Hammer Erich, Mosaiksteine der Herrlichkeit Gottes

07/04/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Kannst du beten?

Eine komische Frage, nicht wahr? Umso mehr, wenn sie von einem Tier gestellt wird. Du wirst fragen: Gibt es denn sprechende Tiere? Ja, Gott hat sogar einmal einen Esel gebraucht, um zu einem eigensinnigen Propheten zu sprechen. Er konnte also nicht nur „la" schreien, sondern dem Propheten sogar eine göttliche Botschaft weitergeben.
Doch ich will niemand auf die Folter spannen, deshalb beginnen wir gleich mit der Begebenheit. Die Schwester, um die es geht, wohnte außerhalb des Dorfes. Sie hatte sich mit ihrem Mann ein schönes kleines Häuschen auf dem elterlichen Grundstück gebaut. Nach einiger Zeit bekam ihr Mann Nierenversagen und ging heim. Nun war sie viel allein. Die einzige Tochter wohnte zwar mit im Haus, war jedoch berufstätig. Ein guter, treuer Hund schützte wachsam das Anwesen. Nur gut, dass sie gläubig war und im Gebet immer wieder zu ihrem Herrn und Heiland flüchten konnte.


Zu einem ihrer Geburtstage bekam sie einen Vogel geschenkt, einen jungen schönen und bunten Papagei. Anfangs war ihre Freude darüber nicht sehr groß. Er musste gepflegt und gefüttert werden, und sein Käfig musste saubergehalten werden. Doch schon bald hatte sie sich so an ihn gewöhnt, dass ihr ohne ihn etwas gefehlt hätte. Wenn sie morgens aufstand und das Tuch von dem Käfig nahm, wünschte sie ihm „Guten Morgen!" Am Abend, wenn sie sich schlafen legte, sagte sie ihm „Gute Nacht!" Es dauerte nicht lange, da versuchte der Papagei es ihr nachzumachen. 

Ganz deutlich konnte sie „Guten Morgen!" und „Gute Nacht!" verstehen. Das war natürlich eine große Freude für sie. Da lohnte sich jede Mühe, ihn zum Plappern zu bringen. Wenn sie sich am Morgen an den Tisch setzte, um ihre Bibel zu lesen, wurde auch er still. - Ehe sie betete, fragte sie ihn dann immer: „Kannst du auch beten?" Bald hörte man immer wieder aus seinem Schnabel: „Kannst du auch beten?" Ganz deutlich war es zu verstehen. Geschwister, die sie besuchten, haften ihren größten Spaß daran.
Eines Tages meldete sich Besuch an, ein Arbeitskollege, der längere Zeit mit ihrem heimgegangenen Mann zusammengearbeitet hatte. Er war nicht gläubig. Zu der Zeit, als sie zusammenarbeiteten, war auch ihr eigener Mann noch ungläubig. Die Schwester sah diesem Besuch mit Besorgnis entgegen. Was war wohl das Anliegen dieses Mannes, zumal er kürzlich Witwer geworden war? Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sein Besuch nicht erwünscht sei. Oder hatte der Herr einen Auftrag, den sie an ihm zu erfüllen hatte? Ihre Tochter war nicht zu Hause. Da ist der Beuch eines fremden Mannes für eine alleinstehende Frau nicht ohne Gefahren.
Schließlich kam er. Und das sogar mit seinem Auto, einem Trabi. Den Wagentyp kannte sie, weiter reichten ihre Kenntnisse allerdings nicht. Der Mann schien jedenfalls nicht arm zu sein. Sie wartete das Klingeln ab und öffnete ihm die Haustür. Ganz weltgewandt und charmant fiel seine Begrüßung aus. Sie bat ihn ins Wohnzimmer. Er bekundete ihr, dass er wisse, was Einsamkeit sei. Dann erzählte er von der Krankheit und dem Tod seiner Frau. Sie brauchte nur mit dem Kopf zu nicken oder „Ja" zu sagen. Dann sprach er davon, wie gut er sich mit ihrem Mann verstanden habe. Er gab einige Erinnerungen vom gemeinsamen Arbeiten zum Besten. Sie befürchtete, dass jetzt ,die Frage käme, ob nicht auch sie die Einsamkeit leid sei. Ihr wurde bei diesem Gedanken richtig heiß.
Dann entstand eine längere Pause. Vielleicht meinte der Papagei, der sich bisher still verhalten hatte, es gäbe jetzt eine Andacht. Da tönte es ganz deutlich in die Stille hinein: „Kannst du auch beten?" Der Mann schrak zusammen. Er hatte den Vogel also verstanden. Er fragte die Schwester: „Was, beten Sie?" Sie bejahte das. Da schien das Gespräch gelaufen zu sein. Es gab noch ein paar allgemeine Worte, und bald verabschiedete er sich. Dieser Vogel hatte die für die Schwester erlösende Frage gestellt. Unser Gott kann alles als Werkzeug für sich gebrauchen, sogar einen sprechenden Vogel.

