Wand getrieben haben. Wenn ein solcher Zweifler dieses Buch in die Hände bekommen sollte, dann will ich gleich sagen, (laß er es nicht ist, dem ich meine Hilfe anzubieten wage.

Er will debattieren und erwartet von mir, daß ich alle diese Fragen zur Debatte aufnehmen soll. Aber das will ich nicht. Ich glaube nämlich nicht, daß Debatten gegen Zweifel helfen.

Der Zweifel, von dem wir hier sprechen, läßt sich nämlich nicht durch logische Argumente entfernen. Allein die Erfahrung von Tatsachen kann unsere Seele vom Zweifel zur Gewißheit bringen. Die Zweifler, denen ich meine Hilfe anzubieten wage, sehen anders aus. Sie leiden unter ihren Zweifeln. Sie sind der peinigenden Ungewißheit müde und sehnen sich nach der tiefen Ruhe einer stillen und unangreifbaren Gewißheit. Aber jedesmal, wenn sie glauben, festen Grund unter die Füße bekommen zu haben, sinken sie zurück in das grundlose Meer des Zweifels.
Diese innere Ungewißheit wird schwerer für sie, wenn sie ihre Freunde und Kameraden ansehen, die Gott gefunden haben. Für diese ist Gott nicht länger ein Problem, auch nichts Gedachtes, Gesuchtes oder Ersehntes. Für sie ist Gott eine lebendige Wirklichkeit. Sie erleben Gott. Die Gewißheit gibt ihnen Ruhe, Freude und Kraft.
Diese ehrlichen, suchenden und leidenden Zweifler sind es, denen ich meine Hilfe anbiete.
Ich bin selbst durch alle Grade des Zweifels gegangen und kenne seine Pein. Aber ich kenne auch einen Weg vom Zweifel zum Glauben. Einen Weg, der für jeden Zweifler gangbar ist. Er tut keiner menschlichen Anlage Zwang an, auch nicht der logischen.
Diesen Weg hat Jesus schon vor 19oo Jahren gewiesen. Er drückte es so aus: »So jemand will des Willen tun, der wird innewerden, ob diese Rede von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede«, (Joh. 7,17). Hier verspricht er persönliche Gewißheit auf Grund von Erfahrungen. Als Bedingung stellt er nur eins: so jemand will Gottes Willen tun.
In diesem Wort Jesu wird etwas vom Zweifel und der Ursache des Zweifels gesagt, was sehr wichtig ist. Manche meinen, ihre vielen Kenntnisse oder ihr scharfes Denken seien der Grund ihrer Zweifel. Andere sind bescheidener und glauben, ihre Zweifel beruhen darauf, daß sie nicht scharf genug denken und nicht genug Kenntnisse haben.
Nein, der Grund deiner Zweifel ist ein ganz anderer. Es fehlen dir gewisse notwendige Erfahrungen, darum befindest du dich in Zweifel und Ungewißheit.
Wenn ich dir meine Hilfe anbiete, will ich deinen Zweifeln nicht mit logischen Argumenten begegnen. Hingegen wjJl ich, so gut ich kann, auf die Erfahrungen hinweisen, die du haben mußt, ehe der Zweifel weichen kann. Und gleichzeitig will ich versuchen, den Weg zu zeigen, den du gehen mußt, um diese Erfahrungen machen zu können.
Gehst du diesen Weg und kommst du zu diesen Erfahrungen, so werden die Erfahrungen deine Zweifel beseitigen und dir den einzigen und einfachen Weg zum Leben freigeben.
Mein erster Rat ist folgender: Lies das Neue Testament. Ja, sagst du, glaubte ich nur daran, so wäre mir geholfen. Denn es ist ja gerade das biblische Wort, über das ich im Zweifel bin. Ich verneine nichts. Im Gegenteil, ich will glauben, aber ich vermag es nicht. Ich zweifle anstatt zu glauben.
Ich weiß, daß es so mit dir steht. Dieses Fahrwasser ist mir vertraut. Ich setze darum nicht allzuviel bei dir voraus.
Ich setze voraus, daß du an dem übernatürlichen Zustandekommen der Heiligen Schrift zweifelst und ebenso an den meisten, vielleicht allen Wunderberichten im Neuen Testament.
Jesus verlangte niemals von seinen Zuhörern, daß sie im voraus eine große oder kleine Anzahl Dogmen über ihn annehmen oder anerkennen sollten. Er bat sie vielmehr, daß sie zu ihm kommen sollten, seine Stimme hören und ihm folgen.
Und was dann? Ja, alle, die das redlich taten, erlebten Jesus und waren danach persönlich überzeugt von dem, was er über sich selbst sagte. Und als sie ausdrücken wollten, was sie erlebt hatten und wovon sie persönlich überzeugt waren, da schrieben sie die Schriften nieder, die wir im Neuen Testament haben. Lies nun diese seltsame Schriftsammlung durch, dann wirst du sehen, wie erstaunlich die verschiedenen Verfasser in ihren Jesusberichten übereinstimmen.
Seit jener Zeit sind Millionen Menschen Jesus begegnet und haben seine wunderbare Persön1ichet erlebt. Und wenn sie in Worten ausdrücken sollten, was sie erfahren hatten und wovon sie überzeugt waren, fanden sie keine besseren Worte dafür, als im Neuen Testament gebraucht sind.
Späterhin hatten sie das Bedürfnis, in kurzen Sätzen das Wesentliche von dem auszusprechen, was sie bei ihrer Begegnung mit Christus erlebt hatten. Diese Sätze nennt man kirchliche Bekenntnisse. Von diesen nenne ich vor allem das apostolische Glaubensbekenntnis, weil es allen christlichen Kirchen der Welt gemeinsam ist.
Und nun höre, wie es sich mit den Dogmen verhält, die in diesem gemeinsamen kirchlichen Bekenntnis enthalten sind. Die Dogmen sind nicht von den Kirchen aufgestellt als etwas, was der einzelne annehmen muß. Hingegen sind sie der Ausdruck von den Dingen über Christus, die einem Menschen zur freudigen Gewißheit werden, wenn er ihn als seinen Erlöser erkennt. Jesus stellt allen Zeiten, heute wie vor 1900 Jahren, nur eine Bedingung, um uns zur persönlichen Gewißheit zu verhelfen, und diese eine Bedingung lautet: »Wenn jemand will Gottes Willen tun.«
Nimm nun dein Neues Testament und lies es, um »Gottes Willen« zu finden.
Ja, sagst du, aber es ist für mich so schwierig, das Neue Testament zu lesen. Alle diese Wunderberichte und viele andere unwahrscheinliche Gedanken und Erzählungen verwirren mich, ja stoßen mich ab und machen es mir schwer, mit ruhigem und offenem Sinn zu lesen.
Diese Einstellung kenne ich gut von meiner eigenen Zweiflerzeit her. Darum will ich dir den Rat geben, daß du vorläufig ganz einfach all das beiseite läßt, was deinem Intellekt allzu große Schwierigkeiten bereitet. Lies nur das

Hueck-Dehio Else, Liebe Renata - Geschichte einer Jugend in Dorpat

07/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

DA TAGEBUCH

Renata saß im Boot undAchrieb. Die schwatze Wachstuchkladde lag auf ihren Knien, und der Bleistift wanderte munter auf den Zeilen der Seite entlang. Manchmal hob sie den Kopf und schaute übers Schilf hinweg, das wie ein steiler Wald ihr Boot umstand, oder sie tauchte die linke Hand neben dem Bootsrand ins Wasser. Das Wasser war dunkel und lauwarm von der starken Sonne, unzählige Wasserläufer glitten darüber hin. Das Holz des Bootes und des kleinen morschen Steges duftete nach Teer und nach Fischen, und- die Stille - zwischen Wasser, Wiese und Himmel - war ungestört und groß.
Sie war so groß, daß Renata sogar den Schritt nackter Füße vernehmen konnte, der sich auf dem Uferweg näherte. Sie kannte den Schritt. So vorsichtig und leise konnte nur Thea auf ihren braunen Kindersohlen schleichen. Renata meinte, den warmen schwarzen Moorboden bei jedem Schritt zwischen den Zehen des kleinen Mädchens vorquellen zu sehen, und sie lächelte vor sich hin, während sie ihren Satz beendete.

Gleich darauf schob sich Theas rundes Gesicht vorsichtig zwischen die Schilfhalme. Ihre Augen, blank und aufmerksam wie die eines Hasen, überschauten schnell den kleinen Anlegeplatz. Als sie ihre Schwester sah, drängte sie sich durchs Schilf, sprang auf den Steg und lief lustig wippend zum Boot. »Erst Füße waschen!« rief Renata ihr entgegen, und die Kleine in ihrem blauen Kleidchen setzte sich gehorsam auf die heißen Bretter und tauchte ihre Füße ins Wasser. Darin sprang sie zu Renata auf die hölzerne Bank.

Das Boot schwankte einen Augenblick, und Wellenkreise liefen flüsternd durchs Schilf in den See hinaus. Draußen auf dem freien Wasser sah man sie kaum mehr, höchstens wie einen gleitenden Glanz, der den ruhenden Spiegel verschönte. Dann war es wieder still. Weder Luft noch Schilf, noch Wasser regten sich. Nur eine Heuschrecke begann in der Wiese zu schrillen.
»Was machst du hier eigentlich?« fragte Thea und guckte mit unmißverständlicher Wißbegierde in die schwarze Wachstuchkladde.
»Du siehst doch, ich schreibe«, antwortete Renata und klappte die Kladde zu.
»Ja, aber was?« beharrte die Kleine, »Tagebuch?« Renata nickte. Dann schwiegen beide, und die Sonne briet auf ihrem Haar, ihren Armen und ihrem braunen Sommernacken.
Schließlich begann Thea wieder: »Kannst du mir nicht etwas vorlesen?« Renata kannte diese Bitte schon und hatte sie sogar erwartet. »Von heute!« bat Thea weiter, und Renata schlug die Kladde wieder auf. Sie las:
»... Übermorgen müssen wir also nach Dorpat zurück, denn die Schule fängt an. Das Wetter ist allerdings noch schön, warm wie im Sommer, aber in Waimola summt schon alle Tage die Dreschmaschine, und wenn man barfuß über die Felder läuft, dann stechen. einen die Stoppeln. Mama hat schon angefangen, unsere Koffer zu packen, und am Abend geht sie durch alle Zimmer, schaut aus dem Fenster, an dem früher Urgroßmamas Nähtischchen stand, und legt ihre Hand auf den Rücken unseres breiten, guten Backofens, in welchem Urgroßmama immer das Schwarzbrot buk und den Geburtstagskuchen mit den dreißig Eiern.
Ich glaube, Mama bliebe noch gerne hier. Ich übrigens auch! Sie sagt, so schön wie hier im Küsterat seien früher ihre Kinder-Sommerferien nirgends gewesen. Am Abend geht sie oft zwischen den Feldern entIg bis zinn >Hohen Haupt' und sieht von dort aus zu, wie die Sonne untergeht. Dann erzählt sie uns, wie es früher hier war, wie Urgroßpapa am Sonnabendnachmittag ins Pastorat hinunterging, um mit dem neuen Pastor den Gottesdienst
zu besprechen, und wie sie selber unterdessen mit der jungen Pastorin zwischen den Erdbeeren saß und zählte, wer von ihnen beiden mehr futtern konnte.

Der 'neue Pastor' - das ist jetzt Onkel Johannes. Seine Löwenmähne ist schon ganz grau! Und das kleine, süße Baby, das damals in seinem Wägelchen hinter der Jasminhecke schlief - das ist jetzt unser frecher Vetter Kurt mit der Studentenmütze. Von seiner Süßigkeit ist gar nichts mehr übriggeblieben. Aber Urgroßpapa liegt oben bei der Kirche auf dem Kirchhof, und sein Grabstein ist schon bemoost.
Nur die Glocken am Sonntagmorgen klingen noch genauso wie damals, sagt Mama, und die Estenwagen mit ihren kleinen Pferden und den bunten Decken überm Stroh kommen noch genau wie damals von allen Seiten zur Kirche gefahren. Die Frauen tragen ihre seidenen Sonntagstücher um den Kopf, die Männer binden ihre Pferde an die langen Balken vor der Kirchhofsmauer, und wenn jemand die Kirchentür öffnet, um hineinzugehen, dann brummt die Orgel wie damals fromm und verheißeüd in den Sonntagmorgen hinaus .«
Thea unterbrach den Zauber der Stunde. »Warum schreibst du das alles eigentlich?« fragte sie.
Renata antwortete: »Weil es mir Spaß macht und weil es meinen Kindern wahrscheinlich auch Spaß machen wird, wenn sie einmal lesen, wie ihr Ur-Urgroßvater in Waimola an der Orgel saß, wie ihre Großmutter, schlank und jung, mit der Pastorin Arm in Arm durch die Felder schlenderte, wie ihre Mutter mit Pastors Ellinor in die Lindenlaube hinaufkletterte, um ungestört lesen zu können, und wie Vetter Kurt sie. einen typischen Backfisch nannte.«
»Tut er das wirklich?« fragte Thea mit hörbarer Parteinahme in der Stimme.
Renata begann zu erzählen: »Ja, gestern, als Ellinor und ich in den Linden saßen, erschien er plötzlich auch oben und setzte sich auf meinen Ast. Er fragte, was wir lesen. Ich weiß nicht, warum ich mich schämte, jedenfalls, als er das Heftchen nehmen wollte, steckte ich es vorne in meinen Ausschnitt und zeigte ihm die Zunge. Darauf betrachtete er mich von oben bis unten und sagte: >Weißt du, was du bist? Ein tü-ü-üpischer Backfisch!< Dann kletterte er voll Verachtung wieder hinunter.

 Dabei lasen wir doch nur eine ganz blöde Reklame von >Kufeices Kindermehl<, in der beschrieben wurde, wie man Babys badet, wickelt und füttert..
»Es hätte ihn bestimmt nicht einmal interessiert«, meinte Thea altklug. »Aber weißt du, gegen mich ist Klaus genauso greulich. Und dabei ist er erst elf... Er fährt mir mit allen fünf Fingern ins Haar oder schubst mich in die Brennesseln beim Stall - und wenn ich die Treppe hinauflaufe, dann hält er mich plötzlich am Fuß
fest.« Renata lachte und nahm die kleine Schwester in den Arm. »Laß sie nur, es sind eben Männer«, sagte sie, »die sind immer stärker und frecher als Mädchen. Aber warte, wenn wir beide einmal groß sind, dann werden wir uns schon rächen.«
»Können wir das denn?«
»Und ob! Ich weiß jedenfalls ganz genau, wie ich sie an der Nase herumführen werde.« Sie stand auf und reckte sich. Sie war mehr als einen Kopf größer als Thea, hatte braune Arme und braune, schlanke Beine unter dem kurzen Rock. Im hellen Haar steckte eine knallrote Schleife. Da Renata erst fünfzehn Jahre alt war, durfte sie zu ihrem Kummer den Zopf noch nicht aufstecken. Sie klemmte das Tagebuch unter den Arm und sprang auf den Steg. »Ich glaube, wir müssen nach Hause.«
Das Schilf flüsterte, als es die beiden Mädchen hindurchljeß. Die Grille verstummte, und auf dem moorigen Wiesenweg verklang der leichte Laut der Schritte.
Oben am Hügel, unter dem breiten A}iornbaum hinter dem Roggenfeld, streckte sich das graue Dach des Küsterats. Der Mittagsfisch war draußen gedeckt, und eine Tonschüssel voller Schwarzbeeren stand duftend in seiner Mitte.
An der- Verandatür lehnte Mama und schaute unter dem Laubdach her auf das Stückchen Roggenfeld, das noch nicht gemäht war, und auf die Waldlinien dahinter. Bis an den Rand des Himmels blaue dieser Wald, und der Duft seiner Fichten und Birken, seiner Pilze und Beeren zitterte in der Mittagssonne zum Himmel empor.
Rosi, die zu Matt- Füßen auf der Verandastufe saß und Bohnen schnippelte, folgte dem Blick ihrer Hausfrau, atmete auf und wischte die Hände an ihrer Schürze ab. »Kinder kommen«, sagte sie auf estnisch, »man muß jetzt essen.«
Über den Roggenähren waren Renatas und Theas Köpfe aufgetaucht. Rosi stand aufnalun ihre Schüssel und ging ins Haus. Auf ihrem blanken, schn\ geordneten Haarknoten tanzte das grüne Licht des Laubes. Auch Mama strich sich mit der Hand übers Haar. Sie rief nach Brigitte, die im Gartenzimmer am Klavier saß und ein Schubert-Impromptu übte, dann schaute sie lächelnd ihren beiden Jüngsten entgegen.

