Diener Jesu Christi - Prof. D. Dr. Adolf Köberle Bekannte Persönlichkeiten berichten aus ihrem Leben, Kurt Heimbucher; Traugott Thoma

05/01/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Gottes Führungen in meinem Leben

Geboren bin ich am 3. Juli 1898 in Bad Berneck bei Bayreuth. Meine Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits kamen über drei Generationen hin aus evangelischen Pfarrfamilien im bayrischen und württembergischen Schwaben. Es war ein reiches Erbe, das die Aufgabe in sich schloß, das Überkommene in persönlicher Aneignung zu erwerben.
Eine fröhliche Jugendzeit
Der Vater, der sich Wilhelm Löhe und Hermann Bezzel nahe verbunden wußte, war ein Freund der Weltmission und hat den Sinn dafür schon früh in mir geweckt. Die Mutter war von immer gleichbleibender Herzensgüte und Zuverlässigkeit. Als ein überaus liebebedürftiges Kind hing ich sehr an ihr. Wenn das prophetische Wort von Gott sagt: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet", so besaß diese Zusage für mich unmittelbare Anschaulichkeit.
Wir waren fünf Geschwister, was ich immer als ein großes Glück empfunden habe. Spielend und wie selbstverständlich werden in der Kinderstube gelernt und eingeübt das Mitein-anderteilen, das Aufeinanderachthaben und Rücksiehtneh-men.
Wir wurden nicht streng, aber sorgfältig erzogen. Es gab damals noch das Abendgebetläuten um 18 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Spiele im Pfarrgarten alsbald abzubrechen und uns daheim einzufinden. Der Vater kam aus seinem Studierzimmer; wir standen in der Wohnstube um den runden Tisch, und dann wurde gemeinsam gesprochen: „Lieber Mensch, was soll's bedeuten, daß man tut die Glocke läuten? Es bedeutet abermal deines Lebens Ziel und Zahl Dieser Tag hat abgenommen, so wird auch der Tod herkommen. Lieber Mensch, so schicke dich, daß du sterbest seliglich. Ach, bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist.

Dein göttlich Wort, das helle Licht, laß ja bei uns auslöschen nicht. In dieser schwer betrübten Zeit verleih uns, Herr, Beständigkeit, daß wir dein Wort und Sakrament erhalten rein bis an das End." Unter der schwer betrübten Zeit konnte ich mir als Kind nichts so Rechtes vorstellen. Doch das Leben hat später reichlich dafür gesorgt, daß sich diese Worte für mich mit Inhalt füllten.
Meine Kindheit war reich an Spielfreude und geistiger Anregung. Neben dem abendlichen Vorlesen unter der Petroleumlampe wurde vor allem das Singen von Chorälen und Volksliedern eifrig gepflegt. Das Kirchenjahr mit der Fülle seiner herrlichen Lieder war uns völlig vertraut. Ohne Mühe lernten wir Vers um Vers kennen und behalten. Mir tun alle Kinder leid, die heutzutage davon nichts mehr mitbekommen. Ich frage mich oft, wie sie mit dem Leben fertig werden wollen ohne eine solche eiserne Ration. Im Blick auf die frühe Jugendzeit kann ich nur bekennen, es war eine besonnte Vergangenheit. Als einer, der viel empfangen hatte, durfte ich das alles dann noch einmal an die eigenen 5 Kinder weitergeben.
Immer hatte es mich mit Dank erfüllt, daß ich in München, Memmingen und Augsburg ein humanistisches Gymnasium besuchen durfte, das mir eine gediegene Ausbildung in den Fächern Latein und Griechisch, Deutsch und Geschichte vermittelte. Um den naturwissenschaftlichen Unterricht freilich war es damals schlecht bestellt, was ich zeitlebens als Mangel empfunden habe. Mein Vater, der seinen Sohn gut kannte in der Neigung, leicht verzagt zu sein und den Mut zu verlieren, gab mir am Palmsonntag 1912 als Konfirmationsspruch auf den Lebensweg ein Wort aus dem 1. Korintherbrief, Kapitel 16, 13 mit: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark."

