Der erste Teil der Serie über „Haushaltungen“ war eine Einführung in die Thematik. Was sind Haushaltungen oder Verwaltungsarten eigentlich? Dieses Wort ist die Übersetzung des griechischen Wortes oikonomia. Wir haben gesehen, dass es darum geht, dass Gott mit den Menschen nicht in jeder Zeit in derselben Art und Weise handelt. Es wurde gezeigt, dass die Offenbarung Gottes und die Wege Gottes mit den Menschen nicht immer dieselben sind. Darüber hinaus wurde im ersten Teil auch noch ein Überblick über die sieben verschiedenen Haushaltungen gegeben.
Im zweiten Teil wird nun die Frage beantwortet: Bedeutet die Tatsache, dass es verschiedene Haushaltungen gibt zugleich, dass es verschiedene Wege der Errettung geben kann? Darüber hinaus wird erklärt, wie man die Bibel richtig lesen und „verstehen“ kann: akzeptiert man, dass sie (ganz wörtlich) das meint, was sie sagt, so entdeckt man „automatisch“, dass es verschiedene Haushaltungen gibt.
Gott hat zu verschiedenen Zeiten - oder in verschiedenen „Haushaltungen“ 1 in unterschiedlicher Weise mit den Menschen gehandelt. Diese Tatsache wird oft bestritten. Es müsse dann ja verschiedene Wege der Errettung geben, wird eingewendet. Aber stimmt das?
Natürlich wird heute ein Evangelium verkündigt, das es in anderen Haushaltungen nicht gab: das Evangelium der Gnade. Dieses sagt aus: Christus ist gestorben, begraben und auferstanden, das Werk der Erlösung ist vollbracht und von Gott anerkannt worden. Denn Gott hat Christus auferweckt und Ihm den Ehrenplatz zu seiner Rechten gegeben (Eph 1,20). Daher wird nun jedem das Heil in dem Herrn Jesus angeboten. Jeder kann errettet werden, und zwar aus reiner, unverdienter Gnade.
Was muss man dann tun, um diese Errettung zu bekommen? Gar nichts - nur Gott glauben. Mit anderen Worten:
Dieses Evangelium der Gnade kannten die Menschen im Alten Testament nicht. Wohl hatten die Propheten von Christus und von seinen Leiden gesprochen. Aber erstens hatten die Propheten selber kein volles Verständnis über die Bedeutung dieser prophetischen Voraussagen (1. Pet 1,11). Und zweitens konnte die Botschaft einer vollbrachten Erlösung noch gar nicht verkündigt werden, denn sie war noch nicht geschehen.
Wie konnten dann die Menschen im Alten Testament zu Gott kommen und gerechtfertigt werden? Nehmen wir einmal den Fall Abrahams: Wie konnte er gerechtfertigt werden? Über diese Frage lässt uns das Wort Gottes nicht im Dunkeln: Paulus beweist in Römer 4 am Beispiel Abrahams, dass auch die Gläubigen im Alten Testamen aus Glauben gerechtfertigt wurden, und nicht aus Werken (oder irgendwie sonst): „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“ (Röm 4,3).
Aber wie passt das nun zusammen? Nun, es gab natürlich einen Unterschied in dem „Glaubensinhalt“: Das, was Abraham glaubte, war nicht das Evangelium der Gnade Gottes (das kannte er nicht). Der gerade zitierte Vers gibt die Antwort: Abraham glaubte „Gott“. Die Offenbarung Gottes geschah nicht mit einem Mal, sondern in Fortsetzungen und zunehmend - bis Christus kam (Heb 1,1). Dementsprechend änderte sich auch die Botschaft Gottes im Lauf der Zeit, aber der Weg zu Gott bleibt in allen Zeiten derselbe: der Glaube.
Auch die Grundlage der Errettung bleibt unverändert: das Werk Christi am Kreuz von Golgatha. Aber, so mag man einwenden, das kannten die Menschen im Alten Testament doch noch gar nicht. Natürlich - sie nicht, aber Gott kannte es. Und Gott sah es im Voraus. Und im Blick auf dieses große Werk konnte er schon damals Sünden vergeben - und dennoch gerecht sein, denn ein Anderer würde diese Sünden der Glaubenden tragen.
Das wird klar ausgedrückt in Römer 3,25: Gott konnte diese „vorher“ geschehenen Sünden „hingehen lassen“ oder vergeben, weil Er damals schon Christus und den Wert des vergossenes Blutes im Blick hatte.