DIE TREIBJAGD
In Dorpat begann das Semester, und im Hallerschen Garten wurden die Pflaumen reif. Solange Renata sich entsinnen konnte, gingen diese beiden Dinge immer Hand in Hand. Morgens lagen die roten und gelben Früchte klar, von winzigen Tauperlen wie von einem matten -Pelz überzogen, im nassen Rasen, und man konnte sich die Manteltaschen für den Schulweg damit vollstopfen.
Der Schulweg über den Domweg war wunderschön, nur trat Renata ihn leider meist etwas verspätet an. Daher hatte sie nur selten Zeit, seine Schönheiten, den blauen Dunst in der Sandgrube, die darüberhinschießenden Sonnenstrahlen und die Fülle des goldgelben Laubes auf allen Wegen, gebührend zu betrachten. Immerhin - die Zeit, ihre Pflaumenkerne möglichst weit vom Vorplatz der Domruine auf die Tennisplätze hinunterzuspucken - diese Zeit nahm sie sich doch. Dann ging es im Trabe an Papas Klinik vorbei. In der gläsernen Flügeltür mit den messingnen Gitterstangen stand Jurij, der Portier. Er grinste über sein breites Russengesicht, wenn er das Fräulein sah, verneigte sich, und wenn es besonders spät war, dann winkte er mit seiner Pranke in Renatas Fahrtrichtung.
Im Wallgraben konnte es geschehen, daß man einigen Studenten begegnete, die zum Frübkolleg wollten. Leider waren es meist nur Theologen, die dieser angreifenden Tugend frönten; sie stammten zum Teil aus den deutschen Wolgalcolonien und trugen keine Farben: für ein richtiges Dorpater Mädchen ein Unding, fand Renata. Denn für sie gehörte es sich, daß ihre Freunde einer der vier alten, farbentragenden Verbindungen angehörten. 

Daher kam es, daß sie diesen bescheidenen und fleißigen Menschen keinerlei Beachtung schenkte. Auf den Senfschen Treppen raschelte das Laub der Kastanien, und zwischen den gelben Blättern lagen die grünen Stachelfrüchte. Renata zertrat einige mit dem Absatz und freute sich an den blanken, braunen Kernen, die aus ihrer Hülle heraussprangen.
Wenn Renata dann schließlich oben in der Sternstraße ankam, hieß es nicht mehr Trab, sondern Galopp. Keine Kameradin war mehr zu sehen, und dort wanderte bereits Herr von Miler, der russische Lehrer, bei dem die erste Stunde fällig war. Wenn es nicht mehr glückte, ihn einzuholen dann kam man unrettbar zu spät.
Zu Hause zeigte sich der beginnende Herbst auch noch auf andere Weise. Rosi kochte Berge von Strickbeeren und Kranzbeeren (Preiselbeeren und Kronsbeeren) ein und füllte sie in steinerne Töpfe. Frau Rammat, mit einem schwarzen Samnietbändchen um den Hals und einem zierlichen Teeschürzchen vor dem Bauch, kam und probierte Renata die Winterkleider an. Sie rutschte vor ihr auf den Knien herum, steckte und heftete und erzählte dabei in ihrem drolligen Estnisch-Deutsch von den neuen Toiletten der Landrätin und dem wundertätigen Korsett der Baronin Baer.
Mama sagte »Ja« und »Ach wirklich?« und befreite dabei Pelze, Fellmützen und wollene Strümpfe aus ihren Mottenhüllen. Das ganze Schneiderzimmer begann allmählich nach Kampfer zu riechen, und Renata war froh, wenn sie endlich entlassen wurde.
Vor der Veranda lehnte ihr Rad. Mit einem Anlauf sprang sie darauf und sauste, so schnell es gehen wollte, die kiesbestreuten Gartenwege entlang. Der Abend kam; die Luft wurde kühl und wehte spürbar uni Renatas Gesicht und Arme. Drüben, im Garten des Livländer Konventsquartiers an der anderen Seite der Mühlen-straße, verbrannte jemand welkes Laub und Äste. Der Rauch stieg blau und herbstlich empor, und sein Duft breitete sich über Straßen, Häuser, Gärten uti4 nahe Felder aus. Renata sog Kühle, Duft und Dämmerung mit, ungestümen Atemzügen in sich ein, und ihr Herz sang dabei wild und griutdlos glücklich: >Wie ist das Leben schön! oh, wie ist das alles stark und herrlich. 

Zum Abendessen kam Brigitte verspätet aus der Stadt. Man hatte sich gesetzt, und Liesi, im schwarzen Kleid und schwarzen Haar, reichte schon das Gemüse herum. Brigitte stand einen Augenblick etwas befangen und geblendet an der Tür. Renata, neben dem summenden Samowar, sah, wie rot ihre Wangen vom Laufen waren, wie schnell ihre neunzehnjährige Brust sich unter dem Blüschen hob und senkte und wie beschwichtigend ihr Mund zu lächeln versuchte.
>Sie ist doch die Schönste von uns!< dachte Renata, >ich könnte jetzt bestimmt nicht mit ihr schimpfen!<
Etwas Ähnliches schien auch Papa zu denken, denn er zwinkerte ihr ermunternd zu und sagte: »Komm nur h,rein; du sollst trotzdem
noch etwas mitbekommen!«
Brigitte setzte sich schnell und erleichtert an ihren Platz. Ober ihrem Gesicht mit der schmalen Nase; den zarten Wangen und dem beweglichen Munde schwang lebendige Heiterkeit.
»Verzeiht bitte!« begann sie, »aber lilo ließ mich nicht fort. Sie hätte so schrecklich viel zu erzählen! Denkt euch, sie lud mich zu einer großen Treibjagd ein.«
»Wie nett!« sagte Mama, und Papa fügte hinzu: »Die Jagden in Ilgast sind eine ganz bekannte Sache. Am Tage knallt man tüchtig, und am Abend tanzen die einen, trinken die andern, und die dritten machen ein 'Jeuchen<.«
»Ja«, rief Brigitte dazwischen, »und diesmal hat Illös Vater zum ersten Mal auch die Jugend eingeladen. lilo soll ihre Freundinnen mitbringen und Otto seine Freunde. Die halbe Livonia wird vertreten sein. Am Freitag fahren wir also zusammen hin, zuerst mit der Bahn bis Laisholm, und dann mit Pferden weiter. Sonnabend ist Jagd, und wir Mädchen bringen das Frühstück in den Wald. Am Abend ist dann der Ball. Sonntag wird wohl noch etwas gejagt und ein tüchtiges Katerfrühstück gehalten, und Montag kommen wir alle wieder zurück. .
Während Brigitte erzählte, saß Renata mit weitgeöffneten Augen neben ihrem Samowar. Sie hörte es kaum, daß Thea ihr vom unteren Tischende her zuflüsterte: »Gieß mir heute nicht soviel Milch in meinen Tee!«
Sie sah bunte, herrliche Bilder vor sich, verlockende Bilder, die sie mit stechender Sehnsucht und Erwartung erfüllten. 

Sie sah die Eisenbahn auf ihrem erhöhten Bahndamm zwischen Tannenhecken entlangprusten. Sie sah das kleine Stationsgebäude, den kiesbestreuten Bahnsteig, die Asternbeete an seinem Rande und die zweispännigen Jagdwagen und Brettdroschken* auf dem Vorplatz. Viel-
leicht saß Brigitte auf einer solchen Droschke hinter Illos Bruder und neben ihr Axel Fersen. Die Räder des Wagens mahlten durch den Sand des Weges, und während die Dämmerung feucht auf gelbe Birken heruntersank, bat er sie um den ersten Tourenwalzer morgen. beim Ball.
Dann sah Renata das Jagdfrühstück mitten im Wald, lange Bretter, von Baumstumpf zu Baumstumpf gelegt, und auf diesen Brettern gefüllte Schüsseln, Teller und Gläser. Die jungen Mädchen holten sie eifrig, unter nicht endenwollendem Gelächter, aus den Waschkörben hervor. Die Pferde am Rande der Lichtung scharrten mit den Hufen, in der Ferne bellten Hunde und Schüsse knallten. Der Förster kam und fragte, ob die Damen so weit seien? Dann setzte er sein Horn an den Mund, und Renata meinte den Ton zu hören, der sich schmetternd über die dunklen Fichtenhäupter in den blauen Himmel hineinschwang. Als hätte der Hornruf die Luft erschüttert, wehte ein Schwarm gelber Blätter über Schüsseln und Menschen, und aus der Ferne der Wälder antwortete ein zweites Horn.
Mitten in dieses Bild hinein erschien eine Teetasse vor Renatas Augen, und während sie sich aufschreckend daran machte, den Tee einzuschütten, fragte Mama freundlich: »Woran dachtest du denn?«
»Ich dachte nur. . .«‚ murmelte Renata und fühlte, daß sie rot wurde, »ich dachte nur, daß ich auch gerne mit auf die Jagd fahren würde.«
»In zwei Jahren bist du so weit«, sagte Mama.
»In Wirklichkeit ist es überhaupt nicht so schön, wie du denkst«, fügte Brigitte hinzu. »So schick angezogen wie Isa bist du niemals, und der, ynit dem du am liebsten tanzest hat bestimmt schon eine andere zum Souper aufgefordert. Ober Pferde und Rebhühner verstehst du nicht mitzusprechen, und für Goethe und die Frauenbewegung intersseren sich wieder die anderen nicht. Abends beim Schlafengehen schwatzen wir nur von unseren Flirts und wie man
* Brettdroschke = niedriger Jagdwagen mit einem federnden Brett als Sitz

sich die Haare bei der modernen Frisur recht hoch auftoupiert; oder wir lachen uns halb tot über die Sprüche und Zeichnungen, welche die Jungen in ihrem >Kämmerchen< an die Wand gemalt haben.«
»Ich würde das alles trotzdem gerne einmal kennenlernen«, seufzte Renata.
Dann schwiegen alle einen Augenblick, und nur der Samowar summte. Jeder spann seinen Gedankenfaden zu Fde. Mama dachte, es sei doch schade, daß Renata den ihr zugemesenen Lebenskreis bereits so früh und manchmal so leidenschaftlich zu zersprengen versuchte. Brigitte sah vor sich auf dem leergegessenen Teller die Tanzkarte mit Goldrand und Amoretten, die lilo ihr vorhin in die Handtasche gesteckt hatte. Würde sie sich wieder -. wie schon so oft - mit Namen füllen, die ihr langweilig und im tiefsten Herzen gleichgültig waren? Würde sie es von neuem lernen müssen, daß ein Baron Fersen am Ende doch zu seinesgleichen hielt und daß Schönheit und Klugheit leichter wogen als ein altes Wappen?
Renata lauschte mit leicht geneigtem Kopf den Klängen eines Galopps, der sich aus dem Summen der Teemaschine zu entwickeln schien. Sie sah den Saal von Ilgast mit heruntergebrannten Kerzen; sie sah die Reihe der Tanzenden über das alte, dunkle Parkett stampfen und drehen. In den Nebenräumen flogen Karten auf die grünen Tuch-Tischplatten, klimperte das Spielgeld und wurden Flaschen aufgezogen. Oben in den Gästezimmern waren die Betten längst aufgedeckt und standen wartend in der Stille der niedrigen, breiten Zimmer. Und über allem lag die schwarze Herbstnacht - über Wald und See, Sand und Moor, Feld und Stall und auch über dem hohen Giebeldach des Schlosses.
Schließlich unterbrach Papa das Schweigen. »Du hast ganz recht, Brigitte«, sagte er, »du gerätst durch deine Freundinnen in eine andere Welt. Diese Welt ist scheinbar viel verlockender als unsere bürgerliche; viel leichtlebiger, reicher und vornehmer. Aber du würdest dir wahrscheinlich manchen Kummer ersparen, wenn du dir von vornherein klar machtest,. daß du in ihr nur als Gast geduldet bist.«
Copyright 1999Eugen-Salzer Verlag

Hammer Erich, Mosaiksteine der Herrlichkeit Gottes

07/04/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kannst du beten?

Eine komische Frage, nicht wahr? Umso mehr, wenn sie von einem Tier gestellt wird. Du wirst fragen: Gibt es denn sprechende Tiere? Ja, Gott hat sogar einmal einen Esel gebraucht, um zu einem eigensinnigen Propheten zu sprechen. Er konnte also nicht nur „la" schreien, sondern dem Propheten sogar eine göttliche Botschaft weitergeben.
Doch ich will niemand auf die Folter spannen, deshalb beginnen wir gleich mit der Begebenheit. Die Schwester, um die es geht, wohnte außerhalb des Dorfes. Sie hatte sich mit ihrem Mann ein schönes kleines Häuschen auf dem elterlichen Grundstück gebaut. Nach einiger Zeit bekam ihr Mann Nierenversagen und ging heim. Nun war sie viel allein. Die einzige Tochter wohnte zwar mit im Haus, war jedoch berufstätig. Ein guter, treuer Hund schützte wachsam das Anwesen. Nur gut, dass sie gläubig war und im Gebet immer wieder zu ihrem Herrn und Heiland flüchten konnte.


Zu einem ihrer Geburtstage bekam sie einen Vogel geschenkt, einen jungen schönen und bunten Papagei. Anfangs war ihre Freude darüber nicht sehr groß. Er musste gepflegt und gefüttert werden, und sein Käfig musste saubergehalten werden. Doch schon bald hatte sie sich so an ihn gewöhnt, dass ihr ohne ihn etwas gefehlt hätte. Wenn sie morgens aufstand und das Tuch von dem Käfig nahm, wünschte sie ihm „Guten Morgen!" Am Abend, wenn sie sich schlafen legte, sagte sie ihm „Gute Nacht!" Es dauerte nicht lange, da versuchte der Papagei es ihr nachzumachen. 

