H Schriftsteller

Siehe, mein Knecht, Hamilton Smith

11/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

«Siehe, mein Knecht!» hat Gott gerufen, 

als Er den Sohn auf Erden sah, wie Er, 
vertraut mit Gottes Willen, 
voranschritt bis nach Golgatha, 
altes Prophetenwort erfüllend, 
das einst durch Christi Geist geschah.

«Siehe, mein Knecht!» Der Sohn des Höchsten,
der Schöpfer-Gott macht sich zu nichts,
wird armer Mensch, im Stall geboren,
d& König künftigen Geschlechts!
Zuletzt geht Er als ein Verstossner
für uns ins Feuer des Gerichts.

«Siehe, mein Knecht!» 0 welche Leiden
brachte sein Dienst Ihm täglich ein! 
Doch blieb sein Wesen Licht und Liebe 
trotz Hass, Verachtung, Schmach und Pein.
Er wollte hier nur Gott gefallen, 
der treue Zeuge für Ihn sein.

«Siehe, mein Knecht!» Er hat nun droben
und auch auf Erden alle Macht;
Gott selbst hat seinen Jesus-Namen
zum höchsten Namen jetzt gemacht.
Bald wird aus allen Regionen
dem Herrn der Welten Ruhm gebracht.


Epheser 1,13 Die Versiegelung und Salbung mit dem Heiligen Geist H.L.Heijkoop

07/27/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Gestern abend haben wir uns damit beschäftigt, was Befreiung ist. Sie ist das Teil eines jeden, der an das Werk des Herrn Jesus glaubt und die Folgen dieses Werkes für sich in Anspruch nimmt. Ein solcher weiß, daß Gott im Blick auf seine Sünden vollkommen zufriedengestellt ist, denn Christus ist dafür unter dem Gericht Gottes auf dem Kreuz gestorben. Gott hat Ihn dort zur Sünde gemacht und auf diese Weise das sündige Fleisch in Ihm gerichtet (Röm 8,3). Das bedeutet aber auch, daß wir mit Christus gestorben sind (vgl. Kol 2,20) und jeder einzelne sagen darf. "Ich bin mit Christo gekreuzigt" (Gal 2,20). Also sollen wir uns der Sünde für tot halten (Röm 6,11), denn Gott betrachtet uns als in Christus gestorben (Kol 3,3). Wer das glaubt, hat Frieden mit Gott und ist befreit.

Wir haben auch gesehen, daß jemand, der in Römer 5 ankommt und sagen kann: "Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott", auch zugleich in Römer 8 ankommt und weiß, daß keine Verdammnis mehr für die ist, die in Christo Jesu sind. Es ist nicht so, daß jemand, der Römer 5 erreicht hat, danach noch die Erfahrungen von Römer 6 und 7 zu machen hat, um dann schließlich in Römer 8 anzukommen. Normalerweise machen wir die Erfahrungen von Römer 5,1 und 8,1 gleichzeitig.

Wer wirklich Frieden mit Gott hat und weiß, daß er in der Gunst Gottes steht und sich der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes rühmt, wird nicht mehr ausrufen: "Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" (Röm 7,24). Diese Kapitel sind nämlich nicht chronologisch, sondern behandeln zwei verschiedene Wahrheiten: von Kapitel 1,18‑5,11 geht es um die Frage unserer Sünden und unserer Schuld, um unsere sündigen Taten, wozu natürlich auch sündige Worte und Gedanken zählen. Von Römer 5,12 an bis Kapitel 8 geht es dagegen um unseren Zustand, um das, was wir von Natur aus sind. 

Dabei spielen die sündigen Taten keine Rolle. Selbst ein kleines Kind, das soeben geboren ist, hat diese sündige Natur, auch wenn es noch keine einzige Sünde getan hat. Es ist in dem Gleichnis und nach dem Bilde Adams (l. Mo 5,3), der ein Sünder geworden war, und deshalb verwerflich für Gott. Aber das Werk des Herrn Jesus reicht für jeden aus, der Teil daran hat. Es reicht aus für all die sündigen Taten, die ein Mensch getan hat. Denn Gott hat seine Sünden auf Ihn gelegt: "Welcher selbst unsere Sünden an seinem Leibe auf dem Holze getragen hat" (l. Petr 2,24). Doch Christus hat nicht nur unsere Sünden getragen, sondern Er wurde auch zur Sünde gemacht, zu dem, was wir von Natur sind, wie wir in 2. Korinther 5,21 lesen: "Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm." Wer glaubt, was das Wort Gottes über das Werk des Herrn Jesus sagt, hat Frieden mit Gott und ist befreit. Er ist ein Christ geworden.

Nun, in Römer 8,11 lesen wir, daß in einem solchen der Geist Gottes wohnt, und in Epheser 1,13, daß derjenige, der das Evangelium geglaubt hat, versiegelt worden Ist mit dem Heiligen Geist. Gott setzt Sein Siegel auf den, der Seinem Wort glaubt. Bereits in Römer 5,5 lesen wir, daß der Heilige Geist uns gegeben worden ist, nachdem wir Frieden mit Gott bekommen haben. Danach wird in Römer 6 und 7 nicht mehr über den Heiligen Geist gesprochen, sondern erst wieder in Kapitel 8,9: "Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der Ist nicht sein."

Ich möchte kurz auf diesen Vers etwas näher eingehen, weil über den Ausdruck "der ist nicht sein" einige Verwirrung besteht. Dieser Ausdruck wird sehr klar, wenn wir den Zusammenhang dieses Verses beachten. Es heißt hier nicht, daß derjenige, der Christi Geist nicht hat, nicht von neuem geboren ist, sondern daß er "nicht sein" ist, d. h. daß er kein Christ ist. Der Ausdruck "Christ" besagt viel mehr, als daß jemand von neuem geboren und bekehrt ist. In Johannes 3 wird gesagt, daß kein Mensch mit Gott in Verbindung kommen kann, wenn er nicht von neuem geboren ist. Das gilt nicht nur für die Gläubigen des Neuen Testamentes, sondern das galt auch für alle Gläubigen des Alten Testamentes. Mit einem Menschen, dessen Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse ist (l. Mo 6,5), kann Gott unmöglich in Verbindung stehen. Seit dem Sündenfall können nur solche Menschen mit Gott in Verbindung kommen, die von neuem geboren sind. Das war im Alten Testament so, das ist heute so, und das wird auch nach der Entrückung der Versammlung der Fall sein: auch dann werden Menschen, die zuvor das Evangelium der Gnade nicht gehört hatten und dann zur Bekehrung kommen, von neuem geboren werden.

Und schließlich werden auch von denen, die im Tausendjährigen Reich leben werden, nur diejenigen nicht vor dem großen weißen Thron stehen und nicht in den Feuersee geworfen werden (Offb 20), die von neuem geboren sind. Obwohl also die Gläubigen des Alten Testamentes von neuem geboren waren, waren sie deshalb doch keine Christen. Ich werde sogleich noch darauf zurückkommen, was für einen Christen kennzeichnend ist.

Genau genommen stehen Frieden mit Gott und die Befreiung nicht in direkter Verbindung mit unserem Glauben an die Person des Herrn Jesus, ebensowenig wie die neue Geburt in direktem Zusammenhang mit dem Glauben an das vollbrachte Werk des Herrn Jesus steht. Die Gläubigen des Alten Testamentes waren von neuem geboren, obwohl sie den Herrn Jesus nicht kannten, wie wir Ihn kennen. Sie kannten Ihn nur als den Engel Jehovas, bzw. als Gott [Jehova]. Ebenso waren die Jünger des Herrn Jesus ‑ mit Ausnahme natürlich von Judas Iskariot ‑ bereits vor dem Kreuz von neuem geboren, denn der Herr sagt ausdrücklich zu Ihnen: "Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe" (Joh 15,3; vgl. 13, 10.11). Trotzdem hatten die Jünger in der Zeit vor dem Kreuz keinen Frieden mit Gott und waren auch nicht befreit, genausowenig wie die Gläubigen des Alten Testamentes. Sie wußten nicht einmal, daß es den Frieden mit Gott gab. Sie hofften, daß Gott gnädig sein würde, und vertrauten darauf, daß Gott Sünden vergeben würde (siehe z. B. Ps 32 und 51). Doch Frieden mit Gott, die vollkommene Gewißheit, daß zwischen Gott und mir nichts mehr geordnet zu werden braucht, konnte es erst geben, nachdem der Herr Jesus das Werk vollbracht hatte und aus den Toten auferstanden war. Als Er in Johannes 20 nach der Auferstehung In die Mitte der Seinen trat, sagte Er zum erstenmal zu ihnen: "Friede euch." Das hatte Er zuvor niemals gesagt.

Wir haben an einem der vorigen Abende in Römer 4,24.25 gesehen, daß Christus unserer Sünden wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist. Wir glauben nun an Gott als Denjenigen, der Christus aus den Toten auferweckt hat. Durch diesen Glauben sind wir gerechtfertigt und haben Frieden mit Gott. Das ist nur möglich aufgrund dieser beiden Tatsachen: erstens durch das Werk und die Auferstehung des Herrn Jesus und zweitens dadurch, daß in dieser Auferstehung geoffenbart wurde, daß Gott durch das Werk des Herrn Jesus vollkommen befriedigt ist.

Wer das im Glauben annimmt, hat Frieden mit Gott, ist befreit, und der Heilige Geist kommt, um persönlich in ihm zu wohnen. Bis zum Pfingsttag hat es keinen einzigen Menschen gegeben, in dem der Heilige Geist wohnte, mit Ausnahme natürlich in dem Herrn Jesus. Am Pfingsttag wurde zum erstenmal der Heilige Geist in Menschen ausgegossen. Nun haben wir in Römer 8,9 gelesen: "Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein." Wie ich bereits gesagt habe, bedeutet dieser Ausdruck, daß jemand, der den Geist Christi nicht hat, kein Christ ist. Ein Christ ist jemand, der Frieden mit Gott hat, der aus der Macht der Sünde, der Welt und Satans befreit ist und den Heiligen Geist empfangen hat. Es ist also möglich, daß jemand von neuem geboren ist, ohne den Heiligen Geist zu besitzen, und er Ist somit dann auch kein Christ.

Wir haben in Epheser 1,13 die lehrmäßige Feststellung gefunden, wann jemand den Heiligen Geist empfängt: " . . . nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, in welchem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geiste der Verheißung." Wer also glaubt, was Gott im Evangelium verkündigen läßt, daß Christus für denjenigen, der an das vollbrachte Werk glaubt, gestorben ist, wird von Gott mit dem Heiligen Geist versiegelt. Die Versiegelung ist eine der Seiten der Innewohnung des Heiligen Geistes: Gott setzt auf denjenigen Sein Siegel, den Er als einsgemacht sieht mit Christus in Seinem Tode und den Er daher als Seinen Sohn, als Christen, anerkennen kann. Ein solcher entspricht dem, was Gott Sich in Seinem Ratschluß vorgenommen hat.

In Epheser 1,5 lesen wir, daß Gott uns zur Sohnschaft zuvorbestimmt hat, und in Römer 8,29, daß Er uns zuvorbestimmt hat, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein. Es war Sein Ratschluß, daß wir dem Bild Seines Sohnes gleichförmig sein sollten, damit dieser Sohn der Erstgeborene unter vielen Brüdern wäre. Gleichförmig dem Bild Seines Sohnes zu sein bedeutet, dem Herrn Jesus als Sohn gleichförmig zu sein und die gleiche Stellung wie Er vor Gott einzunehmen. Zwei weitere Stellen, die über das Empfangen des Heiligen Geistes sprechen, sind Galater 4,6: "Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt", und Römer 8,14.15: "Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes ... einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst zeugt mir unserem Geiste, daß wir Kinder Gottes sind." Hier heißt es sogar, daß jemand, der durch den Heiligen Geist geleitet wird, ein Sohn Gottes ist. Ist denn derjenige, der nicht von dem Geist Gottes geleitet wird, kein Sohn Gottes? Jedenfalls können wir sagen, daß jemand, der den Heiligen Geist noch nicht empfangen hat, kein Christ ist In dem Sinn, wie Gottes Wort diesen Ausdruck gebraucht.

Auch wenn ich ein wenig vom Thema abweiche, möchte ich doch gerne etwas bei dem Ausdruck verweilen: "So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes." Man könnte daraus die Schlußfolgerung ziehen, daß jemand, der den Heiligen Geist empfangen hat, aber wieder abweicht und untreu ist, kein Sohn Gottes mehr ist. So weit dürfen wir nicht gehen, obwohl diese Schlußfolgerung in eine richtige Richtung weist. Wir lesen dazu in 2. Korinther 6,14‑18: "Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildem? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.'

Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige." Hier sehen wir also, daß, wenn Gläubige in unreinen Verbindungen mit Ungläubigen stehen, Gott sie nicht öffentlich als Seine Söhne anerkennt. Gott kann Sich dann nicht als Vater zu uns bekennen, obwohl wir vielleicht Kinder Gottes sind, also aus Ihm geboren sind. Kennen wir nicht etwas Ähnliches aus dem praktischen Leben? Wenn ein Kind unartig ist, kann der Vater es nicht als sein liebes Kind behandeln, sondern muß es vielmehr bestrafen. 

Er kann ihm seine väterliche Liebe nicht zeigen. Es entspricht einem normalen Verhältnis zwischen Vater und Sohn, daß der Vater seinem Sohn sein Herz öffnet und seine Gedanken mit ihm teilt. Doch das kann der Vater so lange nicht tun, wie der Zustand des Sohnes es nicht erlaubt. So sehen wir, daß es auch in dieser Beziehung praktisch wahr ist, wenn Römer 8 sagt: "So viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes." Gott kann sie nur dann praktisch als Seine Söhne anerkennen, wenn sie sich von dem Geiste Gottes leiten lassen. Die angeführten Stellen zeigen uns also, wann jemand mit dem Heiligen Geist versiegelt wird und daß die Versiegelung bedeutet, daß Gott einen solchen als Seinen Sohn, als einen Christen anerkennt.

Gottes Wort verwendet aber auch noch andere Ausdrücke für die Innewohnung des Heiligen Geistes, die wieder auf andere Seiten hinweisen. In 1. Johannes 2 und in 2. Korinther 1 wird über die Salbung mit dem Heiligen Geist gesprochen. Wir kennen aus dem Alten Testament eine Salbung mit Öl. Öl ist in der Schrift, wie wir aus Sacharja 4 wissen, ein Bild des Heiligen Geistes. Im Alten Testament wurden Könige, Priester und Propheten mit Öl gesalbt und erhielten durch diese Salbung Ihre Würde. Die Salbung mit dem Heiligen Geist weist also auf eine besondere Würde hin, die wir empfangen haben, aber auch darauf, daß wir Einsicht empfangen haben: "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles" (l. Joh 2,20) und: " . . . sondern wie dieselbe Salbung euch über alles belehrt" (l. Joh 2,27).

Ich möchte noch einige Stellen vorlesen, die über das Empfangen des Heiligen Geistes sprechen: "Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?" (l. Kor 6,19) und: "Wenn aber der Geist ... in euch wohnt. . . " (Röm 8,11). In diesen Stellen geht es um das Wohnen des Heiligen Geistes in uns. Dieses Wohnen hatte der Herr Jesus in Johannes 14 angekündigt, als Er sagte, daß Er den Vater bitten würde, den Tröster, den Heiligen Geist zu senden: "Er bleibt bei euch und wird In euch sein" (V. 17). "In euch" deutet auf die persönliche Seite der Innewohnung des Heiligen Geistes hin und "bei euch" auf die Gemeinschaft der Gläubigen als Versammlung durch den Heiligen Geist. Die gemeinschaftliche Seite der Innewohnung des Heiligen Geistes finden wir z. B. in 1. Korinther 3,16: "Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?" und in Epheser 2,22: " . . . zu einer Behausung Gottes im Geiste". Die Versammlung ist das Haus Gottes auf der Erde, in dem Gott, der Heilige Geist, wohnt. In diesem Sinn ist der Heilige Geist "bei uns".

Wenn wir in Epheser 1 von der Versiegelung mit dem Heiligen Geist und in 2. Korinther 1 von der Salbung gelesen haben, handelt es sich doch um ein und dieselbe Tatsache, die nur von verschiedenen Seiten aus betrachtet wird. Solange der Heilige Geist nicht in einem Menschen wohnt, kann nicht die Rede davon sein, daß er versiegelt oder gesalbt ist. Wir kommen noch einmal auf die Frage zurück, wann jemand den Heiligen Geist empfängt. Die Antwort haben wir bereits in Epheser 1,13 gefunden: "Nachdem ihr geglaubt habt." Hier steht also nicht: Nachdem ihr bekehrt oder von neuem geboren wart, sondern: "Nachdem ihr geglaubt habt". Die Frage ist nun: Was hatten die Epheser geglaubt? Natürlich glaubt jemand, der bekehrt ist, an Gott und zweifelt auch nicht an der Wahrheit des Wortes Gottes. 

Es ist unmöglich, daß jemand wirklich bekehrt ist und doch innerlich in seinem Herzen daran zweifelt daß die Bibel das Wort Gottes ist. Es kann sein, daß sein Verstand zweifelt, und wenn man ihn fragen würde, ob er glaubt, daß die Bibel von Gott eingegeben ist, würde er vielleicht nicht wissen, was er sagen soll. Doch in seinem Herzen glaubt er. Würde man mit ihm darüber sprechen, was Gott über den Menschen sagt, so würde er den Worten der Bibel recht geben. Das Wort Gottes hat sein Gewissen berührt und ihm gezeigt, daß er ein verlorener Sünder ist. Das, was in diesem Wort über die Güte Gottes steht, hatte ihm den Mut gegeben, mit seiner Schuld zu Gott zu gehen und sich selbst anzuklagen. 

Dazu ist noch nicht nötig, daß er das Werk des Herrn Jesus kennt und weiß, daß das Werk für ihn geschehen ist. Jemand, der bekehrt ist, weiß noch nicht viel mehr, als daß er ein verlorener Sünder ist. Es hat eine Sinnesänderung bei ihm stattgefunden, er hat Buße getan (was in dem Wort Bekehrung eingeschlossen ist) und hat erkannt, daß Gott, wenn Er gerecht ist, ihn richten muß. Der Heilige Geist hat ein neues Leben in ihm gewirkt. Erst danach kann Gott zu ihm sagen: Ich habe ein Evangelium für dich, eine frohe Botschaft. Ich habe Meinen Sohn für verlorene Sünder gesandt. Gott verkündigt keinem Menschen das Evangelium, solange er sich nicht als verlorener Sünder erkannt hat.

Was hatten die Gläubigen in Ephesus nun geglaubt? Paulus sagt zu ihnen: "Das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils. " Das griechische Wort für Heil bedeutet auch "Errettung", so wird dieses Wort auch an einigen Stellen in der Elberfelder Übersetzung wiedergegeben (siehe Röm 13,11; Hebr 2,3.10; 1. Petr 1,5.9.10, 2,2‑, 2. Petr 3,15). In 1. Korinther 15 finden wir eine Beschreibung dieses Evangeliums: "Ich tue euch aber kund, Brüder, das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in welchem ihr auch stehet, durch welches ihr auch errettet werdet, (wenn ihr an dem Worte festhaltet, das ich euch verkündigt habe) es sei denn, daß ihr vergeblich geglaubt habt." 

Dann sagt Paulus, was er verkündigt hat: "Denn ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: daß Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften; und daß er begraben wurde, und daß er auferweckt worden ist am dritten Tage, nach den Schriften." (l. Kor 15,1‑4). Das Evangelium, das die Korinther angenommen hatten, beinhaltete also nicht nur, daß Christus nach den Schriften für ihre Sünden gestorben war, sondern auch, daß Er begraben wurde, und drittens, daß Er am dritten Tag auferweckt wurde. Wer also glaubt, daß Christus für seine Sünden gestorben Ist, ist damit noch nicht errettet.

Er weiß zwar, daß der Herr Jesus das Werk auf dem Kreuz vollbracht hat, und vielleicht auch, daß Er dieses Werk aus Liebe zu ihm getan hat, wie Galater 2,20 sagt: "Der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat." Aber er weiß noch nicht, daß Gott durch dieses Werk völlig zufriedengestellt ist. Das wußte noch niemand, solange der Herr Jesus am Kreuz hing. Der Lohn der Sünde ist der Tod (Röm 6,23), und der Herr hat diesen Lohn empfangen und ist gestorben. Wenn Gott Ihn nicht auferweckt und in die Herrlichkeit aufgenommen hätte und der Heilige Geist nicht auf diese Erde gekommen wäre, um uns zu sagen, daß der Herr Jesus auferstanden ist, wüßten wir nicht, daß Gott durch das Werk des Herrn Jesus befriedigt ist.

Das Volk Israel wird erst dann wissen, daß Gott auch sie auf der Grundlage des Werkes des Herrn Jesus annimmt, wenn der Herr Jesus aus dem Himmel wiederkommt, um Israel in die Segnungen des Tausendjährigen Reiches einzuführen. Der Überrest des Volkes Israel, der nach der Entrückung gebildet wird, wird zwar darauf vertrauen, daß Gott in Seiner Güte bereit Ist, Sünden zu vergeben, wie wir das in Psalm 32 finden. Doch andererseits wird dieser Überrest auch wissen, daß sie vor nahezu zweitausend Jahren den Messias an das Kreuz gebracht haben, und ausrufen: Errette uns von Blutschuld, Gott, du Gott meiner Rettung (vgl. Ps 51,14). Doch sicher werden sie erst sein, daß Gott auch sie annimmt aufgrund des Werkes des Herrn Jesus, wenn Er aus dem Himmel wiederkommt und sie erkennen: 

Gott hat Sein Werk angenommen. Vorbildlich finden wir das in 3. Mose 16, wenn Aaron am großen Versöhnungstag in das Heiligtum hineinging und das Volk draußen wartete, daß er wieder herauskommen würde. Wenn er dann wieder aus dem Heiligtum herauskam, wußte das Volk, daß Gott das Opfer angenommen hatte. Noch deutlicher sehen wir das vorbildlich in 3. Mose 9, wo Mose und Aaron ins Heiligtum hineingingen und das Volk segneten, wenn sie wieder herauskamen. Das weist hin auf den Beginn des Tausendjährigen Reiches, wenn der Herr Jesus aus dem Himmel wiederkommt und als der König und Hohepriester Seines Volkes erscheint, um das Volk in die Segnungen des Tausendjährigen Reiches einzuführen.

Wir hingegen wissen schon jetzt, daß Gott das Werk des Herrn Jesus angenommen hat, denn es ist der verherrlichte Herr im Himmel, der den Heiligen Geist auf diese Erde gesandt hat (Apg 2,33). Der Herr Jesus Selbst hat gesagt, daß der Heilige Geist, den Er senden würde, die Welt überführen würde von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht (Joh 16,7.8). In Vers 10 erklärt der Herr das näher: "Von Gerechtigkeit aber, weil ich zu meinem Vater gehe." 

Der Heilige Geist zeugt hier auf der Erde davon, daß der Herr Jesus jetzt zur Rechten Gottes in der Herrlichkeit sitzt. Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt und Ihm diesen Platz zu Seiner Rechten gegeben als Beweis dafür, daß Er durch Sein Werk vollkommen zufriedengestellt ist. Das Ist auch, wie wir gesehen haben, die Grundlage unseres Friedens mit Gott. Wir, die wir an Ihn glauben, der Jesum, unseren Herrn auferweckt hat ‑ der unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist ‑, sind gerechtfertigt worden aus Glauben und haben Frieden mit Gott (Röm 4,25‑5,1).

Das sind also die drei Hauptpunkte des Evangeliums, die wir in 1. Korinther 15,3.4 gefunden haben: Erstens ist Christus gestorben, zweitens wurde Er begraben, und drittens ist Er auferweckt worden. Wir wollen diese Punkte nun noch einmal in ihrer Reihenfolge durchgehen.

Erstens ist Christus für unsere Sünden gestorben oder, wie Römer 4,25 sagt: "Welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben ... worden ist." Welch eine wunderbare Tatsache, daß wir Ihn am Kreuz sehen dürfen. Wir können nun singen: "Auf dem Lamm ruht meine Seele ... Alle, alle meine Sünden hat Sein Blut hinweggetan." Wir wissen, daß unsere Sünden vergeben sind, weil Er auferstanden ist. Das Ist nun die erste wichtige Tatsache, daß wir, nachdem wir bekehrt und von neuem geboren sind, im Glauben annehmen, daß Christus für unsere Sünden gestorben ist.

Zweitens wurde der Herr Jesus begraben. Wir haben gestern in Römer 6 gelesen, daß wir, was unsere Stellung auf der Erde betrifft, in der Taufe zum Ausdruck gebracht haben, daß wir diesen Platz mit Ihm einnehmen. Wir sind auf Seinen Tod getauft. Wir drücken durch die Taufe nicht aus, daß wir mit Ihm gestorben sind, sondern machen uns In der Taufe eins mit Seinem Tod, werden mit Ihm begraben und nehmen so den Platz Seines Todes ein. Natürlich drücken wir das in der Taufe nur deshalb aus, weil wir es geistlich wirklich empfangen haben: In Gottes Augen sind wir mit Ihm vereinigt In Seinem Tod. Doch in der Taufe drücken wir aus, daß wir diesen Platz hier auf der Erde mit Ihm auch einnehmen wollen In Seinem Grab, wo Er als Gestorbener lag. Das Grab Christi ist der einzig sichere Ort, weil das Gericht dort bereits ausgeübt ist. Die ganze übrige Welt liegt im Argen und wird von Gott gerichtet werden.

