1. Könige 10, Königin von Scheba

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 10, 1-13 Die Königin von Scheba

Das vorige Kapitel hat uns die Beziehungen Salomos zu den Vertretern der um ihn her wohnenden Nationen gezeigt. Tyrus, der Libanon, der Pharao von Ägypten, dessen Tochter, die Gemahlin Salomos, ferner das Land Edom, wo er seine Flotte erbaut, Ophir, die Wüste, wo er Tadmor baut, die Könige von Arabien (Kap. 10, 15), die Kanaaniter, deren Rest er unterwirft  alle diese verschiedenen Elemente bewegen sich um ihn als Mittelpunkt und tragen zum Ruhm seines Königtums bei. 

Nun kommt zuletzt die Königin von Scheba, diese "Königin des Südens, die von den Enden der Erde kam, um die Weisheit Salomos zu hören" (Matth. 12, 42). Was sie von allen anderen unterscheidet, ist die Tatsache, daß sie angezogen wurde durch den Ruf der Weisheit des Königs. Sie hatte davon reden hören, und das hatte in ihr den lebhaften Wunsch geweckt, diesen außergewöhnlichen Fürsten zu sehen, und dieser Wunsch ließ sie die gewaltige Entfernung, welche ihr Land von Jerusalem trennte, und die zahlreichen Schwierigkeiten einer solchen Reise überwinden. 

Das war eine Tat des Glaubens. Sie glaubte dem Worte, das ihr gesagt worden war; sie glaubte an die Vortrefflichkeit Salomos, obwohl sie zu deren Beurteilung nur das Wort besaß, welches sie gehört hatte. So ist es immer mit dem Glauben. Er wird durch die Person und die Vollkommenheit Christi angezogen. Rebekka, überzeugt von der Liebe Isaaks, über welchen Elieser zu ihr geredet hatte, macht sich auf den Weg zu ihm. Die Wüste schreckt sie nicht; denn sie verlangt nach ihrem Bräutigam. 

So Abigail. Sie eilt, als das Gericht vor der Tür ist, dem Manne entgegen, vor dem sie eigentlich hätte fliehen müssen. Warum? Weil sie vom Hören­sagen die sittliche Herrlichkeit Davids kannte. Später wurde sie die Gefährtin seiner königlichen Herrlichkeit. Rebekka wird angezogen durch die Liebe, Abigail durch die Vollkommenheit der Gnade, die Königin von Scheba durch die Weisheit. 

So geht es den Seelen, welche Bekanntschaft mit Christo machen. Für ein endliches Wesen ist es unmöglich, eine unendliche Vollkommenheit zu erfassen; um so mehr werden wir angezogen durch eine der verschiedenen Seiten dieses göttlichen Charakters, gleichviel durch welche; alle leiten uns dahin, Bekanntschaft mit Seiner Person zu machen, und von Ihm nährt sich der Glaube. 

"Sie kam, um die Weisheit Salomos zu hören." Die Königin war in der Tat eine außergewöhnlich einsichtsvolle Person, der nichts entging, und die sich gern über alles genau Rechenschaft gab; aber von dem Augenblick an, da sie von Salomo gehört hat, gibt es nur noch einen Gedanken für sie: seine Weisheit auf die Probe zu stellen. Für sie selbst besteht die Weisheit darin, keine zu haben und sie bei einem anderen zu suchen. Dunkle Fragen bringt sie ihm. 

Sicherlich hatte sie keinen Mangel daran: die Welt ist ja voll von Rätseln, für die der Mensch nie eine Lösung gefunden hat. Von den Geheimnissen der Schöpfung, für deren einfachste Hiob keine Antwort fand, bis zu den Geheimnissen des leiblichen Lebens; von dem Geheimnis der Seele bis zu dem von Gut und Böse in dieser Welt; von dem verschleierten jenseits bis zu dem Leben der Ewigkeit, ist alles Geheimnis, dunkles Rätsel. Der Mensch kann die unbekannte Schrift dieses Buches nicht entziffern. 

Gott muß seine Verborgenheit enthüllen, und wenn es keine göttliche, be­stimmte und unmittelbare Offenbarung gäbe, dann befände sich der arme, begrenzte Geist des Menschen, von der ersten Frage in die Enge getrieben, am Fuße einer unübersteiglichen Mauer. Er mag sich rühmen, sich selbst erheben; aber all seine Wissenschaft läßt ihn niemals weiterkommen als bis zur Feststellung der T a t s a c h e n , deren erste Ursachen ihm völlig verborgen bleiben. 

Die Königin von Scheba brachte ihre Rätsel zu Salomo, um durch sie seine Weisheit zu erproben. Doch was war der Grund ihres Vertrauens? Sie hatte von dem Rufe Salomos i n V e r bindung mit dem Namen Jehovas reden hören. Wenn dieser Ruf auf die Gegenwart Jehovas in Jerusalem gegründet war, durfte die Königin dann nicht von vornherein sicher sein, daß sie nicht ohne Nutzen diese weite Reise antreten würde? Wenn Salomo ihre Rätsel lösen könnte, war dann nicht bewiesen, daß seine Weisheit keine andere war als diejenige Jehovas, der sich ihm offenbarte?  Die Königin kommt also zu Salomo, und was wird sie von dieser Begegnung mitnehmen? Die Kenntnis Gottes durch ihn! 

