Das erste Buch der Könige Einleitung R.H Brockhaus 1907

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger


Das zweite Buch Samuel schildert die E r r i c h t u n g des israelitischen Reiches durch David;BN405-40.jpg?1673102115378 der Anfang des ersten Buches der Könige zeigt uns dieses Reich endgültig errichtet durch Salomo. Es ist zu beachten, daß die Regierung Salomos mit der Regierung Davids ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Der Tod des alten Königs bringt nicht einmal eine augenblickliche Unterbrechung hervor, da Salomo sich schon bei Lebzeiten Davids auf den Thron seines Vaters setzte. Es handelt sich nämlich, vorbildlich, um eine einzige zusammenhängende Regierung, die zwar, entsprechend dem einen oder dem anderen ihrer Abschnitte, scharf getrennte Charakterzüge darbietet, aber doch beide zu einer unzertrennlichen und völligen Einheit verbindet.

 

Will man diese Regierung in ihrer Gesamtheit betrachten, so beginnt sie mit der Verwerfung des wahren Königs Israels (l. Buch Samuel); sie festigt sich, nach dem Siege, inmitten der Streitigkeiten des Volkes und der Kämpfe mit äußeren Feinden (2. Buch Samuel) und besteht in Frieden, Gerechtigkeit und Herrlichkeit im Anfang des Buches, das uns jetzt beschäftigt. Dieser Bericht, wie ja überhaupt das ganze Wort Gottes, richtet unsere Blicke auf Christum und stellt uns Seine Regierung in allen ihren unterschiedlichen Abschnitten dar. Als Messias verworfen, betritt Er zur Zeit des Endes aufs neue den Schauplatz, sammelt nach und nach Juda und die Stämme Israels unter Sein Zepter und dehnt durch Gerichte, aber auch in Gnade, Seine Herrschaft über die Völker aus bis zur schließlichen Errichtung Seines allumfassenden tausendjährigen Königtums. Er genießt dann in Frieden und Gerechtigkeit Seinen Triumph und läßt Sein irdisches Volk daran teilnehmen.

 

So finden wir in diesen Büchern die Darstellung der ganzen Ratschlüsse Gottes über das irdische Erbe des Messias, des Gesalbten Jehovas, des wahren David und wahren Salomo. Mit Ausnahme des Abschnittes über die Drangsale Davids haben diese Ratschlüsse ihre Erfüllung noch nicht gefunden; sie werden jedoch im Tausendjährigen Reiche verwirklicht werden, wenn der Herr auf Seinem Throne sitzen wird als König Israels und der Nationen, als König der Gerechtigkeit und des Friedens, als der wahre Melchisedek, der Priester in Ewigkeit.

 

Indes stellen diese Bücher noch einen anderen, sehr wichtigen Charakterzug dar, dessen Außerachtlassung uns beständig in die Gefahr bringen würde, die Vorbilder, denen wir in ihnen begegnen, falsch anzuwenden. Wir haben auf diesen Charakterzug schon bei der Betrachtung des zweiten Buches Samuel hingewiesen: der von Gott eingesetzte König ist ein verantwortlicher Mensch. Diese Verantwortlichkeit, die auf Christo ruhen wird mit all ihren herrlichen und gesegneten Folgen, führt notwendigerweise zum Verfall, sobald sie den Händen fehlbarer und sündiger Menschen anvertraut wird. Daher zeigen uns die beiden Bücher der Könige den Verfall des Königtums in den Händen des Menschen und sein schließliches Gericht.

 

Gott hält einerseits die Gewißheit Seiner Gnadenratschlüsse aufrecht, aber andererseits auch ebenso sicher die Gewißheit seiner Gerichte, falls der König den Forderungen Seiner Heiligkeit nicht entsprechen sollte. Diese beiden Ströme, die Gnade und die Verantwortlichkeit, laufen nebeneinander her, ohne sich jemals zu vermischen. Die Worte Jehovas an David über Salomo (2. Sam. 7, 1316) stellen diese Wahrheit in sehr bemerkenswerter Weise ans Licht. Wir sehen dort einerseits die Gnadenwahl und andererseits die Verantwortlichkeit des Königs und ihre Folgen und schließlich, n a c h diesen beiden Grundsätzen, die Zusicherung, daß die Ratschlüsse Gottes nichtsdestoweniger in Erfüllung gehen werden.