Die Schlußfolgerung in Römer 6 ist dann, daß, wenn wir mit Christus gekreuzigt und mit Ihm gestorben sind, wir uns auch der Sünde für tot halten sollen. Das ist die Grundlage der Befreiung. Wenn wir anerkannt haben, daß wir mit Christus gestorben sind, sind wir auch befreit aus der Macht Satans und der Welt, denn Satan und die Welt haben nur Macht über lebende, nicht über gestorbene Menschen. Einem Gestorbenen kann keine Macht der Welt noch etwas antun. So ist ein Christ von Sünde, Satan und der Welt befreit, wenn er in seinem Herzen verwirklicht, wie Gott ihn sieht, nämlich als mit Christus gestorben. Das ist die zweite Voraussetzung dafür, daß jemand den Heiligen Geist empfängt.

Drittens ist Christus nach drei Tagen auferweckt worden. Das ist der Beweis dafür, daß Gott durch dieses Werk vollkommen zufriedengestellt wurde, sowohl was unsere Sünden als auch was unsere alte Natur betrifft. Christus lebt jetzt jenseits von Tod und Grab. Mit Ihm sind auch wir auferweckt worden und haben das Auferstehungsleben empfangen (das ist allerdings schon das Thema des Kolosserbriefes und nicht mehr des Römerbriefes). Nachdem der Herr Jesus auferweckt war, konnte Er in die Mitte der Jünger treten und zu ihnen sagen: "Friede euch!" (Joh 20,19.21). Danach hauchte Er Sein eigenes Leben, das Auferstehungsleben, In sie mit den Worten: "Empfanget [den] Heiligen Geist!"

Es geht hier noch nicht um die Person des Heiligen Geistes, denn die empfingen die Jünger erst genau fünfzig Tage später am Pfingsttag. Mit "Heiliger Geist" ist hier das durch den Geist gewirkte neue Leben gemeint, wie der Herr in Johannes 3,6 sagt: "Was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist." Dort wird dieses Leben "Geist" genannt. Es ist das Leben, das der Herr in Johannes 10,10 "Leben in Überfluß" nennt. Wir können auch sagen, es ist das ewige Leben, das nur diejenigen empfangen, die in der Zeit der Verwerfung Christi mit Ihm vereinigt sind, wir, die Christen, die zur Versammlung des lebendigen Gottes gehören.

Das also ist Aas Evangelium eures Heils". Durch den Glauben an dieses Evangelium waren die Epheser errettet worden, d. h. aufgrund dieses Glaubens hatte Gott sie mit dem Heiligen Geist versiegelt (Eph 1,13).

Daraus geht also hervor, daß nur derjenige mit dem Heiligen Geist versiegelt ist, der auch Frieden mit Gott hat. Hiermit meine ich einen gefestigten Frieden mit Gott. Es kann sein, daß jemand heute glaubt, daß nichts mehr zwischen ihm und Gott steht und doch morgen wieder daran zweifelt, ob das wirklich so ist. Das ist kein gefestigter Friede mit Gott. Wahrer Friede setzt voraus, daß jemand im Glauben annimmt, was Gottes Wort sagt, nämlich daß Gott durch das Werk des Herrn Jesus vollkommen befriedigt ist. Wer diesen Frieden mit Gott hat, diesen versiegelt Gott mit dem Heiligen Geist. Das macht eigentlich auch klar, daß wir normalerweise zur gleichen Zeit In Römer 5,1 und Römer 8,1 ankommen. 

Wer Frieden mit Gott hat und weiß, daß er in der Gunst Gottes steht und sich der Herrlichkeit Gottes rühmt, weiß auch, daß keine Verdammnis für die Ist, die in Christo Jesu sind. So jemand hat dem Evangelium völlig und nicht nur halb geglaubt, weiß also, daß Gott alles vollkommen in Ordnung gebracht hat. Einen solchen anerkennt Gott als Christen, als Sein Kind, als Seinen Sohn und versiegelt Ihn mit dem Heiligen Geist. Gott, der Heilige Geist, kommt, um in ihm zu wohnen. Er macht den Leib dieses Menschen*), dieses Christen, zu Seinem Tempel.

Nun möchte ich noch etwas ausführlicher darauf eingehen, was ich nur kurz angedeutet habe, daß ein Christ neues Leben empfangen hat, das in Johannes 10,10 als "Leben in Überfluß" bezeichnet wird und wiederholt In Gottes Wort "das ewige Leben" genannt wird. Es ist göttliches Leben, wie Petrus es nennt: "Auf daß ihr ... Teilhaber der göttlichen Natur werdet" (2. Petr 1,4). Es ist das göttliche Leben In seiner reichsten Form. Auch die Gläubigen im Alten Testament hatten göttliches Leben, so wie es auch die Gläubigen nach der Entrükkung haben werden. Um mit Gott in Verbindung zu kommen, muß man neues, göttliches Leben haben. Doch nur die Gläubigen in dieser Zeit der Verwerfung des Herrn Jesus, also vom Pfingsttag an bis zur Entrükkung der Versammlung, haben dieses Leben in dieser reichen Form, das der Herr, Jesus Selbst in Johannes 3,15.16 "ewiges Leben" nennt.

*Gottes Wort nennt in den Briefen Christen Im allgemeinen nicht mehr Menschen, sondern bezeichnet mit "Menschen" in der Regel Ungläubige.

Wir haben dieses Leben nur als Folge des Werkes des Herrn Jesus erhalten: " . . . also muß der Sohn des Menschen erhöht werden, auf daß jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe" und auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe." Nach 1. Johannes 5,20 ist es das Leben des Herrn Jesus Selbst: "Dieser [Jesus Christus] ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben." 

Im ersten Kapitel desselben Briefes lesen wir, daß Er als Gott, der Sohn, das ewige Leben ist, das Leben, welches bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist. Wir, die wir zum Leibe Christi gehören, haben das wunderbare Vorrecht, dieses ewige Leben zu besitzen. Der Besitz des ewigen Lebens und das Innewohnen des Heiligen Geistes sind die beiden Dinge, die nur Christen haben und die sie als Christen charakterisieren. Jemand, der nicht die Gewißheit hat, daß seine Sünden vergeben sind, ja noch mehr, der keinen Frieden mit Gott hat und nicht befreit ist, ist daher kein Christ im Sinne der Schrift. Erst derjenige, der den Heiligen Geist empfangen hat, der also dem Evangelium des Heils geglaubt hat, ist ein Christ.

Vielleicht wendet jemand ein: Sind diese Dinge nicht nur eine Frucht der Gnade? Selbstverständlich! Doch ist Vergebung, ist die neue Geburt keine Frucht der Gnade? Und doch lesen wir ausdrücklich in Gottes Wort, daß Gott nur dann Sünden vergibt, wenn sie bekannt werden. Es ist unendliche Gnade, daß wir unsere Sünden bekennen dürfen. Diejenigen, die mit ihren Sünden zu Gott gegangen sind und sie bekannt haben, wissen nur allzu gut, daß es der Heilige Geist war, der uns dahin geführt hat. 

Von uns aus wollten wir nicht zu Gott kommen. Doch der Heilige Geist hat unser Gewissen in das Licht Gottes gebracht, so daß wir sahen, daß wir verlorene Sünder waren. Als wir keinen Rat mehr wußten und überzeugt waren, daß nur die Hölle für uns offenstand, blieb uns kein anderer Ausweg, als zu Gott zu gehen und Ihm unsere Sünden zu bekennen. Das alles ist Gnade. Das ändert den Grundsatz nicht, daß Sünden nur dann vergeben werden, wenn sie bekannt werden: "Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit" (l. Johannes 1,9).

So ist es auch mit dem Evangelium. Wir sind gerechtfertigt worden durch den Glauben. Es ist Gnade, wenn Gott uns rechtfertigt, und das geschieht allein aufgrund des Werkes des Herrn Jesus. Der Hebräerbrief sagt: "Mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden" (Kap. 10,14). Gott sieht bei einem Kind Gottes keine Sünden mehr. Das ist Gnade. Und doch steht in Römer 5,1: "Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus [oder: aufgrund von] Glauben, so haben wir Frieden mit Gott." 

Wir haben also Frieden mit Gott aufgrund des Glaubens. Nur wenn wir glauben, wenn wir auf das vertrauen, was Er gesagt hat, eben weil Er es gesagt hat, werden wir gerechtfertigt und empfangen Frieden mit Gott. Erst wenn wir geglaubt haben, daß Gott vollkommen befriedigt ist und deshalb unsere Sünden vergeben hat und auch unsere alte Natur in Christus gerichtet hat und sie daher als gestorben betrachtet, sind wir befreit. Gott versiegelt uns dann und anerkennt uns als Gläubige. Der Heilige Geist nimmt Besitz von uns. Er kommt, um in unserem Leib zu wohnen, wie 1. Korinther 6,19 sagt: "Wisset ihr nicht, daß euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?"

Dann sind wir wirklich Christen und auch fähig, durch den Heiligen Geist die Gedanken Gottes zu verstehen. Solange in meinem Herzen Furcht vor Gott ist und ich nicht weiß, daß alles zwischen Gott und mir vollkommen geordnet ist, ich also keinen Frieden mit Gott habe und nicht befreit bin, kann ich mich nicht mit den Gedanken Gottes beschäftigen. Es ist der Heilige Geist, der uns in die Gedanken Gottes einführt. Wir lesen in 1. Korinther 2 ausdrücklich, daß die Bibel das Wort Gottes ist und daß die Worte, die darin gebraucht werden, geistliche Worte sind, die geistliche Dinge mitteilen: "

Wir (das sind die Apostel und die Schreiber der Bibelbücher) aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, auf daß wir die Dinge kennen, die uns von Gott geschenkt sind, welche wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel. Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird; der geistliche aber beurteilt alles, er selbst aber wird von niemand beurteilt; denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, der ihn unterweise?' Wir aber haben Christi Sinn" (V. 12‑16). Nur jemand, der geistlich ist, kann also das Wort Gottes verstehen.

Nun kann es sein, daß jemand von neuem geboren ist, den Heiligen Geist empfangen hat, eine geistliche Gesinnung hatte und dann doch in einen Zustand gerät, in dem Gott ihn nicht mehr als Seinen Sohn anerkennen kann, weil er in Verbindungen lebt, wie sie in 2. Korinther 6,14 beschrieben werden. Gottes Wort nennt eine solche Person, die nicht geistlich ist, fleischlich. Das ist nicht dasselbe wie "im Fleische" (Röm 7,5). 

Der Ausdruck "im Fleische" weist auf den Zustand eines Unbekehrten hin, der nicht von neuem geboren ist. Der normale Zustand eines Christen ist es, geistlich zu sein. Denn er weiß ja, daß seine Sünden abgewaschen sind, daß er mit Christus gestorben ist und ein neues Leben empfangen hat, in dem er vor Gott steht. Gott hat ihn mit dem Heiligen Geist versiegelt. Sein ganzes Leben wird gekennzeichnet durch dieses neue Leben und den Heiligen Geist, der in diesem neuen Leben wirkt. Alle Taten und Worte eines solchen Christen tragen den Stempel des Heiligen Geistes. Dieser Zustand ist die notwendige Voraussetzung, um Gottes Wort verstehen zu können.

In 1. Korinther 3,1 sagt der Apostel Paulus zu den Korinthern: "Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistlichen, sondern als zu Fleischlichen." Die Fußnote sagt, daß das griechische Wort eigentlich mit "Fleischernen" übersetzt werden müßte. Es gibt nämlich Im Griechischen zwei Wörter für das deutsche "fleischlich": sarkinos und sarkikos. Sie unterscheiden sich also lediglich durch einen einzigen Buchstaben. Sarkinos finden wir z. B. in Römer 7,14, wo es den Zustand von jemandem andeutet, der zwar von neuem geboren ist, aber noch nicht befreit Ist und noch in dem schrecklichen Kampf von Römer 7 steht und schließlich ausruft: "Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" (V. 24). Die Korinther waren nicht mehr In diesem Kampf.

Sie hatten den Heiligen Geist empfangen. Trotzdem mußte der Apostel schreiben: "Ich konnte nicht zu euch reden als zu Geistlichen [sie waren nicht geistlich], sondern als zu Fleischlichen [sarkinos]." Er sagt nicht: Ihr seid fleischlich; sondern: Ich müßte euch eigentlich so schreiben, als wäret ihr noch nicht über die Erfahrungen von Römer 7 hinausgekommen. Ihr versteht nicht mehr als das. Wenn ihr auch den Heiligen Geist empfangen habt, seid ihr doch nicht geistlich; das Fleisch herrscht in euch.

 Doch dann sagt er in Vers 3: "Ihr seid noch fleischlich" und gebraucht hier für "fleischlich" das andere Wort (sarkikos). Das kennzeichnet jemanden, der zwar ein Kind Gottes geworden ist, den Heiligen Geist empfangen hat und in dem Augenblick auch geistlich war, aber danach seiner alten Natur in seinem praktischen Leben doch wieder einen Platz eingeräumt hat. Er hat nicht Teil an der Beschneidung, wie Paulus sie in Philipper 3,3 beschreibt: "Wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen."

Fleischliche Christen vertrauen sehr wohl auf Fleisch, obwohl sie Kinder Gottes sind. Sie verhalten sich wie die Korinther, die nicht durch den Geist Gott dienten und nicht auf den Geist Seines Sohnes vertrauten, sondern sich viel mehr der Gaben rühmten, die sie empfangen hatten, z. B. daß sie in fremden Sprachen reden konnten, ohne sie gelernt zu haben. Sie rühmten sich auch ihrer Redekunst und ihres schönen Griechisch. Diese letzteren Dinge sind an sich nicht "böse", sie sind aber von dieser Erde, von dem Fleisch. Paulus sagt in Philipper 3, daß die Tatsache, daß er ein Jude, ein Pharisäer und nach dem Gesetz tadellos war, etwas von dem Fleisch war. Es ist eine große Ehre für einen Menschen, auf der Erde zum Volk Israel zu gehören, denn es ist das einzige Volk Gottes auf dieser Erde. All das achtete Paulus für Schaden und Dreck, denn es war von dem Fleisch, und es hinderte ihn daran, nur mit dem Herrn beschäftigt zu sein.

Ein Kind Gottes ist also dann fleischlich, wenn es irdische Dinge hoch einschätzt und noch in Irgendeiner Form auf Fleisch vertraut. Der Maßstab ist: Durch den Geist Gott dienen und in allen Dingen allein auf den Herrn Jesus vertrauen. Wer statt dessen auf seinen Verstand vertraut, auf seine Geschicklichkeit als Kaufmann, auf sein Verständnis für technische Zusammenhänge, auf seine Sprachbegabung oder auch auf seinen Dienst und seine Schriftkenntnisse, ist fleischlich.

 Das bedeutet dann aber auch, wie wir in 1. Korinther 3 finden, daß wir nicht mehr fähig sind, die Gedanken Gottes zu verstehen. Der Apostel Paulus hätte den Korinthern gerne über die "Weisheit unter den Vollkommenen" (l. Kor 2,6) geschrieben. Vollkommene sind solche, die Gottes Wort Heilige und Treue (wörtlich Gläubige) nennt (Eph 1,1‑, Kol 1,2). Es sind solche, die den Glauben, die Lehre des Wortes Gottes, in ihre Herzen aufgenommen haben. Sie gehen jetzt praktisch ihren Weg als Beschnittene. Das ist der Zustand derer, die den Gedanken Gottes entsprechen und diese Gedanken verstehen können. Römer 8 sagt von ihnen, daß sie Söhne Gottes sind, weil sie durch den Geist Gottes geleitet werden (V. 14).

Ein Christ ist also dadurch gekennzeichnet, daß er den Heiligen Geist besitzt. Wir haben auch gesehen, daß das Empfangen des Heiligen Geistes unter drei Aspekten In Gottes Wort vorgestellt wird:

1. Der Heilige Geist ist das Siegel" das Gott auf uns setzt. Dadurch anerkennt Er uns als Seine Kinder, als Glieder des Leibes Christi.

2. Er ist die Salbung" durch die wir alles verstehen können: "Ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisset alles" (l. Joh 2,20.27).

3. Der Heilige Geist wohnt in uns.

Ich möchte nun diese Aspekte noch einmal kurz zusammenfassen, um dann noch etwas ausführlicher auf das Wohnen des Heiligen Geistes in dem Gläubigen einzugehen.

Erstens haben wir gesehen, daß Gott Sein Siegel auf denjenigen setzt, der dem Evangelium geglaubt hat. Das bedeutet auch, daß Gott uns in die vollen Segnungen Seines Erbes einführen wird. Der Apostel Paulus schreibt davon in Epheser 1, daß Gott "uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und tadellos seien vor ihm in Liebe" (V. 3.4). 

Gott hat "uns zuvorbestimmt ... zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst" und "uns begnadigt ... in dem Geliebten" (V. 5.6). Im weiteren Verlauf dieses Kapitels sehen wir, daß Christus im Tausendjährigen Reich über das Weltall herrschen wird und daß wir dann mit Ihm herrschen werden (V. 11‑13). Jeder, der den Heiligen Geist empfangen hat, hat damit das Unterpfand dafür, daß er mit Ihm herrschen wird. Er ist das Unterpfand unseres Erbes.

Zweitens haben wir gesehen, daß wir mit dem Heiligen Geist gesalbt sind und daß der Heilige Geist uns die Kenntnis der Gedanken Gottes vermittelt hat. Wir sind durch die Salbung mit dem Heiligen Geist fähig, Priesterdienst für Gott auszuüben. Jeder Priester, der Im Alten Testament Gott dienen wollte, mußte zuvor mit Öl gesalbt werden (2. Mo 28; 3. Mo 8). Auch wir sind Priester geworden, wie 1. Petr 2,5 sagt, und können ins Heiligtum eingehen, um Gott dort zu dienen. Dieselbe Salbung hat uns aber auch zu Königen gemacht, denn auch Könige wurden im Alten Testament gesalbt. In Offenbarung 1,5 lesen wir, daß Christus uns zu einem Königtum und zu Priestern seinem Gott und Vater gemacht hat. 

So lesen wir auch in 1. Petrus 2,9, daß wir ein auserwähltes Geschlecht sind, "ein königliches Priestertum, eine heilige Nation". Gott hat uns zu Königen und Priestern gemacht, weil wir durch den Heiligen Geist die Gedanken Gottes kennen. Diese Salbung mit dem Heiligen Geist läßt uns auch die Stimme des guten Hirten erkennen, wie der Herr Selbst in Johannes 10 sagt: "Meine Schafe hören meine Stimme ... und sie folgen mir" (V. 27). Einem Fremden folgen sie nicht, weil sie die Stimme des guten Hirten kennen und daher beurteilen können, ob Er es ist, der spricht, oder ob es ein Dämon ist, der sich als ein Engel des Lichts ausgibt, oder Satan selbst, von dem wir in 2. Korinther 11,14 lesen, daß er die Gestalt eines Engels des Lichts annehmen kann.

Dieses Urteilsvermögen haben wir praktisch nur insoweit, wie der Heilige Geist frei In uns wirken kann. Die Korinther waren fleischlich, weil in ihnen nicht nur der Heilige Geist wirkte, sondern sie auch auf Fleisch vertrauten. Dadurch war ihr Verständnis vermindert, so daß sie kein Urteilsvermögen mehr hatten.

Drittens haben wir auch gesehen, daß der Heilige Geist in uns wohnt, und dazu möchte ich im besonderen etwas über die praktischen Auswirkungen im Leben eines Gläubigen sagen. Wenn ein Gläubiger heutzutage den Heiligen Geist empfängt, hat das nichts zu tun mit der Taufe mit dem Heiligen Geist. Gottes Wort ist in diesem Punkt sehr klar. Die Taufe mit dem Heiligen Geist hat einmal stattgefunden, und zwar am Pfingsttag, als der Leib Christi gebildet wurde. Wir lesen in 1. Korinther 12,13: "Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt worden." 

Die anderen Stellen, wo im Neuen Testament über die Taufe mit dem Heiligen Geist gesprochen wird, sind Matthäus 3,11; Markus 1,8; Lukas 3,16, wo Johannes der Täufer ankündigt, daß der Herr diese Taufe durchführen würde; ferner lesen wir von der Taufe mit dem Heiligen Geist in Apostelgeschichte 1,5, wo der Herr Selbst diese Taufe ankündigt, und Apostelgeschichte 11,16, wo Petrus lediglich an die Worte des Herrn über diese Taufe erinnert. Es ging also bei der Taufe mit dem Heiligen Geist ausschließlich darum, daß die einzelnen Glieder Christi am Pfingsttag zu einem Leib getauft wurden (Apg 2,1‑4). An diesem Tag wurden die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelt (Joh 11,52). 

Am Pfingsttag wurden alle Gläubigen durch den Heiligen Geist unzertrennlich miteinander verbunden und jeder einzelne wiederum mit dem verherrlichten Herrn im Himmel. Durch die Kraft Gottes wurde dieser Leib "zusammengeschmiedet" und kann durch keine Macht auseinandergerissen werden. Dazu kam der Heilige Geist am Pfingsttag auf die Erde, um diesen Leib hier zu bilden. Auf diese Weise wurde die Versammlung auch die Behausung Gottes im Geiste (Eph 2,22). Der Heilige Geist wohnt aber nicht nur in der Versammlung als Gesamtheit, sondern auch in jedem einzelnen Gläubigen persönlich. Was bedeutet es nun für unser persönliches Leben, daß der Heilige Geist in uns wohnt?

Dazu lesen wir in Römer 8,4: auf daß das Recht des Gesetzes erfüllt würde in uns, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln." Wer nach dem Geiste wandelt, dessen praktisches Leben ist durch den Heiligen Geist gekennzeichnet. Das ist der Fall, wenn der Heilige Geist frei in uns wirken kann und wir Seiner Leitung keine Hindernisse entgegensetzen. Unser Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes (l. Kor 6,19). Öffne ich meinen ganzen Leib, mein ganzes Herz, dem Heiligen Geist, oder halte ich, bildlich gesprochen, einige Zimmer geschlossen, so daß der Heilige Geist sie nicht betreten kann? Ich habe in Frankreich Schlösser gesehen, deren Eigentümer nur in einem Flügel dieses Schlosses wohnten, während der restliche Teil unbewohnt war. So kann es auch bei uns sein: Der Heilige Geist wohnt zwar in uns, aber bestimmte Bereiche in unserem Leben, in unseren Gefühlen, in unserem Herzen verschließen wir ihm.

Wenn das so bei uns ist, wird unser Leben nicht durch den Heiligen Geist gekennzeichnet, sondern sind wir fleischlich, wie wir in 1. Korinther 3 gelesen haben.

Nun, hier in Römer 8,4 steht, daß in denen, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln, das Recht des Gesetzes erfüllt wird. Was ist dieses Recht? Das Gesetz befiehlt: Du sollst, du sollst nicht. Es ist der Ausdruck der Rechte Gottes, der als Schöpfer von dem Menschen fordern kann, was er tun soll und was nicht. Seine Geschöpfe haben die Aufgabe, Ihm zu gehorchen. Der Herr Jesus ist der Schöpfer und hat alles für Sich Selbst geschaffen (Kol 1,16). Das Recht des Gesetzes ist also das Recht Gottes auf den Gehorsam Seiner Geschöpfe. Diese Rechte Gottes über mein Leben nicht anzuerkennen, das ist das Prinzip der Sünde.

Wann ist etwas Sünde, und warum ist es Sünde? Das ist eine überaus wichtige Frage, besonders für die jungen Gläubigen unter uns. Ist es Sünde, einen Apfel zu essen? Im Regelfall nicht. Aber es kann Sünde sein. Ebenso kann es Sünde sein, ein Buch zu lesen. Doch wann ist es Sünde? Die eindeutige Antwort des Wortes Gottes ist: Jeder, der die Sünde tut, tut auch die Gesetzlosigkeit, und die Sünde ist die Gesetzlosigkeit" (l. Joh 3,4). 

Gesetzlosigkeit ist das Nichtanerkennen einer Autorität über mir, der gegenüber ich verpflichtet bin, mich ihr zu unterwerfen. Wir kennen das auch im bürgerlichen Leben. Hier aber geht es um das Verhältnis zu Gott. Ich handle also gesetzlos, wenn ich die Tatsache, daß ich ein Geschöpf bin und dem Schöpfer zu dienen habe, nicht beachte, um so mehr, wenn Ich ein Eigentum des Herrn Jesus bin, der mich mit Seinem Blut erkauft hat: "Ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlichet nun Gott In eurem Leibe" (l. Kor 6,20). Alles also, was ich tue, denke oder sage, ohne die Rechte zu berücksichtigen, die der Herr Jesus als mein Erlöser und mein Herr, der mich erkauft hat, ja schon als mein Schöpfer über mich hat, ist Sünde.

So ist es Sünde, wenn ich ein Buch lese, ohne den Herrn gefragt zu haben, ob ich das tun soll, und Er nicht ja dazu gesagt hat. Ich sündige selbst dann, wenn in diesem Buch nichts Falsches steht und vielleicht sogar in diesem Buch das Evangelium klar dargelegt wird. Ebenso ist es Sünde, wenn ich auf die Straße gehe und dort das Evangelium verkündige, ohne vorher den Herrn gefragt zu haben, ob ich das tun soll. An sich ist es eine gute Sache, das Evangelium zu verkündigen. Doch wenn ich es in Unabhängigkeit von dem Herrn tue, sündige Ich. Das ist das Prinzip der Sünde. Das bedeutet es, daß in denen das Recht des Gesetzes erfüllt wird, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln. 