Was sich ändert im Lauf der Haushaltungen:
Was sich nicht ändert im Lauf der Haushaltungen:
Was bedeutet ein Satz? „Dumme Frage!“, werdet Ihr sagen. „Genau das, was er auch aussagt!“ Nun gut, dann frage ich weiter: Was bedeutet ein Wort? „Noch dümmere Frage!“, werdet ihr sagen. „Natürlich genau das, was dieses Wort sonst auch bedeutet - ist doch klar!“ Und wenn ein Wort mehrere Bedeutungen haben kann, z.B. ein „Ton“: Es kann sich auf einen Laut oder auf eine Farbe beziehen? „Nun“, werdet ihr sagen, „dann entscheidet natürlich der Zusammenhang“.
Das alles sind ganz einfache Regeln der „Hermeneutik“, also des Verstehens von Sprache. Die meisten von uns haben vielleicht noch nicht einmal darüber nachgedacht und dennoch beachten sie diese Regeln tagtäglich in Gesprächen, Briefen, Dokumenten, E-Mails, usw.
Wie kommt es dann, dass diese einfachen Regeln plötzlich so schwierig zu sein scheinen, wenn es um das Verständnis bestimmter Bibelstellen geht? Ohne weiter auf Einzelheiten einzugehen, nur ein paar Beispiele, die uns zeigen, was dabei „herauskommt“, wenn man diese Grundregeln nicht beachtet:
Grundsätzlich ist man zwar einverstanden, dass man die normalen Regeln des Textverständnisses anwendet, aber man macht oft Ausnahmen, gerade wenn es um die prophetischen Bücher geht. Woran liegt das?
Es gibt eine ganz einfache Antwort: Die Propheten des Alten Testamentes hatten vorhergesagt, dass das Volk Israel wieder gesammelt und in das Land Israel zurück gebracht werden würden, und dass der Messias dort von Jerusalem aus über sie und über alle anderen Staaten (‚Nationen') regieren würde. Außerdem hatte Christus versprochen wieder zu kommen, und zwar
Doch haben sich diese Prophezeiungen bis heute nicht erfüllt.
Petrus hatte vorhergesagt, dass Spötter fragen würden, wo eigentlich „die Verheißung seiner Ankunft“ bleibe (2. Petrus 3,3.4). Es sollte nicht lange dauern, bis selbst herausragende christliche Führer anfingen, an diesen Verheißungen zu zweifeln. Selbst der bekannte Kirchenvater Augustinus (352-430) verwarf, was er vorher gelehrt hatte, nämlich dass Christus buchstäblich wiederkommen würde und ein wirkliches 1000-jähriges Reich aufrichten würde. Mit anderen Worten: Da bestimmte Prophezeiungen sich nicht erfüllt hatten, folgerte man, dass Gott sie nicht so buchstäblich gemeint haben konnte und dass sie sich stattdessen wohl schon erfüllt hätten - in irgendeinem übertragenen Sinn, in einer „geistlichen“ Bedeutung. Aber ist es fair, Gottes Wort so zu behandeln?
Nehmen wir an, der Postbote bringt mir einen dicken Brief. Aber anstatt diesen Brief zu öffnen und sorgfältig durchzulesen, gehe ich wie folgt vor: Ich schaue mir den Absender an. Da ich den Absender recht gut kenne, weiß ich eigentlich schon (so meine ich), was in diesem Brief steht. Ich male mir genau aus, was der Brief sagen will. Dann öffne ich den Brief. Ich fange an zu lesen. Dabei komme ich an einen merkwürdigen Satz, der nicht so recht zu dem passt, was ich mir vorher überlegt hatte. Also entscheide ich, dass etwas anderes gemeint sein muss und fange an, den Wörtern nach und nach andere Bedeutungen zu geben ... - bis der Satz genau (oder nahezu genau) das aussagt, was ich mir vorher überlegt hatte!
Wer kann nur auf solch eine Idee kommen? Nun, man kann sich hier leicht täuschen. Wie schnell geschieht es, dass man „voreingenommen“ ist. Und wenn dann eine Bibelstelle nicht „passt“, dann biegt man eben so lange, bis sie passt ... Wenn man von der Prämisse (Annahme) ausgeht, dass alle Prophetie schon erfüllt ist, dann muss die betreffenden Stellen „vergeistlichen“. Wenn es beispielsweise heißt: „Und der Wolf wird bei dem Lamm weiden“ (Jes 11,6), dann hat man nur zwei Möglichkeiten: Entweder, man gibt zu, dass diese Prophezeiung noch nicht erfüllt ist, oder man fängt an, sie zu vergeistlichen und schreibt den Satz um, etwa so: „Und es wird Friede sein“, oder „Und der Gläubige soll nicht zu Schaden kommen“ (wobei eigentlich selbst das heute noch nicht zutrifft).
