O Schriftsteller

Gedanken zum Schöpfungsbericht, Dr. W. J. Ouweneel

12/08/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Mit der babylonischen Sprachenverwirrung begannen für alle Völker die Zeiten der Unwissenheit (Apg 17, 30; vergl. 14, 16). Es blieb ihnen keine ändere Kenntnis Gottes als das Zeugnis der Schöpfung (Röm 1, 20) und des Gewissens (Röm 2, 14. 15) und die Erinnerung an die Sintflut, d. h. an einen Gott, der das Böse straft. Aber statt diesen Gott als Schöpfer und Richter zu verehren, "verfielen sie in ihren überlegungen in Torheit, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert", so daß sie begannen, anstelle des e i n e n Schöpfers viele Geschöpfe zu verehren (Röm 1, 21‑23). In dieser selben Finsternis befand sich auch das Volk Israel. In Ägypten diente es den Götzen (Hes 20, 5‑9) und hatte wenig oder gar keine Kenntnis von dem wahren Gott. Es bewahrte höchstens die Erinnerung an die unbereubaren Verheißungen Gottes den Vätern gegenüber und an Seine Wege mit ihnen.

Aber als Gott in der Passahnacht das Gericht von diesem Volke abwendete und es durch das Rote Meer hindurch aus dem Schmelzofen Ägypten erlöste, wurde alles anders. Er hatte Israel erwählt, Ihm zum Eigentumsvolk zu sein aus allen Völkern, die auf dem Erdboden sind (5. Mo 7, 6), und um es zu pflanzen auf den Berg Seines Erbteils (2. Mo 15, 17). Aber ehe Jehova dies tat, brachte Er es erst zu einem anderen Berg, dem Sinai, um sich ihnen dort kundzutun. "Ich bin Jehova, dein Gott, der ich dich herausgefÜhrt habe aus dem Lande Agypten, aus dem Hause der Knechtschaft. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir" (2. Mo 20, 2. 3). Was für ein machtvolles Zeugnis gab dieser Gott dort dem bangen, sündigen Volk von Sich selbst! Und Er tat es durch Seinen Knecht Mose, den Mann, zu dem Jehova sprach "von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet" (2. Mo 33, 11). Solch ein vertrautes Verhältnis zwischen einem Menschen und seinem Gott ließ Mose zu dem Instrument werden, durch das dem Volke die Worte Gottes verkündigt wurden.

Aber was noch viel bemerkenswerter ist: Gott gebrauchte ihn auch, um Seine Wege niederzuschreiben, die Er mit dieser Erde gegangen war, ehe Israel bestand. Das haben wir im 1. Buch Mose. Es ist die Offenbarung (in erster Linie für Israel bestimmt um ihm die Torheit und die Abscheulichkeit der Abgötterei zu zeigen) des einen wahren Gottes, durch dessen Wort die Welten bereitet wurden. Ferner offenbart es, wie durch den Ungehorsam des ersten Menschenpaares die Sünde in die Welt kam. Dann ‑in großen Zügen ‑ wie Gott ihre Nachkommen ihrer eigenen Verantwortlichkeit überließ, was dann zur Sintflut führte. Danach die Sünde Noahs, die Sünde Babels, die Zerstreuung der Menschheit und die Erwählung Abrahams.

 Mit diesem letzten beginnt eigentlich schon die Geschichte Israels. Aber wie wichtig ist alles, was vor diesem Zeitpunkt stattgefunden hatte (l. Mo 1‑11). Mögen die Neomodernisten die geschichtliche Echtheit dieser Kapitel auch verwerfen, sie dürfen nicht erwarten, dann noch etwas Vernünftiges über den Ursprung und die Geschichte Israels vorbringen zu können. Mit großer Genauigkeit teilt Jehova mit, was der Berufung Seines Volkes voraufging und zu dieser Berufung führte. Und Er tat es durch Mose ‑ wir haben dafür das Zeugnis des Herrn Jesus und der Apostel. Und Er kann es nur zur Zeit der Wüstenreise getan haben, nach der wunderbaren Offenbarung des e i n e n Gottes Seinem auserwählten Volk gegenüber, während Er alle anderen Völker in der Dunkelheit der Abgötterei ließ.

Was für eine Torheit der Historiker, daß der Monotheismus (Glaube an einen einzigen Gott) sich aus dem Polytheismus (Vielgötterei) entwickelt haben soll! In Wirklichkeit offenbart Gott selbst uns in Seinem Wort, daß der eine wahre Gott im Anfang alle Dinge schuf, daß aber die Menschen nach der Sintflut die Verherrlichung des einen Schöpfers ersetzt haben durch die Verehrung vieler Götzen, die im Grunde nichts anderes als Dämonen sind (5. Mo 32, 17; 1. Kor 10, 20), also Geschöpfe, und dargestellt werden durch Abbildungen von Menschen oder Tieren. So begreifen wir auch das Entstehen der babylonischen Schöpfungsgeschichte, die man in Keilschrift auf alten Tontafeln gefunden hat. Der Unglaube hat behauptet, der biblische Schöpfungsbericht sei hieraus entstanden und in seiner endgültigen Form während der Babylonischen Gefangenschaft abgefaßt worden. Aber Unglaube ist immer blind. In Wirklichkeit verhält es sich ja genau umgekehrt! 

Die babylonische Überlieferung ist ein treffendes Bild davon, wie die Kenntnis des wahren Gottes nach der Sintflut verdunkelt und mit dämonischen Vorstellungen vermengt worden ist; diese Überlieferung ist also entstanden aus der Wahrheit, die in 1. Mose 1 vorgestellt wird, und nicht umgekehrt. Die Wissenschaft und die Tontafeln bestätigen nicht die Wahrheit der Schrift, sondern umgekehrt: die Schrift entscheidet, was an dem Weltbild der alten Weisen und der modernen Gelehrten wahr ist und was nicht. 1. Mose 1 ist die Wahrheit Gottes. Die Völker von altersher bis heute haben diese Wahrheit verdorben und die Dämonen mehr verehrt als den Schöpfer.

Aus dieser Welt der Abgötterei führte Gott Abraham (Jos. 24, 2. 3) und ebenso Israel hinaus. Aber es war ein Volk, das nicht besser als andere Völker war. Bis zur Wegführung hielten sie am Götzendienst fest. Und obwohl "das Haus" Israel seither "leer" ist, "gekehrt und geschmückt" (weil kein Götzendienst mehr da ist, wenn auch nichts anderes an seine Stelle trat), wird der Dämon der Abgötterei in den Tagen des Antichristen ärger als je zuvor nach Israel zurückkehren (Matth 12, 43‑45). Aber selbst in jener Zeit wird Gott aufrechterhalten, was Er vor 3400 Jahren im ersten Buch Mose bezeugte: "Fürchtet Gott und gebet ihm Ehre ... und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das Meer und die Wasserquellen" (Offb 14, 7).

 Wie wichtig ist darum Gottes Zeugnis in 1. Mose 1‑111 Es zeigt uns, wer Gott in Seiner Größe als Schöpfer und Richter ist, und es zeigt uns, wer der Mensch ist ‑gut aus der Hand Gottes hervorgegangen, aber in Sünde gefallen. Und nicht nur mußte Gott durch Mose die Geschichte des Menschen bis auf Abraham offenbaren, sondern 1. Mose 1 mußte dem notwendigerweise voraufgehen. Es war von der größten Wichtigkeit, daß sie verstanden: nichts von allem, was in den Himmeln und auf der Erde ist, ist ewig; es ist "nur" Erschaffenes, ge

begegnen wir erst in 2. Mose 14, 13, wo Jehova im Begriff ist, Sein Volk durch das Meer aus Ägypten zu erlösen, um es zu Seiner Wohnstätte zu bringen. Auch dieses, einen Gott, der bei den Menschen wohnt, finden wir nicht im ersten Buch Mose. Gott wohnte nicht bei Adam, nicht bei Henoch, nicht bei Abraham, sondern Er wohnte bei Israel. Das Fehlen dieser Wahrheiten im ersten Buch Mose wird je­doch "aufgewogen" durch eine Menge von Vorbildern, die, erläutert durch das Neue Testament, ihr Licht auf diese Wahr­heiten vorauswerfen. Von diesem Reichtum an Vorbildern dürfen wir gleich in 1. Mose 1 vollauf genießen.

Aber die eigentliche Offenbarung ist: die Zubereitung einer Erde, auf der der erste Adam auf die Probe gestellt werden soll. Schöpfung steht also im Gegensatz zu Gnade, weil sie mit Verantwortlichkeit verbunden ist. Die Gnade erhebt jemanden über die erste Schöpfung und macht ihn zu einer neuen Schöp­fung, jetzt dem Geiste nach, bald auch dem Leibe nach. Der erste Adam versagt unmittelbar, als die Prüfung kommt. Aber dies gibt gleichzeitig Anlaß zur Entfaltung einer neuen Wahr­heit ‑ wenigstens im ersten Ansatz ‑ nämlich der der Süh­nung, der "Bedeckung" durch die Haut eines unschuldigen, stellvertretenden Opfers. Die weitere Entfaltung dieser Wahr­heit im Verlauf der Schrift zeigt, daß die Verbindung mit dem zweiten Adam (in der neuen Schöpfung) eine viel höhere und herrlichere Stellung einschließt, als in dem ersten Adam (der ersten Schöpfung) je besessen wurde.

Wenn wir über alle diese Punkte nachdenken, lernen wir besser sehen, was der Charakter von 1. Mose 1 ist. Es ist viel darüber gestritten worden, wie wir den biblischen Schöp­fungsbericht lesen müssen, aber um es noch einmal zu sagen: die rechte Auslegung finden wir nur in Verbindung mit dem ganzen Inhalt der Schrift. Im allgemeinen hat man angenom­men, die Bibel gebe die Entstehung der Welt in 1. Mose 1 auf eine der drei folgenden Weisen wieder: Erstens hat man be­hauptet, 1. Mose 1 sei ein G e d i c h t , eine Hymne, in der die Größe und Majestät Gottes besungen werde. Im Rahmen einer Anzahl poetischer, harmonisch geordneter Bilder (die wenig oder gar keine historische Bedeutung haben) werde uns vorgestellt, wer Gott ist und wie Er hinter allen Dingen steht. Zweitens kann man behaupten, 1. Mose 1 sei eine rein historische Beschreibung, die genau wiedergebe, auf welche Weise Himmel und Erde zustande gekommen sind. Drittens ist die Annahme denkbar, 1. Mose 1 sei eine naturwissen ‑schaftliche Abhandlung, die Art und Ursprung aller Dinge erklärt. Welche dieser drei Auffassungen ist nun die richtige? Es gibt nur eine Antwort: keine von den dreien.

1. Mose 1 ist keine Hymne oder Rahmenerzählung. Die modernen Theologen hätten kaum eine törichtere Auffassung über das erste Kapitel der Bibel vorbringen können, um deut­licher ihre Unkenntnis der Schrift zu verraten. Der poetische Stil ist im Hebräischen und sogar in unseren Übersetzungen sehr leicht zu erkennen. Er hat einen gewissen Rhythmus und ist voll blumenreicher Sprache. Psalm 104 und Hiob 38 sind solche dichterischen Abhandlungen über die Schöpfung. Aber 1. Mose 1 ist Prosa, genau wie der Rest des Buches. Gewiß, es hat einen erhabenen Stil, denn es spricht in der Tat von der Größe Gottes. Aber es besingt diese Größe nicht, es spricht nicht direkt davon. Wir müssen diese Größe indirekt aus der schlichten Beschreibung der Taten Gottes ableiten.

1. Mose 1 hat durchaus nicht den direkten Zweck zu sagen: Sieh nur, wie groß und mächtig Gott ist! Das tun Psalm 104 (der Mensch Gott gegenüber) und Hiob 38 (Gott dem Men­schen gegenüber). Aber wie wir gesehen haben: 1. Mose 1 lehrt uns zuallererst, daß Gott über die Schöpfung erhaben ist, denn Er war da, ehe die Schöpfung war, und die Schöpfung ist durch Ihn geworden. Und zweitens: dieser Gott hat in sechs Tagen alles so zubereitet, daß ein idealer Lebensraum entstand, in den der erste Adam gestellt und in dem er erprobt werden konnte. Es ist durchaus nicht so, daß der Mensch hier Gott und Seine Werke besingt, sondern umgekehrt: Gott spricht und offenbart durch Inspiration das, was der Mensch unmöglich wissen und entdecken konnte, nämlich auf welche Weise Er alles vollkommen gut gemacht hat, ideal für den Menschen, daß er darin auf die Probe gestellt werden konnte.

So verstehen wir auch, warum die zweite und die dritte an­geführte Auffassung falsch sind. Nirgendwo in der ganzen Schrift gibt Gott eine rein historische oder wissenschaftliche Abhandlung über irgend etwas, als ginge es um die Geschichte oder die Wissenschaft selber. In dieser Hinsicht haben die Modernisten recht: es geht in der Schrift nicht um die nack­ten historischen oder wissenschaftlichen Tatsachen, sondern um die "Botschaft" ‑ aber das ist dann auch eine Binsen­wahrheit. Natürlich ist es Gottes Absicht nicht, uns Geschichte oder Naturwissenschaft zu lehren, wie wir sie in der Schule lernen, sondern Er möchte uns S e i n e Wege und Gedanken zu erkennen geben. Das sehen wir zum Beispiel deutlich in den Evangelien, die nicht einen rein historischen Bericht von dem Leben des Herrn Jesus geben wollen, sondern eine Botschaft predigen, der die Tatsachen dienstbar gemacht sind (siehe z. B. Joh 20, 30. 31).

Aber aus diesem wichtigen und naheliegenden Grundsatz wird in der modernen Theologie ein absurder Schluß gezo­gen, auf den leider viele hereinfallen. Der Grundsatz, daß es in der Schrift nicht um die historischen und naturwissenschaft­lichen Fakten als solche geht, bedeutet durchaus nicht, daß die Tatsachen, wie die Bibel sie berichtet, darum vielfach unzuver­lässig und unrichtig sind. Es geht in der Bibel nie um die bloßen Tatsachen selbst, aber wenn Gott sie mitteilt, sind sie immer richtig! Das ist wesentlich. 1. Mose 1 ist nicht ohne weiteres ein historischer Bericht, denn dafür ist er viel zu kurz gefaßt und ‑ was noch auffallender ist ‑ zu sehr ausgewählt. 

Eine gewisse Art von Tatsachen wird beleuchtet, nämlich die, die Gottes Absicht deutlich machen: das Zubereiten der Erde als Ort der Erprobung für den ersten Adam. Gott nennt nur die Tatsachen, die Er nötig hat, aber die sind dann auch richtig. Wenn sie es nicht wären, warum sollte Gott dann nicht die richtigen Tatsachen mitgeteilt haben? Wenn es Gottes Absicht gewesen wäre, Seine Taten anhand unrichtiger, erfun­dener Fakten mitzuteilen, dann hätte Er ‑ mit Ehrfurcht gesagt ‑ 1. Mose 1 besser weglassen können. Was für einen Sinn hat es, eine Lücke in der Kenntnis des Menschen durch unrich­tige Tatsachen auszufüllen? Ich wiederhole: Wir können das nur verstehen, erstens wenn wir festhalten, daß 1. Mose :t nicht die Gedanken des Menschen über Gott, sondern die wört­liche Offenbarung Gottes an den Menschen wiedergibt. Und zweitens, wenn wir erkennen, was die Absicht des Schöpfungs­berichts ist, wie schon dargelegt. Die Bibel‑Kritiker können uns dabei nicht helfen, denn wenn man die Historizität des Sün­denfalls leugnet, nimmt man sich von vornherein die Mög­lichkeit, 1. Mose 1 zu verstehen.

Die Tatsachen sind also richtig, aber kurz gefaßt und ausge­wählt und dem eigentlichen Zweck untergeordnet. 1. Mose 1 ist eine göttliche Komposition, die gerade genug Tatsachen mitteilt, um Gottes Absicht begreiflich zu machen, und zwar für alle Gläubigen aller Zeiten. Sie gibt allgemeine, allgemein verständliche Tatsachen. Sie betrachtet die Tatsachen als vor­handen und nicht mehr; nicht das "wie" oder "wozu" der Dinge wird mitgeteilt, sondern sie sind einfach da. Gott sagt: So gut war das Lebensklima des Menschen, ehe er in (die) Sünde fiel und die Schöpfung unter den Fluch brachte. Und überdies: Es kam alles durch das Wort Gottes zustande; zehnmal lesen wir: "Und Gott sprach". Er rief "das Nicht­seiende, wie wenn es da wäre" (Röm 4, 17). 

Wie groß und reich diese Dinge sind, wie wunderbar in Art und Bau, dar­über kann uns die Wissenschaft viel erzählen. Aber Gott hat das nicht getan ‑ es war für Seinen Zweck nicht nötig. Er befriedigt nie unsere Neugierde, sondern Er offenbart Seine Absicht. Außerdem, wenn Er es in der Sprache der heutigen Wissenschaft getan hätte (und was taugt die in 300 Jahren noch7), dann hätte in früheren Zeiten kein Mensch es be­griffen und die meisten Menschen heute auch nicht.

Die Bibel ist für Menschen aller Zeiten und unterschiedlich­ster Bildung. Gott berichtet nicht mehr als nötig ist: die all­gemeinen, einfachen Tatsachen. Wahre, vorsichtige Wissen­schaft (die nicht weiter geht als ihre eigene beschränkte Reich­weite und die ihre Schlußfolgerungen nicht mit naturphiloso­phischen Ideen vermischt) hat die schöne Aufgabe, den Inhalt dieser Tatsachen auszufüllen und uns ihre Schönheit und ihren Reichtum aufzuzeigen. Wahre Wissenschaft kann unsere Ehr­furcht vor dem Schöpfer und vor 1. Mose 1 nur vermehren und nicht vermindern. Viele aufrichtige Gelehrte haben aner­kennen müssen, daß man ohne vorgefaßte Meinung in 1. Mose 1 nicht eine einzige‑ wissenschaftliche Unrichtigkeit finden kann, sondern im Gegenteil die Wahrheit einer so alten Schrift voller Staunen bewundern muß1. Um dies zu verdeutlichen, ist es nötig, etwas über den Charakter der Naturwissenschaft zu sa­gen, weil die Wissenschaft, wie sie in der Praxis betrieben wird, allerdings häufig mit 1. Mose 1 in Konflikt gerät.

Die Naturwissenschaft beschäftigt sich mit dem Beobachten von Erscheinungen, dem Ordnen der gewonnenen Gegeben­heiten; auf Grund davon werden Hypothesen aufgestellt. Aus diesen gehen Lehrsätze hervor, die durch neue (experimen­telle) Beobachtungen geprüft werden, wonach man die ur­sprünglichen Hypothesen auf Grund der neuen Gegebenheiten korrigiert. Das Fundament dieses Gebäudes ist also die sinn­liche Wahrnehmung. Aber damit ist zugleich die Begrenztheit der Naturwissenschaft aufgezeigt. Sie kann sich nur mit dem Wahrnehmbaren beschäftigen. 

Das würde nun gar keine Schwierigkeit bedeuten, wenn man sich dieser Begrenztheit bewußt wäre und einer nicht wahrnehmbaren, nicht materiel­len Wirklichkeit Rechnung trüge, die eventuell sogar die wahr­nehmbare Wirklichkeit beeinflußt. Aber der Materialismus, der die naturwissenschaftliche Forschung allgemein beherrscht, hat diese Möglichkeit bewußt abgeschnitten. Welche Torheit zu meinen, daß das, was wir sehen, hören und fühlen können, auch das einzig Vorhandene sei. Dieser Gedanke ist bestimmt nicht "wissenschaftlich", aber die Schwierigkeit liegt darin, daß "Wissenschaft" keine unabhängige Existenz hat, sondern durch Menschen betrieben wird, die leider zum großen Teil Materialisten sind. Nicht die "wahre Wissenschaft" kommt in Konflikt mit der Bibel, sondern es sind die blinden Materiali­sten, die mit der Schrift in Konflikt geraten (vgl. 1. Tim 6,20.21).

"Wahre Wissenschaft" studiert Erscheinungen und stellt ge­wisse Gesetzmäßigkeiten fest, die für diese Erscheinungen gelten, aber über das Wesen der Erscheinungen selbst kann sie nichts sagen. Sie kann gewisse Naturgesetze ent­decken, aber nichts über ihren Ursprung sagen. Sie untersucht das Vorhandene, weiß aber nichts über seine erste Ursache. Sie beschäftigt sich wohl mit Ursachen, aber jede Ursache, die sie untersucht, ist selbst auch wieder verursacht. Das Allerhöchste, wozu sie vielleicht gelangen kann, ist zu sagen: Es m u ß eine erste Ursache da sein. Aber nur die Schrift kann sagen: 

Es ist eine erste Ursache da, und sie kann sogar sagen, wer und was diese erste Ursache ist. Und warum kann sie das? Weil Gott, der die erste Ursache ist, selbst auch der Autor der Bibel ist. Aber die Materialisten, die nicht über den Horizont hinaussehen können, denken, weil sie nicht weiter sehen können, werde auch wohl hinter dem Horizont nichts mehr sein. Sie lehnen es jedenfalls ab, mit dem zu rechnen, was eventuell dahinter liegt. Wenn es nun diese verblendete "Reli­gion" ist, die mit 1. Mose 1 in Widerspruch kommt, was sollen wir uns dann darüber beunruhigen? Außerdem hat man auch eine tüchtige Portion Glauben nötig, um den Materialismus zu akzeptieren. Man hat Glauben nötig, um anzunehmen, daß die wahrnehmbare Wirklichkeit die einzige Wirklichkeit ist. Gewiß gehört Glauben dazu, die Existenz Gottes anzunehmen, aber es gehört noch viel mehr Glauben dazu, die Existenz Gottes zu leugnen.

Ich wiederhole: Es liegt im Wesen der Naturwissenschaft, daß sie über erste Ursprünge nichts sagen kann. Will der Mensch darüber doch etwas wissen, dann braucht er Glauben. Aber welchen Glauben? Die Wissenschaft ist (mit Recht) auf die einfachste Erklärung aus, die für bestimmte Erscheinungen gefunden werden kann. Nun, was ist einfacher? Zu glauben, daß z. B. das Leben entstanden ist durch eine einmalige, über­natürliche Schöpfung, oder daß es spontan aus lebloser Ma­terie entstand? Dieser letzte Gedanke konnte vor 150 Jahren Anklang finden, in einer Zeit, da man noch an eine Urzeugung glaubte (d. i. die Auffassung, daß aus lebloser Materie lebende Organismen entstehen). 

Aber nun dieser Gedanke endgültig ins Reich der Fabel verwiesen ist, sollen wir da noch weiter glauben, daß das Leben vor Milliarden von Jahren doch spontan entstanden ist? Mathematiker haben bewiesen, daß selbst Milliarden von Jahren nicht im Entferntesten ausreichen, um auch nur einigermaßen den Gedanken zu rechtfer­tigen, daß das Leben spontan entstanden sei2. je mehr man entdeckt, wie unglaublich kompliziert selbst die "einfachsten" Organismen sind, um so unmöglicher erweist sich diese Theo­rie. Und dann soll man trotzdem weiter daran glauben?

ja, man braucht wirklich einen großen Glauben, um ein Materialist zu sein. Selbst wenn irgendwann einmal im Labo­ratorium lebendes Protoplasma hergestellt werden sollte, dann würde man damit nur zeigen, wie das Leben entstanden sein aber nicht, wie es entstanden i s t. Außerdem würde man für eine solche Leistung derartig großes techni­sches Können und hohe Intelligenz brauchen, daß man, wenn es gelänge, damit nur bewiesen hätte, daß das Leben nur durch den Intellekt und die Tätigkeit eines großen Gehirns ent­standen sein kann. 

Man braucht also tatsächlich einen großen Glauben, um ein Materialist zu sein; ja eigentlich müßte man sagen: man muß wohl sehr verblendet sein. Manche haben Schwierigkeiten damit und können sich schlecht vorstellen, daß die "Religion" solcher gelehrten Köpfe so töricht ist. Aber ist das nicht das Zeugnis der Schrift? "Und gleichwie sie es nicht für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie dahingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun was sich nicht geziemt" (Röm 1, 28). "Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott, denn sie ist dein Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie v e r m a g es auch nicht" (Röm 8, 7). "Wenn sie Moses und die Propheten nicht hören, so werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht" (Lk 16, 31). Im allgemeinen basiert die wissen­schaftliche Forschung leider nicht auf Römer 1, 20, sondern auf Vers 21.

"Wahre Wissenschaft", die ihre Grenzen kennt, bestätigt nur 1. Mose 1. Wie schon gesagt, bedeutet das natürlich nicht, daß 1. Mose 1 "wissenschaftlich" ist. Es sollen uns nicht ohne weiteres wissenschaftliche Tatsachen mitgeteilt werden, aber w en n Tatsachen genannt werden, die auch im Bereich der wissenschaftlichen Forschung liegen, dann sind die Tatsachen immer richtig. Nur müssen wir dabei bedenken, daß die berich­teten Tatsachen knapp gefaßt sind; die Wissenschaftler dürfen sie näher erforschen. 

Zweitens sind sie subjektiv, das heißt von einem bestimmten sittlichen Standpunkt aus gesehen, weil sie dem Ziel, das Gott mit 1. Mose 1 hat, dienstbar gemacht und dazu sorgfältig ausgewählt sind. Drittens sind sie stark "anthropozentrisch‑, das heißt sie werden stets in ihrer Be­ziehung zum Menschen gesehen. So werden die Pflanzen in den Versen 11 und 12 eingeteilt nach der Bedeutung, die sie für den Menschen haben. Viertens werden die Tatsachen be­handelt wie im gewöhnlichen, alltäglichen Sprachgebrauch. Man mag das vielleicht "unwissenschaftlich" nennen; sei es! Wenn man das nur nicht verwechselt mit "ungenau" oder "unrichtig", wie es oft geschieht.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum 1. Mose 1 nicht "wissenschaftlich" ist. Es ist nämlich mehr als das. Gott teilt uns in diesem Kapitel Dinge mit, auf die die alten Weisen nie hätten kommen können und worüber auch die moderne Naturwissenschaft nichts sagen kann, sondern die wir nur durch Offenbarung kennenlernen können. Und die erweisen sich gerade als die Dinge, die 1. Mose 1 unter den Begriff ,' (er)schaffen" faßt.

 In den drei einzigen Versen, in denen dieses Wort vorkommt (V. 1, 21 u. 27), werden gerade drei Probleme gelöst, die zu den großen Rätseln gehören, vor denen die Naturwissenschaft steht, nämlich der Ursprung der Materie, der Ursprung des beseelten Lebens und der Ursprung der menschlichen Vernunft. Wir haben bereits gesehen, daß diese Ursprünge" jenseits des Gesichtskreises der Natur­wissenschaft liegen. Wir werden auch sehen, daß nicht einer der alten Philosophen auch nur eine Ahnung von dem bibli­schen "(er)schaffen" gehabt hat. Es ist etwas, das Gott uns geoffenbart hat und das nur durch den Glauben angenommen werden kann. Nach Hebräer 11 ist es sogar das erste Element des Glaubens, so wichtig ist es. Was soll man 

1. Mose 1 dem Urteil materialistischer Naturwissenschaftler oder moderner Theologen unterwerfen? Torheit! 1. Mose 1 sind die Worte Gottes, die Er durch Seinen Knecht zu Seinem Volk gesprochen hat. Es setzt Glauben voraus. Nur durch Glauben verstehen wir, daß die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind. Es gibt Menschen, denen :t. Mose 1 ein Hindernis ist, die Bibel zu akzeptieren. Aber man muß die Sache umdrehen: Wenn man die Bibel nicht als das inspirierte Wort Gottes annimmt und alles glaubt, was Gott darin gesagt hat, wird man auch von 1. Mose 1 nie eine Silbe begreifen. Man wird nicht einmal die erste Bedeutung des Kapitels verstehen, ge­schweige denn die herrlichen geistlichen Vorbilder und Be­lehrungen, an denen das Kapitel so reich ist.

Im Anfang

Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. (Vers 1)

Wir vergessen oft, wie ungemein alt der Schöpfungsbericht ist. Wir sind nicht einmal sehr erstaunt, wenn sich zeigt, daß die Naturwissenschaft nach vielen Jahrhunderten zu einem gewichtigen Schluß kommt, der schon Tausende von Jahren in der Bibel steht ‑ und obendrein viel besser. Es gibt Men­schen, die einwenden, so etwas dürfe man nicht sagen. Sie behaupten, Bibel und Naturwissenschaft dürfe man nie mitein­ander vergleichen, weil sie auf verschiedenen Ebenen lägen und beide ihren eigenen Geltungsbereich hätten. Das klingt sehr schön, ist aber grundfalsch. Außerdem tastet dieser Gedanke die Autorität des Wortes Gottes an. Wenn man sagt, die Wis­senschaft habe nur einen beschränkten Autoritätsbereich, dann ist alles in Ordnung. Wenn man das aber von der Bibel behauptet, dann ist man ganz bedenklich im Irrtum. Die Bibel hat universale Gültigkeit. Sie hat auf allen Gebieten des Lebens etwas zu sagen, auch auf dem Gebiet der Wissenschaft.

Würde jemand sagen, die Bibel tue das aber nicht auf "wis­senschaftliche" Weise (nach gelehrten Maßstäben), dann sage ich: Was soll das? Sind unsere naturwissenschaftlichen Metho­den absolut und unanfechtbar? Wir kommen damit in der normalen wissenschaftlichen Arbeit zurecht, aber in den Rand­gebieten (wie z. B. schon angedeutet, über den Ursprung des Lebens) lassen sie uns im Stich. Außerdem bin ich nur froh, daß die Bibel nicht "wissenschaftlich‑ über die Dinge schreibt; sie tut es geistlich, göttlich. 3. Mose 11 z. B. mag dann wohl keine reine biologische Einteilung des Tierreiches geben, aber die Einteilung, die wir dort finden, ist weit erhabener und tiefgründiger. Hat die Bibel also etwas über Biologie zu sagen?

Gewiß, aber besser als wir, wenn auch kurz. Wir dürfen be­scheiden die Lücken ausfüllen. Aber bessere Naturkenner als Adam (l. Mo 2, 19. 20) oder Salomo (i. Kön 4, 29‑34) müs­sen erst noch geboren werden. Gehen wir noch einen Schritt weiter: Gibt es eine christlich ausgerichtete Wissenschaft? Ja gewiß. Sie ist kritisch und objektiv und prüft ihre Schlußfol­gerungen immer wieder aus der Offenbarung Gottes (ohne die beiden zu vermischen, wie es leider oft geschehen ist). Eine solche Wissenschaft mag vielleicht nicht immer genügen, aber das sagt nicht viel.3

Was hat das alles mit 1. Mose 1, 1 zu tun? Dies: In unserem Jahrhundert ist man auf viele ganz verschiedene Weisen zu der Überzeugung gekommen, daß unser Weltall nicht ewig ist, sondern einen ganz bestimmten Anfang gehabt haben muß. Und man kommt durch ganz verschiedene Methoden sogar zu ziemlich übereinstimmenden Altersangaben des Welt­alls. Hinter diese Altersbestimmungen kann man ‑ wenn man will ‑ ein Fragezeichen setzen, aber es ist schon interessant genug, daß man zu der Vermutung gekommen ist, d a ß das Weltall ein begrenztes Alter hat. Denn alle alten griechischen Philosophen nahmen an, die Schöpfung, oder wenigstens die Urmaterie (das "Chaos"), sei ewig. Ein Anfang des Weltalls oder eine Erschaffung aus dem Nichts war ein völlig unbe­kannter und fremder Gedanke.

Ich behaupte nicht, daß die Gelehrten jetzt etwa an eine "creatio ex nihilo" (Erschaffung aus dem Nichts) glauben, aber sie haben die ersten Schritte in dieser Richtung getan. Sie werden auch nicht viel weiter kommen, denn das begrenzte naturwissenschaftliche Gesichtsfeld läßt es nicht zu, viel mehr über den Beginn des Weltalls zu sagen, als daß dieser Beginn gewesen sein muß (wohlgemerkt: sein muß, nicht: ist). Aber in der Bibel steht schon 3400 Jahre lang, daß Gott im Anfang die Himmel und die Erde erschaffen hat. Nicht: erschaffen haben muß, sondern: erschaffen hat. War das von Mose nicht reichlich absolut und selbstsicher ausgedrückt? 

Es ist doch nie­mand dabei gewesen? 0 doch, eine ganze Menge sogar! Der­selbe Gott, der die Welten geschaffen hat, war der Gott, der mit Mose sprach von Angesicht zu Angesicht (2. Mo 33, 1‑1). Und haben die Engel nicht zugeschaut und gejubelt, als Gott schuf? Und sind sie es nicht, durch deren Anordnung die Thora (das Gesetz) in die Hände Moses übergeben wurde (Hiob 38, 7; Apg 7, 53; Gal 3, 19)? Und in jener hebräischen Thora werden in 1. Mose 1, 1 in sieben Worten und vier mal sieben Buchstaben eine ganze Reihe Irrlehren mit einer Hand vom Tisch gefegt. Und das nicht etwa auf Grund der neuesten Erkenntnisse, denn der Schöpfungsbericht ist älter als alle Irrlehren, die ich hier aufzählen möchte.

(1) Wir lachen heute über die Phantastereien und den mär­chenhaften Unsinn, denen wir in den alten Überlieferungen der Ägypter*), der Babylonier (ich erinnere an den bereits genannten babylonischen Schöpfungsbericht) und der Hin­dus **) begegnen. Aber auch was unsere eigenen Gelehrten vor hundert Jahren geschrieben haben, läßt uns jetzt belustigt lächeln. Und was wird man in hundert Jahren von unserein "Wissenschaftlichen" Geschreibsel sagen? Aber in 1. Mose 1 finden wir nichts von solchem bombastischen Un­sinn, wir finden nicht einmal etwas, das sich als wissenschaft­lich falsch erwiesen hätte (zumindest ohne vorgefaßte Mei­nung). Wie ist das bei einem so alten Buch möglich? 

(2) Moses war in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen (Apg 7, 22). Er war bestens informiert über all ihre mythologischen Geschichten über die Entstehung der Welt ‑ über den Sonnengott, geboren aus einem Ei, das auf dem Urozean schwamm, der vier Kinder bekam: die Atmosphäre (zwei Kinder), die Erde und den Himmel, usw. Diese Lehre spielte in jener Zeit im ägyp­tischen Gottesdienst eine große Rolle, aber der Heilige Geist bewahrte Mose davor, diesen populären Glauben in 1. Mose 1 aufzunehmen.

Die Hindus glaubten, die Erde werde von Elefanten, die auf einer großen, Im Weltmeer umherschwimmenden Schildkröte stünden, auf dem Rücken ge­tragen. Die Bibel enthält nichts an derartigem Unsinn.

23

das nicht bestanden haben, über Sodom, das es nicht gegeben haben sollte, über die Hethiter, die nie gelebt, über Belsazar, der nie existiert haben sollte. Bis alles das durch die archäolo­gische Forschung aufgefunden wurde und es sich erwies, daß das alles ganz entschieden bestanden hat. Dann suchte man aufs neue nach Gründen, um die Bibel zu verspotten. Der Hase sollte nicht wiederkäuen, die Ameise sollte im Sommer keine Nahrung sammeln, der Strauß sollte seine Eier nicht durch die Sonne im Sand ausbrüten lassen. Aber auch da zeigte es sich, daß man besser die biologische Forschung abgewartet hätte, ehe man suchte, Gottes Wort lächerlich zu machen.

(2) Unsere westliche Kultur basiert auf der Kultur der alten Griechen. Was haben s i e uns über die Schöpfung gelehrt? Nichts anderes als ganz gewöhnliche, alltägliche Evolutions­lehre. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Die Evolutions­lehre ist schon so alt wie die älteste Naturphilosophie (500 ‑600 v. Chr.) Thales lehrte, das Wasser sei der Urstoff, aus dem die Welt entstanden sei, für Heraklit war es das Feuer, für Anaximenes die Luft. Pythagoras meinte, Aie Zahl" sei das Urprinzip aller Dinge. Anaximander lehrte, die Tiere hätten sich unter dem Einfluß von Hitze und Feuchtigkeit aus der Erde entwickelt. Empedokles (ca. 450 v. Chr.) äußerte, die menschlichen Körperteile hätten zuerst ein separates Dasein geführt und sich dann allmählich aneinandergefügt. 

Auch Plato und Aristoteles (4. Jahrhundert v. Chr.) kannten den Schöpfungsgedanken nicht und brachten eine Art Evolutions­lehre. Und laßt uns sie deswegen nur nicht zu hart verurteilen! Um 1600 schrieb der südniederländische Chemiker J. B. van Helmont noch, daß Mäuse aus Lumpen entstehen können. Und der moderne Neo‑Darwinismus ist um keinen Deut vernünf­tiger, wenn er uns glauben machen möchte, die ganze Schöp­fung mit allen lebenden Organismen habe sich wirklich durch nichts anderes als blinden Zufall aus der Urmaterie entwickelt.

In der Bibel finden wir nichts von diesem Unsinn wieder. Sie steht weit darüber. Woran liegt das wohl? Ganz einfach: Das Geschöpf kann nie weiter denken als bis zum Horizont der Schöpfung selbst. Aus sich selbst kann es nie auf den Gedanken an einen Schöpfer kommen, der a u ß e r h a l b Seiner Schöpfung steht. Es kann höchstens Seine ewige Kraft und Göttlichkeit wahrnehmen (Röm 1, 20), aber nie Seine Person, über und getrennt von der Schöpfung. Auch die mo­dernen Naturwissenschaftler können das nicht. Und weil sie es nicht können, wollen viele es auch nicht. Wie wenn ein Kind von etwas, das es nicht kann, geringschätzig sagt: Ich will ja gar nicht! So haben die Naturwissenschaftler eine "naturwissenschaftliche Methode" aufgestellt, die jedes außer­ und übernatürliche Element ausschließt. Wohlgemerkt, ich sage nichts Schlechtes über diese Methode, denn sie ist ausgezeich­net innerhalb des Rahmens, für den sie geeignet ist. Ich spreche aber von den Materialisten, die eine Religion daraus gemacht haben.

(3) Der erste Vers von 1. Mose 1 verurteilt auch alles, was sich "...‑theistisch" nennt. Theisten oder Atheisten, Panthe­isten oder Polytheisten, ihre sämtlichen Lehren werden durch 1. Mose 1, 1 widerlegt. Das ist ja gerade die große Lektion die­ses einen Verses: Es gibt einen Gott, der da war, ehe die Schöp­fung war, und der außerhalb und über der Schöpfung steht; der nicht beständig am Erschaffen ist, sondern einmal, am Anfang, Himmel und Erde schuf. Also kein Polytheismus, sondern der eine wahre Gott ist es, der die Welt schuf. Auch kein Pantheismus; Gott ist nicht eine Abstraktion, die die ganze Welt beseelt, sondern Er ist eine Person (denn eine Ab­straktion "erschafft" nicht), die über die Schöpfung erhaben ist und schon da war, ehe die Schöpfung war. Die modernen Theologen bestreiten, daß Gott "transzendent" ist (wie sie es nennen); ihre Lehre, daß wir Gott in dem Nächsten begegnen, ähnelt schon verdächtig dem Pantheismus. Sie müssen dann freilich den Anfang der Schrift umgehen, wo der wahre Gott zu uns kommt. Also schon überhaupt kein Atheismus. Es ist doch sehr kümmerlich, die Existenz eines Gottes zu leugnen, der sich uns majestätisch offenbart und sagt: "Wer ist es, der den Rat verdunkelt mit Worten ohne Erkenntnis? ... Wo warst du, als ich die Erde gründete? Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest!" (Hiob 38, 2‑4)

Und dann der Theismus: die am wenigsten weitgehende und darum heimtückischste Lehre, die leider für viele Gläubige Anziehungskraft besitzt. Sie sind begeistert von der soge­nannten "theistischen Evolutionslehre", die in Holland u. a. durch Jan Lever und in Amerika u. a. durch Bernard Ramm vertreten wird. Diese Lehre besagt, daß Gott die Welt mittels des Evolutionsprozesses "geschaffen" habe. Die Evolutions­lehre wird vollständig akzeptiert, aber in die Hände Gottes gelegt: Gott hat das Weltall und alle Lebewesen im Rahmen der Evolutionsgesetze bereitet. Das aber ist Unsinn. Es ist nämlich weder Fisch noch Fleisch, weder wissenschaftlich noch biblisch. Die Evolutionslehre ist ein geschlossenes System, das sich selbst erklärt und Gott überhaupt nicht nötig hat. Aus seiner Sicht hat Huxley mit Recht gesagt, die Evolutionslehre sei der Todesstoß für das Christentum, weil sie Gott überflüs­sig macht. Der Theist macht sich in den Augen eines einge­fleischten Evolutionisten nur lächerlich.

Aber der Theist hat auch die Bibel nicht auf seiner Seite! Erstens muß er von 1. Mose 1 eine "Hymne" oder eine "Rahmenerzählung" machen, und wir haben bereits gesehen, daß das unmöglich ist. Zweitens versteht er nichts von "er­schaffen"; er verwechselt nämlich "Erschaffung" mit "Vor­sehung". Der Schöpfer aller Dinge ist etwas ganz anderes als der Erhalter aller Dinge (z. B. Aufrechterhalter der Evolutions­gesetze). Erschaffen ist: "Er sprach, und es war; Er gebot, und es stand da". (Ps 33, 9; vgl. auch Vers 6 und Römer 4, 17; Hebr 11, 3). Erhalten ist: " . . . der alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt" (Hebr 1, 3; beachte den Unterschied zu Vers 2). Der theistische Evolutionist macht Gott zum Gefan­genen seiner eigenen Naturgesetze. Gott steht nicht darüber, Er durchkreuzt sie nicht, sondern Er kann nur gemäß diesen Gesetzen handeln. Aber 1. Mose 1, 1 lehrt uns die Souveräni­tät Gottes! Unser Gott wirkt alles nach dem Rate Seines Wil­lens (Eph 1, 11). Er hat alle Dinge erschaffen, und Seines W i 11 e n s wegen waren sie und sind sie erschaffen worden (Offb 4, 11). Er brauchte nicht zu erschaffen. Er hätte ewig ohne Schöpfung bleiben können ‑ aber Er schuf. Er hätte auch beständig erschaffen können, immer neue Dinge ‑ aber Er schuf im Anfang, Er schuf am fünften und Er schuf am sechsten Tag. Konkret und in freier Ausübung Seiner Macht. Er b r a u c h t e es nicht, aber Er tat es. Er ist darin souverän.

Und daran kann der Theist nichts ändern. Die Wahrheit von 1. Mose 1, 1 ist absolut. Man mag "auslegen" wie man will, die Wahrheit steht darüber und ist unabhängig davon. Und ohne dem Wort Gewalt anzutun, kann man nicht leugnen, was dieser Vers uns klar, unumwunden und sachlich mitteilt.

Laßt uns, um das zu sehen, noch etwas näher auf den Vers eingehen. I m A n f a n g schuf Gott (vgl. Hebr 1, 10). Wann dieser Anfang war, läßt sich nicht sagen. Im Hebräischen fehlt der Artikel, so daß der Anfang völlig unbestimmt ist. Es w a r einmal ein Anfang ‑ ein Anfang des Zeitablaufs, ein Anfang von Gottes Werken. Diesen Anfang muß man unterscheiden von dem "Anfang" in Johannes 1, 1, der noch viel weiter zu­rückgeht, bis in die Ewigkeit, die hinter uns liegt (vgl. damit Spr 8, 22. 23). Wie weit man auch zurückgeht in die Ewigkeit, das Wort w a r da, es war von aller Ewigkeit bei Gott und war Selbst Gott. Auch 1. Johannes 1 beginnt mit einem "An­fang aber da handelt es sich um den Anfang des Dienstes des Herrn Jesus (vgl. damit Joh 15, 27; Apg 1, 22). Wenn wir nun bedenken, daß der Gott, der die Welt schuf, Gott der Sohn war (siehe später), dann bildet dieser dreifache "Anfang" ein harmonisches Ganzes: das Wort war, das Wort schuf, das Wort wurde Fleisch (Joh 1, 1. 3. 14). Und es liegt noch eine weitere Bedeutung in dem Wort "Anfang": Gott schuf im An­fang, aber Er ist auch selbst Aer Anfang". Er h a t keinen Anfang, denn ehe die Berge geboren waren und Er die Erde und den Erdkreis erschaffen hatte, ja von Ewigkeit zu Ewig­keit ist Er Gott (Ps 90, 2). Aber Gott (und zwar Gott der Sohn) i s t der Anfang (siehe Kol 1, 18) ‑ der Anfang der Schöpfung Gottes (Offb 3, 14), d. h. der Ursprung, aus dem die Schöpfung hervorgegangen ist. Er ist das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende (Offb 21, 6; 22, 13).

Gott s c h u f. Das Wort für "(er)schaffen" (bara) ist be­zeichnend für Gott; es wird in der Schrift nie für jemanden anders gebraucht. Wir begegnen in 1. Mose 1 und 2 auch den Ausdrücken "machen" und "bilden‑, die auch für Menschen gebraucht werden. Aber (er)schaffen kann nur Gott. Es braucht nicht immer zu bedeuten "erschaffen aus nichts", aber es deutet immer auf etwas Einzigartiges hin, das nur Gott machen kann. Es kommt in drei Versen unseres Kapitels vor (Vers 1, 21 und 27) und stets weist es auf etwas Einzigartiges hin, das noch nicht war und das auch nicht noch einmal geschaffen werden wird. In unserem Vers könnte man sagen, Gott schüfe aus dem Nichts, obwohl der Ausdruck nicht sehr glücklich ist. Wo Gott ist, da ist nicht "nichts", sondern da erschafft Er "aus Sich Selbst", es ist Seine eigene Energie ‑ mit Ehrfurcht ge­sprochen, und wenn ich es so ausdrücken darf ‑ die Er da zu Materie zusammenballt. In Vers 21 erschafft Er das Leben aus der Materie, also bestimmt nicht aus "nichts". Aber das beseelte Leben ist etwas Einzigartiges und grundsätzlich ver­schieden von der leblosen Materie, und darum ist es eine ,Schöpfung". So auch der Mensch: was seinen Leib betrifft, "gemacht" oder "gebildet" (1, 26; 2, 7), aber als vernünftiges Wesen neu und einzigartig, also "erschaffen" (1, 27). So ist auch der neue Mensch etwas ganz anderes, etwas Einzigarti­ges: "eine neue Schöpfung" (2. Kor 5, 17). In gewissem Sinn ist also jede "Schöpfung" ‑ obwohl sie bereitet sein kann aus etwas, das schon da war ‑ doch etwas ganz Neues, das als solches noch nicht vorhanden war. Darum wird das Wort auch gebraucht für bemerkenswerte, einzigartige Taten Gottes in Seinen Regierungswegen (4. Mo16, 30; Jer 31, 22). Gott "ruft das Nichtseiende, wie wenn es da wäre" (Röm 4, 17). "Was man sieht, ist nicht aus Erscheinendem geworden" (Hebr 11, 3).

Gott erschafft nicht durch Taten, sondern durch Sein Wort. Oder anders ausgedrückt: Was Er ist und tut, wird vollkom­men zum Ausdruck gebracht durch Sein Wort. Gott der Sohn konnte sagen, daß Er ganz das sei, was Er auch redete (Joh 8, 25). Wer Sein Wort verwarf, verwarf den, der das Wort gesprochen hatte und der das Wort war (Joh 12, 48). Er ist das Wort Gottes, der vollkommene Ausdruck davon, wer Gott ist (Joh 1, 1. 14; Offb 19, 13). Alle Dinge sind durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde auch nicht eines, das geworden ist (Joh 1, 3). Durch das Wort Gottes sind die Welten bereitet worden (Hebr 11, 3). Er hat sie ins Dasein gerufen (Röm 4, 17). "Durch Jehovas Wort sind die Himmel gemacht, und all ihr Heer durch den Hauch Seines Mundes ... Denn Er sprach, und es war; Er gebot, und es stand da" (Ps 33, 6. 9). Durch dasselbe schöpferische Wort ruft der Sohn die toten Sünder, so daß sie leben, und wird Er alle, die in den Gräbern sind, rufen, so daß sie hervorkommen (Joh 5, 25. 28), wie es am Grab des Lazarus geschah (Joh 11, 43). Allein durch Sein göttliches Wort wurden Aussätzige gereinigt, böse Geister ausgetrieben, wurden Blinde sehend, Taube hörend und Lahme gehend (Mk 1, 25. 41; 2. 11; 7, 34; Lk 18, 42).

Im Anfang schuf G o t t. Wie an den weitaus meisten Stel­len, wo es im Alten Testament vorkommt, ist das Wort für Gott hier Elohim, das ist die Mehrzahl von Eloah. Obwohl es also ein Wort in der Mehrzahl ist, hat es die Bedeutung einer Einzahl, was man immer an der Tatsache erkennen kann, daß das Tätigkeitswort ("schuf") in der Einzahl steht. Ein einziges Mal steht auch das Tätigkeitswort in der Mehrzahl, und dann hat Elohim die Mehrzahl‑Bedeutung von "Götter" (in dem Sinne von Götzen, Engel oder irdische Richter). Es ist übrigens sehr beachtenswert, daß das Wort in der Mehrzahl mit einem Tätigkeitswort in der Einzahl verbunden wird. Für die jüdi­schen Theologen bleibt dies eine merkwürdige Sache4, solange die Decke auf ihren Herzen liegt, wenn Mose gelesen wird (2. Kor 3, 14. 15). Aber im Licht des Neuen Testaments liegt hierin offensichtlich eine tiefe Wahrheit verborgen. Es ist der eine Gott, der (er)schafft. Es sind nicht Götter, die erschaf­fen, sondern Gott erschafft. "Jehova, unser Gott (Mehrzahl!), ist ein einiger Jehova" (5. Mo 6, 4). Aber dieser e i n e Gott ist eine Person in der Mehrzahl! Drei Personen sind in der Gottheit, jede wahrhaftig Gott, und doch e i n Gott.

Diese drei göttlichen Personen haben die Welten geschaffen. Der Vater entwarf die Pläne, der Sohn führte sie aus, und Er tat es in der Kraft des Heiligen Geistes. Wir sehen das in 1. Kor 8, 6; alle Dinge sind v o n dem Vater (Er entwarf sie), aber sie sind d u r c h Jesus, Christus (Er machte sie). Und daß auch der Geist dabei beteiligt war, lehrt uns 1. Mo 1, 2. Die Schöpfung war ein gemeinsames Werk der gesamten Gott­heit, so wie übrigens bei jedem Werk Gottes alle drei gött­lichen Personen beteiligt sind (es gibt zu viele Beispiele, um sie hier aufzuzählen). Doch ist es so, daß das eigentliche Schöpfungswerk durch den Sohn ausgeführt wurde, und nicht durch den Vater und den Geist. Wir lesen nirgends, daß die Welt durch den Vater geschaffen sei (in dieser Hinsicht liegen alle Glaubensbekenntnisse schief) oder durch den Heiligen Geist. Sie waren ohne Zweifel daran beteiligt, aber es war der Sohn, der schuf. Durch das Wo r t sind alle Dinge er­schaffen worden (Ich 1, 3). Der S o h n ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung, denn in I h m, durch I h n, und für I h n sind alle Dinge ge­schaffen worden (Kol 1, 15. 16). Gott hat zu uns geredet "in [dem] Sohne", durch den Er auch die Welten gemacht hat (Hebr 1, L 2). Nicht Gott der V a t e r schuf durch den Sohn, sondern Gott, der dreieinige Gott, sprach "im Schrie", oder genauer "in Sohn" ‑ im Griechischen fehlt der Artikel ‑, das heißt, Gott Selbst sprach, und zwar in der Person des Sohnes, der auch die Welten schuf. Er schuf sie nicht als M e n s c h ; als solcher ist Er unterschieden von Gott (nicht dem V a t e r , sondern dem dreieinigen Gott), der alle Dinge geschaffen hat (Eph 3, 8. 9). Aber der M e n s c h Christus Jesus ist Gott der Sohn, und als solcher ist Er der Schöpfer. Das Lamm, das in Offenbarung 5 inmitten des Thrones Gottes steht, unter­schieden von Gott, ist Derselbe wie der, der in Offenbarung 4 als Gott der Sohn und Schöpf er auf dem Thron sitzt (vgl. Vers 8 mit Jes 6, 2. .3 und Joh 12, 41)1 Gott Selbst sagte zu Christus, dein leidenden Menschen, daß Er (Christus) der Schöpfer sei, aber Gott konnte das nur sagen, weil der lei­dende Messias derselbe war wie Jahweh, der ewige Schöpfer (Ps 102; Hebr 1, 10).

Unbegreifliches Geheimnis! Wunderbarer Heiland! In tiefer Armut und Niedrigkeit kam Er auf diese Erde und nahm einen Platz ein, geringer als die Tiere (Lk 2, 7; 9, 5s), aber zugleich war Er ihr Schöpfer, dem sie völlig unterworfen waren (Mt 8, 32; 17, 27; Mk 1, 13; Lk 5, 4‑6; lo, 19), Er konnte Hunger leiden u n d Er konnte fünf Brote vermehren für mehr als zehntausend Menschen (Mt 4, 2; 14, 19‑21). Er konnte ermüdet und durstig sein u n d Er konnte sechshun­dert Liter Wasser in Wein verwandeln (Joh 2, 6‑9; 4, 6‑7; 19, 28). Wer war Er doch, daß Er sogar den Winden und dem Wasser gebot und sie Ihm gehorchten? (Lk 8, 25). Er war der Erhalter aller Dinge, der Schöpfer von Himmel und Erde.

Der Ausdruck "Himmel und Erde" umfaßt in der Schrift die Gesamtheit der sichtbaren geschaffenen Dinge, auch wohl "Welt" oder "Welten" genannt, also das Weltall. Siehe z. B. 1. Mo 2, 1; Neh 9, 6; Ps 89, 11; Jer 10, 12; Mt 5, 18; Apg 17, 24; Offb 21, 1. Die Engel gehören nicht zum Weltall. Das "Heer des Himmels" sind nicht die Engel, sondern die Himmelskörper (5. Mo 4, 19; vgl. 1. Kor 15, 40. 41). Die Engel waren schon vor dem Weltall da (siehe Hieb 38, 7), und sie werden da sein, wenn der jetzige Himmel und die jetzige Erde vergangen sein werden. Die Menschen gehören wohl zu dieser "gegenwärtigen Schöpfung", und wenn der neue Himmel und die neue Erde gekommen sein werden, dann werden auch alle Menschen neue, unsterbliche Leiber empfangen haben. Aber die Engel haben kein Teil an dieser Erneuerung.

Der Himmel ist also der Raum, in dem sich die Himmels­körper befinden. Nun kann man objektiv gesehen sagen, daß die Erde auch ein Himmelskörper ist und also nicht hätte ge­nannt zu werden brauchen. Aber die Bibel ist nicht objektiv, sondern subjektiv: alle Dinge werden durch Gott nach dem geordnet, was E r das Wichtigste, den Mittelpunkt, nennt. Die Bibel ist "geozentrisch", denn die Erde ist der Ort, wo die Menschen wohnen (Ps 115, 15. 16), und die Bibel spricht von (Gottes Beziehungen zu) den Menschen. So wie Gott, als Er die Menschenkinder voneinander schied, die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel feststellte (5. Mo 32, 8), und so wie Er Israel den Mittelpunkt (eigentlich "Nabel") der Erde nennt (Hes 38, 12; vgl. 5, 5), so ist die Erde der moralische Mittelpunkt des Weltalls. Das weitere von 1. Mose 1 beschäftigt sich denn auch vornehmlich mit der Erde, und mit dem Himmel lediglich in seiner Bedeutung für die Erde als ‑zukünftige Wohnstätte für den Menschen (Verse 14‑18).

Das will jedoch nicht sagen, daß die Bibel auch nur irgendwo lehrt, die Erde sei zugleich der kosmographische Mittelpunkt des Weltalls. Die Theologen in den Tagen des Kopernikus dachten das*), aber die Modernisten in unseren Tagen scheinen es immer noch zu denken! Sie unterschieben der Bibel ein fal­sches, überaltertes Weltbild und holen es dann triumphierend wieder hervor, um zu beweisen, daß die Bibel veraltet und unwahr sei. Sie sagen, die Bibel lehre, die Erde sei flach und ruhe auf Pfeilern, mit dem Weltozean darunter und dem Himmel darüber als halbkugelförmiger Kuppel. Aber die Bibel lehrt nichts von diesem Unsinn. Erstens lehrt die Bibel schon überhaupt keine Kosmographie, sondern nennt nur gewisse kosmographische Tatsachen, wenn sie dem beabsichtigten Zweck dienen. Zweitens spricht die Schrift deutlich von einer kugelförmigen Erde (Jes 40, 22; das Wort "Kreis" ist als etwas Gewölbtes aufzufassen, wie dasselbe Wort in Hiob 22, 14 zeigt; vgl. dort die englische JND‑Obersetzung), die frei im Himmelsraum hängt (Hiob 26, 7b). Drittens dürfen wir nicht vergessen, daß wir in den poetischen Büchern eine blumen­reiche Bildersprache finden, die mit einem veralteten Weltbild nichts zu tun hat. Wenn ein heutiger Dichter von dem Himmel als einer "Kuppel von Azur" sprechen würde, dann wäre doch niemand so naiv, diesem Dichter vorzuwerfen, er sei dumm und überholt?

Außerdem scheint man diese biblische Bildersprache oft ein­fach verkehrt verstehen zu wollen. Wenn der Dichter von den "Grundfesten" oder "Pfeilern" der Erde spricht (Ps 104, 5; Hiob 38, 4‑6), ist es dann nicht naiv zu denken, der Dichter lehre damit, die Erde sei eine platte Fläche, die auf Pfeilern ruhe? Ist es nicht logischer, an die Fundamente der Erde zu denken, nämlich die harten Erstarrungsgesteine, auf denen die

‑) Hier muß mit einem Irrtum aufgeräumt werden. Es ist durchaus nicht so, daß Männer wie Kopernikus und Galilei bekämpft wurden, weil die Kirche damals die Bibel wörtlicher auslegte. Das Weltbild der damaligen Kirche (16. Jahrh., Anfang des 17. Jahrh.) war nämlich absolut nicht auf die Bibel gegründet, sondern auf die alten Lehrsätze von Plato und Aristoteles, die durch Augustinus (ca. 400) und vor allem durch Thomas von Aquino (ca. 1250) übernommen und der herrschenden kirchlichen Philosophie angepaßt worden waren.

Erdschichten ruhen? Ich sage natürlich nicht, daß der Dichter daran gedacht oder das gemeint habe, sondern daß der Sprach­gebrauch der Schrift Raum läßt für eine spätere wissenschaft­liche Auslegung der benutzten Ausdrücke. Die biblischen Schreiber mögen zwar nicht unsere Kenntnis gehabt haben, aber Gott, der sie inspirierte, ist allwissend, und E r sorgte dafür, daß sie sich vollkommen ausdrückten ‑ was von unse­ren Naturwissenschaftlern leider nicht gesagt werden kann. Ein anderes Beispiel sind die Lebewesen in den Wassern unter der Erde (s. z. B. 2. Mo 20, 4; 5. Mo 4, 18). Man kann böswil­lig behaupten, die Bibel lehre, unter dem Erdboden seien Was­ser, in denen Fische schwämmen. Aber darf ich mir dann die Frage erlauben, wieso den Israeliten verboten werden konnte, von mysteriösen Fischen unter der Erde Abbilder zu machen, wenn sie solche Fische noch nie gesehen hatten, weil diese Wasser nur Fabeln waren? Auch hier ist die Bedeutung klar und einfach; so wie wir sagen, daß jemand unten an einem Berg oder unterhalb eines Berges wohnt (ohne dabei zu mei­nen, er wohne unten i n dem Berg), so sagt die Bibel, daß die Wasser (die Meere) unter der Erde seien, das heißt, daß der Wasserspiegel niedriger ist als die Erdoberfläche. Wir werden das bei 1. Mose 1, 9. 10 deutlich sehen.

Noch einen dritten Ausdruck gibt es, über den die Moder­nisten lächeln, nän‑dich "der die Himmel ausspannt gleich einer Zeltdecke", oder "der die Himmel ausgespannt hat wie einen Flor" (Ps 104, 2; vgl. Jes 40, 22b). Selbst wenn dieser Text wirklich sagen sollte, der Himmel sei wie ein Zelt über der Erde ausgespannt, selbst dann wäre gegen diese poetische Bildersprache nichts einzuwenden. Aber wenn wir bedenken, daß die Erde nicht flach, sondern kugelförmig ist (Jes 40, 22), dann ist die Atmosphäre ‑ denn das bedeutet "Himmel" hier, wie das Tätigkeitswort "ausspannen" und der Vergleich mit 1. Mose 1, 6‑8 anzeigt ‑ in der Tat eine Art Mantel um die Erde herum! Manche denken bei diesem Vers auch daran, daß die Atmosphäre um die Erde herum so dünn und zart ist wie ein ausgespannter Flor, ein hauchdünner Schleier. Siehe später bei Vers 6.

Dies gibt Veranlassung zu einer weiteren Bemerkung über die Worte "Himmel" und "Erde". Wenn wir 1. Mose 1 sorgfältig lesen, dann sehen wir, daß beide Wörter in einer doppelten Bedeutung vorkommen: in einer engeren und wei­teren. In den Versen 6‑8 wird das, was "ausgespannt" ist zwischen den Wassern über der Erde (den Wolken) und den Wassern auf der Erde, also die Atmosphäre, "Hinunel" ge­nannt. Aber in Vers 1 wird der ganze Raum außerhalb der Erde mit dem Wort "Himmel" bezeichnet. Das ist wissen­schaftlich durchaus zu verantworten, denn unsere Atmosphäre ist gegen den Raum außerhalb nicht scharf abgegrenzt. Die Luftschichten um die Erde herum werden nach außen hin immer dünner und dünner, bis sie zuletzt übergehen in den unglaublich feinen "Dampf", der im ganzen Raum hängt, die sogenannte interstellare Materie.