Wenn nämlich mein Leben nach dem Geist ist und der Heilige Geist also alles leiten und bestimmen kann, ist alles, was ich tue, Gott wohlgefällig und zur Ehre des Herrn Jesus. Ist es eigentlich nicht selbstverständlich, daß ich dem Heiligen Geist die Führung in meinem Leben übergebe, nachdem Er Wohnung in mir gemacht hat? Wie kann ich Ihn, Gott, den Heiligen Geist, dazu gebrauchen, daß meine Pläne ausgeführt werden? Wie kann ich Ihn dazu gebrauchen, letzten Endes meinen eigenen Willen zu tun!? Wenn Gott In mir wohnt, kann und darf nur Er die Führung In meinem Leben haben.

Für uns bleibt nur die Frage, die Paulus ausrief, als er von neuem geboren war: Herr, was willst du, daß ich tun soll? Die neue Natur In jedem, der von neuem geboren ist, will nichts anderes als sich Ihm zur Verfügung stellen. Gott, der Heilige Geist, bewirkt dann, daß ich das tue, was Ihm wohlgefällig ist, und Er gibt mir die Kraft dazu. So erfüllt sich dann in meinem ganzen Leben völlig das Recht des Gesetzes. Ich tue dann, was der Schöpfer, was mein Herr mir sagt, und nicht, was der natürliche Mensch, das Fleisch, die alte Natur noch will.

Weiter lesen wir: "Denn die, welche nach dem Fleische sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, welche nach dem Geiste sind, auf das, was des Geistes Ist. Denn die Gesinnung des Fleisches ist der Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden; weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft Ist gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht. Die aber, welche im Fleische sind, vermögen Gott nicht zu gefallen. 

Ihr aber seid nicht Im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt" (Röm 8,5‑9). Und weiter in Vers 11: "Wenn aber der Geist dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes." Der Heilige Geist, der in uns wohnt, Ist also die Garantie dafür, daß wir auferstehen werden.

Wenn wir dem Heiligen Geist in unserem Leben die Führung überlassen, sind wir Söhne Gottes. Gott anerkennt uns dann als solche, und wir können praktischerweise diesen Platz einnehmen. Söhne sind erwachsene Kinder, denen der Vater Sein Herz öffnet und die Er an Seinen Gedanken teilhaben läßt. Das tut Gott, wenn wir nicht nur unsere Stellung als Kinder Gottes, sondern als Söhne verwirklichen: "Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater" (Röm 8,15). "Abba, Vater" nannte der Herr Jesus, als Er auf Erden war, den Vater, und wir dürfen den Vater ebenfalls jetzt so ansprechen. 

"Der Geist selbst zeugt mit unserem Geiste [also mit unserem neuen Leben], daß wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben ‑ Erben Gottes und Miterben Christi“ (V. 16.17). In Vers 26 lesen wir dann: "Desgleichen aber nimmt auch der Geist sich unserer Schwachheit an; denn wir wissen nicht, was wir bitten sollen, wie sich's gebührt, aber der Geist selbst verwendet sich für uns in unaussprechlichen Seufzern." Gibt es nicht Umstände, in denen wir nicht wissen, was wir bitten sollen, weil uns die Einsicht fehlt, die der Herr hat? Doch wenn wir es auch nicht wissen, Gott, der Heilige Geist, ist in uns, und er verwendet sich für uns. Er weiß, was gut ist. So steigt unser Gebet doch auf zu Ihm, denn der Heilige Geist ist es, der sich mit uns einsmacht und in unserem Namen vor Gott dem Ausdruck gibt, was wir brauchen.

Eine wunderbare Tatsache in Verbindung mit der Innewohnung des Heiligen Geistes finden wir in Galater 5,16.17: "Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen.

Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch; lese aber sind einander entgegengesetzt, auf daß ihr nicht das tuet, was ihr wollt." Den Kampf gegen das Fleisch, das noch in mir ist und sich behaupten will, das die Führung in meinem Leben haben will, brauche nicht ich zu führen, sondern führt der Heilige Geist, der In mir wohnt. Wir können diesen Kampf auch überhaupt nicht kämpfen. Für uns gilt die Erfahrung aus Römer 7,15: "Denn nicht was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus." 

Und warum ist das so? Weil das Fleisch in mir Macht über mein praktisches Leben hatte. Jetzt aber wohnt der Heilige Geist in mir, und er führt diesen Kampf. "Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch‑, diese aber sind einander entgegengesetzt" ‑ nicht: auf daß ihr nicht sündiget, sondern "auf daß ihr nicht das tuet, was ihr wollt." Wir haben nicht unserem eigenen Willen zu folgen, sondern das zu tun, was Er uns sagt. Der Heilige Geist wird das Fleisch besiegen und dafür sorgen, daß es nicht dazu kommt, in meinem praktischen Leben zu wirken. Gottes Kraft steht uns zur Verfügung, damit Er diesen Kampf für uns führen kann.

Abschließend möchte ich noch einige Worte über den Heiligen Geist sagen, wie er uns in Johannes 4 vorgestellt wird. Der Herr Jesus spricht dort über lebendiges Wasser. Das beinhaltet die beiden Dinge, die wir auch in Johannes 3,5 finden: "Aus Wasser und Geist“. Sie werden hier zusammengefaßt in dem einen Ausdruck: lebendiges Wasser. Wasser ist, wie wir gesehen haben, ein Bild des Wortes Gottes; hier als lebendiges Wasser gesehen, das eine innere Kraft in sich hat. Wasser springt aus sich selbst nicht hoch, wohl aber lebendiges Wasser: es hat eine innere Kraft In sich. Wir haben in 1 . Korinther 2 gesehen, was diese innere Kraft Ist: der Heilige Geist, der dieses Buch gegeben hat, der diese geistlichen Worte mitgeteilt hat und der die geistlichen Dinge, die in diesen Worten eingeschlossen sind, offenbart. 

Nun sagt der Herr Jesus, daß das Wasser, das Er geben würde, eine Quelle in uns werden würde, die ins ewige Leben quillt (eigentlich: aufspringt). Der Heilige Geist bringt das neue Leben, das ich in der neuen Geburt empfangen habe, in eine lebendige Verbindung mit Ihm, der der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist. Durch diese lebendige Verbindung kann ich Ihn und Seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit Seiner Person und Seiner Stellung, schon jetzt in mein Herz aufnehmen und genießen. Wir können Seine Herrlichkeit anschauen, wie Hebräer 2,9 sagt: "Wir sehen aber Jesum ... mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.

" Wir sehen Ihn so, wie Stephanus Ihn sah: "Ich sehe ... den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen" (Apg 7,56). Nicht mit unseren natürlichen Augen, sondern mit den Augen des Herzens (Eph 1,18). Das ist deshalb möglich, weil der Heilige Geist, Gott, der Heilige Geist, In diesem Wort die Herrlichkeit des Herrn Jesus entfaltet, so daß wir Ihn dadurch sehen können.

Dasselbe finden wir auch in Johannes 7, wo der Herr Jesus am achten Tag des Laubhüttenfestes ausrief. "Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen."

Und Johannes fügt dann hinzu: "Dies aber sagte er von dem Geiste, welchen die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war" (V. 3739). Der achte Tag ist ein Bild des ewigen Zustandes, während die ersten sieben Tage von, der Ruhe für Israel in dem Tausendjährigen Reich sprechen. Nach den sieben Tagen beginnt der achte Tag, und das kann nur noch die Ewigkeit sein. Der Heilige Geist in uns macht uns fähig, jetzt schon die Dinge zu genießen, die, bildlich gesprochen, am achten Tage, also in der Ewigkeit, unser Teil sein werden. 

Die Segnungen des ewigen Zustandes werden nicht nur in der Herrlichkeit, in dem neuen Himmel, im Vaterhaus, unser Teil sein, sondern der Heilige Geist, der diese Dinge alle kennt, hat sie bereits in dem Worte Gottes geoffenbart. Wenn wir in einem geistlichen Zustand sind und das Wort Gottes lesen, sehen wir diese Herrlichkeit schon jetzt. Der Heilige Geist ist die göttliche Kraft in uns, die uns fähig macht, diese Segnungen in Besitz zu nehmen, so daß wir schon jetzt die Dinge genießen können, die in alle Ewigkeit im Vaterhaus unser Teil sein werden. Wenn der Herr Jesus Selbst mein Leben ist und Gott, der Heilige Geist, in mir wohnt und die Kraft ist, die in diesem neuen Leben wirkt und mich fähig macht, alle geistlichen Segnungen in Besitz zu nehmen ‑ wie unendlich reich bin ich dann.

In Johannes 17 sagt der Herr zu Seinem Vater: "Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich [Vater], den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen" (V. 3). Das ist unser Teil: Gott als unseren Vater zu kennen, Seine Herrlichkeit zu genießen und den Herrn Jesus zu kennen als Gott, den Sohn, und Ihn als den verherrlichten Menschen im Himmel zu sehen, Seine Herrlichkeit und all die Schätze zu sehen und zu genießen, die unser Teil sein werden, wenn wir bei Ihm sind. Doch wir können sie schon jetzt in unsere Herzen aufnehmen und genießen. Ist das nicht wunderbar?! So reich ist nach Gottes Gedanken ein Christ!

 Wir sind noch auf der Erde, noch nicht im Haus des Vaters, aber wir werden dorthin kommen. Solange wir auf der Erde sind, haben wir das Fleisch noch; es bleibt hier zurück, wenn der Herr kommt, um uns heimzuholen. Doch schon hier auf der Erde gilt: Der Heilige Geist wohnt in mir. Ich bin das Eigentum des Herrn Jesus, bin um einen Preis erkauft worden, und Er ist mein Leben. Gott, der Heilige Geist, wohnt in meinem Leib und will den Kampf gegen das Fleisch für mich führen, so daß ich nicht zu kämpfen brauche. 

Er betet für mich, wenn ich nicht weiß, was ich beten soll. Er ist mein Fürsprecher, der mich in allem vertritt und der alles tut, was notwendig ist. Der Herr Jesus tut das für uns im Himmel, und der Heilige Geist tut das genauso hier auf der Erde. Wie glücklich ist doch ein Christ! Wir dürfen all das im Glauben annehmen, was Gottes Wort uns sagt: Was wir als Sünder waren und wer Gott in Seiner Herrlichkeit und Gerechtigkeit Ist, was Gott in dem Werk des Herrn Jesus für uns getan hat ‑daß alles in Ordnung gebracht ist und alle Hindernisse beseitigt sind, so daß alles, worüber wir heute abend gesprochen haben, unser Teil wird, wenn wir den Weg gehen, den Er uns gezeigt hat. "Unendliche Liebe, wie reich machst du doch", singen wir von dem Herrn Jesus. Wir können es auch von dem Vater singen, der es in Seinem Herzen hatte, uns dies alles zu geben.

Der Sohn hat das Werk vollbracht, weil auch Er uns liebte, "der Sohn Gottes, der mich geliebt hat" (Gal 2,20), und Er hat es dem Vater möglich gemacht, uns alle diese Dinge zu geben.

Humburg Paul, Sein Rat ist wunderbar

07/19/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Die Lehre von der Erwählung ist kein reformiertes Sondergut

Ehe ich in die Behandlung des Themas selbst eintrete, seien einige Vorbemerkungen gestattet.
»Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum glauben oder zu ihm kommen kann«, sagt Luther in der Erklärung des dritten Artikels. Das ist ein kräftiger Ausdruck der Lehre von der Erwählung der Gläubigen. Wir haben es hier nicht mit einer reformierten Sonderlehre zu tun. Immer wieder stößt man in unseren christlichen Kreisen auf diesen großen Irrtum. Keiner von den Reformatoren hat die Erwählung der Gläubigen mit solcher Deutlichkeit, ja Schärfe gelehrt wie Luther; und zwar auch in der Form, wie sie von den meisten immer als die eigentümlich reformierte Lehre verabscheut wird, nämlich daß er auch die Verwerfung eines Teils der Menschen aus Gottes Bestimmung lehrte. Diese Lehre hat Luther zuerst ausgesprochen.


Einige Zeit danach hat die lutherische Kirche angefangen, die Lehre von der Erwählung umzubiegen und abzuschwächen. Schon Melanchthon in seinen späteren Jahren begann damit; aber das war ihre Schuld. Damit ist sie von ihrem Meister abgewichen, denn dieser hat bis zuletzt festgehalten an dieser Lehre.
Wenn man die populäre Ansicht der meisten lutherischen Brüder heutzutage hört, so könnte man meinen, Luther habe den freien Willen gelehrt. Es wird ihnen schwer, sich daran zu erinnern, daß Luther als eine seiner Hauptschriften geschrieben hat »De servo arbitrio«. Darin stellt er dar, daß der freie Wille nichts sei.
Alle echt lutherischen Brüder standen daher damals und stehen heute ebenso wie ihr Meister auf der Lehre von der Gnadenwahl. Man hält diese Lehre darum weithin für eine besondere reformierte, nicht weil sie Calvin so besonders scharf gelehrt hat - das hat er getan, und er ist meines Erachtens darin zu weit gegangen -‚ sondern deshalb, weil die reformierte Kirche an diesem Punkt mehr an der reinen, ursprünglichen Lehre aller Reformatoren festgehalten hat. Das ist ohne Zweifel ihre Stärke.
Es gibt ein Buch von Klimptsius über die Gnadenwahl vom Jahre 1712 von »einem evangelisch-lutherischen Diener des Wortes zu Fischbach in Schlesien, samt einem nachdenklichen Anhang, worin klar vorgestellt wird, daß in der Lehre von der Gnadenwahl alle wahren Reformierten recht gut lutherisch gesinnt sind«. Man muß dem Märchen entgegentreten, als ob die Lehre von der Erwählung eine besondere Lehre Calvins gewesen sei. Man tut Luther bitter Unrecht, wenn man meint, er habe diese allerköstlichste Lehre von dem tiefsten Trost der Kinder Gottes nicht gekannt oder geliebt.
Paul Gerhardt, der doch wohl nicht als reformiert verdächtigt werden kann (denn um seines Kampfes gegen die Reformierten
willen ist er aus Amt und Beruf gegangen), singt: »Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren.« Und Joh. Gottfried Herrmann singt in
seinem Lied: »Geht hin, ihr gläubigen Gedanken, ins weite Feld der Ewigkeit«:
 
»Der Grund der Welt war nicht geleget,
der Himmel war noch nicht gemacht,
so hat Gott schon den Trieb geheget,
der mir das Beste zugedacht.
Da ich noch nicht geschaffen war,
da reicht er mir schon Gnade dar.

o Wunderliebe, die mich wählte
vor allem Anbeginn der Welt;
die mich zu ihren Kindern zählte,
für welche sie das Reich bestellt!
o Vaterhand, o Gnadentrieb,
der mich ins Buch des Lebens schrieb!«

Noch im Jahre 1543 hat Melanchthon, als ein gewisser Pighius von Kampen die Erwählungslehre von Luther, Calvin und Me-lanchthon angegriffen hatte, mit der Verteidigung der gemeinsamen Anschauung der Reformatoren Calvin beauftragt. Wir handeln also nicht über eine konfessionelle Sonderlehre, sondern über eine Botschaft, die Allgemeingut aller Reformatoren gewesen ist. »Unser Stammbaum geht über Calvin und Luther sowie alle großen Theologen aller Zeiten, über Augustin und Paulus auf Christus zurück«, sagt Charles Haddon Spurgeon, der große englische Baptistenprediger.

Wir müssen uns allein an die Schrift halten
Natürlich kann man auf den Seiten eines kleinen Heftes nicht alles sagen, was hier zu sagen wäre. Ich bitte, mir keinen Vorwurf daraus zu machen, wenn ich nicht alle einschlägigen Fragen eingehend und erschöpfend besprechen kann.
Ich möchte auch nicht Gedanken von Menschen, die über diese Lehre geschrieben und geredet haben, aufführen und besprechen. Es soll sich hier nicht um Gedankengebilde von Menschen handeln, sondern um den Versuch, Gottes Wort und seine Aussagen allein maßgebend sein zu lassen.
Man darf die Erwählungslehre nicht dadurch in Mißkredit bringen, daß man ein kaltes Lehrgebäude daraus macht und dieses auch noch in möglichst abschreckender Form vorträgt, vielleicht so: Gott hat die einen zum Heil, die andern zum Verderben bestimmt. Sie unterliegen beide einem unabänderlichen Schicksal. - Wenn man das sagt, dann wird alsbald die Entrüstung laut: Das ist kein Gott der Liebe und der Gerechtigkeit, das ist ein grausamer Tyrann.
So darf man diese Lehre nicht darstellen. Das ist nicht das biblische Wort von der Erwählung. Die starken Ausdrücke der Reformatoren, die beinahe und ungefähr so lauten, sind sicher nicht daher zu erklären, daß diese Männer Gottes den Gott der Liebe nicht gekannt hätten. Die Reformatoren sind mit ihren Aussprüchen ohne Zweifel der Wahrheit, auch der Wahrheit über Gottes Liebe, viel näher als viele weichliche und schwächliche Theologen, die sich vor diesen Aussagen so schrecklich fürchten.
Aber ich bin auch der Meinung, daß die Reformatoren in den verstandesmäßigen Konsequenzen, die sie gezogen haben, zu weit gegangen sind. Gleich zu Anfang will ich sagen, daß ich nicht glaube, in der Bibel werde gelehrt, daß ein Teil der Menschen von Ewigkeit her zum ewigen Verderben bestimmt sei. Gottes Zorn ist nicht der erste und nicht der letzte Wille Gottes (Adolf Schlatter). Gottes Zorn ist die Antwort auf unsere Sünde.
Wir müssen uns bei der Lehre von der Erwählung vor allem verstandesmäßigen, logischen Konsequent-Sein-Wollen hüten. Am springenden Punkt, das möchte ich gleich vorwegnehmen, werde ich jedesmal eine Auffassung vertreten, die verstandesmäßig ganz unkonsequent ist, sich logisch nicht reimen läßt und die doch das einzige ist, was ich zu sagen weiß. Wir haben es nicht zu tun mit einem Gedankengebäude oder gar mit Gedankenkunststücken, die uns eine Erklärung geben sollen, wie es nur kommt, daß einige Menschen selig werden und andere nicht, und wodurch wir dieses drückende und schwere Rätsel aus der Welt schaffen wollen. Wir werden es nie aus der Welt schaffen.

Wir haben es bei dieser Lehre nur zu tun mit einem Trost für die Gläubigen. Nur so weit geht auch die Schrift. Sie gibt uns die Lehre vom Heil für alle, die danach dürstet und hungert, nicht die Lehre vom Heil und Unheil. Sie zeigt uns den Weg, wie man selig werden kann, »erklärt« aber nicht, warum viele nicht selig werden. Und wir wollen uns in allen Stücken an die Schrift allein halten. Soweit diese uns Klarheit gibt, wollen und müssen wir sie annehmen. »Aber sobald der Herr seinen Mund zutut, muß auch der Mensch den Weg, weiter zu forschen, verlassen; denn jeder Schritt, den wir außerhalb des Wortes Gottes tun, muß uns in die Irre führen. Wir müssen uns gewöhnen, uns zu bescheiden, denn hier ist Unwissenheit die rechte Gelehrsamkeit« (Calvin).
Denselben Standpunkt vertritt Luther. Zwar betont er, »man muß über diese Dinge nicht mit einem überhinrauschenden, gemarterten oder zweifelhaftigen und auch wohl lasterhaftigen Glößlein zufrieden sein, aber man darf sich nur von der Schrift führen lassen. Denn wer wissen will, was Gott verborgen hat und will sich weise dünken, der sieht nicht, daß dies das Übel ist, daran Adam und Eva samt ihren Nachkommen den ewigen Tod gefressen haben.« Gottes Wort müssen wir fragen, und »es ist mit Gottes Wort nicht zu scherzen. Kannst du es nicht verstehen, so zeuch den Hut vor ihm ab« (Luther).
Es gilt, sich mit ganzer Entschlossenheit unter Gottes Wort zu beugen, auch wenn man es nicht versteht. Es ist für Gottes Wort eine Ehre, wenn es nicht so flach ist, daß man ihm alsbald auf den Grund sehen kann. Und wir werden, wenn wir überhaupt davon überzeugt sind, daß unser Wissen Stückwerk ist, uns daran ganz besonders erinnern müssen, wenn wir nachzudenken beginnen über die Tiefen der göttlichen Weisheit, die nicht mehr im Bereich dieser Welt und ihrer Geschichte liegen, sondern in die Ewigkeit hineinreichen. Da wird Bescheidenheit in den Aussagen doppelt angebracht sein. Manchmal beim Gewitter wird das Telefon abgestellt, weil man sonst elektrische Schläge bekommen könnte. So gibt es Gebiete im Reich des Glaubens, wo man gut tut, das Telefon abzustellen. Man telefoniert nicht ungestraft hinein. Wenn man keine Schläge bekommen und Schaden leiden will, so bescheide man sich.
»Ich laß die Runen stehen,
es kommt ein Sonnentag,
da bei des Morgens Wehen
kein Rätsel bleiben mag.«   (Gottlob Schrenk)
 
Ein Brautgeheimnis der Jünger des Herrn
Noch eins ist zu sagen, ehe wir an den Gegenstand näher herantreten. Wir haben es bei den Aussagen über die Erwählung in der Schrift mit Glaubensaussagen zu tun, die von persönlichem Glaubensleben nicht abzutrennen sind. Mit anderen Worten: Diese Lehre ist nur für die gläubigen Kinder Gottes bestimmt. Wer über diese Fragen nachdenkt und sucht dabei in Gottes geheime Kanzlei einzudringen mit seinem Vorwitz, ob er wohl erwählt sei, der sucht die Wahrheit »neben dem Weg« und stürzt in Abgründe der Verzweiflung (Calvin).
Auch Luther warnt davor. Man solle nicht den Römerbrief bei Kapitel 9 anfangen zu lesen. Viele gehen an diese Stelle zuerst heran und wollen erst den Abgrund der göttlichen Versehung verstehen. Das ist falsch. »Folge der Epistel in ihrer Reihenfolge, suche erst die Wahrheit über Sünde und Gnade zu erreichen, dann erst hindurch durch Trübsal und Leiden, von denen Kapitel 8 spricht. Dann wirst du erst fähig sein, die Tiefe der Lehre von der Versehung zu verstehen. Ohne Kreuz, Leiden und Todesnöte kann man die Versehung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott handeln. Eine jegliche Lehre hat ihr Maß, Zeit und Alter, und Säuglinge sollen nicht starken Wein trinken.«
Zumal aber sollen die überhaupt nicht an diese Lehre herangehen, die noch nicht in Christo sind, die noch nicht wiedergeboren sind zu dem Leben aus Gott. Erwählung ist eine Tat der Liebe; nur der kann sie verstehen, der die Liebe Gottes selbst erfahren hat. Und alles, was Liebe ist, ist ein Geheimnis, auch Gottes Liebe.
Die Lehre von der Erwählung ist eine Wahrheit des Glaubens, nicht der Philosophie. Das Grübeln nach der Weise des Verstandes hilft hier keinen Schritt weiter. Das Wort von der Erwählung ist ein Brautgeheimnis der Jünger des Herrn. Die sein eigen sind, die lernen es verstehen. So wie die bemalten Kirchenfenster von außen gesehen uns nur den Anblick verworrener Linien und unverständlicher Bleifassungen darbieten, aus dem Innern der Kirche gesehen aber, wenn das Licht hindurchscheint, herrliche Gemälde zeigen so ist es auch mit dieser Lehre. Wer außen steht, außerhalb Christus, sieht nur verworrene Linien, die ihn selbst verwirren. Wer innen steht, in der Gemeinschaft mit Christus, der hat klare Bilder, deutliche Wahrheiten.

@1982 Francke-Buchhandlung

Hörster Gerhard, Markenzeichen BIBELTREU - Die Bibel richtig verstehen auslegen anwenden

07/17/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

3. Wege zum Verständnis der Bibel oder: Was man bei der Auslegung der Bibel beachten muß

Solange es eine Bibel gibt, so lange gibt es auch eine Auslegung der Bibel. Die jüdischen Schriftgelehrten haben zunächst die Auslegung des Alten Testamentes betrieben. Seitdem es die Bibel aus Altem und Neuem Testament gibt, haben christliche Theologen diese Bibel ausgelegt.
Von Zeit zu Zeit, manchmal in großen Zeitabständen, ragt aus der Reihe der Ausleger einer besonders hervor, und sein Einfluß ist so maßgebend, daß er eine ganze Schule bildet, viele Schüler und Anhänger hat; und viele andere nehmen seine Ansichten auf und geben sie weitet Das ist in unserem Jahrhundert mit der Schule von Rudolf Bultmann so gewesen; Rudolf Buitmann, der seine Auslegungsarbeit in den zwanziger Jahren begann und ein ganzes Programm der Auslegung des Neuen Testaments vorgestellt hat. Viele sind durch dieses Programm geprägt worden.