Ganz deutlich konnte sie „Guten Morgen!" und „Gute Nacht!" verstehen. Das war natürlich eine große Freude für sie. Da lohnte sich jede Mühe, ihn zum Plappern zu bringen. Wenn sie sich am Morgen an den Tisch setzte, um ihre Bibel zu lesen, wurde auch er still. - Ehe sie betete, fragte sie ihn dann immer: „Kannst du auch beten?" Bald hörte man immer wieder aus seinem Schnabel: „Kannst du auch beten?" Ganz deutlich war es zu verstehen. Geschwister, die sie besuchten, haften ihren größten Spaß daran.
Eines Tages meldete sich Besuch an, ein Arbeitskollege, der längere Zeit mit ihrem heimgegangenen Mann zusammengearbeitet hatte. Er war nicht gläubig. Zu der Zeit, als sie zusammenarbeiteten, war auch ihr eigener Mann noch ungläubig. Die Schwester sah diesem Besuch mit Besorgnis entgegen. Was war wohl das Anliegen dieses Mannes, zumal er kürzlich Witwer geworden war? Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sein Besuch nicht erwünscht sei. Oder hatte der Herr einen Auftrag, den sie an ihm zu erfüllen hatte? Ihre Tochter war nicht zu Hause. Da ist der Beuch eines fremden Mannes für eine alleinstehende Frau nicht ohne Gefahren.
Schließlich kam er. Und das sogar mit seinem Auto, einem Trabi. Den Wagentyp kannte sie, weiter reichten ihre Kenntnisse allerdings nicht. Der Mann schien jedenfalls nicht arm zu sein. Sie wartete das Klingeln ab und öffnete ihm die Haustür. Ganz weltgewandt und charmant fiel seine Begrüßung aus. Sie bat ihn ins Wohnzimmer. Er bekundete ihr, dass er wisse, was Einsamkeit sei. Dann erzählte er von der Krankheit und dem Tod seiner Frau. Sie brauchte nur mit dem Kopf zu nicken oder „Ja" zu sagen. Dann sprach er davon, wie gut er sich mit ihrem Mann verstanden habe. Er gab einige Erinnerungen vom gemeinsamen Arbeiten zum Besten. Sie befürchtete, dass jetzt ,die Frage käme, ob nicht auch sie die Einsamkeit leid sei. Ihr wurde bei diesem Gedanken richtig heiß.
Dann entstand eine längere Pause. Vielleicht meinte der Papagei, der sich bisher still verhalten hatte, es gäbe jetzt eine Andacht. Da tönte es ganz deutlich in die Stille hinein: „Kannst du auch beten?" Der Mann schrak zusammen. Er hatte den Vogel also verstanden. Er fragte die Schwester: „Was, beten Sie?" Sie bejahte das. Da schien das Gespräch gelaufen zu sein. Es gab noch ein paar allgemeine Worte, und bald verabschiedete er sich. Dieser Vogel hatte die für die Schwester erlösende Frage gestellt. Unser Gott kann alles als Werkzeug für sich gebrauchen, sogar einen sprechenden Vogel.

Alles Heuchler?
Krankenhaus! Wachzimmer! Nur zwei Patienten liegen hier, mit Kabeln und Schläuchen an Apparaturen angeschlossen, wie gefangen. Wenigstens kann ich die Intensivstation verlassen. Doch jeder ist noch mit sich und seiner Situation beschäftigt. Allmählich erwacht das Interesse an dem anderen und seiner Krankheitsnot. Er scheint ein -umgänglicher Typ zu sein. Langsam kann ich aus seinen Worten konstruieren, dass es ihm ähnlich wie mir ergangen ist. Eigentlich sollte er in diesen Tagen mit seiner Frau auf einer Weltreise unterwegs sein. Die Reise war teilweise schon bezahlt. Er wollte nur noch ein paar Besorgungen mit dem Auto machen. Unterwegs bekam er einen Schwächeanfall. Er hielt an, stieg aus, und von da an wusste er nichts mehr. Mit dem Hubschrauber hauen sie ihn von der Straße aus direkt ins Krankenhaus gebracht. Wir waren also Leidensgefährten! Das verbindet. Als ich jedoch vorsichtig nach seinem Glauben fragte, erfuhr ich, dass er ein ganz anderes Fundament haue als ich. Auch gesellschaftlich klaffte eine große Lücke zwischen uns. Er hatte eine einflussreiche Position in einer westdeutschen Firma.

 Für sie bereiste er die ganze ehemalige DDR. In Technik und Wissenschaft war er äußerst beschlagen. Da konnte ich als kleiner Rentner natürlich nicht mithalten. Das hatte ich auch gar nicht vor. Die wichtigere Kenntnis aber durfte ich besitzen, das Wissen darüber, dass Gott uns liebt.
Er beobachtete mich, wenn ich meine Bibel las. Er schien das sogar zu respektieren. Wollte ich aber etwas von dem, was ich las, weitergeben, winkte er ab. Als ich ihm gute evan-gelistische Literatur anbot, warf er nur einen Blick auf die Titelseite und legte sie auf mein Bett zurück. Wie konnte ich nur sein Herz erreichen? Freilich betete ich für ihn. Wenn er abends das Fernsehgerät einschaltete, fragte er zuvor, ob mich das stören würde. Ich brauchte mich aber nur auf die andere Seite zu drehen und die Augen zu schließen, darin nahm ich das Flimmern nicht mehr wahr.
Weil wir beide nicht aufstehen durften, konnten wir am gegenseitigen Ergehen Anteil nehmen. Lediglich seine Frau besuchte ihn täglich. Da sah es bei mir schon anders aus. Gründlich registrierte er, wer alles kam. Oft waren es Geschwister, die sich vor nicht langer Zeit bekehrt haften. Und wie leuchteten deren Augen! Oft hielten sie mir wortlos den Kopf, um mir ihre Liebe zu zeigen. Ein Missionsarzt kam mit seiner 95-jährigen Mutter. Er war in Afrika im Einsatz gewesen. Ein Ehepaar, in deren Familie große Krankheitsnot geherrscht hatte, erzählte, wie der Herr ihnen beigestanden und ihnen geholfen hatte. Ein ehemaliger Arbeitskollege und einige Geschwister der Versammlung kamen, um mir ihre Verbundenheit zu zeigen. Einige haften ihre Bibel mitgebracht, lasen etwas daraus vor und beteten mit mir. Mein Bettnachbar konnte alles mithören und miterleben. Wenn der Besuch gegangen war, konnte ich meinem Leidensgefährten berichten, was dieser und jener erlebt hafte. Einer war früher Alkoholiker. Ich erzählte ihm, wie er durch Je-
sus Christus von seiner schlimmen Sucht frei geworden war. Dann kamen die Kinder und nacheinander die 10 Enkelkinder, um den Opa zu, besuchen. Das alles schien wie eine stille Predigt für diesen Mann zu sein. Als wir in ein normales Zimmer verlegt wurden, bat er den Stationsarzt, mit mir in einem Zimmer bleiben zu können. So bekamen wir ein Zweibettzimmer und konnten noch ein Stück Leben miteinander teilen.
Er wurde einen Tag früher entlassen als ich. Es gab fast Tränen. Zum Abschied sagte er mir: „Ich habe bisher alle Christen für Heuchler gehalten. Was ich aber in diesen Tagen erlebt habe, hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass es doch echtes Christentum gibt. Ich werde die strahlenden Gesichter Deiner Besucher nicht vergessen und alles, was sie Dir an Liebe erwiesen!" Vor einigen Tagen rief er an weil er uns in Kürze besuchen will. Wir beten weiter für ihn.

@2006 Daniel-Verlag

Horie Michiaki u. Hildegard, Umgang mit der Angst

06/27/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Ein Leben voller Angst

Ich erinnere mich an Heidrun. Sie war verlobt und liebte ihren Bräutigam. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, sich wieder von ihm zu trennen. Doch am Tag ihrer standesamtlichen Hochzeit wurde sie von einer Panik erfaßt. Was hätte sie darum gegeben, alles rückgängig machen zu können. Indem Augenblick, als sie ihren Namen unter die Urkunde setzen sollte, wäre sie am liebsten davongelaufen. Sie fing an zu weinen und konnte nicht begreifen, daß ihr Verlobter erwartungsvoll und freudig das ganze Zeremoniell verfolgte. 

Sie wünschte, alles wäre nur ein Traum, und sie könnte in ihre altvertraute Lebensweise zurück. Aber die Gäste waren bereits versammelt, so spielte sie das Stück weiter - wie in Trance. Alles in ihr schrie: nein! War es Angst vor der Bindung? Angst vor der Endgültigkeit? Oder war es die Angst vor dem Neuland, das sie betreten sollte, dem Leben zu zweit? Wer garantierte ihr, daß sie sich nicht getäuscht hatte?
Einige Tage später ließ dieser akute Angstanfall nach. Doch als sie dann nach wenigen Wochen entdeckte, daß sie schwanger war, überfiel die Angst sie aufs neue mit solch einer Gewalt, daß sie fürchtete, wahnsinnig zu werden.


Sie hatte nie Kinder gewollt. Sie fühlte sich durch Kinder zu stark gefordert. Sie fürchtete, ihnen nicht das geben zu können, was sie eigentlich geben müßte. Sie hatte bis jetzt nur für sich selbst gelebt. Sie hatte Angst vor der Verantwortung. Kinder waren in ihren Augen eine Last, vor der man sich nach Möglichkeit drücken sollte. Sie stellten eine Bindung dar, die nicht rückgängig zu machen war, die man nicht einfach abschütteln konnte.
Während dieser ersten Schwangerschaft versuchte sie, ihren Ängsten auf den Grund zu gehen und nach der tieferliegenden Ursache zu forschen. War es wirklich die Angst vor einer Bindung? Oder war es das Neue, was ihr Angst machte, dem sie sich nicht gewachsen fühlte? Oder das Risiko, gegen das sie sich nicht genügend abgeschirmt glaubte?

Mit jedem Tag, der sie der Geburt näher brachte, wuchs auch die Angst, ein krankes oder unnormales Kind zur Welt zu bringen. Diese monatelange Spannung war für sie beinahe unerträglich. Dann kam die Stunde der Geburt. Sie wußte, daß es nun kein Zurück mehr gab, nur noch ein Vorwärtsgehen. Sie berichtete mir später, es wäre gewesen, als sei sie bewußt in ihren eigenen Tod hineingegangen. »So muß Sterben sein«, dachte sie, »so ausgeliefert.« Als dann ein gesundes Kind geboren wurde, konnte sie ihr Glück nicht fassen. Alle Angst war vergessen. Einige Tage lang war sie die »glücklichste Frau der Welt«, wie sie sagte. Die Beziehung zu ihrem Kind war spontan.

Sie war glücklich als Ehefrau und Mutter, Doch dieses Glück dauerte nicht lange. Plötzlich tauchte ein neues Angstgespenst auf: Krebs. Obgleich keinerlei Anzeichen für einen Krebsverdacht bestanden, war sie fest davon überzeugt, in sich diese todbringende Krankheit zutragen, die jeden Tag ihrem jungen Glück ein jähes Ende bereiten könnte. Von da an löste eine Angstvorstellung die andere ab Sie war derart von Angst gequält, daß sie kaum das Nötigste erledigen konnte. Manchmal verbrachte sie die Tage wie im Nebel und steigerte sich in ihre Angstvorstellungen hinein, tastete ihren Körper nach irgendwelchen Krebsgeschwüren ab und lebte in einer quälenden Abschiedsstimmung. Durch die Angst war sie wenig belastbar, so daß sie sich dem Kind gegenüber ungeduldig verhielt, was dann wieder Schuldgefühle in ihr hervorrief. Hinter all ihren Ängsten aber verbarg sich immer dasselbe Motiv: »Ich habe Angst, das Leben, das ich jetzt lebe, zu verlieren. Jetzt weiß ich, was es bedeutet, glücklich zu sein. Aber ich denke, das Glück hat sich nur in mein Leben verirrt. Es wird den Irrtum entdecken und wieder von mir gehen. Ich bin dazu bestimmt, im Dunkeln zu leiden und auf denTod zuwarten.

« Das hatte sie oft genug von ihrer Mutter gehört. Seitdem zog sie alles Negative wie mit magnetischer Kraft an sich. Ja, sie fürchtete, daß jedes Schicksal, das sie von anderen hörte, sich in ihrem eigenen Leben wiederholen müßte. Ihr Denken hatte etwas Magisches an sich. Sie durchschaute wohl die Unsinnigkeit, aber konnte sich zugleich nicht davon distanzieren. Im Laufe der Gespräche stellte sich heraus, daß sie noch immer in einer symbiotischen» Beziehung zu ihrer Mutter lebte, deren negative Lebenserwartung sie unbewußt übernommen hatte. Wie ihre Mutter, so war auch Heidrun davon überzeugt, daß Leben gleichzusetzen ist mit Leid: Leben = Leid. Wenn diese Formel nicht zutraf, mußte irgendein Fehler vorhanden sein, der sich früher oder später herausstellen würde, so glaubte sie. Sie kannte kein Vertrauen, weder zu Menschen noch zu Gott.

Angst im Spiegel der Zeit
Heidegger bezeichnete die Angst als »Grundbefindlichkeit des Daseins. Und im der Tat es hat noch nie eine angstfreie Zeit gegeben Doch wenn wir die Geschichte der Menschheit zuruckverfolgen müssen wir feststellen daß sich die Erscheinungsbilder oder Ausdrucksfonnen der Angst verändert haben Durch ein erweitertes Weltbild hat auch die Angst ein neues Gesicht erhalten, einen neuen Namen. Der Mensch aber ist derselbe geblieben Vieleicht mögen wir die Menschen früherer Jahrhunderte belächeln die sich beim Gewitter zitternd und betend in einen Raum zusammendrngten bis das »Unheil« an ihnen vorübergezogen war.
Heute wissen wir, daß es sich bei einem Gewitter nicht um zürnende Gottheiten, sondern um die Entladung atmosphärischer Elektrizität hanndelt. Dennoch gibt es auch heute zahlreiche Menschen, die sich ängstlich vordem Grollen eines nahenden Gewitters verkriechen, als
müßten sie vor einer vernichtenden Übermacht Schutz suchen. Durch die Erkenntnis der Wissenschaft ist Licht in manches Dunkel gekommen; doch die Angst ist geblieben.
Seit der Aufklärung rühmt sich der Mensch seiner Erkenntnisse und läßt weder Wunder noch Geheimnis gelten. Mit seinem Verstand glaubt er, allen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Und wenn es ihm nicht gelingt, wird es umgedeutet, bis eine befriedigende Erklärung gefunden ist. Noch heute neigt der Mensch dazu, was nicht erklärt werden kann; zu leugnen oder als Zufall, als Laune der Natur zu deklarieren. Der Mensch als Gedanke Gottes aber kann sich nur dann recht entfalten, wenn er auf Gott bezogen lebt. Allein vom Blickwinkel des Ewigen ist Leben erklärbar. Wo die Welt noch als Schöpfung gilt und der Mensch sich als Geschöpf dieser Schöpfung zugehörig weiß, gibt diese Zugehörigkeit ihm zugleich Sicherheit. Je mehr dieses Bewußtsein schwindet, desto größer wird seine Ungeborgenheit.

Der Mensch ist auf eine Beziehung hin erschaffen. Darum erlebt er Isolation als Bedrohung. Früher war es die Großfamilie, die ihm Halt und Geborgenheit vermittelte. Darüber hinaus bildete im Mittelalter die Berufsgruppe oder Zunft einen festen Rahmen. Zwar war der einzelne in seiner Handlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, aber diese Umzäunung war auch zugleich ein Schutz. Zudem war der Drang nach Freiheit bei weitem nicht so ausgeprägt wie heute. Im all-gemeinenblieb ein Mensch dort, wo er geboren war und setzte das fort, was er von seinem Vater übernommen hatte. 