 

Alles dieses ist um so eindrucksvoller, da die beiden Bücher der C h r o n i k a uns das Königtum von einer anderen Seite vorstellen. Sie erzählen die Geschichte des Hauses Davids v o m Gesichtspunkt der Gnade aus. Wenn der Herr uns erlaubt, demnächst auch diese Bücher zu betrachten, werden wir reichlich Gelegenheit haben, das festzustellen. Heute genüge der kurze Hinweis, daß diesem Grundsatz entsprechend die Bücher der Chronika uns nicht die Geschichte der Könige Israels, sondern die der Könige Judas mitteilen, welche viel länger treu blieben als jene und denen das Zeugnis Gottes anvertraut war. Der Geist Gottes läßt bei ihnen das Werk der Gnade und alles, was Jehova anerkennen konnte, ans Licht treten, indem Er oft, um Seinen Zweck zu zeigen, ihre Fehler mit stillschweigen übergeht, keineswegs aber ihre Schwächen zu verbergen sucht.

 

Die beiden Bücher der Könige dagegen schildern uns die Geschichte der Könige von Israel und führen die Könige von Juda nur als Richtpunkte für die Erzählung, oder zur Hervorhebung der gegenseitigen Beziehungen der beiden Königshäuser ein.

Stellen wir hierzu noch eine andere wichtige Tatsache fest. In den Büchern der Könige bleiben die Grundsätze, nach denen Gott Sein Volk regiert, dieselben wie in dem ganzen Alten Testament. Israel und auch seine Könige sind u n t e r d i e Herrschaft des Gesetzes gestellt. Freilich handelt es sich hier nicht um das Gesetz in seinem ersten Charakter der absoluten und unvermischten Gerechtigkeit, wie Moses es im Anfang empfing. Die Tafeln, auf denen dieses Gesetz geschrieben stand, wurden von Mose am Fuße des Berges zerbrochen und gelangten nie zu dem Volke, welches schon vorher das goldene Kalb gemacht hatte. Dieses erste Gesetz würde das Volk von dem Augenblick seiner Verkündigung an unter dem Gericht zermalmt haben. Es handelt sich vielmehr in der ganzen Geschichte, die wir betrachten wollen, um das Gesetz, wie Gott es zum zweiten Male dem Mose gab und wie wir es im 34. Kapitel des 2. Buches Mose finden. Es war ein gemildertes Gesetz, welches dem Menschen gegeben wurde, damit er es erfülle, vorausgesetzt daß sein Fleisch dazu fähig war, und wäre das Ergebnis auch nur ein relativ gutes. Es verkündete zu allererst d i e B a r m herzigkeit und die Gnade Jehovas, welche das reine Gesetz niemals offenbaren konnte. "Jehova, Jehova, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit, der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt." Es verkündete zweitens d i e G e r e c h t i g k e i t : "Keineswegs hält er für schuldlos den Schuldigen". Drittens verkündigte es d i e V e r g e 1 t u n g nach der Regierung Gottes hienieden: "Der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, am dritten und am vierten Gliede" (V. 68). Im Laufe der Geschichte, die uns beschäftigen wird, werden wir Gelegenheit haben, die eben besprochenen Grundsätze angewandt zu sehen, sei es hinsichtlich der Könige oder des Volkes.