Es geht mir nicht darum, mich über andere Gläubige oder über Bibelausleger lustig zu machen, ganz bestimmt nicht. Aber wir müssen doch sehen, wie gefährlich es wird, wenn wir Texten ein falsches Schriftverständnis überstülpen und sie dann entsprechend falsch vergeistlichen und ihnen den wirklichen Sinn nehmen.
Natürlich gibt es in der Bibel viele Symbole, auch Gleichnisse usw. Aber das ist absolut kein Widerspruch. Wenn es sich um Symbole oder Gleichnisse handelt, müssen diese als solche verstanden werden. Aber wo der Zusammenhang nicht ganz deutlich und für andere nachvollziehbar ein Gleichnis oder eine Symbolik „verlangt“, bedeuten die Wörter genau das, was sie sonst auch bedeuten und nicht etwas ganz anderes (z.B. bedeutet „Israel“ nicht „Kirche“ oder „Versammlung“).
Aber, so wird mancher einwenden, haben denn die Dinge, die Israel betreffen, nicht auch eine geistliche Bedeutung für Christen? Ist die Wüstenreise Israels nicht ein Bild des Weges der Gläubigen durch eine geistliche Wüste? Und illustriert die babylonische Gefangenschaft nicht den Zustand der Christenheit heute, und steht die Rückkehr eines Überrestes aus dieser Gefangenschaft nicht für die Rückkehr einiger Christen zu biblischen Grundsätzen? Natürlich. Alle dies Anwendungen sind richtig und nützlich, wie 1. Korinther 10 klar zeigt (s. besonders Vers 11: „alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder … zu unserer Ermahnung“). Aber: in keinem Fall heben diese geistlichen Anwendungen die buchstäbliche Bedeutung auf.
Und genauso ist es mit der Prophetie: zunächst einmal ist Prophetie buchstäblich gemeint. Wenn Gott Israel verspricht, dass er ihnen das Land wiedergeben wird, auf das sie jedes Anrecht verloren hatten, dann ist das ganz buchstäblich zu verstehen. Dass wir diese Prophezeiungen für geistliche Anwendungen nutzen (etwa in dem Sinne, dass Gott uns segnet, obwohl wir keinerlei Anrecht hatten) ist durchaus legitim. Probleme gibt es, wenn man sagt, dass diese geistlichen Anwendungen die buchstäbliche Bedeutung ersetzen (‚Substitutionstheologie').
Dass auch Prophezeiungen zunächst einmal buchstäblich gemeint sind, wird gerade auch durch die schon erfüllte Prophetie bestätigt. Als Gott sagte, dass der Messias in Bethlehem geboren werden würde (Micha 5,1), da bedeutete Bethlehem eben Bethlehem und nicht „ein kleines Dorf“ oder etwas anderes. Interessanterweise verstanden die Schriftgelehrten das sehr genau (Mt 2,6). Ebenso verhält es sich mit den anderen Vorhersagen: Seine Hände und Füße wurden durchgraben (Ps 22,16), seine Kleider wurden verlost (Ps 22,18), in seinem Durst gab man Ihm Essig zu trinken (Joh 19,28–30) - alles ganz buchstäblich.
Der Prophet Jeremia traf drei Grundaussagen in Bezug auf „dieses Land“
Was bedeutet nun der Ausdruck „dieses Land“? Nach den normalen Regeln des Textverständnisses bedeutet es in allen drei Fällen dasselbe: der geographische Ort, das Land Israel. Man merkt hier ganz deutlich, wie man dem Propheten Jeremia Gewalt antun würden, würde man behaupten, dass „dieses Land“ in den ersten beiden Fällen das geographische Israel meint, im dritten Fall aber plötzlich als „geistliche Segnungen“ zu verstehen sei.
Sind wir nicht besser bedient, wenn wir einfach Gott vertrauen, dass Er auch die Verheißungen noch erfüllen wird, die bis heute unerfüllt geblieben sind?
Das prophetische Wort ist eben eine Lampe. Sie wirft Licht auf die Zukunft und auf unseren Weg bis dahin. Wir tun gut daran, auf dieses prophetische Wort zu achten (1. Pet 1,19). Und dazu gehört auch, dass man die Aussagen des prophetischen Wortes so nimmt und versteht, wie Gott sie uns gegeben hat, nämlich buchstäblich 3 und nicht „vergeistlicht“. Dann wird man schnell feststellen, dass Gottes Heilplan zwei große Teile beinhaltet: einen für Israel und einen für die Versammlung (Gemeinde, Kirche). Das möchte ich in Teil 3 dieser Serie zeigen.
Fußnoten