Es scheint so, als würde sich etwas Neues dieser Art anbahnen, als gäbe es einen neuen Ausleger, der eine ganze Generation prägen kann. Er hat inzwischen schon eine Reihe von umfangreichen Büchern zum Verständnis der Heiligen Schrift, zum Verständnis des Neuen Testamentes veröffentlicht. Inzwischen ist er so bekanntgeworden, daß auch das Fernsehen auf ihn aufmerksam geworden ist. Ich spreche von Eugen Drewermann, Doktor der Theologie, Jahrgang 1940. Er hat Philosophie in Münster studiert, Theologie in Paderborn und Psychoanalyse in Göttingen. 
Er ist Privatdozent für SystematischeTheologie an der Philosophisch-Theologischen Fakultät in Paderborn und auch als Psychotherapeut tätig.
Eugen Drewermann setzt mit einer Beobachtung ein, die im vorhergehenden Kapitel bereits angesprochen wurde. Drewermann hält zwar die historisch-kritische Arbeit an der Bibel für verdienstvoll und unverzichtbar, aber ihr Ergebnis nach hundertJahrenAnwendung für äußerst mager. Ich lasse ihn selber zu Wort kommen: „Das aufgeschichtete Resultat geschichtlicher Untersuchungen in der Bibel ist, religiös betrachtet, nach mehr als hundert Jahren von einer monströsen Inhaltslosigkeit. Der' Eindruck, den ein Theologiestudent schon in den Anfangssemestern beim ersten Kontakt mit der gegenwärtigen Bibelwissenschaft gewinnt, trügt nicht. Er wird die Fragen, die er um seiner selbst willen an den Text richten möchte und die ihn zum Studium der Heiligen Schrift wesentlich motivieren, innerhalb der historisch-kritischen Methode nicht nur unbeantwortet lassen müssen; er wird sie überhaupt völlig zu vergessen haben. Sagen wir es offen: Auf diese Weise werden Menschen, die Gläubige, und Theologen sein möchten, unfehlbar zu Schriftgelehrten und Religionswissenschaftlern herangebildet, die im Status ihrer Vollendung eigentlich nur noch aus Traditionsgründen in der Theologie an-wohnen und ehrlicherweise besser in der altorientalischen oder gesellschaftswissenschaftlichen Abteilung untergebracht wären. 4412
Zu dieser Entwicklung der historischen Kritik zu einer „monströsen Inhaltslosigkeit" ist es nach Drewermann gekommen, weil man einseitig auf das menschliche Bewußtsein gesetzt hat. Oder um es mit meinen Worten zu sagen: Weil man einseitig auf die menschliche Vernunft und ihr Vermögen gesetzt hat,, biblische Texte zu analysieren, sie historisch zu befragen und auf ihren Kernbestand zu reduzieren.

Drewermanns These heißt: Diese von der Vernunft ausgehende Befragung biblischer Texte ist dem Gegenstand derTheologie und der Bibel nicht angemessen. - Das klingt gut, aber ehe man applaudiert, sollte man genauer hinsehen. Wie sieht denn die Alternative aus, die andere Auslegung der Bibel, die Eugen Drewermann vorschlägt? Er behauptet, es gehe in der Bibel und in der Theologie überhaupt um die Sprache der Bilder, der Mythen, der Sagen. Das sei in der Bibel und in der Theologie und in der christlichen Kirche nicht anders als in anderen Religionen. Und in diesen Bildern, Mythen, Sagen sprächen sich Grunderfahrungen der menschlichen Seele aus. Sehr bald kommt in seinen Werken heraus, wer sein Ratgeber ist: C.G. Jung mit seiner Lehre der Archetypen, also jener Grundmuster der menschlichen Seele, die den einzelnen übergreifen und die für das Menschsein typisch sind. Mit anderen Worten: Drewermann benutzt die Tiefenpsychologie, um die Brücke zu den Texten aus alter Zeit zu schlagen. Er meint, mit derTiefenpsychologie eine Methode gefunden zu haben, durch die diese Texte aus alter Zeit für Menschen heute Bedeutung haben, sie ansprechen.
Drewermann setzt nicht auf menschliche Vernunft, um die biblischen Texte zu erschließen, sondern er setzt auf menschliche Emotionalität. Bilder muß man sehen, in Bilder muß man sich hineinleben, von Bildern muß man sich mitnehmen lassen in den eigenen Gefühlen. Dann kommt man der Sache nahe.
Von vielen, die unsere Welt, die wesentlich von der Vernunft bestimmt und an Leistung orientiert ist, als nicht beglückend erleben, wird die Botschaft von Drewermann begierig aufgenommen. Viele haben einen

Hallesby Ole, Wie ich Christ wurde

07/14/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Vom Zweifel zum Glauben

Es gibt zwei Arten von Zweiflern.
Zunächst gibt es solche, die ihre Zweifel lieben, weil diese sie vor den Anklagen ihres Gewissens decken. Sie wollen ihr selbstsüchtiges Leben nicht aufgeben, das sie entweder in groben und offenbaren Sünden oder in der gewöhnlichen Weltliebe oder in moralischer Selbstgerechtigkeit führen. Wenn sie vom Gewissen beunruhigt werden, ist der Zweifel das beste Mittel, um es zum Schweigen zu bringen.
Darum sehen wir, daß diese Leute ihre Zweifel wie einen kostbaren Besitz verteidigen, den sie nicht missen möchten. Daher wählen sie auch Literatur, die ihre Zweifel bestärkt. Sie ergreifen jede Gelegenheit, über christliche Fragen zu debattieren. Vermögen sie ihren Gegner in der Debatte auch nicht zu überzeugen, so fühlen sie sich jedesmal bestärkt, wenn sie in einer solchen Debatte ihren gläubigen Gegner wenigstens verwirrt und an die Wand getrieben haben. Wenn ein solcher Zweifler dieses Buch in die Hände bekommen sollte, dann will ich gleich sagen, (laß er es nicht ist, dem ich meine Hilfe anzubieten wage.

Er will debattieren und erwartet von mir, daß ich alle diese Fragen zur Debatte aufnehmen soll. Aber das will ich nicht. Ich glaube nämlich nicht, daß Debatten gegen Zweifel helfen.

Der Zweifel, von dem wir hier sprechen, läßt sich nämlich nicht durch logische Argumente entfernen. Allein die Erfahrung von Tatsachen kann unsere Seele vom Zweifel zur Gewißheit bringen. Die Zweifler, denen ich meine Hilfe anzubieten wage, sehen anders aus. Sie leiden unter ihren Zweifeln. Sie sind der peinigenden Ungewißheit müde und sehnen sich nach der tiefen Ruhe einer stillen und unangreifbaren Gewißheit. Aber jedesmal, wenn sie glauben, festen Grund unter die Füße bekommen zu haben, sinken sie zurück in das grundlose Meer des Zweifels.
Diese innere Ungewißheit wird schwerer für sie, wenn sie ihre Freunde und Kameraden ansehen, die Gott gefunden haben. Für diese ist Gott nicht länger ein Problem, auch nichts Gedachtes, Gesuchtes oder Ersehntes. Für sie ist Gott eine lebendige Wirklichkeit. Sie erleben Gott. Die Gewißheit gibt ihnen Ruhe, Freude und Kraft.
Diese ehrlichen, suchenden und leidenden Zweifler sind es, denen ich meine Hilfe anbiete.
Ich bin selbst durch alle Grade des Zweifels gegangen und kenne seine Pein. Aber ich kenne auch einen Weg vom Zweifel zum Glauben. Einen Weg, der für jeden Zweifler gangbar ist. Er tut keiner menschlichen Anlage Zwang an, auch nicht der logischen.
Diesen Weg hat Jesus schon vor 19oo Jahren gewiesen. Er drückte es so aus: »So jemand will des Willen tun, der wird innewerden, ob diese Rede von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede«, (Joh. 7,17). Hier verspricht er persönliche Gewißheit auf Grund von Erfahrungen. Als Bedingung stellt er nur eins: so jemand will Gottes Willen tun.
In diesem Wort Jesu wird etwas vom Zweifel und der Ursache des Zweifels gesagt, was sehr wichtig ist. Manche meinen, ihre vielen Kenntnisse oder ihr scharfes Denken seien der Grund ihrer Zweifel. Andere sind bescheidener und glauben, ihre Zweifel beruhen darauf, daß sie nicht scharf genug denken und nicht genug Kenntnisse haben.
Nein, der Grund deiner Zweifel ist ein ganz anderer. Es fehlen dir gewisse notwendige Erfahrungen, darum befindest du dich in Zweifel und Ungewißheit.
Wenn ich dir meine Hilfe anbiete, will ich deinen Zweifeln nicht mit logischen Argumenten begegnen. Hingegen wjJl ich, so gut ich kann, auf die Erfahrungen hinweisen, die du haben mußt, ehe der Zweifel weichen kann. Und gleichzeitig will ich versuchen, den Weg zu zeigen, den du gehen mußt, um diese Erfahrungen machen zu können.
Gehst du diesen Weg und kommst du zu diesen Erfahrungen, so werden die Erfahrungen deine Zweifel beseitigen und dir den einzigen und einfachen Weg zum Leben freigeben.
Mein erster Rat ist folgender: Lies das Neue Testament. Ja, sagst du, glaubte ich nur daran, so wäre mir geholfen. Denn es ist ja gerade das biblische Wort, über das ich im Zweifel bin. Ich verneine nichts. Im Gegenteil, ich will glauben, aber ich vermag es nicht. Ich zweifle anstatt zu glauben.
Ich weiß, daß es so mit dir steht. Dieses Fahrwasser ist mir vertraut. Ich setze darum nicht allzuviel bei dir voraus.
Ich setze voraus, daß du an dem übernatürlichen Zustandekommen der Heiligen Schrift zweifelst und ebenso an den meisten, vielleicht allen Wunderberichten im Neuen Testament.
Jesus verlangte niemals von seinen Zuhörern, daß sie im voraus eine große oder kleine Anzahl Dogmen über ihn annehmen oder anerkennen sollten. Er bat sie vielmehr, daß sie zu ihm kommen sollten, seine Stimme hören und ihm folgen.
Und was dann? Ja, alle, die das redlich taten, erlebten Jesus und waren danach persönlich überzeugt von dem, was er über sich selbst sagte. Und als sie ausdrücken wollten, was sie erlebt hatten und wovon sie persönlich überzeugt waren, da schrieben sie die Schriften nieder, die wir im Neuen Testament haben. Lies nun diese seltsame Schriftsammlung durch, dann wirst du sehen, wie erstaunlich die verschiedenen Verfasser in ihren Jesusberichten übereinstimmen.
Seit jener Zeit sind Millionen Menschen Jesus begegnet und haben seine wunderbare Persön1ichet erlebt. Und wenn sie in Worten ausdrücken sollten, was sie erfahren hatten und wovon sie überzeugt waren, fanden sie keine besseren Worte dafür, als im Neuen Testament gebraucht sind.
Späterhin hatten sie das Bedürfnis, in kurzen Sätzen das Wesentliche von dem auszusprechen, was sie bei ihrer Begegnung mit Christus erlebt hatten. Diese Sätze nennt man kirchliche Bekenntnisse. Von diesen nenne ich vor allem das apostolische Glaubensbekenntnis, weil es allen christlichen Kirchen der Welt gemeinsam ist.
Und nun höre, wie es sich mit den Dogmen verhält, die in diesem gemeinsamen kirchlichen Bekenntnis enthalten sind. Die Dogmen sind nicht von den Kirchen aufgestellt als etwas, was der einzelne annehmen muß. Hingegen sind sie der Ausdruck von den Dingen über Christus, die einem Menschen zur freudigen Gewißheit werden, wenn er ihn als seinen Erlöser erkennt. Jesus stellt allen Zeiten, heute wie vor 1900 Jahren, nur eine Bedingung, um uns zur persönlichen Gewißheit zu verhelfen, und diese eine Bedingung lautet: »Wenn jemand will Gottes Willen tun.«
Nimm nun dein Neues Testament und lies es, um »Gottes Willen« zu finden.
Ja, sagst du, aber es ist für mich so schwierig, das Neue Testament zu lesen. Alle diese Wunderberichte und viele andere unwahrscheinliche Gedanken und Erzählungen verwirren mich, ja stoßen mich ab und machen es mir schwer, mit ruhigem und offenem Sinn zu lesen.
Diese Einstellung kenne ich gut von meiner eigenen Zweiflerzeit her. Darum will ich dir den Rat geben, daß du vorläufig ganz einfach all das beiseite läßt, was deinem Intellekt allzu große Schwierigkeiten bereitet. Lies nur das

Hueck-Dehio Else, Liebe Renata - Geschichte einer Jugend in Dorpat

07/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

DA TAGEBUCH

Renata saß im Boot undAchrieb. Die schwatze Wachstuchkladde lag auf ihren Knien, und der Bleistift wanderte munter auf den Zeilen der Seite entlang. Manchmal hob sie den Kopf und schaute übers Schilf hinweg, das wie ein steiler Wald ihr Boot umstand, oder sie tauchte die linke Hand neben dem Bootsrand ins Wasser. Das Wasser war dunkel und lauwarm von der starken Sonne, unzählige Wasserläufer glitten darüber hin. Das Holz des Bootes und des kleinen morschen Steges duftete nach Teer und nach Fischen, und- die Stille - zwischen Wasser, Wiese und Himmel - war ungestört und groß.
Sie war so groß, daß Renata sogar den Schritt nackter Füße vernehmen konnte, der sich auf dem Uferweg näherte. Sie kannte den Schritt. So vorsichtig und leise konnte nur Thea auf ihren braunen Kindersohlen schleichen. Renata meinte, den warmen schwarzen Moorboden bei jedem Schritt zwischen den Zehen des kleinen Mädchens vorquellen zu sehen, und sie lächelte vor sich hin, während sie ihren Satz beendete.

Gleich darauf schob sich Theas rundes Gesicht vorsichtig zwischen die Schilfhalme. Ihre Augen, blank und aufmerksam wie die eines Hasen, überschauten schnell den kleinen Anlegeplatz. Als sie ihre Schwester sah, drängte sie sich durchs Schilf, sprang auf den Steg und lief lustig wippend zum Boot. »Erst Füße waschen!« rief Renata ihr entgegen, und die Kleine in ihrem blauen Kleidchen setzte sich gehorsam auf die heißen Bretter und tauchte ihre Füße ins Wasser. Darin sprang sie zu Renata auf die hölzerne Bank.

Das Boot schwankte einen Augenblick, und Wellenkreise liefen flüsternd durchs Schilf in den See hinaus. Draußen auf dem freien Wasser sah man sie kaum mehr, höchstens wie einen gleitenden Glanz, der den ruhenden Spiegel verschönte. Dann war es wieder still. Weder Luft noch Schilf, noch Wasser regten sich. Nur eine Heuschrecke begann in der Wiese zu schrillen.
»Was machst du hier eigentlich?« fragte Thea und guckte mit unmißverständlicher Wißbegierde in die schwarze Wachstuchkladde.
»Du siehst doch, ich schreibe«, antwortete Renata und klappte die Kladde zu.
»Ja, aber was?« beharrte die Kleine, »Tagebuch?« Renata nickte. Dann schwiegen beide, und die Sonne briet auf ihrem Haar, ihren Armen und ihrem braunen Sommernacken.
Schließlich begann Thea wieder: »Kannst du mir nicht etwas vorlesen?« Renata kannte diese Bitte schon und hatte sie sogar erwartet. »Von heute!« bat Thea weiter, und Renata schlug die Kladde wieder auf. Sie las:
»... Übermorgen müssen wir also nach Dorpat zurück, denn die Schule fängt an. Das Wetter ist allerdings noch schön, warm wie im Sommer, aber in Waimola summt schon alle Tage die Dreschmaschine, und wenn man barfuß über die Felder läuft, dann stechen. einen die Stoppeln. Mama hat schon angefangen, unsere Koffer zu packen, und am Abend geht sie durch alle Zimmer, schaut aus dem Fenster, an dem früher Urgroßmamas Nähtischchen stand, und legt ihre Hand auf den Rücken unseres breiten, guten Backofens, in welchem Urgroßmama immer das Schwarzbrot buk und den Geburtstagskuchen mit den dreißig Eiern.
Ich glaube, Mama bliebe noch gerne hier. Ich übrigens auch! Sie sagt, so schön wie hier im Küsterat seien früher ihre Kinder-Sommerferien nirgends gewesen. Am Abend geht sie oft zwischen den Feldern entIg bis zinn >Hohen Haupt' und sieht von dort aus zu, wie die Sonne untergeht. Dann erzählt sie uns, wie es früher hier war, wie Urgroßpapa am Sonnabendnachmittag ins Pastorat hinunterging, um mit dem neuen Pastor den Gottesdienst
zu besprechen, und wie sie selber unterdessen mit der jungen Pastorin zwischen den Erdbeeren saß und zählte, wer von ihnen beiden mehr futtern konnte.

Der 'neue Pastor' - das ist jetzt Onkel Johannes. Seine Löwenmähne ist schon ganz grau! Und das kleine, süße Baby, das damals in seinem Wägelchen hinter der Jasminhecke schlief - das ist jetzt unser frecher Vetter Kurt mit der Studentenmütze. Von seiner Süßigkeit ist gar nichts mehr übriggeblieben. Aber Urgroßpapa liegt oben bei der Kirche auf dem Kirchhof, und sein Grabstein ist schon bemoost.
Nur die Glocken am Sonntagmorgen klingen noch genauso wie damals, sagt Mama, und die Estenwagen mit ihren kleinen Pferden und den bunten Decken überm Stroh kommen noch genau wie damals von allen Seiten zur Kirche gefahren. Die Frauen tragen ihre seidenen Sonntagstücher um den Kopf, die Männer binden ihre Pferde an die langen Balken vor der Kirchhofsmauer, und wenn jemand die Kirchentür öffnet, um hineinzugehen, dann brummt die Orgel wie damals fromm und verheißeüd in den Sonntagmorgen hinaus .«
Thea unterbrach den Zauber der Stunde. »Warum schreibst du das alles eigentlich?« fragte sie.
Renata antwortete: »Weil es mir Spaß macht und weil es meinen Kindern wahrscheinlich auch Spaß machen wird, wenn sie einmal lesen, wie ihr Ur-Urgroßvater in Waimola an der Orgel saß, wie ihre Großmutter, schlank und jung, mit der Pastorin Arm in Arm durch die Felder schlenderte, wie ihre Mutter mit Pastors Ellinor in die Lindenlaube hinaufkletterte, um ungestört lesen zu können, und wie Vetter Kurt sie. einen typischen Backfisch nannte.«
»Tut er das wirklich?« fragte Thea mit hörbarer Parteinahme in der Stimme.
Renata begann zu erzählen: »Ja, gestern, als Ellinor und ich in den Linden saßen, erschien er plötzlich auch oben und setzte sich auf meinen Ast. Er fragte, was wir lesen. Ich weiß nicht, warum ich mich schämte, jedenfalls, als er das Heftchen nehmen wollte, steckte ich es vorne in meinen Ausschnitt und zeigte ihm die Zunge. Darauf betrachtete er mich von oben bis unten und sagte: >Weißt du, was du bist? Ein tü-ü-üpischer Backfisch!< Dann kletterte er voll Verachtung wieder hinunter.

 Dabei lasen wir doch nur eine ganz blöde Reklame von >Kufeices Kindermehl<, in der beschrieben wurde, wie man Babys badet, wickelt und füttert..
»Es hätte ihn bestimmt nicht einmal interessiert«, meinte Thea altklug. »Aber weißt du, gegen mich ist Klaus genauso greulich. Und dabei ist er erst elf... Er fährt mir mit allen fünf Fingern ins Haar oder schubst mich in die Brennesseln beim Stall - und wenn ich die Treppe hinauflaufe, dann hält er mich plötzlich am Fuß
fest.« Renata lachte und nahm die kleine Schwester in den Arm. »Laß sie nur, es sind eben Männer«, sagte sie, »die sind immer stärker und frecher als Mädchen. Aber warte, wenn wir beide einmal groß sind, dann werden wir uns schon rächen.«
»Können wir das denn?«
»Und ob! Ich weiß jedenfalls ganz genau, wie ich sie an der Nase herumführen werde.« Sie stand auf und reckte sich. Sie war mehr als einen Kopf größer als Thea, hatte braune Arme und braune, schlanke Beine unter dem kurzen Rock. Im hellen Haar steckte eine knallrote Schleife. Da Renata erst fünfzehn Jahre alt war, durfte sie zu ihrem Kummer den Zopf noch nicht aufstecken. Sie klemmte das Tagebuch unter den Arm und sprang auf den Steg. »Ich glaube, wir müssen nach Hause.«
Das Schilf flüsterte, als es die beiden Mädchen hindurchljeß. Die Grille verstummte, und auf dem moorigen Wiesenweg verklang der leichte Laut der Schritte.
Oben am Hügel, unter dem breiten A}iornbaum hinter dem Roggenfeld, streckte sich das graue Dach des Küsterats. Der Mittagsfisch war draußen gedeckt, und eine Tonschüssel voller Schwarzbeeren stand duftend in seiner Mitte.
An der- Verandatür lehnte Mama und schaute unter dem Laubdach her auf das Stückchen Roggenfeld, das noch nicht gemäht war, und auf die Waldlinien dahinter. Bis an den Rand des Himmels blaue dieser Wald, und der Duft seiner Fichten und Birken, seiner Pilze und Beeren zitterte in der Mittagssonne zum Himmel empor.
Rosi, die zu Matt- Füßen auf der Verandastufe saß und Bohnen schnippelte, folgte dem Blick ihrer Hausfrau, atmete auf und wischte die Hände an ihrer Schürze ab. »Kinder kommen«, sagte sie auf estnisch, »man muß jetzt essen.«
Über den Roggenähren waren Renatas und Theas Köpfe aufgetaucht. Rosi stand aufnalun ihre Schüssel und ging ins Haus. Auf ihrem blanken, schn\ geordneten Haarknoten tanzte das grüne Licht des Laubes. Auch Mama strich sich mit der Hand übers Haar. Sie rief nach Brigitte, die im Gartenzimmer am Klavier saß und ein Schubert-Impromptu übte, dann schaute sie lächelnd ihren beiden Jüngsten entgegen.

DIE TREIBJAGD
In Dorpat begann das Semester, und im Hallerschen Garten wurden die Pflaumen reif. Solange Renata sich entsinnen konnte, gingen diese beiden Dinge immer Hand in Hand. Morgens lagen die roten und gelben Früchte klar, von winzigen Tauperlen wie von einem matten -Pelz überzogen, im nassen Rasen, und man konnte sich die Manteltaschen für den Schulweg damit vollstopfen.
Der Schulweg über den Domweg war wunderschön, nur trat Renata ihn leider meist etwas verspätet an. Daher hatte sie nur selten Zeit, seine Schönheiten, den blauen Dunst in der Sandgrube, die darüberhinschießenden Sonnenstrahlen und die Fülle des goldgelben Laubes auf allen Wegen, gebührend zu betrachten. Immerhin - die Zeit, ihre Pflaumenkerne möglichst weit vom Vorplatz der Domruine auf die Tennisplätze hinunterzuspucken - diese Zeit nahm sie sich doch. Dann ging es im Trabe an Papas Klinik vorbei. In der gläsernen Flügeltür mit den messingnen Gitterstangen stand Jurij, der Portier. Er grinste über sein breites Russengesicht, wenn er das Fräulein sah, verneigte sich, und wenn es besonders spät war, dann winkte er mit seiner Pranke in Renatas Fahrtrichtung.
Im Wallgraben konnte es geschehen, daß man einigen Studenten begegnete, die zum Frübkolleg wollten. Leider waren es meist nur Theologen, die dieser angreifenden Tugend frönten; sie stammten zum Teil aus den deutschen Wolgalcolonien und trugen keine Farben: für ein richtiges Dorpater Mädchen ein Unding, fand Renata. Denn für sie gehörte es sich, daß ihre Freunde einer der vier alten, farbentragenden Verbindungen angehörten. 

Daher kam es, daß sie diesen bescheidenen und fleißigen Menschen keinerlei Beachtung schenkte. Auf den Senfschen Treppen raschelte das Laub der Kastanien, und zwischen den gelben Blättern lagen die grünen Stachelfrüchte. Renata zertrat einige mit dem Absatz und freute sich an den blanken, braunen Kernen, die aus ihrer Hülle heraussprangen.
Wenn Renata dann schließlich oben in der Sternstraße ankam, hieß es nicht mehr Trab, sondern Galopp. Keine Kameradin war mehr zu sehen, und dort wanderte bereits Herr von Miler, der russische Lehrer, bei dem die erste Stunde fällig war. Wenn es nicht mehr glückte, ihn einzuholen dann kam man unrettbar zu spät.
Zu Hause zeigte sich der beginnende Herbst auch noch auf andere Weise. Rosi kochte Berge von Strickbeeren und Kranzbeeren (Preiselbeeren und Kronsbeeren) ein und füllte sie in steinerne Töpfe. Frau Rammat, mit einem schwarzen Samnietbändchen um den Hals und einem zierlichen Teeschürzchen vor dem Bauch, kam und probierte Renata die Winterkleider an. Sie rutschte vor ihr auf den Knien herum, steckte und heftete und erzählte dabei in ihrem drolligen Estnisch-Deutsch von den neuen Toiletten der Landrätin und dem wundertätigen Korsett der Baronin Baer.
Mama sagte »Ja« und »Ach wirklich?« und befreite dabei Pelze, Fellmützen und wollene Strümpfe aus ihren Mottenhüllen. Das ganze Schneiderzimmer begann allmählich nach Kampfer zu riechen, und Renata war froh, wenn sie endlich entlassen wurde.
Vor der Veranda lehnte ihr Rad. Mit einem Anlauf sprang sie darauf und sauste, so schnell es gehen wollte, die kiesbestreuten Gartenwege entlang. Der Abend kam; die Luft wurde kühl und wehte spürbar uni Renatas Gesicht und Arme. Drüben, im Garten des Livländer Konventsquartiers an der anderen Seite der Mühlen-straße, verbrannte jemand welkes Laub und Äste. Der Rauch stieg blau und herbstlich empor, und sein Duft breitete sich über Straßen, Häuser, Gärten uti4 nahe Felder aus. Renata sog Kühle, Duft und Dämmerung mit, ungestümen Atemzügen in sich ein, und ihr Herz sang dabei wild und griutdlos glücklich: >Wie ist das Leben schön! oh, wie ist das alles stark und herrlich. 