Das änderte sich nun mehr und mehr. Alte' Normen wurden nicht selbstverständlich übernommen, sondern neue Wege erprobt. Der Individualismus gewann an Raum, auch das Streben nach persönlichem Besitz. Doch mit der wachsenden Macht des einzelnen wuchs auch die Einsamkeit und damit verbunden die Angst. Die Angst, das wieder zu verlieren, was er errungen hatte.
Der Mensch durchbrach seinebisherigen Grenzen und versuchte in allen Richtungen vorzustoßen und Erde und Weltall zu erobern. Er durchbrach die Schranken der Kirche und feierte in Wissenschaft und Technik die ersten Erfolge. Er stellte fest, daß die Erde nicht Mittelpunkt des Alls ist. Er sah sich hineingestellt in einen unendlichen Raum.

Aber noch war der einzelne einem festen Staatsgefüge einverleibt. Mochten auch innere Krisen an seiner Existenz nagen - sein Vertrauen war dadurch nicht erschüttert. Staat und Fürsten waren wie Säulen, die das Land stützten.
Erst durch den Sturz der Monarchien wurde das Vertrauen der Bürgers zutiefst erschüttert. Die Ordnung, die dem Leben sein Ge-
präge gab, war aufgelöst. Das bedeutete Orientierungslosigkeit.
Werte, die bis dahin Gültigkeit hatten, wurden ins Lächerliche gezogen. Diese innere Auflösung machte auch vor den Familien nicht
halt. Väterliche Autorität und alte Moral galten nicht mehr wie bisher. Die Freiheit des Menschen wurde auf den Thron erhoben, der Trieb vergöttert und der Mensch - seit Freud* - als Triebwesen analysiert.
Was war dem Menschen geblieben? Wunder und Geheimnisse waren ihm geraubt. Das feste Gefüge des Staates ins Wanken geraten. Ist es da noch verwunderlich, wenn sich Tausende an die paradiesischen Verheißungen eines Dritten Reiches klammerten?
Der Mensch sucht Beständigkeit. Er sucht etwas, das ihn über die Vergänglichkeit das Daseins hinwegtäuscht. Daher fanden Parolen vom Tausendjährigen Reich geöffnete Ohren.
Doch als sich dann diese Hoffnung als Trugbild entlarvte, war das Chaos endgültig. Auf was konnte der einzelne noch bauen? Wie sollte
er in Zukunft Wahrheit von Lüge unterscheiden? Aber der Mensch hatte keine Zeit, bei seiner Niederlage stehenzubleiben. Der Wiederaufbau erforderte alle Kräfte. Doch wofür sollte er sich einsetzen? 

Für Freud, Sigmund, Nervenarzt, 1856 - 1939, Begründer der Psychoanalyse eine bessere Zukunft? Wußte er, was morgen sein würde? Und wenn der Schrecken von gestern sich morgen wiederholt? -
Mit der unbewältigten Vergangenheit im Rücken und einer ungewissen Zukunft vor Augen begann der Mensch, die zerbrochenen Steine wieder zu sammeln.
Nach dem Geschehen in Auschwitz und Hiroshima war ihm der Glaube an das Gutsein des Menschen erstorben. Nicht selten machten seine Kinder ihn verantwortlich für das, was geschehen war. Er konnte es zwar nichtungeschehen machen, aber vorbeugen wollte er, daß sich das Grauen nicht wiederholt. So fing er an, auf den Trümmern der Vergangenheit Zukunft zu bauen.
Die Industrialisierung wuchs ins Gigantische. Aber damit schaffte er sich zugleich neue Probleme. Rauchende Fabrikschlote undchrom-blitzende Autoschlangen konnten sein Problem Angst nicht lösen.
Der Sprung in den Weltenraum war ihm zwar gelungen, und sein Geist forschte, um den Ursprung des Lebens aufzuspüren, dabei stellte er frühere Erkenntnisse wieder infrage; aber sein innerstes Fragen blieb -unbeantwortet. Er selbst ein Geheimnis.
Was dem Menschen in allem Wechsel erstrebenswert erschien, war der Besitz. Er wollte wiedergewinnen, was er verloren hatte. Und er baute, als könnten Preßlufthammer und Bagger seine Angst übertönen. Bis heute. Doch dann, wenn es still um ihn herum wird, stellt er fest, daß die -Angst tief in ihm lauert wie ein Feind im Hinterhalt.
Um dieser Angst zu entfliehen, schaltet er das Fernsehen an, das schließlich seine freie Zeit ganz in Anspruch nimmt. Und wenn er nachts schlaflos in seinem Bett liegt, ist die Angst immer noch da. So greift er zur Tablette, die seinen Geist einschläfert. Tagsüber, wenn trotz aller Hektik sich tief im Innern die Angst regt, gibt es andere Mittel, sie zu betäuben: ein Griff zur Flasche oder zur Spritze mit dem sogenannten »süßen Gift,<, oder er versucht, im Sex seine unterschwellige Angst zu ersticken.
psychologisch zum Triebwesen degradiert, historisch als Zufall propagiert und physikalisch als Zusammensetzung vieler Atome erklärt - genügt das zum Leben?
Wo der Mensch nichts mehr-ist als eine Kombination von verschiedenen Elementen, deren Wert in DM ausgezahlt wird, findet eine zerstörende Selbstentfremdung statt, die von Angst begleitet ist. Er weiß nicht mehr, wozu er lebt. Diese Beziehungslosigkeit äußert sich entweder in Aggression oder Resignation - aber beides ist letztlich die Sprache der Angst.
@1979 R.Brockhaus

Harold Myra, Elsbeth

06/26/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Marokko

»Mademoiselle! Mademoiselle!« Elsbeih ging schneller, als sie sah, daß inzwischen mehr als ein Dutzend französischer Soldaten ihr nachfolgten Soweit sie wußte, war sie das einzige europäische Mädchen in der marokkanischen Stadt Marrakesch - und die franzosischen Truppen gaben nicht so schnell auf.
Wie leicht wäre es hier, jegliches Moralgefühl zu verlieren, dachte das Mädchen aus der Schweiz, während es schnell, aber bestimmt vor ihren Verfolgern herging. Für ein hübsches, siebzehnjähriges Mädchen war Marokko gefährlich. Es war ungefähr zehn Uhr morgens. Sie war in den Laden gegangen, um Fleisch zu kaufen; aber nachts würde sie sich nicht mehr auf die Straße wagen. 

Sie eilte auf den Teeladen ihrer Großtante zu, öffnete die Tür, ohne zurückzublicken, und trat ein, während sie die Franzosen bewußt aus ihrer Sicht und ihrem Gedächtnis verbannte. Renee, die junge jüdische Frau, die in dem Laden arbeitete, stand am Ladentisch. Elsbeth arbeitete gerne mit ihr zusammen. Sie lernte dabei die Preise der Waren und half beim verkaufen, wenn der Andrang groß war. Außer den Geschenkartikeln, die im Schaufenster ausgestellt waren, gab es noch vier Tische mit Stühlen, auf denen die Kunden ihren Kaffee oder Tee mit Kuchen, Pasteten oder Torten zu sich nehmen konnten.

Elsbeth betrachtete Renees schwarzes, lockiges Haar, das im Morgenlicht bläulich schimmerte. Sie war hübsch angezogen, hatte eine helle Haut -und dunkelbraune Augen. Beide lachten sie über das - Pech der französischen Soldaten und sprachen dann über Renees Familie. Im Spiegel bemerkte Elsbeth, daß ihre Tante auf den Laden zukam. Mit ihrem hoch erhobenen Kopf, den zurückgeworfenen - Schultern und dem bestimmten Gang sah sie aus wie ein Soldat. Schnell griffen die Mädchen nach einem Staublappen und begannen, die Spiegel zu bearbeiten. »Ihr solltet immer irgend etwas tun«, hatte ihre Tante energisch gesagt. »Ihr dürft nie irgendwo herumsitzen. Für die Kunden ist es besser, daß -ihr beschäftigt seid.« 

Die kleine untersetzte Frau mit den kurzen lockigen Haaren trat durch die Ladentür ein und begann sofort, herumzukommandieren. Es war Dezember, und die betriebsame Weihnachtssaison hatte begonnen. Antoine, der Mann, mit dem die Tante zusammenlebte, hatte hinten im Laden fünf Araber beschäftigt, die Kuchen, Torten :und Pasteten zubereiteten.
1beth betrachtete heimlich ihre strenge Tante. Vor einiger Zeit war sie nach Bern gekommen und hatte Elsbeth nach Marokko eingeladen, damit sie dort ihr Französisch verbessern konnte. Die Tante war zwar etwas dick, hatte aber ein attraktives Gesicht und achtete peinlich genau auf ihr Äußeres. Elsbeth ärgerte sich ein wenig, daß sich ihre Tante mehr Respekt verschaffte als andere. Jeder nannte sie nur Madame Dpiez; aber sie war nicht mit Antuine verheiratet, obwohl sie nun schon fast fünfundzwanzig Jahre mit ihm zusammenlebte.

Als Elsbeth am nächsten Morgen aufstand, zitterte sie, obwohl ein kleiner Gasofen in ihrem Zimmer brannte. in Marokko ist der Dezember sehr kalt, und es gab in dem einstöckigen Teeladen, in dem auch die Wohnung war, keine Zentralheizung. Sie brachte ihr Nachtlager wieder in die Form eines Sofas und begann mit dem täglichen Ritual, die altmodischen Puppen der Tante genau auf ihren Platz zu setzen. Nachts diente dieser Raum als Elsbeths Schlafzimmer, aber tagsüber wurde er sowohl als Wohn- als auch als Eßzimmer benutzt.
Eine Fatima - ein arabisches Dienstmädchen - kam herein, um den Frühstückstisch zu decken. Als sie eintrat, verbeugte sie sich. Elsbeth war dies peinlich. Sooft sie konnte, steckte sie deshalb der Fatima eine der Pasteten oder Torten vom vorherigen Tag zu, die ihre Tante lieber wegwerfen würde, als ein Dienstmädchen damit zu »verwöhnen«. Elsbeth und ihre Tante setzten sich zu Tisch; um sie herum war alles makellos hergerichtet. Sie aßen mondförmige Kuchen und Hörnchen und tranken Tee dazu. Die Fatima verbeugte sich und verließ gehorsam das Zimmer.
»Ich habe heute nacht etwas Seltsames geträumt«, erzählte Elsbeth. »Irgend jemand ist gestorben, und wir haben den Sarg zugemacht.«
Erregt unterbrach die Tante ihre Nichte: »Gestorben! Elsbeth, warum sprichst du vom Sterben? Du bist viel zu jung, um an so et-.was zu denken.«
Elsbeth war verwirrt. »Warum sollen wir nicht über den Tod reden?«
eden?« Sie haue keine Angst vor ihrer Tante und schaute fest in ihre großen, blauen Augen, die über einer geraden, kräftigen Nase lagen.
»Wir leben!« erwiderte ihre Tante unwillig. »Wir denken an das Leben, nicht an den Tod. Nach diesem Leben ist es aus, da gibt es nichts mehr. Ein junges Mädchen wie du sollte an das Leben denken.«
»Aber ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Weil Jesus Christus gestorben ist, haben wir das ewige Leben. Ich glaube an den Himmel.«
Ein vernichtender Blick traf Elsbeth. Für ihre Tante - sie konnte schließlich vier verschiedene Sprachen sprechen - war ihre Ansicht die einzig intelligente Ansicht. »Du bist noch zu jung, um das zu verstehen. Aber irgendwann wirst auch du es begreifen.«
Madame Dpiez haue im Alter von sechzehn Jahren die Schweiz verlassen und war nach Ägypten gegangen. Sie hatte nicht geheiratet, aber sie haue ein Kind gehabt. Sie erinnerte Elsbeth an einen Pfirsichstein, der äußerlich hart und rauh ist, aber einen weichen Kern hat. Die Tante erwiderte die Zuneigung ihrer Nichte, doch Elsbeth fragte sich, ob sie wohl einmal diese harte Schale zerbrechen würde. -
Der Teenager aus der Schweiz bemerkte überrascht, daß es das marokkanische Volk zu lieben begann. Die Stadt Marrakesch war etwa hundert Kilometer vom Atlas-Gebirge entfernt, das die Sahara von• Nordafrika abtrennt. Die Bevölkerung lebte streng getrennt. Die Araber wohnten in einem Teil, die Juden in einem anderen und die Europäer hatten einen dritten Bereich besetzt. Eines Tages nahm Elsbeth Renees Einladung an, nach der Arbeit ihre Familie im jüdischen Viertel zu besuchen. Sie stiegen in Renees kleines Auto und fuhren an den zweistöckigen Häusern und den hübschen Höfen des europäischen Viertels vorbei. Elsbeth entdeckte Orangenbäume und gelegentlich einen auf einem Esel reitenden Araber. Aber was sie auf der Fahrt am meisten beeindruckte, war der plötzliche Sonnenuntergang. Sie schaute durch die Windschutsscheibe Der Himmel war dunkel; nur ein bunter-Streifen war am Horizont zu erkennen -.Dunkelblau, Violett, Orange, Gelb und ein feurigesRöt flossen ineinander über. Palmen warfen ihre Silhouetten gegen das breite Band der Farben.
Die Mädchen gelangten durch ein Tor in einen älteren Stadtteil. Sie Waren im jüdischen Viertel, und augenblicklich war alles verändert. Die:&raße war holperig und mit Schlaglöchern übersät. Anstelle von Häusern sah Elsbeth nur Lehmxnauern an den Straßen. Sie hatten kleine Eingänge. Man mußte sich bücken, um hindurchzu kommen. Männer mit Bärten und alten, dunklen Hüten und Frauen, die in bunte Tücher gewickelt waren, eilten an den Händlern vorbei, die an den Tischen saßen. Überall war Kindergeschrei, Die Juden hatten an den Verkaufstischen in der Straße Petroleumlaxn-pen angezündet. In diesem Teil von Marrakesch gab es keine Elektrizität.
Sie parkten, und Renee öffnete die Wagentür. »Ist das Auto hier siehe!?« fragte Elsbeth.
»Ja, natürlich., antwortete Renee, als sie ausstiegen. Elsbeth folgte ihr durch das Meine Loch in der Mauer und war überrascht, als sie sich in einem hübschen Garten befand, in dem Pflanzen mit großen, weit ausschweifenden Blättern, Zitronen- und Orangenbäume wuchsen. Vom Hof aus sah man verschiedene Räume.
Renees Vater war ein wohlhabender Händler. Er konnte Arabisch und auch ein wenig Französisch, mit dem er Elsbeth begrüßte. Ihre Mutter nickte einfach liebenswürdig mit dem Kopf, der mit einem Schal umwickelt war. Alle setzten sich auf bestickte Kissen, die nahe beim Feuer lagen, während ihnen auf großen Platten das Essen gereicht wurde. Elsbeth fand das Essen einzigartig. Es bestand aus Hühnchen mit Gemüsesoße, Pfeffer und anderen Gewürzen.
Elsbeth versuchte, ihren Aufenthalt in Marokko so gut wie möglich auszunutzen; sie besuchte eine kleine Kirche, in der sie Sen Schweizer Missionar kennenlernte, der im arabischen Viertel wohnte. Eine französische Familie in dieser Gemeinde lud sie ein, sie zu besuchen und bei ihnen Klavier zu spielen. Eine robuste britische Hebamme leitete eine Sonntagsschule und heuerte Elsbeth als Lehrerin an. Trotzdem fand sie noch Zeit zum Häkeln, im Garten
ihrer Tante die. Ziträaet- und Orangenstauden und die Granatap: felbäunie zu pflegen und mit dem Hund herumzutollen. Ein junger französischerSäldatauderGemeindemtemitihrSenSh1 flug in das Atlas-Gebirge.