Etwas Ähnliches haben wir bei dem Wort "Erde". In Vers 10 wird das Trockene "Erde" genannt, im Unterschied zu den Meeren. Aber in Vers 1 haben wir die ausgedehntere Bedeu­tung, denn da wird die ganze Erdkugel "Erde" genannt, und das, während die ganze Erde noch mit Wasser bedeckt war! Das ist eigentlich recht merkwürdig. In Vers 10 wird die "Erde" von den Wasser unterschieden, aber obwohl in Vers 1 und 2 bislang nur Wasser zu sehen sind, wird doch von "Erde" gesprochen. Das zeigt, daß die Bibel sich nicht nach den alten Philosophen richtet, die behaupteten, die Erde treibe auf dem Weltozean oder die Erde sei aus dem Wasser ent­standen. Sondern in der Bibel sehen wir, daß die eigentliche Masse der Erde der "Boden" oder "Grund" ist, und nicht das Wasser, ja, daß die Erde nicht auf dem Wasser treibt, sondern daß im Gegenteil die Wasser auf dem Erdboden ruhen, denn in Vers 9 erhebt sich der Erdboden über das Wasser. Ich wie­derhole: Die Bibel 1 e h r t dies alles nicht, aber die Bibel lehrt noch v i e 1 weniger ein altes, heidnisches Weltbild, das über­holt ist. Die Bibel lehrt überhaupt keine Kosmo‑ oder Geo­graphie, aber w e n n die Bibel über derartige Dinge spricht, dann mag das kurz sein, oder subjektiv oder poetisch ‑ und dann müssen wir das berücksichtigen ‑ aber immer schließt sich die wissenschaftliche Forschung dem wunderbar an.

Wir haben also erstens den Himmel als Firmament und dann den Himmel als Weltraum, also den Wolkenhimmel und den Sternenhimmel. Dies zusammen bildet den geschaffenen, materiellen Himmel. Darüber hinaus spricht die Schrift auch noch von einem nicht materiellen Himmel. Das ist der Ort, wo die Engel wohnen, wo die Entschlafenen sind, wo der Thron Gottes steht und wohin auch wir in Christus versetzt sind. Ein Bild hiervon haben wir in der Stiftshütte. Der Vorhof ist der Ort, wo der Altar stand; das ist das Kreuz, an dem Christus zwischen Himmel und Erde hing, erhöht von der Erde, im Weltall hängend, dem "ersten Himmel". Die Stiftshütte selbst ist ein Bild des nicht‑materiellen Himmels. Das Heilige ist der "zweite Himmel., das sind die himmlischen Örter im Epheser­brief; alles spricht da von unserer Stellung und unserem Wandel in den himmlischen Örtern. Dort sind auch die Engel, und dort hat auch der Satan Zutritt (vgl. Hiob 15, 15). Das Allerheifigste ist der Dritte Himmel" (2. Kor 12, 2‑4). 

Dort steht der Thron Gottes, dort ist das Paradies, wo die Ent­schlafenen sind. Da hat Christus, der als der wahre Hohe­priester "durch die Himmel gegangen ist" (Hebr 4, 14), das Blut auf den Versöhnungsdeckel gesprengt, und da haben wir im Geiste den freien Zugang, weil der Vorhang zerrissen ist (Hebr 10, 19‑22), so daß der zweite und der dritte Himmel nun e i n Ganzes bilden (wenn auch ein Unterschied bestehen bleibt). Darum kann jetzt auch gesagt werden, daß der Thron Gottes in den himmlischen Örtern steht (Eph 1, 20). Im Alten Testament wird die Wohnstätte Gottes manchmal "Himmel der Himmel" genannt (vgl. 5. Mose 10, 14; 1. Kön 8, 27; 2. Chron 2, 6; 6, 18).

Wüstheit und Leere

"Und die Erde war wüst und leer (eigentlich "Wüstheit und Leere'), und Finsternis war über der Tiefe (eigentlich "Was­sertiefe", s. Fußnote Elberfelder übersetzung), und der Geist Gottes schwebte über den Wassern." (Vers 2)

Hier beginnen die Probleme der Auslegung erst richtig. Es ist für die weitere Erklärung von 1. Mose 1 ganz entschei­dend, wie man diesen Vers auslegt. Die große Frage bei diesem Vers ist ja, ob der Zustand, der hier beschrieben wird, der ur­sprüngliche Zustand der Erde ist (also so, wie die Erde in Vers 1 geschaffen wurde), oder ob die Erde ursprünglich in einem Zustand der Herrlichkeit geschaffen wurde und erst später in einen Zustand der Wüstheit und Leere geriet. Diese zweite Auffassung vertraten schon verschiedene alte Kirchen­väter wie Justinus der Märtyrer, Basilius, Origenes und Augu­stinus. Calwin verwarf sie jedoch, und die meisten protestanti­schen Theologen sind ihm hierin gefolgt, mit wenigen Aus­nahmen, wie dem Lutheraner Franz Delitzsch. Ich hoffe aber zu zeigen, daß die alten Kirchenväter ganz entschieden recht hatten. 

Dann erhebt sich natürlich die Frage, was die Ursache gewesen ist, daß die Erde in einen derartigen Zustand von Verfall geriet, wie er in Vers 2 beschrieben wird. Es ist un­möglich, diese Frage mit dogmatischer Bestimmtheit zu beant­worten, weil die Schrift hierüber wenig mitteilt. Doch hoffe ich wohl zeigen zu können, daß viel dafür spricht, daß dieser Zustand der Wüstheit und Leere durch den Fall Satans verur­sacht worden ist. Auch dieser Gedanke ist schon sehr alt. Es ist interessant, daß er sogar in den königlichen Gesetzen des Königs Edgar von England (10. Jahrh.) vorkommt und noch früher in dem biblischen Gedicht des englischen Barden Caedmon (7. Jahrh.), obwohl dieser den Fall Satans mit Judas Vers 9 in Verbindung bringt, was nicht richtig ist.

Noch ein weiteres Problem müssen wir näher in Augen­schein nehmen. Das ist allerdings hauptsächlich ein naturwis­senschaftliches Problem, aber da es bei jeder Besprechung von 1. Mose 1‑11 auftaucht und häufig zu einer falschen Schrift­auslegung führt, müssen wir ausführlich darauf eingehen. Wir wissen nämlich, daß die harte kristalline Unterlage der Erd­kruste (das sogenannte Erstarrungsgestein) mit sogenannten Ablagerungsgesteinen bedeckt ist, d. h. Gesteinen, bestehend aus den Materialien Sand, Kreide, Kalk usw., die durch Wind, Eis und vor allem strömendes Wasser auf der Unterlage ab­gesetzt worden sind und einige Dezimeter bis einige Kilometer dick sein können. In vielen dieser sogenannten "Erdschichten" sind Milliarden von Fossilien gefunden worden, d. h. verstei­nerte Reste aller möglichen Arten von Organismen, die teil­weise ausgestorben sind und teilweise noch vorkommen. Die weitaus meisten Geologen glauben, es seien Millionen von Jahren nötig gewesen, diese Erdschichten zu bilden. Diesen Glauben haben sie nicht immer gehabt. Bis 1800 glaubten praktisch alle Geologen, die Erdschichten und die darin vor­kommenden Fossilien seien alle oder zum Teil durch die Sint­flut gebildet worden. Auch bei dem jüdischen Gelehrten Philo und bei den alten Kirchenvätern Tertullian, Chrysostomus, Augustinus und bei Luther finden wir diesen Gedanken.

Mit den Theorien des Barons Georges Cuvier wandelte sich diese Ansicht völlig. Cuvier glaubte, e i n e Sintflut habe nicht imstande sein können, alle Erdschichten zu formen, und lehrte daher, es habe eine große Anzahl Katastrophen stattgefunden, von denen die Sintflut die letzte gewesen sei. Sein Nachfolger, Alcide d'Orbigny, lehrte sogar, jeder dieser Katastrophen sei eine völlig neue Schöpfung tierischen Lebens gefolgt. Wann sollten diese Dutzende von vorsintflutlichen Katastrophen stattgefunden haben? Dr. Thomas Chalmers, ein Theologe in England, verkündigte schon 1814, der Platz für diese Katastro­phen müsse zwischen Vers 1 und 2 von 1. Mose 1 gesucht werden. Diese schrecklichen Umwälzungen, bei denen Milli­onen von Organismen umkamen und in den bei diesen Kata­strophen gebildeten Erdschichten begraben wurden, sollten dann zu dem Zustand des Verfalls geführt haben, der in 1. Mose 1, 2 beschrieben wird. 

Es dauerte nicht lange, und auch die Sintflut verlor ihre Stellung als letzte Katastrophe und wurde degradiert zu einer zwar universalen Überschwemmung, die jedoch keine großen geologischen Folgen hatte. Diese The­orie wurde zum erstenmal im Jahre 1826 durch den schotti­schen Prediger John Fleming publiziert. Die Auffassung, daß die Erdschichten zwischen Vers 1 und 2 von 1. Mose 1 gebildet worden sein sollten, wurde in England unter den Theologen außerordentlich populär und wird durch verschiedene ortho­doxe Schriftausleger noch immer aufrechterhalten. Der Gna­denstoß wurde der Sintflutgeologiie durch den Theologen John Pye Smith versetzt, der von 1839 an lehrte, die Sintflut sei nichts anderes als eine örtliche Überschwemmung im Mittleren Osten gewesen. Und das ist heute die Überzeugung der mei­sten Theologen.

Kaum hatten jedoch die Theologen die Auffassungen von Cuvier, Chalmers und Fleming akzeptiert, da schworen die Geologen diesen Theorien ab und tauschten dagegen die Leh­ren von Sir Charles Lyell (1830) ein. Dieser verwarf alle Kata­strophen und lehrte, die Erdschichten seien allmählich entstan­den, nach genau denselben Prozessen, die wir auch heute in der Natur beobachten. Dieser Gedanke des sogenannten Aktuafis­Mus, der noch immer die Grundlage der historischen Geologie bildet, eroberte die wissenschaftliche Welt im Sturm, ja so rasch, daß z. B. der Geologe William Buckland von Oxford, der noch 1823 die Sintflut (die er Diluvium nannte) als die letzte einer Reihe von weltweiten Katastrophen beschrieb, dies schon 1836 öffentlich widerrief. Die "Unsterblichkeit" des Aktualis­mus‑Gedankens wurde durch die Tatsache garantiert, daß im Jahre 1859 Charles Darwin seine Evolutionslehre auf dieses Prinzip gründete, wie er auch dankbar anerkannte. 

Würde der Aktualismus wegfallen, würde damit auch die Evolutionslehre zusammenbrechen. Ist dieses Prinzip denn eine bewiesene Sache? Weit gefehlt! Die Lehre, daß die Erdschichten n i c h t durch Katastrophen entstanden seien, wird ‑ wie wir sehen werden ‑ durch die Tatsachen immer mehr Lügen gestraft. Aber der Aktualismus und die Evolutionslehre sind unausrott­bar, solange es Materialisten gibt, denn die einzige Alter­native: Schöpfung und Sintflut, ist für sie unannehmbar. Nicht daß ihre Theorien moderner wären; im Prinzip sind ihre Dogmen dieselben wie die von Aristoteles, nicht nur was die or­ganische Evolution betrifft (wie wir bei Vers 1 gesehen haben), sondern auch was die geologische Geschichte der Erdkruste angeht. Das Kommen des Christentums vertrieb diese Lehren zum großen Teil, bis die Modernisten im vorigen Jahrhundert dem christlichen Glauben Lebewohl sagten und zum Heiden­tum zurückkehrten.

Aus Vorstehendem kann man ableiten, daß es unter den christlichen Wissenschaftlern und Theologen seit dem vorigen Jahrhundert vier verschiedene Auffassungen über die Entste­hung der Erdschichten gibt. Die meisten von ihnen hängen leider einer theistischen Entwicklungslehre an, die ich vorste­hend zu widerlegen gesucht habe, und akzeptieren also auch den Aktualismus vollkommen. Die übrigen drei Auffassungen sind:

  1. Die Erdschichten sind zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 ent­standen. Diese Auffassung findet man gegenwärtig z. B. in den Erläuterungen der Scofield Reference Bible und in den Schriften verschiedener "Brüder".
  1. Die Schöpfungstage sind als enorm lange geologische Perioden aufzufassen, während welcher die Erdschichten gebil­det wurden. Diese Auffassung finden wir schon bei Cyprian (ca. 250). Sie ist im vorigen Jahrhundert durch die Schriften von u. a. Hugh Miller und F. Bettex bekannt geworden und wird im Augenblick durch christliche Naturwissenschaftler Nvie Walter J. Beasley vertreten.

Ich glaube, daß wir beide Auffassungen auf Grund von Ge­gebenheiten der Schrift verwerfen müssen, wie ich zu zeigen hoffe. Außerdem sind sie ganz und gar nicht mit der modernen Naturwissenschaft in Einklang zu bringen, wie man oft opti­mistisch hofft und wozu man sie auch aufgestellt hat! Es bleibt also die

  1. Auffassung übrig, nämlich, daß die Erdschichten größ­tenteils durch die Sintflut entstanden sind. Ich werde hierfür Argumente sowohl der Schrift als auch der Naturwissenschaft anführen und es dann dem kompetenten Leser überlassen, zwischen den vorgestellten Auffassungen eine schriftgemäße Wahl zu treffen. Glücklicherweise haben viele christliche Na­turwissenschaftler sich für die Sintflut‑Auffassung entschieden. Im vorigen Jahrhundert hielten christliche Fachleute wie Kirby, Fairholme, Young, Twemlow und Bosizio und sogar Ungläu­bige wie Howorth an dieser Auffassung fest und widerstanden der Lyellschen Theorie. Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde vor allem George McCready Price als gläubiger Sintflut-­Geologe bekannt. Zum Schluß nenne ich einige zum größten Teil neuere Werke von gläubigen Gelehrten, die die Sintflut­-Auffassung vertreten:

Am meisten zu empfehlen: (Diese Bücher sind zu beziehen bei der Bible­Science Association, Box 1016, Caldwell, Idaho 83605, U.S.A.)

John C. Whitcomb & Henry M. Morris: The Genesis Flood (1961) (Dieses Buch wurde in den USA ein Bestseller)

Alfred M. Rehwinkel: The Flood (1951). (Dieses Buch erschien unlängst in holländischer Übersetzung unter dem Titel De Zondvloed")

Mit Vorbehalt zu empfehlen:

Harold W. Clark: Fossils, Flood and Fire (1968) Donald W. Patten: The Biblical Flood and the Ice Epoch (1966).

Wir wollen nun die genannten Probleme näher ins Auge fassen. Dabei möchte ich kurz und Punkt für Punkt die Rich­tigkeit der folgenden Ansicht aufzuzeigen versuchen:

I. Die Erde istnicht wüst und leer geschaffen, sondern so geworten vermutlich durch den Fall Satans.

11. Die Erdschichten wurden nicht zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 gebildet.

III. Die geologische Zeittafel, die Millionen von Jahren für die Bildung der Erdschichten ansetzt, ist sehr anfechtbar.

IV. Die Theorie, daß die Schöpfungstage enorme geologische Perioden darstellen, ist sinnlos und unhaltbar.

V. Die Schöpfungstage sind gewöhnliche, irdische Tage.

Vl. Die Erdschichten wurden wahrscheinlich durch die Sintflut gebildet.

Ia. Argumente dafür, daß 1. Mose 1, 2 nicht den ursprüng­lichen Zustand der Erde wiedergibt

1. Wenn die Erde wüst und leer g e s c h a f f e n worden wäre, dann wäre Vers 2 eine Beschreibung der Erde in Vers 1. Aber der Ausdruck "Himmel und Erde" deutet nirgendwo in der Schrift auf ein ungeordnetes Urchaos, sondern immer auf den geordneten Weltraum, wie wir ihn kennen. Der Gedanke, daß die Erde aus einem Urchaos (ungeordnete Materie) ent­standen sei, spielt nicht nur in der modernen Astronomie und Geologie eine große Rolle, sondern kommt schon in allen alten Mythologien vor und ist also heidnisch. Nur die Bibel macht eine Ausnahme; sie beginnt nicht mit einem Chaos, das geordnet wird, sondern mit einer vollkommenen, geord­neten Erde, die wüst und leer wird.

2. In Hiob 38, 7 steht, daß die Engel bei der Grundlegung der Erde (d. i. 1. Mose 1, 1) jubelten; hätten sie das getan, wenn sie nichts als Wüstheit und Leere angeschaut hätten?

3. Daß Vers 2 nicht den Zweck hat, den ursprünglichen Zu­stand von "Himmel und Erde", wie sie in Vers l geschaffen wurden, zu beschreiben, ist auch daraus zu ersehen, daß in Vers 2 ausschließlich von der Erde gesprochen wird und nicht vom Himmel. Nur von der Erde wird gesagt, daß sie wüst und leer war, so daß der Himmel es offenbar nicht war. Die Fin­sternis war über der Wassertiefe, nicht im ganzen Weltall. Es steht auch nicht da, daß Gott am ersten Tag das Licht s c h u f , sondern Er r i e f es von anderswoher auf die Erde. Nur auf der Erde herrschte in Vers 2 also ein Chaos', und das kann dorthin also erst später gekommen seK

4. Die Verfechter der Ansicht daß Vers 2 den Zustand des in Vers 1 Geschaffenen beschreibt, behaupten häufig, Vers 1 sei also gewissermaßen eine Überschrift über 1. Mose 1, die angebe, d a ß Gott Himmel und Erde schuf, wonach die fol­genden Verse beschreiben würden, w i e Er es tat. Es gibt jedoch einen ganz einfachen Hinweis dafür, daß dies falsch ist, nämlich das Wörtchen "und" zu Beginn von Vers 2. Dies deutet ein neues Ereignis an, das auf das vorhergehende folgt. Jeder Vers in 1. Mose 1 beginnt mit diesem Wörtchen, und immer leitet es eine neue Phase ein. Sollte Vers 2 dann eine Ausnahme sein? Es ist deutlich, daß Vers 2 eine neue Situation beschreibt, unterschieden von Vers 1.,Dort sind Himmel und Erde erschaffen, hier ist die Erde dann wüst und leer. Daß "und‑ außerdem oft den Sinn von "dann" oder "danach" hat, sehen wir z. B. aus 1. Mose 2, 8. 21; 3, 7. 13 usw. Oft hat dies Wörtchen auch die Bedeutung eines Gegensatzes ("aber"); vergleiche 1. Mose 1, 30; 2, 17. 20 b; 3, 3. Wenn Vers 1 eine Überschrift sein sollte, würde Vers 2 nicht mit "und" begin­nen. Das ist aus den vielen Stellen zu ersehen, wo es sich wohl um eine Überschrift handelt und wo der folgende Satz nicht mit "und" beginnt, wie in 1. Mose 5, 1; 6, 9; 25, 19; 37, 2.

5. Daß wir es n‑üt einem neuen Ereignis zu tun haben, das auf das von Vers :i folgt, ist auch aus dem Vorhandensein des selbständigen Zeitwortes ("war") zu schließen. Dieses Wort, das im Hebräischen viel mehr ist als ein Hilfszeitwort, deutet einen vergangenen Zustand an im Vergleich zu dem, was folgt, einen Zustand jedoch, der nie gleichzeitig ist mit dem, was im Text voraufgeht. Wenn es die Absicht gewesen wäre, uns den Zustand der Erde aus Vers 1 zu beschreiben, hätte dieses Zeit­wort sicher gefehlt, wie es im Hebräischen sehr häufig der Fall ist. Dies sieht man deutlich aus den folgenden Satzteilen von Vers 2, wo das Zeitwort tatsächlich fehlt, weil es da um Zu­stände geht die mit dem ersten Teil von Vers 2 zeitlich paral­lel laufen: "Und die Erde w a r wüst und leer, und Finsternis (war) über der Tiefe; und der Geist Gottes (war) schwebend über den Wassern". Ebenso: "Gott sah, daß (es) gut (war)" (Verse 4. 10. 12 usw.). Weil "war" also etwas bezeichnet, das auf das Vorangegangene folgt, hat es häufig den Sinn von "wurde" oder "ist geworden" oder "war geworden", und das nicht nur in 1. Mose 1, 2, sondern wohl zwanzigmal hat "war" in 1. Mose 1 den Sinn von "wurde" oder "ward". In der Elberfelder Bibel ist es auch meistens so übersetzt, siehe z. B. die Verse 3, 7, 9, 11, 15, siehe auch 1. Mose 2, 7; 4, 2; 19, 26. Die Aramäische und die Griechische (Septuaginta) Übersetzung des Alten Testamentes haben meistens auch "war geworden".

6. Der Ausdruck "Wüstheit und Leere" (es sind in der Tat Hauptwörter und nicht Eigenschaftswörter) kommt außer hier nur noch zweimal im Alten Testament vor, nämlich in Jesaja 34, 11 und in Jeremia 4, 23. Es ist sehr bedeutsam, daß an beiden Stellen die Wüstheit und Leere einen Zustand von Ver­fall andeuten, der die Folge des Gerichtes Gottes ist. In Je­saja 34 lesen wir, daß Gott "die Meßschnur der Öde und das Senkblei der Leere" über Edom zieht wegen ihrer Sünden. Und in Jeremia 4 schildert der Prophet das Land, nachdem es wegen der Sünden Israels verwüstet ist: "Ich schaue die Erde an, und siehe, sie ist wüst und leer; und gen Himmel, und sein Licht ist nicht da". Nun möchte ich fragen: Sollte die Wüstheit und Leere in 1. Mose 1, 2 dann n i c h t die Folge von Verfall und Verderben sein, die ‑ um welcher Ursache willen auch immer ‑ eingetreten sein müssen? Für jeden, der weiß, wie genau und konsequent der Wortgebrauch der Schrift ist (inspiriert durch e i n e n Geist), ist dies keine Frage. Das Wort für "Leere" (bohu) kommt sonst im Alten Testament nicht vor, aber "Wüstheit" (tohu, abgeleitet von "erschreckt", "in Bestürzung versetzt werden") findet man an noch vielen anderen Stellen in Verbindung mit Verfall und Verderben, oft als Folge von Gericht; siehe z. B. 5. Mo 32, 10; Hi 26, 7; Jes 24, 10; es ist der Ort, wo kein Weg ist (Hi 6, 18; 12, 24; Ps 107, 40). Wenn wir diese Stellen genau untersucht haben, können wir dann noch meinen, Vers 2 stelle uns die Erde so vor, wie sie aus der Schöpferhand Gottes hervorgegangen ist? Hinzu kommt noch, daß es eine Stelle gibt, die dies ausdrücklich verneint. je­saja 45, 18 sagt wörtlich, Gott habe die Erde nicht "als eine öde (tohu) geschaffen", sondern "um bewohnt zu werden, hat er sie gebildet "(siehe dazu auch Ic4).

7. 1. Mose 1, 2 spricht sodann von "Finsiemis", und auch dies ist ein Begriff, der stets mit Bösem und Gericht in Ver­bindung steht. Siehe z. B. Hiob 10, 21; Ps 107, 10; Jes 9, 1 und vor allem im Neuen Testament: Mt 27, 45; Lk 22, 53; Joh 1, 5; Eph 4, 18; 5, 11. 13; 1. Petr 2, 9.

8. Die "Wassertiefe", die dann in unserem Vers genannt wird, hat in der Schrift fast immer eine ungünstige Bedeutung. Es ist die unermeßlich tiefe Wassermenge ("der Abgrund"), die die Erde bedeckte und die in Vers 6 einen Gegensatz zu der unermeßlich hohen Ausdehnung bildet (vgl. 1. Mo 49, 25; 5. Mo 33, 13). Es sind diese ungeheuren Wassermengen (Ps 33, 7), mit denen Gott später in den Tagen Noahs die Erde zum Gericht bedeckte (l. Mo 8, 2; Ps 104, 6), mit denen Er auch Tyrus verwüstete (Hes 26, 19) und in die Er den gläubi­gen jüdischen Überrest bringen (Ps 42, 7) und aus denen Er ihn erlösen wird (Ps 71, 20).

9. Der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Auch die Aktivität des Geistes finden wir in der Schrift gerade sehr häufig in Verbindung mit einem Zustand der Verdorbenheit (vgl. Ps 104, 29. 30). Es soll uns sicher nicht nur mitgeteilt werden, daß auch der Heilige Geist beim Schöpfungswerk beteiligt war; nein, der Geist ist hier aktiv, weil in diesem verfallenen Zustand der Erde ein erneuerndes und wiederher­stellendes Werk getan werden muß. Es ist dieser selbe Geist, der in dem Tal der dürren Totengebeine wehen und die Ge­töteten anhauchen wird, damit sie lebendig werden (Hes 37, 1. 9. 10. 14). Auch dort ein Zustand von Tod und Verderben, wo der Geist neues Leben weckt. Und ist es so nicht auch in der Wiedergeburt? War unser Zustand von Natur nicht auch ein Zustand der Wüstheit und Leere und eines verfinsterten Gemütes? In diesem Zustand hat der Geist Gottes begonnen zu wirken: "Der Wind (= Geist) weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt, und wohin er geht; also ist jeder, der aus dem Geist geboren ist" (Joh 3, 6. 8). (Sowohl im Hebräischen als im Griechischen gibt es ein Wort, das sowohl "Wind" als auch "Geist" bedeutet).

10. Zum Schluß. der Geist "schwebte". Das ist ein merk­würdiges Wort. Es kommt sonst im Alten Testament nur zwei­mal vor, aber das ist ausreichend, um die Bedeutung zu ver­stehen. In Jeremia 23, 9 steht, daß die Gebeine des Propheten "schlotterten"; dies war ein Zittern, das durch einen Zustand großer Verdorbenheit (der Propheten) und durch Gottes Ge­richt verursacht war. Das zweite Mal kommt das Wort in einer Intensiv‑Form vor (dieselbe Form wie in 1. Mo 1, 2) in 5. Mose 32, 11. Vers 10 beschreibt da Israel in der "Wüstheit" (tohu), aber Jehova leitete sie von dort hinaus, "wie ein Adler sein Nest aufstört, über seinen Jungen schwebt, seine Flügel ausbreitet, sie aufnimmt, sie trägt auf seinen Schwingen". Hier wird das Wort also gebraucht für einen Vogel, der über seinen jungen "schwebt" zum Schutz gegen Bedrohung und Fallen. Die Grundbedeutung des Wortes ist "hin und her bewegen", daher "schlottern" in Jeremia 23 und "schweben" (eigentlich "flattern") in 5. Mose 32 und 1. Mose 1. In allen drei Fällen ist es eine Aktivität voller Bewegung als Folge von Gericht und/oder als Schutz vor dem Verderben. Gibt das nicht ein schönes Bild von dem Wirken des Geistes in unserem Vers? Seine Aktivität ist die Folge des Verderbens, in dem die Erde sich befindet, sie dient aber zugleich dazu, weiterem Ver­derben entgegenzutreten und die Erde zu beschützen und zu erneuern. Wie ein Vogel seine Flügel beschützend über seine jungen ausbreitet (vgl. Mt 23, 37), so schwebt der Geist Gottes über den Wassern. Es ist nicht "hin und her schweben", wie der Wind weht, sondern "auf und nieder schweben", wie der Vogel über seinen jungen. Einige haben in Anlehnung an die Bedeutung eines verwandten syrischen Wortes gemeint, das Wort habe die Bedeutung von "brüten", aber diese Erklärung findet in dem Gebrauch des Wortes in der Schrift keine Stütze.

Ib. Argumente dafür, daß der Zustand von 1. Mose 1, 2 durch den Fall Satans verursacht wurde

1. Hierfür muß erst klar sein, daß der Satan vor Vers 2 geschaffen wurde. Der Satan war ursprünglich ein "schirmen­der Cherub" (Hes 28, 16) und gehörte also zu den Engeln, die ‑ wie der Satan selbst (Hes 28, 15) ‑ durch Gott den Sohn geschaffen wurden (Kol 1, 16). Diese Engel müssen vor 1. Mose 1, 1 geschaffen worden sein, denn bei der Grund­legung der Erde jubelten die "Morgensterne" und die Söhne Gottes (Hiob 38, 7), das sind die Engel (Hiob 1, 6; 2, 1). Der Satan war ursprünglich auch ein "Morgenstern" (Jes 14, 12), also ein glänzender Lichtträger (vgl. 2. Kor 11, 14). Wir dürfen daher wohl folgern, daß, als die Erde geschaffen wurde, der Satan schon geschaffen, aber noch nicht gefallen war.

2. Vermutlich war die Erde, ehe Satan zu Fall kam, der Herrschaftsbereich Satans. Die Tatsache, daß manche Engel "Morgensterne" genannt werden, scheint anzudeuten, daß sie über Himmelskörper gesetzt sind. Jedenfalls hat der Satan auch nach seinem Fall noch immer einen starken Einfluß auf die Erde. Er konnte mit Recht sagen, daß alle Reiche des Erd­kreises mit all ihrer Macht und Herrlichkeit ihm übergeben waren (Lk 4, 5. 6). Einige seiner Teufel (oder Dämonen, die "Engel Satans", vgl. 2. Kor 12, 7) sind über bestimmte Gebiete der Erde bestellt und werden "der Fürst des Königreiches Per­sien", "der Fürst von Griechenland" usw. genannt (Dan 10, 13. 20). Der Satan durchstreift auch beständig sein Gebiet (Hiob 1, 7; 2, 2). Seit dem Kreuz wird er der "Fürst dieser Welt" oder "dieses Zeitlaufs" (Joh 12, 31; 14, 30; 16, 11) und der "Gott dieser Welt" genannt (2. Kor 4, 4). Es scheint daher auf der Hand zu liegen, daß auch vor seinem Fall die Erde sein Herrschaftsbereich war und daß sie durch seinen Sturz in Verfall geriet.

3. Der Fall Satans wird in den Weissagungen über den König von Babel (Jes 14, 12‑15) und den König von Tyrus (Hes 28, 11‑19) deutlich beschrieben. Hinter diesen Königen wird der Satan als ihr böser Geist gesehen. Als dann auch ihr Untergang beschrieben wird, geht der Prophet in seiner Be­schreibung viel weiter, als je auf diese Könige anwendbar sein kann, und weist er zurück auf den Fall dessen, der sie beseelte. Nun ist es sehr bemerkenswert, daß beide Weissagungen mit­teilen, daß der Satan nach seinem Hochmut (vgl. 1. Tim 3, 6) aus dem Himmel geworfen und auf die Erde hinabgestürzt wurde. Warum ausgerechnet auf die Erde? Deutet das nicht auch darauf hin, daß der Satan vorher in einer besonderen Verbindung mit der Erde stand und daß er durch seinen Fall die Erde verdarb? Es erinnert uns stark an den zweiten Herr­scher über die Erde, Adam, dem auch die ganze Erde unter­worfen war, der aber auch durch Hochmut zu Fall kam (wo­durch er in die Gewalt Satans geriet und dieser seine alte Vor­herrschaft über die Erde zurückgewann). überdies: auch der Fall Adams brachte genauso einen Zustand des Verfalls und Verderbens für die Erde mit sich, und auch Adam wurde in gewissem Sinne auf die Erde "geworfen", d. h. aus dem Garten Eden vertrieben auf einen verfluchten Erdboden, um ihn zu bebauen.

4. Dieser Parallelismus ist bedeutsamer, als es vielleicht den Anschein hat. Wenn doch die Schrift tatsächlich lehrt, daß die Erde nicht wüst geschaffen, sondern wüst geworden ist ‑ und das habe ich versucht aufzuzeigen ‑ dann muß die Schrift doch auch irgendwo den Schlüssel für diesen Verfall der damaligen Erde enthalten. Nun, wir kennen in der Schrift keine anderen Ursachen für das Böse und das Verderben als erstens den Fall Satans und zweitens den Fall des Menschen. Beide wahr­scheinlich in derselben Stellung (Herrscher über die Erde), beide durch dieselbe Sünde gefallen, beide wahrscheinlich mit vergleichbaren Folgen für die Erde. Der Zustand von Vers 2 kann nicht durch den Fall des Menschen verursacht sein, denn der Mensch war damals noch nicht da; kann dieser Zustand dann durch irgend etwas anderes als durch den, Fall Satans verursacht worden sein?

5. Sehr wichtig ist auch, daß der Zustand der Erde in 1. Mose 1, 2 uns stark an den gefallenen Satan erinnert. Ich habe vor­hin aufgeführt, wo im Alten Testament "Wüstheit" (tohu) vorkommt, aber jetzt muß ich ergänzend sagen, daß das Wort noch eine zweite, damit verwandte Bedeutung hat, nämlich "Eitelkeit" oder "Nichtigkeit", siehe Jesaja 29, 21 (engl. übers. JND), im Sinne von "gering" (Jes 40, 17. 23; 44, 9) oder "vergeblich" (Jes 45, 19; 49, 4), aber vor allem auch als Be­zeichnung für die nichtigen, eitlen Götzen (i. Sam 12, 21; Jes 41, 29; 59, 4). Und wir wissen, daß Götzen nichts anderes sind als Engel Satans (5. Mo 32, 17; 1. Kor 10, 20). In 1. Mose 1, 2 wird also, um die Erde zu beschreiben, ein Wort benutzt, das auch gebraucht wird, um Dämonen zu bezeichnen.

6. Auch die Finsternis ist von Bedeutung. Wir haben ge­sehen, daß der Satan ursprünglich ein Lichtträger ("Lucifer") war, ein Morgenstern, ein Sohn der Morgenröte (Jes 14, 12), bedeckt mit kostbarem Edelgestein und wandelnd inmitten feuriger Steine (Hes 28, 13. 14), ein Engel des Lichts. Aber nach seinem Fall ist er der Weltbeherrscher der Finsternis geworden, die geistliche Macht der Bosheit in den himmlischen Örtern (Eph 6, 12). Sein war die Gewalt der Finsternis (Lk 22, 53). Und alle, die in seiner Macht sind, befinden sich in der Finsternis (Joh 3, 19. 20; 8, 12; Apg 26, 18; Eph 5, 8‑11; Kol 1, 13). Es liegt also auf der Hand, daß, wenn der Fall Satans die Ursache für den Verfall der damaligen Erde ist, dies auch bedeutet, daß sein Fall die Erde in tiefe Finsternis versetzte.

Widerlegung von Einwänden gegen die in Ia. und b. genannten Argumente

1. Einige behaupten, 1. Mose 1, 1 sei ganz entschieden eine Überschrift, weil gemäß 1. Mose 2, 1‑3 und 2. Mose 20, 11 Himmel und Erde nicht in einem Augenblick, sondern in sechs Tagen geschaffen worden seien. Wer das behauptet, übersieht jedoch einen wesentlichen Punkt, nämlich den Unterschied, den die Schrift macht zwischen "(er)schaffen" und "machen". Wir lesen nirgends in der Schrift, daß Gott Himmel und Erde in sechs Tagen geschaffen habe. Im A n f a n g schuf Gott Himmel und Erde, und in sechs Tagen m a c h t e Er sie, d. h. bereitete Er sie zu. Dies wird in 1. Mose 2, 3 sehr treffend ausgedrückt, wo wörtlich steht ‑ .. all sein Werk, das Gott geschaffen hatte, um (es) zu machen" (s. Fußnote engl. übers. JND), d. h. um es zuzubereiten und für den Menschen einzu­richten. Vers 1 ist also ein ganz gesondertes Geschehen, das dem Zustand in Vers 2 und dem Werk der sechs Schöpfungs­tage voraufgeht. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das Wort "(er)schaffen" in 1. Mose 1 ferner nur gebraucht wird, wenn es um ausgesprochen neue und einzigartige Schöpfungen Gottes geht. Sonst steht immer "machen" oder "bilden" da.

2. Natürlich haben viele den Einwand vorgebracht, es liege absolut kein echter Beweis dafür vor, daß die Erde durch den Fall Satans wüst g e w o r d e n sei. Aber das tut in Wirklichkeit überhaupt nichts zur Sache. Worum es geht, ist, daß wir einsehen, daß der Vers klar macht, daß die Erde nicht wüst geschaffen, sondern wüst geworden ist. Was die Ursache dafür ist, dar­über kann man verschiedener Meinung sein, aber das kommt erst in zweiter Linie. Ich habe übrigens noch nie gehört, daß jemand eine andere Ursache in der Schrift finden könnte als den Fall Satans.

3. Unsere Gegner sagen auch häufig, wir würden "voll­kommen" und "vollständig" miteinander verwechseln. Sie argumentieren: Alles was Gott schafft und macht, ist vollkom­men, aber es ist nicht immer sofort fix und fertig; Er hätte in einem Augenblick die Erde fix und fertig zubereiten können, aber es beliebte Ihm, sich sechs Tage damit zu beschäftigen, so daß bei Beginn der sechs Tage die Erde noch ganz ungeord­net und leer aussah. Aber diese Beweisführung ist unhaltbar. Sollen wir wirklich annehmen, daß die wüste, leere, dunkle Erde in Vers 2 sich in einem vollkommenen, wenn auch un­vollständigen Zustand befand? Wir haben gesehen, daß "wüst" durchaus nicht "unvollständig" bedeutet, sondern ge­rade "verdorben", als Folge von Sünde und Gericht. Ist das das Bild eines vollkommenen Schöpfungswerkes Gottes?

4. Ebenso bringt man auch oft vor, Jesaja 45, 18 wolle sa­gen, Gottes schließliches Ziel mit der Erde sei gewesen, daß sie bewohnbar werde und nicht eine Wüste bleibe. Man sagt dann, der Vers beziehe sich auf das Ende der sechs Schöp­fungstage und nicht auf ihren Anfang. Aber auch hier liest man nachlässig, was noch begünstigt wird durch die Tatsache, daß der Vers oft falsch übersetzt wird. Es steht nämlich durch­aus nicht da (wie in manchen Übersetzungen), Gott habe die Erde nicht geschaffen, a u f d a ß sie eine Wüste sei. Sondern es steht da: "Er hat die Erde nicht‑tohu geschaffen", was man nur gut wiedergeben kann, indem man übersetzt, "nicht a 1 s eine Öde (oder: nicht öde) geschaffen" (wie die Elberfelder Obers. auch richtig sagt). Das bedeutet nichts weniger als dies: Als die Erde in 1. Mose 1 entstand, war sie keine Wü­ste ; das war sie erst in Vers 2. Wenn der Sinn von Jesaja 45, 18 hätte sein sollen: " a u f d a ß sie eine Wüste sei", dann hätte dastehen müssen: letohu (die Vorsilbe le‑ bedeutet "für" oder "zu'), wie es in Vers 19 steht in der Bedeutung "zur Eitelkeit", d. h. vergeblich. Das wird noch deutlicher, wenn wir sehen, daß wohl dasteht "sondern z u m Bewohnen (oder "um bewohnt zu werden") hat er sie gebildet". Hier konnte nicht stehen " a 1 s Wohn(stätte)", denn hier geht es tatsächlich um das schließliche Ziel, das Gott mit dieser Erde hatte, nämlich daß sie durch den Menschen bewohnt werden sollte. Dies wird durch die Tätigkeitswörter bewiesen; zuerst steht "(er)schaffen" da, und wir haben bereits gesehen, daß die Erde in 1. Mose 1, 1 geschaffen wurde und nicht während der sechs Schöpfungstage. Im Anfang schuf Gott die Erde, n i c h t als eine öde. Aber danach gebraucht Jesaja 45, 18 das Wort "bilden", das bezieht sich nicht auf 1. Mose 1, 1, sondern auf die sechs Tage, an denen Gott die Erde zubereitete, damit sie für den Menschen bewohnbar würde. Wer die unglaubliche, göttliche Genauigkeit der Schrift ein wenig kennt, wird auch hier unter den ‑Eindruck der zwingenden Deutlichkeit und Be­weiskraft dieser Schriftstelle kommen.

5. Schließlich wendet man sehr häufig ein, dieser Zwischen­raum zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2, in dem der Fall Satans und der Verfall der Erde stattfand, mute im Verlauf des Ka­pitels doch recht unnatürlich an. Wenn man den Text in Ruhe liest, so wird gesagt, bekommt man durchaus nicht den Ein­druck einer kolossalen Veränderung zwischen Vers 1 und 2; und w e n n diese Veränderung wirklich stattgefunden hätte, warum berichtet 1. Mose 1 dann nichts davon? ‑ Das ist nun wirklich ein schwaches Argument. In Ruhe lesen heißt noch nicht immer genau und (sach)verständig lesen. Wenn wir den Wortgebrauch der Schrift ganz genau kennten, würden wir ohne jeden Zweifel beim Übergang von Vers 1 nach Vers 2 fühlen: Hier ist etwas Schlimmes geschehen. So empfanden es jedenfalls die alten Kirchenväter, und noch früher brachten es die siebzig Gelehrten in ihrer griechischen Übersetzung, der Septuaginta, so zum Ausdruck. Daß die Schrift die Ursachen dieses Verderbens h i e r nicht berichtet, ist ganz verständlich, wenn wir einsehen, was das Ziel von 1. Mose 1 ist: die Be­schreibung der Zubereitung der Erde als Lebens‑ und Erpro­bungsraum für den Menschen, wie im Anfang schon ausführ­lich dargelegt ist. Daher eilt Gott nach Vers 1 zu dem Zustand der Erde, der für uns und für das übrige Kapitel wichtig ist, ohne daß es auch nur irgendwie nötig oder angebracht wäre, uns das Dazwischenliegende mitzuteilen. Und wie oft geschieht es doch sonst in der Schrift, daß (manchmal in e i n e m Vers) Zeit­räume von Tausenden von Jahren in der Beschreibung über­schlagen werden. So zum Beispiel tausend Jahre in Johan­nes 5, 29 (vgl. Offb 20, 5) und zweitausend Jahre in Jesaja 61, 2 und in Daniel 9, 26. 27. Mutet das an diesen Stellen etwa "natürlich" an?

IIa. Biblische Argumente dafür, daß die Erdschichten nicht in der Periode zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 entstanden sind

1. Es geht hier in der Hauptsache darum, daß die Erdschich­ten millionenfach Überreste von Organismen enthalten, die früher auf der Erde gelebt haben. Wenn die Erdschichten vor 1. Mose 1, 2 entstanden wären, würde das bedeuten, daß vor diesem Zeitpunkt schon lebende Organismen durch Gott ge­schaffen waren. Es scheint mir jedoch von großer Wichtigkeit zu sein, daß die Schrift ‑ soviel ich weiß ‑ nicht die geringste Andeutung enthält, daß vor 1. Mose 1, 2 irdisches Leben be­standen hätte. Im Gegenteil, in 1. Mose 1, 21 wird das Ent­stehen der lebendigen Wesen eine Schöpfung genannt, und das deutet immer auf etwas Neues hin, auf etwas Einzigartiges, das noch nicht da war. Dies wäre fehl am Platze, wenn schon vorher lebendige Wesen auf der Erde existiert hätten. Man denkt vielleicht, das seien eben ausgestorbene Tiere gewesen, und Gott habe in 1. Mose 1, 21 neue Tiere geschaffen, aber das ist absolut nicht wahr. Die meisten Fossilien sind Überreste von Pflanzen und Tieren, die völlig mit den augenblick­lich lebenden übereinstimmten oder nahe mit ihnen verwandt waren. Es ist ganz deutlich, daß die Erdschichten zusammen Zeugnis ablegen von einer ebensolchen Pflanzen‑ und Tier­welt wie die unsere. Zwar sind eine Anzahl Formen ausge­storben, aber wir werden sehen, daß das noch nicht so lange zurückliegt; außerdem werden auch immer mehr Formen wie­dergefunden, die man für ausgestorben hielt. Liegt es wirklich in der Linie der Schrift, anzunehmen, Gott habe eine Tier­welt gleich der unsrigen vernichtet und danach von neuem geschaffen? Warum tat Er das dann nicht bei der Sintflut, sondern machte sich da die Mühe, von allen Landtieren Exem­plare in eine Arche aufzunehmen? Außerdem: die in 1. Mose 1, 21 geschaffenen Tiere waren Seetiere; es ist doch undenk­bar, daß die alle in den Wassern von 1. Mose 1, 2 umgekom­men sein sollten, was ja auch in der Sintflut nicht geschah?

Überdies: wie konnte Adam über alle Tiere regieren, und allen Tieren Namen geben, wenn schon viele ausgestorben waren? Man kann natürlich mutmaßen, was man will; es fragt sich nur, ob wir in der Linie der Schrift bleiben wollen oder ob wir es wagen, uns zu ihr in Widerspruch zu setzen.

2. Aber das ist noch nicht alles. Die Erdschichten enthalten auch viele Spuren von Menschen. In den Erdschichten des so­genannten Quartärs wurden ziemlich viele fossile Knochen von Menschen gefunden; darunter sind viele degenerative Typen wie der Neandertaler und der Pithekanthropus, aber die älte­sten menschlichen Schädel (die aus dem Tertiär) sind den un­seren ganz gleich. Dies ist bewiesen durch Funde in Calaveras (Kalifornien), Castenedolo und Olmo (Italien); im Jahre 1842 wurde sogar ein "moderner" Schädel in einer Braunkohlen­schicht gefunden. Solche Funde lassen nicht nur die angenom­mene Evolution des Menschen zusammenbrechen (sie werden daher durch die Geologen entweder wegdisputiert oder einfach geleugnet), sondern sie beweisen auch, daß die Erdschichten n a c h der Erschaffung des Menschen entstanden sind. Und das gilt nicht nur für die obersten Erdschichten, sondern auch für tiefer gelegene. Man hat nän‑dich menschliche Fugabdrüke gefunden in der Kreide (am Ufer des Paluxy River bei Glen Rose in Texas) und im Karbon (an vielen Orten in den USA); selbst im Kambrium (in Antelope Springs, Utah) und sogar im Präkambrium sollen menschlicheFugabdrückegefundenworden sein (Woodstock). Ich frage: Wenn man mir sagt, die Erd­schichten seien v o r 1. Mose 1, 2 entstanden, sollen wir dann glauben, daß es schon Menschen gegeben habe, ehe Adam ge­schaffen wurde? Menschen, die uns vollkommen glichen? Ist nicht das ganze ‑ wohlgemerkt: das g a n z e ‑ menschliche Geschlecht aus e i n e m Blute gemacht (Apg 17, 26)? Wenn v o r Adam auch Menschen existiert hätten, dann wäre das menschliche Geschlecht aus mindestens zweierlei Blut gemacht, und Eva wäre nicht die Mutter aller Lebendigen (l. Mo 3, 20).

3. Mein drittes Argument ist m. E. ebenso wichtig. Die Erd­schichten sind Zeugen von Tod und Verderben. Ich möchte fragen: Gibt die Schrift mir das Recht anzunehmen, der Tod habe schon v o r dem Sündenfall bestanden? Wir wollen die Schrift in bezug auf diesen Punkt genau untersuchen. Wie ist der Tod in die Welt gekommen? Der Tod ist durch den Men­schen (l. Kor 15, 21), durch nichts anderes. Römer 5, 12 zeigt das auch deutlich: Der Tod ist durch die Sünde Adams gekom­men. Wohlgemerkt: Es steht nicht da, daß durch seine Sünde der Tod seinen Einzug gehalten habe nur in die Menschenwelt, sondern in den Kosmos. Auch aus anderen Stellen geht deut­lich hervor, daß die Sünde Adams nicht nur auf das mensch­liche Geschlecht Einfluß hatte, sondern auf die ganze Schöp­fung. Aus 1. Mose 1, 29. 30 ist klar zu ersehen, daß Mensch u n d Tier vor dem Sündenfall nur pflanzliche Nahrung aßen. Pflanzen sterben natürlich auch, wenn sie gegessen werden, aber wir sprechen jetzt nur von dem Tod des beseelten, be­wußten Geschöpfs. Pflanzen sind keine lebendigen Wesen oder Seelen, darum steht auch nicht da, daß sie geschaffen seien. Über den Tod und das Gegessen‑Werden von Tieren lesen wir erst nach dem Sündenfall (l. Mose 4, 4; 9, 3‑6). Auch auf den Erdboden und die Pflanzenwelt, ja auf die ganze Schöp­fung hatte der Sündenfall Einfluß (l. Mo 3, 14‑19). Dies ist auch die deutliche Belehrung von Römer 8, 19‑22: Die ganze Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, ist in der Knecht­schaft der Vergänglichkeit und seufzt in Geburtswehen bis jetzt. Und das wird so bleiben bis zur Offenbarung der Söhne Gottes, das ist bei der Wiederkunft Christ!. Dann wird der Fluch von der Schöpfung weggenommen werden, so daß dann die Menschen auch nicht mehr sterben, es sei denn nach offen­barer Empörung (Jes. 65, 20. 22; Sach 8, 4), und dann werden die Tiere einander auch nicht mehr verschlingen, sondern pflanzliche Nahrung fressen (Jes 11, 7; 65, 25). Auch hier also stellt sich die Frage: Hat man die Schrift auf seiner Seite, wenn man behauptet, der Tod habe schon vor dem Fall Adams im Tierreich geherrscht? Gewiß, die Sünde war schon da: Der Satan war schon gefallen und hatte die ursprüngliche Erde vermutlich in Verfall gebracht; aber wir lesen nirgends, seine Sünde habe den Tod im Gefolge gehabt. Außerdem hatte Gott in sechs Tagen die Erde vollkommen wiederhergestellt, und Er konnte nach jeder Phase sagen, daß das, was Er gemacht hatte, gut war; und zum Schluß sah Er alles, was Er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut (1. Mo 1, 31). Würde Er das gesagt haben, wenn damals schon Tod und Verderben auf der Erde herrschten? Oder sollen wir annehmen, daß der Tod vor

  1. Mose 1, 2 herrschte, danach aufgehoben wurde und beim Sündenfall aufs neue seinen Einzug in die Welt hielt?

4. Mein letztes Argument enthält eine Warnung. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Theorie von dem Entstehen der Erdschichten vor 1. Mose 1, 2 seinerzeit ein Versuch war, die Behauptungen der damaligen historischen Geologie, näm­lich die Katastrophentheorie von Cuvier und anderen, und später den Aktualismus von Lyell mit der Schrift in Überein­stimmung zu bringen. Aber ein leichtfertiges Annehmen dieser Lehren ist lebensgefährlich, denn sie tasten grundsätzlich das Wort Gottes an. Wenn man einmal beginnt, das Aktualitäts­prinzip von Lyell zu akzeptieren, dann ist es nur noch ein ganz kleiner Schritt bis zu der darauf gegründeten Evolutions­

lehre Darwins. Das Aktualitätsprinzip steht absolut im Wider­spruch zur Schrift. Wenn man das sagt, entrüsten sich manche und meinen: Das Aktualitätsprinzip besagt nichts anderes, als daß früher dieselben Naturgesetze geherrscht haben wie heute"! Aber diese Leute sind einfach nicht auf der Höhe, denn diese Binsenwahrheit war schon lange bekannt, ehe Lyell geboren wurde. Nein, Lyell kam mit seinem Grundprinzip, um darin zum Ausdruck zu bringen, daß die Erdschichten durch Prozesse entstanden seien, die wir h e u t e wahrnehmen, und nicht durch Katastrophen, wie sie heute auch nicht statt­

finden. Nun, erstens hat sich das als ganz falsch herausgestellt, denn durch die Prozesse, die wir jetzt Wahrnehmen, entstehen überhaupt nicht solche Erdschichten, wie wir sie kennen. Aber zweitens leugnet dieser Grundsatz die Macht Gottes, weltweite Gerichte über die Erde zu bringen, wie deutlich in 2. Petr 3, 3‑7 vorhergesagt wird: in den letzten Tagen würden Spötter kom­

men, die spotten würden: "Wo ist die Verheißung seiner An­kunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an". (Das ist haargenau das Aktu­alitätsprinzip!) Denn nach ihrem eigenen Willen ist ihnen verborgen, daß tatsächlich eine weltweite Katastrophe stattge­funden hat, nämlich die Sintflut, durch welche die damalige Welt unterging. Und ebenso wird auch die gegenwärtige Schöpfung Gottes Gerichte erleben. Wir wollen uns daher hüten, die Behauptungen dieser geologischen Philosophie leichtfertig zu akzeptieren und ihr zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 einen Platz einzuräumen. Dieser Optimismus ist völlig fehl am Platze, denn wenn man die Erdschichten zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 unterbringt, erreicht man gerade ganz und gar nicht das erstrebte Ziel, nämlich die Behauptungen der Wissenschaft mit der Bibel in Einklang zu bringen. Gemäß derselben Wissenschaft, die man mit der Bibel in Übereinstim­mung zu bringen sucht, ist es nämlich ganz unmöglich, daß die Erdschichten v o r Ereignissen entstanden sind, wie sie in 1. Mose 1, 2‑31 beschrieben werden. Dies mag aus dem fol­genden Abschnitt deutlich werden.

IIb. Offiziell‑geologische Argumente dafür, daß die Erdschich­ten nicht in der Periode zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 ent­standen sind.

Dieser Abschnitt ist für die bestimmt, die meinen, sie seien alle naturwissenschaftlichen Probleme los, wenn sie die Erdschich­ten und die Fossilien zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2 unter­bringen. Sie erklären ja,'1. Mose 1, 1. 2 folgendermaßen: Im Anfang schuf Gott die Erde vollkommen und herrlich, aus­gestattet mit einer Pflanzen‑ und Tierwelt; dann kamen aller­lei Gerichte über die Erde, in denen allmählich alle Organismen umkamen und die Erdschichten entstanden (sei es durch eine Reihe von Katastrophen, sei es nach dem Aktualitätsprinzip); diese Periode endete schließlich mit dem chaotischen Zustand, der in 1. Mose 1, 2 beschrieben wird. Nun, ist das in Harmonie mit der Geologie? Weit gefehlt! Denn sie lehrt genau das Ge­genteil. Ihr zufolge war es gerade n i c h t so, daß die Erd­geschichte mit Ordnung begann und nach und nach ein Chaos wurde, sondern umgekehrt: Die Erde begann mit einem Chaos und erreichte allmählich einen immer höheren Ordnungsstand. Die Geologie will nichts wissen von einer enormen Umwäl­zung zwischen dem Zeitabschnitt, der durch die jüngsten Erd­schichten dargestellt wird (das Pleistozän) und der gegen­wärtigen Periode. Mit Recht betont sie den lückenlosen Zu­sammenhang zwischen den Fossilien, die den jetzt lebenden Formen gleichen und der gegenwärtigen Pflanzen‑ und Tier­welt. Eine weltweite geologische Katastrophe (l. Mo 1, 2), ein Aussterben aller Tiere und Menschen und eine Neu­Schöpfung der meisten, auch des Menschen, ist für den moder­nen Geologen völlig unannehmbar.

Wie kann man so leichtfertig meinen, durch diese Theorie alle wissenschaftlichen Konflikte mit der Bibel einfach mit einem Schlage aufzulösen? Dieser Optimismus war vielleicht vor siebzig Jahren in den Schriften gläubiger Schriftausleger denkbar, aber heute gewiß nicht mehr. Damals war es begreif­lich, daß diese Ausleger unter dem Eindruck der damaligen Behauptungen der Gelehrten standen und allzu leicht geneigt waren, diesen Behauptungen Glauben zu schenken. Aber jetzt, viele Jahrzehnte später, zeigt es sich, daß von vielen Behaup­tungen nichts übrig geblieben ist, daß die Voraussagen der evolutionistischen Geologen und Biologen nicht eingetroffen sind und daß das Beweismaterial, das den Aktualismus und den Evolutionismus widerlegt, beständig wächst. Dies hat so­gar dazu geführt, daß Hunderte von Gelehrten heute von der hoffnungslos überholten geologischen Zeittafel nichts mehr wissen wollen, die nichts anderes als ein Hirngespinst ist. Dies ist ein so wichtiger Punkt (auch im Hinblick auf den Wahn, die Schöpfungstage seien enorm lange Zeiträume gewesen), daß ihm der ganze folgende Abschnitt gewidmet sein soll.

III. Wissenschaftliche Einwände gegen die geologische Zeitskala

Es ist klar, daß wir im Rahmen dieses Buches nur sehr kurz auf diesen Gegenstand eingehen können. Ich kann lediglich eine Anzahl Hauptpunkte aufgreifen, die hier für uns von Bedeutung sind; für ein weiteres Studium dieses Gegenstandes möchte ich auf die bereits genannten Bücher verweisen. Die geologische Zeitskala ist ein hypothetisches System, das aus einer Anzahl hypothetischer geologischer Zeitabschnitte be­steht. In jedem dieser Zeiträume sind, so behauptet man, gewisse Arten von Erdschichten gebildet worden, von denen jede gekennzeichnet wird durch gewisse "Leitfossilien", die jedes nur in einer bestimmten Zeitperiode vorkamen und nicht in anderen. Diese Erdschichten nun sind in der geologischen Zeitskala so geordnet, daß in den "ältesten" Erdschichten die einfachsten Organismen vorkommen, und je jünger die Erd­schichten sind, um so höhere, kompliziertere Organismen fin­den sich darin. Diese hypothetische Zeitskala gebraucht man dann als "Beweis" dafür, daß während Millionen von Jahren eine Evolution stattgefunden hat von niedrigeren zu höheren Lebewesen. Auf diese vermeintliche Evolution kommen wir später noch zurück, zuerst wollen wir einmal die Fundamente dieses geologischen Bauwerks unter die Lupe nehmen.

1. Man sollte vielleicht erwarten, daß an vielen Orten der Erde auch tatsächlich alle Erdschichten vorkommen, die in der geo­logischen Zeitskala angegeben werden. Diese Zeitskala umfaßt jedoch außer den untersten, fossil‑losen Gesteinen (dem Präkambrium) nicht weniger als zehn oder zwölf geologische Hauptzeitspannen, von denen die zugehörigen Erdschichten zusammen eine Dicke von etwa 155 Kilometern haben würden. In Wirklichkeit sind die Erdschichten an einer bestimmten Stelle nur etwa 0,5 m ‑ 3000 m dick und selten mehr als 10.000 m. Das bedeutet, daß an e i n e r Stelle höchstens drei vor siebzig Jahren in den Schriften gläubiger Schriftausleger denkbar, aber heute gewiß nicht mehr. Damals war es begreif­lich, daß diese Ausleger unter dem Eindruck der damaligen Behauptungen der Gelehrten standen und allzu leicht geneigt waren, diesen Behauptungen Glauben zu schenken. Aber jetzt, viele Jahrzehnte später, zeigt es sich, daß von vielen Behaup­tungen nichts übrig geblieben ist, daß die Voraussagen der evolutionistischen Geologen und Biologen nicht eingetroffen sind und daß das Beweismaterial, das den Aktualismus und den Evolutionismus widerlegt, beständig wächst. Dies hat so­gar dazu geführt, daß Hunderte von Gelehrten heute von der hoffnungslos überholten geologischen Zeittafel nichts mehr wissen wollen, die nichts anderes als ein Hirngespinst ist. Dies ist ein so wichtiger Punkt (auch im Hinblick auf den Wahn, die Schöpfungstage seien enorm lange Zeiträume gewesen), daß ihm der ganze folgende Abschnitt gewidmet sein soll.

111. Wissenschaftliche Einwände gegen die geologischeZeitskala

Es ist klar, daß wir im Rahmen dieses Buches nur sehr kurz auf diesen Gegenstand eingehen können. Ich kann lediglich eine Anzahl Hauptpunkte aufgreifen, die hier für uns von Bedeutung sind; für ein weiteres Studium dieses Gegenstandes möchte ich auf die bereits genannten Bücher verweisen. Die geologische Zeitskala ist ein hypothetisches System, das aus einer Anzahl hypothetischer geologischer Zeitabschnitte be­steht. In jedem dieser Zeiträume sind, so behauptet man, gewisse Arten von Erdschichten gebildet worden, von denen jede gekennzeichnet wird durch gewisse "Leitfossilien", die jedes nur in einer bestimmten Zeitperiode vorkamen und nicht in anderen. Diese Erdschichten nun sind in der geologischen Zeitskala so geordnet, daß in den ältesten" Erdschichten die einfachsten Organismen vorkommen, und je jünger die Erd­schichten sind, um so höhere, kompliziertere Organismen fin­den sich darin. Diese hypothetische Zeitskala gebraucht man dann als "Beweis" dafür, daß während Millionen von Jahren eine Evolution stattgefunden hat von niedrigeren zu höheren Lebewesen. Auf diese vermeintliche Evolution kommen wir später noch zurück, zuerst wollen wir einmal die Fundamente dieses geologischen Bauwerks unter die Lupe nehmen.

1. Man sollte vielleicht erwarten, daß an vielen Orten der Erde auch tatsächlich alle Erdschichten vorkommen, die in der geo­logischen Zeitskala angegeben werden. Diese Zeitskala umfaßt jedoch außer den untersten, fossil‑losen Gesteinen (dem Präkambrium) nicht weniger als zehn oder zwölf geologische Hauptzeitspannen, von denen die zugehörigen Erdschichten zusammen eine Dicke von etwa 155 Kilometern haben würden. In Wirklichkeit sind die Erdschichten an einer bestimmten Stelle nur etwa 0,5 m ‑ 3000 m dick und selten mehr als 10.000 m. Das bedeutet, daß an einer Stelle höchstens drei (oft nicht aufeinanderfolgende) geologische Perioden vertreten sind.

2. Nun sollte man sagen, man könnte doch von allen Orten der Erde die vorhandenen Erdschichten miteinander kombinie­ren zu e i n e r Zeitskala. Aber wie soll man wissen, welche Erdschichten in Amerika und Europa zur gleichen Zeit ent­standen sind? Jeder Geologe Weiß, daß es nicht den geringsten direkten Beweis dafür gibt (wenn man nicht von unbewiese­nen Grundvoraussetzungen ausgehen will), daß z. B. das Silur an allen Orten der Erde tatsächlich gleichzeitig verlief.

3. Ferner sollte man erwarten, daß es doch die ältesten Ab­lagerungsgesteine mit Fossflien wären, die auf dem Präkam­brium liegen. Aber auch das trifft nicht zu. jede beliebige Erd­schicht, bis zur jüngsten, kann direkt auf dem Präkainbrium liegen. Auch zwischen höheren Erdschichten kommen sehr häufig solche enormen Hiaten (zeitlichen Lücken) vor, oft ohne daß der geringste Hinweis dafür vorhanden ist (z. B, Erosion), daß enorme Zeitspannen zwischen der Bildung dieser Erd­schichten liegen.