Alles Heuchler?
Krankenhaus! Wachzimmer! Nur zwei Patienten liegen hier, mit Kabeln und Schläuchen an Apparaturen angeschlossen, wie gefangen. Wenigstens kann ich die Intensivstation verlassen. Doch jeder ist noch mit sich und seiner Situation beschäftigt. Allmählich erwacht das Interesse an dem anderen und seiner Krankheitsnot. Er scheint ein -umgänglicher Typ zu sein. Langsam kann ich aus seinen Worten konstruieren, dass es ihm ähnlich wie mir ergangen ist. Eigentlich sollte er in diesen Tagen mit seiner Frau auf einer Weltreise unterwegs sein. Die Reise war teilweise schon bezahlt. Er wollte nur noch ein paar Besorgungen mit dem Auto machen. Unterwegs bekam er einen Schwächeanfall. Er hielt an, stieg aus, und von da an wusste er nichts mehr. Mit dem Hubschrauber hauen sie ihn von der Straße aus direkt ins Krankenhaus gebracht. Wir waren also Leidensgefährten! Das verbindet. Als ich jedoch vorsichtig nach seinem Glauben fragte, erfuhr ich, dass er ein ganz anderes Fundament haue als ich. Auch gesellschaftlich klaffte eine große Lücke zwischen uns. Er hatte eine einflussreiche Position in einer westdeutschen Firma.

 Für sie bereiste er die ganze ehemalige DDR. In Technik und Wissenschaft war er äußerst beschlagen. Da konnte ich als kleiner Rentner natürlich nicht mithalten. Das hatte ich auch gar nicht vor. Die wichtigere Kenntnis aber durfte ich besitzen, das Wissen darüber, dass Gott uns liebt.
Er beobachtete mich, wenn ich meine Bibel las. Er schien das sogar zu respektieren. Wollte ich aber etwas von dem, was ich las, weitergeben, winkte er ab. Als ich ihm gute evan-gelistische Literatur anbot, warf er nur einen Blick auf die Titelseite und legte sie auf mein Bett zurück. Wie konnte ich nur sein Herz erreichen? Freilich betete ich für ihn. Wenn er abends das Fernsehgerät einschaltete, fragte er zuvor, ob mich das stören würde. Ich brauchte mich aber nur auf die andere Seite zu drehen und die Augen zu schließen, darin nahm ich das Flimmern nicht mehr wahr.
Weil wir beide nicht aufstehen durften, konnten wir am gegenseitigen Ergehen Anteil nehmen. Lediglich seine Frau besuchte ihn täglich. Da sah es bei mir schon anders aus. Gründlich registrierte er, wer alles kam. Oft waren es Geschwister, die sich vor nicht langer Zeit bekehrt haften. Und wie leuchteten deren Augen! Oft hielten sie mir wortlos den Kopf, um mir ihre Liebe zu zeigen. Ein Missionsarzt kam mit seiner 95-jährigen Mutter. Er war in Afrika im Einsatz gewesen. Ein Ehepaar, in deren Familie große Krankheitsnot geherrscht hatte, erzählte, wie der Herr ihnen beigestanden und ihnen geholfen hatte. Ein ehemaliger Arbeitskollege und einige Geschwister der Versammlung kamen, um mir ihre Verbundenheit zu zeigen. Einige haften ihre Bibel mitgebracht, lasen etwas daraus vor und beteten mit mir. Mein Bettnachbar konnte alles mithören und miterleben. Wenn der Besuch gegangen war, konnte ich meinem Leidensgefährten berichten, was dieser und jener erlebt hafte. Einer war früher Alkoholiker. Ich erzählte ihm, wie er durch Je-
sus Christus von seiner schlimmen Sucht frei geworden war. Dann kamen die Kinder und nacheinander die 10 Enkelkinder, um den Opa zu, besuchen. Das alles schien wie eine stille Predigt für diesen Mann zu sein. Als wir in ein normales Zimmer verlegt wurden, bat er den Stationsarzt, mit mir in einem Zimmer bleiben zu können. So bekamen wir ein Zweibettzimmer und konnten noch ein Stück Leben miteinander teilen.
Er wurde einen Tag früher entlassen als ich. Es gab fast Tränen. Zum Abschied sagte er mir: „Ich habe bisher alle Christen für Heuchler gehalten. Was ich aber in diesen Tagen erlebt habe, hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass es doch echtes Christentum gibt. Ich werde die strahlenden Gesichter Deiner Besucher nicht vergessen und alles, was sie Dir an Liebe erwiesen!" Vor einigen Tagen rief er an weil er uns in Kürze besuchen will. Wir beten weiter für ihn.

@2006 Daniel-Verlag