Zum Abendessen kam Brigitte verspätet aus der Stadt. Man hatte sich gesetzt, und Liesi, im schwarzen Kleid und schwarzen Haar, reichte schon das Gemüse herum. Brigitte stand einen Augenblick etwas befangen und geblendet an der Tür. Renata, neben dem summenden Samowar, sah, wie rot ihre Wangen vom Laufen waren, wie schnell ihre neunzehnjährige Brust sich unter dem Blüschen hob und senkte und wie beschwichtigend ihr Mund zu lächeln versuchte.
>Sie ist doch die Schönste von uns!< dachte Renata, >ich könnte jetzt bestimmt nicht mit ihr schimpfen!<
Etwas Ähnliches schien auch Papa zu denken, denn er zwinkerte ihr ermunternd zu und sagte: »Komm nur h,rein; du sollst trotzdem
noch etwas mitbekommen!«
Brigitte setzte sich schnell und erleichtert an ihren Platz. Ober ihrem Gesicht mit der schmalen Nase; den zarten Wangen und dem beweglichen Munde schwang lebendige Heiterkeit.
»Verzeiht bitte!« begann sie, »aber lilo ließ mich nicht fort. Sie hätte so schrecklich viel zu erzählen! Denkt euch, sie lud mich zu einer großen Treibjagd ein.«
»Wie nett!« sagte Mama, und Papa fügte hinzu: »Die Jagden in Ilgast sind eine ganz bekannte Sache. Am Tage knallt man tüchtig, und am Abend tanzen die einen, trinken die andern, und die dritten machen ein 'Jeuchen<.«
»Ja«, rief Brigitte dazwischen, »und diesmal hat Illös Vater zum ersten Mal auch die Jugend eingeladen. lilo soll ihre Freundinnen mitbringen und Otto seine Freunde. Die halbe Livonia wird vertreten sein. Am Freitag fahren wir also zusammen hin, zuerst mit der Bahn bis Laisholm, und dann mit Pferden weiter. Sonnabend ist Jagd, und wir Mädchen bringen das Frühstück in den Wald. Am Abend ist dann der Ball. Sonntag wird wohl noch etwas gejagt und ein tüchtiges Katerfrühstück gehalten, und Montag kommen wir alle wieder zurück. .
Während Brigitte erzählte, saß Renata mit weitgeöffneten Augen neben ihrem Samowar. Sie hörte es kaum, daß Thea ihr vom unteren Tischende her zuflüsterte: »Gieß mir heute nicht soviel Milch in meinen Tee!«
Sie sah bunte, herrliche Bilder vor sich, verlockende Bilder, die sie mit stechender Sehnsucht und Erwartung erfüllten. 

Sie sah die Eisenbahn auf ihrem erhöhten Bahndamm zwischen Tannenhecken entlangprusten. Sie sah das kleine Stationsgebäude, den kiesbestreuten Bahnsteig, die Asternbeete an seinem Rande und die zweispännigen Jagdwagen und Brettdroschken* auf dem Vorplatz. Viel-
leicht saß Brigitte auf einer solchen Droschke hinter Illos Bruder und neben ihr Axel Fersen. Die Räder des Wagens mahlten durch den Sand des Weges, und während die Dämmerung feucht auf gelbe Birken heruntersank, bat er sie um den ersten Tourenwalzer morgen. beim Ball.
Dann sah Renata das Jagdfrühstück mitten im Wald, lange Bretter, von Baumstumpf zu Baumstumpf gelegt, und auf diesen Brettern gefüllte Schüsseln, Teller und Gläser. Die jungen Mädchen holten sie eifrig, unter nicht endenwollendem Gelächter, aus den Waschkörben hervor. Die Pferde am Rande der Lichtung scharrten mit den Hufen, in der Ferne bellten Hunde und Schüsse knallten. Der Förster kam und fragte, ob die Damen so weit seien? Dann setzte er sein Horn an den Mund, und Renata meinte den Ton zu hören, der sich schmetternd über die dunklen Fichtenhäupter in den blauen Himmel hineinschwang. Als hätte der Hornruf die Luft erschüttert, wehte ein Schwarm gelber Blätter über Schüsseln und Menschen, und aus der Ferne der Wälder antwortete ein zweites Horn.
Mitten in dieses Bild hinein erschien eine Teetasse vor Renatas Augen, und während sie sich aufschreckend daran machte, den Tee einzuschütten, fragte Mama freundlich: »Woran dachtest du denn?«
»Ich dachte nur. . .«‚ murmelte Renata und fühlte, daß sie rot wurde, »ich dachte nur, daß ich auch gerne mit auf die Jagd fahren würde.«
»In zwei Jahren bist du so weit«, sagte Mama.
»In Wirklichkeit ist es überhaupt nicht so schön, wie du denkst«, fügte Brigitte hinzu. »So schick angezogen wie Isa bist du niemals, und der, ynit dem du am liebsten tanzest hat bestimmt schon eine andere zum Souper aufgefordert. Ober Pferde und Rebhühner verstehst du nicht mitzusprechen, und für Goethe und die Frauenbewegung intersseren sich wieder die anderen nicht. Abends beim Schlafengehen schwatzen wir nur von unseren Flirts und wie man
* Brettdroschke = niedriger Jagdwagen mit einem federnden Brett als Sitz

sich die Haare bei der modernen Frisur recht hoch auftoupiert; oder wir lachen uns halb tot über die Sprüche und Zeichnungen, welche die Jungen in ihrem >Kämmerchen< an die Wand gemalt haben.«
»Ich würde das alles trotzdem gerne einmal kennenlernen«, seufzte Renata.
Dann schwiegen alle einen Augenblick, und nur der Samowar summte. Jeder spann seinen Gedankenfaden zu Fde. Mama dachte, es sei doch schade, daß Renata den ihr zugemesenen Lebenskreis bereits so früh und manchmal so leidenschaftlich zu zersprengen versuchte. Brigitte sah vor sich auf dem leergegessenen Teller die Tanzkarte mit Goldrand und Amoretten, die lilo ihr vorhin in die Handtasche gesteckt hatte. Würde sie sich wieder -. wie schon so oft - mit Namen füllen, die ihr langweilig und im tiefsten Herzen gleichgültig waren? Würde sie es von neuem lernen müssen, daß ein Baron Fersen am Ende doch zu seinesgleichen hielt und daß Schönheit und Klugheit leichter wogen als ein altes Wappen?
Renata lauschte mit leicht geneigtem Kopf den Klängen eines Galopps, der sich aus dem Summen der Teemaschine zu entwickeln schien. Sie sah den Saal von Ilgast mit heruntergebrannten Kerzen; sie sah die Reihe der Tanzenden über das alte, dunkle Parkett stampfen und drehen. In den Nebenräumen flogen Karten auf die grünen Tuch-Tischplatten, klimperte das Spielgeld und wurden Flaschen aufgezogen. Oben in den Gästezimmern waren die Betten längst aufgedeckt und standen wartend in der Stille der niedrigen, breiten Zimmer. Und über allem lag die schwarze Herbstnacht - über Wald und See, Sand und Moor, Feld und Stall und auch über dem hohen Giebeldach des Schlosses.
Schließlich unterbrach Papa das Schweigen. »Du hast ganz recht, Brigitte«, sagte er, »du gerätst durch deine Freundinnen in eine andere Welt. Diese Welt ist scheinbar viel verlockender als unsere bürgerliche; viel leichtlebiger, reicher und vornehmer. Aber du würdest dir wahrscheinlich manchen Kummer ersparen, wenn du dir von vornherein klar machtest,. daß du in ihr nur als Gast geduldet bist.«
Copyright 1999Eugen-Salzer Verlag

Hammer Erich, Mosaiksteine der Herrlichkeit Gottes

07/04/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kannst du beten?

Eine komische Frage, nicht wahr? Umso mehr, wenn sie von einem Tier gestellt wird. Du wirst fragen: Gibt es denn sprechende Tiere? Ja, Gott hat sogar einmal einen Esel gebraucht, um zu einem eigensinnigen Propheten zu sprechen. Er konnte also nicht nur „la" schreien, sondern dem Propheten sogar eine göttliche Botschaft weitergeben.
Doch ich will niemand auf die Folter spannen, deshalb beginnen wir gleich mit der Begebenheit. Die Schwester, um die es geht, wohnte außerhalb des Dorfes. Sie hatte sich mit ihrem Mann ein schönes kleines Häuschen auf dem elterlichen Grundstück gebaut. Nach einiger Zeit bekam ihr Mann Nierenversagen und ging heim. Nun war sie viel allein. Die einzige Tochter wohnte zwar mit im Haus, war jedoch berufstätig. Ein guter, treuer Hund schützte wachsam das Anwesen. Nur gut, dass sie gläubig war und im Gebet immer wieder zu ihrem Herrn und Heiland flüchten konnte.


Zu einem ihrer Geburtstage bekam sie einen Vogel geschenkt, einen jungen schönen und bunten Papagei. Anfangs war ihre Freude darüber nicht sehr groß. Er musste gepflegt und gefüttert werden, und sein Käfig musste saubergehalten werden. Doch schon bald hatte sie sich so an ihn gewöhnt, dass ihr ohne ihn etwas gefehlt hätte. Wenn sie morgens aufstand und das Tuch von dem Käfig nahm, wünschte sie ihm „Guten Morgen!" Am Abend, wenn sie sich schlafen legte, sagte sie ihm „Gute Nacht!" Es dauerte nicht lange, da versuchte der Papagei es ihr nachzumachen. 

Ganz deutlich konnte sie „Guten Morgen!" und „Gute Nacht!" verstehen. Das war natürlich eine große Freude für sie. Da lohnte sich jede Mühe, ihn zum Plappern zu bringen. Wenn sie sich am Morgen an den Tisch setzte, um ihre Bibel zu lesen, wurde auch er still. - Ehe sie betete, fragte sie ihn dann immer: „Kannst du auch beten?" Bald hörte man immer wieder aus seinem Schnabel: „Kannst du auch beten?" Ganz deutlich war es zu verstehen. Geschwister, die sie besuchten, haften ihren größten Spaß daran.
Eines Tages meldete sich Besuch an, ein Arbeitskollege, der längere Zeit mit ihrem heimgegangenen Mann zusammengearbeitet hatte. Er war nicht gläubig. Zu der Zeit, als sie zusammenarbeiteten, war auch ihr eigener Mann noch ungläubig. Die Schwester sah diesem Besuch mit Besorgnis entgegen. Was war wohl das Anliegen dieses Mannes, zumal er kürzlich Witwer geworden war? Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sein Besuch nicht erwünscht sei. Oder hatte der Herr einen Auftrag, den sie an ihm zu erfüllen hatte? Ihre Tochter war nicht zu Hause. Da ist der Beuch eines fremden Mannes für eine alleinstehende Frau nicht ohne Gefahren.
Schließlich kam er. Und das sogar mit seinem Auto, einem Trabi. Den Wagentyp kannte sie, weiter reichten ihre Kenntnisse allerdings nicht. Der Mann schien jedenfalls nicht arm zu sein. Sie wartete das Klingeln ab und öffnete ihm die Haustür. Ganz weltgewandt und charmant fiel seine Begrüßung aus. Sie bat ihn ins Wohnzimmer. Er bekundete ihr, dass er wisse, was Einsamkeit sei. Dann erzählte er von der Krankheit und dem Tod seiner Frau. Sie brauchte nur mit dem Kopf zu nicken oder „Ja" zu sagen. Dann sprach er davon, wie gut er sich mit ihrem Mann verstanden habe. Er gab einige Erinnerungen vom gemeinsamen Arbeiten zum Besten. Sie befürchtete, dass jetzt ,die Frage käme, ob nicht auch sie die Einsamkeit leid sei. Ihr wurde bei diesem Gedanken richtig heiß.
Dann entstand eine längere Pause. Vielleicht meinte der Papagei, der sich bisher still verhalten hatte, es gäbe jetzt eine Andacht. Da tönte es ganz deutlich in die Stille hinein: „Kannst du auch beten?" Der Mann schrak zusammen. Er hatte den Vogel also verstanden. Er fragte die Schwester: „Was, beten Sie?" Sie bejahte das. Da schien das Gespräch gelaufen zu sein. Es gab noch ein paar allgemeine Worte, und bald verabschiedete er sich. Dieser Vogel hatte die für die Schwester erlösende Frage gestellt. Unser Gott kann alles als Werkzeug für sich gebrauchen, sogar einen sprechenden Vogel.

Alles Heuchler?
Krankenhaus! Wachzimmer! Nur zwei Patienten liegen hier, mit Kabeln und Schläuchen an Apparaturen angeschlossen, wie gefangen. Wenigstens kann ich die Intensivstation verlassen. Doch jeder ist noch mit sich und seiner Situation beschäftigt. Allmählich erwacht das Interesse an dem anderen und seiner Krankheitsnot. Er scheint ein -umgänglicher Typ zu sein. Langsam kann ich aus seinen Worten konstruieren, dass es ihm ähnlich wie mir ergangen ist. Eigentlich sollte er in diesen Tagen mit seiner Frau auf einer Weltreise unterwegs sein. Die Reise war teilweise schon bezahlt. Er wollte nur noch ein paar Besorgungen mit dem Auto machen. Unterwegs bekam er einen Schwächeanfall. Er hielt an, stieg aus, und von da an wusste er nichts mehr. Mit dem Hubschrauber hauen sie ihn von der Straße aus direkt ins Krankenhaus gebracht. Wir waren also Leidensgefährten! Das verbindet. Als ich jedoch vorsichtig nach seinem Glauben fragte, erfuhr ich, dass er ein ganz anderes Fundament haue als ich. Auch gesellschaftlich klaffte eine große Lücke zwischen uns. Er hatte eine einflussreiche Position in einer westdeutschen Firma.

 Für sie bereiste er die ganze ehemalige DDR. In Technik und Wissenschaft war er äußerst beschlagen. Da konnte ich als kleiner Rentner natürlich nicht mithalten. Das hatte ich auch gar nicht vor. Die wichtigere Kenntnis aber durfte ich besitzen, das Wissen darüber, dass Gott uns liebt.
Er beobachtete mich, wenn ich meine Bibel las. Er schien das sogar zu respektieren. Wollte ich aber etwas von dem, was ich las, weitergeben, winkte er ab. Als ich ihm gute evan-gelistische Literatur anbot, warf er nur einen Blick auf die Titelseite und legte sie auf mein Bett zurück. Wie konnte ich nur sein Herz erreichen? Freilich betete ich für ihn. Wenn er abends das Fernsehgerät einschaltete, fragte er zuvor, ob mich das stören würde. Ich brauchte mich aber nur auf die andere Seite zu drehen und die Augen zu schließen, darin nahm ich das Flimmern nicht mehr wahr.
Weil wir beide nicht aufstehen durften, konnten wir am gegenseitigen Ergehen Anteil nehmen. Lediglich seine Frau besuchte ihn täglich. Da sah es bei mir schon anders aus. Gründlich registrierte er, wer alles kam. Oft waren es Geschwister, die sich vor nicht langer Zeit bekehrt haften. Und wie leuchteten deren Augen! Oft hielten sie mir wortlos den Kopf, um mir ihre Liebe zu zeigen. Ein Missionsarzt kam mit seiner 95-jährigen Mutter. Er war in Afrika im Einsatz gewesen. Ein Ehepaar, in deren Familie große Krankheitsnot geherrscht hatte, erzählte, wie der Herr ihnen beigestanden und ihnen geholfen hatte. Ein ehemaliger Arbeitskollege und einige Geschwister der Versammlung kamen, um mir ihre Verbundenheit zu zeigen. Einige haften ihre Bibel mitgebracht, lasen etwas daraus vor und beteten mit mir. Mein Bettnachbar konnte alles mithören und miterleben. Wenn der Besuch gegangen war, konnte ich meinem Leidensgefährten berichten, was dieser und jener erlebt hafte. Einer war früher Alkoholiker. Ich erzählte ihm, wie er durch Je-
sus Christus von seiner schlimmen Sucht frei geworden war. Dann kamen die Kinder und nacheinander die 10 Enkelkinder, um den Opa zu, besuchen. Das alles schien wie eine stille Predigt für diesen Mann zu sein. Als wir in ein normales Zimmer verlegt wurden, bat er den Stationsarzt, mit mir in einem Zimmer bleiben zu können. So bekamen wir ein Zweibettzimmer und konnten noch ein Stück Leben miteinander teilen.
Er wurde einen Tag früher entlassen als ich. Es gab fast Tränen. Zum Abschied sagte er mir: „Ich habe bisher alle Christen für Heuchler gehalten. Was ich aber in diesen Tagen erlebt habe, hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass es doch echtes Christentum gibt. Ich werde die strahlenden Gesichter Deiner Besucher nicht vergessen und alles, was sie Dir an Liebe erwiesen!" Vor einigen Tagen rief er an weil er uns in Kürze besuchen will. Wir beten weiter für ihn.

@2006 Daniel-Verlag

Horie Michiaki u. Hildegard, Umgang mit der Angst

06/27/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Ein Leben voller Angst

Ich erinnere mich an Heidrun. Sie war verlobt und liebte ihren Bräutigam. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, sich wieder von ihm zu trennen. Doch am Tag ihrer standesamtlichen Hochzeit wurde sie von einer Panik erfaßt. Was hätte sie darum gegeben, alles rückgängig machen zu können. Indem Augenblick, als sie ihren Namen unter die Urkunde setzen sollte, wäre sie am liebsten davongelaufen. Sie fing an zu weinen und konnte nicht begreifen, daß ihr Verlobter erwartungsvoll und freudig das ganze Zeremoniell verfolgte. 

Sie wünschte, alles wäre nur ein Traum, und sie könnte in ihre altvertraute Lebensweise zurück. Aber die Gäste waren bereits versammelt, so spielte sie das Stück weiter - wie in Trance. Alles in ihr schrie: nein! War es Angst vor der Bindung? Angst vor der Endgültigkeit? Oder war es die Angst vor dem Neuland, das sie betreten sollte, dem Leben zu zweit? Wer garantierte ihr, daß sie sich nicht getäuscht hatte?
Einige Tage später ließ dieser akute Angstanfall nach. Doch als sie dann nach wenigen Wochen entdeckte, daß sie schwanger war, überfiel die Angst sie aufs neue mit solch einer Gewalt, daß sie fürchtete, wahnsinnig zu werden.


Sie hatte nie Kinder gewollt. Sie fühlte sich durch Kinder zu stark gefordert. Sie fürchtete, ihnen nicht das geben zu können, was sie eigentlich geben müßte. Sie hatte bis jetzt nur für sich selbst gelebt. Sie hatte Angst vor der Verantwortung. Kinder waren in ihren Augen eine Last, vor der man sich nach Möglichkeit drücken sollte. Sie stellten eine Bindung dar, die nicht rückgängig zu machen war, die man nicht einfach abschütteln konnte.
Während dieser ersten Schwangerschaft versuchte sie, ihren Ängsten auf den Grund zu gehen und nach der tieferliegenden Ursache zu forschen. War es wirklich die Angst vor einer Bindung? Oder war es das Neue, was ihr Angst machte, dem sie sich nicht gewachsen fühlte? Oder das Risiko, gegen das sie sich nicht genügend abgeschirmt glaubte?

Mit jedem Tag, der sie der Geburt näher brachte, wuchs auch die Angst, ein krankes oder unnormales Kind zur Welt zu bringen. Diese monatelange Spannung war für sie beinahe unerträglich. Dann kam die Stunde der Geburt. Sie wußte, daß es nun kein Zurück mehr gab, nur noch ein Vorwärtsgehen. Sie berichtete mir später, es wäre gewesen, als sei sie bewußt in ihren eigenen Tod hineingegangen. »So muß Sterben sein«, dachte sie, »so ausgeliefert.« Als dann ein gesundes Kind geboren wurde, konnte sie ihr Glück nicht fassen. Alle Angst war vergessen. Einige Tage lang war sie die »glücklichste Frau der Welt«, wie sie sagte. Die Beziehung zu ihrem Kind war spontan.

Sie war glücklich als Ehefrau und Mutter, Doch dieses Glück dauerte nicht lange. Plötzlich tauchte ein neues Angstgespenst auf: Krebs. Obgleich keinerlei Anzeichen für einen Krebsverdacht bestanden, war sie fest davon überzeugt, in sich diese todbringende Krankheit zutragen, die jeden Tag ihrem jungen Glück ein jähes Ende bereiten könnte. Von da an löste eine Angstvorstellung die andere ab Sie war derart von Angst gequält, daß sie kaum das Nötigste erledigen konnte. Manchmal verbrachte sie die Tage wie im Nebel und steigerte sich in ihre Angstvorstellungen hinein, tastete ihren Körper nach irgendwelchen Krebsgeschwüren ab und lebte in einer quälenden Abschiedsstimmung. Durch die Angst war sie wenig belastbar, so daß sie sich dem Kind gegenüber ungeduldig verhielt, was dann wieder Schuldgefühle in ihr hervorrief. Hinter all ihren Ängsten aber verbarg sich immer dasselbe Motiv: »Ich habe Angst, das Leben, das ich jetzt lebe, zu verlieren. Jetzt weiß ich, was es bedeutet, glücklich zu sein. Aber ich denke, das Glück hat sich nur in mein Leben verirrt. Es wird den Irrtum entdecken und wieder von mir gehen. Ich bin dazu bestimmt, im Dunkeln zu leiden und auf denTod zuwarten.

« Das hatte sie oft genug von ihrer Mutter gehört. Seitdem zog sie alles Negative wie mit magnetischer Kraft an sich. Ja, sie fürchtete, daß jedes Schicksal, das sie von anderen hörte, sich in ihrem eigenen Leben wiederholen müßte. Ihr Denken hatte etwas Magisches an sich. Sie durchschaute wohl die Unsinnigkeit, aber konnte sich zugleich nicht davon distanzieren. Im Laufe der Gespräche stellte sich heraus, daß sie noch immer in einer symbiotischen» Beziehung zu ihrer Mutter lebte, deren negative Lebenserwartung sie unbewußt übernommen hatte. Wie ihre Mutter, so war auch Heidrun davon überzeugt, daß Leben gleichzusetzen ist mit Leid: Leben = Leid. Wenn diese Formel nicht zutraf, mußte irgendein Fehler vorhanden sein, der sich früher oder später herausstellen würde, so glaubte sie. Sie kannte kein Vertrauen, weder zu Menschen noch zu Gott.

Angst im Spiegel der Zeit
Heidegger bezeichnete die Angst als »Grundbefindlichkeit des Daseins. Und im der Tat es hat noch nie eine angstfreie Zeit gegeben Doch wenn wir die Geschichte der Menschheit zuruckverfolgen müssen wir feststellen daß sich die Erscheinungsbilder oder Ausdrucksfonnen der Angst verändert haben Durch ein erweitertes Weltbild hat auch die Angst ein neues Gesicht erhalten, einen neuen Namen. Der Mensch aber ist derselbe geblieben Vieleicht mögen wir die Menschen früherer Jahrhunderte belächeln die sich beim Gewitter zitternd und betend in einen Raum zusammendrngten bis das »Unheil« an ihnen vorübergezogen war.
Heute wissen wir, daß es sich bei einem Gewitter nicht um zürnende Gottheiten, sondern um die Entladung atmosphärischer Elektrizität hanndelt. Dennoch gibt es auch heute zahlreiche Menschen, die sich ängstlich vordem Grollen eines nahenden Gewitters verkriechen, als
müßten sie vor einer vernichtenden Übermacht Schutz suchen. Durch die Erkenntnis der Wissenschaft ist Licht in manches Dunkel gekommen; doch die Angst ist geblieben.
Seit der Aufklärung rühmt sich der Mensch seiner Erkenntnisse und läßt weder Wunder noch Geheimnis gelten. Mit seinem Verstand glaubt er, allen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Und wenn es ihm nicht gelingt, wird es umgedeutet, bis eine befriedigende Erklärung gefunden ist. Noch heute neigt der Mensch dazu, was nicht erklärt werden kann; zu leugnen oder als Zufall, als Laune der Natur zu deklarieren. Der Mensch als Gedanke Gottes aber kann sich nur dann recht entfalten, wenn er auf Gott bezogen lebt. Allein vom Blickwinkel des Ewigen ist Leben erklärbar. Wo die Welt noch als Schöpfung gilt und der Mensch sich als Geschöpf dieser Schöpfung zugehörig weiß, gibt diese Zugehörigkeit ihm zugleich Sicherheit. Je mehr dieses Bewußtsein schwindet, desto größer wird seine Ungeborgenheit.

Der Mensch ist auf eine Beziehung hin erschaffen. Darum erlebt er Isolation als Bedrohung. Früher war es die Großfamilie, die ihm Halt und Geborgenheit vermittelte. Darüber hinaus bildete im Mittelalter die Berufsgruppe oder Zunft einen festen Rahmen. Zwar war der einzelne in seiner Handlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, aber diese Umzäunung war auch zugleich ein Schutz. Zudem war der Drang nach Freiheit bei weitem nicht so ausgeprägt wie heute. Im all-gemeinenblieb ein Mensch dort, wo er geboren war und setzte das fort, was er von seinem Vater übernommen hatte. 