4. Aber, möchte man sagen, wir dürfen doch zumindest er­warten, daß die Erdschichten wenigstens in der Reihenfolge vorkommen, wie sie in der geologischen Zeitskala angegeben stehen. Hier haben wir jedoch wohl einen der größten Schläge für die Zeitskala. Man hat nämlich an vielen Orten auf der Erde die Erdschichten in völlig umgekehrter Reihenfolge an­getroffen, so daß die "älteren" Erdschichten über den "jün­geren" lagen. Manchmal stellte man fest, daß dies die Folge einer Faltung der Erdkruste war, aber häufig zeigten sich (wie in Kanada), daß diese verkehrte Reihenfolge sich über Tau­sende von Quadratkilometern erstreckte, ohne daß auch nur die geringste Spur einer gewaltsamen Faltung oder Umkeh­rung der Erdkruste zu finden war. Es ist klar, daß solche ,Fehler" in der Erdkruste in Wirklichkeit auf ernsthafte Fehler in der geologischen Zeitskala hindeuten.

5. Aus dem allem geht hervor, daß aufgrund der Erdschichten selbst (ihrer Lage, ihrer Reihenfolge, auch ihrer Zusammen­setzung) absolut keine geologische Zeitskala aufzustellen ist.

Wie ist man denn nur dazu gekommen? Wie kommt es, daß der Geologe doch so genau zu sagen weiß, in welchem Zeit­abschnitt eine bestimmte Erdschicht gebildet wurde? jeder Geologe kann einem das erzählen, und man findet es in jedem geologischen Handbuch: das relative Alter einer Erdschicht mit Sicherheit bestimmen kann man nur an Hand der Leitfossilien, die die Erdschicht enthält. Aber wie kann man wissen, welche Fossilien älter sind und welche jüngeren Datums?

Das weiß man nur aus der geologischen Zeitskala, denn darin sind die Erdschichten mit den einfachsten Organismen zuunterst placiert, als ob sie die ältesten wären (obwohl sie häufig obenauf liegen), und die höheren Organismen liegen in höheren, "jüngeren" Erdschichten. Merken Sie, was für eine kolossale Schein‑Beweisführung hier dahinter steckt? Eine Schein‑Beweisführung, die auch in vielen gelehrten Werken zugegeben wird. Das Alter einer Erdschicht bestimmt man anhand der Fossilien, die sie enthält, und das Alter eines Fos­sils bestimmt man anhand der geologischen Zeitskala. Aber die Zeitskala ist so aufgestellt, daß darin ein Aufsteigen von niedrigeren zu höheren Organismen zu sehen ist, und nichts­destoweniger wird dieselbe Zeitskala gebraucht, um zu bewei­sen, daß eine Evolution von niedrigeren zu höheren Organis­men stattgefunden hat! Daß dies wirklich so ist, wird z. B. durch die Tatsache bewiesen, daß in vielen Fällen das ange­gebene Alter einer Erdschicht erhöht bzw. erniedrigt wiid, wenn man darin später niedrigere bzw. höhere fossile Orga­nismen antrifft.

6. Ein großer Schock für die geologische Zeitskala ist auch die Tatsache, daß man je länger je mehr fossile Arten in ein und derselben Erdschicht findet, von denen man ursprünglich annahm, daß sie viele geologische Perioden (also viele Milli­onen Jahre) nacheinander gelebt hätten. Ich brauche nur an die menschlichen Überreste zu erinnern, die man in allen mög­lichen Erdschichten gefunden hat, wie bereits berichtet. Nach der Theorie ist der Mensch erst im Quartär (dem jüngsten Zeitabschnitt) entstanden. Aber nicht nur hat man ganz mo­derne Menschentypen im (älteren) Tertiär gefunden, sondern man hat auch menschliche Fußspuren (genau analysiert und oft nicht zu widerlegen) in der Kreide gefunden, zusammen mit Fußspuren von Din . osauriern, die nach der Theorie schon siebzig Millionen Jahre vor dem Entstehen des Menschen aus­gestorben waren, sogar ehe es Säugetiere gab. Ganz zu schwei­gen von menschlichen (versteinerten) Fußabdrücken und einem "modernen" Schädel im Karbon (der Steinkohlenperiode), als selbst die Reptilien und die Samenpflanzen noch nicht existier­ten, und sogar im Präkambrium, in dem praktisch überhaupt keine Fossilien vorkommen. Es ist tragisch zu sehen, wie die Geologen sid‑i oft bemühen, derartige Funde zu bagatellisieren oder zu leugnen oder in einzelnen Fällen sogar zu verfälschen (ich hoffe später noch Beispiele zu bringen).

7. Ebenso schockierend für die evolutionistischen Geologen und Biologen ist es, daß man immer wieder lebende Tierarten entdeckt, von denen man annahm, sie wären schon Millionen von Jahren ausgestorben. Das heißt, daß Fossilien dieser Lebe­wesen in den "älteren" Erdschichten vorkamen, aber nicht mehr in den "jüngsten". Außerdem waren das häufig Formen, die als wichtige Übergangsformen in der Evolution angesehen wurden und die, nachdem sie sich zu höheren Formen entwik­kelt hatten, nicht mehr in der Erdgeschichte vorkamen‑ . . bis man sie quicklebendig entdeckte, ganz identisch mit ihren "Millionen Jahre alten" Voreltern, ohne daß in den dazwi­schenliegenden Perioden auch nur die geringste Spur von ihnen vorkam. Weltberühmte Beispiele sind die Funde des Fisches (Coelacanth) Latimeria (1939) und des Weichtieres Neopilina (1957).

8. Schließlich sind eine Unzahl Anzeichen bekannt geworden dafür, daß die Erdschichten überhaupt nicht allmählich ent­standen sein können nach Prozessen, die wir gegenwärtig auch wahrnehmen. Es wird immer deutlicher, daß unter normalen Umständen überhaupt keine Erdschichten und Fossilien ent­stehen, sondern daß sie die Folge gewaltiger überschwein­mungen von kolossaler Kraft und enormem Umfang sind, wie man sie sich bei einer Sintflut, wie sie im ersten Buch Mose beschrieben wird, vorstellen kann (siehe Abschnitt VI). Das geht auch daraus hervor, daß die Geologie sich allerlei Kata­strophen (so!) halt ausdenken müssen, um die Entstehung von Erdschichten und Fossilien zu erklären, wie Eiszeiten, enorme Erdrutsche (Gebirgsbildung), vulkanische Gesteinsbildung usw. Es ist doch merkwürdig, wie die Geologen trotz ihres notwen­digen Aktualitätsprinzips also doch immer gezwungen sind, katastrophale Ereignisse einzuführen, um ihre Befunde zu erklären.

9. Von großer Bedeutung ist auch, daß viele Geologen von jeher darauf hingewiesen haben, daß die Erdschichten immei wieder Beweise liefern, daß sie in sehr kurzer Zeit gebildet wurden. Die deutlichsten Hinweise hierfür sind die vielerlei Massengräber, in denen Hunderttausende von Tieren über­einandergehäuft liegen, die offenbar in sehr kurzer Zeit leben­dig begraben wurden. Massengräber von Fischen und Musdtel ‑tieren kommen sogar hoch in den Alpen vor. Auch die Mani­muts in Sibirien müssen sehr schnell durch das Eis überfallen worden sein, denn viele hatten noch das Futter im Maul, und ihre Körper sind nicht verwest. Auch die ölfelder und Stein­kohlenlager können nach vielen Geologen nur durch ein schnelles, katastrophales Begrabenwerden großer Mengen von Pflanzen und Bäumen entstanden sein. Ferner hat man auch häufig große versteinerte Baumstämme gefunden, die vertikal (oft auf dem Kopf stehend) quer durch eine Anzahl Erdschich­ten hindurch steckten, und zwar so, daß man zu keinem anderen Schlug kommen kann, als daß diese Erdschichten sehr schnell nacheinander gebildet worden sein müssen, so schnell, daß, als solch ein Baumstamm darin zu liegen kam, noch keine einzige von ihnen versteinert war.

10. Es will mir scheinen, daß jeder, der die vorigen neun Punkte überdenkt und ihrer Richtigkeit in den genannten Bü­chern über die Sintflutgeologie nachgeht und eventuell sogar die enorme geologische Literatur zu Rate zieht, auf die in diesen Büchern verwiesen wird, zu keinem anderen Schluß kommen kann, als daß die geologische Zeitskala ein Hirn­gespinst ist, ‑ es sei denn, daß so einer ein Materialist ist, der sich keine Alternative zu seinen evolutionistischen Ansich­ten leisten kann, so daß sein Unterbewußtsein sich auto­matisch gegen alles sträubt, was seine Vorstellungen logisch und unwiderlegbar umwirft. Es kann aber noch ein Problem sein, das den interessierten Leser verwirren könnte, und das ist die Tatsache, daß die Gelehrten behaupten, Methoden zu haben, durch die das absolute Alter eines Gesteins oder eines Fossils eindeutig bestimmt werden kann. Dies sind vor allem die radioaktiven Altersbestimmungen.

In der Tat ist der radioaktive Zerfall (durch den sogenannte radiogene Isotope aus primären Isotopen entstehen) ein ziem­lich genau zu bestimmender Prozeß (obwohl in letzter Zeit verschiedene unerwartete Fehlerquellen bekannt wurden), aber viele Fachgelehrte haben nachgewiesen, daß man, um aufgrund dieses Prozesses eine absolute Altersbestimmung durchzu­führen, so viele (teils sehr unwahrscheinliche) unbewiesene Grundvoraussetzungen nötig hat, daß diese Altersbestimmun­gen nicht die geringste Beweiskraft besitzen. (Siehe vor allem das Buch von Whitcomb und Morris, die allein diesem Pro­blem schon siebzig Seiten widmen). Die wichtigsten dieser Voraussetzungen, für die nicht der geringste Beweis oder auch nur Hinweise vorliegen, sind: (1.) daß alle in einem Gestein gefundenen radiogenen Isotope in der Tat aus primären Iso­topen entstanden sind und nicht bereits zu einem Teil in dem ursprünglichen Gestein vorhanden waren, und (2.) daß die Geschwindigkeit des radioaktiven Zerfalls früher dieselbe war wie heute. Die erste Voraussetzung ist in Widerspruch mit der Schöpfung in 1. Mose 1, 1, und die zweite Voraussetzung wird, falls der Zerfall von kosmischer Strahlung abhängig ist, hinfällig durch die Existenz einer Sintflut, die eine Periode von ganz anderen kosmischen und meteorologischen Verhältnissen abschloß und sogar enorme Veränderungen in diesen Verhält­nissen verursachte. Aber außerdem: es trifft überhaupt nicht zu, was man oft denkt, daß solche Altersbestimmungen für sehr viele Erdschichten durchgeführt worden sind. In Wirk­lichkeit ist dies nur für bitter wenige gut definierte Erdschich­ten geschehen, und keine der Altersbestimmungen ist unan­fechtbar, so daß sie in Wirklichkeit für die behauptete Richtig­keit der geologischen Zeitskala keine große Bedeutung haben.

IVa. Biblische Argumente dafür, daß die schöpfungstage keine enorm langen geologischen Perioden gewesen sind

Wenn wir durch die unter III genannten Punkte überzeugt sind, daß die geologische Zeitskala eine unzureichende wi‑,­senschaftliche Grundlage hat, sehen wir auch sofort ein, daß die "Schöpfungsperiodentheorie" absolut keinen Sinn hat. Diese Theorie war ja ausgedacht worden, um den Behauptun­gen der Naturwissenschaft entgegenzukommen. Die Theologen nahmen an, daß es tatsächlich enorm lange geologische Zeit­alter gegeben habe, und um die Schrift damit in Einklang zu bringen, wurden die Schöpfungstage zu enormen Zeiträumen erhoben. Aber da sich nun inzwischen gezeigt hat, daß die geologischen Zeitalter auf einem Hirngespinst beruhen, ist damit auch die "Schöpfungsperiodentheorie" sinnlos und un­haltbar geworden. Ich möchte darauf gern noch näher ein­gehen, denn diese Theorie ist nicht nur sinnlos, sondern ich hoffe zu zeigen (ähnlich wie in Abschnitt II), daß sie darüber hinaus erstens in Widerspruch steht zu den Aussagen der Schrift und zweitens durchaus nicht zu der gewünschten Har­monie mit der offiziellen Naturwissenschaft führt. Gehen wir zunächst auf das erste ein.

1. Verschiedene der unter IIa genannten Argumente gelten auch hier. Die Tatsache, daß nach dem Zeugnis der Schrift der Tod lebendiger Wesen erst nach dem Sündenfall Adams seinen Einzug hielt, ist auch hier von ausschlaggebender Bedeutung. Sie zeigt, daß die fossil‑haltigen Erdschichten weder vor dem Sündenfall entstanden sein können, noch zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2, noch während der Schöpfungstage; nur die Sintflut kommt daher für ihre Entstehung in Frage, wie wir später sehen werden. Verschiedene andere Punkte hängen damit zusammen, z. B. die Tatsache, daß es vor dem Sündenfall, oder jedenfalls vor der Erschaffung Adams, auf der Erde nicht geregnet hat (i. Mo 2, 5), was ebenfalls mit der Schöp­fungsperiodentheorie nicht zu vereinbaren ist. Und auch hier gilt, was unter lIa 4 gesagt ist, daß man sich hüten muß, so ohne weiteres das Aktualitätsprinzip zu übernehmen (das auch mit der Schöpfungsperiodentheorie in Verbindung steht), weil man dadurch mit der Schrift in Konflikt gerät und außer­dem nur einen Schritt von der Evolutionslehre entfernt ist.

2. jeder Gedanke an allmähliche, langdauernde Schöpfungs­prozesse (wie sie durch die oben abgelehnte theistische Evo­lutionslehre gelehrt wird), ist 1. Mose 1 fremd. Immer wieder wird dort von einschneidenden Schöpfungstaten gesprochen, nicht von Prozessen. "Er sprach, und es war; Er gebot, und es stand da" (Ps 33, 9). Nehmen wir z. B. den ersten Schöpfungs­tag; brauchte das Licht eine lange Zeitspanne, um die Finster­nis zu vertreiben? Nehmen wir den dritten Tag: Die Erde sollte Gias "hervorsprossen" lassen, Kraut, das Samen hervor­bringt usw. Denkt man bei "hervorsprossen" an einen sehr lange währenden Entstehungsprozeß? Beachten wir auch den immer wiederkehrenden Ausdruck: "Gott sprach ... und es ward also".

3. Von großer Bedeutung ist auch, daß 1. Mose 1 und 2 in allerlei Einzelheiten immer wieder andeuten, daß die Schöp­fungswoche" sehr rasch verflossen ist. Ich kann nicht genug darauf hinweisen, daß der eigentliche Gegenstand in 1. Mose 1 ja ist, die Erde als Lebens‑ und Erprobungsraum für den Menschen zuzubereiten. Alles, was in 1. Mose 1 geschieht, ist für den Menschen. Aber dann konnte diese Woche auch schwerlich viel länger dauern als sieben gewöhnliche Tage! Für wen machte doch Gott die Früchte am dritten Tag? Für den Menschen. Aber dann mußte dieser Mensch auch kurze Zeit später auf der Bildfläche erscheinen, um von diesen Früchten essen zu können. Und für wen wurden die Sonne und der Mond am vierten Tag gemacht? Sie sollten zu "Zeichen" sein für den Menschen. Aber sie konnten als Zeichen nur fungie­ren, wenn der Mensch dann auch wenig später auf der Erde wohnte. Wozu die Tiere am fünften und sechsten Tag? Um dem Menschen unterworfen zu sein. Hat man dann die Schrift auf seiner Seite, wenn man sagt, die Tiere hätten schon Milli­onen Jahre existiert und viele von ihnen wären schon lange ausgestorben gewesen, ehe ihr Herrscher erschien? Außerdem ... arme Landtiere! Ihnen wurde ihre Nahrung erst zugewie­sen, n a c h d e m der Mensch erschaffen war (l. Mo 1, 29. 30); das war wohl möglich, wenn ein paar Stunden, aber nicht, wenn Millionen von Jahren dazwischen lagen.

4. Vor allem mit dem sechsten und siebenten Tag kommen die Anhänger der Schöpfungsperiodentheorie in Schwierig­keiten. Wenn der sechste "Tag" Millionen Jahre dauerte, dann muß Adam bis zum Sündenfall auch Millionen Jahre gelebt haben. Selbst wenn er am Ende des sechsten Tages geschaffen worden wäre, dann käme erst noch die ellenlange "Nacht" zwischen dem sechsten und dem siebenten Tag und dann noch ein ganzer siebenter "Tag", der, wenn man konsequent sein will, doch auch wohl enorm lang gewesen sein müßte. Aber jetzt sitzen wir ganz fest. Nach 1. Mose 5, 3 war Adam 130 Jahre alt, als er Seth zeugte; damals war sein ältester Sohn Kain schon ein erwachsener Mann, und vor dessen Geburt hatte der Sündenfall bereits stattgefunden. Tatsächlich muß der Sündenfall schon sehr bald nach der Erschaffung von Adam und Eva stattgefunden haben, denn unmittelbar danach bekamen sie schon den Auftrag, fruchtbar zu sein, sich zu mehren und die Erde zu füllen; aber als der Sündenfall ge­schah, hatten sie noch nicht ein einziges Kind. Es bleibt also nicht viel übrig von dieser langen Nacht und diesem langen siebenten Tag. Ich weiß wohl, daß manche sagen, der siebente Tag dauert immer noch an, weil Gott nicht mehr erschafft, aber der Einwand ist nicht stichhaltig. Können wir sagen, daß Gott augenblicklich ruht bei einem sündigen Menschenge­schlecht und einer verfluchten Schöpfung? Er mußte zu Israel sagen: "Du hast mir zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, du hast mich ermüdet mit deinen Missetaten." (Jes 43, 24) Und der Herr Jesus sagte: "Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke" ‑ gerade um anzuzeigen, daß es für Ihn kein Sabbat sein konnte (Joh 5, 17. 18). Wenn der siebente Tag schon eine lange Periode gewesen wäre, dann hätte er doch nicht länger dauern können als bis zur Sünde Adams; und war das eine Periode von Millionen Jahren?

5. Zum Schluß möchte ich fragen: Kann man wirklich be­haupten, bei dem Buchstaben der Schrift zu bleiben, wenn man die Schöpfungstage zu langen geologischen Perioden macht? 10berdies, wenn man die Jage" bildlich nimmt, welchen Weg hat man dann eingeschlagen? Warum sollte man nur die "Tage" bildlich verstehen? Es ist dann nur noch ein kleiner Schritt bis dahin, daß man auch den Garten Eden bildlich nimmt; dann werden auch Adam und Eva bildlich als Bezeich­nung für das älteste Menschengeschlecht. Am Ende ist auch der Sündenfall symbolisch, und ehe man sich versieht, nagt man an den Fundamenten des christlichen Glaubens. Denn wenn man einen historischen Adam und einen historischen Sündenfall leugnet, leugnet man auch die Aussprüche des Herrn fesus und der Apostel; und wenn man die W 0 r t e des Herrn fesus nicht glaubt, was ist dann der Glaube an Seine Person noch wert? Diese Warnung ist keine Bange­macherei von einem, der Gespenster sieht; es ist bekannt, daß viele, die am Ende die Historizität von 1. Mose 1‑11 völlig leugneten, angefangen haben damit, daß sie die Schöpfungs­tage zu geologischen Perioden erhoben.

IVb. Offiziell‑geologische Argumente dafür, daß die Schöpfungstage keine enorm langen geologischen Perioden gewesen sind

Ebenso wie unter IIb gilt auch hier, daß eine Theorie, die die Erdschichten in 1.Mose 1 einordnet ganz und gar nicht die so ersehnte Harmonie mit der Naturwissenschaft bringt. Wenn man nicht empfänglich ist für die unter III genannten Argu­mente, daß die geologischen Zeitalter auf einem Hirngespinst beruhen, wenn man nicht einmal die unter IVa genannten bi­blischen Einwände gegen die Schöpfungsperiodentheorie akzeptieren will, weil man von der offiziellen Geologie so beein­druckt ist, dann muß man schließlich enttäuscht feststellen, daß die Periodentheorie ganz und gar nicht mit der offiziellen Geologie in Übereinstimmung ist. Ich nenne einige Punkte.

1. Die historische Geologie lehrt absolut nicht, daß es sechs große geologische Perioden gegeben habe, wie die Schöpfungs­periodentheorie will. Die Geologen unterscheiden insgesamt vier oder fünf große Hauptzeitabschnitte, jeder unterteilt in zwei bis sieben Perioden. Wenn man diese Zeitabschnitte so

ordnet, daß sechs künstliche Gruppen entstehen, macht man Trennungen und Verbindungen, die für den Geologen absolut unannehmbar sind.

2. Der erste, zweite und vierte Schöpfungstag haben über­haupt keine geologischen Spuren hinterlassen und kommen daher schon ganz und gar nicht als geologische Perioden in Betracht. Übrigens, welcher Geologe glaubt wirklich, daß die Sonne erst in der Mitte der Erdgeschichte als Himmelslicht an das Firmament gesetzt wurde und vorher (in ihrer heutigen Gestalt und/oder Funktion) noch nicht da war?

3. Es ist gewiß wahr, daß es eine oberflächliche Harmonie gibt zwischen dem Aufsteigen von niedrigeren zu höheren Or­ganismen in der Evolutionslehre und dem Fortschreiten, das 1. Mose 1 uns zeigt. Aber wenn wir erkennen, daß es in der Tat Gottes Absicht war, in Seinen Schöpfungswerken immer weiter fortzuschreiten zu höheren Lebewesen, bis Er am Ende den Menschen schuf, während die Evolutionslehre gerade be­hauptet, daß das Höhere nicht nach dem Niedrigeren g e ‑s c h a f f e n ist, sondern sich daraus entwickelt hat, so sehen wir, daß diese Übereinstimmung nur äußerlich ist, ja sogar auf der Hand liegt, während der Unterschied zwischen beiden viel grundsätzlicher ist. Diese äußerliche Übereinstimmung kann also unmöglich als Beweis dafür dienen, daß die Schöpfungs­tage mit der geologischen Zeitskala übereinstimmen. Die Evo­lutionslehre glaubt an eine Entwicklung vom Niedrigeren zum Höheren mittels Kampf, Tod und Verderben; 1. Mose 1 lehrt aufeinanderfolgende Schöpfungen von niedrigeren und höheren Lebewesen o h n e Kampf und Tod.

4. Außerdem ist die Übereinstimmung zwischen dem Auf­steigen vom Niedrigeren zum Höheren in der Evolutionslehre und in 1. Mose 1 nur oberflächlich. Es gibt ganz wesentliche, unüberbrückbare Unterschiede zwischen beiden. Z. B. sagt 1. Mose 1, daß die samenbringenden Pflanzen vor den Tieren da waren; aber nach der Paläontologie (Lehre von den ver­steinerten Organismen) gab es bereits die weitaus meisten Tiergruppen, als die Samenpflanzen erschienen. Außerdem existierten nach 1. Mose 1 die Vögel vor den Landtieren; aber nach den Paläontologen gab es schon alle möglichen Gruppen von Landtieren, ehe die Vögel erschienen, Kurzurn, man muß sich in allerlei Richtungen drehen und winden und der Schrift Gewalt antun, um ein Schema zu erfinden, das auch nur im Entferntesten sowohl mit der Schrift als auch mit der moder­nen Geologie übereinstimmt.

Va. Argumente dafür, daß die Schöpfungstage gewöhnliche irdische Tage waren

Wenn die Schöpfungstage keine enorm langen geologischen Perioden waren, was waren sie dann? Das ist ein altes und schwieriges Problem. Augustinus schrieb, es sei außerordent­lich schwierig, wenn nicht gar unmöglich zu sagen, welcherart diese Tage waren, und das stimmt überein mit der Auffassung von Flavius Josephus, vielen jüdischen Rabbinern und Kirchen­vätern wie Irenäus und Origenes. Man kennt eine Unzahl von Auffassungen, und jede erklärt diese Tage wieder auf eine andere Weise. Ich möchte sieben dieser Auffassungen anfüh‑, ren, die m. E. am wenigsten schriftgemäße zuerst und dann die weiteren in der Reihenfolge, wie sie der Schrift immer näher kommen.

a) Erstens gibt es die Auffassung, Mose habe überhaupt nicht sagen wollen, die Welt sei in sechs Tagen gemacht, son­dern er habe die Entstehungsgeschichte der Welt einfach in sechs geordnete Szenen eingeteilt. Alte Auffassungen sagen z. B. auch, Mose habe die Entstehung der Welt in sechs Visi­onen an sechs aufeinanderfolgenden Tagen geschaut oder auf sechs verschiedenen Tontafeln.

b) Die folgenden sechs Auffassungen sagen alle, Mose habe gewiß sagen wollen, die Erde sei in sechs Tagen bereitet wor­den. Aber, so sagen die modernen Theologen, das bedeutet nicht, daß es sich darum historisch auch wirklich so zugetragen hat. Mit dieser und der vorigen Auffassung wollen wir nicbts zu tun haben, weil sie die universelle Autorität und den gött­lichen Charakter der Heiligen Schrift antasten. Wir haben uns damit schon beschäftigt in Verbindung mit der theistischen Evolutionslehre, die mit dieser Auffassung verknüpft ist.

c) Die weiteren fünf Auffassungen lehren alle, Mose habe nicht nur gemeint, die Erde sei in sechs Tagen bereitet wor­den, sondern das sei audi tatsächlich so geschehen. Aber jetzt erhebt sich die Frage, was unter diesen Tagen verstanden werden muß. Wir haben gesehen, daß manche sie als enorme geologische Zeiträume auffassen, und ich habe versucht, diese Theorie zu widerlegen.

d) Die folgenden vier Auffassungen lehren alle, Mose habe mit Jagen" auch wirkliche Tage gemeint, also Lichtperioden, abwechselnd mit Finsternis. Prof. G. Ch. Aalders z. B. sagt aber, das bedeute nicht, daß es darum auch gewöhnliche irdische Tage gewesen seien, sondern es seien göttliche Tage gewesen, die vielleicht länger, aber vielleicht auch viel kürzer währten als vierundzwanzig Stunden. Das klingt ganz schön, aber diese Theorie ist völlig sinnlos und entbehrt jeder bib­lischen Grundlage. Wir hoffen im weiteren aufzuzeigen, daß die Schöpfungstage nichts anderes als gewöhnliche irdische Tage waren.

e) Dieses letzte wird durch die folgenden drei Auffassungen auch festgehalten. Eine dieser Auffassungen versucht aller­dings, diese gewöhnlichen Tage mit der Periodentheorie in Einklang zu bringen, indem sie annimmt, daß die Schöpfungs­tage zwar gewöhnliche irdische Tage waren, aber getrennt durch enorme geologische Perioden. Aber für diese Theorie gelten in der Hauptsache natürlich dieselben Einwände wie unter IV aufgezählt. Dabei scheint sie zwar schriftgemäßer, es gelingt ihr aber noch weniger, die Schrift mit der Wissenschaft in Einklang zu bringen.

f) Die beiden letzten Auffassungen halten an einer Schöp­fungswoche von sieben normalen irdischen Tagen fest. Sie unterscheiden sich voneinander durch den verschiedenen Zeit­punkt, den sie für die Bildung der Erdschichten annehmen. Die eine Auffassung verlegt sie zwischen 1. Mose 1, 1 und 1, 2. Diese Auffassung ist unter II besprochen worden.

g) Die andere Auffassung sagt, daß die Erdschichten durch die Sintflut entstanden sind. Diese Auffassung soll unter

Punkt VI näher beleuchtet werden. Zuerst möchte ich ver­suchen zu zeigen, daß die Schöpfungstage in der Tat ge­wöhnliche irdische Tage waren, wie wir sie kennen.

1. Im Text von 1. Mose 1 selbst finden wir nicht den ge­ringsten Anhaltspunkt für die Annahme, daß die genannten Tage andere als gewöhnliche irdische Tage waren. In einem solchen Fall müssen wir immer die wörtliche Auffassung vor­ziehen, sonst ist jeder Versuch, die Schrift auszulegen, hoff­nungslos. Wenn ja die Bibelstelle selbst keinerlei Anlaß dazu gibt, mit welchem Recht und nach welchen Normen geben wir dann bestimmten Ausdrücken eine ausschließlich bildliche, symbolische Bedeutung? Natürlich haben etliche Ausdrücke bald eine wörtliche und dann wieder eine bildliche Bedeutung, aber nur eine genaue Untersuchung aller Stellen, an denen ein bestimmtes Wort in der Schrift vorkommt, entscheidet, ob das Wort an einer bestimmten Stelle eine bestimmte bildliche Bedeutung haben kann oder nicht (siehe auch Vb'I).

2. Tatsächlich kann das Wort "Tag" ( j o m ) im Alten Testament alle möglichen Bedeutungen haben, manchmal die eines längeren Zeitraums. Aber das Wort bedeutet n i e "Zeit­raum", sondern m*uner einen gewöhnlichen irdischen Tag, wenn es (wie hier) umschrieben wird durch (1.) einen Abend und einen Morgen, die nie lange Perioden darstellen, (2.) durch ein Zahlwort (vgl. 1. Mo 7, 11; 8, 14; 17, 12; 2. Mo 12, 6 usw.) und (3.) wenn es in der Mehrzahl steht. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß "Abend" und "Morgen" nicht in einer bildlichen Bedeutung vorkommen, jedenfalls nicht als lange Perioden. Wenn man die Tage nicht als gewöhnliche Tage auffaßt, waren es dann lange Perioden von Licht, geschieden durch lange Perioden von Finsternis? Das wäre wohl die konsequenteste Auffassung; aber dann wären die Abende und die Morgen auch lange Perioden, und in dieser Bedeutung sind sie in der Schrift nicht bekannt. Oder waren die "Tage" lange Zeiträume, die aus gewöhnlichen Tagen und Nächten bestanden? Dann ist es ganz unmöglich, den Abenden und Morgen eine biblische Bedeutung zu geben. Laßt uns dabei daran denken, daß eine' spitzfindige (aber zweifelhafte) sprachkundliche Ableitung dieser Worte (siehe z. B. Bettex) nichts zu tun hat mit ihrer Bedeutung und ihrem Gebrauch in der Schrift. Und allein das ist entscheidend.

3. Macht 1. Mose 1, 16 nicht klar, was Gott in 1. Mose 1 mit Tagen meint? Gott machte das große Licht zur Beherr­schung des Tages und das kleine Licht zur Beherrschung der Nacht. Ein Tag ist also die Periode, die durch das Sonnenlicht beherrscht wird, und die Nacht ist die Abwesenheit des Son­nenlichts. Das ist es auch, was schon in Vers 5 angedeutet wird: Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Wenn Gott hier so deutlich definiert, was Jag" ist, sollte es dann gerade hier etwas anderes bedeuten als nor­malerweise sonst? Dasselbe Zeugnis haben wir in 2. Mose 20, 8‑11; 31, 17, wo Israel ermahnt wird, sechs Tage zu arbeiten und am siebenten Tag zu ruhen, weil Gott in sechs Tagen Himmel und Erde gemacht hat und am siebenten Tag ruhte. Wer dürfte im Lichte dieser Verse wagen zu behaupten, die Schöpfungswoche sei eine längere oder kürzere Woche ge­wesen als unsere gewöhnliche Woche? Man glaube, was man will, das Zeugnis der Schrift ist jedenfalls nicht anders, als daß die sechs Schöpfungstage ebensolche Tage waren wie unsere Tage.

Vb. Widerlegung von Einwänden gegen die Auffassung, daß die Schöpfungstage gewöhnliche irdische Tage waren

1. Naturlidi hat man oft nach allerlei Argumenten gesucht, um den Gedanken zu stützen, daß die Schöpfungstage keine gewöhnlichen Tage, sondern ganz besondere (meist: sehr lange) Zeitperioden waren. So weist man oft auf allerlei Bibel­stellen hin, in denen das Wort Jag" wirklich eine bildliche Bedeutung hat; ich habe oben schon kurz darauf hingewiesen. Nun bedeutet "bildlich" durchaus noch nicht: eine sehr lange Periode, aber auch dafür führt man Beispiele an, wie den Tag des HERRN (oder Jehovas), den Tag der Ewigkeit, den Tag Christi usw. Aber was will man damit denn eigentlich be­weisen? In allen diesen Fällen geht aus dem Zusammenhang klar hervor, daß es'sich um längere Perioden handelt (obwohl es nie um die Länge selbst geht, sondern um den Charakter dieser Tage); das wird außerdem noch durch den Zusatz, wie "des HERRN", angedeutet. Aber sind nun die Tage in 1. Mose 1 f o 1 g 1 i c h möglicherweise auch lange Perioden gewesen? Das könnte man dann von allen möglichen anderen Tagen in der Schrift, die ganz eindeutig normale Tage waren, auch sagen. Außerdem. in den fünf Büchern Mose wird das Wort "Tag" nie in dieser prophetischen Bedeutung einer langen Periode gebraucht, während, wie gesagt, Tage mit Abenden und Morgen, mit einer Ordnungszahl und in der Mehrzahl ohne Ausnahme normale Tage sind.

2. Man argumentiert oft, ein Tag sei eine Periode von Son­nenlicht, und da die Sonne erst am vierten Tag gemacht wurde, könnten die ersten drei Tage jedenfalls keine gewöhnlichen Tage gewesen sein. Aber woher will man das so sicher wissen? Schon am ersten Tag schied Gott das Licht von der Finsternis, und es gab offenbar eine Lichtperiode, die Er Jag", und eine dunkle Periode, die Er "Nacht" nannte. Woher weiß man so genau, daß diese ersten Lichtperioden eine andere Länge hatten als die letzten drei Tage? Wenn diese letzten Tage gewöhn­liche Sonnentage waren, warum sollten die ersten drei dann nicht die gleiche Länge gehabt haben? Um so mehr als die Länge eines Tages genau genommen überhaupt nicht durch das Sonnenlicht, sondern durch die Umdrehungsgeschwindig­keit der Erde bestimmt wird. War diese Geschwindigkeit an den ersten Tagen anders als an den letzten? Und wenn nun auch das Licht des ersten Schöpfungstages möglicherweise von einer bestin‑unten (unbekannten) Lichtquelle kam, was für ein Unterschied besteht dann noch zu gewöhnlichen Tagen, wie wir sie kennen? Aber obendrein: dieser Einwand kehrt sich gegen die, die ihn vorbringen. Wenn ja die Schöpfungstage enorme geologische Perioden waren, die aus gewöhnlichen Tagen und Nächten bestanden, was für Tage und Nächte waren das dann wohl, ehe die vierte "Sdiöpfungsperiode" angebrochen war? Jede Lösung, die man sich hierfür ausdenkt, könnte ich als Argument dafür benutzen, daß die ersten drei Schöpfungstage gewöhnliche Tage waren.

3. Wie man auch zu beweisen sucht, daß die Schöpfungs­tage gewöhnliche irdische Tage waren, es gibt immer Men­schen, die schließlich ausrufen: "Es s t e h t aber nun einmal nicht in 1. Mese 1, daß es gewöhnliche irdische Tage waren, also darf man das auch nicht behaupten." Dieses Argument ist so schwach, daß man sich nur darüber wundern kann, wie häufig es gebraucht wird. "Jakob war ein Mensch; aber es steht nirgends, daß er ein gewöhnlicher Mensch war, also darf man das auch nicht sagen. Hebron war eine Stadt; aber es steht nirgends, daß es eine gewöhnliche irdische Stadt war, also darf man das auch nicht sagen. Moses war vierzig Tage auf dein Berg; aber es steht nirgends, daß es sich um gewöhn­liche irdische Tage gehandelt hat, also darf man es auch nicht sagen." Man empfindet die Unsinnigkeit dieses Arguments. (lerall wo im historischen Geschehen über Tage gesprochen wird, hat man nicht die geringste Schwierigkeit anzunehmen, daß es sich um gewöhnliche Tage handelt. Aber in 1. Mose 1 möchte man das ausdrücklich dabei vermerkt sehen. Nun, ich kann Sie beruhigen! Es steht dabei! Die Erwähnung der Abende und Morgen zeigt unzweideutig, daß es um gewöhn­liche irdische Tage geht (siehe oben).

4. Interessant ist, daß etliche gemeint haben, der erste "Abend" (Vers 5) sei die Finsternis von Vers 2. Sie argumen­ tieren: nach dem ursprünglichen herrlichen Zustand der Erde (Vers 1) wurde es (durch den Fall Satans?) "Abend" auf der Erde. Die Finsternis trat für unbestimmte Zeit ein. Danach sagte Gott: Es werde Licht, und es wurde "Morgen" über der Erde, und der erste "Tag" brach an. Nun, sagt man dann, ebenso wie man sich schwerlich vorstellen kann, daß der ursprüngliche Zustand der Erde nur einen gewöhnlichen Tag dauerte, so müssen auch der darauf folgende Abend, die Nacht, der Morgen und der Tag viel länger gewährt haben. Nun muß man, wenn man unter "Abend" wirklich das Ein­ brechen der Dunkelheit versteht, auch annehmen, daß dann der "Tag" eine enorm lange Lichtperiode ist, und das ist unmög­ch. Außerdem: ging der erste Abend wirklich dem ersten Tag voraus? Ich glaube nicht. Erstens gibt ‑i. Mose 1 nicht die geringste Veranlassung zu der Annahme, die Finsternis von Vers 2 habe nur eine Nacht gedauert. Zweitens müssen der Abend und der Morgen auf jeden Tag g e f o 1 g t sein, weil sonst zwischen dem sechsten und dem siebenten Tag keine Nacht gewesen wäre. Es stehtnämlich wohl da. "Und es ward Abend und es ward Morgen: der sechste Tag", ab‑er nirgends: .Und es ward Abend und es ward Morgen: der siebente Tag". Oberdies kann der erste Tag nicht mit einem Morgen begonnen haben, denn Gott sagte einfach: "ES werde Licht", und es war offenbar sofort da, nicht allmählich, wie der Morgen die Finsternis vertreibt. Es scheint n* daher klar, daß der Abend und der Morgen von Vers 5 auf den ersten Tag gefolgt und nicht ihm voraufgegangen sind. Gemeint ist: Als es Abend und Morgen wurde, war damit e i n Tag vorbei. (Wörtlich steht da: e in Tag, nicht‑ erster Tag). Hieraus geht m. E. auch hervor, daß der Abend und der Morgen stets zum vorigen Tag gehören, so daß der erste 24‑Stunden‑Zyklus in 1. Mose 1 mit dem Tag beginnt, im Gegensatz zur späteren Reihenfolge im Alten Testament und zu dem, «as noch immer bei den Juden gebräuchlich ist (vgl. 3. Mose 23, 32; Ps 55, 17).

5. Man benutzt auch häufig 2. Petr. 3, 8 (vgl. Ps 90, 4) als Argument dafür, daß die Schöpfungstage lange Perioden gewesen seien. Es steht ja geschrieben: " E i n Tag ist bei dem

Herrn wie tausend Jahre". Aber da benutzt man diesen Vers sehr ungenau. Es steht nämlich nicht da: ein Tag ist tausend Jahre, sondern: ein Tag ist w i e tausend Jahre, und oben­drein nur "bei dem Herrn". Das heißt: vor Gott zählt die Zeit nicht, Er steht darüber; vor Ihm zählen tausend Jahre nicht, sie sind vor Ihm wie ein Tag ‑ in einem Augenblick vorbei. Dieser Vers hat also mit den Schöpfungstagen nichts zu tun. Dafür braucht man übrigens nicht Tausende, sondern Millionen von Jahren. Und warum sollte man dann diesen Vers nicht auch auf allerlei andere Tage in der Schrift anwen­den? Gott brachte drei Tage Finsternis über Ägypten; vielleicht waren das dann auch dreitausend Jahre, denn es waren ja Tage göttlicher Aktivität. Wenn man den Vers aus 2. Petr. 3 unbedingt anführen will, dann spricht er ebensogut für das Gegenteil. Wofür die menschliche Wissenschaft Millionen von Jahren annehmen zu müssen glaubt, dafür hat Gott nur einige Tage gebraucht.

6. Schließlich verweist man häufig auf :t. Mose 2, 4, wo wir lesen: "Dies ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden, an dem Tage, da Jehova Gott Erde und Himmel machte". Man sagt dann, daß hier das Wort "Tag" gebraucht werde, um die ganze Schöpfungswoche zu bezeich­nen, so daß es hier eine längere Periode ist als ein gewöhn­lidier Tag; und warum sollten die Tage in 1. Mose 1 dann nicht auch längere Perioden gewesen sein? Nun ist es noch nicht einmal so sicher, daß der "Tag" von 1. Mose 2, 4 die ganze Schöpfungswoche bezeichnet und nicht nur das Schöp­fungsgeschehen von 1. Mose 1. Aber selbst wenn wir das annehmen, was beweist es dann? Müssen wir folgerichtig schließen, daß die Schöpfungstage also auch jeder sechs oder sieben Tage gedauert haben? Wir haben bereits gesehen, daß die Bedeutung des Wortes "Tag" (jom) aus dem Zusammen­hang und dem Gebrauch geschlossen werden muß. Nun, der Ausdruck bejom ("an dem Tage") ist ein feststehender Aus­druck im Alten Testament mit der Bedeutung "zu der Zeit", ohne daß damit ' eine genaue Begrenzung der Zeitdauer ver­bunden ist. Das hat also mit der Länge der Schöpfungstage in 1. Mose 1 nichts zu tun. In 4. Mose 7 haben wir hierzu ein gutes Beispiel. Da sehen wir, wie die Obersten der Stämme Israels an zwölf aufeinanderfolgenden Tage ihre Opfer zur Einweihung des Altars brachten; und niemand wird daran zweifeln, daß das gewöhnliche irdische Tage waren. Trotzdem steht in Vers 84: "Dies war die Einweihungsgabe des Altars ... an dem Tage, da er gesalbt wurde als ob die zwölf Fürsten ihre Gaben an einem einzigen Tage gebracht hätten. Aber auch hier hat der Ausdruck einfach die Bedeutung von "zu der Zeit", ohne daß das natürlich etwas mit der Länge der zwölf Tage zu tun hat.

VI. Argumente dafür, daß die Erdschichten während der Sint­flut entstanden sind

Nach allem Voraufgegangenen bleibt es uns noch, ehe wir weitergehen, eine kurze Übersicht der Tatsachen zu geben, die darauf hindeuten, daß die Erdschichten während der Sintflut entstanden sind. Wir haben bereits gesehen, daß sie jedenfalls nach dem Sündenfall entstanden sein müssen, und dann kommt nur die Sintflut in Betracht. Die Frage ist nun, ob die Bibel auch Hinweise enthält, daß die Sintflut tatsächlich solche enormen geologischen Folgen hatte; sonst hat eine "Sintflut‑Geologie" natürlich keinen Sinn. Ich möchte aus­drücklich betonen, daß die folgenden Argumente kurz gefaßt und unvollständig sind und nur einen Eindruck von den Folg,en der Sintflut vermitteln sollen. Für ein weiteres Studium verweise ich erneut und mit Nachdruck auf die bereits ge­nannten Fachbücher.

1. Vierzig Tage lang suchten enorme Platzregen die Erde heim (i. Mo 7, 12); nach der Geologie muß ein solches Ge­schehen eine gewaltige Erosion (Abtragung) der Erdkruste verursachen. Außerdem waren es keine gewöhnlichen Wolken­regen, denn die hätten nur eine kleine Schicht Wasser über die Erde gebracht; sondern es waren Regenfälle, beispiellos an Kraft und Umfang, unter ganz anderen meteorologischen und klimatologischen Verhältnissen als heute (was auch aus der Verbreitung der fossilen Pflanzen‑ und Tierwelt hervorgeht). Diese gewaltigen Wassermassen kamen aus einer unbekannten Quelle, bezeichnet als Jenster des Himmels" (l. Mo 7, 11). Was diese Quelle vermutlich war, werden wir bei der Be­sprechung des zweiten Schöpfungstages sehen.

2. Außerdem waren diese Platzregen von enormen vulka­nischen Ausbrüchen, Erdbeben und Flutwellen begleitet denn die Quellen der großen Tiefe brachen auf (i. Mo 7, 11; 8, 2). Die zweite Hälfte der Sintflut, als die Wasser wieder sanken, brachte außerdem kräftige Luftströmungen (l. Mo 8, 1) und gewaltige Gezeitenwirkungen, die auf die Erdkruste einen großen Einfluß haben. 1. Mose 8, 3 sagt wörtlich‑ "Und die Wasser kehrten zurück von der Erde, gehend und zurückkeh­rend" (s. Fußnote engl. und franz. Übersetzung JND). Tat­sächlich geben die Erdschichten reichlich Zeugnis von enormem Vulkanismus und gewaltigen Erdverschiebungen (u. a. Bildung von Gebirgen und Cafions). Die Schrift lehrt ganz klar, daß nicht nur die lebendigen Wesen, sondern auch die Erde gänz­lich verwüstet wurde. Gott sprach zu Noah: "Das Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen, denn die Erde ist voll Gewalt­tat durch sie; und siehe, ich will sie verderben m i t d e r E r d e " (i. Mo 6, 13). Und 2. Petr. 3, 5. 6 sagt: " . . . eine Erde, entstehend (oder bestehend) aus Wasser und im Wasser, ... durch welche die damalige Welt, vom Wasser über­schwemmt, unterging". Das heißt natürlich nicht, daß die Erde aufhörte zu bestehen, wohl aber, daß das Gesicht der damaligen Erde völlig verändert wurde dadurch daß alles, was auf ihr war, vernichtet und der Erdboden total aufgerissen und umgewühlt wurde.

3. Um all das Wasser, das aus den Jenstern des Himmels" kam, nach der Sintflut unterzubringen, waren stark vergrößerte Ozeanbecken nötig. Auch das ist also ein Hinweis auf eine enorme geologische Aktivität im Erdboden, wobei bestimmte Teile der Erde sich hoben und andere sich senkten. Dies ist es auch, was wir in Psalm 104, 6‑9 lesen, wo deutlich auf die Sintflut angespielt wird (vgl. Vs. 9 mit 1. Mo 9, 11): "Mit der Tiefe hattest du sie (die Erde) bedeckt wie mit einem Ge­wande; die Wasser standen über den Bergen. Vor deinem Schelten flohen sie, vor der Stimme deines Donners eilten sie hinweg. ‑ Die Berge erhoben sich, es senkten sich die Täler ‑an den Ort, den du ihnen festgesetzt. Du hast ihnen eine Grenze gesetzt, die sie nicht überschreiten werden; sie werden nicht zurückkehren, die Erde zu bedecken". Auch die Gebiete versunkenen Landes und die unterseeischen Cafions deuten darauf hin, daß das Meeresniveau damals viel niedriger war als heute

4. Die unter 1, 2 und 3 genannten Punkte deuten an, da£ bei der Sintflut in enormem Umfang Ablagerungsgesteine ge­bildet worden sein müssen. In Abschnitt III habe ich meine Einwände gegen die geologische Zeitskala vorgebracht; viele dieser Bedenken (lies vor allem noch einmal die unter 111 8 und 9 genannten) finden in der Sintflut eine großartige Lösung. Nach der allgemeinen Auffassung sind fast alle Erd­schichten in strömendem Wasser abgesetzt worden. Durch die genannten Ursachen ist die ganze Erdkruste mit allem, was da lebte, total umgewühlt und danach allmählich abgelagert wer­den. Daß dies sehr schnell geschehen sein muß, ist ersichtlich aus dem Vorkommen von enormen Massengräbern in den Erdschichten und z. B. von Baumstämmen, die quer durch mehrere Erdschichten hindurchreichen, wie wir gesehen haben.

5. Eine derartige katastrophale Flut, mit Umwühlen der Erdkruste und schnellem Begraben lebender Organismen lie­fert die idealen Verhältnisse für die Bildung von Fossilien (Versteinerungen). Unter normalen Umständen entstehen überhaupt keine Fossilien; doch enthalten die Erdschichten enorm viele Fossilien, und man hat schon soviele gefunden, da£ die gesuchten "missing links" (die zahlreichen (fehlenden) Cbergangsformen, die für die Evolutionslehre notwendig sind) schon lange ein Märchen geworden sind. Versteinerungen werden am besten oder ausschließlich gebildet, wenn ein Lebe­wesen sehr schnell in einem Ablagerungsgestein, das in strömendem Wasser gebildet wird, begraben wird. So muß es in der Sintflut geschehen sein. Daß dabei die Wassertiere, die auf dem Meeresgrund leben oder im Wasser schweben (die "niedrigsten" Lebewesen), meistens in den untersten Erd­schichten abgelagert wurden, liegt auf der Hand; in den "ältesten" fossil‑haltigen Erdschichten (denen des Kambrium) sind alle Hauptgruppen der wirbellosen Tiere vertreten (und zwar ausschließlich durch Meerestiere!), während die darunter gelegenen Erdschichten (die des Präkambrium) praktisch nicht ein einziges unbestrittenes Fossil enthalten, obwohl sie oft aus demselben Material bestehen. Dies ist eine unüberwindliche Schwierigkeit für die evolutionistische Paläontologie, aber völlig klar in der Sintflut‑Geologie. In großen Zügen kommen in den höheren Erdschichten die Wassertriere vor, die schwirnmen können (u. a. die Fische), noch höher die Landtiere, die erst später durch das steigende Wasser erreicht wurden und die sich anfangs auch vor dem aufkommenden Wasser in Sicherheit bringen konnten. Selbstverständlich ist dies eine grobe Skizze, denn eine rasend schnelle Flut von einem der­artigen Umfang verursacht an vielen Stellen natürliät eine ganz andere Reihenfolge als dieses schöne Aufsteigen von "niedrig" nach "hoch", wie wir gesehen haben. Auch das ist eine unüberwindliche Schwierigkeit für die Evolutionisten. Die Sintflut‑Geologie erklärt auch zwei andere Evolutionsprobleme, nämlich wie es möglich ist, daß Lebewesen, die nur in den niedrigen Erdschichten vorkommen und nirgends in den obersten Schichten, plötzlich noch lebende Nachkommen haben! Es ist für sie auch kein Problem, daß immer wieder Lebe­wesen in ein und derselben Erdschicht gefunden wurden, die nach der Evolutionslehre Millionen von Jahren nacheinander gelebt haben. Sie haben nämlich einfach zur gleichen Zeit ge­lebt, vor der Sintflut.

Die sieben Schöpfungstage

Wir kommen nun zur Betrachtung der ersten vier Schöp­fungstage, also der Zubereitung der stofflichen Welt. Wir hoffen, später ihre geistliche Bedeutung zu untersuchen; jetzt wollen wir erst sehen, was an diesen Tagen im einzelnen geschah und auf welche Weise uns das vorgestellt wird. In Vers 1 haben wir gesehen, daß Gott im Anfang Himmel und Erde geschaffen hat. Erst am fünften Tag ist aufs neue von "(er)schaffen" die Rede; bis zu diesem Augenblick finden wir also nichts anderes als eine Bearbeitung und Ordnung der Erde, wie diese in Vers 2 beschrieben wird. Sogar die Pflanzen werden nicht als eine besondere Schöpfung betrachtet, weil sie keine lebendigen Seelen mit einem Bewußtsein sind. Sie sind einfach lebendige Erzeugnisse des Erdbodens. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß 1. Mose 1 nicht so sehr von dem ganzen Weltraum spricht, als vielmehr von der Erde, die nach einem Zustand der Wüstheit und Leere durch Gott wiederhergestellt und geordnet wird, um als Wohnstätte für die Tiere und vor allem für ihren Herrscher, den Menschen, geeignet zu sein. An den ersten vier SchÖpfungstagen tat Gott das vorbereitende Werk, das der Erschaffung der Tiere und des Menschen vorausgehen mußte. Nachdem der Heilige Geist in Vers 1 von dem ganzen Weltall gesprochen hat, beschränkt Er in Vers 2 unser Blickfeld auf die Erde und am dritten Tag noch weiter auf "das Trockene". Am sechsten Tag beschränkt der Geist unsere Aufmerksamkeit auf die Menschheit, die das Trockene bewohnt, noch später auf e i n Volk aus dieser Menschheit, närrtlich Israel, um schließlich alle Scheinwerfer auf die eine Person aus Israel zu richten, auf die das ganze Alte Testament hinweist: Jesus Christus. Von Ihm aus ver­breitert sich das Feld der Gottesoffenbarung wieder: von jerusalem, Judäa und Samaria geht das Evangelium nach Klein‑Asien, Griechenland, ja nach Rom und zu allen Völkern. Zum Schluß kommt die Zeit, da die ganze Erde voll sein wird der Erkenntnis Jehovas, danach der ewige Zustand: der neue Himmel und die neue Erde! Und dies alles ist im Vorbild schon in 1. Mose 1 enthalten, wie wir später sehen werden.

Der erste Tag

"Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht. Und Gott sah das Licht, daß es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es ward Abend und es ward Morgen: erster Tag*)" (l. Mo 1, 3‑5).

Die erste Aktivität Gottes ist das Schweben Seines Geistes über den Wassern. Gott hat den Menschen im Auge, und überall, wo es um dessen Glück und Wohlfahrt geht, finden wir den Geist wirksam. "Du sendest deinen Odem (oder "Geist") aus: sie werden erschaffen, und du erneuerst die Fläche des Erdbodens" (Ps 104, 30). Das ist das Ziel Gottes hier: durch Seinen Geist ist Er im Begriff zu erneuern, was uns in Vers 2 als verdorben vorgestellt wurde. Und Er tut das, indem Er mit Seinem Geist Sein Wort verbindet. Zehnmal lesen wir in 1. Mose 1: "Und Gott sprach". Diese Verbindung von Geist und Wort ist sehr bezeichnend in der Schrift, wie wir später auch bei der geistlichen Anwendung sehen werden. "Durch Jehovas Wort sind die Himmel gemacht, und all ihr Heer durch den Hauch (oder "Geist", s. franz. Übers. JND) seines Mundes" (Ps 33, 6). Durch Gottes Wort sind die Wel­ten bereitet worden (Hebr 11, 3), durch Seinen Hauch wird der Himmel heiter (Hiob 26, 13). Gott spricht. Er spricht nicht zu irgendetwas oder zu irgendwem, sondern Sein Wort ist der Ausdruck Seines freien Schöpferwillens. Sein Sprechen kennzeichnet Ihn als den souveränen Schöpfer, der das Nicht­seiende ruft, wie wenn es da wäre (RÖrn 4, 17). Zehnmal sagt 1. Mose 1: "Und Gott sprach", davon achtmal als Befehl für ein ordnendes und schöpferisches Werk: am ersten, zwei­ten, vierten und fünften Tag einmal, und am dritten und sechsten Tag (an denen ein doppeltes Werk Gottes stattfindet) je zweimal.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Dreimal lesen wir, daß Er sprach: "Es werde", nämlich auch noch in den Versen 6 und 14

*) Oder " e i n Tag«.

(dieselbe Verbform). Aber im übrigen unterscheidet sich das Werk des ersten Tages stark von dem der anderen Tage.

(1) Dies ist der einzige Tag, der nicht mit einer Morgen­dämmerung, sondern mit dem plötzlichen Durchbruch des vollen Lichtes beginnt. Gott hieß das Licht aus der Finsternis leuchten (2. Kor 4, 6).

(2) Meist richtet sich der Befehl Gottes an einen Grundstoff, der verändert werden oder aus dem etwas Neues hervorgehen muß; so gebietet Er den Wassern am dritten und fünften Tag, und der Erde am dritten und sechsten Tag. Wenn Gott sagt: Es werde eine Ausdehnung, und: Es werden Lichter, dann fehlt dieser Grundstoff, aber es wird wenigstens noch eine Ortsbestimmung angegeben: eine Ausdehnung inmitten der Wasser und Lichter an der Ausdehnung des Himmels. Alles das fehlt am ersten Tag. Gott spricht einfach: Es werde Licht!

(3) Außerdem finden wir in den weiteren Versen in dem Befehl stets ein anderes Verb als in der Ausführung. So z. B..­Es werde ... und Gott machte (Verse 6, 7, 14, 16). Siehe auch alle anderen fünf Male. Aber hier lesen wir: Es werde Licht. Und es w a r d Licht. Außerdem ist das im Hebräischen auch dieselbe Verbform: Jehi oor wa jehi oor. Keine Arbeit Gottes, nicht: Gott machte, und schon gar nicht: Gott schuf. Er befiehlt einfach das Dasein des Lichts, und es ist sofort da.

(4) Alle anderen Werke, die noch nicht da sind, stehen im Befehl noch ohne Artikel und bekommen einen Artikel bei der Ausführung. Aber bei dem Licht fehlt der Artikel beide Male. Gott erschafft hier nicht d a s Licht, sondern Er ruft Licht und es kommt Licht.

Alle diese Kennzeichen, durch die das Licht sich von den Werken an den anderen Tagen unterscheidet, sind von großer Bedeutung. Mehr als alles andere ist das Licht ja verbunden mit dem Wesen Gottes. Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in Ihm (‑i. Joh 1, 5). Es wäre unangebracht gewesen zu sagen, daß Gott das Licht schuf. Das Licht war ewig, denn Gott ist Licht. Die Finsternis ist nicht ewig gewesen, daher der Unterschied in Jesaja 45, 7: "Ich bin Jehova. . . , der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe". Auch die Materie ist nicht ewig. Gott ist ein Geist und nicht stofflich (Joh 4, 24); als Er Energie zu Materie zusammenballte, entstand dadurch also etwas Einzigartiges: eine Schöpfung. Alles in 1. Mose 1 ist materiell, aber das Licht ist pure Energie, direkt verwandt mit und hervorgegangen aus dem, was Gott ist: die Quelle aller Kraft und alles Lichts. Das Licht wohnt bei Ihm (Dan 2, 22). Er weiß den Weg zur Wohnung des Lichtes (Hiob 38, 19); Er hüllt sich in 'Licht wie in ein Gewand (Ps 104, 2) und breitet das Licht um sich aus (Hiob 36, 30). Er bewohnt ein unzugängliches Licht (l. Tim 6, 16).

So verstehen wir auch, wie hier von dem Licht gesprochen werden kann, ehe (erst am vierten Tag) von Sonne, Mond und Sternen die Rede ist. Kein Mensch würde in früheren Zeiten auf den kühnen Gedanken gekommen sein, von Licht zu spre­chen, ehe ein Lichtträger da war. Für den Menschen ist die Sonne so selbstverständlich und unentbehrlich, daß er nie von hellem, warmem Licht sprechen würde außer im Zusammen­hang mit der Sonne. Er würde mit der Sonne beginnen. Aber Gott tut das nicht; die Sonne ist keine Gottheit, sondern nichts anderes als ein Werk Gottes, das bei Ihm erst an vierter Stelle kommt. Er hat keine Quelle nötig, um das Licht schei­nen zu lassen, denn Er ist Selbst das Licht. Heute ist es für uns kein fremder Gedanke mehr, daß es helles Licht gibt unab­hängig von der Sonne (man denke z. B. an das Nordlicht und an Phosphoreszenz), aber Gott ist unseren Errungenschaften immer voraus. Heute verstehen wir, daß mit der Erschaffung von Himmel und Erde auch das Licht schon seinen Einzug gehalten hatte, denn Licht in der Gestalt, wie wir es kennen, ist ja nichts anderes als eine Eigenschaft der geschaffenen Materie. Als die Erde wüst und leer wurde, machte Gott "Wolkendunkel zur Windel" des Meeres (Hiob 38, 9), aber am ersten Tag vertrieb Er diese Finsternis durch Sein Macht­wort. ‑ Es gibt noch mehr Unterschiede zwischen dem ersten Tag und den anderen Tagen.

(5) Siebenmal lesen wir in 1. Mose 1, daß das, was Gott bereitet hatte, gut war. Abgesehen vom siebten Mal, wo es sich bezieht auf a 11 e s , was Gott gemacht hatte (Vers 31), lesen wir immer kurzweg: Und Gott sah, daß es gut war. Aber nur hier lesen wir: Und Gott sah d a s L i c h t, daß es gut war. Auf keinem einzigen Werk Gottes liegt also so sehr dieser Stempel der "Gutheit" wie auf dem Licht, das, wie gesagt, direkt mit dem Wesen Gottes selbst verbunden ist. Der Ausdruck bedeutet nicht: nachdem Gott das Licht herbei­gerufen hatte, sah Er, daß es Seinen Erwartungen entsprach, sondern es will im Hebräischen sagen: Er sah das Licht an, w i e vortrefflich es doch war. Er freute sich Seiner Werke (Ps 104, 31). übrigens gibt es eine ganze Anzahl Ausdrücke, die in diesem Kapitel (1, 1‑2, 3) siebenmal vorkommen: nach Vers 1, der im Hebräischen sieben Worte umfaßt, folgen die sieben Tage, ferner siebenmal "es war gut', siebenmal "ma­chen", dreimal siebenmal "Erde" (das Zubereitete) und fünf­mal siebenmal "Gott" (der Zubereitende). Und so geht es weiter.

(6) Um nun auch unsere Siebenzahl hier vollzumachen, noch zwei bezeichnende Unterschiede zu den anderen Tagen. Der Ausdruck " . . daß es gut war", ist im weiteren immer der Abschluß eines Werkes Gottes, hier jedoch nicht. Wenn das Licht das Wesen Gottes ausdrückt,'so ist es nötig, es scharf zu unterscheiden von der Finsternis, dem Ausdruck all dessen, was mit Gottes Wesen in Widerspruch ist. Darum muß hier noch folgen, daß Gott das Licht von der Finsternis scheidet, indem Er beiden je einen bestimmten Teil des Etmals (vier­undzwanzig Stunden) zuweist. Denn welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis?" (2. Kor 6, 14) Wehe denen, die diese (Unter)Scheidung nicht machen, "welche Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis" (Jes 5, 20).

(7) Diese Scheidung ist so wichtig, daß Gott sie hier selbst ausführt. Am zweiten Tag ist es die Ausdehnung, die eine Scheidung bewirkt (in Vers 7 kann man auch übersetzen: " . . . und d i e schied die Wasser . . ."; vgl. Vers 6!), und am vierten Tag bewirken die Himmelslichter eine Scheidung (Verse 14 und 18). Nirgendwo sonst im Alten Testament lesen wir, daß Gott Selbst eine Scheidung machte, als nur hier. Wohl gibt Er dem Menschen häufig die Weisung, Ihm nachzufolgen in dieser Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Unheili­gen (Hes 42, 20), zwischen rein und unrein (3. Mo 10, 10; 11, 47; 20, 25; Hes 22, 26; vgl. Jes 59). Scheidung oder "Tren­nung" ist ganz besonders das Kennzeichen der ersten drei Tage, während "Vermehrung" typisch ist für die letzten drei Tage.

