Kapitel 16, In vollem Niedergang

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 16 In vollem Niedergang 

Die Propheten Jehovas treten unter diesen unheilvollen Regierungen häufiger auf. Wir sahen zuerst Achija, den Siloniter, welcher Jerobeam vorhersagte, daß er König über die zehn Stämme werden würde (Kap. 11, 29), und dann demselben König den Tod seines Sohnes und die Vertilgung seines Geschlechts ankündigte (Kap. 14). Nach ihm forderte Schemaja, der Prophet Rehabeams, den König und sein Volk auf, nicht gegen ihre Brüder, die Kinder Israel, zu streiten (Kap. 12, 22; 2. Chron. 11, 2): 

das einzige, was sich für diejenigen geziemte, welche noch die Leuchte Davids bewahrten. Sie, die Zeugen Jehovas, sollten die Teilung als Folge ihrer Sünde annehmen und sich darin Gott übergeben, der wissen würde Heilung zu bringen, wenn Sein Gericht seinen Lauf genommen und Früchte hervorgebracht haben würde. Darum hatte Achija zu Jerobeam gesagt: "Ich werde den Samen Davids um deswillen demütigen, doch nicht für immer" (Kap. 11, 39). 

Vor diesen Propheten hatte Iddo, der Seher, unter der Regierung Salomos über Jerobeam geweissagt (2. Chron. 9, 29), ohne von Nathan zu reden, dessen Rolle so ausgeprägt war in den Tagen Davids und beim Beginn der Regierung seines Sohnes.*) Endlich ermutigt Asarja, der Sohn Odeds, Asa, den König von Juda, nach seinem Siege über Serach, den Kuschiter, den Dienst des wahren Gottes wiederherzustellen (2. Chron. 15, 1 und 8).

*) Siehe über Iddo auch 2. Chron. 12, 15; 13, 22. 

Alle diese Propheten waren eigentlich Propheten von Juda; denn selbst Achija, der Siloniter, prophezeit dem Jerobeam zuerst bei Jerusalem und befindet sich dann auf dem Gebiet der zehn Stämme nur infolge der Teilung des Reiches. Ebenso ist es mit dem "Manne Gottes aus Juda", der im 13. Kapitel gegen Jerobeam auftritt. Wir reden nicht von dem "alten Propheten" in demselben Kapitel, der infolge seiner Untreue in Bethel geblieben war. 

Hanani, ein Prophet von Juda (2. Chron. 16, 7), weissagt wider Asa, welcher Ben-Hadad, den König von Syrien, gegen Baesa, den König von Israel, zu Hilfe gerufen hatte. Trotz des scheinbaren Erfolges dieses Bündnisses kündigt Hanani dem König an, daß er statt der aus dem Bunde mit der Welt erhofften Ruhe fortan Kriege haben werde. Der sonst gottesfürchtige Asa, über den göttlichen Tadel erzürnt, widersetzt sich Jehova, indem er Seinen Propheten ins Gefängnis wirft! 

Nach Hanani tritt Jehu, sein Sohn, auf. Er ist Prophet sowohl in Israel als auch in Juda. Er weissagt wider Baesa, den König von Israel, den Feind Asas, aber auch wider Josaphat, den König von Juda, den Freund Ahabs (2. Chron. 19, 2; 20, 34); denn zwei Dinge sind in Gottes Augen gleich böse: der Haß der Welt gegen Seine Kinder und die Freundschaft Seiner Kinder mit der Welt.

Jehu weissagt wider Baesa, der das Haus Jerobeams erschlagen hat, und kündigt ihm an, daß es ihm gerade so ergehen werde wie jenem: "Wer von Baesa in der Stadt stirbt, den sollen die Hunde fressen, und wer von ihm auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel des Himmels fressen" (V. 4; vergl. Kap. 14, 11). Doch Baesa "legte sich zu seinen Vätern", wie Jerobeam, und "das Übrige seiner Geschichte und was er getan hat und seine Macht, ist das nicht geschrieben in dem Buche der Chronika der Könige von Israel?" 