Dennoch wurde es ihr in Marrakesch allmählich langweilig. Zu Hause in Bern war sie es gewöhnt, eine Mengeharter Arbeit zu verrichten. Hier durfte sie nicht einmal das Geschirr abwaschen. Eines Sonntags fragte die große, dünne und entschlossene britische Hebamme mit ihrer rauhen Stimme: »Elsbeth, was machst du eigentlich hier in Marokko? Kannst du hier tun, was du willst?. Die Worte hatten deutlich einen britischen Akzent.
»Ja, man braucht mich überhaupt nicht. Ich würde gerne irgend etwas tun. • Elsbeth hatte ein wenig Ehrfurcht vor dieser Frau, die in den vierziger Jahren war und jeden Tag fast Unmögliches leistete. An einem vorhergehenden Sonntag hatte Elsbeth gefragt, ob alles gut ginge, und sie hatte geantwortet: »Nun, ich habe sechs Frauen, die in den Wehen liegen.. Während des Gottesdienstes wurde sie dann gerufen, und sie fuhr schnell mit ihrem Fahrrad fort.
»Wir haben Hunderte von arabischen Frauen, die mit ihren Kindern kommen«, erklärte sie. »Du könntest ihnen zeigen, wie man die Babies wäscht, das Wasser abkocht und wie man das Milchpulver zubereitet..
»Mit Freuden könnte ich das tun!. Elsbeth war so aufgeregt, daß sie während des Gottesdienstes kaum stillsitzen konnte. Sie dachte an die reizenden bronzefarbigen Kinder mit ihren schwarzen Haaren. Kaum war der Gottesdienst zu Ende, eilte sie halb gehend, halb rennend zum Laden zurück.
Ihre Tante arbeitete gerade im Lager. Elsbeth sprudelte fast über, als sie aufgeregt von der Not und der wunderbaren Gelegenheit erzählte. »Was meinst du dazu, Tate?.
Ihre Tante stand aufrecht wie eine Königin, und Elsbeth merkte, wie ihre Hände sich verkrampften. »Was erlaubst du dir!« explodierte sie, und es hatte fast den Anschein, als ob sie zuschlagen wollte. Dann stemmte sie ihre Hände in die Hüften und schnaubte: »Du willst also zu diesen dreckigen schwarzen Kindern gehen. Kannst du dir nicht denken, was die Leute sagen werden? Madame D€piezs Nichte geht zu diesem dreckigen Volk? Ausgeschlossen! Niemals!«

war ,m miMken. >Wie abiciie,iliclic, dachte sie Sie, die immer so pieckfein ist und so tut, als sei sie verheiratet, .obwohl sie e tidt ist.< Verzweifelt rannte sie in ihr Zimmer. »Herr«, betete sie, »ich möchte diesen Menschen helfen. Ich werde nachHaüse fahren und einen Beruf erlernen. Ich möchte unabhängig sein von-Tanten und allen anderen. Herr, hilf, daß ich solchen Kindetn helfen kann;..

In der Schweiz
Einige Jahre später, als Elsbeth Schwesternschülerin war, lernte sie Klaus kennen. Ein Arzt hatte Mitarbeiter seiner Abteilung und einige Studenten in sein Haus am Bodensee zu einem »Musikabend« eingeladen. Klaus, ein junger Assistent aus Deutschland, spielte Flöte. Während einer Erfrischungspause trafen sie sich unten am See. Klaus kam auf sie zu und begrüßte sie: »Ich bin froh, daß Sie kommen konnten!«
Elsbeth hatte den jungen Arzt bereits im Krankenhaus gesehen und fragte verwirrt nach seinem Namen. »Klaus Peter.«
»Haben Sie Geschwister?« »Nur neun Brüder.«
Die spöttische Untertreibung paßte zu seinen lustigen Augen. Er sprach mit jener milden, aber verwirrenden Ironie, die Elsbeth sofort gefiel. Während des Gesprächs erfuhr sie, daß sein Vater, ein Arzt, von den Nazis sechs Jahre lang in einem Konzentrationslager festgehalten worden sei, während die Mutter die Familie mitheimli-ehen IJbersetzungsarbeiten für die Amerikaner durchgebracht hatte.
Elsbeth und Klaus fühlten sich schnell zueinander hingezogen, während sie bis nach Mitternacht Geschichten austauschten. Schließlich bot Klaus ihr an, sie nach Hause zu begleiten. Elsbeth wohnte am See, wo die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland verläuft. »Warum unterhalten wir uns nicht noch ein wenig?« fragte Klaus. Es war eine idyllische Märchenszene, dichter Wald, Weinberge und sogar ein altes Schloß waren um sie herum. Elsbeth harte das Gefühl, als ob sie ein Teil eines romantischen Gedichtes sei; Schwäne schwammen auf dem-See, und helles Mondlicht berührte die Bäume, das Wasser und ihre Gesichter.

Sie schritten Arm in Arm zu einer kleinen Bauminsel und setzten sich dort auf eine Bank, die einfach aus einem Stück Holz und zwei Pfosten zusammengezimmert war. Don küßten sie sich das erste Mal. Die Schwäne standen bewegungslos auf dem Wasser, und das Möndlithtuütriß ihre weiße Gestalt in der Frühsommernacht
Elsbeth fand an diesem Sonntag nur ein paar Stunden Schlaf, bevor Erwin, ein junger Mann, mit dem sie über ein Jahr befreundet war, sie abholte. Kurz nach ihrer Rückkehr aus Marokko hatte sie einen Fehler gemacht. Sie wollte einen jungen Mann nicht verletzen, und schließlich hatte sie sich mit ihm verlobt. Aber nach einer Weile trennten sie sich wieder. Mit Erwin war es nie soweit gekommen. Sie wußte nun, warum. Sie mochte ihn ziemlich gerne, aber sie liebte ihn nicht.
Sie versuchte, es ihm sanft beizubringen, und doch trafen ihn ihre Worte wie Messerstiche. Bestürzung zeigte sich in seinem Gesicht, und er begann zu weinen wie ein kleines Kind. Elsbeth wußte, daß er ihr jenes Gefühl der Liebe entgegenbrachte, das sie für Klaus empfand. Aber sie konnte seine Liebe nicht erwidern, obwohl sie ihn sonst gerne hatte.
Die Traurigkeit dieser Abschiedsszene vermischte sich auf eine seltsame Weise mit ihrem Wunsch, jedem von dem wunderbaren Abend zu erzählen, den sie verbracht hatte. Aber in dem starren Programm ihrer Schwesternausbildung durfte sie sich nicht anmerken lassen, daß sie in einen Arzt verliebt war, mit dem sie zusammenarbeitete. Deshalb erzählte sie es nur ihrer besten Freundin Margret.
So arbeiteten Klaus und Elsbeth jeden Tag Seite an Seite, aber niemand schöpfte Verdacht. Einmal erfuhr sie, daß Klaus im zweiten Stock war und dort im Badezimmer Flöte übte, um niemanden zu stören. Elsbeth war im ersten Stuck für zwei Stationen verantwortlich. Sie konnte sieh einen Augenblick freimachen, lief die Treppen hinauf, öffnete die Tür, küßte sein erschrockenes Gesicht, lief wieder die Treppen hinunter und hoffte, daß es niemand bemerkt hatte.
Eines Abends machten sie einen langen Spaziergang im Licht des hellen Vollmondes. In der Mitte des Waldes gelangten sie zu einer

1  Drei Länder
2  Biafra
3  Zwei Wochen im Urwald
4  Zusammen
5  Im Zug nach Serikinpawa
6  Ein amerikanischer Frühling
7  Lausanne
8  Ein Wochenende im August
9  Das Licht
10 Danach

Hoff B. J. Insel der Erinnerung

05/26/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Himmelsgewand
Dir, der Zeit und Unendlichkeit wob,
verschlung'ne Muster meines Leben zeichnet -
all den Tagen, all den Jahren -‚
Dir bring ich Lachen wie Tränen hin:
Hoffen, Träumen und Gedenken,
Triumphe und Tragödien.
Dir bring ich's, ein ums andere Mal -
Dir: nichts weist Du ab, machst alles neu!
Mein Leben nimm, Herr,
nimm's und web mir drum
den Mantel der Ewigkeit.
B. J. Hoff

Prolog: Die Stille
Tödliche Stille hing schwer in der Luft; überall Schweigen, daß man erschrak..
Thomas D'Arcy McGee

Irland, 6. Januar 1839
An jenem Tag blickten viele in Irland mit bangem Stirnrunzeln gen Himmel - beinah so, als erwarteten sie, ein Zeichen zu erblicken oder womöglich einen Hinweis auf irgendeine unnatürlich-düstere Macht, die hinter den Wolken lauerte. Die warme Stille des winterlichen Tages hatte etwas Zermürbendes, so willkommen das Ende der bitteren Kälte auch sein mochte.
Der Epiphaniassonntag war über einer stillen weißen Welt heraufgedämmert; das dichte Schneetreiben der vergangenen Nacht hatte alles zugedeckt. Als es Nachmittag wurde, war das Thermometer so hoch gestiegen, wie seit Menschengedenken zu dieser Jahreszeit noch nicht. In Hemdsärmeln standen die Männer an den Weggabelungen und ergingen sich in Erörterungen über die Kapriolen des .Wetters und darüber, ob diese Absonderlichkeit etwas ankündige und wenn ja, was
Den Frauen auf der Insel blieb landauf, landab keine Zeit, sich derlei Spekulationen hinzugeben. Den ganzen Nachmittag hindurch hatten sie alle Hände voll zu tun, um mit dem wenigen, was ihre Geldbörsen hergaben, irgendwie eine festlich gedeckte Tafel zu zaubern. Stundenlang geschürte Backofenglut hüllte die Katen in Rauch, und je weiter die Uhrzeiger vorrückten, um so zappeliger wurden die Kinder vor Vorfreude auf den Abend. Doch wen wunderte es, wenn ganze Dörfer vor Erregung zu vibrieren schienen, zumal festliche Tage im ländlichen Irland allzu selten waren. In, letzter Zeit war man weit mehr an Totenklagen gewöhnt als an die beschwingten Klänge eines Tanzvergnügens.

So kam es, daß man an diesem Tage selbst in den entlegensten und zurückgebliebensten Grafschaften jeden Augenblick der Wärme wie ein Geschenk empfand, wie eine Stundung der winterlichen Düsternis und des allseitigen Schreckens, der Irland schon lange in seinem Klammergriff hielt. Der heutige Abend würde den Familien, die sich glücklich schätzen konnten, noch ein Dach überm Kopf zu besitzen, ein paar Stunden des Zusammenseins rund ums Herdfeuer gewähren, in denen sie sich der Gaben eines gedeckten Tisches erfreuen würden, Gaben, deren Knappheit sie um so kostbarer machte. Für einen Abend wenigstens würden die irischen Männer ihre Sorgen über steigende Pachten und die erschreckenden Berichte von Zwangsräumungen vergessen, während ihre Frauen bei dem Versuch, auch ihre Ängste zu verdrängen, tapfer lächelten und sich in helle Gewänder kleideten.
Gelächter würde erschallen, man würde Lieder singen und Gott um seine Bewahrung bitten; und das Herzstück von allem würde die Musik sein: eine Musik voller Tiefe und Lebenswillen, erwachsen aus Jahrhunderten der Sorgen und der Sehnsucht nach Freiheit. Musik, die dem Wunsch Ausdruck verlieh, endlich hoffen zu können.
Indessen gab es einige, deren Hoffnung sich weder auf die fröhlichen Feierlichkeiten des bevorstehenden Abends gründete noch auf den Boden des uralten Landes ihrer Geburt, ja, noch nicht einmal auf den Gott ihrer Väter oder den Glauben, der ihre Familien seit Generationen am Leben erhalten hatte. Ihre Hoffnung klammerte sich an einen einzigen Gedanken: Flucht!
Diese Leute gehörten nicht unbedingt zu denen, die unentwegt davon redeten, die „arme alte Insel" endlich hinter sich zu lassen. Es war nicht so, daß der Gedanke sie bedrückte, Haus und Hof, ja das Vaterland im Stich zu lassen und sich auf die beschwerliche Reise übers Meer machen zu müssen, um ein besseres Leben zu finden. Sie hatten gar kein Zuhause mehr oder waren tagtäglich von der Zwangsräumung bedroht. Zum Erschauern brachten sie eher die beißende Kälte des Winters und der Hunger, als irgendwelche Ängste vor der Überfahrt über den weiten Atlantik.
Diese Menschen hofften auf die Möglichkeit zur Flucht. Für viele von ihnen gab es keine andere Hoffnung mehr.