Das Kennzeichen von "Trennung" an den ersten drei Tagen kommt auch zum Ausdruck in der Benennung der verschiede­nen Teile‑. Gott nennt das Licht "Tag", die Finsternis "Nacht", die Ausdehnung "Himmel", das Trockene "Erde" und die Sammlung der Wasser "Meere". Weiter geht die Namens­gebung hier nicht. Nur die großen Begriffe von Raum und Zeit werden hier für den Menschen umschrieben, ‑ später darf er selber den Tieren Namen geben (2, 20) und bekommt er selbst seinen Namen von Gott (5, 2), aber das liegt außerhalb dieses Kapitels. Hier geht es darum, nicht nur Namen zu geben, sondern mehr nodi den Lebensraum des nichtigen Menschen zu umschreiben. Alle diese "Namen" werden hier ja in einer begrenzteren Bedeutung gebraucht als sie sie eigent­lich in Wirklichkeit haben. Wenn Gott in Tagen rechnet, dann sind es jeweils ganze vierundzwanzig Stunden, wie hier die sieben Schöpfungstage, aber für den Menschen bestimmt Gott nur die Lichtperiode als "Tag", die Periode, da er ausgeht an sein Werk und an seine Arbeit, bis zum Abend" (Ps 104,23). So ist auch der "Himmel" für Gott der Weltraum (Vers 1), aber für den Menschen die Atmosphäre, in der er atmet, aus der er Regen empfängt (l. Kön 18, 45) und wo die Vögel fliegen (Vers 20). So ist die "Erde" für Gott die Weltkugel, über der Er thront (Vers 1; Jes 40, 22), aber für den Menschen das trockene Land, auf dem er wohnt. Und so sind die "Meere" für den Menschen nicht die Urflut (Hiob 38, 8‑11), sondern nur das, was außerhalb des Trockenen liegt.

Als Gott das Licht rief, war Seine Absicht nicht, es bestän­dig auf der Erde zu lassen, sondern es mit der Nacht abwech­seln zu lassen, in einem Rhythmus, der für den menschlichen Körper wirklich ideal ist. "Die Sonne weiß ihren Untergang; du machst Finsternis, und es wird Nacht" (Ps 104, 19. 20). "Dein ist der Tag, dein auch die Nacht" (Ps 74, 16). Gott bestellt die Nacht als einen Segen für den Menschen, denn Er ist es ja, "der seinem Geliebten den Schlaf gibt" (Ps 127, 2), und der den Menschen so machte, daß er "schläft und auf­steht, Nacht und Tag" (Mark 4, 27). Und ist es nicht bemer­kenswert, daß dieser Tag‑Nacht‑Rhythmus nicht in erster Linie von der Sonne abhängt, denn die kam als solche erst am vier­ten Tag! Die Erde selbst ist durch ihre Drehung die erste Ursache des Tag‑Nacht‑Rhythmus. Wenn man das eher ge­merkt hätte, daß es Tage `Ünd Nächte gab, ehe die Sonne als solche da war, dann hätte man Kopernikus und Galilei nicht so leicht beschuldigt, das Wort Gottes anzutasten. Die Bibel selbst gibt ihnen tatsächlich noch recht. Gewiß, ich bin damit eins, daß die Schrift uns keine Kosmographie lehrt, aber sie bestärkt uns bestimmt nicht in unseren falschen Vorurteilen.

Dem ersten Tag folgt der Abend, wobei zum erstenmal sichtbar wird, daß das Licht nicht beständig den Menschen be­scheinen, sondern regelmäßig mit der Nacht abwechseln sollte, wobei jede Nacht durch einen Morgen in einen neuen Tag übergehen sollte. In der Nacht wirkt Gott nicht (vgl. Joh 9, 4) und deutet damit den normalen Lebensrhythmus des Men­schen an. Nicht daß Gott schliefe, ebensowenig wie Er am siebenten Tag ermüdet gewesen wäre und wirklich Ruhe nötig gehabt hätte ‑ aber Er weist darauf hin, was die nor­male Arbeitswoche des Menschen unter der ersten Schöpfung werden sollte (2. Mo 20, 8‑11; Ps 104, 23; 1. Thess 5, 7a).

Der zweite Tag

"Und Gott sprach: Es werde eine Ausdehnung inmitten der Wasser, und sie scheide die Wasser von den Wassern! Und Gott machte die Ausdehnung und schied die Wasser, welche unterhalb der Ausdehnung, von den Wassern, die oberhalb der Ausdehnung sind. Und es ward also. Und Gott nannte die Ausdehnung Himmel. Und es ward Abend und es ward Morgen: zweiter Tag" (l. Mo 1, 6‑8).

Wie für den ersten Tag das Licht charakteristisch ist, so wird der zweite Tag durch das Wasser gekennzeichnet. Gott spricht zum zweiten Male, und zum zweiten Male sagt Er: "Es werde". Bis dahin war die Erde durch die Wasserflut von Vers 2 bedeckt. Nun gebietet Gott, daß eine Scheidung in­mitten dieser Wassermassen eintrete, und zwar so, daß ein Teil dieser Wasser über die Erde emporgehoben wird und ein anderer Teil auf der Erde zurückbleibt. Diese Scheidung ent­steht dadurch, daß Gott eine Ausdehnung (Atmosphäre) schafft, die auf den Wassern ruht, die auf der Erde sind, und die zugleich die Wasser trägt, die oberhalb der Erde sind. Das Wort "Ausdehnung" (raqia) kommt außer in diesem Kapitel nur noch vor in Psalm 19, 1 ("die Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk"), in Psalm 150, 1 (Aobet ihn in der Feste (oder "Ausdehnung") seiner Stärke"), in Daniel 12, 3 ("die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Ausdeh­nung", s. engl. u. franz. Übers. JND) und in bildlichem Sinn in Hesekiel 1, 22‑26; 10, 1. Das Wort ist von einem Verb abgeleitet, das "stampfen" bedeutet (Hes 6, 11; 25, 6; das dritte Verb in 2. Sam 22, 43) oder "ausbreiten" ("Jehova . . . , der die Erde ausgebreitet hat über den Wassern", Ps 136, 6; Jes 42, 5; 44, 24; das Himmelsgewölbe: Hiob 37, 18). Die Beziehung zwischen stampfen und ausbreiten wird deutlich, wenn man weiß, daß die Grundbedeutung des Wortes "plätten" ist (siehe 2. Mo 39, 3; "breitschlagen" in 4.Mo16,38.39; "dünnschlagen" in Jer 10, 9; daher "überziehen" in Jes 40, 19). Das Wort "Ausdehnung" schließt in sich also den Gedanken an etwas, das (1.) sehr dünn und (2.) sehr ausgebreitet ist (siehe auch bei der Betrachtung von Vers 1).

Diesen Gedanken finden wir immer wieder in den Bildern, die für die Ausdehnung (oder den "Himmel", wie Gott sie nennt) gebraucht werden. "Der die Himmel ausspannt gleich einer Zeltdecke (Ps 104, 2). "Er ist es, . . . der die Himmel aus­gespannt hat wie einen Flor, und sie ausgebreitet wie ein Zelt zum Wohnen" (Jes 40, 22). Vergleiche auch Hiob 9, 8; Jes 42, 5; 44, 24; 45, 12; 51, 13; Jer 10, 12; 51, 15; Sach 12, 1, wo jedesmal gesagt wird, daß Gott die Himmel "ausgespannt" hat. Ferner hat der Himmel die Klarheit eines Kristalls (Hes 1, 22), den Glanz von Saphirsteinen (2. Mo 24, 10) und die Festigkeit eines gegossenen Spiegels (Hiob 37, 18). Diese Festigkeit hat nichts zu tun mit irgendwelchem Aberglauben an einen Himmel, der sich wie eine metallene Kuppel über der Erde wölbt. Dieses alte Weltbild ist leider dadurch in die Schrift hineingetragen worden, daß die Septuaginta raqia mit 5tereoma ins Griechische übersetzt und Hieronymus in der latei­nischen Vulgata firmamentum sagt (beide Wörter kommen in den betreffenden Sprachen in Kolosser 2, 5 vor und bedeuten »Festigkeit"). Luther übernahm dies ins Deutsche (,Feste"). Der wirkliche Sinn des Hebräischen Wortes ist aber eine "dünne Ausgedehntheit": der Raum, in dem die Vögel fliegen (Vers 20) und in dem ‑ vom Menschen aus gesehen ‑ die Himmelslichter scheinen (Verse 14. 15. 17). Der zweite Tag enthält also nichts weiter als eine Scheidung der Wasser durch das Entstehen einer dünnen Atmosphäre zwischen ihnen. Dabei brauchen wir noch nicht einmal direkt an die Luft zu denken, sondern einfach an eine "Ausbreitung" zwischen Wassern und Wassern, ein "Heraufziehen der Wassertropfen" (Hiob 36, 27), eine Ausdehnung von Wassern, wie man Metall walzt. Es entsteht am zweiten Tag also nichts wesentlich Neues, so daß wir hier nicht lesen: "Und Gott sah, daß es gut war", was auch mit der Tatsache in Verbindung steht, daß Gottes Werk an den Wassern noch nicht vollendet ist, sondern am dritten Tag fortgesetzt wird. Damit hängt auch zusammen, daß der Ausdruck "und es ward also" hier ausnahmsweise erst am Ende kommt (Vers 7) und nicht vor "Gott machte" (vgl. Verse 15 und 24), weil nur hier der Gedanke einer echten Arbeit Gottes vorliegt ("Er machte ... und schied") und nicht einer bloßen Tat.

Der Ausdruck "Gott machte" kommt in 1. Mose 1 dreimal vor. Es ist nicht "(er)schaffen", denn immer ist bereits Ma­terial vorhanden: Er macht die Ausdehnung inmitten der Was­ser, Er macht die Himmelskörper aus dem, was sie seit Vers 1 (der Erschaffung des Himmels) schon waren (siehe später), und Er macht die Landtiere aus der Erde (Vers 24). Auch der Mensch kann "machen" aus bereits vorhandenen Grundstof­fen, aber damit hört der Vergleich mit dem göttlichen ma­chen" auf. Was der Mensch macht, ist vergänglich, aber Gott machte nur einmal die Ausdehnung, die Lichter und die Tiere, und erhält sie seitdem. (Darum steht auch nicht da, daß Gott die Pflanzen "machte", denn dieselbe Erde, die nur einmal die Landtiere hervorbrachte, bringt sozusagen immer aufs neue Pflanzen hervor, und die Bäume "machen" selbst ihre Frucht). Außerdem ist der Mensch bei seinem "machen" an die begrenzten Möglichkeiten seines Materials gebunden, Gott dagegen bereitet inmitten der Wasser eine Atmosphäre, die nichts mit diesen Wassern gemein hat, und Er macht lebendige Tiere, die nur die allgemeinen Kennzeichen der Materie mit der leblosen Erde gemein haben, aus der sie hervorkommen.

In Vers 6 steht wörtlich: "sie sei scheidend zwischen Was­sern und Wassern", das ist genauer als das gewöhnlich über­setzte "sie scheide die Wasser von den Wassern", weil es nicht nur auf eine einmalige Tat der Scheidung hindeutet (was es in Vers 7 ist: "Gott machte . . . und schied'), sondern auf die bleibende Aufgabe der Atmosphäre, eine fortdauernde Schei­dung zwischen den Wassern und den Wassern zu bilden. In Vers 7 (nicht in Vers 6) wird das Wort "zwischen" zweimal gebraucht (wörtlich: "Gott schied zwischen den Wassern un­terhalb der Ausdehnung und zwischen den Wassern oberhalb der Ausdehnung"), um anzudeuten, daß nicht nur ein Zwi­schenraum zwischen den Wassern sich bilden (Vers 6), son­dern daß auch weiterhin ein wesentlicher Unterschied zwischen Wassern und z w i s c h e n Wassern bestehen sollte. Dieser Unterschied wird durch eine Rangordnung umschrieben: Es gibt Wasser "unterhatb der Ausdehnung' (zuerst genannt, weil sie dem Menschen am nächsten sind), und es gibt Wasser "oberhalb der Ausdehnung". W a s das für Wasser sind und w a s das Material der Atmosphäre ist, lehrt 1. Mose 1 nicht. Andere Schriftstellen berichten darüber wohl mehr, aber für das Ziel von 1. Mose 1 tut es nichts zur Sache; es genügt, daß Gott hier in den ungeordneten Wassermassen von Vers 2 eine erste Ordnung schafft, indem Er den "Himmel' als Schei­dung dazwischenfügt.

An anderen Stellen erfahren wir mehr über den wichtigen Unterschied zwischen den Wassern oberhalb und denen unter­halb der Ausdehnung. Prediger 1, 7 stellt fest, daß, obwohl viele Flüsse in das Meer gehen, das Meer doch nicht voll wird. Die Ursache dafür ist die fortwährende Verdunstung des Was­sers: Gott läßt "Dünste aufsteigen vom Ende der Erde" (Ps 135, 7); "Er zieht Wassertropfen herauf; von dem Dunst, den er bildet, träufeln sie als Regen, den die Wolken rieseln und tropfen lassen auf viele Menschen" (Hiob 36, 27. 28). Diese verdunsteten Wasser werden in Wolken gebunden (Hiob 26, 8), die zugleich die "Vorratskammern des Schnees und des Hagels" sind (Hiob 38, 22), von woher sie auf die Erde zurückkehren (Hiob 36, 28; 37, 6) wie aus "Schläuchen des Himmels" (Hiob 38, 37). Das will übrigens nicht sagen, daß die "Wasser oberhalb der Ausdehnung" in 1. Mose 1, 7 einfach Wolken wären! 1. Mose 2, 5 sagt deutlich, daß es im Anfang der Geschichte nicht regnete auf der Erde, also gab es wahrscheinlich noch nicht den Wasserkreislauf, wie wir ihn jetzt kennen. Außerdem: Wenn die Wasser oberhalb der Ausdehnung lediglich Wolken wären, dann würden diese Wasser nur eine außerordentlich kleine Menge bilden im Ver­gleich zu den Wassern unterhalb der Ausdehnung, und es könnte kaum von irgendeiner Scheidung die Rede sein. Viel­mehr scheint es, daß am zweiten Tag eine gewaltige Wasser­menge von der Erde emporgehoben und als ein großes Wasser­dampf‑Reservoir auf die Atmosphäre gelegt wurde (die Ge­lehrten erkennen an, daß dies theoretisch tatsächlich möglich ist). Wie bereits gesagt, wird es diese Wassermasse sein, die bei der Sintflut auf die Erde ausgeschüttet wurde, wie durch viele Ausleger angenommen wird. Dabei ist es bemerkenswert, daß der Ausdruck "die Fenster des Himmels‑ (1‑ Mo 7, 11; 8, 2) in der Schrift zwar noch häufiger vorkommt (2. Kön 7, 2. 19; Jes 24, 18; Mal 3, 10), aber nie mehr in Verbindung mit Wasser. Es scheint also, daß diese Fenster in 1. Mose 8, 2 eine einzigartige Wasserquelle bildeten, unterschieden von dem "Regen vom Himmel". Ein solches Wasserdampfgewölbe vor der Sintflut muß die Wirkung eines Treibhauses gehabt haben (dadurch, daß es wohl die Sonnenstrahlen durchließ, aber viel weniger die zurückgeworfene Strahlung der Erde), so daß auf der ganzen Erde eine gleichmäßige hohe Temperatur herrsdite. Dies ist das allgemeine Zeugnis der Erdschichten bis zum Pleistozän, denn sie enthalten eine fossile Pflanzen‑ und Tierwelt, die in einem gleichmäßig subtropischen Klima gelebt haben muß. Ein weiterer Hinweis, daß dies die lebende Welt aus der Zeit vor der Sintflut ist und daß die Erdschichten in der Sintflut entstanden sind! Nach der Sintflut müssen die Extra‑Wassermassen in vergrößerten Ozeanbecken Platz ge­funden haben (siehe oben), während durch das Wegfallen des schützenden Wasserdampfgewölbes fortan Regen und Hagel die Erde heimsuchen sollten (man denke an den Regenbogen, der von da an sollte gesehen werden können; 1. Mo 9, 12‑16), und die direkte Sonnenbestrahlung sorgte von jetzt an fÜr einen (stärkeren) Wechsel der Jahreszeiten (vgl. 1. Mo

Der dritte Tag

"Und Gott sprach: Es sammeln sich die Wasser') unterhalb des Himmels an e i n e n Ort, und es werde sichtbar das Trockene! Und es ward also. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meere. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott sprach: Die Erde lasse GraS2 ) hervorsprossen, Kraut, das Samen hervorbringe), Fruchtbäume, die Frucht tragen') nach ihrer Art, in welcher ihr Same seis) auf der Erde! Und es ward also. Und die Erde brachte GraS2 ) hervor, Kraut, das Samen hervorbringt') nach seiner Art, und Bäume, die Frucht tragen 4), in welcher ihr Same ist) nach ihrer Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und es ward Abend und es ward Morgen: dritter Tag."

(l. Mose 1, 9‑13)

Ein neuer Abend und Morgen führen zum dritten Tag, an dem Gott Sein Werk mit den Wassern fortsetzt. Auch jetzt eine Scheidung‑ wie am vorigen Tag zwischen Wassern und Wassern, so hier zwischen den Meeren und der Erde. Wie es dort um die Ausdehnung ging, so hier um das Trockene; dort der "Himmel", hier die "Erde", beide in einer begrenzteren Bedeutung als in Vers 1, wie bereits gesagt. Gott spricht aufs neue, aber jetzt ist es ein anderer Befehl als an den vorigen Tagen (also nicht: "Es werde trockenes Land" oder ähnlich); außerdem ein einzigartiger Befehl, denn nur hier wird das Passiv gebraucht, wörtlich: "Die Wasser unterhalb des Him­mels w e r d e n an einen Ort gesammelt, und es w e r d e sichtbar das Trockene" (s. engl. Übers. JND). Und dann nicht:

  1. Wörtlich: "Es werden die Wasser gesammelt. . .' (passivisch)
  2. Eigentlich: "Hervorgesproßtes" oder "Hervorsprossendes".
  3. Eigentlich: "samensäendes Kraut"
  4. Wörtlich: "machen"
  5. Oder: "deren Same darin (sei)"

Gott sammelte, sondern: Es ward also. Es scheint also, daß Gott hier an bestimmte Kräfte einen Befehl richtet, die Wasser zu sammeln, und zwar die Wasser, die unterhalb der Ausdeh­nung sind, also die Wasser, die am zweiten Tag auf der Erde zurückgeblieben waren. Die Kräfte", denen Gott hier befiehlt, müssen die Wasser an " e i n e n Ort" hin in Bewegung bringen. Was sind diese Kräfte, und was ist dieser eine Ort?

Daß die Wasser an e i n e n Ort gesammelt werden, bedeu­tet natürlich nicht, daß sie in e i n e m Becken zusammen­strömten; die Mehrzahl "Meere" (Vers 10) macht bereits deutlich, daß dieser " e i n e Ort" viele verschiedene Meere und Ozeane umfaßt. Aber doch bilden sie alle tatsächlich eine Einheit, denn sie sind alle miteinander zu e i n e r Wasser­masse verbunden, sie reichen überall mehr oder weniger bis an denselben "Meeresspiegel" und werden alle miteinander begrenzt durch die Schranken, die Gott ihnen gesetzt hat. "Er rundete eine Schranke ab über der Fläche der Wasser" (Hiob 26, 10) und"hat das Meer mit Toren verschlossen" (Hiob 38,8). "Er sammelt die Wasser des Meeres wie einen Haufen, legt in Behälter die Fluten" (Ps 33, 7). "Er setzte dem Meere seine Schranke, daß die Wasser seinen Befehl nicht überschritten" (Spr. 8, 29). Er hat Aem Meere Sand zur Grenze gesetzt, eine ewige Schranke, die es nicht überschreiten wird; und es regen sich seine Wogen, aber sie vermögen nichts, und sie brausen, aber überschreiten sie nicht" (Jer 5, 22). Und was sind das für Kräfte, die dieses Sammeln der Wasser zustande brachten? Auf Gottes Befehl muß die Erdkruste in Bewegung geraten sein. An gewissen Stellen erhob sie sich und erhöhte den Meeresboden über den Wasserspiegel; an anderen Orten senkte sie sich, und die Wasser strömten in die entstandenen Tiefen. Sowohl Gebirge als Ozeanbecken wurden gebildet. Was für gewaltige Druck‑ und Reibungskräfte müssen diese enormen Wasserbewegungen auf den Erdboden ausgeübt haben! Die allerersten fossillosen Ablagerungsgesteine, die die Erdkruste bedecken, müssen wohl an diesem Tag ihren An­fang genommen haben und dabei gleichzeitig einen fruchtba.­ren Boden gebildet haben für die Pflanzen, die jetzt sogleich erscheinen sollten.

Nun gibt Gott wiederum Namen und legt damit die drei großen Räume fest, die lebenswichtig sind für alle lebenden Organismen (die auch nach diesen drei Räumen eingeteilt werden): " . . Himmel und Erde, die Meere und alles, was in ihnen wimmelt" (Ps 69, 34; vgl. Offb, 10, 6), nän‑dich die Vögel des Himmels, die Tiere der Erde und die Fische des Meeres (vgl. Verse 26. 28. 30). In der Schrift werden die Werke Gottes stets bei ihrem göttlichen Namen genannt; genauso selten wie das Wort "Ausdehnung" ist in der Schrift nämlich auch "das Trockene". "Der Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat" (Jona 1, 9). Ferner wird das Wort als Gegensatz zum Meer nur gebraucht in Jona 1, 13; 2, 11; (allgemein: Jes 44, 3), und vor allem beim Zug durch das Rote Meer (2. Mose 14, 16. 22. 29; 15, 19; Ps 66, 6; Neh 9, 11) und durch den Jordan (Jos 4, 22); eine Verbindung mit der "Sammlung der Wasser" (Vers 10) haben wir in 2. Mose 4, 9; 7, 19. Nachdem nun also am zweiten und dritten Tag die drei großen Lebensräume fertig geworden sind, kann hier zum zweitenmal folgen: Gott sah, daß es gut war.

Zum erstenmal spricht Gott nun an ein und demselben Tag noch einmal. Sein Werk an diesem Tag ist nämlich noch nicht fertig; das Trockene ist zum Vorschein gekommen, aber es muß jetzt auch die "Arbeit" tun, zu der es trocken gelegt ist. Alles in 1. Mose 1 ist auf den Empfang des Menschen aus­gerichtet. Er kann nicht in den Wassern leben, darum mußte das Trockene frei werden; er kann aber auch nicht auf dem kahlen Grund leben ‑ der Erdboden muß aussprossen! "Das Land ... bringt mitzliches Kraut hervor für diejenigen, um derentwegen es auch bebaut wird‑ (Hebr 6, 7). Zum ersten­mal wendet Gott Sich hier direkt an eine Instanz, die das durch Ihn gewollte Werk ausführen muß: "Die Erde lasse ... hervorsprossen". Ähnlich finden wir es am fünften ("Es wim­meln die Wasser", obwohl das schwächer ist) und am sechsten Tag ("Die Erde bringe hervor"), aber es gibt auch große Un­terschiede. Bei der Ausführung des Befehls lesen wir h i e r : Und die Erde brachte hervor .... aber an den folgenden Tagen führt Gott das Werk selbst aus: Und Gott schuf (Vers 21). Und Gott machte (Vers 25). Auf der einen Seite wird also auf die wirkliche materielle Übereinstimmung zwischen lebendigen Organismen einerseits und Erde und Wasser andererseits hin­gewiesen. Aber auf der anderen Seite werden die Pflanzen im geistlichen Sprachgebrauch der Schrift als nicht mehr als le­bende Materie gesehen, während die Tiere in den Schöpfungs­werken Gottes auf einem wesentlich höheren Niveau stehen. Darum wird nicht von den Pflanzen, wohl aber von den Tieren gesagt, daß sie durch Gott erschaffen wurden, und wird von den Pflanzen gesagt, daß sie direkt durch die Erde her­vorgebracht wurden (obwohl natürlich durch die Kraft Gottes), während die Tiere unmittelbar durch Gott gemacht wurden (obwohl in Verbindung mit Wasser und Erde). Der große Unterschied ist, daß die Tiere lebendige S e e 1 e n sind (Vers 20, s. Fußnote Elberfelder Übersetzung), also mit Bewußtsein und Gefühl; damit steht in Verbindung, daß Pflanzen kein Blut besitzen (worin die Seele ist), und die Tiere im allgemeinen wohl (vgl. 1. Mose 9, 4; 3. Mose 17, 14; 5. Mose 12, 23). Ein zweiter großer Unterschied ist der, daß die Tiere keine feste Verbindung mit dem Erdboden haben, während die Pflanzen zu einem großen Teil (den Wurzeln) in der Erde stecken und daraus für ihre Ernährung direkt Mineralstoffe aufnehmen. (Natürlich müssen wir in all diesen Überlegungen die niedrigsten Pflanzen und Tiere außer Betracht lassen, die für den Menschen wenig Bedeutung haben und außerhalb des Gesichtskreises des normalen Betrachters und somit meist auch der Schrift liegen.)

Das Verb "hervorsprossen" (Vers 11) ist für dieses beson­dere, einmalige Geschehen am dritten Tag speziell reserviert; das Wort kommt sonst im Alten Testament nicht vor, außer in einer anderen Form in Joel 2, 22 (s. engl. Übers. JND), und zwar in Verbindung mit der Erneuerung der Schöpfung im Friedensreich. Dieses Hervorsprossen ist in der Tat einzig­artig; normalerweise sprießen die Pflanzen zwar aus der Erde, aber dann aus Samen, die in den Erdboden gefallen sind. Hier sproßt die Erde durch die Schöpferkraft Gottes selbst aus. In Vers 12 steht ein anderes Verb: Die Erde brachte hervor. Das ist nicht eine einmalige, sondern eine fortdauernde Sache (vgl. Jes 61, 11; Hag 1, 11). Denn obwohl die Pflanzen ab dem fünften Tag aus Samen sprießen, müssen diese Samen immer erst in die Erde fallen. "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht" (Joh 12, 24). Was muß die Erde "her­vorsprossen lassen"? An erster Stelle "Hervorgesproßtes"! Auch hier eine Übereinstimmung mit dem fünften Tag: "Es wimmeln die Wasser vom Gewimmel lebendiger Wesen". Diese Verwandtschaft von Verb und Substantiv weist auf den bezeichnenden Zusammenhang hin zwischen dem, was her­vorbringt, und dem Hervorgebrachten. So auch in den fol­genden Pflanzengruppen: "samensäendes Kraut" (s. Fußnote 3 auf Seite 96) und "Fruchtbäume, die Frucht tragen". Dieser Gedanke der Übereinstimmung zwischen dem Organismus und seinem Samen wird uns von Nutzen sein, wenn wir spä­ter auf den wichtigen Ausdruck "nach seiner Art" zu sprechen kommen. Ich hoffe dem eine besondere Betrachtung zu widmen und damit einen Überblick über Inhalt, Charakter, Einfluß und Verwerflichkeit der Evolutionslehre zu verbinden.

Welche Pflanzengruppen werden nun hier in Vers 11 und 12 genannt? Es ist klar, daß wir hier keine wissenschaftliche Ein­teilung des Pflanzenreiches erwarten dürfen. Die große Gruppe der niederen Pflanzen fehlt hier völlig; nur die Pflanzen wer­den genannt, die für Mensch und Tier lebenswichtig sind, und sie werden nach der verschiedenen Bedeutung, die sie für sie haben, eingeteilt. Das ist deutlich aus den Versen 29 und 30 zu ersehen: Dem Menschen gibt Gott das samenbringende Kraut und die Bäume, an denen samenbringende Baumfrucht ist, während Er den Tieren und den Vögeln das grüne Kraut zu­teilt. Es besteht dazwischen ja ein bemerkenswerter Unter­schied. Bei der Nahrung für die Tiere (Gras und grünes Kraut) wird nie von Samen gesprochen, wohl aber bei der Nahrung für den Menschen (samenbringende Baumfrucht und samen­bringendes Kraut). Der Same und die Frucht sprechen ja von neuem Leben, von Auferstehungsleben (s. Jes 53, 10; Ps 126, 5. 6; Joh 12, 24; 1. Kor 15, 35‑38); für Adam sprach es von ewigem Fortleben im Garten, wenn er gehorsam blieb (vgl. 2, 16. 17; 3, 22). Darum ist es bemerkenswert, daß nach dem Sündenfall nicht mehr von Samen gesprochen wird (3, 17‑19; 9, 3).

Die erste Gruppe ist also das "Hervorgesproßte". Was das bedeutet, ist aus verschiedenen Stellen ersichtlich. Psalm 23, 2 spricht von "Auen von Hervorgesproßtem", und auf einer Aue wächst grünes Gras (daher "grüne Auen"). Es ist das Grün, das gefressen wird vom Wildesel (Hiob 6, 5) und von der Hindin (Jer 14, 5), und das nach dem Regen aus der Erde sproßt (2. Sam 23, 4). Diese letzte Stelle deutet auch an' daß es sich vor allem um das junge, frischgrüne Gras handelt (vgl. auch Hiob 38, 27; Spr 27, 25). Es ist hier also nicht das ge­wöhnliche Wort für "Gras", das mehr den Beigeschmack der Vergänglichkeit hat (Ps 90, 5; 103, 15; 129, 6; Jes 40, 6). Die zweite Gruppe umfaßt das "Kraut, das Samen hervor­bringt" (wörtlich: "samensäendes Kraut"), manchmal auch das grüne Kraut genannt (1, 30; 9, 3), das Kraut des Feldes (2, 5; 3, 18), das Kraut des Landes (2. Mo 10, 12. 15) oder das Kraut der Erde (Hiob 5, 25). Für das Wachstum ist es abhängig vom Tau oder vom Regen (2, 5; 5. Mo 32, 2; Spr 19, 12; Jes 55, 10; Mi 5, 6), sonst verdorrt es (Ps 102, 4. 11; Jes 42, 15; Jer 12, 4; 14, 6). Im Gegensatz zum Gras ist das "Kraut" dem Menschen gegeben: "Er läßt Gras hervorsprossen für das Vieh, und Kraut zum Dienste der Menschen: um Brot hervorzubringen aus der Erde" (Ps 104, 14; vgl. Jes 55, 10). Dazu wird das Kraut durch den Menschen eingesammelt (Spr 27, 25 b).

Manchmal wird das Kraut auch als Nahrung für die Tiere genannt (5. Mo 11, 15; Ps 105, 35; 106, 20 [wörtl. "Kraut"]; Jer 14, 6), aber dann nur das Grüne (Blatt) davon (Vers 30; vgl. 2. Mo 10, 15), während für den Menschen der Nachdruck auf dem Samen liegt, vor allem dem Getreide. Das "Kraut" umfaßt also die Kräuter, Gemüse und Getreide, die sich für den normalen Betrachter durch deutliche Samen vermehren, im Gegensatz zum "Hervorgesproigten", das entweder das junge Grün ist, das noch keine Samen bildet, oder das Gras, das ganz kleine, unscheinbare Samen produziert. Was "saend" in dem Ausdruck "samensäend‑ bedeutet, geht aus der einzigen Bibelstelle hervor, an der diese Verbform im Alten Testament noch vorkommt, nämlich 3. Mose 12, 2, das "Samen geben" einer Frau (m. E. nicht "Samen empfangen", wie in einigen Übersetzungen, z. B. auch der Elberfelder): das Hervorbringen von Samen als Endresultat eines Wachstumsprozesses.

Davon unterscheidet sich das Gewächs der dritten Gruppe: die Bäume. Für das Kraut ist die Samenbildung das Endziel­nachdem der Samen gebildet und ausgestreut ist, stirbt das Kraut häufig ab, und aus dem Samen entstehen neue Kräuter. Der Baum bildet zwar auch Samen, aber da ist der Samen verborgen in der Frucht, die der Hauptzweck ist. Derselbe Baum liefert (wörtlich "macht") Jahr um Jahr seine Frucht zur Nahrung des Menschen und vermehrt sich durch die Samen, die sich darin befinden. "Die Bäume des Feldes sind für den Menschen", das sind die Bäume "zur Speise" (5. Mo 20, 19. 20; 3. Mo 19, 23; Neh 9, 25; Hes 47, 12), die "guten Bäume" (2. Kön 3, 19. 25). Auch der Ausdruck "Fruchtbäume" ist eigentlich, genau wie "Hervorgesproßtes" und "säen", ein­zigartig in diesem Vers; wir finden ihn nur noch zweimal, und zwar in beschaulicher Sprache (Ps 148, 9; Pred 2, 5). Das Wort für "Bäume" wird im Alten Testament viel häufiger durch "Holz" übersetzt (z. B. 1. Mo 22, 3‑9), und das zeigt uns die treffende Bedeutung, die das Wort "Fruchtbäume" im Schöp­fungsbericht hat. Das Kraut ist biegsam, weich, saftig, aber das Holz ist hart, trocken, scheinbar leblos; und gerade das trok­kene Holz ist imstande, die herrlichsten Früchte zu "machen". Gott "machte" einmal die Tiere und gab ihnen die Fähigkeit, Nachkommen hervorzubringen, die ihnen genau gleichen; aber es steht nicht da, daß Er die Pflanzen "machte". Statt dessen gab Er den Fruchtbäumen selbst die Fähigkeit, immer aufs neue Früchte zu "machen‑, die gerade dem trockenen, harten Holz, aus dem sie hervorkommen (vgl. auch 4. Mo 17, 8; jes 11, 1), in nichts gleichen. Übrigens ist damit auch die alte Frage entschieden, was eher da war, die Eiche oder die Eichel.

Der vierte Tag

"Und Gott sprach: Es werden Lichter') an der Ausdehnung des Himmels, um den Tag von der Nacht zu scheiden, und sie seien zu Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten und Tagen und Jahren; und sie seien zu Lichtern') an der Ausdehnung des Himmels, um auf die Erde zu leuchten! Und es ward also. Und Gott machte die zwei großen Lichter'): das große Licht') zur Beherrschung des Tages, und das kleine Licht') zur Beherr­schung der Nacht, und die Sterne. Und Gott setzte2) sie an die Ausdehnung des Himmels, um auf die Erde zu leuchten, und um zu herrschen am Tage und in der Nacht und das Licht von der Finsternis zu scheiden. Und Gott sah, daß es gut war. Und es ward Abend und es ward Morgen: vierter Tag."

(l. Mo 1, 14‑19)

Nach einem neuen Abend und Morgen ein neuer Tag und zugleich ein neuer Zyklus von drei Tagen, der dem ersten sehr ähnlich ist. Jeder Zyklus besteht aus drei Elementen: (1) Licht, (2) Wasser (und Himmel), und (3) Erde. Am ersten Tag das Licht, am vierten die Lichtträger. Am zweiten Tag die Scheidung der Wasser mit dem Himmel dazwischen, am fünften Tag die Tiere, die in dem Wasser und der Ausdehnung leben. Am dritten Tag das Trockene (die Erde), am sechsten Tag die Tiere und der Mensch, die aus der Erde hervorkom­men und auf ihr leben. übrigens steht der vierte Tag nicht nur in Verbindung mit dem ersten, sondern auch mit dem zweiten Tag: die Lichtträger werden an die Ausdehnung des Himmels gesetzt. Durch seinen Geist sind die Himmel ver­ziert" (Hiob 26, 13, siehe engl. Übers. JND). Diese drei Tage

1) Eigentlich: "Lichtträger"

1) Wörtlich: "gab" (s. Fußnote engl. Übers. JND)

(der erste, der zweite und der vierte Tag) beginnen alle mit: "Es werde". Alle drei tragen auch den Stempel der Zahl fünf: am ersten Tag fünfmal Licht, am zweiten Tag fünfmal Aus­dehnung, am vierten Tag fünfmal Lichtträger und fünfmal Tag. Nur an diesen drei Tagen ist die Rede von "scheiden zwischen", und zwar insgesamt auch fünfmal. Nur an diesen Tagen spricht Gott nur einmal, und es ist keine Rede von lebenden Organismen. Man beachte auch, daß l+2+4 = 7, und 3+5+6 = 14. DieseVollkommenheit entsteht nur, wenn wir die Tage so anordnen.

Wenn der vierte Tag so mit dem ersten und zweiten Tag verbunden ist, könnte man sich fragen, warum dieser Tag denn nicht direkt auf den zweiten folgte, um so mehr, als für das Pflanzenwachstum doch Sonnenlicht nötig war. Aber dies letztere trifft nicht zu. Die Pflanzen hatten das Licht des ersten Tages und waren außerdem von dem vierten Tag nur durch eine Nacht 'getrennt. Übrigens wird unter den Funk­tionen der Himmelslichter die für das Pflanzenwachstum überhaupt nicht genannt. Aber mehr noch: erst mußten die großen Lebensräume bereitet werden: Himmel, Meer und Erde, ehe die Bewohner erschienen. Die Himmelskörper sind ja "Bewohner" des Himmelsraumes. Zwar müssen sie schon im Anfang geschaffen worden sein (Vers 16 sagt "Gott machte", nicht "schuf"; vergleiche auch die Reihenfolge in Ps 33, 6‑9), aber sie sind das letzte Teilstück der materiellen Welt, das für den Menschen bereitet wird (vielleicht ähnlich wie auch heute wohl plötzlich aufleuchtende und erlöschende Sterne wahr­genommen werden), kurz bevor Geschöpfe erscheinen, die das Licht sehen können. Diese Tatsache zeigt, wie unrichtig der Gedanke ist, daß wir den Himmelskörpern eine besondere Verehrung entgegenbringen müßten oder auch nur dürften, wie die Heiden es tun (s. 5. Mo 4, 19; 17, 3). Im Gegenteil, sie sind nur Geschöpfe Gottes, als letzte der materiellen Welt bereitet. Zwar "herrschen" sie über den Tag und die Nacht (Verse 16 und 18), aber sie sind nur "Herrscher von Gottes Gnaden", so unbedeutend im Vergleich zu ihrem Schöpfer, daß ihre Namen (Sonne, Mond) hier nicht einmal genannt werden. Ihre ganze Herrschaft haben sie von Gott empfangen; nirgends wird die Funktion des Geschaffenen so ausführlich umschrieben wie hier: elfmal wird die Vorsilbe le‑ Gzu", "um zul genannt. Es sind auch keine "Lichter" in sich selbst; wir finden hier ein anderes Wort als in den Versen 3‑5, das "Ort" oder "Träger des Lichts" bedeutet. Es wird daher außer für die Himmelslichter (Ps 74, 16; Hes 32, 8) auch für den Leuchter in der Stiftshütte gebraucht (2. Mo 25, 6; 27, 20 usw.) und im übertragenen Sinne für das Licht des Angesichts Gottes (Ps 90, 8) und das Licht (oder das Leuchten) der Augen (Spr 15, 30).

Wie sehr die Himmelslichter Gott unterworfen sind, sagt Gott selbst in Jes 40, 26: "Hebet zur Höhe eure Augen empor und sehet: Wer hat diese da geschaffen? Er, der ihr Heer herausführt nach der Zahl, ruft sie alle mit Namen: wegen der Größe seiner Macht und der Stärke seiner Kraft bleibt keines aus". Wie töricht ist es dann, das Geschöpf anzubeten! Das Heer des Himmels selbst betet ja Gott an (Neh 9, 6). Sie wollen keine Ehre für sich selbst, sondern sie zeugen von der Größe des Schöpfers (Ps 19, 1‑6) und von seiner Treue (Ps 89, 36. 37). Sie tun nur, was Gott ihnen geboten hat (Jes 45, 12). Es mag vielleicht dumm und beschränkt erschei­nen, daß hier steht, die Himmelslichter seien an die Aus­dehnung des Himmels gesetzt, aber in Wirklichkeit ist der, der darüber stolpert, dumm und beschränkt. Erstens wird hier ja alles von dem irdischen Betrachter aus gesehen, und dann stehen die Himmelslichter tatsächlich am Firmament. Aber es gibt einen noch gewichtigeren Grund: in 1. Mose 1 ist alles für den Menschen geschaffen; die Himmelslichter mögen wer weiß was für Funktionen haben (z. B. für das Pflanzenwachstum), aber 1. Mose 1 nennt lediglich die, die direkt für den Men­schen von Bedeutung sind. Nun, alle diese Funktionen üben sie ausschließlich in der Atmosphäre aus (das sind die "Gesetze des Himmels"; vgl. Hiob 38, 33); außerhalb davon gibt es nicht Tag und Nacht, Jahreszeiten und Jahre, wie wir sie kennen. Die Himmelslichter mögen weit und breit ihr Licht aussenden, sie sind gemacht, um auf die Erde zu leuchten (Verse 15. 17).

Dieses Leuchten ist ihre allgemeine Aufgabe. Daran haben die Sterne den weitaus geringsten Anteil; daher kommt es, daß sie nur beiläufig am Schluß von Vers 16 genannt werden. Von der Erde aus gesehen sind sie im Verhältnis zu Sonne und Mond die kleinen Lichter; wenn sie schon "herrschen", dann nur in Verbindung mit dem Mond (Ps 136, 9). Die Sonne und der Mond sind die beiden großen Lichter (Vers 16; Psalm 136, 7), aber auch unter ihnen gibt es eine Rangordnung: von diesen beiden großen Lichtern ist die Sonne das große und der Mond das kleine Licht.

Sie haben drei Aufgaben: "Es werden Lichter, um und sie seien zu und sie seien zu ... (Verse 14. 15). Das Dritte (Leuchten auf die Erde) ist ihre allgemeine Aufgabe. Die erste Aufgabe macht ihren Unterschied deutlich: es muß eine Scheidung sein zwischen Tag und Nacht, und dies wird realisiert dadurch, daß die Sonne herrscht über den Tag (oder: tagsüber) und der Mond über die Nacht (oder: nachts). Der zweite Auftrag umfaßt die besonderen Aufgaben, die sie gemeinsam ausführen; auch das sind wieder drei, angedeutet durch das Wörtchen "zu". Das letzte ("zu Tagen und Jahren") ist das einfachste: durch den Wechsel von Tag und Nacht ent­steht eine Zeitrechnung, eine Aufeinanderfolge von Tagen, die sich zu Jahren aneinanderreihen (siehe für die Verbindung von Tagen und Jahren z. B. 25, 7; 47, 8. 9. 28; Ps 90, 10). Beides sind also Zeiteinheiten, vor allem für die Lebensdauer des Menschen (5. Mo 32, 7; Hiob 36, 11; Ps 61, 6; 77, 5; Spr 3, 2; 9, 11; Mal 3, 4 usw.). Die "(bestimmten) Zeiten" sind die regelmäßig wiederkehrenden Perioden des Jahres: für den Vogelzug (Jer 8, 7), für die Ernte (Hos 2, 9), für die Jah­resfeste (2. Mo 13, 10; 23, 15; 34, 18; 3. Mo 23, 2. 4; 4. Mo 9, 2. 3. 7. 13), manchmal für ein ganzes Jahr (5. Mo 31, 10; Dan 12, 7). Sie umfassen die Feste, die Neumonde und die Sabbathe (Hos 2, 11). Für "Monde" siehe auch Psalm 104, 19. Ferner dienen die Himmelslichter als "Zeichen"; das sind die "Zeichen des Himmels", die den Menschen oft erschrecken (Ps 65, 8; Jer 10, 2), die Wetteranzeichen (Mt 16, 1‑4). Aber sie sind auch Zeichen der Größe Gottes als Schöpfer (Ps 19, 1‑6; Röm 1, 20), Seiner Verheißungen (l. Mo 15, 5; Ps 89, 36. 37), Seiner Wahrheit (2. Kön 20, 8. 9) und vor allem Seiner Ge­richte (Joel 2, 30‑31; Mt 24, 3. 29. 30; Lk 21, 11. 25).

Gott machte die zwei großen Lichter (vgl. Ps 136, 7); zum zweitenmal ist die Rede davon, daß Er "machte" (vgl. Verse 7. 25. 26. 31). Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß dieses "machen" vermuten läßt, daß die Himmelslichter schon vorher geschaffen waren (nämlich in Vers 1), aber erst hier werden sie als solche in ihre Funktion für die Erde ein­gesetzt. Es steht hier dann auch immer dabei, daß die Lichter zu etwas gemacht werden: "Sie seien zu... ", "und Gott machte ... zu", "und Gott gab sie, um. . .". Schön ist übrigens, daß auf das "Gott machte" in Vers 17 folgt "Gott gab" (siehe Fußnote engl. Obers. JND), wie es in 1. Mose 18, 8 auch wörtlich von Abraham gesagt wird: "Das Kalb, das er gemacht hatte, gab er vor ihrem Angesicht". Nachdem Gott die Him­melslichter für ihre Aufgabe zubereitet hatte, setzte Er sie jedes an seinen eigenen Platz und in seine eigene Bahn im Himmelsraum. Danach wiederholen die Verse 17 und 18 noch einmal die Aufgaben der Himmelslichter, um anzudeuten, daß alles genau so war, wie Gott es gemacht hatte. Diese Aufgaben werden in umgekehrter Reihenfolge wiederholt: Der Schluß von Vers 17 stimmt mit Vers 15 überein; dann folgt das Herr­schen bei Tag und Nacht, was zurückweist auf die Zeitrech­nung in Vers 14b (man beachte den Unterschied zwischen "Beherrschung des Tages" und "herrschen am Tage"); und zum Schluß das "Scheiden", in Vers 14 zwischen Tag und Nacht, hier zwischen Licht und Finsternis. Interessant ist die Übereinstimmung mit den Versen 4 und 5. Dort schied Gott selbst, aber jetzt übernehmen die Himmelslichter diese Auf­gabe. Der Abend, der auf diesen vierten Tag folgt, wird zum erstenmal durch den Untergang der Sonne verursacht.

Der fünfte Tag

"Und Gott sprach: Es wimmeln die Wasser vom Gewimmel lebendiger Wesen*), und Gevögel fliege über der Erde an­ gesichts der Ausdehnung des Himmels! Und Gott schuf die großen Seeungeheuer und jedes sich regende, lebendige Wesen, wovon die Wasser wimmeln, nach ihrer Art, und alles geflü­gelte Gevögel nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Wasser in den Meeren, und das Gevögel mehre sich auf der Erde! Und es ward Abend und es ward Morgen: fünfter Tag". (l. Mose 1, 20‑23)

Ein neuer Abend und Morgen, ein neuer Tag! Ein ganz besonderer Tag, denn jetzt ist der ganze Schauplatz der Welt bereit, um seine ersten beseelten Bewohner zu empfangen. Wasser (Meere) sind da, ein Luftraum ist da, eine Erde ist da, die Nahrung hervorbringt, Himmelslichter sind da, die für das Pflanzenwachstum unentbehrlich sind und die Erde erwär­men und erhellen für die nun kommenden Weltbewohner, die Augen haben.

Zuerst sind die Wassertiere und das Gevögel an der Reihe, ehe die Erdbewohner erscheinen, und zwar aus zwei Grün­den. Erstens weil sie am weitesten vom Menschen entfernt sind; an den sechs Tagen arbeitet alles allmählich auf den Menschen hin, so daß zuerst die ihm am wenigsten vertrauten Tiere geschaffen werden. Die Wohnstätte des Menschen ist die Erde (Ps 115, 16); das Wasser und die Luft sind für ihn fremde Wohngebiete (das Wasser am meisten, daher wird es zuerst genannt).

) Eigentlich: Jebendiger Seele" (Singular), s. Fußnote franz. Ubers. JND

Zweitens wird durch diese Reihenfolge ‑ erst Wasser‑ und Lufttiere, dann Landtiere ‑ die Parallele zum zweiten und dritten Tag aufrechterhalten. Gott bereitet zuerst die Ausdeh­nung und die Wasser unter‑ und oberhalb der Ausdehnung, und danach erst am dritten Tag das Trockene. Deshalb werden erst die Bewohner von Wasser und Luft geschaffen, danach die des Trockenen.

Gott beginnt mit einem allgemeinen Befehl: die Wasser sollen wimmeln vom Gewimmel lebendiger Wesen, ohne daß nähere Einzelheiten angegeben werden. Die folgen erst bei der Ausführung des Werkes in Vers 21. So sahen wir es auch bei den Himmelslichtern (vgl. Vers 14 mit Vers 16). Wie bei den Lichtern, so auch bei den Wasserbewohnem eine Unterteilung in groß und klein. Die Art des Befehls ist hier ganz anders als in Vers 11. Dort lesen wir, daß die Erde selbst Hervorspros­sendes hervorsprossen (lassen) sollte. Hier in Vers 20 haben wir auch so ein Wortspiel; aber es steht nicht da, daß die Wasser Leben hervorbringen sollen. Sie sollen wimmeln v o m Gewimmel, das Gott selbst darin schafft. Pflanzen sind le­bende Organismen, aber keine beseelten Wesen. Sie sind stärker mit der Erde verbunden. Aber das Erscheinen leben­diger Wesen ("lebendiger Seele", s. Fußnote franz. Übers. JND) erfordert eine besondere Schöpfung, denn hiermit hält eine ganz neue Art von Leben ihren Einzug. Daher begegnen wir in Vers 21 zum zweitenmal in diesem Kapitel dem Wort "(er)schaffen". Und daher fehlen hier auch im Anschluß an den Befehl Gottes die Worte "Und es ward also". Die Verse 20 und 21 wollen also bestin‑unt nicht sagen,*daß die Wasser die lebendige Seele hervorgebracht haben, wie u. a. Calvin schreibt und wie auch die Septuaginta und die Vulgata nahe­legen. Für das Gevögel ist es ohnehin schon klar, daß es nicht durch das Wasser hervorgebracht worden ist, denn von ihm lesen wir ausdrüMdi in 1. Mose 2, 19, daß es aus dem Erd­boden gebildet wurde.

Der Ausdruck Jebendige Seele" ist ein Sammelwort für die lebendigen Wesen, also für die lebendigen Organismen, die Bewußtsein und Gefühle besitzen. Das ist der Inhalt des Be­griffs "Seele" (nefesch): der Sitz des natürlichen Lebens, des Gefühlslebens, der Persönlichkeit. Als solcher kann er als etwas gebraucht werden, das Mensch und Tier besitzen: Der Mensch h a t eine Seele, d. i. sein natürliches Leben (vgl. Vers 30) mit den Lebensbedürfnissen (wie Hunger und Durst). Darum bedeutet nefesch auch "Hauch‑ (Hiob 41, 12), und darum wird das Blut (das das Tier auch von der Pflanze unter­scheidet) der Sitz der Seele genannt (l. Mo 9, 4. 5; 3. Mo 17, 11; 5. Mo 12, 23). Alles das sind wichtige Unterschiede zu den Pflanzen. Wenn jemand stirbt, haucht er seine Seele aus (Jer 15, 9; vgl. Klgl 2, 12; Ps 141, 8; Jes 53, 12; 1. Mo 35, 18 usw.). Die Seele ist auch der Sitz der Gefühle (das "Gemüt"), wie Liebe (l. Mose 34, 3), Verlangen (Ps 42, 3), Freude (Ps 86, 4), Begierde nach Fleisch (5. Mo 12, 20. 21), nach Rache (Ps 41, 2), nach Gewalt (Spr 13, 2, s. Fußnote Elberfelder Obers.), und Traurigkeit (Hiob 19, 2). Zugleich ist die Seele der Sitz der Persönlichkeit, und darum wird auch häufig ge­sagt: "Der Mensch i s t eine lebendige Seele" (vgl. 2, 7), wie auch hier von den Tieren gesagt wird, daß sie lebendige Seelen sind. So ist mit Jede Seele" gemeint, "alles was lebt" (Jos 10, 28‑37), und so bedeutet "eine Seele" häufig Jemand" (3. Mo 4, 2), und "meine Seele sagt" bedeutet "ich sage" (siehe Ps 3, 3; 7, 2; 11, 1 usw.). Auch von Gott wird gesagt, daß Er eine Seele hat (Ri 10, 16; 3. Mo 26, 11). Wir müssen also sehen, daß sowohl Mensch als Tier eine Seele haben, beide haben Bewußtsein und Gefühle. Aber es besteht ein großer Unterschied. Das Tier ist eine lebendige Seele geworden auf das Machtwort Gottes hin, aber der Mensch wurde eine leben­dige Seele dadurch, daß Gott den Lebpnsodem in seine Nase blies. Darum ist die Seele des Menschen unsterblich (vgl. Mt 10, 28; Offb, 6, 9) und die des Tieres nicht.

Die Tiere sind nicht nur Jebendige Seele", sondern ein "Gewimmel lebendiger Seele". Sie sind nicht starr und un­beweglich wie die Pflanzen (die ein statisches, passives Leben besitzen), sondern sie haben ein dynamisches, aktives Leben, das sich darin äußert, daß sie wimmeln und sich regen. Ver­gleiche 1. Mose 7, 21; 8, 17; 9, 7; 2. Mose 1, 7; 8, 3; 3. Mose 11, 10. 29. 41‑46; Hesekiel 47, 9. Das hebräische Wort schließt also den Gedanken von Bewegung und auch von Menge in sich; unser Wort wimmeln" gibt das'sehr gut wieder.

Der zweite Befehl Gottes ist, daß Gevögel über der Erde fliegen soll angesichts der Ausdehnung des Himmels. So wie Gott den Wassertieren ihren Platz in den Wassern anweist und dazu sagt, daß sie da "wirruneln" sollen, so weist Gott nun den geflügelten Tieren (nicht nur den Vögeln) den Platz zwischen der Erde und den Grenzen der Ausdehnung (den Luftraum) zu und verleiht ihnen dabei die Fähigkeit des Fliegens (dies scheint die besondere Verbform hier auszu­drücken). Neben den Wassern werden in diesem Vers also auch Erde und Himmel genannt, die drei großen Räume des zweiten und dritten Tages. Das Hebräische hat kein Wort für Luftraum und muß daher hier die beiden Grenzen des Lebens­gebietes des Gevögels nennen. Es fliegt oberhalb der Erde (es sind also keine echten Erdbewohner, wie die des sechsten Tages) und "angesichts" der Ausdehnung, d. h. die Aus­dehnung (vom Menschen gesehen eine Kuppel über der Erde) ist die Grenze seines Lebensgebietes.

Wie bereits gesagt, haben wir bei dem "Gevögel" sicher nicht an die Vögel allein zu denken. Eigentlich ist es "Geflü­geltes", so daß wir hier wieder ein solches Wortspiel haben ("das Geflügelte fliege") wie in "Hervorsprossendes hervor­sprossen" und "wimmeln vom Gewimmel". Wir müssen hier also an alle Tiere denken, die fliegen können, also auch an die Insekten. Das wird bestätigt durch den Ausdruck "geflü­geltes Gevögel" in Vers 21 (und auch in Ps 78, 27), d. h. Tiere, die fliegen können und dazu Flügel haben. Daß zu diesen Fliegern auch die Insekten gehören, lehren 3. Mose 11, 20 und 5. Mose 14, 19, wo von "geflügeltem Gewürm, das auf Vieren geht" die Rede ist. Da geht es vor allem um Heu­schrecken, die sich auf den vier hintersten von ihren sechs Füßen fortzubewegen scheinen. Auch die Fledermaus gehört zu den geflügelten Fliegern (3. Mose 11, 19). Wir können so­gar an die "vorgeschichtlichen" Flieger unter den Reptilien denken, die dann in der Sintflut umgekommen sein sollen.

Einen Hinweis auf diese vorgeschichtlichen Reptilien könn­ten wir auch in der Beschreibung der Wassertiere in Vers 21 suchen, die mit den "großen Seeungeheuern" (tanninim) be­ginnt. Ein tannin ist hier also ein Riesentier, das sich in Flüssen oder Meeren aufhält (vgl. Ps 148, 7). Wir können dabei an Walfische denken, an Haie und ähnliches, aber daran nicht allein. In 2. Mose 7, 9. 10. 12 muß tannin offenbar durch Schlange übersetzt werden, wie sich aus dem Synonym in Vers 15 und Kapitel 4, 3 ergibt; so auch in Psalm 91, 13, während in 5. Mose 32, 33 wohl Schlangengift gemeint ist. In jeremia 51, 34 hat man "Ungeheuer" übersetzt, ebenso in Hiob 7, 12. Sehr interessant ist, daß das Wort häufig ver­bunden wird mit Seeungeheuern wie Rahab in jesaja 51, 9 (vgl. Hiob 9, 13; 26, 12; Ps 89, 10) und dem Leviathan in Psalm 74, 13. 14 und jesaja 27, 1 (vgl. Hiob 3, 8; Ps 104, 26; in Hiob 40, 20 ist wahrscheinlich das Krokodil gemeint). Rahab ist manchmal eine Bezeichnung für Ägypten (Ps 87, 4; jes 30, 7 s. Fußnote Elberfelder Übers.; 51, 9), das wegen seiner Flüsse auch ein tannin genannt wird (Hes 29, 3; 32, 2). Diese Seeungeheuer können Personifizierungen der unruhigen, brül­lenden Wasser sein, aber einige haben die interessante Ver­mutung geäußert, daß es Erinnerungen sind (wie es in den Legenden vieler Völker der Fall ist; denken wir nur an unsere Drachen‑Geschichten) an die Riesenreptilien, die der Mensch bis zur Sintflut (und später?) auf der Erde erlebt hat. Ich habe bereits ausgeführt, daß viel dafür spricht, daß das in der Tat der Fall gewesen ist.

Neben den großen Seeungeheuern unterscheidet Vers 21 klei­nere Wassertiere, die "sich regen" (vgl. 3. Mose 11, 46). Dies ist ein allgemeines Verb der Bewegung, das sich hier auf schwimmen, schweben oder treiben im Wasser bezieht (vgl. Psalm 69, 34; 104, 25). Diese Gruppe umfaßt also vor allem die Fische (vgl. Verse 26 und 28) und auch die meisten wirbel­losen Tiere. Das Wort "sich regen" wird meistens für Land­tiere gebraucht (siehe bei Vers 24) und wird dann gewöhnlich als "kriechen" aufgefaßt. Dem Ausdruck nach seiner Art" möchte ich später, wie bereits gesagt, eine besondere Betrach­tung widmen. Der Vers endet mit dem üblichen "Gott sah, daß es gut war".

Dann folgt Vers 22 mit dem Segen Gottes, indem Er den Tieren gebietet, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Sein Segen schließt hier also ein, daß Er, während Er diesen Befehl gibt, den Tieren zugleich die Kraft und die Fähigkeit schenkt, diesem Befehl zu entsprechen. Bei den Pflanzen finden wir diesen Segen nicht, weil es da die Erde ist, die die Pflanzen hervorbringt, und weil die Pflanzen sich unbewußt, passiv vermehren. Aber bei den Tieren ist für die Fortpflanzung im allgemeinen die Verbindung eines Männchens und eines Weibchens derselben Art nötig. Auch an den Menschen richtet Gott diesen Befehl, aber ihn spricht Er direkter an: "Gott segnete sie und sprach zu ihnen". Hier ist es weniger direkt: "Gott segnete sie, indem er sprach". Dabei werden die Wasser­tiere noch einigermaßen direkt angesprochen, denn Gott ge­bietet ihnen dreimal, aber Er nennt sie nicht mit Namen. Die Vögel werden wohl genannt, aber Gott spricht nicht zu ihnen, sondern über sie, und der Befehl in bezug auf sie ist im Hebräischen weniger kraftvoll. Dies alles stellt den Unter­schied mit dem Menschen ans Licht. Denn wenn auch die Fort­pflanzung bei den Tieren aktiv und bewußter ist, so geschieht sie doch nur instinktiv und nicht mit Einsicht. Nur der Mensch kann einen Befehl Gottes wirklich anhören, verstehen und mit Einsicht ausführen.

Der Befehl an die Wassertiere ist dreifach. Fruchtbar sein bedeutet Frucht hervorbringen (vgl. Verse 11. 12), also Nach­kommen zur Welt bringen. Sich mehren heißt häufig und viel Nachkommen zur Welt bringen und dafür sorgen, daß nur wenige verlorengehen. Schließlich sollen die Wassertiere sich ausbreiten, so daß all die Wasser und die Meere von ihnen erfüllt werden. Vom Gevögel wird gesagt, daß es sich auf der Erde mehren soll. Obwohl geflügelte Tiere sich im Luftraum bewegen, pflanzen sie sich doch auf der Erde fort. Da bauen die Vögel ihre Nester, legen sie ihre Eier und brüten sie sie aus. Da pflanzen sich auch die Fledermäuse und die Insekten in der Hauptsache fort.

Der sechste Tag

"Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige We­sen') nach ihrer Art: Vieh und Gewürm und Getier der Erde nach seiner Art! Und es ward also. Und Gott machte das Getier der Erde nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art, und alles, was sich auf dem Erdboden regt, nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war.

Und Gott sprach: Lasset uns Menschen') machen in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Ge­würm, das sich auf der Erde regt! Und Gott schuf den Men­schen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn; Mann und Weib') schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie [euch] untertan; und herrschet über die Fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und über alles Getier, das sich auf der Erde regt! Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch gegeben alles samenbringende Kraut, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an welchem sa­menbringende Baumfrucht ist: es soll euch zur Speise sein; und allem Getier der Erde und allem Gevögel des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, in welchem eine leben­dige Seele ist, [habe ich] alles grüne Kraut zur Speise [gege­benl. Und es ward also. Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Und es ward Abend, und es ward Morgen: der sechste Tag." (l. Mo 1, 24‑31)

  1. Eigentlich: Jebendige Seele', wie Verse 20 und 21.
  2. Oder: "(den) Menschen"; Adam
  3. Wörtlich: männlich und weiblich"

Wieder wird es Nacht, und wieder geht die Sonne auf, nun am Morgen des sechsten Tages, des letzten eigentlichen Schöp­fungstages. Dieser Tag läuft parallel zum dritten Tag; so ist auch dieser sechste Tag durch ein doppeltes Werk Gottes ge­kennzeichnet. An beiden Tagen werden beide Werke einge­leitet durch MUnd Gott sprach"; nur folgt dies am sechsten Tag noch weitere zwei Male, wenn Gott den geschaffenen Men­schen anspricht. Ferner lesen wir an beiden Tagen zweimal "Und es ward also‑, und zweimal "Gott sah, daß es gut war" (nur beim zweitenmal am sechsten Tag in einer universelleren Form: "Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut").

Ebenso wie am dritten Tag, geht es auch am sechsten Tag um die Erde. Am dritten Tag wurde die Erde aus den Wassern zum Vorschein gebracht, und danach brachte sie auf Gottes Geheiß die Pflanzen hervor. Am sechsten Tag macht Gott zuerst aus der Erde die Landtiere, und danach erschafft Er den Menschen; und 1. Mose 2, 7 lehrt, daß auch der Mensch aus dem Erdboc;en gebildet wurde.