 

Die vorliegenden Bücher stellen schließlich noch eine dritte allgemeine Wahrheit ans Licht. Das Priestertum hatte seit seinem Verfall aufgehört, das öffentliche Verbindungsmittel zwischen dem Volke und Gott zu sein. Der K ö n i g, der Gesalbte Jehovas, war an die Stelle des Priesters getreten, um diesen Dienst zu erfüllen (siehe den Anfang des i. Buches Samuel). Die ganze Segnung Israels, wie auch sein Gericht, hingen von da an von dem Wandel des Königs ab. Wenn der König seiner Verantwortlichkeit nicht entsprach ' so war es, streng genommen, um die Beziehungen des Volkes zu Gott geschehen. Aber dann zeigt sich eine Erscheinung, die während der ganzen Dauer des Königtums und darüber hinaus besteht: der P r o p h e t tritt auf den Schauplatz. Sein Auftreten beweist, daß die Gnade und Barmherzigkeit Gottes nicht aufgehoben werden können, selbst wenn alles in Verfall geraten ist.

 

Ohne Zweifel bestand die Prophezeiung schon vor der Zeit, von der wir reden. Der Fall des Menschen gab zu dem ersten prophetischen Wort Anlaß. Abraham war ein Prophet (l. Mose 20, 7); Jakob prophezeite; Moses war ein Prophet (5. Mose 18, 15; 34, 10). Doch erst Samuel eröffnet die Reihe der Propheten, welche wir in den Büchern, die uns jetzt beschäftigen, in Tätigkeit sehen (Apgsch. 3,24). In jenen dunklen Tagen wird, in Ermangelung des Königs, der Prophet das Band zwischen dem Volke und Gott. Er ist d e r T r ä g e r d e s W o r t e s ; ihm wird die Offenbarung der Gedanken Gottes anvertraut. Welch große Gnade! Allerdings k ü n d i g t d e r Prophet die schrecklichen Gerichte an, welche das Volk und die Nationen treffen werden; aber er stellt zugleich dem Glauben die Gnade vor als das Mittel, dem Gericht zu entrinnen. Er legt Zeugnis ab gegen die Ungerechtigkeit, befreit selbst, wie Elias, das Volk durch machtvolle Handlungen, um es wenn möglich wieder dahin zu bringen, daß es in den Wegen Gottes wandle. Er u n t e r w e i s t das Volk; er gibt ihm, wie jemand es ausgedrückt hat, den Schlüssel zu den Wegen Gottes, die ohne diesen Schlüssel unbegreiflich sein würden. Er t r ö s t e t auch, indem er die Blicke auf eine Zukunft voller Segnung richtet, auf "die Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge"" auf "ein unerschütterliches Reich", auf die Zeit, in der die Verantwortlichkeit des Hauses Davids von Christo, dem Sohne Davids, übernommen werden wird zur völligen Genugtuung Gottes. Indem er die Augen des Glaubens auf die herrliche Person des Gesalbten Jehovas hinlenkt, verkündet er die Leiden des Messias und die darauf folgenden Herrlichkeiten. Er fühlt zugleich die Kluft, welche die damalige Zeit von der zukünftigen "Wiedergeburt" trennt. Er d e m ü t i g t s i c h für das Volk, wenn dieses es nicht tun kann noch will. Ohne ihn würde dem armen, schuldigen und gezüchtigten Volke in den finsteren Tagen des Königtums kein einziger Lichtstrahl bleiben. Der Prophet belebt die Hoffnung und läßt sie wieder neu entstehen.

 

Doch kraft der unter der Herrschaft des Gesetzes angekündigten Grundsätze erkennt die Barmherzigkeit Gottes sofort den König an, wenn er im Glauben handelt und treu ist. Wie unvollkommen diese Treue auch sein mag, Gott schätzt sie und sie führt selbst dann zur Segnung des Volkes, wenn das Band offensichtlich gebrochen ist. Daher sehen wir während des Auftretens der Propheten, daß lichtvolle und finstere Tage abwechseln und daß trotz des angekündigten Gerichts oft ein Aufschub gewährt wird, weil der König seinen Blick auf Jehova richtet. Diese Treue des Königs findet man im allgemeinen in Juda, wo Gott noch für einige Zeit "Seinem Gesalbten eine Leuchte" gab, während Israel und seine Könige auf dem im Götzendienst begonnenen Wege verharrten und bald die Beute der Dämonen wurden, die sie nicht hatten beseitigen wollen.