Das änderte sich nun mehr und mehr. Alte' Normen wurden nicht selbstverständlich übernommen, sondern neue Wege erprobt. Der Individualismus gewann an Raum, auch das Streben nach persönlichem Besitz. Doch mit der wachsenden Macht des einzelnen wuchs auch die Einsamkeit und damit verbunden die Angst. Die Angst, das wieder zu verlieren, was er errungen hatte.
Der Mensch durchbrach seinebisherigen Grenzen und versuchte in allen Richtungen vorzustoßen und Erde und Weltall zu erobern. Er durchbrach die Schranken der Kirche und feierte in Wissenschaft und Technik die ersten Erfolge. Er stellte fest, daß die Erde nicht Mittelpunkt des Alls ist. Er sah sich hineingestellt in einen unendlichen Raum.

Aber noch war der einzelne einem festen Staatsgefüge einverleibt. Mochten auch innere Krisen an seiner Existenz nagen - sein Vertrauen war dadurch nicht erschüttert. Staat und Fürsten waren wie Säulen, die das Land stützten.
Erst durch den Sturz der Monarchien wurde das Vertrauen der Bürgers zutiefst erschüttert. Die Ordnung, die dem Leben sein Ge-
präge gab, war aufgelöst. Das bedeutete Orientierungslosigkeit.
Werte, die bis dahin Gültigkeit hatten, wurden ins Lächerliche gezogen. Diese innere Auflösung machte auch vor den Familien nicht
halt. Väterliche Autorität und alte Moral galten nicht mehr wie bisher. Die Freiheit des Menschen wurde auf den Thron erhoben, der Trieb vergöttert und der Mensch - seit Freud* - als Triebwesen analysiert.
Was war dem Menschen geblieben? Wunder und Geheimnisse waren ihm geraubt. Das feste Gefüge des Staates ins Wanken geraten. Ist es da noch verwunderlich, wenn sich Tausende an die paradiesischen Verheißungen eines Dritten Reiches klammerten?
Der Mensch sucht Beständigkeit. Er sucht etwas, das ihn über die Vergänglichkeit das Daseins hinwegtäuscht. Daher fanden Parolen vom Tausendjährigen Reich geöffnete Ohren.
Doch als sich dann diese Hoffnung als Trugbild entlarvte, war das Chaos endgültig. Auf was konnte der einzelne noch bauen? Wie sollte
er in Zukunft Wahrheit von Lüge unterscheiden? Aber der Mensch hatte keine Zeit, bei seiner Niederlage stehenzubleiben. Der Wiederaufbau erforderte alle Kräfte. Doch wofür sollte er sich einsetzen? 

Für Freud, Sigmund, Nervenarzt, 1856 - 1939, Begründer der Psychoanalyse eine bessere Zukunft? Wußte er, was morgen sein würde? Und wenn der Schrecken von gestern sich morgen wiederholt? -
Mit der unbewältigten Vergangenheit im Rücken und einer ungewissen Zukunft vor Augen begann der Mensch, die zerbrochenen Steine wieder zu sammeln.
Nach dem Geschehen in Auschwitz und Hiroshima war ihm der Glaube an das Gutsein des Menschen erstorben. Nicht selten machten seine Kinder ihn verantwortlich für das, was geschehen war. Er konnte es zwar nichtungeschehen machen, aber vorbeugen wollte er, daß sich das Grauen nicht wiederholt. So fing er an, auf den Trümmern der Vergangenheit Zukunft zu bauen.
Die Industrialisierung wuchs ins Gigantische. Aber damit schaffte er sich zugleich neue Probleme. Rauchende Fabrikschlote undchrom-blitzende Autoschlangen konnten sein Problem Angst nicht lösen.
Der Sprung in den Weltenraum war ihm zwar gelungen, und sein Geist forschte, um den Ursprung des Lebens aufzuspüren, dabei stellte er frühere Erkenntnisse wieder infrage; aber sein innerstes Fragen blieb -unbeantwortet. Er selbst ein Geheimnis.
Was dem Menschen in allem Wechsel erstrebenswert erschien, war der Besitz. Er wollte wiedergewinnen, was er verloren hatte. Und er baute, als könnten Preßlufthammer und Bagger seine Angst übertönen. Bis heute. Doch dann, wenn es still um ihn herum wird, stellt er fest, daß die -Angst tief in ihm lauert wie ein Feind im Hinterhalt.
Um dieser Angst zu entfliehen, schaltet er das Fernsehen an, das schließlich seine freie Zeit ganz in Anspruch nimmt. Und wenn er nachts schlaflos in seinem Bett liegt, ist die Angst immer noch da. So greift er zur Tablette, die seinen Geist einschläfert. Tagsüber, wenn trotz aller Hektik sich tief im Innern die Angst regt, gibt es andere Mittel, sie zu betäuben: ein Griff zur Flasche oder zur Spritze mit dem sogenannten »süßen Gift,<, oder er versucht, im Sex seine unterschwellige Angst zu ersticken.
psychologisch zum Triebwesen degradiert, historisch als Zufall propagiert und physikalisch als Zusammensetzung vieler Atome erklärt - genügt das zum Leben?
Wo der Mensch nichts mehr-ist als eine Kombination von verschiedenen Elementen, deren Wert in DM ausgezahlt wird, findet eine zerstörende Selbstentfremdung statt, die von Angst begleitet ist. Er weiß nicht mehr, wozu er lebt. Diese Beziehungslosigkeit äußert sich entweder in Aggression oder Resignation - aber beides ist letztlich die Sprache der Angst.
@1979 R.Brockhaus

Harold Myra, Elsbeth

06/26/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Marokko

»Mademoiselle! Mademoiselle!« Elsbeih ging schneller, als sie sah, daß inzwischen mehr als ein Dutzend französischer Soldaten ihr nachfolgten Soweit sie wußte, war sie das einzige europäische Mädchen in der marokkanischen Stadt Marrakesch - und die franzosischen Truppen gaben nicht so schnell auf.
Wie leicht wäre es hier, jegliches Moralgefühl zu verlieren, dachte das Mädchen aus der Schweiz, während es schnell, aber bestimmt vor ihren Verfolgern herging. Für ein hübsches, siebzehnjähriges Mädchen war Marokko gefährlich. Es war ungefähr zehn Uhr morgens. Sie war in den Laden gegangen, um Fleisch zu kaufen; aber nachts würde sie sich nicht mehr auf die Straße wagen. 

Sie eilte auf den Teeladen ihrer Großtante zu, öffnete die Tür, ohne zurückzublicken, und trat ein, während sie die Franzosen bewußt aus ihrer Sicht und ihrem Gedächtnis verbannte. Renee, die junge jüdische Frau, die in dem Laden arbeitete, stand am Ladentisch. Elsbeth arbeitete gerne mit ihr zusammen. Sie lernte dabei die Preise der Waren und half beim verkaufen, wenn der Andrang groß war. Außer den Geschenkartikeln, die im Schaufenster ausgestellt waren, gab es noch vier Tische mit Stühlen, auf denen die Kunden ihren Kaffee oder Tee mit Kuchen, Pasteten oder Torten zu sich nehmen konnten.

Elsbeth betrachtete Renees schwarzes, lockiges Haar, das im Morgenlicht bläulich schimmerte. Sie war hübsch angezogen, hatte eine helle Haut -und dunkelbraune Augen. Beide lachten sie über das - Pech der französischen Soldaten und sprachen dann über Renees Familie. Im Spiegel bemerkte Elsbeth, daß ihre Tante auf den Laden zukam. Mit ihrem hoch erhobenen Kopf, den zurückgeworfenen - Schultern und dem bestimmten Gang sah sie aus wie ein Soldat. Schnell griffen die Mädchen nach einem Staublappen und begannen, die Spiegel zu bearbeiten. »Ihr solltet immer irgend etwas tun«, hatte ihre Tante energisch gesagt. »Ihr dürft nie irgendwo herumsitzen. Für die Kunden ist es besser, daß -ihr beschäftigt seid.« 

Die kleine untersetzte Frau mit den kurzen lockigen Haaren trat durch die Ladentür ein und begann sofort, herumzukommandieren. Es war Dezember, und die betriebsame Weihnachtssaison hatte begonnen. Antoine, der Mann, mit dem die Tante zusammenlebte, hatte hinten im Laden fünf Araber beschäftigt, die Kuchen, Torten :und Pasteten zubereiteten.
1beth betrachtete heimlich ihre strenge Tante. Vor einiger Zeit war sie nach Bern gekommen und hatte Elsbeth nach Marokko eingeladen, damit sie dort ihr Französisch verbessern konnte. Die Tante war zwar etwas dick, hatte aber ein attraktives Gesicht und achtete peinlich genau auf ihr Äußeres. Elsbeth ärgerte sich ein wenig, daß sich ihre Tante mehr Respekt verschaffte als andere. Jeder nannte sie nur Madame Dpiez; aber sie war nicht mit Antuine verheiratet, obwohl sie nun schon fast fünfundzwanzig Jahre mit ihm zusammenlebte.

Als Elsbeth am nächsten Morgen aufstand, zitterte sie, obwohl ein kleiner Gasofen in ihrem Zimmer brannte. in Marokko ist der Dezember sehr kalt, und es gab in dem einstöckigen Teeladen, in dem auch die Wohnung war, keine Zentralheizung. Sie brachte ihr Nachtlager wieder in die Form eines Sofas und begann mit dem täglichen Ritual, die altmodischen Puppen der Tante genau auf ihren Platz zu setzen. Nachts diente dieser Raum als Elsbeths Schlafzimmer, aber tagsüber wurde er sowohl als Wohn- als auch als Eßzimmer benutzt.
Eine Fatima - ein arabisches Dienstmädchen - kam herein, um den Frühstückstisch zu decken. Als sie eintrat, verbeugte sie sich. Elsbeth war dies peinlich. Sooft sie konnte, steckte sie deshalb der Fatima eine der Pasteten oder Torten vom vorherigen Tag zu, die ihre Tante lieber wegwerfen würde, als ein Dienstmädchen damit zu »verwöhnen«. Elsbeth und ihre Tante setzten sich zu Tisch; um sie herum war alles makellos hergerichtet. Sie aßen mondförmige Kuchen und Hörnchen und tranken Tee dazu. Die Fatima verbeugte sich und verließ gehorsam das Zimmer.
»Ich habe heute nacht etwas Seltsames geträumt«, erzählte Elsbeth. »Irgend jemand ist gestorben, und wir haben den Sarg zugemacht.«
Erregt unterbrach die Tante ihre Nichte: »Gestorben! Elsbeth, warum sprichst du vom Sterben? Du bist viel zu jung, um an so et-.was zu denken.«
Elsbeth war verwirrt. »Warum sollen wir nicht über den Tod reden?«
eden?« Sie haue keine Angst vor ihrer Tante und schaute fest in ihre großen, blauen Augen, die über einer geraden, kräftigen Nase lagen.
»Wir leben!« erwiderte ihre Tante unwillig. »Wir denken an das Leben, nicht an den Tod. Nach diesem Leben ist es aus, da gibt es nichts mehr. Ein junges Mädchen wie du sollte an das Leben denken.«
»Aber ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Weil Jesus Christus gestorben ist, haben wir das ewige Leben. Ich glaube an den Himmel.«
Ein vernichtender Blick traf Elsbeth. Für ihre Tante - sie konnte schließlich vier verschiedene Sprachen sprechen - war ihre Ansicht die einzig intelligente Ansicht. »Du bist noch zu jung, um das zu verstehen. Aber irgendwann wirst auch du es begreifen.«
Madame Dpiez haue im Alter von sechzehn Jahren die Schweiz verlassen und war nach Ägypten gegangen. Sie hatte nicht geheiratet, aber sie haue ein Kind gehabt. Sie erinnerte Elsbeth an einen Pfirsichstein, der äußerlich hart und rauh ist, aber einen weichen Kern hat. Die Tante erwiderte die Zuneigung ihrer Nichte, doch Elsbeth fragte sich, ob sie wohl einmal diese harte Schale zerbrechen würde. -
Der Teenager aus der Schweiz bemerkte überrascht, daß es das marokkanische Volk zu lieben begann. Die Stadt Marrakesch war etwa hundert Kilometer vom Atlas-Gebirge entfernt, das die Sahara von• Nordafrika abtrennt. Die Bevölkerung lebte streng getrennt. Die Araber wohnten in einem Teil, die Juden in einem anderen und die Europäer hatten einen dritten Bereich besetzt. Eines Tages nahm Elsbeth Renees Einladung an, nach der Arbeit ihre Familie im jüdischen Viertel zu besuchen. Sie stiegen in Renees kleines Auto und fuhren an den zweistöckigen Häusern und den hübschen Höfen des europäischen Viertels vorbei. Elsbeth entdeckte Orangenbäume und gelegentlich einen auf einem Esel reitenden Araber. Aber was sie auf der Fahrt am meisten beeindruckte, war der plötzliche Sonnenuntergang. Sie schaute durch die Windschutsscheibe Der Himmel war dunkel; nur ein bunter-Streifen war am Horizont zu erkennen -.Dunkelblau, Violett, Orange, Gelb und ein feurigesRöt flossen ineinander über. Palmen warfen ihre Silhouetten gegen das breite Band der Farben.
Die Mädchen gelangten durch ein Tor in einen älteren Stadtteil. Sie Waren im jüdischen Viertel, und augenblicklich war alles verändert. Die:&raße war holperig und mit Schlaglöchern übersät. Anstelle von Häusern sah Elsbeth nur Lehmxnauern an den Straßen. Sie hatten kleine Eingänge. Man mußte sich bücken, um hindurchzu kommen. Männer mit Bärten und alten, dunklen Hüten und Frauen, die in bunte Tücher gewickelt waren, eilten an den Händlern vorbei, die an den Tischen saßen. Überall war Kindergeschrei, Die Juden hatten an den Verkaufstischen in der Straße Petroleumlaxn-pen angezündet. In diesem Teil von Marrakesch gab es keine Elektrizität.
Sie parkten, und Renee öffnete die Wagentür. »Ist das Auto hier siehe!?« fragte Elsbeth.
»Ja, natürlich., antwortete Renee, als sie ausstiegen. Elsbeth folgte ihr durch das Meine Loch in der Mauer und war überrascht, als sie sich in einem hübschen Garten befand, in dem Pflanzen mit großen, weit ausschweifenden Blättern, Zitronen- und Orangenbäume wuchsen. Vom Hof aus sah man verschiedene Räume.
Renees Vater war ein wohlhabender Händler. Er konnte Arabisch und auch ein wenig Französisch, mit dem er Elsbeth begrüßte. Ihre Mutter nickte einfach liebenswürdig mit dem Kopf, der mit einem Schal umwickelt war. Alle setzten sich auf bestickte Kissen, die nahe beim Feuer lagen, während ihnen auf großen Platten das Essen gereicht wurde. Elsbeth fand das Essen einzigartig. Es bestand aus Hühnchen mit Gemüsesoße, Pfeffer und anderen Gewürzen.
Elsbeth versuchte, ihren Aufenthalt in Marokko so gut wie möglich auszunutzen; sie besuchte eine kleine Kirche, in der sie Sen Schweizer Missionar kennenlernte, der im arabischen Viertel wohnte. Eine französische Familie in dieser Gemeinde lud sie ein, sie zu besuchen und bei ihnen Klavier zu spielen. Eine robuste britische Hebamme leitete eine Sonntagsschule und heuerte Elsbeth als Lehrerin an. Trotzdem fand sie noch Zeit zum Häkeln, im Garten
ihrer Tante die. Ziträaet- und Orangenstauden und die Granatap: felbäunie zu pflegen und mit dem Hund herumzutollen. Ein junger französischerSäldatauderGemeindemtemitihrSenSh1 flug in das Atlas-Gebirge.

Dennoch wurde es ihr in Marrakesch allmählich langweilig. Zu Hause in Bern war sie es gewöhnt, eine Mengeharter Arbeit zu verrichten. Hier durfte sie nicht einmal das Geschirr abwaschen. Eines Sonntags fragte die große, dünne und entschlossene britische Hebamme mit ihrer rauhen Stimme: »Elsbeth, was machst du eigentlich hier in Marokko? Kannst du hier tun, was du willst?. Die Worte hatten deutlich einen britischen Akzent.
»Ja, man braucht mich überhaupt nicht. Ich würde gerne irgend etwas tun. • Elsbeth hatte ein wenig Ehrfurcht vor dieser Frau, die in den vierziger Jahren war und jeden Tag fast Unmögliches leistete. An einem vorhergehenden Sonntag hatte Elsbeth gefragt, ob alles gut ginge, und sie hatte geantwortet: »Nun, ich habe sechs Frauen, die in den Wehen liegen.. Während des Gottesdienstes wurde sie dann gerufen, und sie fuhr schnell mit ihrem Fahrrad fort.
»Wir haben Hunderte von arabischen Frauen, die mit ihren Kindern kommen«, erklärte sie. »Du könntest ihnen zeigen, wie man die Babies wäscht, das Wasser abkocht und wie man das Milchpulver zubereitet..
»Mit Freuden könnte ich das tun!. Elsbeth war so aufgeregt, daß sie während des Gottesdienstes kaum stillsitzen konnte. Sie dachte an die reizenden bronzefarbigen Kinder mit ihren schwarzen Haaren. Kaum war der Gottesdienst zu Ende, eilte sie halb gehend, halb rennend zum Laden zurück.
Ihre Tante arbeitete gerade im Lager. Elsbeth sprudelte fast über, als sie aufgeregt von der Not und der wunderbaren Gelegenheit erzählte. »Was meinst du dazu, Tate?.
Ihre Tante stand aufrecht wie eine Königin, und Elsbeth merkte, wie ihre Hände sich verkrampften. »Was erlaubst du dir!« explodierte sie, und es hatte fast den Anschein, als ob sie zuschlagen wollte. Dann stemmte sie ihre Hände in die Hüften und schnaubte: »Du willst also zu diesen dreckigen schwarzen Kindern gehen. Kannst du dir nicht denken, was die Leute sagen werden? Madame D€piezs Nichte geht zu diesem dreckigen Volk? Ausgeschlossen! Niemals!«

war ,m miMken. >Wie abiciie,iliclic, dachte sie Sie, die immer so pieckfein ist und so tut, als sei sie verheiratet, .obwohl sie e tidt ist.< Verzweifelt rannte sie in ihr Zimmer. »Herr«, betete sie, »ich möchte diesen Menschen helfen. Ich werde nachHaüse fahren und einen Beruf erlernen. Ich möchte unabhängig sein von-Tanten und allen anderen. Herr, hilf, daß ich solchen Kindetn helfen kann;..

In der Schweiz
Einige Jahre später, als Elsbeth Schwesternschülerin war, lernte sie Klaus kennen. Ein Arzt hatte Mitarbeiter seiner Abteilung und einige Studenten in sein Haus am Bodensee zu einem »Musikabend« eingeladen. Klaus, ein junger Assistent aus Deutschland, spielte Flöte. Während einer Erfrischungspause trafen sie sich unten am See. Klaus kam auf sie zu und begrüßte sie: »Ich bin froh, daß Sie kommen konnten!«
Elsbeth hatte den jungen Arzt bereits im Krankenhaus gesehen und fragte verwirrt nach seinem Namen. »Klaus Peter.«
»Haben Sie Geschwister?« »Nur neun Brüder.«
Die spöttische Untertreibung paßte zu seinen lustigen Augen. Er sprach mit jener milden, aber verwirrenden Ironie, die Elsbeth sofort gefiel. Während des Gesprächs erfuhr sie, daß sein Vater, ein Arzt, von den Nazis sechs Jahre lang in einem Konzentrationslager festgehalten worden sei, während die Mutter die Familie mitheimli-ehen IJbersetzungsarbeiten für die Amerikaner durchgebracht hatte.
Elsbeth und Klaus fühlten sich schnell zueinander hingezogen, während sie bis nach Mitternacht Geschichten austauschten. Schließlich bot Klaus ihr an, sie nach Hause zu begleiten. Elsbeth wohnte am See, wo die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland verläuft. »Warum unterhalten wir uns nicht noch ein wenig?« fragte Klaus. Es war eine idyllische Märchenszene, dichter Wald, Weinberge und sogar ein altes Schloß waren um sie herum. Elsbeth harte das Gefühl, als ob sie ein Teil eines romantischen Gedichtes sei; Schwäne schwammen auf dem-See, und helles Mondlicht berührte die Bäume, das Wasser und ihre Gesichter.

Sie schritten Arm in Arm zu einer kleinen Bauminsel und setzten sich dort auf eine Bank, die einfach aus einem Stück Holz und zwei Pfosten zusammengezimmert war. Don küßten sie sich das erste Mal. Die Schwäne standen bewegungslos auf dem Wasser, und das Möndlithtuütriß ihre weiße Gestalt in der Frühsommernacht
Elsbeth fand an diesem Sonntag nur ein paar Stunden Schlaf, bevor Erwin, ein junger Mann, mit dem sie über ein Jahr befreundet war, sie abholte. Kurz nach ihrer Rückkehr aus Marokko hatte sie einen Fehler gemacht. Sie wollte einen jungen Mann nicht verletzen, und schließlich hatte sie sich mit ihm verlobt. Aber nach einer Weile trennten sie sich wieder. Mit Erwin war es nie soweit gekommen. Sie wußte nun, warum. Sie mochte ihn ziemlich gerne, aber sie liebte ihn nicht.
Sie versuchte, es ihm sanft beizubringen, und doch trafen ihn ihre Worte wie Messerstiche. Bestürzung zeigte sich in seinem Gesicht, und er begann zu weinen wie ein kleines Kind. Elsbeth wußte, daß er ihr jenes Gefühl der Liebe entgegenbrachte, das sie für Klaus empfand. Aber sie konnte seine Liebe nicht erwidern, obwohl sie ihn sonst gerne hatte.
Die Traurigkeit dieser Abschiedsszene vermischte sich auf eine seltsame Weise mit ihrem Wunsch, jedem von dem wunderbaren Abend zu erzählen, den sie verbracht hatte. Aber in dem starren Programm ihrer Schwesternausbildung durfte sie sich nicht anmerken lassen, daß sie in einen Arzt verliebt war, mit dem sie zusammenarbeitete. Deshalb erzählte sie es nur ihrer besten Freundin Margret.
So arbeiteten Klaus und Elsbeth jeden Tag Seite an Seite, aber niemand schöpfte Verdacht. Einmal erfuhr sie, daß Klaus im zweiten Stock war und dort im Badezimmer Flöte übte, um niemanden zu stören. Elsbeth war im ersten Stuck für zwei Stationen verantwortlich. Sie konnte sieh einen Augenblick freimachen, lief die Treppen hinauf, öffnete die Tür, küßte sein erschrockenes Gesicht, lief wieder die Treppen hinunter und hoffte, daß es niemand bemerkt hatte.
Eines Abends machten sie einen langen Spaziergang im Licht des hellen Vollmondes. In der Mitte des Waldes gelangten sie zu einer

1  Drei Länder
2  Biafra
3  Zwei Wochen im Urwald
4  Zusammen
5  Im Zug nach Serikinpawa
6  Ein amerikanischer Frühling
7  Lausanne
8  Ein Wochenende im August
9  Das Licht
10 Danach

Hoff B. J. Insel der Erinnerung

05/26/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Himmelsgewand
Dir, der Zeit und Unendlichkeit wob,
verschlung'ne Muster meines Leben zeichnet -
all den Tagen, all den Jahren -‚
Dir bring ich Lachen wie Tränen hin:
Hoffen, Träumen und Gedenken,
Triumphe und Tragödien.
Dir bring ich's, ein ums andere Mal -
Dir: nichts weist Du ab, machst alles neu!
Mein Leben nimm, Herr,
nimm's und web mir drum
den Mantel der Ewigkeit.
B. J. Hoff

Prolog: Die Stille
Tödliche Stille hing schwer in der Luft; überall Schweigen, daß man erschrak..
Thomas D'Arcy McGee

Irland, 6. Januar 1839
An jenem Tag blickten viele in Irland mit bangem Stirnrunzeln gen Himmel - beinah so, als erwarteten sie, ein Zeichen zu erblicken oder womöglich einen Hinweis auf irgendeine unnatürlich-düstere Macht, die hinter den Wolken lauerte. Die warme Stille des winterlichen Tages hatte etwas Zermürbendes, so willkommen das Ende der bitteren Kälte auch sein mochte.
Der Epiphaniassonntag war über einer stillen weißen Welt heraufgedämmert; das dichte Schneetreiben der vergangenen Nacht hatte alles zugedeckt. Als es Nachmittag wurde, war das Thermometer so hoch gestiegen, wie seit Menschengedenken zu dieser Jahreszeit noch nicht. In Hemdsärmeln standen die Männer an den Weggabelungen und ergingen sich in Erörterungen über die Kapriolen des .Wetters und darüber, ob diese Absonderlichkeit etwas ankündige und wenn ja, was
Den Frauen auf der Insel blieb landauf, landab keine Zeit, sich derlei Spekulationen hinzugeben. Den ganzen Nachmittag hindurch hatten sie alle Hände voll zu tun, um mit dem wenigen, was ihre Geldbörsen hergaben, irgendwie eine festlich gedeckte Tafel zu zaubern. Stundenlang geschürte Backofenglut hüllte die Katen in Rauch, und je weiter die Uhrzeiger vorrückten, um so zappeliger wurden die Kinder vor Vorfreude auf den Abend. Doch wen wunderte es, wenn ganze Dörfer vor Erregung zu vibrieren schienen, zumal festliche Tage im ländlichen Irland allzu selten waren. In, letzter Zeit war man weit mehr an Totenklagen gewöhnt als an die beschwingten Klänge eines Tanzvergnügens.