Sowohl am dritten als am sechsten Tag ist von "Hervor­bringen" durch die Erde die Rede. Aber es besteht ein Unter­schied. In Vers 12 kommt dieser Ausdruck in der Ausführung von Gottes Befehl vor, nicht im Befehl selbst (Vers 11). Hier dagegen erscheint der Ausdruck wohl in Gottes Befehl, nicht aber in der Ausführung. Wir lesen nicht, daß die Erde tatsäch­lich die Landtiere hervorbrachte, sondern daß Gott sie selbst machte (Vers 25), und zwar offenbar aus der Erde (2, 19).

Pflanzen sind viel stärker mit der Erde verbunden; sie haben ihre Wurzeln darin, und sie können für ihren Aufbau Mineral­stoffe direkt aus der Erde aufnehmen. Aber die Tiere bewegen sich frei auf der Erde und ernähren sich nicht direkt mit Mine­raistoffen. Darum lesen wir wohl, daß die Erde die Pflanzen hervorbrachte, nicht aber die Tiere; bei diesen steht Gottes eigenes Handeln mehr im Vordergrund. Andererseits lesen wir auch nicht, daß Gott die Landtiere s c h u f , wie es am fünf­ten Tag von den Wassertieren und dem Gevögel geschrieben steht. Da ging es um das Auftreten einer ganz neuen Art von Leben, während am sechsten Tag die Gattung Tier nichts Neues mehr war. Die Landtiere sind ebensosehr Jebendige Seelen" wie die Wassertiere. Und doch gibt es noch einen Un­terschied zwischen der Bildung der Wasser‑ und der Land­tiere. Wir lesen wohl von der Erde, daß sie hervorbringen sollte, nicht aber von den Wassern; sie sollten nur "wimmeln­(Vers 20). Die Verwandtschaft der Tiere mit der Erde, obwohl viel geringer als bei den Pflanzen, ist in der täglichen Erfah­rung doch immer noch deutlicher als eine Verwandtschaft der Tiere mit dem Wasser. Tote Tiere (auch Fische) vergehen zu Staub, nicht zu Wasser.

Um welche Gruppen von Landtieren geht es hier nun? "Lebendige Seele" ist hier die allgemeine Umschreibung von drei Gruppen, die in der Elberfelder Übersetzung mit Vieh, Gewürm (sich Regendes) und Getier der Erde wiedergegeben sind. In Vers 25 werden sie in etwas anderer Reihenfolge noch einmal genannt: das Getier der Erde, das Vieh und alles was sich auf dem Erdboden regt. Die erste Reihenfolge ist mehr die, in der Gott sie in ihrer Beziehung zuund ihrer Be­deutung für den Menschen sieht; da steht das Vieh an erster Stelle. Die Reihenfolge von Vers 25 ist mehr die der eigent­lichen Ausführung, in der nach den Wassertieren und dem Gevögel erst die für den Menschen am wenigsten vertrauten Tiere gemacht werden. Das Wort für "Vieh" (behema) kommt her von einem Verb "stumm sein, verstummen". Es umfaßt die höchsten und mitzlichsten Tierarten, die zugleich jedoch im Verhältnis zum Menschen stumme, unvernünftige Tiere sind (Psalm 73, 22). In seiner weitesten Bedeutung zielt es auf die Tierwelt im allgemeinen, deren König der Löwe ist (Spr 30, 30; vgl. Pred 3, 19. 21; Ps 49, 12). In 3. Mose 11, 2 (s. Fußnote Elberf. übers.) fällt sogar das, was in unserem Vers das "Getier" genannt wird, unter die behema. Im engeren Sinn umfaßt es die Säugetiere, im Gegensatz zu den Vögeln und dem Sich‑Regenden (l. Mose 6, 7; 7, 23; 8, 17; vgl. Hiob 12, 7). Meist bezeichnet das Wort den zahmen Teil dieser Säugetiere, im Gegensatz zu den wilden Tieren, wie in unse­rem Vers (vgl. 2, 20; 3, 14; 7, 14. 21). Manchmal bezieht es sich dabei auf Schafe, Ziegen und Rinder (l. Mose 47, 18; 3. Mose 1, 2), manchmal mehr auf die Zugtiere (Esel, Kamele) im Unterschied zum eigentlichen Vieh (l. Mose 34, 23; 36, 6, siehe Fußnoten Elberfelder Übersetzung); so auch auf Last­tiere (jesaja 46, 1) und Reittiere (Nehemia 2, 12. 14). Mehrmals jedoch bezeichnet behema die wilden Tiere und Überschneidet sich dann mit dem hier genannten "Getier der Erde". Siehe die "behema der Erde" in 5. Mose 28, 26; Jes 18, 6; Jer 15, 3; "des Feldes" in 1. Sam 17, 44; Ps 8, 7; Joel 1, 20; 2, 22; Aes Waldes" in Micha 5, 7; allgemein (,Jwilde] Tiere") in 5. Mose 32, 24; Ps 50, 10; Hab 2, 17. Man nimmt an, daß mit dem behemoth in Hiob 40, 10 ‑ der Form nach der Plural von behema ‑ das Nilpferd gemeint ist.

Wie wir bei Vers 21 sahen, kommt das sich regende Getier sowohl im Wasser als auch auf dem Lande vor. In unserem Vers bedeutet es also das kriechende Getier (so übersetzen die Vulgata und die Septuaginta es auch); das sind die kleinen Tiere, die sich kaum über den Erdboden erheben (Vers 25). Wie die Wasser wimmeln, so wimmelt auch der Erdboden von Sich‑Regendem (vgl. 1. Mose 6, 20; 7, 14; 8, 17; 1. Kön 4, 33; Ps 148, 10; Hes 38, 20; Hos 2, 18). Hier handelt es sich um das kleine Gewürm auf dem Boden und um die größeren Tiere, die zu kriechen scheinen. Manchmal umfaßt dieser Ausdruck alle Tiere, die sich auf dem Erdboden bewegen, sogar die Vögel (l. Mose 7, 21; 8, 19; 9, 3; vgl. 5. Mose 4, 18).

Auch das Wort "Getier" (chajjah) ist ein sehr vielseitiger Ausdruck. Manchmal umfaßt er alle Arten von Tieren, auch das Vieh, die Vögel usw. (l. Mose 8, 17), manchmal sogar im besonderen das Vieh (4. Mose 35, 3), Lasttiere (Jes 46, 1) oder Wassertiere (Ps 104, 25). Aber meistens bezieht sich der Ausdruck im Unterschied zu den Vögeln (3. Mose 11, 27) auf vierfüßige Landtiere, im allgemeinen das Getier der Erde oder des Feldes (z. B. 1. Mo 9, 10; 2, 19. 20). Dabei sind in erster Linie die wilden (nicht zu zähmenden) Tiere gemeint, so daß viele Übersetzungen das Wort "wild" hinzufügen. Als solches steht es dann der behema, dem zahmen Vieh, gegenüber. Siehe z. B. 1. Mose 7, 14. 21; 8, 1; Hiob 37, 8; 1. Sam 17, 46 (vgl. 44). Auch die Schlange gehört zu diesem Getier (l. Mose 3, 1), so laß wir den vorigen Ausdruck "Gewürm" (oder Sich‑Regendes) nicht zu sehr mit den Reptilien verbinden müssen. Siehe andere wilde Tiere in Jes 43, 20; 56, 9; Jer 12, 9; Hos 13, 8; manch­mal sind eindeutig reißende Tiere gemeint (l. Mose 37, 20; 3. Mose 26, 6). Natürlich waren sie in 1. Mose 1 noch nicht reißend, als die Sünde die Schöpfung noch nicht unter den Fluch gebracht hatte. In Vers 30 sehen wir, daß das Getier der Erde ursprünglich nur Pflanzennahrung zu sich nahm (vgl. Jes 11, 6‑8; 65, 25).

Es ist auffallend, daß die Landtiere in Vers 25 nicht, wie die Wassertiere, das Gevögel und später der Mensch, einen Segen von Gott empfangen. Das ist vielleicht verständlich, wenn man überlegt, daß es für den Menschen verhängnisvoll wäre, wenn die Landtiere sich tatsächlich unbeschränkt vermehren und die Erde erfüllen würden. Dieser Auftrag war dem Menschen vor­behalten und konnte nicht zugleich auch den Landtieren gelten. Wassertiere und Vögel können ihre eigenen Lebens­gebiete ruhig erfüllen, sie stehen dem Menschen nicht im Weg. Dieser erste Teil des sechsten Tages endet also lediglich mit der Feststellung, daß Gott sah, daß auch die Tierwelt gut war. Er sah nichts, was von Tod und Verderben sprach, Er sah kein "Ungeziefer", Er sah keine unreinen Tiere. Wie Gott es machte, war alles vollkommen.

Mit diesem Ausdruck ist die Erschaffung des Lebensraumes für den Menschen abgeschlossen. Der Ausdruck kommt daher nicht mehr vor, außer in ganz allgemeinem Sinn in Vers 31. Mit Vers 26 beginnt also etwas ganz Neues: die Krone der Schöpfung erscheint auf dem Schauplatz, er, für den Gott all das Vorhergehende gemacht hatte. Das Besondere dieses Er­eignisses zeigt sich auch in der Tatsache, daß Gott nun in ganz anderer Weise zu sprechen beginnt. Bis jetzt hatte Er ganz allgemein gesagt: "Es werde," oder gewisse Teile der Schöpfung angesprochen: die Wasser, die Erde, aufs neue die Wasser und aufs neue die Erde. Aber jetzt sagt Er: "Lasset u n s Menschen machen". Damit kündigt Er nicht so sehr an, was geschehen soll, sondern wir bekommen mehr einen Ein­blick in Seinen Rat. Wir hören hier etwas von einer Erwägung, einem "zu Rate gehen", wovon bei den vorigen Schöpfungs­werken nicht die Rede ist.

Aber die große Frage, über die zahllose Theologen sich den Kopf zerbrochen haben, ist, mit w e m Gott hier zu Rate geht. Wer sind die "uns", von denen Er spricht? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Gott spricht hier zu anderen, oder Er spricht hier zu Sich selbst. Was die erste Möglichkeit betrifft, so gehe ich natürlich auf die törichte Auffassung nicht ein, wir hätten es hier mit einem Rest von Polytheismus (Viel­götterei) zu tun (Gunkel u. a.). Das steht im Widerspruch zu dem ganzen Kapitel und wird widerlegt durch den Singular von "Gott sprach" und "Gott schuf". Interessant ist jedoch die alte jüdische Theorie, Gott spreche hier zu Seiner himmlischen Hofhaltung, den Engeln (vgl. 1. Kön 22, 19; Jes 6, 8; Hiob 1, 6; 2, 1), weil der Mensch als Geschöpf den Engeln am näch­sten komme. Aber dieser Gedanke ist in Widerspruch mit der großen Tatsache in 1. Mose 1, daß Gott a 11 e i n erschafft; es ist von Engeln überhaupt nicht die Rede, sie liegen ja außer­halb des Lebensbereiches des Menschen. Außerdem folgt "in unserem Bilde", und wenn wir sehen werden, was das bedeu­tet, begreifen wir, daß das sich nur auf Gott beziehen kann. Ferner ist eine Schriftstelle wie Kolosser 1, 15‑17 gerade auch geschrieben, um die gnostische Auffassung zu widerlegen, die Engel seien Instrumente in Gottes Schöpfungswerk gewesen.

Es bleibt also die andere Möglichkeit übrig, daß Gott zu Sich selbst gesprochen hat. Aber wie sollen wir das auffassen? Nicht als einen "Plural der Erhabenheit" (pluralis majestatis), denn den kannten die Israeliten nicht (wohl die Perser, siehe z. B. Esta 4, 18); außerdem wäre dieser Plural dann im Alten Testament regelmäßig für Gott gebraucht worden. Gekün­stelt und ohne deutliche Bestätigung im Alten Testament ist auch die Auffassung, daß das "uns" hier Gott als Sprecher u n d Gott als Angesprochenen umfaßt. M. E. sind erst die Ausleger auf der richtigen Spur, die meinen, hier werde die Mehrzahl gebraucht, weil Gott die Jebendige persönliche Zu­sammenfassung einer Fülle von Kräften und Mächten" ist (pillmann u. a.). Dies kommt auch in der Tatsache zum Aus­druck, daß der Name "Gott" fast immer in der Mehrzahl (Elohim) vorkommt (s. die Auslegung bei Vers 1). Daß Gott wirklich eine solche Fülle von Kräften ist, diese Tatsache be­kommt für uns erst Gehalt durch die volle Offenbarung der Dreieinheit im Neuen Testament. Gott der Vater entwarf den Schöpfungsplan, der Sohn führte ihn aus, und zwar in der Kraft des Heiligen Geistes (s. bei Vers 1). So waren auch alle drei Personen der Gottheit bei der Erschaffung des Menschen beteiligt. Es ist interessant, daß Prediger 12, 1 wörtlich sagt: "Gedenke d e i n e r S c h ö p f e r in den Tagen deiner Ju­gendzeit" (s. Fußnote engl. Übers. JND). Vgl. auch den Plural in 1. Mose 3, 22; 11, 7; Jes 6, 8 und typologisch in Hohe­lied 1, 11.

Im Hebräischen steht wörtlich: "Lasset uns Adam machen". Dieses Wort Adam (das nie im Plural vorkommt) hat ver­schiedene Bedeutungen. Ganz allgemein ist es der Gattungs­name für das menschliche Geschlecht.‑ "der Mensch‑ oder "die Menschheit". Die Pflanzen und die Tiere wurden "nach ihrer Art" geschaffen (siehe später), aber von dem Menschen lesen wir das nicht; die Menschheit umfaßt nur e i n e Art: "Adam" Als Bezeichnung für die Menschheit kann man es oft durch "Menschen" übersetzen; so auch hier am besten, denn es folgt: "und sie sollen herrschen". Daneben kann das Wort (mit Artikel: haädam) den einzelnen Menschen bezeichnen; so sehr häufig den ersten Menschen in 1. Mose 2 und 3. Manchmal steht dabei das Wort deutlich dem Wort "Frau" gegenüber (l. Mo 3, 8; Pred 7, 28) und hat dann also die Bedeutung "Mann". Hat das Wort in 1. Mose 2 u. f. keinen Artikel bei sich (also einfach Adam), dann hat es die Bedeu­tung eines Eigennamens, so zum erstenmal in 1. Mose 2, 20. In 1. Mose 5, 1‑3 finden wir beide Bedeutungen, den Namen für das menschliche Geschlecht u n d den Namen des ersten Mannes, ganz merkwürdig nebeneinander. Wenn das Alte Testament von einzelnen Menschen spricht, finden wir auch sehr häufig den Ausdruck beng‑adam, Menschenkinder. Schließlich kann das Wort Adam adjektivisch gebraucht wer­den (siehe z. B. 2. Sam 7, 14; Hos 11, 4).

Was das Wort Adam ursprünglich bedeutet, kann niemand mit Sicherheit sagen. Die maßgeblichste Auffassung ist, daß es von dem Verb adam herkommt, das "rot sein" bedeutet (Spr 23, 31; Jes 1, 18; Klag 4, 7; Nah 2, 3; und "rotgefärbte Widderfelle" in 2. Mo 25, 5 u. f.) und wovon verschiedene Wörter für "rot" abgeleitet sind, wie Edom (vgl. 1. Mo 25, 30). Diese Auffassung ist schon sehr alt; Flavius Josephus schrieb: "Der Mensch wurde Adam genannt, was im Hebräischen rot bedeutet, weil er aus weicher roter Erde gebildet wurde, denn solcherart ist die wahre und jungfräuliche Erde'. Hier spielt Josephus offenbar auf das hebräische Wort für "Erdboden", adamah an, das auch von "rot" abgeleitet sein soll. Diesem Wort sind wir schon in Vers 25 begegnet. Es bezeichnet die lockere, krümelige Erdoberfläche, wo die Pflanzen wachsen (2, 9) und Ackerbau betrieben wird (2, 5; 3, 17), also Erd­boden" (4, 2. 3), auch "Land" (47, 18‑22), auch als Bau­material. "Erde" (2, 7. 19; 3, 19). Ferner bezeichnet es das Land eines Volkes (2. Mo 20, 12) und manchmal die ganze Erde (l. Mo 12, 3). Man kann "Adam" also auch auffassen als "der Irdische" (vgl. 1. Kor 15, 47‑50). Andere bringen das Wort in Verbindung mit anderen semitischen Wörtern und legen es dann z. B. aus als "der Schöne, Angenehme, Wohl­gestaltete" oder "das soziale Wesen" oder "Vater der Mensch­heit" oder "Lebewesen" oder sehen einen Zusammenhang mit "Blut" (dam), das auch rot ist, usw.

Sodann lesen wir, daß Gott den Menschen "in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis" machen will. Auch dies ist ein schwieriger Ausdruck, über den die Auffassungen weit aus­einandergehen. Wir müssen daher zuerst ansehen, was der Ausdruck n i c h t bedeutet. Erstens'haben "Bild" und "Gleich­nis" nichts mit der Leiblichkeit des Menschen zu tun. In dieser Hinsicht unterscheidet sich ja der Mensch wenig von den höheren Säugetieren; außerdem hat Gott keinen Leib. "Gott ist ein Geist" (Joh 4, 24). Daß von Augen, Mund, Hand, Fin­ger Gottes gesprochen wird, ist reine Bildersprache und soll Gottes Sprechen und Handeln für uns verständlich machen. Engel haben auch keinen Leib (Dan 10, 6 ist visionäre Bilder­sprache). Aber der Mensch mußte einen Körper haben, damit seine Seele und sein Geist sich den anderen stofflichen Ge­schöpfen erkennbar machen könnten. Dieser Leib wird j e t z t vor allem durch die Seele beherrscht (das natürliche Leben) und nach der Auferstehung bei den Gläubigen durch den Geist (l. Kor 15, 44); nicht so bei den Ungläubigen (vgl. Matt 10, 28). Im Geistigen also werden wir "Bild" und "Gleichnis" suchen, müssen, denn dieser Geist kommt von Gott selbst her (l. Mo 2, 7; Pred 12, 7), und außerdem haben die Tiere diesen Geist nicht. In dieser Hinsicht nimmt der Mensch in der Schöp­fung eine einzigartige Stellung ein; selbst von den Engeln le­sen wir nicht, daß sie auf solche Weise den Geist von Gott empfangen hätten. Siehe für den besonderen göttlichen Cha­rakter des Geistes des Menschen: Hiob 32, 8 (vgl. 35, 10. 11), Spr 20, 27; Sach 12, 1; Hebr 12, 9. Durch den Besitz dieses Geistes ist der Mensch unsterblich; nach dem Tod wird die Person ohne den Leib vielfach ein Geist genannt (Hebr 12, 9. 23; 1. Petr 3, 19; vgl. Apg,7, 59; 1. Kor 5, 5).

"Bild" und "Gleichnis" sind also geistig. Aber das zweite Mißverständnis ist, daß beide Wörter etwa dasselbe bedeuten sollen, und auch, daß der Unterschied in den verwendeten Präpositionen (,in und nach") keinerlei Bedeutung habe. Gerade das Neue Testament zeigt die Unrichtigkeit dieser Auf­fassung. Die wichtige Tatsache, daß der Mensch nach dem Sündenfall zwar noch Bild Gottes ist, aber nicht mehr das Gleichnis Gottes trägt, und die Tatsache, daß Christus wohl das Bild Gottes genannt wird, aber absolut nicht "nach dem Gleichnis Gottes" ist (denn Er ist selber Gott), zeigt, daß es um zwei ganz verschiedene Dinge geht (siehe später). Und daß der Unterschied in den Präpositionen durchaus von Belang ist, erhellt aus dem Sprachgebrauch der Schrift, daß der Mensch das Bild Gottes w a r (und i s t) und daß er das Gleichnis Gottes h a t t e. In" hat also den Sinn von "als" (Gott hat den Menschen als Sein Bild auf die Erde gesetzt) und "nach" bedeutet "übereinstimmend, ähnlich" (Gott hat den Menschen so gemacht, daß er Gott glich). Einige wenden ein, daß in 1. Mose 5, 1 und 3 die beiden Präpositionen einfach ver­tauscht sind, und schließen daraus, daß hier also kein Unter­schied in der Bedeutung vorliege. Aber man vergißt, daß es da nicht um Gott geht, sondern um Adams Bild und Gleich­nis; nach dem Sündenfall zeigte der Sohn, der Adam geboren wurde, wohl ein genaues Gleichnis mit seinem jetzt sündigen Vater, aber nur eine schwache Übereinstimmung mit dem Bild, in dem Gott Adam gemacht hatte.

Das Wort für "Bild" (zdem) kann im plastischen Sinne ein Standbild oder Götzenbild bedeuten (4. Mo 33, 52; 2. Kön 11, 18; Hes 7, 20; Amos 5, 26), direkt verwandt mit der Be­deutung "Abbild" (i. Sam 6, 5. 11; Mannsbild in Hes 16, 17) oder einfach "Bild" (Hes 23, 14). Wir müssen das so auf­fassen, daß solch ein Bild oder Bildnis etwas "vorstellte" oder "wiedergab". Dabei geht es nicht darum, ob das Abbild dem Abgebildeten gleicht, es stellt es lediglich vor. Ein Götzen­bild war nicht ein Porträt, das dem Götzen glich, denn der Götze ist ein unsichtbarer Geist, sondern das Bild repräsentiert den Götzen. Das sehen wir deutlich in dem Bild Nebu­kadnezars in Daniel 3, wo wir das verwandte aramäische Wort zel~m finden. Das Bild glich nicht irgendjemandem ‑ das lassen die sonderbaren Abmessungen nicht zu ‑ sondern es repräsentierte etwas Anbetungswürdiges. Seltsam ist Daniel 3, 19, wo wörtlich steht: "das Bild seines Angesichts", d. h. sein Gesichtsausdruck. Ein "Bild" ist also die repräsentierende Darstellung, der Ausdruck von etwas. Wird ein Bild dessen beraubt, wovon es ein Bild ist, so bleibt etwas Wesenloses übrig, ein Schein, ein Schatten; diese Bedeutung hat das Wort in Ps 39, 6 und 73, 20.

Das Wort für "Gleichnis" (demut) kommt von einem Verb her, das "gleich sein", "gleichen" oder "ähneln" bedeutet. Das Wort hat erstens die Bedeutung "Aussehen", "Anblick‑, "Ge­stalt"; so sehr häufig in Hesekiel ‑1 und 10 und in Daniel 10, 6. Es hat dann den Sinn: dies sieht aus wie das, dies hat die Gestalt von dem. Das eine zeigt Übereinstimmungen mit dem anderen, obwohl es nicht dasselbe zu sein braucht. Zweitens bedeutet es "Modell", "Kopie", "Nachahmung" (siehe 2. Kön 16, 10; 2. Chron 4, 3; Hes 23, 15) oder "Vergleich" (Jes 40, 18). Manchmal ist es einfach wiedergegeben durch "gleich" (Ps 58, 4; Jes 13, 8). In unserem Vers bedeutet "nach unserem Gleich­nis" nicht "gleich uns", sondern "uns gleichend". "Bild" spricht also von Repräsentation, "Gleichnis" von Übereinstimmung oder Ähnlichkeit.

Daß der Mensch das Bild Gottes ist, bedeutet also, daß er Gott auf der Erde repräsentiert und vertritt. Die ganze Schöp­fung ist Gott, der im Himmel thront, unterworfen. Aber Gott hat hier auf der Erde einen Statthalter, der Ihn vertritt und die Macht Gottes über die Schöpfung zum Ausdruck bringt. Darum muß man Achtung vor ihm haben (vgl. 1. Mo 9, 6). Dies steht in Zusammenhang mit dem, was Vers 26 weiter sagt, daß der Mensd‑i über alle Tiere herrschen sollte. Psalm 8 ist hiervon eine prächtige Darstellung und damit auch ein Hin­weis auf Christus, der. d a s Bild des unsichtbaren Gottes u n d als Sohn des Menschen Herrscher über die ganze Schöpfung geworden ist. Daneben wird von dem Menschen gesagt, daß er Gott gleicht, d. h. wie wir gesehen haben, in geistigem Sinne. Das bezieht sich nicht nur auf die Tatsache, daß die geistigen Eigenschaften des Menschen (die das Tier nicht besitzt) ein Schatten der Eigenschaften Gottes sind, obwohl das wahr und wichtig ist. Aber es ist mehr. Und um das einzu­sehen, müssen wir bedenken, daß nach dem Sündenfall nie mehr gesagt wird, daß der Mensch "nach Gottes Gleichnis" ist (Jak 3, 9 widerspricht dem nicht, sondern sagt nur, daß der Mensch nach Gottes Gleichnis geschaffen ist). Im Gegen­teil, Seth glich nicht Gott, sondern seinem gefallenen Vater (l. Mo 5, 3). Darum scheint es, daß Adams "Gleichnis Gottes" vor dem Sündenfall vor allem sagen will, daß Adam rein war wie Gott, die Sünde nicht kannte, so wie Gott sie nicht kennt (vgl. 2. Kor 5, 21), und die Möglichkeit zur praktischen Ge­meinschaft mit Gott hatte. Wir dürfen jedoch nicht sagen, daß der unschuldige Adam heilig oder gerecht war. Heilig (d. h. abgesondert) bedeutet nämlich nicht nur rein sein von, sondern auch unangreifbar sein für das Böse; und gerecht sein bedeutet, Gutes und Böses kennen und doch frei sein von dem Bösen; aber Adam kannte das Böse nicht (vgl. 1. Mo 2, 9. 17; 3, 5. 22) und war auch nicht immun dagegen. Diese viel höhere Form von "Gleichnis" ist erst dem neuen Menschen beschieden, der nach Gott (d. h. in Übereinstimmung mit Gott, Gott gleichend) geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4, 24).

Nach dem Sündenfall ist der Mensch wohl noch das Bild Gottes. Wie sehr dieses Bild auch geschändet ist, so behält der Mensch (in allgemeinem Sinne) doch seine Überlegenheit über die Tierwelt und bleibt der Vertreter Gottes (i. Kor 11, 7). Aber auch hier zeigt wieder erst der neue Mensch ein ,naturgetreues" Bild von Dem, Der ihn geschaffen hat, weil er erneuert ist zur vollen Erkenntnis dieses Schöpfers (Kol 3, 10). Dieser Schöpfer ist Gott der Sohn, der Blut und Fleisch angenommen hat und in Seine eigene Schöpfung eingetreten ist. Da mußte Er als Mensch notwendigerweise der Erstge­borene der ganzen Schöpfung sein, denn Er ist der Schöpfer selbst. Aber zugleich war Er als Mensch das Bild des unsicht­baren Gottes (Kol 1, 15. 16; vgl. 2. Kor 4, 4). Er war schon von Ewigkeit her der Logos, das Wort, das bei Gott war, d. i. der einzige wahre und vollkommene Ausdruck davon, wer Gott ist (Joh 1, 1. 2). Aber den Menschen gegenüber offen­barte Er herrlicher und deutlicher denn je, wer Gott war, als Er selbst Mensch geworden war (vgl. Joh 1, 18; 14, 9). Er war als der letzte Adam das wahre Bild Gottes, der vollkommene Ausdruck und Vertreter Gottes. Aber Er konnte das nur voll­kommen sein, weil Er selbst Gott war. Darum fügt Johannes sorgfältig hinzu: "und das Wort war Gott"; Er war "Gott ge­offenbart im Fleisch" (l. Tim 3, 16). Darum sagt der Heilige Geist nie, daß Er "nach Gottes Gleichnis" war; denn wenn Er Gott glich, würde das bedeuten, daß Er nicht selbst Gott war. Aber Er war das Bild Gottes u n d Gott selbst. Das Wort war bei Gott u n d das Wort war Gott.

Es war der Plan Gottes, daß die Menschen (nicht nur "der Mensch‑, denn es galt auch für seine Nachkommen) über die Schöpfung herrschen sollten. Das ist das Ausüben jener Herr­schaft, die befehlen und züchtigen kann und die Arbeit (Last­und Zugtiere) und Ertrag (Vieh, Vögel, Fische) fordern kann. Diese Herrschaft empfing der Mensch tatsächlich, als Gott in Vers 28 den Segen über ihn aussprach. Dieser Segen ist der erste Grund, warum gerade der Mensch der Herrscher über die Erde ist; Gott selbst hat ihn in diese hohe Stellung ein­gesetzt. Zweitens ist auch nur der Mensch zu dieser Stellung befähigt, weil Gott ihm den Lebensodem eingehaucht und ihm damit von Seinem Geist gegeben hat (i. Mo 2, 7; Pred 12, 7). In körperlicher Hinsicht ist der Mensch in vielen Be­reichen den Tieren unterlegen. Er kann lange nicht so gut sehen wie ein Raubvogel (vgl. Hiob 39, 29), er ist bei weitem nicht so stark wie ein Krokodil (Hiob 40, 27), er ist längst nicht so schnell wie ein Strauß (Hiob 39, 18); aber alle diese Unzulänglichkeiten sind in ihm durch die geistige Vernunft reichlich aufgewogen, die ihn allen Tieren überlegen sein läßt.

Diese Überlegenheit zeigt sich in der Tatsache, daß er den Tieren Namen gibt (l. Mo 2, 19. 20; vgl. 1, 5. 8. 10). Obwohl er von der Erde, irdisch ist, ist sein Geist himmlischen Ur­sprungs, und dadurch ist er mit den Himmelslichtern zu ver­gleichen (Vers 16‑18), die auch als Himmelskörper auf ihre Weise über die Erde herrschen. Der dritte Grund, der den Menschen zum Herrscher macht, ist, daß er das Bild Gottes ist. Er ist auf der Erde, sichtbarer Ausdruck und Repräsen­tation der unsichtbaren Macht, die Gott über die Schöpfung hat. Ich habe gesagt, daß dies auch nach dem Sündenfall so geblieben ist; nur ist das Bild seither getrübt, manchmal so sehr, daß Gott da, wo der Mensch seine Macht mißbrauchte, direkt eingegriffen hat. Dies bringt uns zum vierten Grund: der Mensch zeigte ursprünglich "Gleichnis" mit Gott durch seine Reinheit und Unschuld. Von dem Aufrechterhalten die­ses Gleichnisses hing sogar das Los des Lebensbereiches des Menschen ab, so daß nach dem Sündenfall nicht nur der Mensch in diesem Sinne nicht mehr Gott gleicht, sondern überdies die Erde unter den Fluch und unter das Joch der Vergänglichkeit gekommen ist.

Es werden hier fünf Gebiete genannt, über die der Mensch die Herrschaft bekommt: (1.) Die Fische des Meeres, hier wird nicht mehr von den Wassertieren im allgemeinen gesprochen (vgl. Vers 20. 21), sondern speziell von den Tieren, die für den Menschen besondere Bedeutung haben. (2.) Das Gevögel des Himmels; so werden die Vögel hier zum erstenmal genannt; Himmel bedeutet hier Ausdehnung (Vers 8. 20). (3.) Das Vieh (Vers 24). (4.) Die ganze Erde; hier würde man eher erwarten: das Getier der (ganzen) Erde (s. Vers 24), wie die Peschitta (die alte syrische Übersetzung) sagt, aber das ist nicht richtig; das Vieh und das Getier können einander einschließen (siehe oben), daher kann einer der beiden Ausdrücke in der Auf­zählung hier ruhig fehlen (Verse 28. 30). Hier geht es darum, daß auch die Erde selbst dem Menschen unterworfen ist (s. Vers 28!), nicht nur mit den Tieren, sondern auch mit den Pflanzen; deshalb folgen hier Vieh (Viehzucht) und Erde (Ackerbau) aufeinander. (5.) Alles Gewürm, das sich auf der Erde regt; nach dem Meer, dem Himmel, (dem Vieh) und der Erde nun das Gewürm a u f der Erde (s. Vers 24).

Reich und schön ist Vers 27; von vielen Auslegern wird er sogar dichterisch genannt. Zum drittenmal in diesem Kapitel lesen wir, daß Gott (er)schafft; nach der stofflichen Welt und dem beseelten Leben nun das geistige Leben. Dreimal sogar kommt in diesem Vers "(er)schaffen‑ vor, zweimal "Bild", zweimal "Gott". Diese Wiederholungen und die kurzen, unverbundenen Hauptsätze verleihen diesem Vers eine eigenar­tige Geladenheit, die uns empfinden läßt, daß hier der Höhepunkt des Schöpfungsberichts erreicht ist. Erhaben ist dieser Vers, und doch exakt; trotz der Wiederholungen steht kein Wort zuviel darin.

Für die Bereitung des Menschen werden drei Verben gebraucht. Erstens "machen" (Vers 26), der allgemeine Ausdruck in 1. Mose 1 für Gottes Bereitung neuer Elemente (die Ausdehnung, die Lichter, die Landtiere), ohne daß dabei der Ton auf dem wesentlich Neuen liegt, das eine andere Art von Exi­stenz darstellt. Dieser Gedanke ist vielmehr mit dem zweiten Ausdruck, "erschaffen", verbunden. Was seinen Leib betrifft, war der Mensch keine Erscheinung neuer Art und war das Wort "machen" am Platze; aber was seinen Geist betrifft, vertrat der Mensch eine ganz neue Art von Existenz in der sichtbaren Schöpfung. Drittens wurde der Mensch "gebildet" (2, 7), was sich auf die besondere Art und Weise bezieht, wie er entstand. Er wurde nicht einfach aus dem Erdboden hervor­gerufen (vgl. Verse 11. 24. 25), sondern durch Gott selbst aus der Erde "geknetet". "Bilden" ist im Alten Testament ein Aus­druck für die Arbeit des Töpfers (Jes 29, 16; 45, 9; 64, 8; vgl. auch Hiob 33, 6). Das weist darauf hin, da£> auch der Mensch wirklich aus denselben Bestandteilen besteht wie der Erd­boden; unser Leib ist ein "irdenes Gefäß" (3. Mo 14, 5; 2. Kor 4, 7).

In Seinem Bild schuf Gott den Menschen. Das weist zurück auf den vorigen Vers, aber da ist es Mehrzahl: "in u n s e ‑r e m Bilde". Wenn Gott von sich selbst spricht, sagt Er hier ,uns", aber wenn der Heilige Geist zurückverweist, sagt Er "sein". Gott ist also eine Mehr‑ und eine Einzahl, was nur durch die Neutestamentliche Offenbarung der Dreieinheit zu begreifen ist. Man könnte ‑ wenn man den Anfang des Satzes liest ‑ in den Irrtum verfallen, daß sein" sich hier auf Aen Menschen" bezieht (tatsächlich haben einige das behauptet), aber die Fortsetzung des Satzes macht doch deutlich, was ge­meint ist: "im Bilde G o t t e s schuf er ihn". Dabei beweist das Wörtchen "ihn", daß es um den Menschen in der Einzahl geht. Man kann adam sowohl mit "Mensch" als mit "Men­schen" übersetzen (siehe oben); in Vers 26 muß es Mehrzahl sein, denn da folgt: " s i e sollen herrschen", Aber hier geht es um die Einzahl; die Menschen sind nicht Bilder Gottes, sondern d e r Mensch ist Bild Gottes. Außerdem schuf Gott nicht viele Menschen, sondern Er schuf d e n Menschen, und aus ihm "machte' Er viele Menschen (vgl. Vers 28). Aber was ist d e r Mensch? Der vollkommene Mensch besteht nach Got­tes Gedanken aus Mann und Frau. Darum folgt dann "Mann und Weib schuf er sie". jetzt steht nicht "ihn" da, sondern "sie", sonst würde der (tatsächlich geäußerten) Irrlehre Nah­rung gegeben, daß der erste Mensch ein Wesen war mit zwei Gesichtern und zwei Gestalten, die Gott später gespalten habe. Aber der Mensch ist geschaffen als ein Menschenpaar.

Wir finden hier nicht, wie Gott Mann und Frau geschaffen hat. Kapitel 2 bringt Einzelheiten darüber: der Mann wurde aus Staub von dem Erdboden gebildet, und die Frau wurde aus seiner Seite gebaut. Hier wird nur die Tatsache selbst genannt: die Geschichte der Menschheit hat mit e i n e m Menschenpaar begonnen. Die Erwähnung dieser Tatsache ist hier nötig als Einleitung zu Vers 28, wo von der Fortpflanzung des Men­schen gesprochen wird. Andererseits müssen wir beachten, welche Worte hier für Mann und Frau gebraucht werden. Es sind nicht die üblichen Worte, wie wir sie in Kapitel 2, 23 finden und die mehr mit dem Eheband zu tun haben, sondern es sind zwei Worte, die nur das Geschlecht angeben: männlich und weiblich. Es geht hier also nicht so sehr darum, daß Mann und Frau zueinander gehören, weil sie ein Paar bilden (2, 23. 24), sondern gerade darum, daß Mann und Frau sich voneinander unterscheiden, weil sie verschiedenen Geschlechts sind. Vergleiche die Gegenüberstellung in 3. Mose 15, 33; 4. Mose 5, 3; 5. Mose 4, 16. Daß es in diesen Worten deutlich um den Unterschied im Geschlecht geht, ist zu ersehen aus 3. Mo 18, 22; 20, 13; 4. Mo 31, 17 u. f., Ri 21, 11 u. f.; Jer 30, 6. Wir könnten übersetzen: "ein Männliches und ein Weibliches", als ob es um Tiere ginge: ein Männchen und ein Weibchen". Es geht also darum, daß es zwei verschiedene Sorten von Menschen gibt, nämlich Männer und Frauen. Bei den Pflanzen und den Tieren war hinzugefügt: "nach ihrer Art", d. h. "nach ihren Gattungen" (siehe später), weil es viele Gattungen von Pflanzen und Tieren gibt, die deutlich vonein­ander abgegrenzt sind und sich nicht vermischen können. Aber unter den Menschen ist der einzige wesentliche Unterschied der Geschlechtsunterschied (der übrigens auch bei den meisten Pflanzen und Tieren besteht), und das nicht, um zwei Grup­pen voneinander zu scheiden, sondern gerade um Vermischung und Fortpflanzung zu ermöglichen.

Hieran schließt sich Vers 28 an. Gott segnet den Menschen, gerade in seinem Geschlechtsunterschied, und macht damit das erste Menschenpaar zu einem Ehepaar, das Er mit Kraft be­gabt, den Befehl auszuführen, der dann folgt: fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Das ist keine ins Belieben des Menschen gestellte Sache, sondern ein Auftrag, denn die Erde soll mit Nachkommen gefüllt werden ‑ aber zugleich ist es ein Segen, den Gott dem Menschen schenkt. Kinder zu bekommen wird darum trotz des Sündenfalls und der Mühsal, die es mit sich bringt (3, 16), doch als ein Segen erfahren (4, 1). Im Gegensatz zu den Wassertieren (Vs 22) wird dieser Auf­trag direkt an den Menschen gerichtet, sogar mit Wieder­holung des Namens Gottes. Es steht nicht da: "Gott segnete sie und sprach", sondern "Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen". Weiter ist der Auftrag insofern gleich, als beide fruchtbar sein und sich mehren sollen, wobei die Wassertiere die Meere und die Menschen die Erde füllen sollen (vgl. Apg 17, 26). Aber naturgemäß wird nur zu dem Menschen gesagt, daß er die Erde auch unterwerfen und über alle Tiere herrschen soll ' auch über die Fische, die die Meere füllen. Das "Unter­werfen" der Erde ist ein kräftiger Ausdruck, der eigentlich sagen will: unter sich bringen, zertreten, den Herrscherfuß darauf setzen. Dadurch hat der Mensch bedingungslos Recht über die ganze Erde, sowohl um ihre Früchte zu pflücken und sie zu bebauen, als auch um ihre Bodenschätze auszu­graben und ihr Aussehen zu verändern. Aber auch dieses Vorrecht ist zugleich eine Verantwortlichkeit, denn diese Macht über die Erde muß der Mensch als Bild (Statthalter) Gottes und folglich zur Ehre Gottes ausüben.

Beachten wir, daß diese Aufträge in Vers 23 vor dem Sün­denfall gegeben sind. Auch wenn der Mensch nicht in Sünde gefallen wäre, hätte er den Auftrag gehabt, Kinder zu be­kommen und von dem Garten Eden aus die Erde zu füllen und zu unterwerfen. Dadurch wird das Mißverständnis aus dem Weg geräumt, daß der Mensch nur einen Platz im Garten Eden gehabt und ihn nicht habe verlassen können. Daß er ihn noch nicht verlassen und noch keine Kinder bekommen hatte, beweist, wie bald er gefallen ist. Auch nach seinem Fall behielt er seinen Auftrag, aber das segensreiche Element darin wird auf ein Minimum reduziert. So wie die Schwangerschaft fortan mit Mühsal verbunden sein sollte, so sollte der Mensch fortan einen verfluchten Erdboden bearbeiten und im Schweiße seines Angesichts davon essen.

Nun gibt Gott sich zu erkennen als derjenige, der allem, was da lebt, Speise gibt (Ps 136, 25); der dem Vieh sein Futter gibt und den jungen Raben, die da rufen (Ps 147, 9). Die Vögel des Himmels säen nicht, ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und doch ernährt sie der himmlische Vater (Mt 6, 26). Vgl. Ps 104, 14. 15. Gott spricht weiter zu dem ersten Menschenpaar und knüpft an das an, was Er vorher gesagt hat: der Mensch sollte herrschen über die ganze Erde, und das schließt ein (es folgt jetzt), daß er von allem samenbringenden Kraut essen darf, das auf der Fläche ,der ganzen Erde ist. Gott sagt: "Ich habe es euch (hiermit) gegeben". Dazu hatte Gott die Pflanzen in Vers 11 und 12 ja bereitet; sie wurden da schon eingeteilt nach der Bedeutung, die sie für den Menschen haben sollten. Dem Menschen gab Gott die Nahrung, die Samen hervorbrachte (samenbringen­des Gewächs und ebenso Baumfrucht), weil nur der Mensch zielbewußt Samen sammelt, ausstreut, heranzieht und erntet, um sich wieder neue Nahrung zu bereiten. Aber die Tiere säen und ernten nicht (zitierte ich bereits), so daß, was sie betrifft, nur von "alles grüne Kraut" (Vs 30) gesprochen wird: Gras, Blätter, Kräuter usw.. Darin liegt auch eine geistliche Bedeutung. Die Nahrung der Tiere sprach von Leben, aber die des Menschen von Leben und Vermehrung (Samen), als Hinweis auf sein ewiges Bleiben auf der Erde, wenn er nicht sündigen würde. Darum ist es so bezeichnend daß nach dem Sündenfall zu dem Menschen wohl von dem grünen Kraut (3, 18; 9, 3) gesprochen wird, doch nicht mehr von Samen!

Die Aufzählung der Tiere in Vers 30 ist unvollständig, denn die Fische werden außer Betracht gelassen. Das "Getier" kann auch das Vieh umfassen (s. bei Vs 28). Interessant ist der Zusatz bei "allem, was sich auf der Erde regt", nämlich "in welchem eine lebendige Seele ist". Es bestätigt, was wir bei Vers 20. 21 sahen, daß der Begriff "Seele" sowohl das ganze Wesen (Mensch oder Tier) bezeichnen kann, wie in die­sen Versen, als auch auf etwas hinweisen kann, das in Mensch oder Tier ist‑. das natürliche Leben. Dieses Lebens­prinzip wird auch der "Odem des Lebenshauches" genannt (l. Mo 7, 22).

Natürlich hat es schon immer die Aufmerksamkeit erregt, daß in diesen Versen nicht vom Essen von Fleisch gesprochen wird, nicht beim Mensch~n und nicht einmal bei den Tieren. Man hat wohl behauptet, das Schweigen über Fleisch bedeute nicht, daß es dem Menschen verboten war, Fleisch zu essen, oder daß es keine fleischfressenden Tiere gegeben habe. Aber aus der Schrift geht hervor, daß dies hier wirklidi die Be­deutung ist. Was den Menschen betrifft, so hat er bis zur und während der Sintflut keine andere Speise als Pflanzen­nahrung essen dürfen (s. 1. Mo 6, 21). Erst nach der Sintflut gibt Gott dem Menschen neben dem grünen Kraut auch das Fleisch von Tieren als Nahrung (l. Mo 9, 3). Aus dem Zu­sammenhang geht hervor, daß es da um eine neue Anordnung geht, die die alte erweitert. Durch das Essen von Fleisch sollte der Mensch fortan verstehen, daß er nur auf Grund des Todes eines anderen bestehen konnte, wie es im Opfer Noahs bereits angedeutet war (l. Mo 8,.20. 21). Das will nicht sagen, daß vor der Sintflut keine Tiere getötet wurden (l. Mo 3, 21; 4, 4); aber das waren Opfertiere, die den Charakter eines Brandopfers hatten, das ganz und gar Gott geopfert wurde (vgl. 3. Mo 1, 9; 7, 8). Was das Fleischfressen von Tieren betrifft, so liegt kein Grund vor, anzunehmen, die Tiere hätten vor dem Sündenfall Fleisch gefressen. Die Prophezeiungen lehren uns gerade, daß, wenn die Folgen des Sündenfalls von der Erde weggenommen sein werden, die Tiere alle wieder Pflanzenfresser sein werden (Jes 11, 6‑8; 65, 25; Hos 2, 18): sie werden einander nicht mehr zerreißen, der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Das ist eben­sowenig symbolische Sprache wie das übrige dieser Prophe­zeiungen.

Als Einwand gegen diesen Gedankengang bringt man u. a. vor, wenn Vers 29 ein Fleischverbot für den Menschen ent­hielte ‑ was übrigens zu stark ausgedrückt ist, denn der Tod war noch nicht auf der Erde, so daß der Gedanke an Fleischessen nicht einmal aufkommen konnte ‑ dann würde das Herrschen über die Tiere (Vs 28) bedeutungslos sein. Aber dieses Herrschen durch den Menschen bedeutet nicht, daß er das Recht hatte, seine Untertanen aufzuessen! Es bedeutet, daß er durch seine geistigen Fähigkeiten den Tieren überlegen war, so daß sie sich nicht gegen ihn empören konnten; er konnte sie sich unterwerfen und sie für seine Arbeit gebrauchen. Ein anderer Einwand, der geäußert wird, ist, daß es ein gewaltiger biologischer Eingriff wäre (um nicht zu sagen ein Wunder), wenn ein Fleischfresser Pflanzenfresser würde oder umgekehrt. Aber man vergißt dabei, daß der Sündenfall tatsächlich katastrophale Folgen hatte, die wir gar nicht absehen können. Wir können uns keine Vorstellung von der Welt vor dem Sündenfall machen, ebensowenig wie von der Welt im zukünftigen Friedensreich, wenn die Schöpfung von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit sein wird (Röm 8, 19‑23). übrigens ist dieser übergang vom Fleischfresser zum Pflanzenfresser vielleicht nicht einmal so groß, wie wir denken. Experimente, bei denen man Raub­tieren Pflanzennahrung zu fressen gab, haben bemerkens­werte Resultate erbracht.

Wie am dritten Tag, so folgt auch jetzt zum zweiten (und insgesamt siebten) mal: "Es ward also‑ (Vers 3 mitgerechnet). Außer in Vers 7 folgt dieser Ausdruck stets auf das Wort Gottes, um etwas zu machen (nicht um zu erschaffen, denn es fehlt in den Versen 20. 21. 26. 27). Hier in Vers 30 folgt es auch auf ein Wort Gottes, aber diesmal auf ein Wort, in dem Mensch und Tier Nahrung zugeteilt wird. Das beweist wohl die große Bedeutung dieses Wortes, weil es durch diesen Ausdruck in eine Linie rückt mit den Worten, in denen Gott Himmel und Erde bereitet (Vs. 3.7.9.11.15.24). Schließlich endet der sechste Tag dann mit einem bekannten Wort, aber jetzt erweitert; nach sechsmal: "Gott sah, daß es gut war" (Vs 4. 10. 12. 18. 21. 25), folgt nun nicht von dem Menschen speziell, daß er gut gemacht war (als ob er mit den anderen Schöpfungswerken auf einer Linie stünde), sondern: "Gott sah a 11 es, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut". Nachdem Gott von jedem einzelnen Schöpfungswerk festgestellt hatte, daß es gut war (außer am zweiten Tag und bei dem Menschen), überschaute Er nun das Ganze in seinem vollen Umfang. Das Ganze ist mehr als nur die Summe der Teile; das Ganze läßt die prächtige Harmonie sehen, in der die Schöpfungswerke zueinander stehen, nun sie alle miteinander fertig sind. War jeder einzelne Teil "gut", so ist ihre Summe "sehr gut". Das Wörtchen "siehe" hebt dies noch extra hervor: es ist, als ob es etwas ausdrückt von der Freude, die Jehova an all Seinen Werken hatte, nachdem sie fertig waren (Ps 104, 31).

Hiermit ist die eigentliche Schöpfungsgeschichte abge­laufen, denn in sechs Tagen hat Gott Himmel und Erde ge­macht (2. Mo 20, 11; 31, 17). Das ist wahrscheinlich der Grund, warum nur hier ein Artikel gebraucht wird: d e r sechste Tag, nämlich der Tag, der diese Periode abschließt. Ganz getrennt davon folgt nun der siebte Tag, an dem Gott ruht von allem, was Er gemacht hat. Die ersten drei Verse von Kapitel 2 gehören noch zu Kapitel 1, und darum werden sie hier auch behandelt.

Der siebente Tag

"Und') der Himmel und die Erde und all ihr Heer wurden vollendet. Und Gott hatte'am siebenten Tage sein Werk voll­endet, das er gemacht hatte; und er ruhte am siebenten Tage von all seinem Werk, das er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn; denn an demselben ruhte er von all seinem Werk, das Gott geschaffen hatte, um (es) zu machen')." (i. Mose 2, 1‑3)

Daß diese Verse noch zu Kapitel 1 gehören, geht aus dem Wörtchen "und" hervor, mit dem jeder Vers (außer Vers 1) in 1. Mose 1 beginnt und mit dem der Bericht hier fortgesetzt wird. Zuerst wird jetzt festgestellt, was logischerweise auf das "sehr gut" folgt. Die ganze Schöpfung ist in vollkommener Harmonie, es ist ihr nichts hinzuzufügen (vgl. Pred 3, 14); die erste Schöpfung ist zur Vollendung gebracht. Hier gibt es keinen Raum für die, die eine fortwährende Schöpfung lehren. Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde; aber 1. Mose 2, 3 lehrt, daß Er das tat, um sie weiter zu "machen zuzubereiten und mit "Heerscharen" auszustatten. Darum wurden sie im Anfang wohl geschaffen, aber jetzt nach sechs Tagen sind Himmel und Erde erst wirklich mit all ihrem Heer vollen­det. Ein ähnlicher Satz schließt auch die Bereitung der Stifts­hütte ab (2. Mose 39, 32; 40, 33), auch da verbunden mit Befriedigung über das Gemachte und mit Segnung (vgl. 2. Mo 39, 43 mit 1. Mo 1, 28. 31). Und wir wissen doch, daß die Stiftshütte ein Bild der Schi5pfung ist. Bemerkenswert ist in unserem Vers der Ausdruck "all ihr Heer". Es ist in der Schrift nur die Rede vom "Heer des Himmels", aber nicht vom "Heer der Erde". Bei dem ersten müssen wir an die Himmels‑

1) s. engl. und franz. Ubersetzung IND

2) s. Fußnote engl. Obersetzung JND

körper denken (vgl. z. B. 5. Mo 4, 19; 17, 3); manchmal sind damit auch Engel gemeint (l. Kön 22, 19), aber hier eindeutig nicht (vgl. 1. Mo 1, 14‑18). Bei dem "Heer der Erde" können wir an die Pflanzen, die Tiere und den Menschen denken, die auf die Erde gesetzt sind.

Der erste Vers stellt fest, daß Himmel und Erde vollendet sind, Vers 2 teilt dann mit, Wer das getan hat: Gott hat Sein Werk vollendet. OberflächLch betrachtet könnte man denken, daß Gott doch schon am sechsten Tag Sein Werk vollendet hatte; tatsächlich haben viele alte Übersetzungen hier "am sechsten Tag" anstelle des siebenten. Aber das Vollenden bedeutet hier nicht, daß Gott am siebenten Tag Seinem Werk noch etwas hinzufügte. Der sechste Tag schloß schon mit der Mitteilung, daß Gott alles sah, was Er gemacht hatte, und die vollkommene Harmonie davon war sehr gut. Und Vers 1 von Kapitel 2 stellt auch bereits fest, daß mit dem Ende des sech­sten Tages alle Werke Gottes vollendet waren. Das hebräische Wort bedeutet denn auch, daß mit dem Anbrechen des siebenten Tages das Werk Gottes "abgeschlossen" war und daß Er Jertig war" mit Seinem Werk, das Er gemacht hatte. Wir sehen das auch in 2. Chronika 29, 17, wo wir ausrechnen können, daß die Priester am fünfzehnten Tag letzte Hand an das Werk legten, so daß sie es am sech­zehnten Tag "vollendet" hatten. Nun Gott das Werk vollen­det hat, wird es auch " S e i n Werk" genannt (dreimal!). Die­ses Wort für "Werk" ist von einem Verb abgeleitet, das eigentlich bedeutet: "senden, um etwas auszuführen"; hiervon ist auch das Wort für "Bote‑ oder "Engel" abgeleitet. Gottes "Werk" ist also ein Handeln oder ein Werkstück, in das Er eine "Botschaft" von Sich selbst gelegt hat: Seine ewige Kraft und Göttlichkeit werden seit der Erschaffung der Welt in Seinen Werken mit dem Verstand geschaut (Röm 1, 20).

Vers 2 und 3a sind nach einem strengen Muster aufgebaut. Im Hebräischen finden wir hier drei Sätze, von denen jeder aus sieben Wörtern besteht. jeder dieser Sätze beginnt mit einem Handeln Gottes und fällt im weiteren in zwei Teile ausein­ander, von denen der erste Teil in allen drei Fällen mit dem "siebenten Tag" schließt. Wir haben jetzt den ersten Satz gehabt. Der zweite Satz berichtet, daß Gott am siebenten Tag ruhte von all Seinem Werk, das Er gemacht hatte. Es steht jetzt sogar "all" Sein Werk da, um anzudeuten, daß für Gott nichts mehr zu tun übrig geblieben war; alles war fertig. Hiermit hängt auch die Bedeutung des Wortes "ruhen" zusam­men. Es ist nicht das normale Wort für ruhen, sondern ein Wort, das beinahe überall mit "aufhören" übersetzt ist; siehe z. B. in 1. Mose 8, 22 und Jos 5, 12. Häufig wird es, wie in unserem Vers, mit einer Präposition verbunden ("ruhen von‑) und bedeutet dann: "aufhören mit". Das ist deutlich zu ersehen aus Hiob 32, 1; Jer 31, 36; Klgl 5, 14; Hos 7, 4. Die eigentliche Bedeutung in unserem Vers ist also, daß Gott am siebenten Tag a u f h ö r t e mit Seinem Werk. Und das Aufhören mit Arbeit schließt Ruhe ein. So (mit "ruhen") ist es übersetzt in 2. Mose 16, 30; 23, 12; 34, 21; usw.; in 2. Mose 20, 11 wird derselbe Gedanke durch das normale Wort für "ruhen" ausgedrückt. Es ist jedoch gut, sich klar zu machen, daß der siebente Tag nicht durch das Ausruhen von Strapazen gekennzeichnet ist, sondern durch das Abstehen von aller Arbeit. Von diesem Wort für "ruhen, aufhören" ist das Wort sabbat abgeleitet. Der Sabbath ist der siebente Tag, der Ruhetag, an dem unter der ersten Schöpfung nicht ge­arbeitet w..d. Es ist allerdings nicht nötig, was viele neuere Auslege‑ Lin, das Wort in unserem Vers durch "aufhören" zu übersetzen. Daß "ruhen" besser ist, sieht man z. B. aus der Verbindung, die in Hebräer 4, 4 zwischen unserem Vers und Psalm 95, 11 hergestellt wird, und aus dem genannten Synonym in 2. Mose 20, 11. Und 2. Mose 31, 17 verbindet mit dieser Ruhe Gv,~us sogar doch einen gewissen Gedanken von "ausruhen" (v(,.. Ermüdung), denn da lesen wir, daß Gott am siebenten Tag 1 ‑uht und "sich erquickt" oder "Atem ge­schöpft" hat. Auch von dem Land lesen wir, daß es eine Sabbathruhe genießen würde, nämlich wenn es brach liegen wür­de (3. Mo 26, 34, 35; 2. Chron 36, 21). Auch sollte es jedes siebente Jahr nicht bebaut werden, und das sollte ein "Sabbath (jahr)" sein (3. Mo 25, 1‑7). Hier ist klar, daß wir das Wort für "ruhen" nicht durch "aufhören‑ übersetzen können. Der Hauptgedanke ist also wohl, daß am siebenten Tag absolut kein Werk getan wird; aber der zweite Gedanke ist, daß Gott damit einen Segen im Auge hatte, nämlich daß der Mensch "Ruhe" genießen sollte.

Das ist es auch, was der dritte Vers ausdrückt: Gott segnete den siebenten Tag. Nach der Gesetzgebung war der Sabbath ein Joch geworden, ein Gebot, dem der Mensch unterworfen war, aus keinem anderen Grunde, als daß Gott ihm dies Gebot auferlegt hatte. Weil der Mensch keine moralische Notwendig­keit fühlen konnte, den Sabbath zu halten (so wie er wohl die moralische Billigkeit der anderen neun Gebote einsehen mußte), war der Sabbath ganz besonders der Prüfstein, um den Gehorsam des Menschen auf die Probe zu stellen. Darum wird das Sabbathgebot nach 2. Mose 20 immer aufs neue wiederholt. Aber ursprünglich war der Sabbath nicht als ein Jodi gedacht, sondern als ein Segen, ein Vorrecht. Der Sabbath ward um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Sabbaths willen (Mk 2, 27). Deutlich sehen wir das in 2. Mose 16, wo das Gesetz noch nicht gegeben und der Sabbath noch ein Segen war. Da liegt der Nachdruck nicht darauf, daß das Volk am Sabbath nicht arbeiten du r f t e , sondern daß es nicht zu arbeiten brauchte. Das Manna, das sie am Freitag sammelten, war genug für zwei Tage und verdarb nicht, so wie es wohl an den anderen Tagen geschah. Jahweh hatte ihnen den Sabbath "gegeben" (Vers 29). Was wir in unserem Vers finden, ist also auch nicht ein Gebot.. den Sabbath zu halten (das Wort "Sabbath" fehlt hier sogar völlig), sondern die Grundlage für das Feiern des Sabbaths (vgl. 2. Mose 20, 8~‑11). Aber dies zeigt, daß der Sabbath nicht nur ein Gebot für Israel war, sondern als ein Segen für alle Menschen unter der ersten Schöpfung gedacht war. Ich habe übrigens auch den Eindruck, daß von Anfang der Schöpfung an alle Frommen diesen Tag Jahweh geweiht haben. Und auch im tausendjährigen Friedensreidi wird die ganze Welt den Sabbath feiern (vgl. 2. Mo 31, 16. 17; Hes 45, 17; 46, 3. 4). Nur die Versammlung feiert den ersten Tag der Woche, weil sie zur neuen Schöpfung gehört; daß ein großer Teil der Welt am Sonntag frei hat, ist ihre Sache, aber genau genommen gilt für die Ungläubigen kein anderer Ruhetag als der Sabbath!

Der siebente Tag wurde durch Gott "geheiligt" (oder viel­leicht können wir übersetzen: "heilig erklärt"), d. h. abge­sondert, separat gestellt, besonders Ihm geweiht. Darum ist der Sabbath ein heiliger Tag, an dem das Volk durch Jahweh zu Seinem Dienst "geheiligt" wird (2. Mo 31, 13. 14). Es ist der Tag, an dem der Mensch mit Dankbarkeit auf getane Arbeit zurückblicken kann und alle Zeit und Ruhe hat, sich ganz Gott zu weihen (Jes 58, 13. 14). Das Wort "heilig(en)" kommt sonst im ersten Buch Mose nicht vor und bekommt dadurch hier besonderen Nachdruck. Schließlich gibt Vers 3 deutlich den Grund an, warum nun gerade der siebente Tag durch Gott gesegnet und geheiligt wurde: es ist der Tag, an dem Gott von all Seinem Werk ruhte, das Er geschaffen hatte, um es zu machen. Es ist der Tag, an dem der Mensch an der Ruhe Gottes nach sechs Tagen der Arbeit teilnehmen darf. Zum drittenmal wird hier von "seinem Werk, das er gemacht hatte" gesprochen, aber jetzt mit zwei wichtigen Veränderungen. Er­stens wird hier der Name Gottes wiederholt und zweitens steht hier nicht "gemacht", sondern "geschaffen, um zu machen" (wörtliche übersetzung, s. Fußnote engl. Übers. JND). Das bedeutet, daß die Schöpfungsgeschichte sowohl beginnt (1, 1) als auch endigt (2, 3) mit "Gott hat geschaffen" (im He­bräischen in beiden Versen die gleiche Form). Nur folgen hier noch die merkwürdigen Worte: "um zu machen". Viele über­setzen "indem er es machte" (s. die Elberfelder Übers.), was wohl möglich ist, aber es verwischt hier den Unterschied zwi­schen "(er)schaffen" und "machen". Darum glaube ich init anderen, daß es "um zu machen" heißen muß. Das bedeutet dann, daß Gott Sein Werk im Anfang geschaffen hat (1, 1) mit dem Ziel, es in den sechs Schöpfungstagen zu "machen" (holländische Staten‑lObersetzung "vervollkommnen") d. h. näher zuzubereiten.

"Nach seiner Art"

Dieser wichtige Ausdruck verdient es, daß wir noch ge­nauer darauf eingehen. Er kommt in 1. Mose 1 zehnmal vor: dreimal am dritten, zweimal am fünften und fünfmal am sechsten Tag (das ist zweimal fünf). Fünfmal heißt es in der hebräischen Bibel "nach seiner Art", einmal "nach ihrer Art" (Mehrzahl) und viermal "nach ihrer Art" (Einzahl) (das ist auch zweimal fünf).