1. Terese
Voll Spuk ist die Luft des Zwielichts:fremd und still
Lieber ist meiner Seele der sanfte Hauch der Dämmerung.
Eva Gore-Booth

Inishmore (Aran-Inseln, vor der Westküste Irlands)
Terese Sheridan stand in dem tiefen Schatten von Dun Aengus und sah zu, wie sich die Nacht über den Ozean senkte. Es war ein warmer, ein geradezu unnatürlich warmer Tag gewesen, die Luft so stickig, daß die Flamme eines Talglichts nicht einmal flackerte. Inzwischen aber war eine leichte Brise aufgesprungen, die die Felsen umspielte. In der Ferne flammte hier und da ciii Blitz auf und erhellte den Himmel.
Die gewaltige steinerne Festung, die über ihr aufragte, hatte schon immer an ihrem Platz gestanden - längst vor der Ankunft Patricks, wenn man den Dorfliltesten Glauben schenken durfte. Die gewaltigen Ringmauern mit ihren einst nach Tausenden zählenden Zinnen, hinter denen man sich in grauer Vorzeit verschanzte, um Angreifer zurückzuwerfen, ließen die Burg über Inishmore und seinen Bewohnern erscheinen wie ein kolossales, ehrfurchtgebietendes Urtier, das der See entstiegen und in endlosen Jahrhunderten der Wacht zu Stein erstarrt war.
In ihrer irgendwie schwerelosen Riesenhaftigkeit war die Burganlage für Terese nicht bloß zum Wächter über die ganze Insel, sondern auch zu einer Art persönlichem Hüter geworden. Neben Dun Aengus gab es nichts in ihrem Leben, das sich als wirklich beständig erwiesen hatte. Heute abend jedoch nahm sie Abschied von der alten Burg. Sie war aus der Kate ihrer Tante hinten im Dorf ins Freie getreten, um der Burg und Inishmore Lebewohl zu sagen.
Noch vor der ersten Morgendämmerung würde sie nicht mehr hier sein.
Monatelang hatte sie mit ihrer besten Freundin, Peggy O'Grady, ihre Abreise von der Insel geplant. Doch so sehr sie auch den Tag herbeigesehnt hatte, der sie von hier wegbringen würde, ganz freimachen konnte Terese sich nicht von dem schwermütigen Gefühl, das sie schon den letzten Abend empfunden hatte. Oft hatte sie Abschied nehmen müssen, zu oft; und mochte sie auch an diesem Ort Bitterkeit und Sorgen durchlebt haben, so ließ sie hier doch Erinnerungen zurück, Spuren ihres Lebens und der Familie, die sie verloren hatte, Spuren viel zu selten von Liebe und Wärme.
Mit siebzehn Jahren war Terese die einzige aus ihrer Familie, die noch auf dieser Seite des Atlantiks lebte. Mehr als sechs Jahre war es her, daß ihr Vater wie auch ihr Bruder Cavan die Überfahrt nach Amerika angetreten hatten. Zurückgelassen hatten sie nichts weiter als das Versprechen, binnen eines Jahres Geld zu schicken, damit der Rest der Familie nachkommen konnte.
Es hatte sich erwiesen, daß die Straßen Amerikas keineswegs, wie man hatte erzählen hören, mit Gold gepflastert waren, sondern mit Pferdeäpfeln. Aus den Stellungen, von deren Lohn man die Passage-gebühren für die Familie - wenn nicht sogar ein eigenes Haus in der Neuen Welt - hätte bezahlen können, war nie etwas geworden. Ihr Vater war verstorben, nachdem er noch nicht einmal ein Jahr aus Irland fort war, und Cavan hatte sich schließlich in einem Land namens Pennsylvanien wiedergefunden, wo er mit ihrem Onkel Tibbot und dessen Söhnen unter der Erde nach Kohle grub.
Binnen Jahresfrist nach der Auswanderung von Vater und Bruder hatten Terese und die übrigen Angehörigen den Pachtzins nicht mehr aufbringen können, und man harte sie von Haus und Hof vertrieben. Nachdem sie den größten Teil des Winters in einer Höhle auf den Klippen der Küste haften hausen müssen, waren sowohl die kleine Mada als auch Tereses ältere Schwester, Honor, an Kälte und Lungenentzündung gestorben. Danach hatte es keine Woche gedauert, bis auch ihre Mutter tot dalag und Terese, damals noch nicht ganz zwölf Jahre alt, allein zurückließ.
12 13
Bis auf die Knochen durchgefroren und halbtot vor Hunger hatte sich Terese aufgemacht, um ihre Tante Una um Unterschlupf zu bitten, die in Held of the Horses lebte, einem verschlafenen Nest nicht weit hinter der Küste. Als sie zum erstenmal anklopfte, hatte ihre Tante ihr die kalte Schulter gezeigt und gefragt: „'Wie soll ich es denn bitteschön fertigkriegen, noch einen weiteren Esser sattzu-bekommen? Ich habe weder Platz noch Essen übrig. Du bist doch jetzt 'n feines, großes Mädchen. Du wirst keine Mühe haben, von deiner eigenen Arbeit zu leben."
Es hatte aber auf der hungernden Insel keine Arbeit für sie gegeben. Verzweifelter denn je, hatte Terese schließlich ihren Stolz überwunden und ein zweitesmal Tante Una aufgesucht. Und jetzt, sei es aus Schuldgefühlen oder plötzlich wieder zum Leben erwachten Familienbindungen hatte ihre Tante der Nichte einen stinkenden Strohsack in der Ecke angewiesen, wo manchmal das Schwein lagerte, und einen beengten Sitzplatz am Tisch inmitten ihrer fünf Vettern und Cousinen.
Seitdem war kein einziger Tag vergangen, an dem sie Tante Terese nicht daran erinnerte, welch eine Last sie ihr war und wie unendlich glücklich sie sich schätzen konnte, daß sie, Tante Una, aus christlichem Hause stammte und sich deshalb willens zeigte, ihr unter derartigen Opfern Obdach zu bieten. Andererseits hatte es in den Jahren, die folgten, ebensowenig einen Tag gegeben, an dem Terese niht vor Genugtuung erglühte, während sie das Geld zählte, das Cvan endlich zu schicken begonnen hatte und das sie in der Ab-sj'cht, genug zu sparen, um Inishmore und der „christlichen Nächstenliebe" ihrer Tante den Rücken zu kehren, sorgfältig verbarg.
Mitunter, wenn die Einsamkeit am allerschlimmsten war, hatte sie sich gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, sie wäre in der Höhle umgekommen wie ihre Mutter und ihre Schwestern. Doch jedesmal schaffte sie es, sich vor der Versuchung des Selbstmitleids in acht zu nehmen in der Hoffnung, daß eine bessere Zukunft ihrer harrte - eine Zukunft dort drüben, jenseits des Atlantiks.
Tatsächlich war es diese Hoffnung, die Terese buchstäblich am Leben hielt, diese verzweifelte Hoffnung, in der sie einem Tag ent gegensah, an dem sie endlich der erbärmlichen Armut ihres Daseins den Rücken kehren und jene bessere Zukunft sehen würde.
Jetzt war dieiser Tag gekommen. Morgen um diese Zeit würden sie und Peggy schon in Galway sein. Terese hatte es geschafft, von dem Geld, das Cavan ihr im Laufe der Jahre geschickt hatte, und ihrem Verdienst in der Küche von Corcoran's Inn jeweils fast doppelt so viel beiseite zu legen, wie sie gewöhnlich ihrer Tante für Kost und Logis aushändigte. Nun hatte sie genug für die Überfahrt nach Amerika beisammen - genug für ein neues Leben.
Plötzlich, so als wäre die Hoffnung höchstselbst vom Himmel her auf sie herabgekommen und hätte sie auf den Schwingen des Windes davongetragen, wich die melancholische Stimmung von ihr, die ihr den ganzen Abend zu schaffen gemacht hatte. Terese fühlte sich irgendwie erleichtert, ja erlöst, so daß sie ihre zum Greifen nahe Freiheit am liebsten über die ganze Insel hinausgeschrien hätte.
In diesem Moment heulte eine jähe Windbö über die Küste hinweg, gefolgt von krachendem Donner und einem atemberaubend grellen Blitz. Augenblicklich wurde die Luft kühl, und Terese wünschte, sie hätte ihren Mantel übergezogen und nicht bloß den dünnen Pullover ihrer Cousine Nancy.
Sie wurde gewahr, daß es schon spät war, wahrscheinlich schon nach acht, und nach einem letzten Blick auf die steinerne Festung wandte sie sich ab und machte sich auf den Rückweg ins Dorf. Ohne Vorwarnung traf sie ein weiterer Windstoß, noch stärker diesmal und klagend wie eine Todesfee, als er über die tückischen Gemäuer der Festung hinfuhr.
Terese blickte zum Himmel, dessen tintenblaue Färbung schwere Regenwolken erkennen ließ, und drehte sich dann nochmal zur Küste um, wo die Flut jetzt höher auflief. Draußen vor den Klippen bildeten sich immer mächtigere Brecher und rollten tosend auf das Land zu. Ein Sturm kam unglaublich rasch auf. Der Wind peitschte gegen ihr Gesicht und ihre Schultern. Als sie sich wieder umdrehte, um nach Hause zu rennen, schlang sie zum Schutz gegen die Kälte die Arme um sich.

Inhaltsverzeichnis
Prolog: Die Stille 9
I.Terese 12
2. Brady 16
3. Suche nach Zuflucht 24
4. Der Schrecken des Windes 29
5. Die Müden und Verwundeten 37
6.Jack 50
7. Der Starke trifft den Starken 56
8. Zu lange getrennt 69
9. Wenn man eine Diebin fängt 78
10. Engel - ohne es zu wissen 88
11. Im Hause des Fischers 94
12. Jane Connolly 106
13. Der Blick auf die Frauen 116
14. Ein berechnender Brief 129
15. Der Schlüssel zu einem Traum 142
16. Möglichkeiten 149
17. Diese Frau ist ein Rätsel 163
18. Die Prinzessin und der Pirat 170
19. Gewinnen oder erobern? 183
20. Verschiedene Arten von Menschen 195
21. Ein Mantel, das Feuer zu umhüllen 207
22. Stern des Schicksals 217
23. Pfarrer Gnadenlos 223
24. Ein Atemzug zwischen den Erinnerungen 236
25. Ein Treffen in der Mercer Street 247
26. Ein Tag voller Überraschungen 259
27. Inmitten der Scharten 271
28. Traurige, unerwartete Neuigkeiten 278
29. Das vertraute Antlitz der Verzweiflung 285
30. Ein Abschied ohne auf Wiedersehen 294
31. Preis der Träume, Strafe der Narrheit 302
32. Klagelied der Einsamen 314
33. Sturm im Herzen 324
34. Ein unerwartetes Willkommen 332
35. Ein Plan für die Zukunft 340
36. Konfrontation mit dem Bösen 351
37. von Anwälten und Rechtshändeln 356
38. Himmelstuch 372
39. Samanthas Lächeln 382
40. Von Stille und Schatten 395
41. In die Nacht 407
42. Erinnerungen und Geheimnisse 414
43. Wacht im Bellevue 426
Epilog: Gaben von Gold und Gnade 436
Published by Tyndale House Publishers, Wheaton, USA
© der deutschsprachigen Ausgabe
1999 by Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH

Erfinder Im Gegensatz zu Wikipedia kann die Bibel auf eine echte Erfindung verweisen, Horst von der Heyden

04/29/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Erfinder ist, wer »durch eigene schöpferische Leistung eine zuvor nicht bekannte Lösung oder Anwendung im Bereich der Technik hervorbringt.«
So jedenfalls ist es bei Wikipedia nachzulesen.1
Und mit dieser Definition lässt uns das InternetPortal nicht allein, sondern listet in einem weiteren Artikel, alphabetisch geordnet, Hunderte von Menschen auf, die als Erfinder gelten,2
 von Abbas ibn Firnas, einem arabischen Flugpionier, bis zu dem Amerikaner Paul Maurice Zoll, der als Erfinder des Herzschrittmachers gilt.

Die Liste umfasst deutlich über 1700 Personen, enthält aber keine genaue Angabe über die Gesamtzahl der Erfinder. Und das hat sicherlich seinen Grund, denn Erfindungen wird es immer geben, und die Liste muss dementsprechend ständig aktualisiert und angepasst werden. Interessant wäre es dabei zu erfahren, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um auf der
Liste zu erscheinen. Reicht es schon, wenn man eine Vorrichtung erfindet, mit der man relativ einfach einen Kreis zeichnen oder eine Dachrinne reinigen kann, oder muss das Erfundene bedeutsamer sein?

Die besagte Liste selbst gibt darüber keinen Aufschluss. Im Gegenteil, es finden sich dort sowohl
der Amerikaner Henry John Heinz, der als Erfinder des Tomatenketchups gilt, als auch der Deutsche Robert Oppenheimer, der (gemeinsam mit anderen) 1945 die Atombombe erfand. Es werden aufgelistet Melitta Bentz, die 1908 die Filtertüte, und Alexander Graham Bell, der 1876 das Telefon erfand.

Und dann findet man dort auch einen Walter Thiele, dem fast 100 Jahre später die Erfindung des Lachsacks gelang. Also, wer legt fest, was bedeutsam ist? Und für wen? Für den Erfinder selbst oder seine Familie, den Ort, das Land oder die gesamte Menschheit?

Wer also ist es, der die Kriterien aufstellt, und wer ist es, der das Erfundene daran misst? Und an wen müsste man sich wenden, wenn man von einer Erfindung gehört oder selbst eine solche gemacht hat und sie bekannt machen möchte? Da müsste es doch eine Anlaufstelle geben – und eigentlich auch objektive Kriterien. Bei Wikipedia finden sich diese nicht.

Da geht es eher vage zu: Es heißt zwar eindeutig, dass jemand »ein Problem erkannt hat, es gelöst und mindestens einmal damit Erfolg gehabt hat«, es wird aber auch darauf hingewiesen, dass es durchaus Erfindungen gibt, »die keinen Nutzen hatten und später wieder verworfen wurden«.2

Im Gegensatz zu Wikipedia kann die Bibel auf eine echte Erfindung verweisen. Eine, die einem echten Problem galt. Einem Problem nämlich, das nicht nur vereinzelt oder lokal auftritt, sondern universal, das weltweit verbreitet ist. Dieses Problem wurde nicht nur erkannt, bei ihm wurde auch festgestellt, auf welche Art und Weise es gelöst werden konnte. Und zwar ausschließlich auf eine einzige Weise; es gab da nicht mehrere Lösungen, nicht mal eine zweite.

Und diese Erfindung ist so genial, dass durch sie nicht nur alle einschlägigen Probleme einmalig, sondern sogar ein für alle Mal gelöst werden. Ja, die gefundene Lösung ist absolut dauerhaft und löst das Problem für immer und ewig. Das Problem heißt Sünde, der Erfinder Jesus Christus. Und der hat die Lösung mit »seinem eigenen Blut« erwirkt, bevor er dann »ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen [ist], als er eine ewige Erlösung erfunden hatte« (Hebr 9,12).

Seine Erfindung hat größtmöglichen Nutzen für die gesamte Menschheit. Und nicht nur das: Sie wird allen Menschen auch kostenlos angeboten. Man kann sie allerdings auch verwerfen. Dann aber nicht aus Mangel an Nutzen, sondern aus überheblicher Ignoranz – und mit sehr weitreichenden Konsequenzen!
Horst von der Heyden
Zeit & Schrift 2 ∙ 2023
1 https://de.wikipedia.org/wiki/...
2 https://de.wikipedia.org/wiki/...

Theosophie - Speerspitze des Okkultismus, Stephan Holthaus

03/30/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

A. Einführung in die ThematikBV17501.jpg?1680197568034
Unsere Gesellschaft steht heute vor einer explosionsartigen Zunahme des Interesses an Okkultismus, Esoterik und Geheimzirkeln. Das Pendel der Geschichte schlägt um von einer Periode des strengen Rationalismus und des Glaubens an die Machbarkeit aller Dinge in ein Stadium der Gefühlsreligion und der esoterischen Spiritualität. New Age, das verheißene neue Zeitalter, wird heute von vielen Zeitgenossen lauthals verkündet. 

An der Wendezeit zwischen Fische- und  Wassermannzeitalter soll nun endlich die paradiesische Welt von morgen Wirklichkeit werden. Selbst manche Wissenschaftler lassen sich von der neuen Massenbewegung mitreißen und geben dem esoterischen Gedankengebäude einen scheinbar akademischen Unterbau.
Im Schlepptau der neuen Spiritualität ist auch häufig der Hinweis auf die Theosophie zu hören, die als eine der Wurzeln der neuzeitlichen Bewegung betrachtet wird. Gemeint ist damit nicht die christliche Theosophie, die in ihrer mystisch-innerlichen Ausrichtung breite Kirchenkreise seit dem Mittelalter beeinflußte, sondern die Geheimorganisation der Theosophischen Gesellschaft, die erst seit 1875 an die Öffentlichkeit trat.
Analytiker des New Age vermuten in dieser Bewegung eine entscheidende Wurzel für die Spirituälität unserer Tage.' Diese kleine, aber wirkungsvolle Bewegung der Theosophen beeinflußte in den vergangenen 100 Jahren unzählige Schlüsselpersonen aus allen Gesellschaftsschichten. Faszination über die beeindruckenden Schriften der „Madame Blavatsky' Gründerin der Theosophischen Gesell- schuft, ist auch heute vielerorts vorzufinden. Mehr noch als das leben aber ihre Ideen und Lehren oft unbewußt in den Köpfen der New-Age-Anhänger weiter.
Was steckt hinter der Theosophischen Gesellschaft? Wie ist sie entstanden, und wer waren und sind ihre Drahtzieher? Was sind ihre Hauptlehren, und wie verhalten sie sich zu den Aussagen der Bibel? Wie weit haben sie die New-Age-An-hänger unserer Tage beeinflußt? Um diese Fragen soll es in diesem Buch gehen.
Zunächst wollen wir uns mit der wechselvollen Geschichte der Bewegung beschäftigen3, um dann in einer systematischen Darstellung das theosophische Lehrsystern. und seinen Einfluß auf die New-Age-Bewegung zu untersu-chen.4 Da es innerhalb der Theosophischen Bewegung keine verbindlichen Dogmen gibt, an denen die Mitglieder festhalten müssen, können die Ausführungen über die Lehre der Theosophischen Bewegung nicht für alle Anhänger der Theosophie gelten. 