So kam es, daß man an diesem Tage selbst in den entlegensten und zurückgebliebensten Grafschaften jeden Augenblick der Wärme wie ein Geschenk empfand, wie eine Stundung der winterlichen Düsternis und des allseitigen Schreckens, der Irland schon lange in seinem Klammergriff hielt. Der heutige Abend würde den Familien, die sich glücklich schätzen konnten, noch ein Dach überm Kopf zu besitzen, ein paar Stunden des Zusammenseins rund ums Herdfeuer gewähren, in denen sie sich der Gaben eines gedeckten Tisches erfreuen würden, Gaben, deren Knappheit sie um so kostbarer machte. Für einen Abend wenigstens würden die irischen Männer ihre Sorgen über steigende Pachten und die erschreckenden Berichte von Zwangsräumungen vergessen, während ihre Frauen bei dem Versuch, auch ihre Ängste zu verdrängen, tapfer lächelten und sich in helle Gewänder kleideten.
Gelächter würde erschallen, man würde Lieder singen und Gott um seine Bewahrung bitten; und das Herzstück von allem würde die Musik sein: eine Musik voller Tiefe und Lebenswillen, erwachsen aus Jahrhunderten der Sorgen und der Sehnsucht nach Freiheit. Musik, die dem Wunsch Ausdruck verlieh, endlich hoffen zu können.
Indessen gab es einige, deren Hoffnung sich weder auf die fröhlichen Feierlichkeiten des bevorstehenden Abends gründete noch auf den Boden des uralten Landes ihrer Geburt, ja, noch nicht einmal auf den Gott ihrer Väter oder den Glauben, der ihre Familien seit Generationen am Leben erhalten hatte. Ihre Hoffnung klammerte sich an einen einzigen Gedanken: Flucht!
Diese Leute gehörten nicht unbedingt zu denen, die unentwegt davon redeten, die „arme alte Insel" endlich hinter sich zu lassen. Es war nicht so, daß der Gedanke sie bedrückte, Haus und Hof, ja das Vaterland im Stich zu lassen und sich auf die beschwerliche Reise übers Meer machen zu müssen, um ein besseres Leben zu finden. Sie hatten gar kein Zuhause mehr oder waren tagtäglich von der Zwangsräumung bedroht. Zum Erschauern brachten sie eher die beißende Kälte des Winters und der Hunger, als irgendwelche Ängste vor der Überfahrt über den weiten Atlantik.
Diese Menschen hofften auf die Möglichkeit zur Flucht. Für viele von ihnen gab es keine andere Hoffnung mehr.

1. Terese
Voll Spuk ist die Luft des Zwielichts:fremd und still
Lieber ist meiner Seele der sanfte Hauch der Dämmerung.
Eva Gore-Booth

Inishmore (Aran-Inseln, vor der Westküste Irlands)
Terese Sheridan stand in dem tiefen Schatten von Dun Aengus und sah zu, wie sich die Nacht über den Ozean senkte. Es war ein warmer, ein geradezu unnatürlich warmer Tag gewesen, die Luft so stickig, daß die Flamme eines Talglichts nicht einmal flackerte. Inzwischen aber war eine leichte Brise aufgesprungen, die die Felsen umspielte. In der Ferne flammte hier und da ciii Blitz auf und erhellte den Himmel.
Die gewaltige steinerne Festung, die über ihr aufragte, hatte schon immer an ihrem Platz gestanden - längst vor der Ankunft Patricks, wenn man den Dorfliltesten Glauben schenken durfte. Die gewaltigen Ringmauern mit ihren einst nach Tausenden zählenden Zinnen, hinter denen man sich in grauer Vorzeit verschanzte, um Angreifer zurückzuwerfen, ließen die Burg über Inishmore und seinen Bewohnern erscheinen wie ein kolossales, ehrfurchtgebietendes Urtier, das der See entstiegen und in endlosen Jahrhunderten der Wacht zu Stein erstarrt war.
In ihrer irgendwie schwerelosen Riesenhaftigkeit war die Burganlage für Terese nicht bloß zum Wächter über die ganze Insel, sondern auch zu einer Art persönlichem Hüter geworden. Neben Dun Aengus gab es nichts in ihrem Leben, das sich als wirklich beständig erwiesen hatte. Heute abend jedoch nahm sie Abschied von der alten Burg. Sie war aus der Kate ihrer Tante hinten im Dorf ins Freie getreten, um der Burg und Inishmore Lebewohl zu sagen.
Noch vor der ersten Morgendämmerung würde sie nicht mehr hier sein.
Monatelang hatte sie mit ihrer besten Freundin, Peggy O'Grady, ihre Abreise von der Insel geplant. Doch so sehr sie auch den Tag herbeigesehnt hatte, der sie von hier wegbringen würde, ganz freimachen konnte Terese sich nicht von dem schwermütigen Gefühl, das sie schon den letzten Abend empfunden hatte. Oft hatte sie Abschied nehmen müssen, zu oft; und mochte sie auch an diesem Ort Bitterkeit und Sorgen durchlebt haben, so ließ sie hier doch Erinnerungen zurück, Spuren ihres Lebens und der Familie, die sie verloren hatte, Spuren viel zu selten von Liebe und Wärme.
Mit siebzehn Jahren war Terese die einzige aus ihrer Familie, die noch auf dieser Seite des Atlantiks lebte. Mehr als sechs Jahre war es her, daß ihr Vater wie auch ihr Bruder Cavan die Überfahrt nach Amerika angetreten hatten. Zurückgelassen hatten sie nichts weiter als das Versprechen, binnen eines Jahres Geld zu schicken, damit der Rest der Familie nachkommen konnte.
Es hatte sich erwiesen, daß die Straßen Amerikas keineswegs, wie man hatte erzählen hören, mit Gold gepflastert waren, sondern mit Pferdeäpfeln. Aus den Stellungen, von deren Lohn man die Passage-gebühren für die Familie - wenn nicht sogar ein eigenes Haus in der Neuen Welt - hätte bezahlen können, war nie etwas geworden. Ihr Vater war verstorben, nachdem er noch nicht einmal ein Jahr aus Irland fort war, und Cavan hatte sich schließlich in einem Land namens Pennsylvanien wiedergefunden, wo er mit ihrem Onkel Tibbot und dessen Söhnen unter der Erde nach Kohle grub.
Binnen Jahresfrist nach der Auswanderung von Vater und Bruder hatten Terese und die übrigen Angehörigen den Pachtzins nicht mehr aufbringen können, und man harte sie von Haus und Hof vertrieben. Nachdem sie den größten Teil des Winters in einer Höhle auf den Klippen der Küste haften hausen müssen, waren sowohl die kleine Mada als auch Tereses ältere Schwester, Honor, an Kälte und Lungenentzündung gestorben. Danach hatte es keine Woche gedauert, bis auch ihre Mutter tot dalag und Terese, damals noch nicht ganz zwölf Jahre alt, allein zurückließ.
12 13
Bis auf die Knochen durchgefroren und halbtot vor Hunger hatte sich Terese aufgemacht, um ihre Tante Una um Unterschlupf zu bitten, die in Held of the Horses lebte, einem verschlafenen Nest nicht weit hinter der Küste. Als sie zum erstenmal anklopfte, hatte ihre Tante ihr die kalte Schulter gezeigt und gefragt: „'Wie soll ich es denn bitteschön fertigkriegen, noch einen weiteren Esser sattzu-bekommen? Ich habe weder Platz noch Essen übrig. Du bist doch jetzt 'n feines, großes Mädchen. Du wirst keine Mühe haben, von deiner eigenen Arbeit zu leben."
Es hatte aber auf der hungernden Insel keine Arbeit für sie gegeben. Verzweifelter denn je, hatte Terese schließlich ihren Stolz überwunden und ein zweitesmal Tante Una aufgesucht. Und jetzt, sei es aus Schuldgefühlen oder plötzlich wieder zum Leben erwachten Familienbindungen hatte ihre Tante der Nichte einen stinkenden Strohsack in der Ecke angewiesen, wo manchmal das Schwein lagerte, und einen beengten Sitzplatz am Tisch inmitten ihrer fünf Vettern und Cousinen.
Seitdem war kein einziger Tag vergangen, an dem sie Tante Terese nicht daran erinnerte, welch eine Last sie ihr war und wie unendlich glücklich sie sich schätzen konnte, daß sie, Tante Una, aus christlichem Hause stammte und sich deshalb willens zeigte, ihr unter derartigen Opfern Obdach zu bieten. Andererseits hatte es in den Jahren, die folgten, ebensowenig einen Tag gegeben, an dem Terese niht vor Genugtuung erglühte, während sie das Geld zählte, das Cvan endlich zu schicken begonnen hatte und das sie in der Ab-sj'cht, genug zu sparen, um Inishmore und der „christlichen Nächstenliebe" ihrer Tante den Rücken zu kehren, sorgfältig verbarg.
Mitunter, wenn die Einsamkeit am allerschlimmsten war, hatte sie sich gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, sie wäre in der Höhle umgekommen wie ihre Mutter und ihre Schwestern. Doch jedesmal schaffte sie es, sich vor der Versuchung des Selbstmitleids in acht zu nehmen in der Hoffnung, daß eine bessere Zukunft ihrer harrte - eine Zukunft dort drüben, jenseits des Atlantiks.
Tatsächlich war es diese Hoffnung, die Terese buchstäblich am Leben hielt, diese verzweifelte Hoffnung, in der sie einem Tag ent gegensah, an dem sie endlich der erbärmlichen Armut ihres Daseins den Rücken kehren und jene bessere Zukunft sehen würde.
Jetzt war dieiser Tag gekommen. Morgen um diese Zeit würden sie und Peggy schon in Galway sein. Terese hatte es geschafft, von dem Geld, das Cavan ihr im Laufe der Jahre geschickt hatte, und ihrem Verdienst in der Küche von Corcoran's Inn jeweils fast doppelt so viel beiseite zu legen, wie sie gewöhnlich ihrer Tante für Kost und Logis aushändigte. Nun hatte sie genug für die Überfahrt nach Amerika beisammen - genug für ein neues Leben.
Plötzlich, so als wäre die Hoffnung höchstselbst vom Himmel her auf sie herabgekommen und hätte sie auf den Schwingen des Windes davongetragen, wich die melancholische Stimmung von ihr, die ihr den ganzen Abend zu schaffen gemacht hatte. Terese fühlte sich irgendwie erleichtert, ja erlöst, so daß sie ihre zum Greifen nahe Freiheit am liebsten über die ganze Insel hinausgeschrien hätte.
In diesem Moment heulte eine jähe Windbö über die Küste hinweg, gefolgt von krachendem Donner und einem atemberaubend grellen Blitz. Augenblicklich wurde die Luft kühl, und Terese wünschte, sie hätte ihren Mantel übergezogen und nicht bloß den dünnen Pullover ihrer Cousine Nancy.
Sie wurde gewahr, daß es schon spät war, wahrscheinlich schon nach acht, und nach einem letzten Blick auf die steinerne Festung wandte sie sich ab und machte sich auf den Rückweg ins Dorf. Ohne Vorwarnung traf sie ein weiterer Windstoß, noch stärker diesmal und klagend wie eine Todesfee, als er über die tückischen Gemäuer der Festung hinfuhr.
Terese blickte zum Himmel, dessen tintenblaue Färbung schwere Regenwolken erkennen ließ, und drehte sich dann nochmal zur Küste um, wo die Flut jetzt höher auflief. Draußen vor den Klippen bildeten sich immer mächtigere Brecher und rollten tosend auf das Land zu. Ein Sturm kam unglaublich rasch auf. Der Wind peitschte gegen ihr Gesicht und ihre Schultern. Als sie sich wieder umdrehte, um nach Hause zu rennen, schlang sie zum Schutz gegen die Kälte die Arme um sich.

Inhaltsverzeichnis
Prolog: Die Stille 9
I.Terese 12
2. Brady 16
3. Suche nach Zuflucht 24
4. Der Schrecken des Windes 29
5. Die Müden und Verwundeten 37
6.Jack 50
7. Der Starke trifft den Starken 56
8. Zu lange getrennt 69
9. Wenn man eine Diebin fängt 78
10. Engel - ohne es zu wissen 88
11. Im Hause des Fischers 94
12. Jane Connolly 106
13. Der Blick auf die Frauen 116
14. Ein berechnender Brief 129
15. Der Schlüssel zu einem Traum 142
16. Möglichkeiten 149
17. Diese Frau ist ein Rätsel 163
18. Die Prinzessin und der Pirat 170
19. Gewinnen oder erobern? 183
20. Verschiedene Arten von Menschen 195
21. Ein Mantel, das Feuer zu umhüllen 207
22. Stern des Schicksals 217
23. Pfarrer Gnadenlos 223
24. Ein Atemzug zwischen den Erinnerungen 236
25. Ein Treffen in der Mercer Street 247
26. Ein Tag voller Überraschungen 259
27. Inmitten der Scharten 271
28. Traurige, unerwartete Neuigkeiten 278
29. Das vertraute Antlitz der Verzweiflung 285
30. Ein Abschied ohne auf Wiedersehen 294
31. Preis der Träume, Strafe der Narrheit 302
32. Klagelied der Einsamen 314
33. Sturm im Herzen 324
34. Ein unerwartetes Willkommen 332
35. Ein Plan für die Zukunft 340
36. Konfrontation mit dem Bösen 351
37. von Anwälten und Rechtshändeln 356
38. Himmelstuch 372
39. Samanthas Lächeln 382
40. Von Stille und Schatten 395
41. In die Nacht 407
42. Erinnerungen und Geheimnisse 414
43. Wacht im Bellevue 426
Epilog: Gaben von Gold und Gnade 436
Published by Tyndale House Publishers, Wheaton, USA
© der deutschsprachigen Ausgabe
1999 by Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH

Erfinder Im Gegensatz zu Wikipedia kann die Bibel auf eine echte Erfindung verweisen, Horst von der Heyden

04/29/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Erfinder ist, wer »durch eigene schöpferische Leistung eine zuvor nicht bekannte Lösung oder Anwendung im Bereich der Technik hervorbringt.«
So jedenfalls ist es bei Wikipedia nachzulesen.1
Und mit dieser Definition lässt uns das InternetPortal nicht allein, sondern listet in einem weiteren Artikel, alphabetisch geordnet, Hunderte von Menschen auf, die als Erfinder gelten,2
 von Abbas ibn Firnas, einem arabischen Flugpionier, bis zu dem Amerikaner Paul Maurice Zoll, der als Erfinder des Herzschrittmachers gilt.

Die Liste umfasst deutlich über 1700 Personen, enthält aber keine genaue Angabe über die Gesamtzahl der Erfinder. Und das hat sicherlich seinen Grund, denn Erfindungen wird es immer geben, und die Liste muss dementsprechend ständig aktualisiert und angepasst werden. Interessant wäre es dabei zu erfahren, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um auf der
Liste zu erscheinen. Reicht es schon, wenn man eine Vorrichtung erfindet, mit der man relativ einfach einen Kreis zeichnen oder eine Dachrinne reinigen kann, oder muss das Erfundene bedeutsamer sein?

Die besagte Liste selbst gibt darüber keinen Aufschluss. Im Gegenteil, es finden sich dort sowohl
der Amerikaner Henry John Heinz, der als Erfinder des Tomatenketchups gilt, als auch der Deutsche Robert Oppenheimer, der (gemeinsam mit anderen) 1945 die Atombombe erfand. Es werden aufgelistet Melitta Bentz, die 1908 die Filtertüte, und Alexander Graham Bell, der 1876 das Telefon erfand.

Und dann findet man dort auch einen Walter Thiele, dem fast 100 Jahre später die Erfindung des Lachsacks gelang. Also, wer legt fest, was bedeutsam ist? Und für wen? Für den Erfinder selbst oder seine Familie, den Ort, das Land oder die gesamte Menschheit?

Wer also ist es, der die Kriterien aufstellt, und wer ist es, der das Erfundene daran misst? Und an wen müsste man sich wenden, wenn man von einer Erfindung gehört oder selbst eine solche gemacht hat und sie bekannt machen möchte? Da müsste es doch eine Anlaufstelle geben – und eigentlich auch objektive Kriterien. Bei Wikipedia finden sich diese nicht.

Da geht es eher vage zu: Es heißt zwar eindeutig, dass jemand »ein Problem erkannt hat, es gelöst und mindestens einmal damit Erfolg gehabt hat«, es wird aber auch darauf hingewiesen, dass es durchaus Erfindungen gibt, »die keinen Nutzen hatten und später wieder verworfen wurden«.2

Im Gegensatz zu Wikipedia kann die Bibel auf eine echte Erfindung verweisen. Eine, die einem echten Problem galt. Einem Problem nämlich, das nicht nur vereinzelt oder lokal auftritt, sondern universal, das weltweit verbreitet ist. Dieses Problem wurde nicht nur erkannt, bei ihm wurde auch festgestellt, auf welche Art und Weise es gelöst werden konnte. Und zwar ausschließlich auf eine einzige Weise; es gab da nicht mehrere Lösungen, nicht mal eine zweite.

Und diese Erfindung ist so genial, dass durch sie nicht nur alle einschlägigen Probleme einmalig, sondern sogar ein für alle Mal gelöst werden. Ja, die gefundene Lösung ist absolut dauerhaft und löst das Problem für immer und ewig. Das Problem heißt Sünde, der Erfinder Jesus Christus. Und der hat die Lösung mit »seinem eigenen Blut« erwirkt, bevor er dann »ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen [ist], als er eine ewige Erlösung erfunden hatte« (Hebr 9,12).

Seine Erfindung hat größtmöglichen Nutzen für die gesamte Menschheit. Und nicht nur das: Sie wird allen Menschen auch kostenlos angeboten. Man kann sie allerdings auch verwerfen. Dann aber nicht aus Mangel an Nutzen, sondern aus überheblicher Ignoranz – und mit sehr weitreichenden Konsequenzen!
Horst von der Heyden
Zeit & Schrift 2 ∙ 2023
1 https://de.wikipedia.org/wiki/...
2 https://de.wikipedia.org/wiki/...

Theosophie - Speerspitze des Okkultismus, Stephan Holthaus

03/30/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

A. Einführung in die ThematikBV17501.jpg?1680197568034
Unsere Gesellschaft steht heute vor einer explosionsartigen Zunahme des Interesses an Okkultismus, Esoterik und Geheimzirkeln. Das Pendel der Geschichte schlägt um von einer Periode des strengen Rationalismus und des Glaubens an die Machbarkeit aller Dinge in ein Stadium der Gefühlsreligion und der esoterischen Spiritualität. New Age, das verheißene neue Zeitalter, wird heute von vielen Zeitgenossen lauthals verkündet. 

An der Wendezeit zwischen Fische- und  Wassermannzeitalter soll nun endlich die paradiesische Welt von morgen Wirklichkeit werden. Selbst manche Wissenschaftler lassen sich von der neuen Massenbewegung mitreißen und geben dem esoterischen Gedankengebäude einen scheinbar akademischen Unterbau.
Im Schlepptau der neuen Spiritualität ist auch häufig der Hinweis auf die Theosophie zu hören, die als eine der Wurzeln der neuzeitlichen Bewegung betrachtet wird. Gemeint ist damit nicht die christliche Theosophie, die in ihrer mystisch-innerlichen Ausrichtung breite Kirchenkreise seit dem Mittelalter beeinflußte, sondern die Geheimorganisation der Theosophischen Gesellschaft, die erst seit 1875 an die Öffentlichkeit trat.
Analytiker des New Age vermuten in dieser Bewegung eine entscheidende Wurzel für die Spirituälität unserer Tage.' Diese kleine, aber wirkungsvolle Bewegung der Theosophen beeinflußte in den vergangenen 100 Jahren unzählige Schlüsselpersonen aus allen Gesellschaftsschichten. Faszination über die beeindruckenden Schriften der „Madame Blavatsky' Gründerin der Theosophischen Gesell- schuft, ist auch heute vielerorts vorzufinden. Mehr noch als das leben aber ihre Ideen und Lehren oft unbewußt in den Köpfen der New-Age-Anhänger weiter.
Was steckt hinter der Theosophischen Gesellschaft? Wie ist sie entstanden, und wer waren und sind ihre Drahtzieher? Was sind ihre Hauptlehren, und wie verhalten sie sich zu den Aussagen der Bibel? Wie weit haben sie die New-Age-An-hänger unserer Tage beeinflußt? Um diese Fragen soll es in diesem Buch gehen.
Zunächst wollen wir uns mit der wechselvollen Geschichte der Bewegung beschäftigen3, um dann in einer systematischen Darstellung das theosophische Lehrsystern. und seinen Einfluß auf die New-Age-Bewegung zu untersu-chen.4 Da es innerhalb der Theosophischen Bewegung keine verbindlichen Dogmen gibt, an denen die Mitglieder festhalten müssen, können die Ausführungen über die Lehre der Theosophischen Bewegung nicht für alle Anhänger der Theosophie gelten. 

BV17501-5.jpg?1680198286281Ein allgemeiner Konsens über die angesprochenen Auffassungen, bei der wir in der Darstellung ausgehen, kann aber in der Theosophie festgestellt werden.
In der modernen evangelischen Apologetik ist es aus der Mode gekommen, Geistesströmungen und Kulte anhand eines festen biblischen Maßstabes zu beurteilen. Die Gründe hierfür liegen zum einen in einer Demontage des biblischen Textes durch die Historisch-Kritischen Methoden der Exegese, die mit einem vorgegebenen Mißtrauen dem biblischen Text gegenüber antreten und eine feste Glaubensbasis zerstören. 

Andererseits verharrt die Apologetik durch den Dialog mit anderen Religionen in einer Periode der Dogmenlosigkeit, die eine Beurteilung antibiblischer Lehren nicht ratsam erscheinen läßt. So ist ein Kennzeichen der neueren Arbeiten über die Theosophie die rein geschichtliche Darstellung der Bewegung, die eine kritische Beurteilung nicht zuläßt oder sie nur von einem eher rationalistisch geprägten Standpunkt aus führt.

In diese zeitgeschichtliche Situation hinein möchte die vorliegende Beurteilung des Lehrgebäudes der Theosophie andere Leitlinien setzen Ihr Ausgangspunkt ist ein unum-sdiranktes Vertrauen in die Heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes als eine irrtumslose und maßgebende Offenbarung Gottes an den Menschen An diesem Maßstab müssen sich alle Geistesströmungen messen lassen, auch die Theosophie.

Die Darstellung der heutigen theosophischen Gruppierungen entstand teilweise unter enger Verbindung mit den betreffenden theosophischen Kreisen in Deutschland, denen ich für ihre wertvollen Informationen und Anregungen zu Dank verpflichtet bin. Mein besonderer Dank gilt Frau Else Nießner von der Adyar-Gesellschaft für ihre selbstlose Unterstützung bei der Literatursuche. Um dem Leser die• Lektüre der theosophischen Fachbegriffe zu erleichtern, wurde am Ende des Buches ein Glossar beigefügt. In den Anmerkungen findet der interessierte Leser neben den Quellenangaben auch weiterführende Literaturhinweise zu den einzelnen Themenbereichen.

B. Wesen und Ziele der Theosophischen Gesellschaft
as bedeutet Theosophie? Diese Frage muß am Anfang un: $erer Ausführungen beantwortet werden. In einer populären Einführung in die Lehren der Theoso-phie von Harry Benjamin heißt es: „... Theosophie (Griechisch, bedeutet Gottes Weisheit, oder Weisheit über Gott) Ist eine moderne Bezeichnung für das System der esoteri-schn Lehre. Sie wurde von uralten Zeiten an überliefert und bildete die Basis für alle großen Religionen und Philosophien des Altertums, auch des Christentums. . . Theosophie ist in Wahrheit eine Synthese von Philosophie, Wissenschaft und Religion... Theosophie ist, daran muß immer wieder erinnert werden, die Weisheit aller Zeiten'1
Die Theosophie wird also innerhalb der Theosophischen Gesellschaft als die Grundsubstanz aller Religionen und Philosophien verstanden, die seit Beginn der Menschheitsgeschichte bekannt ist und von sogenannten Initiierten an die Menschheit weitergegeben wurde.
Der Ausdruck Theosophie findet sich erstmals bei dem Neu-platoniker Ammonios Sakkas, der im dritten Jahrhundert nach Christus in Alexandrien wirkte.'

Mit der Theosophie des 17. und 18. Jahrhunderts verbindet die Theosophische Gesellschaft die Suche des individuellen Geistes nach der Vereinigung mit dem universalen Gott. Von daher wurde immer wieder von den Theosophen auf die Verbindung mit Böhme, Meister Eckehart4 und Swedenborg5 hingewiesen. Allerdings legt die Theosophische Gesellschaft den Schwerpunkt mehr auf die Prinzipien der östlichen Religionen und auf die Esoterik.6
Hermann Rudolph, der Nachfolger Hartmanns in der Internationalen Theosophischen Verbrüderung, definierte die 'Theosophie mit folgenden Worten ‚Die Theosophie ist nicht das Wissen von Etwas, sondern das Wissen selbst, d.h. die Selbsterkenntnis der Wahrheit im Menschen.