Das Wort "Art" (min) kommt ausschließlich in der Einzahl vor, einige scheinbare Mehrzahlformen müssen nach Meinung von Sachverständigen auch als Einzahl aufgefaßt werden. Aber das will nicht heißen, daß das Wort die Bedeutung einer Ein­zahl hat! Die Hebraisten schreiben dem Wort einen kollek­tiven Sinn zu, was bedeutet, daß es der Deutlichkeit halber eigentlich als Mehrzahl übersetzt werden müßte, nämlich: "nach seinen Arten". Gesenius erklärt die Grundbedeutung daher auch als "Ausgestaltung" in dem Sinne der Artver­schiedenheit innerhalb einer größeren Gruppe. Daß das Wort "kollektiv" ist, bedeutet also, daß die verschiedenen Arten gemeint sind, die eine Hauptgruppe umfaßt. Das ist von größter Wichtigkeit. Denn es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß Gott in 1. Mose 1 n i c h t einen "Urbaum", einen Urvogel" oder einen "Urfisch" schuf, sondern daß Er die Bäume, die Wassertiere, die Vögel und die Landtiere "in ihrer Art‑Verschiedenheit" schuf. Das bedeutet wiederum, daß diese Lebensformen unmöglich voneinander abstammen können, so daß die Evolutionslehre also in direktem Wider­spruch zu 1. Mose 1 steht. Das ist ein kühnes Wort, und darum sind wir verpflichtet, genauer auf das interessante Wort min einzugehen. Es ist vermutlich verwandt mit themuna ("Gestalt"), daher spricht Genesius von Ausgestaltung": dem Formenreichtum innerhalb einer Hauptgruppe. Hierauf weisen auch die verwandten arabischen Worte min ("spalten") und meni ("verteilen") hin.

Noch einmal: das will also klar sagen, daß, als Gott z. B. die Vögel schuf, Er sie in großer Formverschiedenheit schuf, und nicht, daß Er e i n e Urform schuf, aus der sich die vielen Vogelarten entwickelten. Die Bedeutung des Ausdrucks "nach seiner Art" ist also nicht so sehr, daß Pflanzen und Tiere sich vermehren "nach ihrem Geartetsein", so daß aus einem Hühnerei immer ein Küken hervorkommt. Das ist gewiß wahr und wichtig, aber der Ausdruck bedeutet viel mehr als das. Er bezieht sich nicht so sehr auf die Fortpflanzung der Organismen (z. B. ein Fisch bringt immer nur Fisch hervor, nie Reptilien oder Säugetiere"), als vielmehr auf den Formen­reichtum der Organismen (z. B. "es gibt nicht nur e i n e Art von Fischen, sondern es gibt zahllose, von den Haien bis zu den Stichlingen"). Das wird deutlich dadurch bestätigt, daß der Ausdruck nur bei Hauptgruppen gebraucht wird, die aus mehreren Arten bestehen, und nie bei einzelnen Arten. In 1. Mose 1 sind diese Gruppen die Fruchtbäume, das Kraut, das Samen hervorbringt (wörtlich "samensäendes Kraut"), die lebendigen Wesen (wörtlich Jebendige Seele") in den Was­sern, das Gevögel und die lebendigen Wesen ("lebendige Seele") auf der Erde. Alle diese Gruppen kennen einen großen Formenreichtum. So auch besonders allerlei Vogelfamilien und ‑ordnungen in 3. Mose 11 und 5. Mose 14. Aber als Gott die Menschen schuf, lesen wir nicht, daß der Mensch "nach seiner Art" geschaffen wurde. Denn der Mensch pflanzt sich zwar "nach seinem Geartetsein" fort, aber die Menschheit besteht nicht aus mehreren "Arten", die sich untereinander nicht würden fortpflanzen können, wie es z. B. wohl bei den Vögeln der Fall ist: die Amsel und die Ente sind alle beide Vögel, aber sie können nicht miteinander gekreuzt werden. Der Mensch ist also nicht geschaffen "nach seinen Arten" sondern "ein‑förmig": "in Gottes Bild und nach Gottes Gleichnis".

Daß wir hiermit der rechten Bedeutung von min auf der Spur sind, wird völlig bestätigt durch die übrigen Schrift­stellen, an denen das Wort vorkommt. Insgesamt sind es einundzwanzig, davon sieben im Sintflutbericht (i. Mose 6, 20; 7, 14). Hier wird ganz deutlich, daß es nicht um die Fort­pflanzung geht (die kommt hier gar nicht zur Sprache), son­dem um die Artverschiedenheit der Lebewesen. Von allen Arten der Landtiere mußte ein Pärchen in die Arche gehen. 1. Mose 6, 20 will ganz klar sagen, daß von "aller Art" Vögel, von "aller Art" Vieh und von "aller Art" Gewürm je zwei zu Noah kommen sollten. So ist es auch bei der Auf­zählung der reinen und unreinen Tiere (3. Mose 11, 14‑16. 19. 22. 29; 5. Mose 14, 13‑15. 18). Wenn z. B. die Elberfelder Übersetzung in 3. Mose 11, 22 spricht von dem "Arbeh (Heu­schrecke) nach seiner Art", dann gibt die Menge‑übersetzung dies richtig (wenn auch etwas zu frei) wieder mit "alle Arten der Zugheuschrecke". Ebenso könnte man also z. B. 1. Mose 1, 25 folgendermaßen frei übersetzen: "Und Gott machte allerlei Arten von Landtieren, allerlei Arten Vieh, allerlei Arten von dem, was sich auf dem Erdboden regt". Dasselbe haben wir am Ende von Hesekiel 47, 10: ‑ ..nach ihrer Art werden seine Fische sein, sehr zahlreich, wie die Fische des großen Meeres". Die etwas freiere Übersetzung der revidierten Luther‑Bibel gibt hier den Sinn an: ". . . es wird dort sehr viele Fische von aller Art geben, wie im großen Meer". Ge­rade der Vergleich mit dem großen Meer und das "sehr viele" (eigentlich "sehr zahlreich") bestätigen, daß der Ausdruck "nach seiner Art" auf großen Formenreichtum hinweisen will.

Dies wird noch deutlicher, wenn man weiß, daß viele he­bräische Wörter, die Sammelbegriffe sind (z. B. "Cevögel"), in der Einzahl sowohl ein einzelnes Glied solch einer Samm­lung als auch die ganze Sammlung bezeichnen können. Z. B. bedeutet oph sowohl "Vogel" als auch "Gevögel" (d.h. "Vögel"), chajiah bedeutet "Tier", aber auch "Getier" (d. h. "Tiere"). Das macht deutlich, wie ein Ausdruck in der Einzahl (z. B. "das Getier nach seiner Art") tatsächlich einen Mehrzahl­Sinn haben kann ("die Tiere nach ihren Arten"). Dies wird verstärkt dadurch, daß mehrere Male das Wörtchen "alle" dabei steht. "Alles geflügelte Gevögel nach seiner Art" (i. Mo 1, 21) bedeutet dann: "Alle Arten geflügeltes Gevögel". "Alles was sich regt, nach seiner Art" (i. Mo 1, 25) be­deutet: "Alle Arten sich regenden (Getiers)". "Alle Raben nach ihrer Art" (3. Mo 11, 15; 5. Mo 14,14) bedeutet: "Alle Arten Raben".

Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß Gott die lebendigen Organismen am dritten, fünften und sechsten Tag in einem großen Formenreichtum schuf. Das steht in völligem Widerspruch zu der Evolutionstheorie, die behauptet, daß z. B. alle bestehenden Vögel sich aus einem oder höchstens einigen "Urvogeltypen" entwickelt hätten, die übrigens eben­sowenig durch Gott geschaffen seien, sondern sich ihrerseits wieder aus den Reptilien entwickelt haben sollen, obwohl hier­für nicht der geringste Beweis vorliegt. Hiermit will ich natür­lich nicht sagen, daß der Formenreichtum, wie wir ihn heute in der Natur kennen, genau derselbe ist, wie der in 1. Mose 1 geschaffene. Erstens sind ja viele Formen ausge­storben und zweitens sind viele neue Formen hinzugekommen, die sich aus anderen Formen entwickelt haben. Bedeutet dies letzte dann doch Evolution? Nein, durchaus nicht, denn ich spreche nicht von neuen "Genesis‑Arten" (die wohl "mins' genannt werden), sondern von neuen Formen innerhalb einer bestimmten min! Ein Beispiel. Gott schuf allerlei Arten Land­tiere; so können wir uns vorstellen, daß Er ein "Hundepär­chen" schuf, möglicherweise in verschiedenen Varietäten (Spiel­arten): eine fuchsartige, eine hundartige und eine hyänen­artige Varietät. Daraus müssen sich dann die vielen Arten entwickelt haben (teilweise durch gegenseitige Vermischung), wie der Polarfuchs, der Silberfuchs, der Wolf, der Hund (auch wieder in zahllosen Rassen, vom Bernhardiner bis zum Pinscher), der Schakal und die Hyäne.

Aber nun könnte man einige kritische Fragen stellen: Legen wir jetzt nicht zuviel biologische Bedeutung in das biblische Wort "min" hinein? Und was ist die Begrenzung einer min ("Art")? Offenbar sind diese Grenzen weiter als die biolo­gische "Art" (species), denn die Zoologie rechnet den Fuchs, den Hund, den Wolf usw. zu verschiedenen Spezies. Ursprüng­lich war der berühmte Systematiker Carolus Linnaeus (18. Jahr­hundert) der Meinung, daß "wir soviele Arten zählen, wie der Unendliche im Anfang verschiedene und konstante For­men geschaffen hat". Später begriff er, daß die "Arten" nicht so konstant sind, wie er ursprünglich gedacht hatte, sondern daß sie stark variieren können. Es ist deutlich in der Natur wahrzunehmen, daß Gott in jede ursprüngliche min eine erb­liche Variabilität hineingeschaffen hat, so daß im Lauf der Zeit diese Anlage sich in allerlei Richtungen entfalten konnte und innerhalb einer min zu einem oft unerschöpf­lichen Formenreichtum führte. Es wäre also völlig fehl am Platze, wenn ein Evolutionist einem bibeltreuen Biologen an­hängen wollte, er würde blind an der Konstantheit der Spe­zies festhalten und ihre Variabilität verkennen. Die verkennt er durchaus nicht; der große Unterschied zwischen ihm und dem Evolutionisteli ist, daß er wohl glaubt, daß die Art vari­abel ist, aber nicht, daß die Art transformabel" ist, d. h. in eine andere Art (min) übergehen kann. Dies letzte ist näm­lich nicht bewiesen und auch nicht beweisbar, sondern viel­mehr im Widerspruch mit den Tatsachen. Wir werden später sehen, daß die meisten sogenannten "Beweise" für die Evo­lutionslehre nichts anderes sind als Beweise für die Veränder­lichkeit der Art ‑ aber das heißt offene Türen einrennen und sagt nichts über die Transformabilität der Art. Es kann sogar einen trüglichen Charakter haben, denn es spiegelt etwas vor, das nicht da ist.

Wir stellen also fest, daß Gott die lebendigen Organismen in 1. Mose 1 nach einem ganz bestimmten Bauplan geschaf­fen hat, nämlich unterteilt in "mins", die deutlich vonein­ander abgegrenzt sind dadurch, daß Organismen aus verschie­denen "mins" sich nicht untereinander fortpflanzen können. Dies letzte ist eine logische und notwendige Bedingung, denn es wäre absurd, anzunehmen, Gott habe die Organismen "nach ihren Arten" gemacht und doch so, daß sie sich mitein­ander vermischen konnten, so daß in kurzer Zeit dieser Bau­plan der Artverschiedenheit ganz und gar verwischt wäre und ersetzt würde durch eine Kontinuität, in der alle Zwischen­formen zwischen den "mins" vorhanden wären. Aber dieser Gedankengang ist nicht nur logisch, er ist auch ganz und gar in Übereinstimmung mit dem, was man beobachten kann. Es ist nämlich sehr wichtig, daß auch heute die lebenden Orga­nismen sich unterteilen lassen in biologisch diskontinuierliche Gruppen, die voneinander unterschieden sind dadurch, daß sie nicht miteinander bastardisieren können. Solch eine min kann sich oft in einem gewaltigen Formenreichtum entfalten, sogar in einem solchen Maße, daß die äußersten Formen in einer min sich so weit voneinander entfernen, daß sie sich untereinander nicht einmal mehr fortpflanzen können ("repro­duktive Isolation"); aber nie kann eine Form aus einer min mit einer Form aus einer anderen min gekreuzt werden oder nach einer anderen min "transformieren". Und es ist außer­ordentlich interessant, daß auch die Paläontologie dies völlig bestätigt hat: auch die Fossilien zeigen dieselbe deutliche Dis­kontinuität zwischen den verschiedenen Gruppen; und unter diesen Gruppen können immer mit Leichtigkeit die Voreltern der gegenwärtigen Organismen ausgemacht werden, die die­selben äußeren Kennzeichen tragen wie ihre Nachkommen. Diese fossile Diskontinuität und das Fehlen fossiler Zwischen­formen zwischen dem, was wir hier mins nennen, bilden für die Evolutionisten keine geringe Schwierigkeit.

Eine min besteht also aus Organismen, die denselben Bau­plan aufweisen und sich untereinander fortpflanzen können (oder es früher konnten). Eine min umfaßt also häufig mehrere Spezies, weil verwandte Arten manchmal bastardisieren kön­nen (obwohl die Bastarde häufig unfruchtbar sind oder manch­mal schon vor der Geburt sterben). So liest man z. B. von Bastarden zwischen Löwe und Tiger, zwischen Pferd, Esel und Zebra, zwischen Hund, Wolf und Schakal, zwischen Maus und Ratte, zwischen Henne und Truthahn, zwischen Schwan und Gans, zwischen Weizen und Roggen, zwischen Radieschen und Kohl usw. Diese verwandten Formen würde man also jeweils zu ein und derselben min rechnen können. Das ist nicht etwa eine Erfindung der Kreationisten '); die Systema­tiker haben sehr häufig das Bedürfnis geäußert, Einheiten aufzustellen, die umfassender sind als die Spezies und alle untereinander fruchtbaren Formen vereinen, wie wenig frucht­bar oder lebensfähig ihre Bastarde auch sein mögen. Solche Einheiten heißen Jormenkreis" (oder "Rassenkreis"), "com­miscuum", "polytypische species", "coenospecies" und ähnlich.

1): solche, die an dem biblischen Schöpfungsbericht festhalten.

Obwohl wir uns also über die Variabilität innerhalb einer min (so daß auch neue Spezies entstehen können) durchaus im klaren sein müssen, müssen wir andererseits unerschütterlich festhalten, daß seit 1. Mose 1 keine neuen "mins" entstanden sind. Es ist nicht eine einzige biblische, aber auch nicht eine einzige wissenschaftliche Gegebenheit bekannt (jedenfalls wenn man nicht von bloßen theoretischen Annahmen ausgehen will), die dieser Auffassung widerspricht. Für ein weiteres Studium dieses Gegenstandes verweise ich auf das Buch von Dr. Frank L. Marsh: "Evolution, Creation, and Science" (1947). Ferner Byron C. Nelson (1967): "After Its Kind". J. W. Klotz (1955): l,Genes, Genesis, and Evolution"; H. Enoch (1966): "Evolution or Creation", und die bereits früher genannten Bücher.

Wir haben nun gefunden, daß alle "mins", die es gibt, be­reits in 1. Mose 1 entstanden sind und daß sie sich nicht mit­einander vermischen und keine neuen "mins" bilden können. Dies letzte ist auch die Erfahrung des normalen Betrachters und wird auch in der Schrift sehr betont ‑ und das ist eine starke Waffe gegen die Evolutionslehre. Man wird sicher wie­der sagen, daß die Schrift sich doch nicht mit dem Widerlegen biologischer Theorien beschäftigt, aber man braucht nur daran zu denken, wie sehr die Evolutionisten sich beeifern, den Menschen von den Tieren abstammen, statt ihn ein Geschöpf Gottes sein zu lassen, um zu ermessen, wie wichtig das Zeug­nis der Schrift ist, daß Gleiches nur aus Gleichem hervor­kommt, daß gut nicht aus schlecht, und schlecht nie aus gut hervorkommt und daß der menschliche Geist nicht von dem unvernünftigen Tier, sondern von Gott herstammt. Daß Glei­ches aus Gleichem hervorkommt, wird treffend durch die Ähnlichkeit der Worte in 1. Mose 1 angedeutet. Wir haben gelesen, daß die Erde Hervorsprossendes hervorsprossen las­sen, daß das Kraut Samen säen, daß die Fruchtbäume Früchte hervorbringen sollten. Damit ist auch das Verhalten der Tiere in Übereinstimmung: die Wasser sollten wimmeln vom Ge­wimmel lebendiger Wesen (wörtl. "Seele"), das "Geflügelte" flog (auch dieselben Grundworte) über der Erde und das sich regende Getier regte sich auf der Erde. Neben dieser Gleich­heit gibt es auch eine Ungleichheit in bezug auf andere For­men‑ "Nicht alles Fleisch ist dasselbe Fleisch; sondern ein anderes ist das der Menschen, und ein anderes das Fleisch des Viehes, und ein anderes das der Vögel, und ein anderes das der Fische" (i. Kor 15, 39). "Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen, oder ein Weinstock Fei­gen?" (Jak 3,12). "Liest man etwa von Dornen eine Traube, oder von Disteln Feigen?" (Matth 7,16). Jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt; denn von Dornen sammelt man nicht Feigen, noch liest man von einem Dornbusch Trauben" (Luk 6,44).

Schöpfungsbericht und Evolutionslehre

Die Evolutionslehre ist im Vorhergehenden nun schon so oft zur Sprache gekommen, daß wir noch einige Worte darüber sagen müssen, bevor wir weitergehen. Natürlich kann man diese Lehre im Rahmen einer Betrachtung von 1. Mose 1 nicht ausführlich besprechen; nur das gehört hierher, was deutlich macht, wie unangebracht es ist, daß bei einigen Gläubigen das Vertrauen in 1. Mose 1 durch die Evolutionslehre erschüt­tert ist. Darum wollen wir nur die folgenden Punkte kurz ins Auge fassen: die sogenannten Beweise für die Evolutions­lehre, den wissenschaftlichen Charakter dieser Lehre und ihren moralischen Einfluß auf die Gesellschaft.

Viele Menschen (leider sogar viele Wissenschaftler) meinen, Evolution sei eine wissenschaftliche Tatsache. Das ist ein ernstes und gefährliches Mißverständnis. Evolution im weiten Sinne des Wortes (d. h. Abstammung aller lebendigen Orga­nismen aus gemeinsamen Voreltern, und dieser aus der leb­losen Materie) ist absolut keine ausgemachte Tatsache, ja, nicht einmal eine Theorie, die sich auf Tatsachen gründet. Es ist ein Dogma, das auf materialistischen, philosophischen Ideen basiert, im Widerspruch zu den alten Schöpfungsideen, letzten Endes jedoch nicht "wissenschaftlicher" als diese. Aber, wird man sagen, in zahllosen Büchern über die Evolutionslehre werden doch wissenschaftliche Beweise für die Evolution auf­geführt? Auch das beruht auf einem bedauernswerten Miß­verständnis.

Man unterscheidet in der Evolution die sogenannte Makro-­Evolution und die Mikro‑Evolution. Die erste ist die Evo­lution im großen Stil, die soeben definierte Abstammung der höheren aus niedrigeren Organismen, das Entstehen der gro­ßen Hauptabteilungen des Pflanzen‑ und Tierreiches aus gemeinsamen einzelligen Voreltern. Es liegt nicht die geringste Spur eines Beweises dafür vor, daß es diese Makro‑Evolution gegeben hat. Man braucht kein Kreationist zu sein, um das herauszufinden ‑ ein überzeugter Evolutionist wie Kerkut hat das Fehlen dieser wichtigen Beweise in seinem Buch deutlich ans Licht gestellt. *) Die sogenannten Beweise, die man in Handbüchern für Evolution findet, beziehen sich denn auch auf Mikro‑Evolution, das ist die Veränderlichkeit lebender Formen innerhalb bestimmter Grenzen, d. i. innerhalb der bereits be­sprochenen mins. Es ist sogar irreführend, hier von "Evo­lution" zu sprechen. Evolution bedeutet Entwicklung und birgt den Gedanken von Aufstieg und Fortschritt in sich. Aber in Wirklichkeit ist nie die Rede von echtem biologischen Fort­schritt (Entwicklung nach einem höheren Lebensniveau), wenn ein Organismus sich innerhalb der Grenzen seiner min ver­ändert. Man kann eine prächtige Blume züchten oder eine großartige Tierrasse, die ihren Voreltern nur noch wenig gleicht, aber ist das Fortschritt? Ist damit eine "höhere" Le­bensform erreicht? Die Praxis lehrt, daß solche kultivierten Formen mehr von Degeneration als von Evolution zeugen: sie sind meist schwächer und weniger fruchtbar.

Aber was sind denn die Beweise für die Evolutionslehre? Man muß für diese Auffassungen, die so populär geworden sind, doch irgendwo eine Stütze gefunden haben! Die soge­nannten "Beweise" kann man in drei Gruppen einteilen:

(1) Der Hauptbeweis für die Evolutionslehre muß von der Paläontologie kommen, also von den Fossilien. Ver­schiedene Evolutionisten haben darauf hingewiesen, daß der paläontologische "Beweis" tatsächlich der einzige Be­weis ist. Alle anderen Beweise haben in sich selbst keine Daseinsberechtigung, sondern können höchstens den paläon­tologische Beweis verstärken. Die Paläontologie ist deshalb für die Evolutionslehre so wichtig, weil sie eine historische Wissenschaft ist, die als einzige uns historische "Dokumente"

G. A. Kerkut (1960): Implications of evolution' (New York, Pergamon Press)

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verschaffen könnte, die beweisen, daß Evolution in der Ver­gangenheit stattgefunden hat. Nun, hierüber brauche ich nicht mehr viele Worte zu machen nach allem, was ich über die geologische Zeittafel gesagt habe, über die ernsthaften Beden­ken, die dagegen vorgebracht worden sind, und die Probleme, die sie für die Evolutionslehre aufwirft. Die "Beweise" der Paläontologie sind eine Pleite, solange sie die Antworten auf die folgenden und viele andere Fragen schuldig bleiben muß.

(a) Warum sind unter den Fossilien keine echten Zwischen ­und Übergangsformen bekannt?

(b) Warum sind in den Fossilien keine Organe im Stande der Entstehung ("im Evolutionsprozeß ertappt") bekannt?

(c) Warum zeigen die Fossilien untereinander dieselbe Dis­kontinuität wie die gegenwärtigen Formen?

(d) Warum ist kaum ein einziges Fossil (wenn überhaupt eins) aus dem Präkambrium bekannt?

(e) Woher kommen all die Hauptgruppen der Wirbellosen so plötzlich im Kambrium?

(f) Was war der plötzliche Ursprung der Säugetiere im Tertiär?

(g) Woher kamen so plötzlich die Blütenpflanzen?

Die Paläobotanik hat sich für den Evolutionisten anstelle einer Hilfe nur als ein Hindernis erwiesen. Wo sind denn die fossilen Beweise für die Evolution?

Die Argumente, die man dem Laien gewöhnlich vorspiegelt, sind die Entwicklung der Wirbeltiere ‑ ein Bruchteil des gan­zen Tierreiches und die einzige Gruppe, in der ‑ wie es scheint ‑ in der Aufeinanderfolge von "älteren" zu Jüngeren" Erdschichten tatsächlich von einem Fortschreiten von niederen zu höheren Formen gesprochen werden kann. Ganz abgesehen von unseren Einwänden gegen die geologische Zeittafel zeigt diese Aufeinanderfolge durchaus keine wirklichen Beweise da­für, daß die höheren Klassen der Wirbeltiere tatsächlich aus den niedrigeren entstanden sind. Nein, die letzten Argumente, die die Paläontologen zum Schluß anführen ‑ und das sind dann auch ihre "stärksten"! ‑ sind die Abstammung kleiner, besonderer Gruppen, wie der Elefanten, der Kamele und vor allem der Pferde. Wer ist nicht beeindruckt, wenn ihm eine lange Reihe von Pferden vorgesetzt wird, die all­mählich an Größe zunehmen und bei denen die Anzahl der Zehen allmählich abnimmt, von fünf bis schließlich zu dem einen Huf? Aber was ist der Wert einer solchen Serie? Schließ­lich sind es doch alles Pferde; und sie weisen nur auf die Mög­lichkeit einer Mikro‑Evolution hin, d. i. die Variabilität inner­halb einer min, und dann noch eher auf Degeneration als auf wirkliche Evolution. Aber vor allem: was für Beweise gibt es, daß die "höchsten" Pferdeformen tatsächlich jünger sind als die "niederen"? Unter diesem historischen Gesichtspunkt sind solche Serien häufig am anfechtbarsten. Den Erdschich­ten, in denen sie gefunden werden, wird häufig ein Alter zu­geschrieben, je nach dem Pferdetyp, den man in ihnen ange­troffen hat.

(2) Wenn der paläontologische "Beweis" ‑ nach Ansicht vieler der einzige echte ‑ schon eine Pleite ist, was sind dann die anderen Beweise? Viele sogenannte Beweise sind über­haupt nicht beweiskräftig, sondern haben selber den Beweis nötig. Es liegt da eine Beweisführung zugrunde, die sich im Kreise dreht: gewisse biologische Beobachtungen werden mit Hilfe der Evolutionslehre erklärt, glückt das in zufriedenstel­lender Weise, dann werden diese Beobachtungen zu "Beweisen" für diese selbe Evolutionslehre erhoben. So wird diese Lehre durch sich selbst bewiesen. Man nehme nur die Gruppe der "Beweise", die sich auf die Übereinstimmungen in Bau und Zusammensetzung zwischen allen Lebensformen beziehen. Man denke an die große Einheitlichkeit in der biochemischen Zusammensetzung und den Lebensprozessen, im Zellbau, in Kern‑ und Zellteilung; man denke an die anatomischen Über­einstimmungen, ja, an einen so großartigen Bauplan in der ganzen Pflanzen‑ und Tierwelt, daß es möglich ist, diese ganze Welt in ganz natürlich anmutender Weise in Hauptabteilun­gen, Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten ein­zuteilen. Nun, sagt man, diese auffallende Verwandtschaft zwischen allen Lebensformen kann man nur sinnvoll erklären, wenn man sie als "Blutsverwandtschaft" auffaßt, also auf ge­meinsamer Abstammung beruhend; tut man das nicht, so muß man die Möglichkeit einer naturwissenschaftlichen Erklärung aufgeben*). Das ist jetzt eine schöne Probe einer evolutio­nistischen Beweisführung. Weil die Evolution diese Verwandt­schaft hübsch erklärt, wird diese Verwandtschaft ihrerseits ein Beweis für die Evolutionslehre. Außerdem. im Rahmen der Naturwissenschaft ist keine andere Erklärung möglich.

Aber da liegt nun gerade der Hase im Pfeffer. Wir sind letzten Endes nicht an der elegantesten Denkmethode, sondern an der Wahrheit interessiert. Darum ist es absolut möglich, daß die Einheit aller lebenden Organismen die Folge eines gemeinsamen Schöpfungsbauplanes und das Werk eines großen Planers ist. Das ist in gewissem Sinne ebenfalls eine "wissenschaftliche" Erklärung. Wenn Gott ja die lebendigen Organismen geschaffen hat, dann können wir nicht anders erwarten, als daß Er nach einem universellen Bauplan zu Werke ging. Wie sollten ohne eine biochemische Verwandt­schaft Mensch und Tier von Pflanzennahrung leben können? Wie sollte der Mensch Fleisch essen können, wenn das nicht von derselben Art wäre wie sein eigener Körper? Und wie sollten verschiedene Organismen in ein und demselben Milieu leben können, wenn sie nicht große Übereinstimmung in Bau und Lebensweise zeigten und allerlei Anpassungen aneinander hätten? Auch dies ist eine "elegante" Denkmethode, die über­dies auf Grund der Offenbarung Gottes den Stempel der Wahrheit besitzt. Wahrheit können wir naturgemäß nie von der Wissenschaft erwarten; sie kann uns höchstens Denk­schemas liefern, die "stimmen" oder "sinnvoll‑ sind, aber nie "wahr". "Wahrheit" liegt außerhalb des Horizonts der Wis­senschaft, weil sie nur durch Offenbarung gekannt wird, nicht durch Forschung, so daß der Begriff "Wissenschaft" eher auf die Kenntnis der Offenbarung Gottes anzuwenden ist als auf das Denksystem, das Gott von vornherein ausschließt. Viele Gelehrte mögen eine materialistische Evolutionslehre viel lo­gischer und annehmbarer finden als den Kreationismus (die

A. G. M. van Melsen (1968); "Evolutie en Wijsbegeerte" (Aula, Utrecht), p. 94.

Schöpfungslehre) und davor zurückschrecken, einen deus ex machina" in ihre Weltanschauung einzuführen, aber das hat prinzipiell mit der Frage nach der Wahrheit nichts zu tun. Es ist deshalb inkorrekt, diejenigen, die an eine Schöpfung als beste Erklärung der genannten wissenschaftlichen Beobach­tungen glauben, zu beschuldigen, sie seien "unwissenschaft­lich". Mit ebensoviel Recht kann man behaupten, daß die­jenigen unwissenschaftlich sind, die wissenschaftliche Tat­sachen durch etwas so Unwissenschaftliches erklären wie eine Evolution, die es nur in der Phantasie gibt.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch darauf aufmerk­sam machen, daß zwei "Beweise", die in manchen Lehrbüchern noch vorkommen, inzwischen wohl überholt sind. Erstens die sogenannten "rudimentären Organe", das sind Organe, die im Körper keinerlei Funktion (zu) haben (scheinen), wie der Wurmfortsatz am Blinddarm. Aber die Liste solcher Organe wird immer kürzer, in dem Maße wie man die Funktionen dieser Organe kennenlernt. Außerdem, wenn es sie schon gibt, können sie die Folge einer Variabilität innerhalb der mins sein; auf jeden Fall sind sie immer Beweise für Degene­ration, nie für Evolution. Der zweite überholte "Beweis" ist das "Biogenetische Grundgesetz" von Haeckel, das sagt, die embryonale Entwicklung vieler Tiere sei eine verkürzte Wie­derholung des Entwicklungsganges der ganzen Art; man denke nur an die sogenannten Kiemenspalten und die Schwanzbil­dung in menschlichen Embryos. Aber es steht außer Zweifel, daß die meisten Gelehrten heute überzeugt sind, daß diese Theorie auf nichts als Schwindel und Phantasie beruht.

(3) Die letzte, aber nicht unwichtige Gruppe von "Bewei­sen" wird durch die experimentellen Wissenschaften geliefert, vor allem durch die Vererbungslehre. Der Evolutionismus um­faßt nicht nur die Beschreibung historischer Prozesse (die nicht wiederholbar sind, sondern aus den Fossilien ersichtlich sein müssen), sondern auch die Erklärung heute auftretender wie­derholbarer Erscheinungen, die den Beweis liefern müssen, daß der Evolutionsprozeß noch immer im Gange ist, und zugleich, wie er in der Vergangenheit vor sich gegangen sein muß. Als die Evolutionslehre im vorigen Jahrhundert in ihrer gegen‑

wärtigen Hauptform aufgestellt wurde, glaubte man ganz opti­mistisch, daß es bald gelingen würde, sowohl die angenom­menen historischen Prozesse ausreichend zu dokumentieren, als auch den heute vor sich gehenden Evolutionsprozeß wahr­zunehmen und experimentell nachzuahmen. In beiden Hin­sichten haben die Evolutionisten völlig versagt und viel Zeit vergeudet mit dem Suchen nach etwas, das nicht da war. In der Vererbungslehre beginnt das Bewußtsein durchzu­sickern von der statistisch absoluten Unvereinbarkeit des einzigartigen und höchst komplizierten Charakters der Erb­faktoren (der Gene) mit einer neodarwinistischen Theorie über natürliche Auslese von zufällig auftretenden Gen‑Ver­änderungen (Mutationen). Selbst eingefleischte Evolutionisten nehmen mehr und mehr Abstand von dem Gedanken, daß das Entstehen hochspezialisierter Organe und Organismen die Folge der Auslese zufälliger Mutationen sein kann. Außer­dem sind spezialisierte Organe nur mitzlich, wenn sie voll­ständig sind; die Zwischenformen wären daher in der Evo­lution schon lange ausgemerzt worden. 10brigens, die weitaus meisten Gen‑Mutationen sind schädlich für den Organismus und vermindern seine Lebensfähigkeit und/oder Fruchtbarkeit und werden darum durch die natürliche Auslese ausgeschaltet statt begünstigt. An sich können sie in ganz besonderen Milieus, wie sie durch Züchter geschaffen werden, vorteilhaft sein, aber es ist allgemein bekannt, daß ausgelesene Bastarde, wenn sie sich selbst überlassen werden, sehr rasch zu den Elterntypen zurückkehren, und gezüchtete Formen zu ihrem ursprünglichen Stande. Was die Evolutionisten wirklich nötig haben, sind "Makromutationen" mit einem hohen selektiven Wert, aber die hat man nie gefunden. Überdies, was für prächtige Mutationen auch in bestehenden Genen auftreten, sie führen nie zum Entstehen ganz neuer Gene.

Man könnte sich fragen, wie es möglich ist, daß so viele Gelehrte so fest an Evolution glauben, obwohl die wissen­schaftliche Grundlage der Evolutionslehre so schwach ist. Ohne Zweifel liegt das zur Hauptsache daran, daß sie die biblische Alternative von vornherein ablehnen und die naturwissen­schaftliche Methode überschätzen. Ich habe mehr als einmal gelesen und persönlich gehört, wie Gelehrte zunächst die Möglichkeit einer Schöpfung ablehnen, weil sie nicht in das wis­senschaftliche Denken paßt, und allein aus diesem Grunde dann ihren Glauben an die Evolutionslehre aussprechen. Sogar die Ungläubigen, die ernsthafte Bedenken gegen die Evo­lutionslehre in ihrer heutigen Form äußern, zweifeln nicht an der Evolution selbst, wenn sie auch manchmal Hinweise und Erklärungen, die hierfür gegeben werden, kritisieren. In der jüngeren Generation wird solche Kritik immer stärker ge­äußert, aber es wäre unrealistisch, zu erwarten, daß die Evo­lutionslehre letzten Endes verworfen wird. Solange die mei­sten Gelehrten das Wort Gottes ablehnen, werden sie das Un­glaubliche glauben: eine unannehmbare und widerlegte Lehre, an die sie sich klammern, weil es ihre Religion ist.

Ein wichtiger Einwand gegen die Kreationisten ist immer, daß sie a priori (d. h. von vornherein) die Existenz eines Schöpfer‑Gottes annehmen, während von der "reinen Natur­wissenschaft" behauptet wird, sie habe keine a‑priori‑Annah­men und sei unvoreingenommen und objektiv. Aber welcher Gelehrte wagt zu leugnen, daß z. B. die Unveränderlichkeit von Naturerscheinungen eine Grundlage der Naturwissen­schaft ist ‑ und ist diese Unveränderlichkeit nicht eine un­bewiesene a‑priori‑Annahme? Oberdies liegt sie noch nicht ein­mal so auf der Hand, denn diese Annahme schließt in Wirklich­keit übernatürliche Wunder aus. Darum müssen die Materiali­sten die Existenz Gottes a priori ausschließen, jedenfalls eines Gottes, der in die Natur eingreift. Das bedeutet, daß sowohl der Kreationismus als der Evolutionismus sich auf a‑priori­-Annahmen gründen, und zwar entweder, daß ein Gott, der heute noch wirkt, existiert, oder eben, daß Er nicht existiert. Nun kann man natürlich einwerfen, es sei logischer, die Exi­stenz des Nicht‑Wahrnehmbaren (wie Gott) zu leugnen, als anzunehmen, weil ja die Annahme, es gebe einen Gott, L) wis­senschaftlich nicht nachprüfbar ist, und 2.) die Wissenschaft komplizierter macht, als für die Erklärung von Naturerschei­nungen nötig ist. Was den ersten Punkt der Unbeweisbarkeit Gottes angeht, ist die Antwort: Ja und? Es beweist lediglich die Begrenztheit der Naturwissenschaft, denn wer wagt zu sagen, die wahrnehmbare Wirklichkeit sei die einzige und vollständige Wirklichkeit? Die Naturwissenschaft ist ein System, das seiner Natur nach nur mit dem Wahrnehmbaren rechnet; aber dann darf man hinterher nicht triumphierend feststellen, daß mit diesem System nie eine Spur von Gott gefunden worden sei. Was für eine Torheit! Wenn Gott mit unseren Sinneswerkzeugen wahrgenommen werden könnte, dann wäre der Schöpfer ein Geschöpf wie wir. Und was den zweiten Punkt betrifft: ich habe in der Einleitung bereits darauf hingewiesen, daß gewisse Erscheinungen, wie die Ent­stehung des Lebens, kreationistisch viel besser zu verstehen sind als evolutionistisch.

Aber überdies, kann der Evolutionismus diese doppelte Kritik etwa besser durchstehen? Ich habe schon darauf hinge­wiesen, daß die Evolutionisten, was den ersten Punkt betrifft (den experimentellen Beweis für ihre Lehre), völlig versagt haben. Sie glauben an ihre Philosophie nicht etwa, weil diese wissenschaftlich so gut fundiert ist, sondern weil sie die Alternative eines Schöpfergottes verwerfen. Und um den zweiten Punkt, die unnötige Kompliziertheit ihrer Lehren, zu erkennen, brauchen wir uns nur in die vielen Hilfshypothesen zu vertiefen, die sie ‑ um ihre Lehre, die mit der Wirklich­keit im Widerspruch steht, akzeptabler zu machen ‑ aufstel­len mußten in der Geologie, der Paläontologie, der Taxono­mie, der Vererbungslehre usw. Kann eine Lehre, die nicht einmal den Grundforderungen genügt, die man an eine wis­senschaftliche Hypothese stellen darf, noch wissenschaftlich genannt werden? ') Eine Lehre, die überdies mit den Grund­sätzen der (statistischen) Mathematik und der Thermodynamik in ernsthaften Konflikt gerät? Die die Augen vor der immer größer werdenden Zahl von Tatsachen verschließt, die mit ihr in Widerspruch stehen? Deren Vertrauenswürdigkeit im um­gekehrten Verhältnis zu der enormen Anzahl von unbewie­senen Behauptungen steht, auf denen sie ruht? Sogar über­zeugte Evolutionisten geben zu, daß der Evolutionismus keine wissenschaftliche Hypothese oder Theorie genannt werden kann. ') Eine Hypothese ist ja dazu da, eine Anzahl beobach‑

1 ) Siehe W. J. Ouweneel (1971): "The scientific character of the evolution doctrine", Creat. Res. Soc. Quart. 8: 109‑115.

') Siehe z. B. B. Delfgaauw (1967) in "Evolutie en de filosofie, de biologie, de kosmos" (Aula, Utrecht), p. 12‑23.

teter Erscheinungen miteinander in Beziehung zu bringen, und wird ständig geändert und schließlich verworfen, je nach­dem neue Erscheinungen beobachtet werden. Aber die Evo­lutionslehre kann nicht verschwinden, denn sie hat in der Naturwissenschaft keine Alternative. Darum folgert Delf­gaauw, daß die Evolutionslehre ein "Postulat" sei, d. h. eine Forderung, die an das Denken gestellt wird in der Weise, da2, wenn man über ein bestimmtes Gebiet der Wirklichkeit nachdenken will, man gemäß dieser Forderung denken muß oder überhaupt nicht denken darf.

Nun, dafür bedanken wir uns. Wenn wir es also recht be­trachten, wird die Evolutionslehre niemals aufgegeben wer­den, selbst wenn alle Tatsachen dagegen sprechen, ganz ein­fach weil die Materialisten nichts anderes anzubieten haben. Aber der Materialismus ist nichts als eine Art Philosophie mit dem begrenzten Gesichtsfeld, das auch die Spinne hat, die nicht an den Förster glaubt, weil sie ihn nicht sehen kann. Wir mögen nicht nach den Pfeifen ihrer Postulate tanzen und behalten uns das Recht vor, ein geräumigeres Gesichts­feld zu erwählen. Nicht weil wir uns einbilden, aus uns selbst weiter sehen zu können, sondern weil wir die überraschende Entdeckung eines Schöpfers gemacht haben, der in der Ge­stalt des Sohnes selbst in unser (geistliches) Gesichtsfeld hat kommen wollen. Solch ein erweiterter Blick läßt uns schon bald erkennen, was der wahre Einfluß und die wahre Bedeu­tung der Evolutionslehre sind. Wir brauchen uns nur vor Augen zu halten, wie triumphierend die gelehrte Welt den Darwinismus aufnahm, weil er ihr die Möglichkeit gab, sich definitiv Gottes und der Bibel zu entledigen. Endlich konnten die sozialen Mißstände und das skrupellose Treiben der Ge­schäftsleute durch Darwins "Kampf ums Dasein" und "Ober­leben des Stärkeren" beschönigt werden. Das Gewissen konnte beruhigt werden: das Böse war ja ein unentbehrliches Element in der Entwicklung zum Guten. Der Evolutionismus brachte den Freibrief für das Aufblühen des Militarismus und des Rassismus, die zu den Weltkriegen führten; Hitler berief sich in seinem Rassenhaß und seinem Kriegsdrängen auf Darwin. Der Weg dahin war durch andere leidenschaftliche Darwi­nisten geebnet worden: durch den Militarismus eines von Treitschke und die Philosophie Nietzsches. Dieser letztere in­spirierte wiederum Mussolini zu seinen faschistischen Ideen in Italien. Karl Marx erkannte mit Dankbarkeit an, daß er die Grundlage für seine kommunistischen Ideen in der Lehre Dar­wins gefunden habe. Stalin wurde Atheist, nachdem er Darwin gelesen hatte. Auch die berühmte Psychologie Freuds hat ihre Wurzeln im Darwinismus. Shaws darwinistische Auffassun­gen kamen in seinen Romanen und Schauspielen zum Aus­druck. Der moderne Existentialismus von Camus, Heidegger und Sartre gründet sich auf den Darwinismus und wurde seinerseits eine der Grundlagen der modernen Theologie von Bultmann und anderen. Ganz zu schweigen von dem Aus­maß, in welchem die evolutionistische Philosophie das wissen­schaftliche Denken des übergroßen Teils der Naturwissen­schaftler getrübt hat, angeführt durch Männer wie J. Huxley, H. J. Muller und G. G. Simpson.

Natürlich sind unmoralische Folgen der Evolutionslehre an sich keine Beweise für ihre Unrichtigkeit. Aber sie zeigen doch, was der wahre Ursprung dieser Lehre ist. Man kann ein­wenden, Naturwissenschaftler seien nicht verantwortlich für die Folgen ihrer Lehre außerhalb ihres Fachgebietes, aber es ist auffallend, daß der Darwinismus gerade in seinen eigenen Reihen zu einer krassen Verminderung der wissenschaftlichen Sauberkeit geführt hat. Man braucht nur an die geschwollene Sprache von T. H. Huxley zu denken, oder an Haeckel ‑ wie Huxley ein erbitterter Feind des Christentums ‑, der embryo­logische Zeichnungen von sich und anderen mutwillig ent­stellte, um sie als "Beweise" für die Evolutionslehre gebrau­chen zL können (er wurde deswegen öffentlich angeklagt). Man weiß von Orten in den Vereinigten Staaten, an denen Fußspuren von Menschen und Dinosauriern in ein und der­selben Erdschicht gefunden wurden, wo man aber die mensch­lichen Spuren um der Lehre willen ausgelöscht hat *). Gerade die Abstammung des Menschen, die so sehr die Phantasie anspricht, hat viel Anlaß zu Betrug gegeben. Die ältesten Funde von menschlichen Überresten (in Calaveras, Castenedolo und Olmo), aus denen hervorging, daß die ältesten Menschen‑

Th. H. Epp: "True science agrees with Scripture", p. 37

typen uns glichen, werden geflissentlich ignoriert oder lächer­lich gemacht. Der berühmte Hesperopithecus ("Affenmensch des Westens") wurde aufgrund des Fundes eines einzigen Zahnes "geschaffen", der, wie sich später herausstellte, von einem Schwein stammte. Der noch berühmtere Pithecanthropus wurde in Schichten gefunden, die auch ganz normale menschliche überreste enthielten (die sehr lange verheimlicht wurden), war aber überdies selbst nicht mehr als ein irreführendes Sammel­surium von Menschen‑ und Gibbon‑Knochen. Und wer kennt nicht den Fall des Eoanthropus (des Piltdown‑"Menschen der Morgenröte"), der lange Zeit einer der Haupt‑"Beweise" für die Abstammung des Menschen aus affenartigen Vorfahren war, später jedoch als purer Schwindel entlarvt wurde. Abso­luter Betrug sind auch die suggestiven Zeichnungen wilder, behaarter Affenmenschen, die stärker als alles andere das große Publikum mit dem Evolutionismus vergiften. *)

Muß ich noch fortfahren? Muß es nicht jedem gläubigen Leser klar sein, daß der Evolutionismus aus keiner Schicht und keinem Winkel unserer korrupten Gesellschaft wegzu­denken ist? Universale Lehren wie der Darwinismus, haben genau die weite Verbreitung und den alles durchdringenden Einfluß, die der Antichrist brauchen wird, um seinen Welt­-Gottesdienst aufzurichten: die Verehrung von Nietzsches "Übermensch", dem Superprodukt des Evolutionsprozesses, der von allen Völkern als der edelste Mensch verehrt, aber durch Gott "das Tier" genannt wird, das Superprodukt des Degenerationsprozesses, der mit dem Sündenfall begonnen hat. Muß ich noch fragen, ob der bibeltreue Christ auch nur in irgendeiner Hinsicht einer Philosophie nachgeben darf, die eine der Wurzeln des Systems ist, das der Herr Jesus durch den Hauch Seines Mundes verzehren wird? Ich hoffe, daß die wenigen Worte, die ich diesem Gegenstand im Rahmen meiner Gedanken zum Schöpfungsbericht in 1. Mose 1 habe widmen können, dazu beigetragen haben, sowohl das Unwis­senschaftliche, als auch das Korrupte des Evolutionismus ans Licht zu stellen. In einer so kurzen Übersicht kann natürlich

*) Siehe F. W. Cousins: Jossil man", Evol. Prot. Movem., 1971

nur wenig von dem, was behauptet wird, durch Beispiele und Zitate bekräftigt werden. Manche halten das auch nicht für nötig, andere wollen gern mehr Gewißheit. Dem komme ich gern dadurch entgegen, daß ich außer den Büchern, die ich schon angeführt habe, noch einige vertrauenswürdige Bücher zu diesem Thema nenne:

Douglas Dewar (1957):

Robert E. D. Clark (1958):

Fred John Meldau (1959):

Paul A. Zimmermann (1959):

Evan Shute (1961):

Henry M. Morris (1966):

A. E. Wilder‑Smith (1966):

Bolton Davidheiser (1969):

"The transformist illusion".

"Darwin: before and after".

"Why we believe in creation, not in evolution".

"Darwin, evolution, and creation".

JIaws in the theory of evolu­tion".

"Studies in the Bible and science".

"Herkunft und Zukunft des Menschen".

"Evolution and Christian faith".

(Sehr zu empfehlen)

Der geistliche Inhalt des Schöpfungsberichtes

Unsere Betrachtung ist nach den vorangegangenen Gedan­ken über die Schöpfungstage durchaus nicht zu Ende. Wie im allgemeinen im Alten Testament, so gibt es auch in 1. Mose 1 mehr als eine Auslegung (schon Origenes hat darauf hinge­wiesen). Neben der wörtlichen Bedeutung, mit der wir uns bis hierher beschäftigt haben, gibt es, wie gewöhnlich, auch eine typologische (prophetische) Auslegung sowie eine prak­tische Anwendung für uns selbst. Wer mit den Bildern der Schrift einigermaßen vertraut ist, wird gewiß nicht annehmen, daß auf der ersten Seite der Bibel diese Bilder fehlen. Im Gegenteil, Gott ist der Gott, der von Anfang an das Ende verkündigt und von alters her, was noch nicht geschehen ist (Jes 46, 10). Bereits auf dem ersten Blatt weist Er in Bildern auf die Zukunft hin. Das war für den alttestamentlichen Gläu­bigen nicht zu verstehen, aber nachdem jetzt alle Ratschlüsse Gottes geoffenbart sind und der Heilige Geist in der Ver­sammlung wohnt, sind diese Ratschlüsse durch die Belehrung dieses Geistes an zahllosen Stellen im Alten Testament wie­derzufinden, und selbstverständlich auch auf der bilderreichen ersten Seite. "Alles, was zuvor (nämlich im Alten Testament) geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, auf daß wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben" (Röm 15, 4). "Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeit­alter gekommen ist" (l. Kor 10, 11). Wenn die alttestament­lichen Schriften eine prophetische Bedeutung haben, dann ganz gewiß der Schöpfungsbericht, der uns ja Gottes "Arbeitsplan" bei der Bereitung der ersten Schöpfung wiedergibt. Sollte das nicht eine Vorschattung davon sein, wie Gott die neue Schöp­fung zustande bringt? In sechs Tagen bereitete Gott aus der entstandenen Wüstheit und Leere eine wiederhergestellte und bewohnte Erde; sollte darin nicht ein Hinweis liegen auf die Art und Weise, in der Gott aus einer Welt, die durch den Sün­denfall unter den Fluch gekommen ist, eine neue Welt bereitet? Und ebenso darauf, auf welchem Wege Gott in dem dunklen Herzen eines Sünders Ordnung schafft? Einen deutlichen Be‑weis für die Richtigkeit dieser typologischen Anwendung finden wir jedenfalls in 2. Korinther 4, 6.

Hinzu kommt noch ein wichtiger Gesichtspunkt. Der Herr Jesus hat selbst gesagt: "Ihr erforschet die Schriften .... und sie sind es, die von mir zeugen" (Joh 5, 39). Den Emmaus­jüngern erklärte Er, von Moses und von allen Propheten an­fangend, in allen Schriften das, was Ihn betraf (Luk 24, 27). Wer die Schrift daraufhin untersucht hat, weiß, daß Christus tatsächlich auf jeder Seite des Alten Testamentes zu finden ist. ja, Gott, der noch mindestens vierzig Jahrhunderte warten sollte, bis Er den Erstgeborenen in den Erdkreis einführte (Hebr 1, 6), konnte sich nicht enthalten, in verhüllter Sprache schon auf die Herrlichkeit Christi hinzuweisen. Sobald Er in 1. Mose 1 zu sprechen beginnt, verkündigt Er denen, die Christus kennen und den Geist besitzen, in Bildern allerlei herrliche Aspekte Seiner Person. Ganz deutlich sehen wir das in Adam; Römer 5, 14 enthält den schlagenden Beweis, daß er ein Vorbild ist von Dem, der kommen sollte (s. die Verse 15‑21 und auch 1. Kor 15, 45‑49). Aber auch an den anderen Schöpfungstagen können wir Ihn finden.

Wir wollen daher die folgenden geistlichen Anwendungen des Schöpfungsberichtes näher ins Auge fassen:

1. Als Rahmen für unsere Betrachtung gehen wir ganz kurz

auf die geistliche Bedeutung der Zahlen eins bis sieben ein.

2. Dann suchen wir nach Vorbildern von Christus an den

aufeinanderfolgenden Tagen.

3. Danach werden wir an den einzelnen Tagen die geistliche Geburt und das geistliche Wachstum des einzelnen Men­schen vor Gott sehen, von seiner Wiedergeburt bis "zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus".

4. Dann die aufeinanderfolgenden Zeitabschnitte ("Haushal­tungen") in Gottes Heilsgeschichte, vom Sündenfall bis zu dem neuen Himmel und der neuen Erde.

5. Schließlich haben wir eine treffende Parallele zu verschie­denen anderen Bilderfolgen in der Schrift, wie den "Tagen" in Johannes 1 und 2, den sieben Festen Israels, den sieben Biographien im ersten Buch Mose und anderen.

(1) Die Zahlenstruktur von 1. Mose 1

Wir vergleichen die biblische Bedeutung der Zahlen eins bis sieben mit den kennzeichnenden Elementen der einzelnen Schöpfungstage, wie 1. Mose 1 sie berichtet. Damit erhalten wir eine Charakterisierung der sieben Schöpfungstage, die ein verläßliches Schema für geistliche Anwendungen von 1. NIlose 1 bildet, wie wir sie später machen werden. Für alle, die sich intensiver mit der Bedeutung der Zahlen beschäftigen möch­ten, verweise ich auf das Buch von F. W. Grant: "The nume­rical structure of Scripture".

Die Zahl e i n s spricht natürlich von Einheit und Einigkeit und damit von Unteilbarkeit und Unabhängigkeit. Das deutet unmittelbar auf das Wesen Gottes hin. "Jahwe ist Gott, keiner sonst außer ihm" (5. Mo 4, 35. 39). "Höre, Israel, Jahwe, unser Gott, ist ein einiger Jahwe" (5. Mo 6, 4). Sein Wesen ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm (l. Joh 1, 5). In Ihm ist das Licht vollständig von der Finsternis ge­schieden, wie am ersten Tag, der ein Gegenbild des Tages ist, von dem geschrieben steht: "Es wird ein einziger Tag sein, (er ist Jahwe bekannt) nicht Tag und nicht Nacht; und es wird ge­schehen zur Zeit des Abends, da wird es Licht sein ... und Jahwe wird König sein über die ganze Erde; an jenem Tage wird Jahwe e i n e r sein und sein Name e i n e r " (Sach 14, 7 und 9). Stichworte: das Wesen Gottes, Einigkeit, Unabhän­gigkeit.

Die Zahl z w e i ist die Eins, kombiniert mit einer anderen Eins. Das spricht von Teilung und Trennung (am zweiten Tag ist zweimal die Rede von Scheidung), und zwar häufig in negativem Sinn (am. zweiten Tag fehlt der Ausdruck: "Gott sah, daß es gut war"). Die Zwei redet auch von Ausbreitung (nämlich der Eins), was uns an die Ausdehnung erinnert. Zwei spricht auch von Abhängigkeit, meist im Sinne von Unterwor­fensein: "das, was unten ist," ist dein, "was oben ist," unter­worfen. Trennung und Abhängigkeit, in Verbindung mit Wasser (Kennzeichen des zweiten Tages), reden auch von (äußerer) Absonderung zu jemandem hin, wie durch die Taufe. Stichworte: Teilung, Absonderung, Abhängigkeit.

Die Zahl d r ei deutet hin auf das dritte Stück, das aus zwei Strecken ein Dreieck macht, also etwas Abgeschlossenes, was von Heiligung und Heiligtum spricht. Der Raum wird durch drei Dimensionen bestimmt; der vollkommene Raum ist ein Würfel (der drei gleiche Dimensionen hat); das Aller­heiligste hatte diese Form. Raum steht auch in Verbindung mit dem, was echt und wesentlich ist, und daher mit einer Fülle, wie sie vor allem in Gott zu finden ist: Gott ist einer, aber auf eine besondere Weise, nämlich dreieinig. Ein geschlossener Raum und eine volle Offenbarung der Fülle Gottes stehen in Verbindung mit dem Platz der Errettung, wovon das Trockene, umgeben von den Wassern, spricht. Dieser Platz wird durch die Wasser des Todes hin erreicht, darum ist der dritte Tag der Tag der Auferstehung und daher auch des Fruchttragens (fes 53, 11; Joh 12, 24). Wie die Frucht offenbart, was in dem Baum ist, so wird die Fülle Gottes geoffenbart durch den Tod und die Auferstehung Christi, zur Verherrlichung Gottes und gekannt durch die Geheiligten, Erretteten und Auferweckten. Stichworte: Auferstehung, Errettung, Frucht.

Die Zahl v i er ist die Verdoppelung der Zwei, also der Teilung oder Trennung, und infolgedessen ein Bild der Schwachheit des Geschöpfes. Aber es ist auch drei plus eins, die Verbindung von Gottes Souveränität mit Seiner herrlichen Offenbarung. Einerseits also ganz besonders das Irdische (man denke an die vier Ecken der Erde), andererseits der Einfluß des Himmlischen darauf (man denke an die vier Winde). Der vierte Tag spricht von den Himmelskörpern in ihrer Beziehung zur Erde als Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten usw. Darum redet die Vier von dem praktischen Wandel, von Prü­fungen, Erfahrungen und Versagen. Das erinnert an die Zeiten der Völker (vier Tiere, vier Reiche), aber auch an die himm­lische Gemeinde in jenen Zeiten, an unsere Stellung in den himmlischen örtern, aber auch an . die Mächte der Bosheit in den himmlischen örtern. Stichwörter: Praxis, Schwachheit, himmlischer Einfluß.

Die Zahl f ü n f ist eins plus vier, also der allmächtige Schöpfer in Beziehung zu dem nichtigen Geschöpf. Das spricht von Verantwortlichkeit; unsere fünf Sinnesorgane, fünf Finger und fünf Zehen, d. h. unser ganzer Wandel, sind besprengt mit dem Blut Christi (3. Mo 8, 24; '14, 14). Hiermit gehen Prüfungen und Bedrängrüsse Hand in Hand, woraus prak­tische Frucht für Gott hervorkommt: "Gewimmel in den Was­sern". Die Fünf spricht auch von der Vollendung, dem Ende des Weges der Verantwortlichkeit, dem Abschluß und der Be­lohnung dafür, der Erfüllung der Verheißungen. Stichworte: Verantwortlichkeit, Prüfung, Vollendung.

Die Zahl s e c h s spricht von menschlicher "Kraft", die meistens Schwachheit ist: eine Vollzahl der Teilung und Tren­nung (3 x 2), die mit einer völligen Entfaltung der Sünde (man denke an die Zahl des Tieres in Offb 13, 18) Hand in Hand geht. Aber sie spricht zugleich von dem schließlichen Sieg über die Sünde, wenn die Erde durch den wahren Menschen, Christus, unterworfen sein wird (4+2). Die Zahl sechs spricht von der vollen Kraftentfaltung des alten Menschen und des neuen Menschen. Der sechste Tag ist der Tag des Menschen, der über eine reine Erde regiert und dem das Getier unterwor­fen ist. Es ist der Tag des "erwachsenen Menschen Gottes" und des "Sohnes des Menschen, des letzten Adam". Stich­worte: Menschenwerk, Sieg, Kraft.

Die Zahl s i e b e n spricht von innerer Vollkommenheit. Es ist die Verbindung von vier und drei, also von der Fülle der Erde mit der Fülle des Himmels. Die Harmonie dieser beiden schließt göttliche Vollendung ein, in der Er ruhen kann. Die Schöpfung (4) ist wiederhergestellt und offenbart Gottes Fülle (3). Die Regierung des Sohnes des Menschen (6) geht in die des dreieinigen Gotes (1) über. Der siebente Tag ist der Tag der Vollendung der Werke Gottes und die Einführung der Schöpfung (des Geschöpfes) in die Ruhe. Stichworte: Voll­kommenheit, Vollendung, Ruhe.

(2) Christus in 1. Mose 1

Wir wollen nun zuerst die Herrlichkeit des Herrn betrach­ten, wiewohl es klar sein dürfte, daß auch in den anderen geistlichen Anwendungen diese Herrlichkeit zur Sprache kom­men wird. Was ist z. B. das geistliche Wachstum des Men­schen anders, als daß Christus immer mehr in ihm Gestalt gewinnt? Und was ist Ziel und Ende der Regierungswege Gottes mit dieser Schöpfung anderes als die Einführung und Verherrlichung des Erstgeborenen in dieser Welt? Aber es gibt auch eine innere Herrlichkeit Christi, die über diese Wege Gottes hinausgeht und besonders in 1. Mose 1 zu ent­decken ist. Wir haben bereits gesehen, daß die ersten drei Tage eine Einheit bilden, die mit den folgenden drei Tagen genau parallel

die Bereitung der großen Zeit‑ und Welträume (Tage, Nächte, Himmel, Erde, Meere) und an den folgenden drei Tagen ihre Bewohner. In Übereinstimmung damit finden wir an den ersten drei Tagen die drei großen Aspekte der Herrlichkeit Christi und an den letzten dreien die praktische Offenbarung und die Folgen dieser Herrlichkeiten.

läuft An den ersten drei Tagen finden wir

Der Herr Jesus ist der Sohn Gottes. In gewissem Sinn

ditickt dieser Titel bereits Seine Herrlichkeit aus, weil der Herr in dreifacher Hinsicht Sohn Gottes ist. Und das hat wiederum drei Folgen.

1. Er ist von Ewigkeit her Sohn Gottes als der eingeborene

Sohn, der im Schoß des Vaters ist. ‑ Als solcher ist Er, das

Wort, Fleisch geworden, um Gott als Vater kundzurnachen;

so war Er das Licht der Menschen, das in der Finsternis scheint

(joh 1, 5. 14. 18). (l. u. 4. Tag)

2. Er ist seit Seiner Menschwerdung und durch sie Sohn Gottes als der durch Gott Gezeugte und als "das Heilige", das aus Maria geboren wurde (Apg 13, 32. 33; Luk 1, 35). ‑Als solcher ist Er der Messias Israels, der jedoch durch Sein Volk verworfen ist (Apg 4, 25. 26; Ps 2, 1‑7). (2. u. 5. Tag)

3. Er ist als Sohn Gottes in Kraft erwiesen durch Toten­auferstehung (Rörn 1, 4). ‑ Als Erstgeborener aus den Toten wird Er in allen Dingen den ersten Platz einnehmen und alle Dinge mit Gott versöhnen (Kol 1, 18‑20). (3. u. 6. Tag)

Wir haben gesehen, daß der e r s t e Tag von der Einheit, Einigkeit und Absolutheit des Wesens Gottes spricht. Der Herr Jesus ist als der ewige Sohn des Vaters der einzige und vollkommene Ausdruck dieses Wesens Gottes. Er war von Ewigkeit her das Wort, der Logos, der Ausdruck Gottes; als solcher war Er bei Gott und zugleich Gott selbst. Seit Seiner Fleischwerdung ist Er auch für die Menschen das sichtbare und erkennbare Bild des unsichtbaren Gottes, und nun Er in Seine eigene Schöpfung eingetreten ist, ist Er, weil Er der Schöpfer ist, notwendigerweise der Erstgeborene der ganzen Schöpfung (Joh 1, 1. 2; Kol 1, 15. 16). Er schuf nicht das Licht, denn Er ist Gott und daher selbst das Licht. In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt. Das war das wahrhaftige Licht, welches, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet. Dieses Licht ist es, das zwischen Tag und Nacht scheidet, das offenbar macht, wer von dem Tage und wer von der Nacht ist (Joh 1, 4. 5. 9; Eph 5, 11‑13; 1. Thess 5, 5).