Mit 18 Jahren wurde ich Soldat, nachdem ich kurz zuvor den Vater allzu früh verloren hatte. Der 1. Weltkrieg führte mich an die Fronten in Rumänien und nach Frankreich. Das schaurige Todeserlebnis der Großkampfschlachten hat entscheidend auf meine Berufswahl eingewirkt, nachdem ich zuvor der Literaturgeschichte und der Musikwissenschaft zuge neigt war. Im Frühjahr 1918 hatte ich an der Westfront als vorgeschobener Beobachter meiner Batterie beschädigte Telefonleitungen zu flicken, während die amerikanischen Brisanz-granaten ringsumher einschlugen. Da lernte ich beten und danken: „In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet."

Das Studium der Philosophie und Theologie führte mich an die Universitäten München, Erlangen und Tübingen. Ich wurde Mitglied der Deutsch-christlichen Studentenvereinigung (DcSv), deren Ursprung auf eine amerikanische Erwek-kungsbewegung zurückgeht. Den weitaus größten Segen empfing ich während meiner Studienzeit durch den Tübinger Professor Karl Heim. Seine Vorlesungen und Predigten und wiederholte seelsorgerliche Aussprachen haben recht eigentlich mein Wesen geprägt und zum Durchbruch im Leben des Glaubens verholfen. Heim vereinigte in seiner Person umfassende geistige Bildung mit einer schlichten Herzenfrömmig-keit. Besonders imponierte mir, wie vornehm er in ehrfürchtiger Einfühlung und ohne jede Gehässigkeit auch außerchrist-liches Gedankengut darzustellen vermochte, getreu seinem Grundsatz: „Wer viel streitet, betet wenig!"

Im Dienst für Jesus
Nach abgeschlossenem Studium stand ich vier Jahre lang im Dienst der Evangelisch-lutherischen Landeskirche von Bayern. Als junger Pfarrer in Augsburg wurde mir unter anderem auch die Seelsorge an dem Untersuchungs- und Strafvoll-streckungsgefängnis, reichlich früh für mein Alter, anvertraut. Aus zahlreichen Geständnissen drängte sich mir die Einsicht auf, was für eine traurige Rolle der Alkohol im Leben der Männer und Frauen gespielt hatte, die straffällig geworden waren. Grund genug für mich, daß ich von da an abstinent wurde. Als Religionslehrer an Höheren Schulen in München durfte ich erleben, daß ganze Schulklassen bereit waren, im Unterricht mitzugehen, wenn ihnen die großen Taten Gottes im Alten und Neuen • Testament in farbiger Anschaulichkeit nahegebracht wurden.


Mit 26 Jahren wurde ich nach Leipzig berufen, um dort als Seminarleiter junge Menschen für den Missionsdienst in Ostafrika und Südindien auszubilden. Herzbeweglich war das Abschiednehmen von den Schülern, wenn sie nach abgeschlossener Prüfung von der Leitung für das eine oder andere Missionsfeld bestimmt worden waren. Die ganze Hausgemeinde begleitete sie zu den Zügen nach Hamburg oder Genua. Die große Leipziger Bahnhofshalle hallte wider von dem Gesang, mit dem wir das Geleit gaben: „Zieht im Frieden eure Pfade. Mit euch des großen Gottes Gnade und seiner heiligen Engel Wacht. Wenn euch Jesu Hände schirmen, geht's unter Sonnenschein und Stürmen getrost und froh bei Tag und Nacht. Lebt wohl, lebt wohl im Herrn! Er sei euch nimmer fern spät und frühe! Vergeßt uns nicht in seinem Licht und wenn ihr sucht sein Angesicht!"

Trotz einer Vielzahl von Unterrichtsfächern ermöglichten mir die Leipziger Jahre, das erste Buch zu schreiben. Es trug den Titel „Rechtfertigung und Heiligung" und hatte sich zur Aufgabe gesetzt, Gottes vergebendes und befreiendes Handeln in Jesus Christus darzustellen in ständiger Auseinandersetzung mit der Theologie der Gegenwart, die in den Zwanziger Jahren dazu neigte, bald nur der einen oder anderen Seite des göttlichen Heilshandelns Raum zu geben. Das Buch erlebte rasch mehrere Auflagen und wurde in die französische und englische und japanische Sprache übersetzt. Das Thema Vergebung und neues Leben hat mich seitdem nie mehr losgelassen. Ich habe es in größeren Zeitabständen noch zweimal erneut in Angriff genommen.