Ein Theosoph ist daher derjenige, der sich selbst in seinem wahren Wesen als das ewige unvergängliche Selbst (Theos) in allen Erscheinungen des Weltalls erkennt Theosoph ist für
Rudolph ein verkörperter Gott der sich der Einheit mit dem universellen Atma bewußt ist .s.
Die Theosophische Gesellschaft gibt sich bis heute drei Hauptziele, die ihr ganzes Wesen und Wollen widerspiegeln. Sie will:
1. „einen Kern der allumfassenden Bruderschaft der Menschheit bilden, ohne Unterschied von Rasse, Religion, Geschlecht, Kaste oder Farbe;
2. zum vergleichenden Studium von Religion, Philosophie und Naturwissenschaft anregen;
3. die Erforschung ungeklärter Naturgesetze und der im Menschen verborgenen Kräfte fördern."9
Für den theosophischen Führer Rudolph war gerade die Erkenntnis der eigenen Göttlichkeit das Ziel aller Theoso-phieiO; Helena Petrovna Blavatsky, Begründerin der Gesellschaft, legte dagegen mehr Wert auf die moralische Vollkommenheit des Menschen durch die Theosophie.11
Es wird nachfolgend zu zeigen sein, daß die Theosophie eine Synthese von Philosophie, Religion und Wissenschaft versucht. Sie ist kein eigenständiger Kult, sondern eine Zusammenfassung von verschiedenen Kulten, keine Religion, sondern eine synkretistische Verflechtung aller Glaubenssysteme, keine Wissenschaft, sondern ein Konglomerat aus pseudowissenschaftlichen Spekulationen. 

Daher kann man die Theosophie als eine Weltanschauung im umfassenden Sinne verstehen, denn sie versucht, auf alle Lebensfragen des Menschen eine Antwort zu geben.
Das Emblem der Theosophischen Gesellschaft besteht aus fünf klassischen Symbolen, die einen Einblick in die Lehrinhalte der Bewegung geben:
Das Emblem der Theosophischen Gesellschaft
Die Schlange, die sich in den Schwanz beißt, stellt für die esoterische Interpretation der Theosophen die göttliche Weisheit dar; sie symbolisiert die Unendlichkeit und den Evolutionsraum. 12
Die Swastika zeigt nach theosophischer Anschauung die Welt, die sich um eine zentrale Sonne dreht. Sie ist das Rad des Gesetzes und der Evolution. Das Sechseck ist das Symbol der vollkommenen Vereinigung von Geist und Materie, des Herabsteigens des göttlichen Lebens in die Materie. Das ägyptische Henkelkreuz symbolisiert den Sieg des Geistes über die niedere Natur im Menschen, die Auferstehung des Geistes. Das Henkelkreuz ist das Zeichen für den „ich-bewußten Menschen"."
A UM, das heilige Sanskrit-Wort, ist das Symbol der höchsten Dreiheit, die Anrufung des Höchsten.
Zum richtigen Verständnis der Theosophie gibt ihre geschichtliche Entwicklung, die nachfolgnd dargestellt werden soll, wertvolle Hinweise.

Epheser 4,1-16 Viele Glieder ein Leib Heijkoop H.L.

01/16/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kap.4, 1-16 Auslegung Heijkoop H.L.

Viele Glieder ein Leib Epheser 4, 1-16 - H.L. Heijkoop

Vortrag von H. L. Heijkoop am 3. 7. 1973
Wir haben in Kolosser 1 gesehen, wer das Haupt des Leibes ist (s. H. u. N. Okt. 84). Welch eine wunderbare Person! ER ist als Mensch der Erstgeborene aller Schöpfung, und in Beziehung zur Versammlung ist ER auch der Erstgeborene aus den Toten. 

Wenn das Haupt des Leibes eine solche Person ist, wie gewiß dürfen wir dann unserer Segnungen sein, aber auf der anderen Seite, wie sehr sollten wir in Übereinstimmung mit unserer Stellung als Glieder am Leibe dieses herrlichen Hauptes wandeln! Diese beiden Gedanken finden wir in der Stelle, die wir gelesen haben. 

In Kolosser 1, 10 wurden wir ermahnt, würdig des Herrn zu wandeln. Hier heißt es: "Ich ermahne euch nun, ... daß ihr würdig wandelt der Berufung, mit weicher ihr berufen worden seid" (V. 1). Beide Stellen besagen dasselbe, denn unsere Berufung ist, daß wir Glieder des Leibes sind. Muß der Leib nicht in Übereinstimmung mit dem Haupt sein? Das sehen wir hier in

Vers 13: ﷓ .. bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus." Wenn das Haupt so herrlich ist, dann muß auch der Leib damit in Übereinstimmung stehen. Alles, was dazu nötig ist, ist uns geschenkt. Das finden wir in dieser Stelle hier. Es ist unsere Verantwortung, das schon jetzt in unserem Wandel zu beweisen.

In Kap. 1 haben wir die Versammlung als Leib Christi und so, wie sie durch die ganze Ewigkeit hindurch sein wird. In Kap. 2, 21 sehen wir die Versammlung als das Haus Gottes in Ewigkeit und in

Vers 22 als Behausung Gottes im Geiste. Das ist die Versammlung jetzt schon. Was wir in Ewigkeit sein werden, wenn wir in voller Übereinstimmung mit dem Haupte sind, das sollten wir hier unten auf der Erde schon sein. ein wahres Zeugnis für den verherrlichten Herrn im Himmel. Wir werden also ermahnt, würdig zu wandeln der Berufung, Mit welcher wir berufen worden sind (Eph 4, 1), d. h. in Übereinstimmung mit dem, was wir in der Herrlichkeit sein werden. Die Gesinnung des Herrn Jesus sollte bei uns gefunden werden (V. 2). In

Vers 3 lesen wir dann: "euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens!' Natürlich bezieht sich dieser

Vers 3 nur auf die Erde. In der Ewigkeit brauchen wir uns nicht mehr zu befleißigen, diese Einheit zu bewahren, denn dann wird sie vollkommen sein, wie Gott sie in Seinem Ratschluß vorgesehen hat, und dann wird es nichts mehr geben, was diese Einheit beeinträchtigen könnte. Aber hier auf der Erde ist Satan, und in uns ist noch das Fleisch ﷓ und deshalb ist es wichtig, die Einheit des Geistes zu bewahren. Die Einheit wird die Einheit des Geistes genannt, nicht die Einheit des Leibes. 

Die Einheit des Geistes ist das, was der Heilige Geist niedergelegt hat, nicht das, was aus dem Fleisch kommt; deshalb wird von der Einheit des Geistes gesprochen. Wir haben uns zu befleißigen, das zu bewahren, was der Heilige Geist hervorgebracht hat, nicht das, was durch das Fleisch eingeführt worden ist.

Es werden drei Beziehungen erwähnt, in die wir eingeführt worden sind. "Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung" (V. 4). Da haben wir die Versammlung nach den Gedanken Gottes. Sie ist ein Leib, zu dem nur wahre Gläubige gehören, und sie alle werden in alle Ewigkeit zu diesem Leib gehören. Da ist nur ein Geist, Gott, der Heilige Geist, und Er hat uns mit Christus vereinigt, wie 1. Korinther 12 sagt. 

Er ist das Band, das jeden Gläubigen persönlich mit Christus verbindet und der uns als Glieder des Leibes untereinander verbindet, und auch das wird in alle Ewigkeit so sein. Dann haben wir auch alle dieselbe Hoffnung unserer Berufung. Das ist das erste, worauf hier unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird. In der Ewigkeit wird das vollkommen sein, aber wahr ist es schon hier unten, und das zeigt uns, was unser Zeugnis auf der Erde sein sollte. In

Vers 5 heißt es dann: "Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe!' Da haben wir die Einheit des Bekenntnisses. In
Vers 4 hatten wir die innere Einheit des Leibes. Hier ist es die Einheit des Bekenntnisses. Ein Herr, und ER ist der Herr all derer, die Glieder am Leibe Christi sind. Gewiß, es gibt noch andere, die Ihn als Herrn bekennen. Aber jedenfalls ist ER der Herr all derer, die Glieder des Leibes sind. 

Sie haben alle einen einzigen Glauben, die christliche Wahrheit, alle Wahrheiten, die im Neuen Testament geoffenbart sind. Das dritte ist hier eine einzige Taufe, und sie zeigt uns unseren Platz hier auf der Erde. Natürlich zeigt uns der eine Glaube auch, daß wir auf der Erde sind. 

Im Himmel ist nicht mehr von der Lehre die Rede, denn dort gibt es keine Lüge mehr, dort gibt es keinen Glauben mehr, denn dort haben wir alles, und wir sehen alles in seinem wahren Licht. Dort wird auch nicht mehr betont werden müssen, daß der Herr Herr ist, denn jeder wird Seinen Willen tun, und wir sehen nicht, daß ER dort den Platz des Herrn einnimmt. Im Vaterhaus ist ER der Erstgeborene unter vielen Brüdern, und dort wird ER sich umgürten, um uns zu bedienen.

Hier auf der Erde aber geht es darum, daß ich bekenne: ER ist mein Herr. Ich möchte erwähnen, daß ER nicht der Herr der Versammlung genannt wird. ER ist das Haupt des Leibes, aber der Herr jedes einzelnen persönlich. In der Versammlung sollte alles zum Ausdruck bringen, daß Jesus Christus der Herr ist, so daß die Weit sieht, weiches die Rechte des Herrn sind und daß sie lernt, daß sie sich vor Ihm zu beugen hat.

Als drittes wird genannt: eine Taufe. In Verbindung mit dem Zeugnis ist das sehr wichtig. Römer 6, 3-4 sagt uns, daß wir auf den Tod Christi getauft sind und daß wir mit Ihm durch die Taufe begraben sind. Das ist unser Platz auf der Erde in Verbindung mit einem verworfenen Christus, und das ist fundamental wichtig für unsere Stellung auf der Erde. 

Durch die Taufe sind wir, was unsere Stellung auf der Erde betrifft, mit dem gekreuzigten Christus einsgemacht, und das wendet sich gegen die Welt, und es beschreibt unsere Situation auf der Erde. Im Himmel ist das nicht so. Dort gibt es keine Welt. Dort haben wir nicht nötig, mit Christo begraben zu sein. Wir werden dort mit Ihm verherrlicht sein. Die Taufe hat mit unserer Stellung und unserem Zeugnis hier auf der Erde zu tun.

Wir sehen hier also zunächst unsere Beziehung zu dem Heiligen Geist, unsere Beziehung zu dem Herrn Jesus, nicht als dem Sohne Gottes, sondern als dem Menschen Christus Jesus, in

Vers 6 unsere Beziehung zu Gott, dem Vater. Da geht es um eine doppelte Beziehung. Da ist zunächst eine Beziehung zu Ihm, wie sie jeder Mensch hat. "Da ist ein Gott und Vater aller, der da ist über allen", wir aber stehen in einer speziellen Beziehung zu Ihm, und deshalb heißt es weiter: "und in uns allen". 

ER ist unser Vater, wir sind aus Ihm geboren, und diese Stellung haben nur wir, die wir aus Ihm geboren sind. Diese Dinge müssen unser Zeugnis charakterisieren. Wir haben an diese Dinge zu denken und an die Art und Weise, wie wir sie in unserem Zeugnis nach außen hin kundtun.
Im Folgenden sehen wir, auf welch wunderbare Weise der Herr uns fähig macht, dies zu tun. Jeder hat eine Gabe erhalten. Hier wird sie eine Gnade genannt. Es heißt in

Vers 7: "Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maße der Gabe des Christus." Jeder hat seinen Platz am Leibe des Christus, und jeder hat das empfangen, was er nötig hat, um diesen Platz auszufüllen. Von wem haben wir die Gabe empfangen? Von dem verherrlichten Herrn im Himmel. Aber der verherrlichte Herr ist zunächst auf der Erde gewesen, und nicht nur das, ER ist auf dem Kreuz gestorben, ER hat unsere Sünden auf sich genommen, ER ist für uns zur Sünde gemacht worden, und wir wissen, daß der Lohn der Sünde der Tod ist. 

Das Gericht Gottes hat Ihn getroffen, und ER hat aus Liebe zu uns das Werk vollbracht. Dort am Kreuz hat der Herr Jesus den Fürst des Todes getroffen, und wir wissen aus Hebräer 2, 14, daß Satan die Macht des Todes hat. Der Herr ist am Kreuz mit ihm zusammengetroffen, und ER hat ihn dort besiegt. ER, der gestorben ist, ist aus den Toten auferstanden. Die Herrlichkeit des Vaters hat Ihn auferweckt, wie wir in Römer 6, 4 lesen, aber in Römer 1, 4 heißt es, daß ER durch sich selbst auferstanden ist. 

Der Tod konnte Ihn nicht halten, ER hat Satan besiegt. ER hat das Werk für uns hinausgeführt, und ER hat uns auf diese Weise befreit. Jetzt ist ER in der Herrlichkeit, und als verherrlichter Mensch hat ER vom Vater Gaben empfangen, und ER gibt uns diese Gaben, damit wir mit Ihm kämpfen und Ihn dort, wo Satan herrscht, offenbaren, damit wir gegen Satan streiten und seiner Macht Menschen entreißen und sie auferbauen als Leib Christi, damit sie zusammen einen Leib bilden, der des verherrlichten Hauptes würdig ist. Das ist eine wunderbare Tatsache!

In uns selbst sind wir schwache Geschöpfe. Wir waren Sklaven Satans. Aber der Herr hat uns befreit, und wir leben hier auf der Erde, die unter der Gewalt Satans steht. Satan ist der Fürst dieser Welt, der Gott dieser Weit in ihrem gegenwärtigen Zustand, und wir wohnen hier. Was können wir gegen Satan tun? Wir haben keinerlei Kraft, aber der Herr ist Sieger, und ER hat uns Gaben gegeben, die uns fähig machen, gegen Satan zu streiten und ihm andere Sklaven zu entreißen, Gaben, die fähig machen, hier unten ein Zeugnis für den verherrlichten Herrn zu sein, ein Zeugnis des Sieges über Satan, und so die Versammlung aufzuerbauen im Blick auf diese Herrlichkeit, die sie in der Ewigkeit haben wird. Das ist eine wunderbare Tatsache. 

Die Versammlung ist hier auf der Erde. Sie besteht aus schwachen Gefäßen, und alles hier unten ist gegen sie. Die ganze Macht Satans und der Welt ist gegen die Versammlung, und doch wächst sie unter diesen Umständen zum Haupt hin. Inmitten dieser Umstände wird sie vom Herrn immer mehr abgesondert, geheiligt, Ihm gleichförmig gemacht; in dem Augenblick, wo der Herr wiederkommen wird, um sie zu holen, wird sie in vollkommener Harmonie mit Ihm sein. Weich wunderbare Tatsache!

Hier ist nicht im einzelnen von diesen Dingen die Rede. Der Epheserbrief spricht zu uns vom Himmel. Der Römerbrief und der 1. Korintherbrief geben uns genauere Hinweise; was dort steht, soll uns zeigen, wie wir uns in der Wüste zu betragen haben. Hier aber finden wir die Mittel, die Gott uns gegeben hat, hier unten schon auf der Erde, und davon ist in den folgenden Versen die Rede.

In Vers 11 und 12 heißt es: "Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes Christi." Wir haben also alles, was zur Auferbauung des Leibes Christi nötig ist. Zunächst werden die Apostel und die Propheten genannt. In Kap. 2 haben wir gesehen, daß sie das Fundament bilden. Hier haben wir ihren Dienst im Wort. Wir haben aber auch Evangelisten. Das sind die, die vom Herrn die Gabe empfangen haben, in die Welt zu gehen, wo Satan ist, und Christus als den Sieger zu predigen und Satan seine Sklaven zu entreißen. Sie sind eine Gabe des Siegers, der jetzt verherrlicht im Himmel ist.

Wenn dann Menschen Satan entrissen worden sind, dem Evangelium geglaubt haben, Glieder am Leibe Christi geworden sind, dann haben sie Hirten und Lehrer nötig. Diese Dienste dienen der "Vollendung der Heiligen", wie es hier heißt.

Was bedeutet das, "Vollendung der Heiligen"? Das bedeutet, daß wir zu Christus hin wachsen, daß wir Ihm ähnlich werden, und das geschieht hier auf der Erde, und das steht in engem Zusammenhang mit dem "Werk des Dienstes". So muß jeder Gläubige auferbaut werden für das Werk des Dienstes. Was ist der Dienst? Er ist die "Auferbauung des Leibes Christi". Wie wichtig ist es, daß jeder seinen Platz am Leibe Christ! einnimmt und den Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht, ausführt!

Wir sehen hier einen Unterschied zu 1. Korinther 12. Die Hirten und die Lehrer, die der Versammlung gegeben sind, werden als außerhalb des Leibes gesehen. In 1. Korinther 12 werden sie als Glieder am Leibe betrachtet, und natürlich sind sie Glieder des Leibes, aber hier in Epheser 4 werden, sie in ihrem Dienst außerhalb der Versammlung gesehen. Noch einmal, was ist der Dienst? Die Auferbauung der Glieder des Leibes, damit sie ihren Platz als Glieder am Leibe einnehmen und den Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht, ausüben. In

Vers 7 hat es geheißen: "Jedem einzelnen aber von uns ist die Gnade gegeben worden nach dem Maße der Gabe des Christus."

Wann ist diese Auferbauung vollendet?
Vers 13 sagt uns: "bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus." Wir sehen hier eine Verbindung zu
Vers 5, wo wir gelesen haben: "Da ist ein Herr, ein Glaube, eine Taufe." Die Taufe wird hier nicht erwähnt, denn wenn der Leib vollkommen ist, werden wir nicht mehr auf der Erde sein. Aber was ist die Vollendung der Heiligen? Es ist zunächst die Einheit des Glaubens, dieses einen Glaubens von
Vers 5. Dann die Erkenntnis des Sohnes Gottes, das ist der eine Herr von

Vers 5, obwohl die Bedeutung hier noch viel weiter reicht. Hier geht es darum, daß ER auf der Erde als Herr anerkannt wird, und das ist erst Wirklichkeit bei uns, wenn wir Ihn erkennen und wenn wir Ihn erkennen, wie ER ist. In 1. Johannes 3, 2 heißt es: 11... wir werden ihn sehen, wie er ist." Das ist der Beweis dafür, daß wir Ihm gleich sein werden. Dann ist die Auferbauung vollendet.

Was ist die Einheit des Glaubens? Der Glaube ist die Wahrheit, die geoffenbart worden ist, das, was wir im Neuen Testament haben. Wenn wir wirklich diese Wahrheit kennen, dann haben wir Einheit des Glaubens, dann kennen wir wirklich diese Wahrheit so vollkommen, wie wir sie im Himmel erkennen werden. Ganz vollständig wird das auf der Erde nie der Fall sein.

In Apostelgeschichte 2 waren die Hundertundzwanzig alle beisammen, sie waren der Leib Christi, aber sie kannten nicht die ganze Wahrheit. Wenn sie fünfzig Jahre später noch gelebt haben, dann wußten sie viel mehr von der Wahrheit Gottes. Sie hätten dann alle Väter in Christo sein können. Aber während dieser fünfzig Jahre sind viele Seelen zum Glauben gekommen, einige vielleicht erst am letzten Tage dieser fünfzig Jahre, und diese konnten natürlich nur wenig Kenntnis haben. Sie mußten Fortschritte machen, denn sie waren Kindlein in Christo und mußten Väter in Christo werden. Und so ist es die ganzen zweitausend Jahre hindurch gewesen. 

Junge Menschen sind bekehrt worden, haben das Evangelium aufgenommen, und der Herr gibt ihnen durch den Dienst geistliche Nahrung und öffnet ihre Augen für Seine wunderbaren Gedanken, so daß sie sie immer besser verstehen lernen. Haben sie dann die Schule des Herrn durchlaufen, so nimmt ER sie zu sich, und so geht es fort bis zum letzten Augenblick. Dann werden die Toten in Christo auferweckt werden, und wir werden alle zusammen als der Leib Christi nach dem Ratschluß Gottes dem Herrn entgegengerückt in die Luft, und dann wird jeder von uns ganz persönlich den Herrn sehen, so wie Er ist, und das ist das, was wir hier finden. Wir werden alle zu der Einheit des Glaubens hingelangen und zur Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus.

Dann wird es keine Unmündigen mehr geben, wie
Vers 14 sagt: "auf daß wir nicht mehr Unmündige seien, hin ﷓ und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Winde der Lehre, die da kommt durch die Betrügerei der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum." Das also ist unsere Berufung. Das ist es, was der Herr uns vor Augen stellt. ER will, daß wir wissen, zu welcher Höhe wir erhoben sind, und daß wir das hier auf der Erde als Zeugnis verwirklichen.

Wir können das, wenn wir
Vers 15 und 16 in die Tat umsetzen. Es heißt da: "sondern die Wahrheit festhaltend in Liebe, laßt uns in allem heranwachsen zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus, aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe!' Im Himmel wird nicht mehr von Gliedern die Rede sein, denn dann hat jeder seinen Platz eingenommen und wird den Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht, ausfüllen. Deshalb ist dort nicht mehr die Rede von Gliedern am Leib. 

Wenn ein Kind ganz gesund ist, dann hat es vielleicht schon gehört, daß es ein Herz hat, aber es kümmert sich nicht darum. Vielleicht weiß es, daß es Nieren hat, aber es spürt sie nicht. Solange die Glieder gut funktionieren, denkt man nicht an sie. Tritt aber eine Störung ein, wird ein Glied krank, dann beschäftigt uns das stark. Ein Spezialist kann mir nur helfen, wenn er genau weiß, welche Funktion das betreffende Glied erfüllt.

In diesem Sinne wird also hier von den Gliedern des Leibes auf der Erde gesprochen, und es wird gesagt, was jedes Glied zu tun hat. Es hat einen ganz bestimmten Platz am Leibe und einen Dienst, der mit diesem Platz in Verbindung steht und den nur dieses betreffende Glied verrichten kann, und wenn es ihn nicht verrichtet, dann leidet der Leib darunter.

Wir haben also in diesen Versen gesehen, wie der Herr für die Seinen sorgt durch die Gaben der Hirten und Lehrer, auf dem Fundament, das die Apostel und Propheten im Worte Gottes niedergelegt haben, damit alle auferbaut werden und Ihn, den Herrn, besser kennenlernen und die Wahrheit Gottes besser verstehen lernen, und damit wir begreifen, welches unser Platz am Leibe ist, und welches der Dienst ist, den wir zu verrichten haben.

Wenn das wirklich bei uns der Fall wäre, wie wunderbar wären dann unsere Zusammenkünfte, wie würden wir gesegnet, wenn der Herr Jesus uns Seine Schätze vor Augen stellen könnte und wenn der Heilige Geist nichts anderes zu tun hätte, als uns die Herrlichkeiten des Herrn vorzustellen. Das betrifft unsere Verantwortlichkeit.

Wir wissen sehr genau, wieviel von uns abhängt, aber wie schwach ist doch die Verwirklichung bei uns. Doch darum geht es hier im Epheserbrief nicht. In diesem Brief sind wir in die himmlischen Orter versetzt, während wir im Römerbrief und im 1. Korintherbrief uns in der Wüste befinden. Dort wird uns unsere Verantwortung vor die Augen gestellt, die Aufgaben, die wir haben, und die Folgen, die entstehen, wenn wir das, was wir sein sollten und könnten, nicht sind.

Hulda Humburg 1855-1914

01/12/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Hulda Katharina Humburg wurde geboren am 19. November 1855 als Tochter des LederfabrikantenBN0472.jpg?1673562268985 Jakob Gustav Siebel sen. in Freudenberg, Kreis Siegen. Sie war das älteste von zehn Kindern. ihr Elternhaus bildete einen Mittelpunkt christlichen Lebens im Siegerland. So lernte sie von Kind auf die geistliche Welt ihrer Eltern mit dem Getriebe eines Kaufmannshauses zu verbinden. ihrer Mutter half sie tatkräftig in der großen Familie.

Der Vater erwartete, daß jeder gläubige Christ neben seinem Beruf auch eine Aufgabe im Reich Gottes übernehmen sollte. Huldas vier Brüder übten, wie ihr Vater, zeitlebens Tätigkeiten in Gemeinschaften aus und bekleideten Ämter in der Kirche.
Unter den Gästen ihres Vaters befand sich eines Tages auch Otto Humburg, der in der Nähe ein kleines Stahlwerk betrieb. Ersuchte, von guten Freunden beraten, Anschluß an diesen christlichen Kreis. 

Otto Humburg lernte dort die Tochter Hulda Siebel kennen, und er heiratete sie im November 1875. Der erste Sohn Fritz wurde geboren, als gleichzeitig Mutter Siebel ihr zehntes Kind bekam. Die Familie zog bald nach Mülheim am Rhein (heute: Köln-Mülheim). 

Dort begann Otto Humburg einen Eisengroßhandel. Dem Sohn Fritz folgten ein Sohn Paul und eine Tochter.
Hulda Humburg hatte eine handfesteArt und verleugnete nie ihre kaufmännische Ader.
Sie war aber auch eine wahrhaft geistliche Persönlichkeit. Das zeigen die Erinnerungen, die .ihr Sohn Paul Humburg, damals Pfarrer in Wuppertal-Barmen, im Jahre 1932 niedergeschrieben hat. Humburg ist besonders im Kirchenkampf während des Dritten Reiches als Präses der Bekenntnissynode der Evangelischen Kirche im Rheinland bekanntgeworden.


Heiner Wolfgang

12/30/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KinderBücher Von Wolfgang Heiner

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