Am ersten Tag ist von Licht im allgemeinen die Rede, aber am v i e r t e n Tag von besonderen Lichtträgern. So war im Alten Testament viel Licht von Gott bekannt, und all das Licht kam ohne Zweifel durch den Sohn zu den Men­schen; denn Er allein ist der Ausdruck Gottes, durch den Gott gekannt wird (s. z. B. Joh 12, 38‑41). Aber die Quelle dieses Lichtes wurde nicht gekannt, bis der Sohn Blut und Fleisch annahm und kam, um unter uns zu wohnen, und sprach­"Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh 14, 9).

Der vierte Tag spricht von himmlischem Einfluß auf die Erde (s. oben), durch den die Schwachheit des Geschöpfes offenbar wird. Er war die herzliche Barmherzigkeit Gottes, in welcher uns der Aufgang aus der Höhe besucht hat, um denen zu leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen (Luk 1, 78. 79; vgl. 2, 32; Jes 9, 1; 42, 6; 49, 6).

Wie der erste Tag von der Gottheit Jesu spricht, so spricht der z w e i t e Tag von Seiner Menschheit. Adam war der erste Mensch, aus der Erde, von Staub, Christus ist der z w e i t e Mensch, aus dein Himmel (l. Kor 15, 47). Als Er Mensch wurde, hörte Er nicht auf, Gott zu sein, sondern Er hat z w e i Naturen: Er ist vollkommen Gott, und Er ist voll­kommen Mensch. Er war ein dreieiniger Mensch, wie wir es sind (d. h. mit menschlicher Seele, menschlichem Geist und menschlichem Leib), und zugleich wohnte der dreieinige Gott in Ihm (die ganze Fülle der Gottheit; Kol 1, 19; 2, 9). "Das, was unten ist," (das Menschliche) und "das, was oben ist," (das Göttliche) ist in Ihm vollkommen vereinigt und doch unterschieden. Er war als Mensch vollkommen von der Sünde geschieden und zu Gott abgesondert. Als solcher war Er hoch über alle Menschen erhaben. Doch war zugleich niemand niedriger und abhängiger von Gott als Er, der als Gott völlig unabhängig war (obwohl immer eines Willens mit dem Vater), aber als Mensch dem Willen Gottes völlig unterworfen (vgl. 1 mit 2).

Dieser Gehorsam wurde durch Gott aufs äußerste erprobt. Davon spricht der f ü n f t e Tag. "Obwohl Er Sohn war, lernte Er an dem, was Er litt, den Gehorsam; und, vollendet worden, ist Er allen, die Ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden" (Hebr 5, a. 9). Alle Wasser des Gerichtes Gottes sind über Ihn hingegangen (Ps 42, 7; 69, 1. 2; Jona 2, 4. 6). Aber in diesen Wassern brachte Er für Gott reichlich Frucht hervor, und "das Gevögel (der himmlische Mensch) mehrte sich auf der Erde". Als der durch Gott gezeugte Messias wurde Er verworfen von den "Nationen und Völker­schaften, den Königen der Erde und den Fürsten (Israels)" (Ps 2, 1‑7); auch hiervon sind die Wasser ein Bild (Jes 17, 12; Offb 17, 15), So konnte Er kein König über Zion mehr sein, und es schien, als habe Er vergeblich gearbeitet (Jes 49, 3‑6). Aber Gott wird Ihm als Frucht Seines Werkes eine reiche Ernte aus den Wassern (den Völkern) geben, wie im Vorbild in Joh 21; eine Menge Fische, "eine große Volksmenge, welche niemand zählen kann" (Offb 7, 9‑17). Aber die Hauptbedeu­tung scheint mir doch die Frucht, die der Herr Jesus in Seinem Leiden für Gott selbst hervorbrachte: Gott ist in Ihm, dem warhaftigen Menschen, aufs höchste verherrlicht worden (Joh 13, 31; Ps 116, 15; Hebr 9, 14).

Der d r i t t e Tag spricht, wie wir gesehen haben, von Auf­erstehung. Der Herr ist am d r i t t e n Tag auferstanden. Durch Totenauferstehung ist Er als Sohn Gottes in Kraft er­wiesen (oder bestimmt) (Röm 1, 4); das ist insofern ein neuer Aspekt Seiner Herrlichkeit als Sohn, als Er dadurch, daß Er aus den Toten auferstand, bewies, Gott der S*ohn zu sein, aber ‑ Er tat dies als Mensch, denn nur als Mensch konnte Er sterben. Der gestorbene Mensch (der gezeugte Sohn Gottes) bewies, daß Er der ewige Sohn Gottes war. Damit war Sein Werk zur Verherrlichung Gottes vollendet, und Er empfing als Lohn dafür nun auch als M e n s c h die Herrlichkeit, die Er als der ewige Sohn bereits von Ewigkeit her besaß (Joh 17, 4. 5). Als solcher ist Er aus den Wassern des Todes herauf­gestiegen und steht nun auf "dem Trockenen", dem Platz der Errettung für jeden, der glaubt. Das Weizenkorn ist in die Erde gefallen und gestorben und trägt nun Auferstehungs­frucht (Joh 12, 24; vgl. auch Jes 53, 10). Es ist jetzt ein trockener Ort da, an den die Wasser nicht mehr kommen können: wo es für die, die "in Christus Jesus" sind, keine Verdammnis mehr gibt (Röm 8, 1).

Der s e c h s t e Tag kündigt den Sieg an auf Grund der Auferstehungskraft Dessen, der sich nach Seiner dreifachen Gottessohnschaft nun als der Sohn des Menschen offenbart, der durch Gott mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und zum Herrscher über die Werke Seiner Hände gemacht ist (Ps 8). Als geschlachtetes und verherrlichtes Lamm Gottes wird Er das Erbe in Besitz nehmen und die Sünde der Welt weg­nehmen (ich 1, 29; Offb 5, 6. 7). Er ist der Erstgeborene aus den Toten, auf daß Er in allem den Vorrang habe; denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in Ihm zu wohnen und durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen; es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln (Kol 1, 18‑20). Er ist der letzte Adam (i. Kor 15, 45), das Bild Gottes (2. Kor 4, 4; Kol 1, 15), Herrscher über die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die Fische des Meeres (Ps 8, 6‑8). Die Frucht Seiner Auferstehung wird schließlich die Auferstehung der ganzen Schöpfung sein.

Der s i e b e n t e Tag ist die Zusammenfassung der ganzen Herrlichkeit Christi und der Vollkommenheit und Allgenug­samkeit Seines Werkes. In Seiner Person, und in Ihm allein, hat Gott vollkommen Ruhe gefunden, und "da, wo Gott mit Wonne ruhet, bin auch ich in Ruh' gesetzt", und die ganze Schöpfung ebenfalls. Wenn eine gläubige Seele Ruhe hat, wenn noch eine Sabbathruhe für das Volk Gottes aufbewahrt ist (Matth 11, 28; Hebr 4, 9), ja, wenn Gott selber ruhen kann, dann ist das alles allein in Christus Jesus, in der Voll­kommenheit Seiner Person und Seines ganzen Werkes, das Er angesichts des Himmels und der Erde und all ihres Heeres vollbracht hat.

(3) Die geistliche Entwicidung des einzelnen Menschen

Wir haben bereits gesehen, daß 1. Mose 1 uns den all­gemeinen Plan beschreibt, nach welchem Gott Ordnung schafft, sowohl in der durch den Sündenfall verdorbenen Welt (von Adam bis zu dem neuen Himmel und der neuen Erde), als auch in dem durch die Sünde verdorbenen Herzen des Menschen. Wir haben auch gesehen, daß der Mensch rein, unschuldig, gut aus Gottes Hand hervorgegangen war, geschaffen in Seinem Bilde und nach Seinem Gleichnis. Aber als solcher war er auch ein verantwortliches Geschöpf, mit einem klaren Auftrag, einem klaren Verbot und einer klaren Strafankündigung, falls er dieses Gebot übertreten würde. So wurde der Mensch auf die Probe gestellt, und zwar unter den idealsten Umständen. Aber es gefiel ihm, dem Teufel mehr Glauben zu schenken als Gott, ja, Gottes Gerechtigkeit und Liebe in Zweifel zu ziehen. So wurde sein Herz durch die Übertretungen eines einzigen Gebotes "wüst und leer­und von Finsternis erfüllt. Der natürliche Mensch ist der Schauplatz der Verwüstung, die durch die Sünde in ihm angerichtet ist. Er ist leer und unfruchtbar für Gott, lebt in Finsternis, tut die Werke der Finsternis und ist selbst Finster­nis. Und er wird beherrscht durch die Wasser des Todes­urteils. "Der Zorn Gottes bleibt auf ihm" (Joh 3, 36). Er ist nur noch ein Hauch, "Eitelkeit" (eine andere Übersetzung für "Wüstheit", wie wir bereits gesehen haben). Epheser 4, 17. is drÜckt es so aus: "Die Nationen wandeln in Eitelkeit ihres Sinnes, verfinstert am Verstande, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verstockung ihres Herzens". Das ist der Zustand jedes Men­schen von Natur, nicht nur düster und tot, sondern darüber hinaus ohne die Fähigkeit, dies selber zu erkennen. Aber wenn es Gott gefällt, bewirkt Er selber hierin eine Änderung. Das ist aber nicht so ohne weiteres möglich; dafür braucht Gott eine Grundlage. Wenn Gott Gnade erweist, dann muß Er dafür einen Grund haben, denn Seine Gerechtigkeit muß befriedigt werden. Diesen Grund hat Er in der Person und dem Werk des Herrn Jesus gefunden, die ‑ wie wir gesehen haben ‑ in diesen sieben Tagen vorgestellt werden. Christus ist also der Ausgangspunkt des Handelns Gottes mit dem Menschen, aber Er ist zugleich der Endpunkt, das Ziel. Gott will den Menschen nicht nur von Sünden befreien, sondern ihn dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig machen. Und der ganze Weg der sieben Tage dient dazu, die Seele immer mehr mit Christus in Verbindung zu bringen.

Das erste Zeichen dafür, daß Gott an der Seele wirkt, ist, daß "der Geist Gottes über den Wassern schwebt". Der Herr hat gesagt, daß, wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, er nicht in das Reich Gottes eingehen kann (Joh 3, 5). Der Geist Gottes muß wirksam werden und das Wasser des Wortes (vgl. Eph 5, 26) auf die Seele anwenden; Gott muß Sein Wort sprechen, damit Ordnung in das Chaos kommt. "Die Eröffnung deines Wortes gibt Licht" (oder "er­leuchtet") (Ps 119, 130). "Der Gott, der aus der Finsternis Licht leuchten hieß, hat in unsere Herzen geleuchtet zum Licht­glanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi" (2. Kor 4, 6). Am e r s t e n Tag bringt Gott also Licht in die Seele durch Seinen Geist und Sein Wort, die die Wiedergeburt bewirken (Tit 3, 5; Jak 1, 18; 1. Petr 1, 23). Dieses Licht, das in der Finsternis erscheint, ist der Herr Jesus selbst (Joh 1, 4. 5), aber auch der Wiedergeborene, der früher Finsternis war, ist jetzt Licht in dem Herrn (Eph 5,8). Zwi­schen diesem Licht und der Finsternis macht Gott immer eine scharfe Trennung. Gläubige und Ungläubige gehören nicht zusammen, "denn welche Gemeinschaft hat Licht mit Finster­nis *'," (2. Kor 6, 14) Darum "wehe denen, die das Böse gut hei­ßen und das Gute böse; welche Finsternis zu Licht machen, und Licht zu Finsternis" (Jes 5, 20). Gott nennt das Licht Tag, und die Finsternis Nacht. Die Söhne des Lichtes sind Söhne des Tages; sie sind nicht mehr von der Nacht oder von der Finsternis (l. Thess 5, 5; Joh 12, 36).

Wo das Licht und das neue Leben wirksam werden, da sind noch lange nicht der volle Friede und die volle Seligkeit er­reicht ‑ wir sind erst am ersten Tag! Im Gegenteil, das erste, was das Licht tut, ist, das Herz des Menschen völlig bloßzu­legen. "Das Licht ist es, welches alles offenbar macht" (Eph 5, 13). Dadurch wird der Sünder sich selbst offenbar, und das ist die Erfahrung des z w e i t e n Tages. Es ist keine ange­nehme Erfahrung! Die ganze Verdorbenheit des Fleisches kommt ans Licht, so daß der Wiedergeborene sein Fleisch hassen lernt. Für ihn ist vorerst wenig Grund zur Freude vor­handen, statt dessen gibt es bei ihm Tränen über das Elend seines Zustandes und über seine Ohnmacht, das Gute zu tun. Darum fehlen hier die Worte "Gott sah, daß es gut war". Aber die Seele entdeckt jetzt auch, daß sie eine neue Natur empfangen hat, die das Gute will und das Böse haßt. So wie am ersten Tag eine Scheidung zwischen Licht und Finsternis zustande kam, so muß der Wiedergeborene nun lernen, zwi­schen seiner alten und seiner neuen Natur zu unterscheiden. Gott hat in ihm eine Ausdehnung geschaffen; dadurch kann er in einer neuen, himmlischen Atmosphäre atmen, und dadurch ist zwischen der alten Natur, die von dieser Erde ist, und der neuen Natur, die himmlisch ist, eine Scheidung gemacht.

Aber das bringt einen Konflikt mit sich. Der Wiedergebo­rene hat lernen dürfen, daß er eine neue Natur hat, aber ihm fehlt noch die Kraft, die himn‑dische Natur allein wirken zu lassen. Er sagt mit Paulus: "Wenn ich aber das, was ich nicht Will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, daß es recht ist. Nun aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde. Denn ich weiß, daß in mir, das ist in mei . nem Fleische, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich. Wenn ich aber dieses, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde" (Röm 7, 1&‑20). Er kennt also den Unterschied zwischen sei­nem neuen "Ich" (der neuen Natur) und seinem Fleisch, der Sünde in ihm (der alten Natur), und obwohl er das Gute will, fehlt ihm die Kraft, es zu tun. Dieser Zustand ist noch nicht "gut" zu nennen, aber er ist wohl nötig, denn je stärker die Verdorbenheit des Fleisches erfahren wird, desto stärker wird das neue Leben wirksam werden können.

Damit es dazu kommt, muß der d r i t t e Tag anbrechen. Römer 7 muß in Römer 8 übergehen. Wenn die Seele ausge­ rufen hat: "ich elender Mensch, wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?", dann muß die Antwort folgen: "Ich danke Gott durch Jesum Christum, unseren Herrn! . . . Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind; denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes" (7, 24 ‑ 8, 2). Der dritte Tag ist der Tag der Auferstehung und der Errettung, wie wir gesehen haben. Es ist der Tag, an dem der Bekehrte nicht mehr auf sich selbst sieht, sondern völlig auf Christus und sein allgenugsames Werk vertraut; der Tag, an dem er "in Christus Jesus" ist, auf dem Trockenen, sicher vor den Wassern des Gerichts. Es ist der Tag, an dem er an Den glaubt, der Jesum aus den Toten auferweckt hat zu seiner Rechtfertigung, so daß er durch den Herrn Jesus Frieden mit Gott hat (Rörn 4, 24‑5, 1). Es ist der Tag, an dem er erkennen lernt, daß er mit Christus lebendig gemacht und auferweckt ist und in Ihm versetzt ist in die himmlischen Örter (Eph 2, 4 ‑‑‑ 6). Seine Sünden wurden schon lange vergeben, nämlich am ersten Tag, aber nun ist er auch völlig befreit von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Er erkennt, daß sein Fleisch zwar verdorben ist, aber auf dem Kreuz sein Ende gefunden hat. Christus ist nun der Maßstab für sein neues Leben geworden. Er ist in Ihm, heraufgeführt aus den Wassern. "Daher, wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden" (2. Kor 5, 17). Er gehört Dem an, Der aus den Toten auferweckt worden ist, auf daß er Gott Frucht brächte (Röm 7, 4). Vorher gab es keine Frucht; wo die Seele mit sich selbst, mit ihrem verdorbenen Zustand beschäftigt ist, wird niemals Frucht für Gott gefunden. Aber jetzt, von der Sünde freigemacht und Gottes Sklave geworden, hat er seine Frucht zur Heiligkeit und als das Ende ewiges Leben (Röm 6, 22). Diese Frucht kommt aus der Erde hervor, wird "in Christo" und aus Ihm hervorgebracht: "gewurzelt und auferbaut in ihm" (Kol 2, 7). Die erste Frucht ist das einfache grüne Gras, ein Zeichen neuen Lebens. Aber dann folgt Gewächs, das sich selbst wieder aussät sich vermehrt und anderswo auch wieder aufsprießt: anderen zum Segen ist. Und bei noch weiterem Wachstum kann der Gläubige sogar mit einem fruchttragen­den Baum verglichen werden (vgl. Ps 1, 3; 92, 12; Hohel 7, 7; Jer 17, 7. 8). jetzt erst kann Gott wieder etwas sehen, Aas gut ist"; vorher konnte Er das nur von Seinem eigenen gött­lichen Licht sagen.

Die folgenden Tage zeigen uns weitere Einzelheiten des geistlichen Wachstums. Dabei laufen auch hier die zweiten drei Tage parallel mit den ersten dreien. Am ersten Tag schien das Licht Gottes in das dunkle Sündenherz; nun muß das Licht auch zu einer Lampe für den Fuß werden und zu einer Quelle, deren Licht der Gläubige widerspiegelt. Das ist der v i e r t e Tag, der von unserer Praxis und unserer Schwachheit darin spricht und von himmlischen Einflüssen, die uns leiten sollen. Der Gläubige muß verstehen lernen, daß sein Bürgertum in den Himmeln ist (Phil 3, 20) und seine Stellung und sein Kampf in den himmlischen örtern (Eph 2, 6; 6, 12). Am ersten Tag wurde nur das Licht selber gesehen; jetzt kennt der Gläubige die Quelle dieses Lichtes: die Sonne der Gerech­tigkeit, Christus Jesus, das "große Licht". Aber jetzt wird auch die Verantwortlichkeit des Gläubigen sichtbar. Das große Licht ist für ihn nicht nur "zu Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten", sondern er muß auch selber sein wie der Mond, das "kleine Licht", das das Licht der Sonne widerstrahlt in der Dunkelheit der Nacht. Er muß sein wie "ein Brief Christi", geschrieben auf fleischerne Tafeln des Herzens. Er darf nicht nur die Herrlichkeit des Herrn anschauen, sondern er muß auch in dasselbe Bild verwandelt werden, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist (2. Kor 3, 3. 18). Das geht mit Schwachheit gepaart; so wie der Mond ständig sein Aussehen verändert und die Helligkeit seines Lichtes immerfort wechselt, so ändert sich auch das Maß, in welchem die Herrlichkeit Christi in dem Gläubigen zum Ausdruck kommt. Aber wenn die Gesinnung Christi Jesu in uns ist, sind auch wir ‑ so wie Er das Licht der Welt war ‑ "unbe­scholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheinet wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort des Lebens" (Phil 2, 15. 16).

Wo ein Gläubiger geistlich gesinnt ist, auf den Herrn sieht und Sein Bild in der Welt darstellt, da kann Gott diesen Glauben und dieses Zeugnis auf die Probe stellen, damit in der Prüfung köstliche Frucht für Ihn hervorkommt. Das ist der f ü n f t e Tag, der von Verantwortlichkeit und Erprobung spricht. Die übereinstimmung mit dem zweiten Tag liegt darin, daß gerade da auch Konflikte gefunden werden. Aber da waren es innere Spannungen, nämlich zwischen der alten und der neuen Natur, hier geht es um den Konflikt des Gläubigen, der sich inmitten einer feindlichen Welt und den Mühen der irdischen Umstände befindet. Dort brachte das Fleisch in ihm Bedrängnisse hervor, hier bringen die Be­drängnisse um ihn herum Frucht für Gott hervor. Hier sind es nicht einfach die Früchte des neuen Lebens, wie am dritten Tag, sondern die Früchte der Leiden und Prüfungen, wie wir es bei dem Herrn Selber sahen. Diese Frucht ist Jebendige Seele"; die Seele ist der Sitz des Lebens, der bewußten Ge­fühle. Hier werden inmitten der Bedrängnis lebendige Ge­fühle für den Herrn geweckt; hier wirkt die Trübsal Aus­harren, und das Ausharren Erfahrung, und die Erfahrung Hoffnung (Röm 5, 3. 4). Hier werden sowohl große Wasser­tiere sichtbar, wie die mächtige Glaubenstat eines Abraham, der seinen Sohn opferte, als auch das lebendige Gewimmel all jener namenlosen, vergessenen Gläubigen, die dem Herrn in der Bedrängnis treu geblieben sind. (Vielleicht müssen wir bei den großen Wassertieren an eine negative Bedeutung denken; vgl. (4) ). Hier erhebt sich der himmlische Mensch auf Flügeln zu Gott, um sich in himmlischen Sphären zu be­wegen, bringt aber zugleich auf der Erde Frucht hervor. Dieses Fruchttragen wird durch den Segen Gottes Selbst gestützt.

Wenn der Gläubige innerlich das Bild Christi zeigt und in den äußeren Prüfungen für Gott Frucht hervorbringt, dann kann der s e c h s t e Tag folgen. Da wird nicht mehr nur Frucht gefunden als Folge der Unruhen der Drangsale, son­dern da bringt die E r d e Jebendige Seele" hervor: da werden tiefe und kostbare Gefühle für den Herrn gefunden als Folge einer innigen, lebendigen Verbindung mit Ihm Selber, wo Er alles ist für die Seele. Da ist der Gläubige nicht nur "in Christo", das ist die Erde am dritten Tag, sondern da wird auch nichts anderes mehr begehrt, gekannt und genossen als Christus. Da gewinnt der letzte Adam völlig in dem Gläubigen Gestalt, da ist er gekommen "zu dem erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus" und herangewachsen "zu ihm hin, der das Haupt Ist, der Christus" (Eph 4, 13.15). Das ist das Endziel der geist­iidien Entwicklung des Gläubigen, daß er selber ganz weg­fällt und nur Christus in ihm gesehen wird. Das ist das Kennzeichen der "Väter" in Christo, die zu diesem vollen Wachstum gekommen sind, denn von ihnen kann Johannes als einziges Kennzeichen nennen, daß sie Ihn kennen, der von Anfang ist. Sie sind keine Kinder mehr, denn sie haben den Kampf in den himmlischen örtern gekämpft und den Bösen überwunden, und das Wort Gottes bleibt in ihnen (vgl. den vierten Tag); und sie sind keine Jünglinge mehr, denn die Welt übt auf sie nicht die geringste Anziehungskraft mehr aus, sondern sie vollbringen in dieser Welt den Willen Gottes (vgl. den fünften Tag) (i. Joh 2, 12‑17). Sie haben sich vollkommen unter den zweiten Menschen" gefangen gegeben, und mit Ihm haben sie Kontrolle über alle Aspekte ihres Lebens. Die Seele ist ganz mit Christus verflochten, wie die Frau in dem Manne beschlossen ist in e i n e m Men­schen: "Gott schuf den Menschen, Mann und Weib schuf er sie". Sie nähren sich von dem, was in Verbindung mit dem auferstandenen und verherrlichten Christus hervorgebracht wird (vgl. den dritten Tag). dem "Getreide des Landes" (Jos 5, 11). Es ist Nahrung, die von Leben und Vermehrung spricht.

Die Endphase der geistlichen Entwicklung ist die Einfüh­rung des Gläubigen in die vollkommene Ruhe Gottes. Am dritten Tag empfing er Ruhe für sein Gewissen und Frieden mit Gott (Matth 11, 28; Röm 5, 1); am sechsten Tag sehen wir die praktische Ruhe für die Seele, die dem Aufnehmen des Joches des Herrn und dem Lernen von Ihm folgt (Matth 11, 29), und den Genuß des Friedens Gottes und des Christus (Phil 4, 7; Kol 3, 15; Joh 14, 27). Aber am s i e b t e n Tag

folgt die endgültige, die vollkommene Ruhe Gottes. Es bleibt ja noch eine Sabbathruhe dem Volke Gottes aufbewahrt. Und wer in Gottes Ruhe eingegangen ist, ist auch selbst zur Ruhe gekommen von seinen Werken, wie Gott von den Seinen (Hebr 4, 9. 10). Diese Ruhe wird im Himmel genossen, rund um den Thron Gottes; mögen von diesem Thron auch Blitze, Stimmen und Donner ausgehen, sie werden niemals die Ruhe der Kinder Gottes dort stören, denn ihre Ruhe ist ebenso unerschütterlich wie der Thron Gottes selbst. Da wird auch Gott von all Seinen Werken ruhen, die Er getan hat, um uns zu erziehen zum vollen Wuchse in Christus, aus Welchem die Gläubigen mit dem Wachstum Gottes wachsen (Kol 2, 19).

(4) Die heilsgesddchtlichen Haushaltungen Gottes*)

Gott hat einen Plan, nach welchem Er bei jedem auserwähl­ten Menschen zu Werke geht. Aber ebenso hat Er einen Plan mit der Menschheit; nicht mit allen Menschen, sondern mit der Menschheit im ganzen. Und auch dieser Plan wird in 1. Mose 1 in Vorbildern dargestellt. Im Verlauf der Heilsge­schichte hat Gott den Menschen auf alle mögliche Weise er­probt, und Er wird das noch tun. In verschiedenen Zeitab­schnitten ("Haushaltungen") hat Gott das in immer wieder anderer Weise getan. Und immer zeigte sich dabei die Ver­dorbenheit des natürlichen Menschen: wann immer Gott ihn auf die Probe stellte, versagte er augenblicklich und kehrte Gott den Rücken zu. Darauf mußte Gott über das Ganze das Gericht bringen, und Er konnte Seine Verheißungen und Seg­nungen nur an einem kleinen Oberrest erfüllen, den Er vor dem Gericht bewahrte und in die folgende Haushaltung hin­überbrachte, wo dieser Überrest dann verwirklichte, was in der vorigen Haushaltung verdorben worden war. Hierdurch kommt es zu einer bedeutsamen Kontinuität (Zusammen­hang) zwischen den Haushaltungen, die bei der Auslegung der Schöpfungstage vernachlässigt worden ist. Die Tage stellen bildlich zwar bestimmte Zeitabschnitte dar, enthalten aber außerdem Grundsätze, die an vorige Perioden erinnern und vor allem auch auf nachfolgende Haushaltungen vorausgreifen. Die sorgfältigste Auslegung scheint mir daher viel eher darin zu liegen, diese Grundsätze ans Licht zu stellen, als die Tage auf bestimmte Zeitabschnitte festzulegen.

Die Heilsgeschichte Gottes beginnt natürlich da, wo Heil nötig ist: auf einer "wüsten und leeren" Erde, einem Erdboden,

*) Vgl. Ph. Mauro~ Der Tag des Menschen'; A. J. Pollock: "Genesis 1 and II, Historically and typically considered"; u. a.

der wegen des Sündenfalles des ersten Menschen verflucht ist. Da beginnt der Geist Gottes zu wirken, um die Menschheit zu Gott zurückzubringen. Der e r s t e Tag spricht von Unab­hängigkeit; aber hier ist das die Empörung des ersten Men­schen, der dadurch zu Fall kommt. Dem gefallenen Menschen, der in Finsternis ist, gibt Gott in 1. Mose 3 das Licht; dort, wo Er dem Menschen den Tod angekündigt hatte, vollzieht Er ihn an einem unschuldigen Tier und bekleidet den Menschen mit dessen Fell. Die Gerichtsankündigung für die Schlange wird indirekt zu einer leuchtenden Verheißung an den Men­schen (vgl. 2. Petr 1, 19), offenbart aber zugleich eine von da an scharfe Trennung zwischen dem Licht und der Finsternis: dem Samen des Weibes und dem Samen der Schlange. Abel und Kain werden die ersten Vertreter dieses zweierlei Samens: die Söhne des Tages und die Söhne der Nacht (vgl. 1. Joh 3, 9‑12). Dieser zweifache Same existiert noch immer: immer noch gibt es Märtyrer des Samens des Weibes (angefangen mit Abel), dem die Ferse zermalmt wird; und andererseits haben wir die Verheißung, daß der Satan in kurzem unter unsere FÜße zertreten werden wird (Röm 16, 20). In 1. Mose 4 wird die Linie der Finsternis fortgeführt bis auf Lamech und zeigt uns dabei alle Aspekte der gottlosen Welt der Finsternis; sie geht in 1. Mose 6‑8 in der Sintflut unter. In 1. Mose 5 wird die Linie des Lichts weitergeführt bis auf Noah, der in der Flut erhalten bleibt und auf einer gereinigten Erde anlangt. Diese Kapitel teilen uns zugleich im Vorbild mit, worauf die Linien von Licht und Finsternis in der Zukunft hinauslaufen. In Kain, der Abel ermordet, sehen wir ein Vorbild von Israel, das den Messias tötet und als Folge davon unstet auf der Erde umherschweift, bis es in dem Gegenbild Lamech sein Schuld­bekenntnis ausspricht. In der Zwischenzeit ist Seth der Stell­vertreter: der verherrlichte Herr ist Haupt der göttlichen Linie des Glaubens; Henoch ist ein Vorbild der ' Versammlung, die vor den Gerichten in den Himmel aufgenommen wird, und Noah ist ein Vorbild des 10berrestes, der in der Arche (das ist Christus) durch das Gericht hindurch sicher in das Frie­densreich gelangt (vgl. Matth 24, 37‑39).

Der zweite Tag beginnt im wörtlichen Sinne mit einer durch die Wasser der Sintflut bedeckten Erde; vorbildlich ist es der Tag, der von Absonderung, Trennung und Abhängig­keit spricht. Das sind genau die Kennzeichen der Periode nach der Sintflut. Ich habe bereits auf den Zusammenhang zwischen diesem Tag und der Taufe hingewiesen, und davon ist die Arche Noahs nun gerade ein Vorbild (i. Petr 3, 20. 21). Durch die Taufe (die praktische Absonderung zu Christus hin) ver­lassen wir die sündige Welt und gesellen uns im Bilde Chri­stus im Grabe (die Wasser des Todes) zu, durch die hindurch wir (weil Er den Tod überwunden hat) sicher in eine reine, neue Welt gelangen, wo wir in Neuheit des Lebens wandeln (Röm 6, 3. 4). Es ist auch der Tag der Scheidung der Wasser; anfangs hatte die Erde einerlei Sprache und vereinigte sich die Menschheit in dem hochmütigen Babel, aber Gott verwirrte ihre Sprache und zerstreute sie nach ihren Familien in Völker und Sprachen. Es ist eine Zeit der Gewalt (Nimrod) und Ver­dorbenheit (Babel), in der für Gott nichts Gutes gefunden wurde; hier fehlen die Worte: "Gott sah, daß es gut war". Diese beiden Formen des Bösen bleiben bis zur Endzeit be­stehen und werden da ihren Höhepunkt finden in dem Tier und dem falschen Propheten bzw. dem großen Babylon (Offb 17). Drittens ist dies der Tag der Abhängigkeit. Men­schen werden Menschen unterworfen und Völker Völkern. Nach der Sintflut werden nämlich zum erstenmal menschliche Obrigkeiten durch Gott eingeführt: "Wer Menschenblut ver­gießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden" (l. Mo 9, 6). Aber der erste Herrscher' Noah, kann nicht einmal sich selbst beherrschen; er verwaltet die Erde für Gott, miß­braucht sie aber für sich selbst.

Als Ham ihn dann verachtet, spricht Noah eine Weissagung aus, die ganz kurz zusammengefaßt die Geschichte der Völker wiedergibt und zeigt, daß nicht nur Völker ihren Obrigkeiten, sondern auch Völker Völkern unterworfen sein würden. Ham wird in seinem Sohn verflucht; zwar empfängt er die erste Macht (man denke an Nimrod, Ägypten, Assur), die schließlich in der absoluten Macht Nebukadnezars ihren Höhepunkt er­reicht. Aber er muß immer vor Sein und Japhet weichen: man denke an die kanaanitischen Völker, die ausgerottet sind, an Babel, das durch den Semiten Kores (Cyrus) erobert wurde, und zuallerletzt an Karthago, das vor Rom weichen mußte.

Die größte Ausbreitung ist Japhet beschieden: über die Meder (Madai) und die Griechen (javan) geht die Macht auf die Römer (Kittim) und schließlich auf die Germanen (Gomer?) über. Aber ihr materieller und geistlicher Segen wird immer von Sein abhängig sein, denn Gott ist der Gott Sems: aus ihm geht die Linie Hebers (der jenseitige oder Durchziehende) her­vor. Das ist keiner, der an der Erde klebt wie Nimrod und die Menschen von Babel, sondern ein Pilger, der Vater eines Geschlechtes von Hebräern: Fremdlinge und Beisassen des dritten Tages. Der zweite Tag wird also gekennzeichnet durch Menschen, die von Menschen beherrscht werden, aber es ist eine Herrschaft, die nicht ausdrückt, was Gott damit gemeint hat, sondern die durch Gewalt charakterisiert wird. Außerdem durch Unstabilität: so veränderlich wie die Wasser unter und über der Erde sind,.so schnell hat auch die Macht ihren Be­sitzer gewechselt. Und doch sind die Obrigkeiten himmlischen Charakters, denn sie sind eine Einrichtung und eine Dienerin Gottes (Röm 13, 1‑7). Er neigt das Herz des Königs wie Wasserbäche (Spr 21, 1), und auch wenn Obrigkeiten dies nicht anerkennen, bleibt es stets wahr: die Himmel herrschen (Dan 4, 26). Das ist der "Himmel" des zweiten Tages.

In dieser Welt der Gewalt und des Verderbens, vor allem des Götzendienstes (jos 24, 2. 3), offenbart Gott sich e i n e m Manne als der Gott der Herrlichkeit (Apg 7, 2) und sondert ihn für sich ab. Diese Kennzeichen der Offenbarung und Heiligung charakterisieren den d r i t t e n Tag. Diese heilige Stellung vor Gott ‑ das Trockene inmitten der Wasser ‑ wird erreicht durch die Kraft der Auferstehung; und das kennzeich­net das Leben des ersten Erzvaters und kennzeichnet auch die Erlösung seiner Nachkommenschaft Israel. Dreimal machte Abraham Auferstehungserfahrungen: Erstens mußte er lernen, daß sein Leben mit Gott erst beginnen konnte nach dem Ster­ben der natürlichen Bande, nämlich seines Vaters Tarah (Apg 71 2‑4); zweitens mußte er erfahren, wie sein eigener Leib und der Leib Saras abstarben, ehe Gott daraus den verheiße­nen Samen gab (Röm 4, 18‑20); und schließlich mußte er (am dritten Tag! 1. Mo 22, 4) seinen einzigen, geliebten Sohn in den Tod geben, aus welchem er ihn auch im Gleichnis wieder empfing (Hebr 11, 17‑19). Ebenso ging es mit dem Volk Israel. Auch sie erlebten ihren "dritten Tag": durch das Rote Meer hindurch wurden sie aus Ägypten erlöst ‑ das erstemal daß von bewirkter Erlösung (Rettung) die Rede ist; (2. Mo 14,13). Sie wurden auf Mose getauft in der Wolke und in dem Meere (i. Kor 10, 2) und erreichten durch die Wüste (das Land des Todes) und den Jordan (den Todesfluß) Auferstehungs­boden. So hat Gott sich aus allen Völkern des Erdbodens ein heiliges Volk abgesondert. Inmitten des unruhigen, ungeord­neten Völkermeeres (vgl. Jes 17, 12; Offb 17, 15) ist da die "Erde", ein Bild von einem geordneten Zeugnis Gottes, das zu Ihm in einer festen, stabilen Beziehung steht. Solch ein abge­sondertes Zeugnis hat die Verantwortlichkeit, für Gott Frucht zu tragen. Von Anfang an ist es Gottes Ziel gewesen, einen abgeschlossenen Garten zu besitzen, wo Er Frucht für sich ernten könnte. So ein Garten war der Garten Eden, aber dort gab es keine Frucht für Gott; auch Noah ‑ den Weinberg, den er pflanzte, mißbrauchte er nur für sich selbst. Und mit dem Weinberg Israel war es auch nicht besser (vgl. Jes 5). Hier sehen wir tatsächlich, wie diese Schöpfungstage uns Grundsätze lehren, die weiter reichen als eine bestimmte Haushaltung; denn die Fülle an Frucht wird einmal durch die "Erde" hervorgebracht werden, aber im Alten Testament ist dies nie geschehen. Als der Weinstock Israel (Ps 80, 5) ohne Frucht blieb, nahm der Herr Jesus als der wahre Weinstock (Joh 15) selbst Seinen Platz als Gottes Zeuge auf der Erde ein und brachte Auferstehungsfrucht hervor (Jes 53, 10; Joh 12, 24). Er setzte den Weinberg Israel beiseite und begann, den Samen in brachliegendes Land auszustreuen: "Der Acker ist die Welt" (Matth 13, 38). Dadurch entsteht ein neues Zeugnis auf der Erde anstelle von Israel (obwohl es auch den fruchttragenden Überrest aus diesem Volk umfaßt), nämlich das Reich der Himmel, das ist jetzt die Christenheit. Dieses christliche Zeugnis, das vor allem das Gebiet des früheren Römischen Reiches einnimmt, ist im allgemeinen das, was mit dem Ausdruck "Erde" im ganzen Buch der Offenbarung ge­meint ist. In unserer Zeit gibt es glücklicherweise Weizen auf dem Acker, aber er wird beinahe durch das Unkraut erstickt (Matth 13, 24‑30). Wenn die Versammlung aufgenommen ist, wird nicht nur das Völkermeer sein "Tier" hervorbringen (das Haupt des wiedererstandenen Römischen Reiches), sondern auch die "Erde", das abgefallene Christen‑ und Judentum, hat ihr Tier: den Antichristen (Offb 13). Aber sogar dann wird es auf der Erde Frucht geben: der jüdische Überrest wird sein wie ein verschlossener Garten, voll köstlicher Frucht (Hohel 4, 12‑14; Jes 27, 6), und selbst unter den Völkern wird Frucht für Gott gefunden werden (Hohel 7, 11. 12; 8, 11). Dann werden die von der Erde Erkauften in das Friedens­reich eingehen (Offb 14, 1‑5; vgl. Vs. 14‑20). Dann wird Israel wieder in seinen eigenen Ölbaum eingepfropft sein; und wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, dann wird ihre Annahme Leben aus den Toten sein, wie es zum dritten Tag gehört (Röm 11, 15. 24; vgl. Hes 37, 1‑14).

Nach dem Abfall des Volkes im Alten Testament und seiner teilweisen Wiederherstellung nach der babylonischen Gefan­genschaft findet sich ein kleiner gläubiger Überrest, der in Maleachi 3 und 4 seine Hoffnung auf Gott setzt. Ihnen wird die Verheißung des v i e r t e n Tages, an welchem denen, die den Namen Gottes fürchteten, die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen sollte mit Heilung unter ihren Flügeln. Einer aus ihnen, der alte Simeon, bekam sogar die Verheißung, daß er persönlich das Licht sehen sollte, das aufgehen würde zur Offenbarung der Nationen und zur Herrlichkeit des Volkes Gottes, Israel (Luk 2, 32; vgl. 1, 78. 79). Christus kam als Licht in die Welt, auf daß jeder, der an Ihn glaubte, nicht in der Finsternis bliebe (Joh 12, 46) und auf daß die Werke derer, die die Finsternis mehr liebten als das Licht, an den Pranger gestellt würden (Joh 3, 19‑2‑1). Solange das Licht in der Welt war, wandelte man in diesem Licht (Joh 11, 9. 10), darum mußte der Herr wirken, solange es Tag war, denn die Nacht würde kommen, da Er aus dieser Welt weggegangen sein würde und niemand würde wirken können (Joh 9, 4. 5). Kurz bevor Er wegging, ermahnte Er Seine jünger, in diesem Licht zu wandeln, damit die Finsternis sie nicht ergreife (Joh 12, 35. 36). Nachdem die Sonne untergegangen ist, bricht die Nacht an, in der das Licht von dem Mond und den Sternen kommen muß. Das christliche Zeugnis ist nun die himmlische Lichtquelle für die Welt: nicht daß es irgendwelches Licht aus sich selber hätte, sondern es verbreitet wie der "Mond" das göttliche Licht, das es von der "Sonne‑ empfängt (vgl. Matth 5, 14; Phil 2, 15). Man vergleiche hiermit das, was unter (3) gesagt wurde. Der Mond ist der treue Zeuge am Himmel (Ps 89, 37). Aber ebenso veränderlich wie der Mond ist, so wechselnd ist das himmlische Licht gewesen, das die Christen­heit auf der Erde verbreitet hat. Hierin werden die Schwach­heit und das Versagen auch dieses Zeugnisses offenbar, die für den vierten Tag so charakteristisch sind. Das Bild von den Sternen steht auch in Verbindung mit der Versammlung (l. Mo 15, 5; Offb 1, 20). Wenn die Versammlung aufge­nommen sein wird, wird Gott das zurückbleibende Namen­christentum nicht mehr anerkennen; Sein Zeugnis auf der Erde wird dann der jüdische Überrest sein, der das Evangelium des Reiches verkündigen wird (Matth 24, 14). In ihnen wird es "Neumond" auf der Erde (Ps 81, 3), und unter ihnen wird der Thron Davids aufgerichtet werden, der ewiglich feststehen wird wie der Mond (Ps 89, 37). Die "Verständigen" unter ihnen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Ster­ne, immer und ewiglich (Dan 12, 3). Wenn einmal aufs neue die Morgenröte angebrochen und die Sonne der Gerechtigkeit wieder aufgegangen ist ‑ dann nicht unbemerkt, sondern wie der Blitz ausfährt von Osten und scheint bis gen Westen (Matth 24, 27) ‑ dann wird auch der Überrest aussehen wie die Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne (Hohel 6, 10; vgl. Offb 12, 1); dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reiche ihres Vaters (Matth 13,43).

Wie der dritte Tag die Frucht zeigt, die durch die Erde hervorgebracht wird, so zeigt der f ü n f t e Tag die Frucht in den Wassern. Es gibt also Frucht in dem formellen gött­lichen Zeugnis auf der Erde, das mit Ihm in öffentlicher Ver­bindung steht. Aber wenn dieses Zeugnis in diesem Frucht­tragen versagt, dann erweckt Gott sich diese Frucht aus dem ungeordneten Völkermeer, mit welchem Er nicht in formeller Verbindung steht. So war es bei Israel: als es keine Frucht brachte, warf Gott das Netz aus ins Meer und brachte von allerlei Art zusammen; zwar auch schlechte Fische, die (obwohl sie ein Teil des christlichen Zeugnisses sind) im Feuerofen enden werden, aber auch gute Fische (Matth 13, 47‑50). Und so ist es auch in der Zukunft wieder: nun die Christenheit das Zeugnis Gottes auf der Erde geworden ist und versagt hat, wird Gott (nach der Aufnahme der Versammlung) dem Namenchristentum die Möglichkeit zur Bekehrung nehmen (2. Thess 2, 9‑12) und das Netz auswerfen unter viele Nationen, die nicht von Ihm gehört haben, so daß aus ihnen eine große Schar, die niemand zählen kann, ins Friedensreich eingehen wird (Offb 7, 9‑17). Das finden wir im Vorbild in Johannes 21; in Kapitel 20 sehen wir zunächst die Verbindung des auferstandenen Herrn mit Seinen Jüngern als Vorbild der Gemeinde, danach das Anschauen und Erkennen durch den jüdischen Überrest in der Person des Thomas, und schließlich die Einführung einer großen Menge von 153 guten "Fischen" aus dem Völkermeer ‑ nicht zum Gericht, wie die 153 Mann in 2. Kön 1, 9‑14, sondern zum Segen ‑ in das Friedensreich. Die Jünger sind ein Vorbild von den Predigern, die diese Menschenmenge in die Segnungen einführen werden (Matth 4, 19). Dieser Fischfang wird vor allem getan in der Periode der großen Drangsal, die ganz besonders den fünften Tag kennzeichnet: es ist der Tag der Gottlosen, die wie das aufge­wühlte Meer sind (Jes 57, 20), und der ratlosen Angst der Völker bei brausendem Meer und Wasserwogen (Luk 21, 25‑27). Aber dieser Tag ist auch der Tag der Vollendung: Es ist der Zeitabschnitt, in dem all die Linien, die durch die Heilsgeschichte laufen, zum Abschluß gebracht werden, sowohl was das verantwortliche christliche Zeugnis angeht, als aud~ das Israels und der Völker im allgemeinen. Es ist auch die Zeit des Gevögels: wie zuerst die Versammlung auf Fittichen zu Gott emporgestiegen ist, so folgen viele Märtyrer vor und während der großen Drangsal ihnen nach, um "Heilige der höchsten Örter" zu werden (Dan 7) und nach der Auferste­hung mit Christus über die Erde zu herrschen. Es sind die Überwinder an dem gläsernen Meer, mit Harfen Gottes (Offb 15). (Manche deuten die Vögel negativ; vgl. Eph 2, 2; 6, 12; Of fb 12, 9; 18, 2).

Am fünften Tag steht das Völkermeer im Vordergrund, am s e c h s t e n Tag die Erde. Vielleicht müssen wir bei den gro­ßen Wassertieren am fünften Tag an die "Seeungeheuer" denken, die es in der Zeit der großen Drangsal geben wird, wie "das Tier aus dem Meere" in Offenbarung 13; vgl. Daniel 7,2‑7. Wir haben bei der Betrachtung der Schöpfungstage be­reits auf den Zusammenhang mit dem Leviathan,der Rahab usw. hingewiesen. Hier am sechsten Tag sehen wir nun, daß es auch auf der Erde "Tiere" gibt, das wilde Getier der Erde, wie "das Tier aus der Erde" in Offenbarung 13. Aber wir finden hier auch das "Vieh", den Überrest Israels: die Schlachtschafe von Psalm 44, 22 (vgl. Hes 34; Sach 11). Nach dem frucht­bringenden Überrest des dritten Tages, nach dem lichtspen­denden christlichen Zeugnis des vierten Tages, nach dem großen Fischzug aus den Völkern am fünften Tag sehen wir nun den jüdischen Überrest aus der Erde. Wenn die Erde dem letzten Adam unterworfen werden wird, dann wird Er Ge­richt ausüben ‑ über die wilden Tiere zum Verderben und über das Vieh zum Segen. Das wird auch die Zeit sein, da die Heiden es sehen und beschämt sein werden: "Sie werden Staub lecken wie die Schlange, wie die kriechenden Tiere der Erde; sie werden hervorzittern aus ihren Schlössern; sie wer­den sich bebend wenden zu Jehova, unserem Gott, und vor dir (den Herden von Gottes Erbteil) sich fürchten" (Micha 7, 14‑17). Der sechste Tag ist also die Einführung des Reiches des Sohnes des Menschen, nachdem zuerst die Landtiere auf den Schauplatz geführt sind. Dieser Tag ist also nicht ohne weiteres das Friedensreich, sondern zeigt zuerst, was ihm voraufgeht, und danach die Errichtung des Königtums Christi, zur Herrschaft über alle Tiere, auf dem Lande, in den Him­meln und in den Wassern. Das ist die Erfüllung von Psalm 8 (vgl. Hebr 2, 5‑9): "Was ist der Mensch, daß du sein ge­denkst, und des Menschen Sohn, daß du auf ihn achthast? Denn ein wenig hast du ihn unter die Engel erniedrigt; und mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hand, alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert. Jehova, unser Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde!"Siehe ferner auch(2).InEpheserl,22.23wird auf diesen Psalm angespielt, und dort wird auch eine Ausnahme von der Regel genannt, daß alle Dinge Ihm unterworfen sein werden. Die Versammlung wird Ihm nämlich nicht in demselben Sinne unterworfen sein, sondern wird mit Ihm (als Sein Leib mit Ihm, dem Haupt, verbunden) über alle Dinge herrschen (vgl. Eph 1, 9‑12). Das ist Eva, das Weib des Lammes, Fleisch von seinem Fleisch und Gebein von seinen Gebeinen (Eph 5, 25‑32; 1. Mo 2, 23), aus seiner Seite hervorgegangen während seines Todesschlafes (l. Mo 2, 21. 22). Dieser eine Mensch, der "Mann und Frau" ist (l. Mo 1, 27), wird Frucht hervor­bringen im Friedensreich und über alle Dinge herrschen.

Das bringt uns zum s i e b e n t e n und letzten Tag, im Alten Testament ohne Zweifel ein Bild des Tausendjährigen Friedensreiches. Das "Lied für den Tag des Sabbaths" (Ps 92) zeigt das deutlich, ebenso wie das Sabbathjahr (3. Mo 25). Es ist der Tag der Ruhe, wenn alle Dinge unter ein Haupt zu­sammengebracht sein werden; dann wird Gott ruhen von all Seinen Werken, die Er getan hat, um die Erde zu diesem Endpunkt zu bringen, und dann wird Er endlich in dem Men­schen verwirklichen, was Er Sich von Anfang an in ihm vor­gesetzt hat. Die Schöpfung wird freigemacht sein von der Knechtschaft der Vergänglichkeit (Röm 8, 20‑22) und darum den Sabbathtag halten (5. Mo 5, 15). Alle Tage laufen auf diesen Tag hinaus: das Licht (der Same des Weibes) wird schließlich siegen, die himmlische Herrschaft wird schließlich in die Hand des Sohnes des Menschen gelegt werden. Israel wird endlich reichlich Frucht tragen (Jes 60, 21), die Getreuen werden leuchten wie die Sonne, der Mond und die Sterne, eine große Schar von Fischen wird den Segen ererben, die Seeungeheuer und die wilden Tiere der Erde werden bezwun­gen werden durch den letzten Adam, der dann in Ruhe und Frieden herrschen wird. Der Sohn des Menschen wird in Wahrheit Herr des Sabbaths sein, wenn der Mensch die Frucht des Sabbaths genießen und wenn Christus Heilung bringen wird (Mark 2, 23‑3, 5). Wichtig ist die Parallele zu 1. Mose 8; 1. Mose 1‑2, 3 und das Folgende bis zu Kapitel 9 führen beide zu demselben Endresultat: eine reine Erde, wo Gott Ruhe findet. Noahs Name bedeutet "Ruhe". Er war es, der Trost bringen und den Fluch von der Erde wegnehmen sollte (i. Mo 5, 29). Ich habe bereits gesagt, daß die Sintflut vorausdeutet auf die Gerichte, durch die Gott auch in der Zukunft die Erde reinigen und durch die Er die Getreuen sicher hindurchbringen wird. Nach der Sintflut befreite Gott die Erde teilweise von dem Fluch auf Grund des lieblichen (wörtlich: "Ruhe‑geben­den"!) Geruchs des Brandopfers, das Noah brachte, wenn die Sünde auch nicht von der Erde verschwunden war (i. Mo 8, 20. 21), wie es ebenfalls im Tausendjährigen Reich nicht der Fall sein wird. Erst auf der neuen Erde, die Gott nach tausend Jahren schaffen wird (Offb 20‑21), wird die Sünde völlig verschwunden und alles, was daran erinnert, im Feuersee ver­sammelt sein. Dann wird Gerechtigkeit auf der Erde wohnen.

Ich glaube, daß der siebente Tag in 1. Mose 2 auch hierauf vorausweist. Wie der dritte Tag von der Frucht spricht, die erst am vierten Tag gefunden wurde, wie der vierte Tag von der Herrschaft der Sterne spricht (Dan 12, 3), die erst am fünften Tag Wirklichkeit wird, wie der fünfte Tag von den Fischen und Vögeln spricht, die den Segen des sechsten Tages ererben, wie der sechste Tag von der Einführung des Königs­herrschaft Christi spricht, die am siebenten Tag ausgeübt wer­den wird, so spricht der siebente Tag von der Ruhe der Schöpfung, die erst vollkommen sein wird, wenn die Sünde aus der Schöpfung weggenommen sein wird. Der "Tag des Herrn" geht über in den "Tag Gottes" oder "Tag der Ewig­keit" (2. Petr 3, 10. 12. 18). Von einem achten Tag kann hier keine Rede sein, denn der Gesichtskreis der alttestamentlichen Prophetie reicht nie weiter als bis zum Tausendjährigen Frie­densreich. Aber ebenso wie die "neuen Himmel und die neue Erde" aus Jesaja 65 (die sich dort deutlich auf das Friedens­reich beziehen) in 2. Petrus 3 und Offenbarung 21 deutlich auf den ewigen Zustand n a c h dem Friedensreich angewen­det werden, so enthält auch der siebente Tag in 1. Mose 2 indirekt einen Hinweis auf diesen ewigen Zustand. Ganz merkwürdig werden wir dies auch unter (5) sehen. Der sie­bente Tag hat wohl einen Morgen, aber es wird von keinem Abend berichtet. Das erinnert uns an den Opferdienst im Friedensreich, wo wohl täglich ein Morgenbrandopfer, aber nicht, wie früher, auch ein Abendbrandopfer gebracht werden wird (fles 46, 13‑15). Das Licht wird wohl aufgegangen sein, wird aber nie mehr untergehen, im Gegenteil, es wird immer herrlicher leuchten und schließlich seinen vollen Glanz errei­chen im ewigen Zustand, für den es nie ein Ende ("Abend") geben wird.

(5a) Die Tage in Johannes 1 und 2 *)

Die Übereinstimmungen zwischen dem Anfang des ersten Buches Mose und dem des Evangeliums nach Johannes sind auffallend. Beide beginnen mit "Im Anfang" und geben dann in Bildern eine Vorausschau auf die Wege Gottes. Auch in Johannes 1 und 2 ist von einer Reihe von Tagen die Rede (außer im ersten Abschnitt). Der "dritte Tag" in Johannes 2, 1 stimmt mit dem sechsten Tag in 1. Mose 1 überein, was ver­ständlich ist, da die ersten drei Tage in 1. Mese 1 mit den letzten dreien parallel laufen. Das ist auch deutlich in Johan­nes 1 und 2 zu sehen, denn auch da finden wir, wie in sechs Abschnitten nacheinander die Rede ist von Licht, Wasser und Erde, und wieder von Licht, Wasser und Erde, ~Me in 1. Mose 1. Außerdem liegt auch hier an den ersten drei Tagen der Nachdruck auf "Trennung" und an den letzten dreien auf "Vermehrung".

Johannes 1, 1‑3 ist ein Vorwort, wie wir auch eines in 1. Mose 1 finden; es spricht von Schöpfer und Schöpfung. Am ersten "Tag" (1, 4‑14) scheint das Licht in der Finsternis, und es findet eine Scheidung zwischen den Gläubigen (Vers 12. 13) und den Ungläubigen (Vers 10. 11) statt. Vergleiche auch (2). Der zweite "Tag" (1, 15‑28) spricht von Abson­derung durch Wasser hindurch; siehe (1), (3) und (4) (Noah). Durch die Taufe im Jordan wurde der jüdische Überrest von dem Volke geschieden und zu Christus hin abgesondert und unter Seine Herrschaft gebracht. Vergleiche was bereits über 1. Korinther 10, 2 und 1. Petri 3, 20. 21 gesagt wurde. Der dritte "Tag" (1, 29‑34) spricht von Auferstehungsleben; das Lamm Gottes wird die Sünde der Welt wegnehmen, und

‑) Vgl. LeBaron Kinney: "Types and Mysteries in John".

das wird Leben aus den Toten bringen (vgl. Röm 11, 15), wie einst in Israel und in der Zukunft in der ganzen Schöpfung. Dieser Tag läuft also moralisch durch bis zur Endzeit, wie wir das auch unter (4) sahen. Wie Noahs Taube auf einer gereinigten Erde Ruhe fand, so findet die Taube Ruhe bei Christus (1, 32), wenn das Trockene aus den Wassern zum Vorschein gekommen ist.

Der dritte Tag ist der Tag des Zeugnisses gegenüber Israel (1, 31), und der vierte Tag (1, 35‑43) ist der Tag der Ge­meinde (vgl. (4», an welchem der Herr die Seinen zu Sich zieht und um Sich versammelt. Hier ist nicht die Rede von Licht im allgemeinen, sondern der Nachdruck liegt auf dem Licht­träger selbst: "Siehe, das Lamm Gottes". Gottes Ratschluß in der Gemeinde wird entfaltet, und da fällt der Kontrast mit dem Versagen des ersten Menschen auf: auch hier wan­delt Gott (der Sohn) in der Kühle des Abends, und es folgt die Frage: "Wo ... V' (l. Mo 3, 8. 9). Aber jetzt von seiten des Menschen, der mit Gott Gemeinschaft haben möchte. Es ist nicht die Zeit Israels, sondern die der Völker; darum wird hier dreimal eine Übersetzung hebräischer Wörter gegeben. Den Weg des Evangeliums finden wir in Simon; sein Name bedeutet "hören" (vgl. Röm 10, 14‑17), er ist geboren aus Jona GTaube" ‑ der Heilige Geist) und wird ein "Stein" (,Petrus"; Matth 16, 18; 1. Petr 2, 5).

Der fünfte Tag (1, 44‑52) versetzt uns in das "Galiläa der Nationen" (Jes 9, 1), zum großen Jischzug" unter den Völkern; Bethsaida bedeutet "Ort der Netze". Es ist auch die Periode, da der jüdische Überrest zur Bekehrung kommt und seinen Messias anerkennt (Vers 45. 49). Philippus bedeutet "Pferdeliebhaber" (vgl. Hohel 1, 9; Sach 10, 3), und Nathanael "Gott gibt"; er sitzt unter dem Feigenbaum (vgl. Luk 21, 29. 30). Der Glaube schaut nach dem Tage aus, da die Vögel", die geflügelten Engel, auf‑ und niedersteigen auf den Sohn des Menschen. Dies wird am sechsten Tag Wirklichkeit (2, 1‑11), wo die Freude des Friedensreiches eingeführt wird. Die Hochzeit läutet den Beginn dieses Reiches ein durch die Ver­bindung von Mann und Frau. Das gibt Veranlassung zu der Freude, von der der Wein spricht (vgl. Matth 26, 29; Jes 25, 6; 27, 2). Der sechste Tag schöpft Freude aus sechs Wassergefäßen. Dieser "Anfang der Zeichen" weist hin auf das letzte Seiner Zeichen (Matth 24, 30); beide offenbaren Seine Herrlichkeit und führen zum Glauben (Vers 11).

Das typische "nach diesem" von Vers 12 gibt uns die End­phase des siebenten Tages. Der Herr findet Ruhe in Seiner eigenen Stadt (Matth 9, 1; vgl. Joh 6, 24). Das bezieht sich in erster Linie auf das Friedensreich; Kapernaum bedeutet ja "Stadt des Trostes", und dies ist der Trost des Friedens­reiches, wie wir schon früher in 1. Mose 5, 29 gesehen haben (siehe (4». Siehe auch Matthäus 5, 4; Jesaja 40, 1 u. f. Das wird auch dadurch bestätigt, daß Er Seine Ruhe mit Seiner Mutter, Seinen Brüdern und Seinen Jüngern teilt; Seine Mut­ter ist ein Bild des ursprünglichen, vollzähligen Israel (siehe Jes 50, 1; Hes 23, 2; Hos 2, 2); Seine Brüder sind ein Bild des zukünftigen jüdischen 10berrestes (siehe Matth 25, 40; 28, 10; Micha 5, 2) und Seine Jünger ein Bild der Gemeinde, wie in Kapitel 1, 37. Auf der neuen Erde gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Israel und den Völkern; da gibt es nur "Menschen" (Offb 21, 3). Was übrigens nicht auszu­schließen braucht, daß nach der Freude und Herrlichkeit Kanas der Trost von Kapernaum auch hinweist auf den schließlichen vollkommenen Trost; wie auch der Trost von Jesaja 25, 8 und Offenbarung 7, 17 (im Friedensreich) in Offenbarung 21, 4 ausgeweitet wird auf die neue Erde.

(5b) Die sieben Feste in Israel

Es ist vielen bekannt, daß auch die sieben Feste in 3. Mose 23 von den Heilswegen Gottes in der Geschichte eine sinn­bildliche Übersicht geben. Das drängt stark zu einer Gedan­kenverbindung mit 1. Mose 1, obwohl meines Wissens nie jemand über eine solche Beziehung geschrieben hat. Und doch ist dieser Zusammenhang ganz klar vorhanden, und er ist sehr lehrreich. Wie immer müssen wir dabei stets den allgemeinen Grundplan im Auge behalten, wie er unter (1) und (2) entworfen und unter (3) und (4) ausgearbeitet wor­den ist. Wer den einmal verstanden hat und die prophetische Bedeutung der sieben Feste kennt, hat keine Mühe, den Zu­sammenhang zu sehen.

Das Passah ist in besonderer Weise mit der Zahl eins ver­bunden; der Monat, in dem es gehalten wurde, sollte der erste der Monate sein, das Passahlamm mußte einjährig sein, eines pro Familie, und es sollte den Erstgeborenen hinter dem Blute in Sicherheit bringen. Es war ein Lichtstrahl in der dunklen Nacht des Gerichts; gerade waren drei Tage dichter Finsternis vorbei, und nun brach die bildlich noch finsterere Passahnacht an. Aber an den Tagen und Nächten, an denen Gott Wüstheit und Leere über Ägypten brachte, war in den Wohnungen der Israeliten Licht (2. Mo 10, 23) ‑ das Licht des in Verwahrung genommenen Lammes. Da brannte auch das Feuer zum Braten des Passahlammes. Als die Sonne unter­ging, wurde das Lamm geschlachtet (5. Mo 16, 6; 2. Mo 12, 6; 3. Mo 23, 5). *Fast überall, wo das Passahfest erwähnt wird, ist vom Abend oder von der Nacht die Rede, bis zu jenem siebenten Passahfest, als unser Passah, Christus, geschlachtet wurde (l. Kor 5, 7) und da in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz hing, Er, der das Leben ist, und das Leben ist das Licht der Menschen. Das Licht des Lebens gehört in beson­derer Weise zum Passah; nicht nur, daß das gestorbene Passahlamm das Leben des Erstgeborenen rettete, sondern beim Passah kommt zum erstenmal in der Schrift der beson­dere Platz zum Ausdruck, den das Blut in dem Versöhnungs­werk einnimmt ‑ und im Blute ist die Seele, das naturliche Leben (l. Mo 9, 4‑6; 3. Mo 17, 10‑14). In der geistlichen Entwicklung des Wiedergeborenen ist das Passah auch genau die Erfahrung des ersten Tages. Er sieht das drohende, ver­diente Gericht, er sieht den Würgengel, und er sucht Schutz hinter dem Blut; aber er ist noch in Ägypten; das Gericht ist zwar abgewendet, aber die Erlösung kennt er noch nicht (2. Mo 14, 13); es ist noch lange nicht die Zeit des Erlösungslie­des von 2. Mose 15.