Zum Frühjahr 1930 wurde ich als Professor an die Theologische Fakultät der Universität Basel berufen. Die neun Jahre dort habe ich immer als eine besonders freundliche Fügung und Führung Gottes empfunden. Während in der deutschen Heimat auch redliche Christen den Durchbruch des Nationalsozialismus als eine große Hoffnung begrüßten, war es mir von der Schweiz aus möglich, das Böse und Gefährliche dieser Bewegung, die Häufung von Unrechtstaten von Anfang an zudurchschauen. Es war nicht mein Verdienst, daß ich infolgedessen nie auf den Gedanken kam, mich der Partei als Mitglied anzuschließen.

Eine lebhafte Freundschaft verband mich in Basel mit dem damaligen Missionsdirektor Karl Hartenstein und mit Erich Schick, der als Dozent am Missionsseminar lehrte. Beide waren charismatische Persönlichkeiten von hoher geistiger Begabung und weitblickender Reichsgottesgesinnung. Vertretungsweise habe ich neben der Hochschultätigkeit auch einige Jahre an der Evangelistenschule in St. Chrischona mit unterrichtet. Ab Herbst 1935 wurde Karl Barth mein Kollege im gleichen Fach der Systematischen Theologie. Barth war in Bonn entlassen worden, weil er sich geweigert hatte, die vorgeschriebene Eidesformel auf Hitler zu leisten. Seine Geburtsstadt nahm ihn mit jubelnder Begeisterung auf. Für mich war es nicht immer leicht, im Schatten seiner prachtvollen Wirksamkeit zu stehen.

Karl Heim, der mir Lehrer und Freund geworden war, wurde auf Frühjahr 1939 aus Altersgründen in den Ruhestand versetzt. Es war sein lebhafter Wunsch, daß ich sein Erbe in Tübingen übernehmen möchte. Es war für mich ein schwerer Entschluß, Basel zu verlassen am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, den man von der Schweiz aus mit Sicherheit kommen sah, während in Deutschland die verführten und irregeleiteten Massen immer noch an den Friedenswillen des ‚Führers' glaubten. Ich habe es trotzdem nicht bereut, die Berufung nach Tübingen angenommen zu haben, wo ich dann 26 Jahre lang den Schwerpunkt meiner Lebensarbeit finden durfte. Nachdem die Kriegsangst und das Elend der Nachkriegszeit überstanden waren, konnte sich das Leben an der Hochschule frei und blühend entfalten. An die Stelle der materiellen Nöte und Kämpfe traten jetzt die schweren geistigen Auseinandersetzungen mit der Theologie Rudolf Bultmanns, mit der gesellschaftspolitischen Ethik und der fragwürdigen ‚Theologie nach dem Tode Gottes'.
In meinen Vorlesungen und Seminarübungen habe ich mir ein dreifaches Ziel gesetzt. Ich war darum bemüht, nicht nur ein Kopfwissen vorzutragen, sondern auch das Herz mitsprechen zu lassen. Christlicher Glaube ohne eigene Hinweise auf die persönliche Erfahrung hat keine Überzeugungskraft. Theologie als Selbstzweck ist mir immer ferngeblieben. - Ich wußte mich in meiner Lehrtätigkeit stets dafür verantwortlich, junge Menschen für den Dienst an den Gemeinden auszurüsten. Gerhard Tersteegen hat den Christenstand gerne mit einem Zirkel verglichen. Der innere Arm darf nicht wak-keIn. Er muß fest in Jesus Christus gegründet sein, sonst ist alles verdorben. Der äußere Arm mag dann weite Bögen schlagen und alles zu dem von Gott bestimmten Mittelpunkt in Beziehung setzen. - In diesem Sinn war auch ich darum bemüht, das unverkürzte Evangelium und die geistigen Strömungen der Zeit miteinander ins Gespräch zu bringen. Nicht alle haben diese Art zu schätzen gewußt, es hat aber auch an dankbarem Echo nicht gefehlt.