Sie kommt mit einem großen Zuge, mit allem, was ihr Land an Kostbarkeiten hervorzubringen vermochte, und mit Gewürzen in großer Menge, wie sie nie wieder nach Jerusalem gekommen sind; denn sie hält diesen erhabenen Herrscher aller Ehren würdig. Bemerken wir an dieser Stelle, daß es nicht nur einer Königin, sondern auch der verworfensten der Sünderinnen gestattet wird, dem König mit ihrem Wohlgeruch zu nahen, ­denn es ist nicht ein Tausch, den die Seele begehrt, indem sie Ihm naht; sie kann Ihm nur die Ehrerbietung bezeigen, die Ihm zukommt. Das Knie beugt sich vor Ihm als Zeichen des Glaubensgehorsams und der Anbetung eines Herzens, welches in Ihm alle seine Quellen findet, die es wünscht und deren es bedarf. 

Doch die Königin brachte noch etwas Besseres als ihre Gaben; "sie redete alles zu ihm, was in ihrem Herzen war. Und Salomo erklärte ihr alles, um was sie fragte; keine Sache war vor dem König verborgen, die er ihr nicht erklärt hätte." Sie öffnete Salomo ihr Herz; "das Verborgene" ihres Herzens wurde "offenbar" (i. Kor. 14, 25); doch es fand eine vollkommene Beantwortung von seiten dessen, dem keine Sache verborgen war. Indem sie Salomo begegnete, hatte sie Gott Selbst gefunden. 

Gott war wirklich da, und Er war in herablassender Güte damit beschäftigt, volles Licht in diese Seele zu bringen, keinen Raum darin zu lassen für irgendeinen Zweifel oder für ein ungelöstes Rätsel. Der König kennt das Verborgene aller Dinge; er verbirgt nichts vor ihr; er zeigt, daß das Geheimnis Jehovas für die ist die Ihn fürchten (Ps. 25,14). 

Die Königin s a h dann die ganze Weisheit Salomos in dem Gedeihen und der vollkommenen Ordnung seines Hauses (V. 4. 5). So wird auch die wunderbare Ordnung des Tausendjährigen Reiches dereinst vor den Augen der Nationen stehen.

Die Königin von Scheba erkennt die W a h r h e i t dessen an, was sie von Salomo hatte sagen hören. Von seiner Person ist sie übergegangen zu den Worten seines Mundes, von diesen zu allem, was aus seinen Händen hervorgegangen war, zu allem, was ihn umgab, und sie hat nur Vollkommenheit gefunden. So macht jede Seele die Bekanntschaft mit Christo. Man hört von Ihm reden, das erweckt das Interesse eines Herzens, das Bedürfnisse hat. Man sucht Ihn auf; denn der Zugang zu Ihm ist leicht. 

Man tritt init Ihm in Verbindung; Er antwortet auf die Bedürfnisse des Herzens. Man bewundert Ihn, man betet Ihn an mit Lobgesängen. Man sagt wie die Königin: "Meine Augen haben gesehen", und du übertriffst alles, was ich von dir gehört hatte. Man schätzt Seine Leute und Seine Knechte glücklich, die beständig vor Ihm stehen und Seine Weisheit hören. 

Und auf diesem Wege weitergehend, rühmt sich die Seele in Gott, der Gefallen gefunden hat an Seinem König, der Seine Wonne gefunden hat an Christo, um Ihn auf den Thron zu setzen. Es ist zugleich der Beweis der Liebe Gottes zu Seinem Volke, daß Er ihm einen solchen König gegeben hat, um Recht und Gerechtigkeit zu üben. 

Der Lobgesang hier ist mehr ein Lobgesang des R e i c h e s. Auch die Kirche wird, geschart um das geschlachtete Lamm, ihren Lobgesang anstimmen, und zwar wird ihr Herz und Mund mehr noch von Seiner Liebe erfüllt sein, als von Seiner Weisheit und Gerechtigkeit. 

Die Königin von Scheba gibt dem König alle Schätze, die sie mitgebracht hat. Die Gewürze, aus denen man den Weihrauch machte, waren die geschätztesten von allen am Hofe Salomos. Niemals war eine solche Menge davon in Jerusalem gesehen worden. Das Herz der glücklichen Königin strömt so über in ihren Gaben. 

Doch weit, weit gehen Salomos Gaben über die der Königin hinaus! Er begnügt sich nicht mit einem Gegengeschenk (vergl. 2. Chron. 9, 12); er gibt ihr "all ihr Begehr, das sie verlangte". Ja gewiß, wir haben es mit Dem zu tun, der nichts von uns fordert, sondern dessen Ruhm es ist, der unumschränkte Geber alles Guten zu sein und zu bleiben. Bittet, und ihr werdet empfangen! Bittet nur; ihr werdet nie die Reichtümer Seines Reiches erschöpfen, diesen "unausforschlichen Reichtum des Christus". 

Freilich ist Sein Reich jetzt nicht von dieser Welt, so daß wir aus Seiner Gegenwart nicht die zeitlichen Güter mitnehmen werden, mit denen die Königin von Scheba überhäuft wurde. Diese untergeordneten Schätze werden für das Tausendjährige Reich des Messias aufgespart. Unsere Güter, unsere Schätze sind geistlich; die Welt verachtet sie; der Christ aber, der dieses Namens würdig ist, nennt sie die w a h r e n Schätze (Luk. 16, 11). 

Die Königin kehrt in ihr Land zurück mit einem Schatz in ihrem Herzen, der tausendmal größer ist als die Schätze, welche ihre Kamele tragen. Ihre Augen haben gesehen! Sie kennt jetzt den König der Herrlichkeit!