Direkt auf das Passah folgt das Fest der ungesäuerten Brote. Die Erklärung hierzu finden wir deutlich in 1. Korinther 5, 7. 8: wer von dem Gericht befreit ist und hinter dem Blute Schutz gesucht hat, muß nun auch praktisch das Gericht auf alle seine Handlungen anwenden, damit sein Leben ein Fest ist, abgesondert von dem alten Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, mit ungesäuertem Brote der Lauterkeit und Wahrheit. Der Himmel muß nun in seinem Leben regieren. Genau das ist es, was der zweite Tag uns lehrt: es wird Trennung und Scheidung bewirkt, und die Seele ist fortan dem Himmel über ihr unterworfen. Aber für den noch nicht zum Frieden gekon‑unenen Wiedergeborenen bedeutet dies einen entmutigenden Konflikt zwischen seiner alten ("irdi­schen") und seiner neuen ("himmlischen") Natur; siehe (3). Das Fest der ungesäuerten Brote wird in Ägypten angefangen; das "Trockene" ist noch nicht erreicht. Aber dazu folgt dann der dritte Tag.

Das dritte Fest gehört nicht nach Ägypten, sondern wurde gefeiert, als das Volk im Lande angekommen war (3. Mo 23, 10‑14); dort mußten sie eine Garbe der Erstlinge der Ernte zum Priester bringen und dabei ein Brandopfer opfern. Wir wissen, daß das ein Bild von dem auferstandenen Herrn ist: Christus ist auferstanden aus den Toten, der Erstling der Entschlafenen (i. Kor 15, 20). Er ist das Weizenkom, das in die Erde gefallen und gestorben ist und Frucht gebracht hat (joh 12, 24; vgl. Jes 53, 10). Wir haben bereits viele Male gesehen, daß der dritte Tag ganz besonders der Tag der Auf­erstehung und des Fruchttragens ist; siehe (1), (2) und (3). Der Gläubige, der auf die Erstlingsgarbe sieht, darf wissen, daß er e i n e Pflanze mit Christus geworden ist in der Gleich­heit Seines Todes, und daß er das auch in der Gleichheit Seiner Auferstehung sein wird (Röm 6, 5). Er ist auf den Tod Christi getauft (Röm 6, 3. 4), was wir im Bilde im Roten Meer sehen (vgl. 1. Kor 10, 2), und erreicht dadurch das Land des Todes. Aber die Identifizierung mit der Auferste­hung Christi finden wir erst im Jordan, durch den hindurch wir als mit Christus auferweckt ankommen im Lande der Lebendigen", den himmlischen Urtern (~ph 2, 4‑6). bahin gehört das Fest der Erstlingsgarbe (vgl. Jos 3, 15, die Ernte; Vers 17, das Trockene).

Nach der Erstlingsgarbe wird die Ernte eingebracht; nach fünfzig Tagen wird das Fest der Wochen (oder Fest der Erst­linge) gefeiert, wobei Jehova zwei gesäuerte Webebrote dar­gebracht werden. Dieses Pfingstfest spricht von der Sammlung der Gemeinde, der Gläubigen, die sowohl aus Israel als aus den Völkern für Gott abgesondert werden als eine Versamm­lung der Erstgeborenen (Hebr 12, 23). Von Natur haben sie den Sauerteig in sich, aber sie sind gebackene Brote (sind durch das Feuer des Gerichts gegangen), wodurch der Sauer­teig seiner Kraft beraubt ist (Röm 6, 6). Wie treffend haben diese Feste ihre Erfüllung gefunden! DerlHerr Jesus wurde genau am Passahfest gekreuzigt, Er stand auf aus den Toten genau am Sonntag der Erstlingsgarbe, und Er sandte den Heiligen Geist, durch den die Versammlung gebildet wurde, genau am Sonntag des Pfingstfestes. Dieses Fest stimmt mit dem vierten Tag überein, denn wir haben gesehen, daß dieser Tag vor allem die heutige Haushaltung darstellt, in der die Gemeinde gesammelt wird; siehe (4). Es ist der Tag himm­lischen Einflusses (siehe (1»: der Tag, an dem der Heilige Geist auf der Erde in der Versammlung wohnt, der Tag der Erstlinge des Geistes (Röm 8, 23). Aber es ist auch der Tag der Praxis, der Schwachheit und des Versagens: das einzige Fest, an dem Sauerteig vorhanden war.

Das fünfte Fest ist der erste Tag des siebenten Monats, ein Ruhetag, ein Gedächtnis des Posaunenhalls, eine heilige Versammlung (3. Mo 23, 24), ein Tag des Jubels (4. Mo 29, 1). Das ist der fünfte Tag, der Tag der Sammlung des Oberrestes; siehe (4) und (5a). An diesem Tage wurden die silbernen Trompeten geblasen (4. Mo 10, 1‑10), deren Klang auch bei der Berufung der Gemeinde gehört wurde, und beim Aufbre­chen der Lager und beim Ziehen gegen den Feind. Alles das sind Kennzeichen des fünften Tages: man denke z. B. an den Fischzug (siehe (4), (5a», an die Verantwortlichkeit des Wan­dels (siehe (1), (2» und an die Prüfung (siehe (1) bis (4». Der Trompetenschall ist ein Bild vom Wort Gottes, das u. a. zur Folge hat, daß es auf Grund der zustande gebrachten Erlösung (davon spricht das Silber; vgl. (2» den Sünder in seinen Netzen fängt. Vergleiche den "Trompetenschall" von 1. Mose 1, 20 a; Johannes 21, 6 a; Matthäus 24, 14. So wird das Wort ausgehen und in der großen Drangsal eine große Schar aus Juden und Heiden für Gott sammeln.

Dieser Einsammlung folgt der Versöhnungstag am zehnten des Monats. Das ist ganz besonders ein Bild von der zukünf­tigen Versöhnung Israels bei der Einführung des Friedens­reiches, wovon der sechste Tag spricht. Der Herr Jesus hat sich einmal am Kreuz geopfert und Sein Blut ins Heiligtum getragen; dort befindet Er sich nun, und von dort wird der Oberrest Ihn zurückerwarten (3. Mo 16, 15‑17). Das Opfer selbst ist bereits vor neunzehn Jahrhunderten gebracht, so­wohl der Farren, den der Hohepriester für sich und sein Haus opferte (ein Bild von dem Sündopfer, das der Herr für die Versammlung brachte; vgl. Hebr 3, 1‑6), als der Bock, den er für das Volk Israel opferte. Durch Gnade dürfen wir die Ge­wißheit eines vollbrachten Erlösungswerkes haben, denn w i r dürfen als Priester in das Heiligtum hineingehen, und dort sehen wir "mit eigenen Augen" einen zerrissenen Vorhang und das Blut auf dem Versöhnungsdeckel (Hebr 10, 19‑22; 4, 14‑16). Aber das Volk Israel steht draußen; es wird die Gewißheit der Erlösung erst empfangen, wenn der Hohe­Priester aus dem Heiligtum zurückkehren wird. Dann werden sie wissen, daß Gott das Opfer angenommen hat, und dann werden alle ihre Sünden auf den zweiten Bock gelegt werden, der sie forttragen wird in das Land des Todes (3. Mo 16, 20­22). Das ist der Augenblick, auf den Daniel 9, 24 hindeutet: wenn der einmal weggetane Messias in Herrlichkeit zurück­kehren wird, dann wird die Obertretung des Volkes zum Abschluß gebracht, die Ungerechtigkeit gesühnt, eine ewige Gerechtigkeit eingeführt, die Weissagung zur Erfüllung ge­bracht, und das Allerheiligste gesalbt werden. Das ist der Augenblick, da die segensreiche Regierung des letzten Adam auf der "Erde" (Gottes Zeugnis, Israel) und über den "Was­sern" (den Völkern) errichtet wird.

Dies alles stützt den unter (4) geäußerten Gedanken, daß der sechste Tag die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Einführung des Friedensreiches vorbildet und daß der siebente Tag die segensreiche Ruhe dieses Friedensreiches beschreibt. Das siebente Fest ist ja das Laubhüttenfest oder Fest der Einsammlung ‑ ein deutliches Vorbild vom Tausendjährigen Reich. Nach der Einsammlung von der Tenne und der Kelter (vgl. Offb 14, 14‑20) wohnte das Volk sieben Tage in Hütten von Baumzweigen, vor allem Palmzweigen, ein Bild der Er­lösung, des Sieges und des Friedens (vgl. 2. Mo 15, 27; Ps 92, 12; Joh 12, 13; Offb 7, 9). Sieben Tage war Freude und Ruhe (3. Mo 23, 33‑43). Allerdings ist im Friedensreich das Fleisch noch in dem Menschen; darum sehen wir in dem Farren des Brandopfers (4. Mo 29) einen geistlichen Rückgang. Nun haben wir gesehen, daß der sechste Tag von der Ein­führung der Herrschaft Christi spricht, aber auf den Segen des Friedensreiches vorausgreift, und daß ebenso der siebente Tag von diesem Segen spricht, aber auf die Ruhe des ewigen Zustandes vorausgreift. Dies finden wir nun ganz auffallend im Laubhüttenfest wieder, denn es deutet zwar auf das Frie­densreich hin, hat aber einen achten Tag (wie der erste Tag ein Ruhetag), der ein Bild des ewigen Zustandes ist. Die Zahl acht weist auf einen ganz neuen Anfang hin, den Gott macht, nachdem eine vollkommene Entwicklung abgeschlossen ist, wovon die Sieben spricht. Dar‑um offenbarte der Herr Jesus am achten Tag des Laubhüttenfestes völlig neue Grundsätze (Joh 7, 37‑39), die in der Gemeinde verwirklicht sind. Darum ist der Sabbath, der siebente Tag, der Ruhetag Israels, ja, der ganzen Schöpfung. Aber der achte Tag ist der Ruhetag der Versarnn‑dung; sie bildet jetzt bereits einen Teil der neuen Schöpfung (2. Kor 5, 17; Gal 6, 15; vgl. Röm 8, 19‑23). Der siebente Tag ist der Abschluß aller Wege Gottes mit der ge­genwärtigen Erde, birgt aber in sich die Verheißung des achten Tages, eines neuen Anfangs, eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Dort wird die Ruhe vollkommen sein, denn dort ist alles, was an die Sünde erinnert, völlig verschwunden. Dort wird Gott alles in allen sein (l. Kor 15, 28; vgl, Offb 21, 1‑8).

(5c) Die sieben Biographien im ersten Buch Mose *)

Zum Schluß möchte ich auf eine Parallele zwischen den sieben Schöpfungstagen und den Lebensgeschichten von sieben Personen im ersten Buch Mose hinweisen. Wir können uns das erste Buch Mose gewissermaßen aus diesen sieben Geschichten zusammengestellt denken, und damit wird 1. Mose 1 auch zu einer kurzen Übersicht über das ganze Buch. Übrigens laufen diese sieben Lebensbeschreibungen nicht ohne weiteres mit den Tagen parallel: die erste Biographie ist die von Adam, und sie stimmt mit dem Prolog von 1. Mose 1 über­ein. Sie zeigt uns den guten Anfang, den Sündenfall und die daraufhin verfluchte ("wüste und leere") Erde. Die folgenden sechs Biographien stimmen mit den sechs Tagen überein, an denen die Schöpfung wiederhergestellt wird. Nach dem was unter (4) über die Haushaltungen gesagt wurde, ist es nicht schwer zu erkennen, daß Seth, Noah und Abraham jeweils mit dem ersten, zweiten und dritten Tag übereinstim­men; sie sind ja die Hauptpersonen in den mit diesen Tagen übereinstimmenden Haushaltungen. In Seth ‑ oder eigentlich in den Brüdern Abel und Seth, denn sie bilden eine Einheit: Seth tritt an die Stelle Abels (l. Mo 4, 25) ‑ sehen wir die Linie des Lichts, des Samens des Weibes, während Kain, der erste des Schlangensamens, die Linie der Finsternis repräsen­tiert. Noah läutet einen neuen Zeitabschnitt ein, einen Zeit­abschnitt der Teilung in Völker und Länder, und der Herr­schaft durch Obrigkeit und durch Völker über Völker. Und zum dritten haben wir gesehen, wie treffend in Abrahams Leben die Wahrheit von der Auferstehung hervortritt. Die Belehrung von Römer 4 zeigt uns den wichtigen Zusammen­hang zwischen dem rechtfertigenden Glauben Abrahams und der Auferstehung Christi. Abraham ist auch das Vorbild des

*) Vgl. Philip Mauro: "Die gegenwärtige Weltzeit".

neutestamentlichen Gläubigen, der in einem Lande, wo er Fremdling und Beisasse ist, in Auferstehungskraft für Gott Frucht bringt.

Demgegenüber ist Isaak (vierter Tag) das Bild des himm­lischen Menschen, sei es Christus, sei es der Gläubige ("Kind der Verheißung"; Gal 4, 28), der in Christus in die himm­lischen örter versetzt ist. Isaak wird immer im Lande Kanaan gesehen. Rebekka ist dabei im ersten Buch Mose das Bild der Versammlung, die mit der Herrlichkeit des wahren Isaak bekleidet ist, wie der Mond mit der Herrlichkeit der Sonne. Überdies wird in Isaak ein Same verheißen wie die Sterne des Himmels (1. Mo 22, 17. 18).

Das Leben Jakobs stimmt ganz besonders mit dem fünften Tag überein; sein Leben ist ganz und gar Prüfung, als Folge der Umtriebe der alten Natur (,die Wasser"). Er verbringt sein Leben zum größten Teil unter fremden Völkern (Paddan­Aram und Ägypten); auch davon sind die Wasser ein Bild. Er ist ein Bild des Überrestes Israels, der nach vielem Umher­schweifen in der Fremde und nach vielen Bedrängnissen Gdie Zeit der Drangsal für Jakob"; Jer 30, 7) durch Gott im Lande wiederhergestellt wird.

Schließlich haben wir in Joseph eines der schönsten Vor­bilder auf Christus als den, der unter seinen Brüdern den ersten Platz hatte, aber von ihnen aus Neid überliefert wurde, Sklave wurde und erniedrigt wurde bis in den tiefen Todes­kerker. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihn als Retter der Welt zum Haupt über das ganze Land Ägypten gemacht. Alles ist ihm unterworfen, die Völker (Ägypten) und Israel (seine Brüder), und er teilt seinen erhabenen Platz mit Asnath, einem Vorbild der Versammlung. Eine deutlichere Parallele mit dem sechsten Tag ist kaum denkbar.

Das erste Buch Mose endet mit dieser Geschichte Josephs; es folgt keine Person, die mit dem siebenten Tag überein­stimmt. Es gibt nur einen Hinweis auf diesen Tag in den Weissagungen Jakobs über seine zwölf Söhne in 1. Mose 49. Vers 1 macht deutlich, daß es sich um Weissagung handelt.

Joseph (Vers 22‑26) verkörpert darin aufs neue die Periode der Erhöhung des Sohnes des Menschen auf der Erde und die Einführung Seiner segensreichen Regierung, mit allen Speisen von 1. Mose 1, 29. 30. Aber das ist nicht Jakobs letztes Wort über Gottes Wege mit Israel. Es folgt ein merkwürdiges Nachwort in Benjamin, dem zerreißenden Wolf, der am Abend Beute verteilt (Vers 27). Das zeigt, daß die Regierung Christi nicht nur Segen beinhaltet: Er muß herrschen, bis Er alle Feinde unter Seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod (i. Kor 15, 25. 26), und das geschieht am Ende des Friedensreiches (Offb 20, 7‑15). Die Ruhe des siebenten Tages wird erst vollkommene Ruhe, wenn der zerreißende Wolf den letzten Feind verschlungen hat. Übrigens ist es der Mühe wert, das ganze Kapitel 49 des ersten Buches Mose eingehend zu studieren, denn es beschreibt uns die vollständige Geschichte des Volkes Israel. In diesem Kapitel ebenfalls eine Parallele zu den sieben Schöpfungstagen zu entdecken, will ich gern dem Leser überlassen.

1 Ein Beispiel für viele: in Amerika gibt es eine internationale Gesellschaft von mehr als 300 Naturwissenschaftlern (die "Creation Research Society"), die alle den Herrn Jesus als ihren Herrn und Heiland bekennen und an die wört­liche Inspiration der Schrift und die historische Unfehlbarkeit von 1. Mose 1‑11 glauben.

2 Siehe z. B. "Mathematical challenges of the neo=Darwinian interpretation of evolution" (1967); Wistar Inst. Press, Philadelphia.

3 Auf diesem Gebiet geschieht mehr, als man denkt. In den USA gibt es eine ganze Reihe höherer Schulen und Universitäten (u. a. die Bob Jones Universität in Greenville) und verschiedene Gesellschaften, die orthodox. christliche Naturwissenschaft betreiben (neben der schon genannten Creation Research Society auch die Bible‑Science Association, in Kanada die Inter­national Christian Crusade, in England die Evolution Protest Movement usw.).

4 B. Jakob behauptete zwar, solche Wörter kämen im Hebräischen öfter vor, aber er nennt nur zwei Beispiele, von denen er selbst bezweifelt, ob es wohl echte Mehrzahl‑Wörter sind. Überdies, für welches Wort gilt, daß es, ve,bunden mit einer Satzaussage in der Einzahl, in Einzahl und Mehrzahl dasselbe be­deutet, während wenn die Satzaussage in der Mehrzahl steht, die Bedeutung eine ganz andere ist?

Oke Janette, Susanna

07/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Rückschau

Sie saß auf der Veranda. Das Wippen des Schaukelstuhls war so sacht, daß es kaum erkennbar war. Hin und wieder nahm sie ihre Hand von dem Griff der Teetasse, um mechanisch eine lästige Riege zu verscheuchen. Kräftige Hände waren es, von Venen überzogen und von der Arbeit vieler Jahre schwielig, aber trotzdem noch immer zart. Lange, schmale Finger hielten das feine Porzellan mit sicherem Griff. In der einen Hand ruhte die Untertasse, während die andere dann und wann die Tasse mit der dampfenden Flüssigkeit an die Lippen führte.
Es war eine langjährige Gewohnheit, dieses tägliche Teetrinken auf der vorderen Veranda. Sie hatte längst vergessen, ob es der Tee oder das „Dabeisein" war, das sie hierherzog, denn von ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda aus hatte sie das Gefühl, ihren Finger direkt auf dem Puls des kleinen Ortes zu haben. Ihre hellwachen Augen nahmen alles wahr, was sich auf der Straße vor ihr abspielte.


Überall um sie her war Leben. Ein Nachbar grüßte den anderen. Mütter schimpften mit ihren Kindern, die ihnen ständig zwischen den Beinen herumliefen. Zwei ältere Herren machten sich jeden Wochentag um dieselbe Zeit auf den Weg, um die Tageszeitung zu holen. Kinderrufe und Gelächter erschollen von den Sandkästen in den eingezäunten Gärten; andere Kinder rannten lärmend über den Bürgersteig in Richtung Eisdiele. Sie konnte ihre Schritte auf der harten Oberfläche des Zementbodens aufschlagen hören, und wieder zog sie die Stirn kraus. An die Zementbürgersteige würde sie sich wohl nie gewöhnen können. 

Farb- und leblos waren sie, die Töne, ganz anders als bei den Bretterbürgersteigen von früher, die einen Resonanzboden für den Rhythmus ihrer Schritte gebildet hauen Förmlich gesungen und getanzt hatten sie unter dem Getrippel von Kinderfüßen.
Sie rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum und stellte ihre Tasse auf die Untertasse zurück. Es gab viele Veränderungen, die ihr zu schaffen machten, manche nur geringfügig, andere mehr. Nicht, daß sie etwas gegen Veränderungen hatte. Ihre Begeisterung war groß gewesen, als die kleine Stadt Elektrizität bekommen hatte. Sie war unter den ersten gewesen, die einen Anschluß an das Wasser- und Abwassersystem beantragt hatten. Und als sie ihr erstes Automobil gekauft hatten, hatte sie vor lauter Aufregung drei Nächte lang nicht schlafen können.
Nein, gegen Fortschritt an sich haue sie nichts einzuwenden, aber manche Veränderungen schienen mehr von ihr zu fordern, als sie ihr einbrachten. Sie seufzte und nippte wieder an ihrem Tee. Die Bürgersteige zum Beispiel. Als die hölzernen Bürgersteige noch die Straße gesäumt hatten, hatte sie fast jeden Nachbarn am Klang seiner Schritte erkannt. Sie haue die Verfassung der Leute an dem Ton ihrer Schritte ablesen können.

 Sie haue gewußt, ob sie zu einem gemächlichen Spaziergang unterwegs waren, eilig ein paar Einkäufe für das Abendessen erledigen mußten oder wegen einer drohenden Katastrophe von Panik ergriffen waren.
Nein, nicht alle Veränderungen fand sie begrüßenswert. Ihr Schaukelstuhl wippte schneller. Warum ließ man die Bestandteile des täglichen Lebens, die so wunderbar funktionierten nicht einfach so, wie sie waren? Beispielsweise die Bürgersteige? Oder ihr eigenes Dasein? Sie war doch immer glücklich gewesen ... nein,, vielleicht nicht immer, aber meistens, und wenigstens hatte- sie es einigermaßen friedlich ifiet Zugegeben, es hatte aubh schwere Zeiten gegeben. Das gehörte zum Leben. Aber mit 4em Leid war auch eine innere Ruhe, eine Stabilität einhergegangen. Sie wußte nicht, wie sie es beschreiben sollte, aber sie wußte, daß sie sie besaß, diese wunderbare Gewißheit, daß Gott alles in der Hand hatte, ganz gleich, was der Tag auch mit sich bringen würde.
Und daran wird sich auch nichts ändern, tröstete sie sich, und die Tiefe und das Ausmaß dieses Gedankens ließ ihren Schaukelstuhl unvermittelt stillstehen.
Sie schüttelte sachte den Kopf, als wolle sie Klarheit in ihr Denken bringen. Natürlich ... selbstverständlich würde Gott sich nicht ändern. Warum haue sie bloß dieses beklemmende Gefühl, diesen hartnäckigen Schmerz in der Magengrube?

„Alles wird so vollkommen anders werden", flüsterte sie, und trotz all der Jahre, in denen sie sich in der Kunst der Selbstbeherrschung geübt haue, stieg ihr eine Träne in den Augenwinkel und tropfte an ihrer vom Alter gezeichneten Wange herab. Sie unterließ es, die Hand zu heben und sie abzuwischen, denn dadurch hätte sie sich ja ihre Gegenwart eingestanden
Ich wünschte, sie würden mich einfach in Ruhe lassen, dachte sie wohl zum hundertsten Mal. ‚Bier geht's mir gut, richtig gut", murmelte sie laut.
Aber daraus würde nichts werden. Darüber war sie sich im klaren. Sie war sich ebenfalls darüber im klaren, daß sie alle doch nur aus Liebe und Besorgnis so beharrlich waren.
„Aber Mama", konnte sie vertraute Stimmen sagen hören, „es gibt wirklich keinen Grund, weshalb du hier wohnen bleiben solltest. Hier können wir uns doch nicht um dich kümmern. Wir machen uns andauernd Sorgen, daß dir irgendwas zustoßen könnte, und wir würden es erst erfahren, wenn es zu spät ist."
Was soll mir schon zustoßen? haue sie widersprechen wollen.
Das Schlimmste in den Augen ihrer Kinder wäre es, wenn sie allein sterben würde. Aber sie war auf den Tod gefaßt. Sie hatte vor vielen Jahren ihren Frieden mit Gott gemacht. Sie hatte siebenundachtzig lange Jahre gelebt und fünf wunderbare Kinder großgezogen, die inzwischen sogar selbst Großeltern waren. Sie hatte keineswegs die Absicht, sich starrsinnig an das Leben zu klammern.
Natürlich haue sie nicht widersprochen. Sie wußte doch, daß ihre Kinder sie liebhatten und sich um sie sorgten. Im
Laufe der Jahre hatte es oft Zeiten gegeben, in denen sie sich um ihre Kinder gesorgt hatte. Sie wußte aus eigener Erfahrung, daß Liebe und Besorgtsein Hand in Hand gehen. Deshalb haue sie sich nur aufs Verhandeln verlegt und sich einen Aufschub ausgebeten.
„Nur noch einen Sommer hier im Haus", hatte sie gebeten, und ihre Stimme hatte einen flehenden Ton angenommen, den sie ihren Kindern gegenüber noch nie gebraucht hatte. „Nur noch einen Sommer!"
Sie wußte, daß ihre Kinder diese Bitte nicht gern hörten. Schließlich hatten sie aber doch ihr Einverständnis gegeben und mahnend hinzugefügt: „Paß aber gut auf dich auf Laß dir den Rasen von einem Nachbarsjungen mähen, und laß dir um Himmels willen die Fenster von irgend jemandem putzen. Und leg dir nicht so einen riesigen Garten an. Wer soll das denn alles essen? Außerdem hast du viel zu viele Blumenbeete."
Es war ihr so verdreht vorgekommen - ganz so, als wäre sie das Kind und ihre Kinder die scheltenden Eltern.
Sie hatte ihren Sommer gehabt und jede Minute davon ausgekostet. Doch jetzt lag die Kühle des Herbstes in der Luft. Das Laub färbte sich allmählich bunt, der Garten war abgeerntet, und die Blumenbeete waren winterfertig. Fast täglich hatte sie Anrufe bekommen. Ihre Wohnung in der Stadt wartete. War es ihr recht, wenn sie bald kamen, um ihr beim Packen zu helfen? Der unaufhörliche, nagende kleine Schmerz tief in ihrem Inneren wurde noch größer. Die Veränderungen rollten auf sie zu. Einschneidende Veränderungen, und ilil graute vor ihnen. Wenn sie doch nur einfach hierbleiben könnte, auf ihrer vertrauten vorderen Veranda, eine Tasse Tee in den Hände», dem Pulsschlag der Nachbarschaft lauschend. Selbst der neue Zementbürgersteig könnte sich als ihr Freund erweisen - wenn sie nur bleiben könnte, wo sie war, um ihr Leben auf ein ruhiges, ungestörtes Ende zugehen zu lassen.
Wieder rollte ihr eine Träne an der Wange herunter. 

Mit einer Hand hob sie die Tasse an ihre Lippen. Halbvoll war sie noch, doch der Tee war inzwischen kalt und schal geworden. Sie stellte Tasse und Untertasse beiseite und strich sich die Baumwollschürze glatt. Es gab bergeweise Arbeit. Aber die würde sie selbst tun müssen. Wie könnte jemand anders auch nur im entferntesten dazu in der Lage sein, ihre vielen Erinnerungen zu sortieren? Aber der Platz in der kleinen Wohnung war so begrenzt; vieles würde sie nicht mitnehmen können.
Ein dumpfes Pochen kam von dem Zement, und als sie den Kopf drehte, sah sie zwei Kinder auf ihr Haus zurennen. Sie erkannte sie sofort; sie kannte jedes Kind in der kleinen Stadt. Im stillen fragte sie sich, ob Freddies Herbstallergie ihm wieder die üblichen Beschwerden verursachte, und dann staunte sie darüber, wie sehr Philip in die Höhe geschossen war.
„Damit hätte wirklich niemand gerechnet", flüsterte sie, und trotz ihres bekümmerten Herzens lächelte sie sanft.
Samuel hätte seine Freude daran gehabt.gehabt. Sie dachte an den kalten Dezembertag zurück, an dem der kleine Philip sein Debüt als Erdenbürger gegeben hatte.
„Ach, was hat er sich ins Zeug gelegt, um diesen winzigen Vierpfünder durchzubringen", murmelte sie vor sich hin. „Ich hätte nie gedacht, daß er am Leben bleiben würde - aber Samuel hat sich geweigert, die Hoffnung aufzugeben. Und seht ihn euch nur an! Größer als die anderen in seinem Alter!"
Die rennenden Schritte verlangsamten sich vor ihrem Haus, und zwei Augenpaare sahen zur Veranda hoch.
„Tag, Mrs. Doc!" rief Freddie, und Philip bildete winkend das Echo dazu: „Tag, Mrs. Doc!"
Sie erwiderte den Gruß, und dann rannten die beiden auch schon auf dem harten Zement weiter, um sich in irgendein Abenteuer zu stürzen, dem nur ein richtiger Junge etwas abgewinnen konnte.
Sie lächelte den beiden nach und dachte an die vielen Tage, an denen sie oder andere Kinder aus der Nachbarschaft mit einem aufgeschürften Knie, einem Splitter oder einem verletzten Haustier zu ihr gekommen waren. Zu wem würden sie wohl gehen, wenn sie nicht mehr da war?

Mrs. Doc. So nannten sie alle. Die ganze Stadt schien vergessen zu haben, daß sie in Wirklichkeit Susanna Smlih hieß und lediglich die Ehefrau ihres ehemaligen Doktors war. Sie schienen allesamt zu meinen, sie gehöre ihnen irgendwie, und das schon seit Urzeiten.
Aber so war es eigentlich gar nicht gewesen. Plötzlich tauchten ihre Gedanken in die Vergangenheit ein und beschritten Wege, die sie seit Jahren nicht mehr betreten hatte. Sie sah das junge Mädchen vor sich, das sie einmal gewesen war - und die vielen Veränderungen, die sie letztendlich zu dem gemacht hauen, was sie heute war, hier auf ihrer vertrauten vorderen Veranda an einem kühlen Herbsttag, wo sie sich eine Pause vom Aussortieren eines ganzen Lebens voller Erinnerungen gönnte.

Ein Mädchen, ein Traum
„Suzie Dell Winston, wenn du mich nicht zu diesem Essen einlädst, dann ... dann rede ich kein einziges Wort mehr mit dir!"
Es war zwar nur im Scherz gemeint, aber Susanna merkte ihrer langjährigen Freundin Abigail Jordan irgendwie an, daß es ihr ernst mit ihrem Anliegen war. Aus Abigails dunklen Augen blitzte es, und sie hielt ihr Kinn trotzig in die Luft gereckt, während sie nach einem Kissen von Suzies Sitzbank am Fenster langte, um Suzie mit diesem Geschoß zu drohen.
Abigails übertriebenes Verhalten war nichts Neues für Suzie. Sie hob den Kopf, wobei ihr rotes Haar und ihre grünen Augen im Licht der Nachmittagssonne aufleuchteten. Selbstbewußt legte sie den Kopf schräg und antwortete mit einem kleinen Achselzucken.
„Das sagst du immer", warf sie ihrer Freundin vor, „aber dann redest du weiter wie ein Wasserfall." Sie lachte und kehrte dem drohenden Kissen den Rücken.
„Also schön, dann ... dann werde ich dir eben niemals verzeihen", ereiferte Abigail sich.
Wieder zuckte Suzie mit den Achseln.
„Das habe ich auch schon öfters gehört", antwortete sie mit einem erneuten Lachen.
„Dann ... dann ... ach, bitte! Bitte frage deine Mutter, ob ich..."
Suzie wandte sich zu Abigail um und lachte lauthals.
„Das habe ich schon längst getan, und ...", antwortete sie, doch sie wurde von einem schrillen Freudenschrei unterbrochen.
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Oke Janette, Maria - zur Liebe befreit

07/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Maria

Die Strahlen der Spätnachmittagssonne fielen auf das dünne blaue Kattunkleid, das Maria trug. Sie hatte sich die Haube zurückgeschoben und die Zöpfe gelöst, die ihre Haare iiormalerweise gefangen hielten, um sich mit den Fingern durch die schweren, braunen Locken zu fahren, die ihrem Gesicht einen elfenhaften Ausdruck verliehen.
Doch weder der Sonnenwärme noch den Locken, die um ihr Gesicht spielten, schenkte sie Beachtung. Sie war mit den Gedanken weit weg und merkte nichts von den Geräuschen und Gerüchen um sie her. Barfuß schlenderte sie durch den Staub der zerfurchten Landstraße, die von den Einheimischen „Hauptstraße" genannt wurde. Und obwohl sie tief in Gedanken versunken war, suchten ihre lebendigen blauen Augen das Gras zu beiden Seiten der Straße nach den kleinen roten Farbtupfern ab, die reife wilde Erdbeeren versprachen.
Ihre abgetragenen Schulschuhe, die einzigen, die sie besaß, hatte sie an den ausgefransten Schnürsenkeln zusammengebunden und sich über die Schulter geworfen. Mit jedem Schritt baumelten sie leicht hin und her, doch auch das schien sie kaum zu merken. Die ergatterten Beeren legte sie behutsam in den rotlackierten metallenen Pausenbrotbehälter mit den eingekratzten Initialen „M. T.", die für „Maria Trent" standen.


Sie hätte die Erdbeeren genausogut in ihrem Mund verschwinden lassen können, doch selbst in ihrer Geistesabwesenheit sammelte sie sie automatisch für die kleinen Händepaare, die sich zu Hause danach ausstrecken würden.
Ernste Gedanken beschäftigten sie. Heute war ihr letzter Schultag. Ihr allerletzter Schultag! Und die Schule würde ihr fehlen. Sehr sogar.
Doch während dieser traurige Gedanke sie erfüllte und ihr den Hals zuschnüren wollte, war ihr zugleich klar, daß sie allen Grund hatte, sich glücklich zu schätzen. Die meisten Mädchen in ihrem Alter hatten ja schon längst mit der Schule aufhören müssen, weil sie zu Hause gebraucht wurden. Sie dagegen war schon sechzehn und hatte sich noch mit den jüngeren Kindern auf den Schulweg machen dürfen. Natürlich nicht jeden Tag. Sie hatte sogar fast ein ganzes Jahr aussetzen müssen, als ihre Mutter so krank gewesen war. Und auch während der Aussaat, der Ernte und zu anderen Zeiten hatte Mama sie zu Hause nicht entbehren können. Dennoch war sie häufig genug in der Schule gewesen, um mit ihren Klassenkameraden problemlos Schritt zu halten. Aber das war nun vorbei. Sie hatte das achte Schuljahr vollendet. Mehr gab es nicht für sie.
Unvermittelt wachte sie aus ihrer Tagträumerei auf und sah zum Nachmittagshimmel auf. Erschrocken stellte sie fest, wie weit die Sonne schon vorgerückt war. Liebe Güte, sie hatte ja gar nicht gemerkt, wie lange sie getrödelt hatte! Ihre Mutter fragte sich bestimmt schon längst, wo sie steckte.
Sie ließ eine Handvoll reifer Beeren in den Behälter rieseln. Sie mußte sich jetzt beeilen. Bevor die Sonne unterging und die Tür des Farmhauses die Dunkelheit des Frühlingsabends aussperrte, gab es noch eine Menge zu tun.
Sie war gern zur Schule gegangen und hätte Beträchtliches leisten können, wenn sich die Gelegenheit dazu geboten hätte. Das war ihr nicht bewußt, doch ihren Lehrern war es klar. Maria wußte nur das eine: Sie lernte für ihr Leben gern. Neuland zu erforschen war ein spannendes Abenteuer für sie, und ihr Puls pochte schneller, wenn sie auf den Seiten eines Buches fesselnde Entdeckungen machte. Bücher hatten ihren Horizont weiter, größer gemacht, und sie nahm die Welt um sich her und das, was sich jenseits davon abspielte, um so bewußter wahr.
Doch jetzt war das alles vorbei. Sie hatte das Ende des Weges erreicht. Den letzten Tag des achten Schuljahrs. Endlich erreichte sie den Hof ihrer Eltern und hastete auf das Haus zu. Mama war nach dem langen Tag bestimmt müde. Maria graute vor dem blassen Gesicht, dem erschöpften Blick, den gebeugten Schultern, die wieder einmal von einem Tag an der Waschbütte oder im Gemüsegarten zeugten. Ihre Mama arbeitete so hart, während Maria sich mit wilden Erdbeeren aufgehalten hatte.
Sie betrat die Küche und stellte ihren Pausenbrotbehälter auf dem kleinen Tisch neben der Tür ab. Ihre Mama stand am Küchenschrank, und ihre Schultern waren tatsächlich vor Erschöpfung gebeugt, doch als sie Maria hereinkommen hörte, drehte sie sich zu ihr um. Am liebsten hätte Maria den Blick gesenkt, um der Müdigkeit in den Augen ihrer Mutter auszuweichen, doch sie brachte es nicht fertig. Ein klares, blaues Augenpaar begegnete einem Paar rauchgrauer Augen. Maria sah die Erschöpfung darin, die sie erwartet hatte, doch sie sah auch, wie sich die grauen Augen spontan erhellten und vor Wärme und Eifer aufleuchteten.
„Na, hast du dein Abschlußzeugnis?" fragte ihre Mama, und die Begeisterung in ihrer Stimme breitete sich auch auf ihrem Gesicht aus.
Nun leuchteten auch Marias Augen. Sie nickte und griff in das Oberteil ihres Kleides, wo sie das Zeugnis sorgfältig verstaut hatte, um es nicht mit Beerenflecken zu verunzieren. Sie strich einen winzigen Knick im Papier glatt und reichte es ihrer Mutter.
„Achtes Schuljahr!" rief die Frau aus und starrte auf das kleine, doch ungeheuer wichtige Dokument. In ihren Augen glitzerte es verdächtig, während sie es gründlich betrachtete.
„Da steht, daß ich das achte Schuljahr mit höchster Auszeichnung vollendet habe", sagte Maria beinahe flüsternd - nicht aus Prahlerei, sondern weil ihre Mama nicht lesen konnte.
„Mit höchster Auszeichnung", wiederholte die Frau. „Ich bin so stolz auf dich!" Sie streckte eine schwielige Hand aus, um sie auf Marias Haare zu legen. „Kaum zu glauben, daß ich so eine gebildete Tochter hab'!" Nun kamen ihr doch noch die Tränen, und sie legte das Zeugnis auf den Tisch, fuhr sich mit der sackleinernen Schürze über die Augen und ging wieder zum Schrank.

„Tut mir leid, daß ich so spät komme", entschuldigte Maria sich. „Ich habe unterwegs wilde Erdbeeren gepflückt, und dabei habe ich die Zeit ganz vergessen."
„Schulabschluß ist schließlich nicht jeden Tag", meinte ihre Mutter freundlich und rollte das Nudelholz über den Tortenteig.
„Ich hab' die letzten Äpfel aus dem Keller geholt', fuhr sie fort. „Die verschrumpeln uns sonst nur. Mach sie bitte fertig, bevor du die Kartoffeln fürs Abendessen schälst. Die Jungs sind gerade bei der Stallarbeit. Pa ist auf dem Ostacker. Arbeitet bestimmt bis zur Dämmerung Kann die Saat nicht schnell genug in die Erde kriegen, nachdem das Regenwetter ihn so lange aufgehalten hat. Ist allerdings schon weiter als die meisten Nachbarn. Mr. Rubens hat noch nicht mal die Hälfte geschafft, und der alte Hank hat ja kaum 'nen Anfang gemacht. Na ja, er hat ja auch nicht viel Hilfe. Bloß die Mädchen, und die sind nicht gerade fleißig zu nennen. Dabei sind sie seit dem sechsten Schuljahr so gut wie nie in der Schule gewesen."
Maria war an die Gesprächigkeit ihrer Mutter gewöhnt, an das bunte Allerlei von Dingen, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun hatten und dennoch alle durch einen unsichtbaren Gedankenfaden miteinander verwoben waren. Sie wußte, wie nötig ihre Mutter jemanden brauchte, mit dem sie sich unterhalten konnte. Sie warja durch die Berge von Arbeit ans Haus gebunden, und außerdem hatte sie zwei kleine Söhne am Rockzipfel hängen und eine Horde von lebhaften Schuljungen, die ihr die übrige Zeit ständig zur Küche herein-und herausgestprmt kamen. Ihr Mann war entweder auf den Feldern oder inF.Stall. Sie brauchte jemanden, mit dem sie reden konnte. Maria war ihre einzige Tochter; ihre einzige Gefährtin. Ein einziges Mädchen mit sechs jüngeren Brüdern. Kein Wunder, daß ihre Mutter ohne Punkt und Komma zu reden begann, sobald Maria aus der Schule kam.
„Ich muß mich umziehen", beeilte Maria sich zu sagen, als ihre Mutter eine Pause machte, um Luit zu noten. sie ging schnell in ihr Zimmer hinter der Küche. Es war winzig und schmucklos, aber-süber, und vor allen Dingen war es ihr eigenes Reic37tire kleine Zuflucht, ihr Heiligtum. Am liebsten wäre sie jetzt einfach hier geblieben, um es sich mit einem ihrer zerlesenen Bücher auf dem Bett gemütlich zu machen oder ... oder den Kopf im Kissen zu vergraben und sich in Ruhe auszuweinen.
Sie wußte selbst nicht, warum ihr nach Weinen zumute war, wo sie doch jetzt eine abgeschlossene Schulbildung vorweisen konnte. Trotzdem hätte sie am liebsten geweint.
Doch diesen Luxus gönnte sie sich nicht. Ihre Mutter brauchte sie in der Küche. Sie streifte sich das Kattunkleid ab und hängte es ordentlich an seinen Haken. Dann griff sie nach dem schlichten braunen Kittel, den sie bei der Hausarbeit trug. lii dem unförmigen Ding schien ihre zierliche Gestalt völlig zu versinken. Sie konnte es nicht ausstehen. Sie kam sich wie ein kleines Kind darin vor, das sich verirrt hat.
Ich bin so klapperdürr, dachte sie wohl zum hundertsten Mal und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als sie sich in dem Spiegelstück an der Wand sah. So klapperdürr und kein bißchen hübsch. Dieses kleine Kindergesicht, urteilte sie über sich selbst, diese hohlen Wangen, das winzige Kinn, die schmalen Lippen. Bloß meine Nase ist nicht zu klein geraten - ganz im Gegenteil. Wenn ich doch nur ein größeres Gesicht hätte - oder eine kleinere Nase! Dann würde alles irgendwie besser zusammenpassen. Und ich sehe vollkommen verloren aus in diesem ... diesem Sack von Kleid und mit diesen wildgewordenen Haaren.
Maria strich sich die Haare aus dem Gesicht und wandte sich mutlos von dem Spiegel ab. Dann nahm sie ein Stück Schnur und band sich die Haare damit im Nacken zusammen.
Mit einem letzten, mißbilligenden Blick auf ihr Spiegelbild ging sie aus dem Zimmer und lief schnell in die Küche, um ihrer Mutter zu helfen.
Ihre Mutter redete schon los, als sie die Küche kaum betreten hatte.
„Wenn du mit den Äpfeln und dem Kartoffelschälen fertig bist, bring bitte die Milch und die Sahne zum Pastor. Mrs. Angus braucht sie vielleicht fürs Abendbrot.”
Maria nickte und band sich schnell eine große Schürze über den braunen Kittel. Jetzt hatte sie einen weiteren Grund, sich mit dem Schälen zu beeilen. Sie ging nämlich furchtbar gern zum Pfarrhaus. Sie freute sich immer, wenn sie sich mit der netten Mrs. Angus oder ihrem Mann, dem Pastor, unterhalten konnte. Diese beiden waren so freundlich und so ... so gebildet - und es gab ja noch so viel, was Maria unbedingt lernen wollte.

Überraschung
Eilig machte Maria sich rit den Milcheimern auf den Weg. Sie war zwar längere Zeit;nicht mehr im Pfarrhaus gewesen, doch viel Zeit für einen Besuch dort blieb ihr heute nicht. Die Kartoffeln für das Abendessen waren schon aufgesetzt, und den Apfelkuchen hatte sie schon in die Backröhre geschoben. Ihre Mama würde bald ihre Hilfe beim Tischdecken und Auftragen brauchen.
Diesmal würde sie sich nicht lange im Pfarrhaus aufhalten können. Trotzdem haue sie sich das Abschlußzeugnis in die Schürzentasche gesteckt. Sie konnte es schließlich unmöglich vor dem Pastor und seiner Frau aus dem Oberteil ihres Kleides hervorgraben. Andererseits befürchtete sie, mit einem der schweren Eimer gegen das Zeugnis zu stoßen und das Papier zu zerknittern. Die Arme taten ihr weh, weil sie sich bemühte, mit leicht abgewinkelten Armen so schnell und zugleich so vorsichtig wie möglich zum Pfarrhaus zu laufen.
Mrs. Angus haue ihr das Versprechen abgenommen, ihr das kostbare Zeugnis zu zeigen, sobald sie es ausgehändigt bekam. Es war Maria peinlich, mit dem Beweis ihrer schulischen Leistung in der Schürzentasche durch die Gegend zu laufen, doch andererseits wäre es ihr nie in den Sinn gekommen, ein Versprechen zu brechen.
So hastete sie mühsam weiter. Alle paar Minuten mußte sie stehenbleiben, um sich die schmerzenden Arme zu reiben. Endlich erreichte Maria den Bretterweg, der zur Hintertür des kleinen Pfarrhauses führte. Mit rotem Gesicht und außer Atem eilte sie über die klappernden Bretter, stellte den einen Eimer vorsichtig auf den Fußboden und klopfte mit einer schmerzenden Hand an die Tür. Dann tastete sie ihre Schür-
@1997 Schulte & Gerth

Oldham J H, Ein Mensch wagt zu lieben - Florence Allshorn

06/08/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

WENN ABER DER WIND WEHT

Mit großen, wachen Augen schaute Florence in den grauen Tag vor ihrem Fenster. Der Nebel hatte London eingesponnen in sein dichtes Netz. Er schien durch alle Ritzen zu drin-
gen. Sie kannte das. . .
Bilder stiegen auf und sanken wieder zurück ins graue Gewoge: die Särge von Vater und Mutter, kurz nacheinander. Verschwommen war das Bild. Sie war damals, erst ein kleines dreijähriges Mädel gewesen; als schweres Erbe des lungenkranken Vaters, eines. Heilpraktikers, war ihr die zarte Gesundheit verblieben. - Etliche Jahre später: eine Geburtstagsfeier mit den lebhaften Vettern und Kusinen. Ein kleines Erleben, und war doch schmerzhaft eingegraben in ihr Gemüt. ‚Sie hafte sich so gefreut mit der ihr eigenen Fähigkeit zum' Frohsein. Aber plötzlich war ihr klar geworden, die kleinen Verwandten hatten eine Heimat - das sah man an allem, bis hin zu der gutsitzenden Kleidung. Sie aber war geschruack-los angezogen und stand mit ihrem lebhaften Sinn für alles Schöne Qualen aus, so oft sie mit den kleinen Verwandten zusammen war.

Eintönig und' grau war auch das Heute. Sie haßte ihr Zuhause, das sie in enge Fesseln schlug. Glücklich war sie nur, wenn' sie' ihm entrinnen konnte—der Tante, der tristen Langeweile, der lieblosen Pflicht.
Sollteü diese Dunkelheiten 'alles Schöne ersticken? Neiit. tausendmal nein. In dieser Stunde sagte Florence der lähmenden Resignation den Krieg an. Mächtig spürte sie 'das Leben in ihrem Blute kreisen, und ihr 'starker Lebenswille sollte sie davor bewahren, ihrer Umgebung, sei sie noch so grau, zu erliegen.
Ein frischer, klarer Frühlingswind war aufgegangen, während sie so sann. Übermütig zerstieß er den Nebel in tausend Fetzen. Ein lachender' Sonnenstrahl fiel auf die Osterglocken im kümmerlichen Gartenland. Sie waren aufgeblüht Voll ‚dem Lichte zugewandt, verströmten sie verschwenderisch und im-bekümmert ihren Duft aus goldenen Kelchen.

Das war es, in solcher Unbekümmertheit sich selbst verschenken. Noch ahnte Florence nicht, .in welch hohem Maße dies bei ihr der Fall sein sollte Sie schrieb einer Freundin »Lange träumte ich von einem Kleinod in meiner Seele, so kostbar, daß man nicht riskieren konnte, es m Berührung mit den gewöhnlichen, oft unschönen Dingen des Lebens zu bringen. Irgendein besonderes, mystisches Erleben erwartete ich. Daraus, so hoffte ich, wurde sich etwas Wunderbares gestalten, wenn ich nur Sorge trüge, daß es nicht beschntutzt würde. Es war ein Traum, unwirklich und voll Selbstsucht. Heute weiß ich: echtes Leben ist rein und befleckt, schön und häßlich, der Wunder voll und eintönig zugleich - über allem aber sei die Liebe. Stell dir nur vor, ich glaubte, es ganz nett weit gebracht zu haben und hielt es für Liebe, wenn man nett und freundlich mit den Menschen ist. 

Doch nie und nimmer ist das Liebe! Lebe ist ein unergründliches Sich-selbst-vergessen So strahlend, noch habe ich ihren Saum nicht berührt.«
Liebe durfte bei Florence schon in ihrer Jugend nie im Gefühl stecken bleiben. Es ging ihr immer darum, echt zu sein - um jeden Preis Echt im Lieben, echt auch m den kleinen Dingen des Alltags. Wieder vertraute sie der Freundin dies Verlangen an: »Ich leide so darunter, daß ich die Menschen nicht recht lieben kann. Vielleicht wird Gott es mich lehren; wenn ich am Bitten bleibe. Es ist so viel in mir, das noch nicht frei geworden ist, das auf die lösende Berührung wartet. Wenn ich doch ganz wach werden könnte! Weißt du noch, wie mir damals die Zähne, gezogen wurden? Ich hatte ziemliche Schmerzen und entdeckte mich trotzdem plötzlich dabei, daß ich Gott dankte; denn es war echtes, wirkliches Erleben, das mich die Lektion der Schmerzen lehrte. Wahrhaftig, es war, als entdeckte ich in mir wenigstens ein Stücklein, das echt war. Zu solcher Echtheit möchte ich bei allem, was ich tue, durchstoßen. Dieser Weg muß wohl durch Schmerzen gehen, und ich hoffe, ich habe dann im. entsprechenden Augenblick den Mut, den Preis der Echtheit zu zahlen Noch wage ich es nicht.«

Kräfte drängten zum Licht Florence erkannte die Gabe schöpferischen Gestaltens, die ihr m hohem Grade verliehen war. Sie studierte Kunst und Musik. Doch wieder verhüllte sich die klare Sicht. Durch ein Augenleiden, das Florence auch in späteren Jahren immer wieder zu schaffen machte, nahm ihr Leben eine andere Wendung, als sie • geplant. Vier Jahre Hauswirtschaftsseminar statt Kunstakademie, Kochtöpfe statt Pinsel und Palette. Ein krummer Weg, und dahinter doch, ihr zwar verborgen, Gottes Führung. Florence sagte zu dieser Enttäuschung »Ja.«, und so wurde ein Stück Lebensschule daraus, die ihr später von hohem Wert war. Hauswirtsdiafts-lehre und Kochen, Wäsche, Handarbeit, Kleidernähen irnd Psychologie waren die Fächer, die sie mit glänzenden Zeugnissen absolvierte. Beides zusammen - Kunst und. Hauswirtschaft — hielt sie für nahezu ideal als Vorbereitung auf ein fruchtbares Leben. »Beides. lehrte . mich«, schrieb sie später, »die Kunst des Sehens und den Sinn für das echte Verhältnis der Dinge untereinander.« Sehen, das hieß für Florence, aufgeschlossenen Sinnes Welt und Menschen um sich her sehen.

Starken Sinnes durchlebte Florence die Werdejahre, in denen sie zugerüstet wurde. Ein fest umrissenes Ziel hatte die Zweiundzwanzigjährige noch nicht. Sie tat nur den nächsten Schritt. Der führte sie für ein oder zwei Jahre in das Büro eines Vetters. Eintönig? Nicht für Florence. Mit Jfiteresse verfolgte sie auf dem Papier die Fahrten, die die Kohlenladungen von dem Ort aus durch ganz England machten. Und - sie konnte sehen. Sie sah scherzende, ungehobelte Mädels, die täglich aus den Fabriken . strömten. Unversorgt, oft ungeliebt, verwehte Blätter so viele. Freilich, die Kirche hatte versucht, ihnen ein Stücklein Liebe zu. bringen. Aber diese. Liebe hatte wohl nicht den Klang, der ihr Ohr erreichte, denn achtlos gingen die Mädels vorüber. Florence, die einstige Kunstakademikerin, ging im Einvernehmen mit ihren Freunden, Bischof Jones und Frau, fröhlich, ans Werk, sie sammelte um sich eine wachsende Gruppe junger Arbeiterinnen. Florence beeinflußte sie alle mit ihrer intensiven Liebe für alles, was irgendwie schön war, nicht nur für sinnenfällige Schönheit, sondern auch für Reinheit der Gedanken und Sinne.

Dienend und liebend wuchs sie hinein in die Gemeinde. Kindergottesdienst; Jungschar. Ihr Herz weitete sich über dem Geben, immer mehr Menschen fanden darin Raum, bis hin zu den Brüdern und Schwestern fremder Rassen Sie half auch da an ihrem Teil mit zu sammeln, zu beten,1 zu geben.
Aber der Ruf, von »drüben« tönte immer dringlicher an ihr Ohr. Sollte er ihr noch petsöhhicher gelten? Sie glaubte es. Entschlossen betrat sie den unbekannten Weg. 1920, im Alter von 32 Jahren, meldete sich Florence bei der Church-Missionary-Society und stellte sich zur Verfügung für den Dienst einer Missionarin in Übersee. In welchem Lande? Sie wußte es nicht Sie zerquälte sich auch nicht »Ich mochte dem Herrn Christus dienen, so gut es mir immer möglich ist«, gab sie als Begründung an. Ihr Herz war Jesus Christus lebendig zugewandt, darum konnte sie in der Wirrnis verschiedener Möglichkeiten auch in geringfügigen Begebenheiten seine Fußspuren erkennen. So kam es, daß sie etliche Wochen später anläßlich eines Gesprächs mit Bischof Willis von Uganda wußte: dies ist der Weg; Uganda war das Land, in das Gott sie rief.

Es sind aus jener Zeit noch Briefe vorhanden. Die folgenden Auszüge lassen uns etwas von der Einstellung zum Leben erkennen, die Florence damals hatte. Verheißungsvoll leuchtet schon etwas von dem auf, was in späteren Lebensjahren charakteristisch für sie war: das Ja zum Leben und das Ja zu Christus, dem lebendigen Herrn, in geschlossener Ganzheit.
»Ich denke, man empfindet den Rhythmus mächtigen Le-bensgefiihh an der See beglückender als überall sonst Nur reiten ist beinahe ebenso begeisternd. Ich wünsche mir beides und kann doch jetzt keines haben!
Wenn ich daran denke, wie Christus mein ganzes Sein ergriff, ist mein Herz erfüllt von Freude. Die vergangenen Wochen waren so beglückend, denn ich merkte so gewiß, wie mein Herr mich zu sich hinwandte. Er weiß, daß es nichts gibt, das ich mir nur halb so sehr wünsche.«
Und der fröhliche Rat, den sie einer Freundin gab, die Ferien hatte:
»Beschwere Deinen Kopf nicht mit theologischen • Problemen. Lies Bücher, die möglichst nur ein, halbes Dutzend Zei len. je Seite haben, und das tu geruhsam. Es wird Dich herrlich entspannen. Also denk nicht an Dir herum, ich meine an Deinem moralischen Selbst, Sei - recht verstanden - ein Heide, freu Dich an Himmel und Sonne, und tu Dich dem Duft und den Geheimnissen von Baum und Blüte auf. Das ist riesig gesund. Laß einmal das Rätseln um Gut und Böse. So wirst Du, wenn Du zurückkehrst, doppelt klar sehen und mit neuer Freude schaffen. Weißt Du, eines vom Besten während der Ferien ist, nichts wünschen, nichts wollen, aber Gott loben für alles. Ihn preise allezeit, für die kleinen zarten Blätter und das satte, tiefe Grün der Baume für alle Gute, die Dir begegnet in diesen Wochen Laß Deinen Urlaub nichts sein als einen nimmer endenden Dank für alle die kleinen, schonen Dinge und vergiß Dem großes, kämpfendes Ich mit allen seinen Verkehrtheiten Dann aber komm zu uns zurück, klar, erneut und belebend, und laß uns auch einen Schein der Herrlichkeit Gottes sehen.
Ganz zu lieben, ganzherzig zu suchen und ganz glücklich zu sein - das ist vielleicht das Schwerste von allem.

Wie starr wird unser Leben, wenn es allein von der Vernunft her geführt wird! Wird sie auch je einen Menschen veranlassen, sich in eine aussichtslose Schlacht mi begeben? Es war auch nicht die Vernunft, die Christus trieb, die Sünden der ganzen Welt auf sich zu nehmen und sein Leben für andere hinzugeben. Der Verstand lüßt uns so furchtbar vernünftig handeln, aber unmittelbares Erkennen ist etwas vom Glanz Gottes in unserem Leben. Von seiner Glut ergriffen vermag man auch die Aufgaben zu übernehmen, deretwegen man uns Toten schilt. Inmitten solchen Tuns bricht die Freude Gottes gleich jubelndem Lobgesang in uns auf.
Eben jetzt sah ich wohl zum allererstenmal, wie not der Welt das heile, klare Licht der Güte Christi tut. Denn es zerbricht die Starrheit und machtweich und gelenk.«
Florence wußte aber auch von dem Kampf, den es kostet, wenn aus der Schau Leben werden soll: »Wie ist es nur möglich, daß ich zeitweise dahinschlendere, als wäre Gott nicht da? 0 ja ichhabe solche Zeiten, und .sie sind meine Sünde. Wie ein Frost legen sie sich über das große Sehnen, das doch auch vorhanden ist. Das ist es, was einen mutlos macht die eigene Oberflächlichkeit.
Ich furchte, meine Bunde ist Ziellosigkeit Es ist nur sehr schwer zu wissen, wo das Ziel liegt. Das Leben ist so drän gend, und ich meine, es müsse wieder ganz neu anfangen. Ich werde wohl mein Leben lang immer wieder Altes einreißen und ein Nettes suchen, und wahrscheinlich werde ich mir dabei immer wieder die Finger verbrennen! Aber Gott bewahre mich vor allem gemächlichen Trott im gewohnten Geleise.
Ich wünsche Dir so viel Gutes, aber es sind nicht die Dinge, die uns leicht selbstverständlich zufallen, auch nicht Erfolg, ja nicht einmal das, was man ein befriedigendes Leben nennt Wenn ich es nur recht sagen konnte' Ich glaube, ich wünsche Dir, daß Dir das Wissen erhalten bleibt, daß Du Dich keiner niedrigen Gesinnung ergeben kannst
Möchtest Du nicht alles daransetzen, um Ihm näher zu kommen? Ich hungere so nach echtem Leben, daß es schmerzt. Alle diese Jahre hindurch erklomm ich allein den steilen Pfad Ist es da ein Wunder, daß ich nicht weit kam? Nun wanderst Du mit, und es ist gut
Es ist schrecklich, schwach zu sein, wenn Kraft nötig wäre, schrecklich, so wenig 'auszurichten, während die Welt nach Menschen schreit, die neue Wege zu führen vermögen. Ich i. hasse, hasse, hasse, in der Mittelmäßigkeit stecken zu bleiben und, nicht mehr zu sein als nett, aber langweilig. Oh, diese Welt kann nicht das Letzte sein, sonst wäre nicht so viel Sehnsucht nach einem Sein in uns gelegt, das Weit über das hinausgeht, was wir hier vermögen. Dies Leben, das den To-deskeim schon in sich birgt, wäre nicht zu 'ertragen, wüßte man nicht um den.Tag, da wir in der Wahrheit leben werden.
Laß uns unermüdlich füreinander beten. Mut brauche ich, mehr 'als alles 'andere. Und doch - ich weiß es nicht, ich mochte Gott schauen - darin liegt alles andere Dies laß Dir für mich geben, Deine Gebete bedeuten mir so viel Ich glau-be, daß aller Dienst - in der Zwedklosigkeit der Liebe getan nicht untergehen kann Er ist genau wie ein Kunstwerk So-
bald sich aber unser Ich einschleicht, beginnt die Unvollkommenheit, und es fehlt die Kraft, die es lebendig erhält.
Rücksichtslos gegen dies alte Selbst anzugehen, heißt die Forderung, wenn wir in die. Reihen, der priesterlichen Schar eintreten möchten.
Die Idee des 'lieben' Gottes ist einfach unmöglich. Er ist millionenfach größer als unsere erhabensten Vorstellungen über ihn. Er ist Herr, voll Glanz und Reinheit„ unvorstellbar. Manchmal meine ich, der Schleier hebe sich ein klein wenig, dann ahne ich ihn als den, der vor mir hergeht in der Fülle der Liebe und eines gießen Erbarmens. Ich höre, seinen starken Ruf und kann nicht anders, als mich aufmachen, ihm nach. Gut sein, nett 'und 'pflichttreu, nie, nie ist das genug. Ich möchte ihn, Christus, das Leben. Er muß mich anrühren, zu mir reden, mich zurechtweisen, ich aber möchte ihn lieben. Worte, Gedanken, Wissen sind gut und schön; aber dem Verschmachtenden helfen sie. nichts. Gott weiß um den verzehrenden Durst meiner Seele. Ich brauche das Teilhaben an seiner Macht, um ihm zu dienen ‚an seinen Geschöpfen, denn kann man andere weiter führen, als man selbst ist? Auch nicht vom geringsten Nutzen kann ich sein, es lebe denn Christus in mir. Vielleicht muß ich danach suchen mein Leben lang. Es ist nicht leicht, findest Du nicht ‚auch?«.

DIE SCHULE DER LIEBE - UGANDA
Schwere Anker bohrten sich in den 'Grund. 'Gelb färbte sich das Wasser vom aufgewühlten Sand.' ‚Dann lag der' große Ozeandampfer fest. In einer Menge lachender und 'a'afgereg-ter Menschen ging auch Florence mit ihren Reisebegleitern und vertrauten Freunden, Bischof Gresford jenes und Frau, an Land. Noch im Jahre ihrer Meldung war sie ohne weitere Ausbildung ausgesandt worden!
Das also war Afrika, das Land glühender Sonne und gelben