Unter Gottes Führung
Im Alter von 67 Jahren habe ich mich in den Ruhestand versetzen lassen und bin in die bayrische Heimat nach München zurückgekehrt. Ich verlor nach 44jähriger Ehe meine geliebte Frau, blieb 8 Jahre verwitwet und durfte dann noch einmal eine Lebensgefährtin finden, die mir hilfreich zur Seite steht. Ich bin auch im hohen Alter bei guten Schaffenskräften geblieben, das Gehör freilich hat schmerzlich nachgelassen. Um so mehr erfüllt es mich mit Dankbarkeit gegen Gott, daß die Augen noch immer ihren guten Dienst tun, so daß ich unbegrenzt lesen und schreiben und manches im Dienst des Reiches Gottes veröffentlichen kann.

Aus dem Alten Testament ist mir wichtig geworden: Ich habe vieler Dinge ein Ende gesehen (Ps. 119, 96), und es hat alles seine Zeit (Pred. 3, 1 f.), Lachen und Weinen, Geliebtwer-den und von Geliebtem Abschied nehmen müssen, jung und leistungsfähig sein und im Alter an seine Grenzen kommen. Das Wissen darum macht stille, geduldig und gelassen. - Von M. Luther habe ich gelernt, wie hilfreich sein Ratschlag ist: Gott in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken. Aus dem Herzen gesprochen ist mir der Vers von Paul Gerhardt: „Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken, seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund. 

Sein Heil und Gnaden, die nehmen nicht Schaden, heilen im Herzen die tödlichen Schmerzen, halten uns zeitlich und ewig gesund." - Das Bild Jesu hat mich von der Kindheit an begleitet. Oft waren es ganz bestimmte Worte, die zu Zeiten mit besonderer Eindringlichkeit zu mir gesprochen haben. Wider den Sorgengeist half mir: „Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe, denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen" (Matth. 6, 34). Wenn sich zornige Anwandlungen meiner bemächtigen wollten, traf mich der Ruf Jesu: „Wisset ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid?" (Luk. 9,54).

Ich hatte das Studium und den Beruf der Theologie gewählt in der naiven Zuversicht, ich würde dadurch in einen Kreis gleichgesinnter Jünger kommen, und fiel aus allen Wolken, als ich erleben mußte, wieviel Zank und Streit, wieviel hartes, liebloses Richten auch unter Christen möglich ist. Und wieder war es ein Wort Jesu, das mir Beistand leistete, wo er in der Gleichnisrede den eilfertigen Knechten, die das Unkraut ausraufen möchten, zuruft: „Laßt beides miteinander wachsen bis zur Ernte" (Matth. 13,30). All unsere menschlichen Zensuren sind zuletzt doch vorläufiger Art. Der Herr allein ist es, dem das Gericht zusteht.

Im Zusammenhang damit ist mir ein Wort von Zinzendorf kostbar geworden: „Wenn Jesus seine Gnadenzeit bald da, bald dort verklärt, so freu dich der Barmherzigkeit, die andern widerfährt. Wenn er dich aber brauchen will, so steig in Kraft empor, wird Jesus in der Seele still, so nimm auch du nichts vor." Wie traurig ist es, wenn wir uns nicht mitzufreuen vermögen über alles, was Gott anderen in seinem Dienst gelingen läßt. Jede Art von verengtem Konfes-sionalismus ist mir darum immer fremd und fern geblieben.
In meiner Vaterstadt Memmingen im Allgäu lebte im Re-formationsj ahrhundert in dem dortigen Augustinerkloster ein Mönch mit dem Namen Georg Spenlein. Von vielen inneren Anfechtungen geplagt, wandte er sich an Martin Luther in Wittenberg um Rat und Hilfe. In einem berühmt gewordenen Brief schrieb ihm der Reformator: „Lieber Bruder, an dir selbst verzweifelnd, lerne sprechen: Du, Herr Jesu, bist meine Sünde, und ich bin deine Gerechtigkeit. Du hast mir genommen, was mein war, und hast mir gegeben, was dein war." 450 Jahre später habe auch ich mir diese Worte zu eigen gemacht. Sie umschreiben in einzigartiger Klarheit, daß das Wesen des Glaubens ein ständiger Tausch und Wechsel ist zwischen Christus und dem eigenen armen, argen Herzen. „Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt" (Jes. 53,5).