BV17501-5.jpg?1680198286281Ein allgemeiner Konsens über die angesprochenen Auffassungen, bei der wir in der Darstellung ausgehen, kann aber in der Theosophie festgestellt werden.
In der modernen evangelischen Apologetik ist es aus der Mode gekommen, Geistesströmungen und Kulte anhand eines festen biblischen Maßstabes zu beurteilen. Die Gründe hierfür liegen zum einen in einer Demontage des biblischen Textes durch die Historisch-Kritischen Methoden der Exegese, die mit einem vorgegebenen Mißtrauen dem biblischen Text gegenüber antreten und eine feste Glaubensbasis zerstören. 

Andererseits verharrt die Apologetik durch den Dialog mit anderen Religionen in einer Periode der Dogmenlosigkeit, die eine Beurteilung antibiblischer Lehren nicht ratsam erscheinen läßt. So ist ein Kennzeichen der neueren Arbeiten über die Theosophie die rein geschichtliche Darstellung der Bewegung, die eine kritische Beurteilung nicht zuläßt oder sie nur von einem eher rationalistisch geprägten Standpunkt aus führt.

In diese zeitgeschichtliche Situation hinein möchte die vorliegende Beurteilung des Lehrgebäudes der Theosophie andere Leitlinien setzen Ihr Ausgangspunkt ist ein unum-sdiranktes Vertrauen in die Heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes als eine irrtumslose und maßgebende Offenbarung Gottes an den Menschen An diesem Maßstab müssen sich alle Geistesströmungen messen lassen, auch die Theosophie.

Die Darstellung der heutigen theosophischen Gruppierungen entstand teilweise unter enger Verbindung mit den betreffenden theosophischen Kreisen in Deutschland, denen ich für ihre wertvollen Informationen und Anregungen zu Dank verpflichtet bin. Mein besonderer Dank gilt Frau Else Nießner von der Adyar-Gesellschaft für ihre selbstlose Unterstützung bei der Literatursuche. Um dem Leser die• Lektüre der theosophischen Fachbegriffe zu erleichtern, wurde am Ende des Buches ein Glossar beigefügt. In den Anmerkungen findet der interessierte Leser neben den Quellenangaben auch weiterführende Literaturhinweise zu den einzelnen Themenbereichen.

B. Wesen und Ziele der Theosophischen Gesellschaft
as bedeutet Theosophie? Diese Frage muß am Anfang un: $erer Ausführungen beantwortet werden. In einer populären Einführung in die Lehren der Theoso-phie von Harry Benjamin heißt es: „... Theosophie (Griechisch, bedeutet Gottes Weisheit, oder Weisheit über Gott) Ist eine moderne Bezeichnung für das System der esoteri-schn Lehre. Sie wurde von uralten Zeiten an überliefert und bildete die Basis für alle großen Religionen und Philosophien des Altertums, auch des Christentums. . . Theosophie ist in Wahrheit eine Synthese von Philosophie, Wissenschaft und Religion... Theosophie ist, daran muß immer wieder erinnert werden, die Weisheit aller Zeiten'1
Die Theosophie wird also innerhalb der Theosophischen Gesellschaft als die Grundsubstanz aller Religionen und Philosophien verstanden, die seit Beginn der Menschheitsgeschichte bekannt ist und von sogenannten Initiierten an die Menschheit weitergegeben wurde.
Der Ausdruck Theosophie findet sich erstmals bei dem Neu-platoniker Ammonios Sakkas, der im dritten Jahrhundert nach Christus in Alexandrien wirkte.'

Mit der Theosophie des 17. und 18. Jahrhunderts verbindet die Theosophische Gesellschaft die Suche des individuellen Geistes nach der Vereinigung mit dem universalen Gott. Von daher wurde immer wieder von den Theosophen auf die Verbindung mit Böhme, Meister Eckehart4 und Swedenborg5 hingewiesen. Allerdings legt die Theosophische Gesellschaft den Schwerpunkt mehr auf die Prinzipien der östlichen Religionen und auf die Esoterik.6
Hermann Rudolph, der Nachfolger Hartmanns in der Internationalen Theosophischen Verbrüderung, definierte die 'Theosophie mit folgenden Worten ‚Die Theosophie ist nicht das Wissen von Etwas, sondern das Wissen selbst, d.h. die Selbsterkenntnis der Wahrheit im Menschen.

Ein Theosoph ist daher derjenige, der sich selbst in seinem wahren Wesen als das ewige unvergängliche Selbst (Theos) in allen Erscheinungen des Weltalls erkennt Theosoph ist für
Rudolph ein verkörperter Gott der sich der Einheit mit dem universellen Atma bewußt ist .s.
Die Theosophische Gesellschaft gibt sich bis heute drei Hauptziele, die ihr ganzes Wesen und Wollen widerspiegeln. Sie will:
1. „einen Kern der allumfassenden Bruderschaft der Menschheit bilden, ohne Unterschied von Rasse, Religion, Geschlecht, Kaste oder Farbe;
2. zum vergleichenden Studium von Religion, Philosophie und Naturwissenschaft anregen;
3. die Erforschung ungeklärter Naturgesetze und der im Menschen verborgenen Kräfte fördern."9
Für den theosophischen Führer Rudolph war gerade die Erkenntnis der eigenen Göttlichkeit das Ziel aller Theoso-phieiO; Helena Petrovna Blavatsky, Begründerin der Gesellschaft, legte dagegen mehr Wert auf die moralische Vollkommenheit des Menschen durch die Theosophie.11
Es wird nachfolgend zu zeigen sein, daß die Theosophie eine Synthese von Philosophie, Religion und Wissenschaft versucht. Sie ist kein eigenständiger Kult, sondern eine Zusammenfassung von verschiedenen Kulten, keine Religion, sondern eine synkretistische Verflechtung aller Glaubenssysteme, keine Wissenschaft, sondern ein Konglomerat aus pseudowissenschaftlichen Spekulationen. 

Daher kann man die Theosophie als eine Weltanschauung im umfassenden Sinne verstehen, denn sie versucht, auf alle Lebensfragen des Menschen eine Antwort zu geben.
Das Emblem der Theosophischen Gesellschaft besteht aus fünf klassischen Symbolen, die einen Einblick in die Lehrinhalte der Bewegung geben:
Das Emblem der Theosophischen Gesellschaft
Die Schlange, die sich in den Schwanz beißt, stellt für die esoterische Interpretation der Theosophen die göttliche Weisheit dar; sie symbolisiert die Unendlichkeit und den Evolutionsraum. 12
Die Swastika zeigt nach theosophischer Anschauung die Welt, die sich um eine zentrale Sonne dreht. Sie ist das Rad des Gesetzes und der Evolution. Das Sechseck ist das Symbol der vollkommenen Vereinigung von Geist und Materie, des Herabsteigens des göttlichen Lebens in die Materie. Das ägyptische Henkelkreuz symbolisiert den Sieg des Geistes über die niedere Natur im Menschen, die Auferstehung des Geistes. Das Henkelkreuz ist das Zeichen für den „ich-bewußten Menschen"."
A UM, das heilige Sanskrit-Wort, ist das Symbol der höchsten Dreiheit, die Anrufung des Höchsten.
Zum richtigen Verständnis der Theosophie gibt ihre geschichtliche Entwicklung, die nachfolgnd dargestellt werden soll, wertvolle Hinweise.

Epheser 4,1-16 Viele Glieder ein Leib Heijkoop H.L.

01/16/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kap.4, 1-16 Auslegung Heijkoop H.L.

Viele Glieder ein Leib Epheser 4, 1-16 - H.L. Heijkoop

Vortrag von H. L. Heijkoop am 3. 7. 1973
Wir haben in Kolosser 1 gesehen, wer das Haupt des Leibes ist (s. H. u. N. Okt. 84). Welch eine wunderbare Person! ER ist als Mensch der Erstgeborene aller Schöpfung, und in Beziehung zur Versammlung ist ER auch der Erstgeborene aus den Toten. 

Wenn das Haupt des Leibes eine solche Person ist, wie gewiß dürfen wir dann unserer Segnungen sein, aber auf der anderen Seite, wie sehr sollten wir in Übereinstimmung mit unserer Stellung als Glieder am Leibe dieses herrlichen Hauptes wandeln! Diese beiden Gedanken finden wir in der Stelle, die wir gelesen haben. 

In Kolosser 1, 10 wurden wir ermahnt, würdig des Herrn zu wandeln. Hier heißt es: "Ich ermahne euch nun, ... daß ihr würdig wandelt der Berufung, mit weicher ihr berufen worden seid" (V. 1). Beide Stellen besagen dasselbe, denn unsere Berufung ist, daß wir Glieder des Leibes sind. Muß der Leib nicht in Übereinstimmung mit dem Haupt sein? Das sehen wir hier in

Vers 13: ﷓ .. bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus." Wenn das Haupt so herrlich ist, dann muß auch der Leib damit in Übereinstimmung stehen. Alles, was dazu nötig ist, ist uns geschenkt. Das finden wir in dieser Stelle hier. Es ist unsere Verantwortung, das schon jetzt in unserem Wandel zu beweisen.

In Kap. 1 haben wir die Versammlung als Leib Christi und so, wie sie durch die ganze Ewigkeit hindurch sein wird. In Kap. 2, 21 sehen wir die Versammlung als das Haus Gottes in Ewigkeit und in

Vers 22 als Behausung Gottes im Geiste. Das ist die Versammlung jetzt schon. Was wir in Ewigkeit sein werden, wenn wir in voller Übereinstimmung mit dem Haupte sind, das sollten wir hier unten auf der Erde schon sein. ein wahres Zeugnis für den verherrlichten Herrn im Himmel. Wir werden also ermahnt, würdig zu wandeln der Berufung, Mit welcher wir berufen worden sind (Eph 4, 1), d. h. in Übereinstimmung mit dem, was wir in der Herrlichkeit sein werden. Die Gesinnung des Herrn Jesus sollte bei uns gefunden werden (V. 2). In

Vers 3 lesen wir dann: "euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens!' Natürlich bezieht sich dieser

Vers 3 nur auf die Erde. In der Ewigkeit brauchen wir uns nicht mehr zu befleißigen, diese Einheit zu bewahren, denn dann wird sie vollkommen sein, wie Gott sie in Seinem Ratschluß vorgesehen hat, und dann wird es nichts mehr geben, was diese Einheit beeinträchtigen könnte. Aber hier auf der Erde ist Satan, und in uns ist noch das Fleisch ﷓ und deshalb ist es wichtig, die Einheit des Geistes zu bewahren. Die Einheit wird die Einheit des Geistes genannt, nicht die Einheit des Leibes. 

Die Einheit des Geistes ist das, was der Heilige Geist niedergelegt hat, nicht das, was aus dem Fleisch kommt; deshalb wird von der Einheit des Geistes gesprochen. Wir haben uns zu befleißigen, das zu bewahren, was der Heilige Geist hervorgebracht hat, nicht das, was durch das Fleisch eingeführt worden ist.

Es werden drei Beziehungen erwähnt, in die wir eingeführt worden sind. "Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung" (V. 4). Da haben wir die Versammlung nach den Gedanken Gottes. Sie ist ein Leib, zu dem nur wahre Gläubige gehören, und sie alle werden in alle Ewigkeit zu diesem Leib gehören. Da ist nur ein Geist, Gott, der Heilige Geist, und Er hat uns mit Christus vereinigt, wie 1. Korinther 12 sagt. 

Er ist das Band, das jeden Gläubigen persönlich mit Christus verbindet und der uns als Glieder des Leibes untereinander verbindet, und auch das wird in alle Ewigkeit so sein. Dann haben wir auch alle dieselbe Hoffnung unserer Berufung. Das ist das erste, worauf hier unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird. In der Ewigkeit wird das vollkommen sein, aber wahr ist es schon hier unten, und das zeigt uns, was unser Zeugnis auf der Erde sein sollte. In

Vers 5 heißt es dann: "Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe!' Da haben wir die Einheit des Bekenntnisses. In
Vers 4 hatten wir die innere Einheit des Leibes. Hier ist es die Einheit des Bekenntnisses. Ein Herr, und ER ist der Herr all derer, die Glieder am Leibe Christi sind. Gewiß, es gibt noch andere, die Ihn als Herrn bekennen. Aber jedenfalls ist ER der Herr all derer, die Glieder des Leibes sind. 

Sie haben alle einen einzigen Glauben, die christliche Wahrheit, alle Wahrheiten, die im Neuen Testament geoffenbart sind. Das dritte ist hier eine einzige Taufe, und sie zeigt uns unseren Platz hier auf der Erde. Natürlich zeigt uns der eine Glaube auch, daß wir auf der Erde sind. 

Im Himmel ist nicht mehr von der Lehre die Rede, denn dort gibt es keine Lüge mehr, dort gibt es keinen Glauben mehr, denn dort haben wir alles, und wir sehen alles in seinem wahren Licht. Dort wird auch nicht mehr betont werden müssen, daß der Herr Herr ist, denn jeder wird Seinen Willen tun, und wir sehen nicht, daß ER dort den Platz des Herrn einnimmt. Im Vaterhaus ist ER der Erstgeborene unter vielen Brüdern, und dort wird ER sich umgürten, um uns zu bedienen.

Hier auf der Erde aber geht es darum, daß ich bekenne: ER ist mein Herr. Ich möchte erwähnen, daß ER nicht der Herr der Versammlung genannt wird. ER ist das Haupt des Leibes, aber der Herr jedes einzelnen persönlich. In der Versammlung sollte alles zum Ausdruck bringen, daß Jesus Christus der Herr ist, so daß die Weit sieht, weiches die Rechte des Herrn sind und daß sie lernt, daß sie sich vor Ihm zu beugen hat.

Als drittes wird genannt: eine Taufe. In Verbindung mit dem Zeugnis ist das sehr wichtig. Römer 6, 3-4 sagt uns, daß wir auf den Tod Christi getauft sind und daß wir mit Ihm durch die Taufe begraben sind. Das ist unser Platz auf der Erde in Verbindung mit einem verworfenen Christus, und das ist fundamental wichtig für unsere Stellung auf der Erde. 

Durch die Taufe sind wir, was unsere Stellung auf der Erde betrifft, mit dem gekreuzigten Christus einsgemacht, und das wendet sich gegen die Welt, und es beschreibt unsere Situation auf der Erde. Im Himmel ist das nicht so. Dort gibt es keine Welt. Dort haben wir nicht nötig, mit Christo begraben zu sein. Wir werden dort mit Ihm verherrlicht sein. Die Taufe hat mit unserer Stellung und unserem Zeugnis hier auf der Erde zu tun.

Wir sehen hier also zunächst unsere Beziehung zu dem Heiligen Geist, unsere Beziehung zu dem Herrn Jesus, nicht als dem Sohne Gottes, sondern als dem Menschen Christus Jesus, in

Vers 6 unsere Beziehung zu Gott, dem Vater. Da geht es um eine doppelte Beziehung. Da ist zunächst eine Beziehung zu Ihm, wie sie jeder Mensch hat. "Da ist ein Gott und Vater aller, der da ist über allen", wir aber stehen in einer speziellen Beziehung zu Ihm, und deshalb heißt es weiter: "und in uns allen". 

ER ist unser Vater, wir sind aus Ihm geboren, und diese Stellung haben nur wir, die wir aus Ihm geboren sind. Diese Dinge müssen unser Zeugnis charakterisieren. Wir haben an diese Dinge zu denken und an die Art und Weise, wie wir sie in unserem Zeugnis nach außen hin kundtun.
Im Folgenden sehen wir, auf welch wunderbare Weise der Herr uns fähig macht, dies zu tun. Jeder hat eine Gabe erhalten. Hier wird sie eine Gnade genannt. Es heißt in

Vers 7: "Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maße der Gabe des Christus." Jeder hat seinen Platz am Leibe des Christus, und jeder hat das empfangen, was er nötig hat, um diesen Platz auszufüllen. Von wem haben wir die Gabe empfangen? Von dem verherrlichten Herrn im Himmel. Aber der verherrlichte Herr ist zunächst auf der Erde gewesen, und nicht nur das, ER ist auf dem Kreuz gestorben, ER hat unsere Sünden auf sich genommen, ER ist für uns zur Sünde gemacht worden, und wir wissen, daß der Lohn der Sünde der Tod ist. 

Das Gericht Gottes hat Ihn getroffen, und ER hat aus Liebe zu uns das Werk vollbracht. Dort am Kreuz hat der Herr Jesus den Fürst des Todes getroffen, und wir wissen aus Hebräer 2, 14, daß Satan die Macht des Todes hat. Der Herr ist am Kreuz mit ihm zusammengetroffen, und ER hat ihn dort besiegt. ER, der gestorben ist, ist aus den Toten auferstanden. Die Herrlichkeit des Vaters hat Ihn auferweckt, wie wir in Römer 6, 4 lesen, aber in Römer 1, 4 heißt es, daß ER durch sich selbst auferstanden ist. 

Der Tod konnte Ihn nicht halten, ER hat Satan besiegt. ER hat das Werk für uns hinausgeführt, und ER hat uns auf diese Weise befreit. Jetzt ist ER in der Herrlichkeit, und als verherrlichter Mensch hat ER vom Vater Gaben empfangen, und ER gibt uns diese Gaben, damit wir mit Ihm kämpfen und Ihn dort, wo Satan herrscht, offenbaren, damit wir gegen Satan streiten und seiner Macht Menschen entreißen und sie auferbauen als Leib Christi, damit sie zusammen einen Leib bilden, der des verherrlichten Hauptes würdig ist. Das ist eine wunderbare Tatsache!

In uns selbst sind wir schwache Geschöpfe. Wir waren Sklaven Satans. Aber der Herr hat uns befreit, und wir leben hier auf der Erde, die unter der Gewalt Satans steht. Satan ist der Fürst dieser Welt, der Gott dieser Weit in ihrem gegenwärtigen Zustand, und wir wohnen hier. Was können wir gegen Satan tun? Wir haben keinerlei Kraft, aber der Herr ist Sieger, und ER hat uns Gaben gegeben, die uns fähig machen, gegen Satan zu streiten und ihm andere Sklaven zu entreißen, Gaben, die fähig machen, hier unten ein Zeugnis für den verherrlichten Herrn zu sein, ein Zeugnis des Sieges über Satan, und so die Versammlung aufzuerbauen im Blick auf diese Herrlichkeit, die sie in der Ewigkeit haben wird. Das ist eine wunderbare Tatsache. 

Die Versammlung ist hier auf der Erde. Sie besteht aus schwachen Gefäßen, und alles hier unten ist gegen sie. Die ganze Macht Satans und der Welt ist gegen die Versammlung, und doch wächst sie unter diesen Umständen zum Haupt hin. Inmitten dieser Umstände wird sie vom Herrn immer mehr abgesondert, geheiligt, Ihm gleichförmig gemacht; in dem Augenblick, wo der Herr wiederkommen wird, um sie zu holen, wird sie in vollkommener Harmonie mit Ihm sein. Weich wunderbare Tatsache!

Hier ist nicht im einzelnen von diesen Dingen die Rede. Der Epheserbrief spricht zu uns vom Himmel. Der Römerbrief und der 1. Korintherbrief geben uns genauere Hinweise; was dort steht, soll uns zeigen, wie wir uns in der Wüste zu betragen haben. Hier aber finden wir die Mittel, die Gott uns gegeben hat, hier unten schon auf der Erde, und davon ist in den folgenden Versen die Rede.

In Vers 11 und 12 heißt es: "Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi." Wir haben also alles, was zur Auferbauung des Leibes Christi nötig ist. Zunächst werden die Apostel und die Propheten genannt. In Kap. 2 haben wir gesehen, daß sie das Fundament bilden. Hier haben wir ihren Dienst im Wort. Wir haben aber auch Evangelisten. Das sind die, die vom Herrn die Gabe empfangen haben, in die Welt zu gehen, wo Satan ist, und Christus als den Sieger zu predigen und Satan seine Sklaven zu entreißen. Sie sind eine Gabe des Siegers, der jetzt verherrlicht im Himmel ist.

Wenn dann Menschen Satan entrissen worden sind, dem Evangelium geglaubt haben, Glieder am Leibe Christi geworden sind, dann haben sie Hirten und Lehrer nötig. Diese Dienste dienen der "Vollendung der Heiligen", wie es hier heißt.

Was bedeutet das, "Vollendung der Heiligen"? Das bedeutet, daß wir zu Christus hin wachsen, daß wir Ihm ähnlich werden, und das geschieht hier auf der Erde, und das steht in engem Zusammenhang mit dem "Werk des Dienstes". So muß jeder Gläubige auferbaut werden für das Werk des Dienstes. Was ist der Dienst? Er ist die "Auferbauung des Leibes Christi". Wie wichtig ist es, daß jeder seinen Platz am Leibe Christ! einnimmt und den Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht, ausführt!

Wir sehen hier einen Unterschied zu 1. Korinther 12. Die Hirten und die Lehrer, die der Versammlung gegeben sind, werden als außerhalb des Leibes gesehen. In 1. Korinther 12 werden sie als Glieder am Leibe betrachtet, und natürlich sind sie Glieder des Leibes, aber hier in Epheser 4 werden, sie in ihrem Dienst außerhalb der Versammlung gesehen. Noch einmal, was ist der Dienst? Die Auferbauung der Glieder des Leibes, damit sie ihren Platz als Glieder am Leibe einnehmen und den Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht, ausüben. In

Vers 7 hat es geheißen: "Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maße der Gabe des Christus."

Wann ist diese Auferbauung vollendet?
Vers 13 sagt uns: "bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus." Wir sehen hier eine Verbindung zu
Vers 5, wo wir gelesen haben: "Da ist ein Herr, ein Glaube, eine Taufe." Die Taufe wird hier nicht erwähnt, denn wenn der Leib vollkommen ist, werden wir nicht mehr auf der Erde sein. Aber was ist die Vollendung der Heiligen? Es ist zunächst die Einheit des Glaubens, dieses einen Glaubens von
Vers 5. Dann die Erkenntnis des Sohnes Gottes, das ist der eine Herr von

Vers 5, obwohl die Bedeutung hier noch viel weiter reicht. Hier geht es darum, daß ER auf der Erde als Herr anerkannt wird, und das ist erst Wirklichkeit bei uns, wenn wir Ihn erkennen und wenn wir Ihn erkennen, wie ER ist. In 1. Johannes 3, 2 heißt es: 11... wir werden ihn sehen, wie er ist." Das ist der Beweis dafür, daß wir Ihm gleich sein werden. Dann ist die Auferbauung vollendet.

Was ist die Einheit des Glaubens? Der Glaube ist die Wahrheit, die geoffenbart worden ist, das, was wir im Neuen Testament haben. Wenn wir wirklich diese Wahrheit kennen, dann haben wir Einheit des Glaubens, dann kennen wir wirklich diese Wahrheit so vollkommen, wie wir sie im Himmel erkennen werden. Ganz vollständig wird das auf der Erde nie der Fall sein.

In Apostelgeschichte 2 waren die Hundertundzwanzig alle beisammen, sie waren der Leib Christi, aber sie kannten nicht die ganze Wahrheit. Wenn sie fünfzig Jahre später noch gelebt haben, dann wußten sie viel mehr von der Wahrheit Gottes. Sie hätten dann alle Väter in Christo sein können. Aber während dieser fünfzig Jahre sind viele Seelen zum Glauben gekommen, einige vielleicht erst am letzten Tage dieser fünfzig Jahre, und diese konnten natürlich nur wenig Kenntnis haben. Sie mußten Fortschritte machen, denn sie waren Kindlein in Christo und mußten Väter in Christo werden. Und so ist es die ganzen zweitausend Jahre hindurch gewesen. 

Junge Menschen sind bekehrt worden, haben das Evangelium aufgenommen, und der Herr gibt ihnen durch den Dienst geistliche Nahrung und öffnet ihre Augen für Seine wunderbaren Gedanken, so daß sie sie immer besser verstehen lernen. Haben sie dann die Schule des Herrn durchlaufen, so nimmt ER sie zu sich, und so geht es fort bis zum letzten Augenblick. Dann werden die Toten in Christo auferweckt werden, und wir werden alle zusammen als der Leib Christi nach dem Ratschluß Gottes dem Herrn entgegengerückt in die Luft, und dann wird jeder von uns ganz persönlich den Herrn sehen, so wie Er ist, und das ist das, was wir hier finden. Wir werden alle zu der Einheit des Glaubens hingelangen und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus.

Dann wird es keine Unmündigen mehr geben, wie
Vers 14 sagt: "auf daß wir nicht mehr Unmündige seien, hin ﷓ und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Winde der Lehre, die da kommt durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum." Das also ist unsere Berufung. Das ist es, was der Herr uns vor Augen stellt. ER will, daß wir wissen, zu welcher Höhe wir erhoben sind, und daß wir das hier auf der Erde als Zeugnis verwirklichen.

Wir können das, wenn wir
Vers 15 und 16 in die Tat umsetzen. Es heißt da: "sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe, laßt uns in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus, aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe!' Im Himmel wird nicht mehr von Gliedern die Rede sein, denn dann hat jeder seinen Platz eingenommen und wird den Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht, ausfüllen. Deshalb ist dort nicht mehr die Rede von Gliedern am Leib. 

Wenn ein Kind ganz gesund ist, dann hat es vielleicht schon gehört, daß es ein Herz hat, aber es kümmert sich nicht darum. Vielleicht weiß es, daß es Nieren hat, aber es spürt sie nicht. Solange die Glieder gut funktionieren, denkt man nicht an sie. Tritt aber eine Störung ein, wird ein Glied krank, dann beschäftigt uns das stark. Ein Spezialist kann mir nur helfen, wenn er genau weiß, welche Funktion das betreffende Glied erfüllt.

In diesem Sinne wird also hier von den Gliedern des Leibes auf der Erde gesprochen, und es wird gesagt, was jedes Glied zu tun hat. Es hat einen ganz bestimmten Platz am Leibe und einen Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht und den nur dieses betreffende Glied verrichten kann, und wenn es ihn nicht verrichtet, dann leidet der Leib darunter.

Wir haben also in diesen Versen gesehen, wie der Herr für die Seinen sorgt durch die Gaben der Hirten und Lehrer, auf dem Fundament, das die Apostel und Propheten im Worte Gottes niedergelegt haben, damit alle auferbaut werden und Ihn, den Herrn, besser kennenlernen und die Wahrheit Gottes besser verstehen lernen, und damit wir begreifen, welches unser Platz am Leibe ist, und welches der Dienst ist, den wir zu verrichten haben.

Wenn das wirklich bei uns der Fall wäre, wie wunderbar wären dann unsere Zusammenkünfte, wie würden wir gesegnet, wenn der Herr Jesus uns Seine Schätze vor Augen stellen könnte und wenn der Heilige Geist nichts anderes zu tun hätte, als uns die Herrlichkeiten des Herrn vorzustellen. Das betrifft unsere Verantwortlichkeit.

Wir wissen sehr genau, wieviel von uns abhängt, aber wie schwach ist doch die Verwirklichung bei uns. Doch darum geht es hier im Epheserbrief nicht. In diesem Brief sind wir in die himmlischen Orter versetzt, während wir im Römerbrief und im 1. Korintherbrief uns in der Wüste befinden. Dort wird uns unsere Verantwortung vor die Augen gestellt, die Aufgaben, die wir haben, und die Folgen, die entstehen, wenn wir das, was wir sein sollten und könnten, nicht sind.

Hulda Humburg 1855-1914

01/12/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Hulda Katharina Humburg wurde geboren am 19. November 1855 als Tochter des LederfabrikantenBN0472.jpg?1673562268985 Jakob Gustav Siebel sen. in Freudenberg, Kreis Siegen. Sie war das älteste von zehn Kindern. ihr Elternhaus bildete einen Mittelpunkt christlichen Lebens im Siegerland. So lernte sie von Kind auf die geistliche Welt ihrer Eltern mit dem Getriebe eines Kaufmannshauses zu verbinden. ihrer Mutter half sie tatkräftig in der großen Familie.

Der Vater erwartete, daß jeder gläubige Christ neben seinem Beruf auch eine Aufgabe im Reich Gottes übernehmen sollte. Huldas vier Brüder übten, wie ihr Vater, zeitlebens Tätigkeiten in Gemeinschaften aus und bekleideten Ämter in der Kirche.
Unter den Gästen ihres Vaters befand sich eines Tages auch Otto Humburg, der in der Nähe ein kleines Stahlwerk betrieb. Ersuchte, von guten Freunden beraten, Anschluß an diesen christlichen Kreis. 

Otto Humburg lernte dort die Tochter Hulda Siebel kennen, und er heiratete sie im November 1875. Der erste Sohn Fritz wurde geboren, als gleichzeitig Mutter Siebel ihr zehntes Kind bekam. Die Familie zog bald nach Mülheim am Rhein (heute: Köln-Mülheim). 

Dort begann Otto Humburg einen Eisengroßhandel. Dem Sohn Fritz folgten ein Sohn Paul und eine Tochter.
Hulda Humburg hatte eine handfesteArt und verleugnete nie ihre kaufmännische Ader.
Sie war aber auch eine wahrhaft geistliche Persönlichkeit. Das zeigen die Erinnerungen, die .ihr Sohn Paul Humburg, damals Pfarrer in Wuppertal-Barmen, im Jahre 1932 niedergeschrieben hat. Humburg ist besonders im Kirchenkampf während des Dritten Reiches als Präses der Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche im Rheinland bekanntgeworden.


Heiner Wolfgang

12/30/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KinderBücher Von Wolfgang Heiner

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