So gewiß der Umgang mit dem biblischen Wort, das tägliche Gebet und die Verbundenheit mit dem erhöhten Christus für mich die eigentlichen Quellen der Kraft sind, so sei doch offen bekannt, daß ich nicht nur aus dem Reich der Erlösung, sondern auch aus dem wunderbaren Reich der Schöpfung ständig eine Fülle von Beschenkungen empfange. Da ist die
Freude an der Natur, das Glückserlebnis der Musik, die Sprache großer Dichtung in Lyrik und Prosa, was Leib, Seele und Geist frisch und gesund erhält. Ein Christenleben, das den ersten Glaubensartikel vernachlässigt, muß verkümmern. Wir sind dazu berufen, aus der Fülle des dreifaltigen Gottes zu schöpfen. 

Natur und Gnade sind für mich zusammengefaßt in dem schlichten Tischgebet: „Zwei Dinge, Herr, sind not, die gib nach deiner Huld: Gib uns das täglich Brot, vergib uns unsre Schuld."
Im Altem kann es geschehen, daß uns die Erinnerung an eine Schuld jäh überfällt. Vielleicht haben wir jahrzehntelang die Gedanken daran beharrlich zurückgedrängt und verdrängt. Am Abend des Lebens aber meldet sich erneut, was wir an anderen versäumt haben. 

Die bittere Reue des Zuspät kann den Menschen im Alter dermaßen quälen, daß er in Zustände tiefster Verzweiflung versinkt. Für diese Anfechtung des Herzens gibt es nur ein Heilmittel. Es ist die Zuflucht zu der Barmherzigkeit Gottes, die er uns in Jesus Christus erschlossen und zugesagt hat. Es kommt ja keiner durch das Leben mit unversehrtem Gewissen. Wir aber dürfen uns an die Zusage halten: „So uns unser Herz verdammt, ist Gott größer als unser Herz und vergibt uns."
Wenn überhaupt in einem Lebensalter, dann sollte der Mensch spätestens am Ende seiner Lebenstage den Weg zu Gott hin suchen und finden. Das Alter hilft uns dazu, dadurch, daß vieles ganz von selbst abklingt und zurücktritt, was uns in der Mitte des Lebens absorbiert und fasziniert hatte. Gleichwohl sollte niemand die Hinwendung zu Gott auf den späten Lebensabend verschieben, denn wir wissen ja nicht, ob wir zu hohen Jahren kommen werden, und gleich gar nicht können wir damit rechnen und darauf bauen, daß uns dann auch noch alle Kräfte des Geistes, der Seele und des Willens zur Verfügung stehen werden, um die ewige Berufung festzumachen. 

Auf alle Fälle sollte der Mensch im Alter Frieden schließen mit Gott, mit dem Nächsten und mit sich selbst. Nur keine Bitterkeiten, keine Empörungen und Unversöhnlich-keiten auf die letzte Reise mitnehmen. Das alles wäre unnützes Gepäck, das uns bei dem Durchgang durch die enge Pforte nur hindern und aufhalten würde. Von Jakob Böhme stammen die beachtenswerten Worte: „Du mußt manchen Tod zuvor sterben, wenn dir der letzte glücken soll. Wer nicht stirbt, ehe er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt."
Altwerden heißt, sich zur letzten Reise rüsten. „Ein Tag, der sagt's dem andern, mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. 0 Ewigkeit, du schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit." Es gibt in unseren Tagen vielerlei Angebote, die über das Leben nach dem Tod allerlei geheimnisvolle Aufschlüsse geben. Der christliche Glaube hat solche Geheimwissenschaften nicht nötig. Es genügt ihm, daß er sich an die Worte Christi halten darf: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben. Euer Herz erschrecke nicht. Glaubet an Gott und glaubet an mich. In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen." Die Angst vor dem Sterben, die Schrecken des Todes verlieren ihre Gewalt, wenn wir uns an den Fürsten des Lebens halten, der dem Tod die Macht genommen und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht hat. Prof. D. Dr. Adolf Köberle

Quelle ISBN: 9783880022324
Format: 20,5 x 13,5 cm
Seiten: 144
Gewicht: 224 g
Verlag: Liebenzeller Mission
Erschienen: 1984
Einband: Paperback