Die Erwähnung der Chronika der Könige von Israel oder derjenigen der Könige von Juda kehrt in diesen Büchern oft wieder. Diese Chroniken oder Jahrbücher wurden am Hofe aller damaligen Herrscher geschrieben, sowohl bei den Juden wie bei den Heiden. Sie haben mit dem Worte Gottes nichts gemein. Was Jehova nicht gefallen hat aufzuzeichnen oder auszulegen, findet sich dort aufgezeichnet. Diese Chroniken sind verloren gegangen; vielleicht findet man eines Tages Bruchstücke davon. Der Gläubige bedarf ihrer nichts; das Wort Gottes bleibt ihm. Hier, in der Erzählung Gottes, findet er alles, was für ihn nötig ist, sowie die göttliche Wertschätzung der Menschen, Taten und Dinge. 

Gewisse Handlungen mögen in den nicht inspirierten, Schriften erzählt werden, vielleicht sogar mit großer Genauigkeit; aber diese Handlungen sind immer nur von einer menschlichen Schätzung begleitet. Es ist sogar möglich, daß Männer Gottes, Propheten und Seher benutzt worden sind, diese Chroniken abzufassen, Geschlechtsverzeichnisse aufzustellen oder erklärende Bemerkungen dazu zu schreiben (2. Chron. 12,15; 13,22); doch diese Schriften sind nicht das inspirierte Wort Gottes. 

Trotz ihres menschlichen Wertes haben sie k e i n e Bedeutung für die Offenbarung der Wahrheit Gottes. Auch sind sie verschwunden, während das Wort Gottes geblieben ist. Wenn sie noch da wären, würden sie Zeugnis ablegen für die Göttlichkeit dieses Wortes und für die Wirklichkeit der darin mitgeteilten Tatsachen; jetzt aber, da sie verschwunden sind, haben sie kein anderes Zeugnis als ihre Erwähnung in den geweihten Schriften. Inmitten des allgemeinen Verfallens und Verschwindens bleibt das Wort Gottes das einzige Denkmal, die einzige unerschütterliche Urkunde! 

Die Geschichte der Könige von Israel wird immer finsterer und unheilvoller. Der Fluch Gottes ruht auf diesem abtrünnigen Geschlecht. Ela, der Sohn Baesas, regierte zwei Jahre (V. 8); Simri, der eine hohe Stellung im Heere einnahm, tötete ihn zu Tirza, während er trank und sich berauschte. So fängt das Wort des Propheten Jehu an in Erfüllung zu gehen: 

" S o b a l d er auf seinem Throne Saß, erschlug Simri das ganze Haus Baesas; er ließ nichts von ihm übrig was männlich war, weder seine Blutsverwandten noch seine Freunde". Diese Tat des Ausrottens vollzog sich in einigen Tagen; denn Simri regierte nur s i e b e n

Tage zu Tirza. Und diese sieben Tage genügten für ihn, um zu tun "was böse war in den Augen Jehovas, indem er wandelte auf dem Wege Jerobeams und in seiner Sünde, die er getan, so daß er Israel sündigen gemacht hatte". Wenn das Herz des Menschen von Gott abgewichen ist, so träge jede seiner Handlungen das Gepräge davon, und zwar so, daß sich gar schnell ein Berg von Missetaten aufhäufen kann. 

Am Tage der Verschwörung Simris wählt das Gibbethon belagernde Volk Omri, den Heerobersten, zum König. Solche Taten wiederholen sich stets beim Untergang der Reiche. Wenn das Volk ohne Gott ist, wird auch Sein Wille für nichts geachtet. Was Er im Anfang errichtet hatte, wird aufgegeben; das Königtum gehört dem, der die Macht in Händen hat, und da die Macht in dem Heere beruht, so ist das Reich in der Gewalt der militärischen Macht. Verschwörung auf der einen und Empörung im Heere auf der anderen Seite. 

Noch eine andere Tatsache kennzeichnet den Niedergang des Reiches. Israel ist in sich selbst geteilt, und wie soll es bestehen? Von der einen Hälfte des Volkes wird Tibni zum König erwählt, während die andere Hälfte Omri folgt. Dieser gewinnt die Überhand. Tibni stirbt, Omri wird König. Er regierte im ganzen zwölf Jahre, davon sechs zu Tirza. Er baute Samaria und "machte es ärger als alle, die vor ihm gewesen waren". Dann legte er ich zu seinen Vätern und wurde zu Samaria begraben. 

Ahab, der Sohn Omris, wird noch zu Lebzeiten Asas, des Königs von Juda, König; denn alle im 15. und 16. Kapitel erwähnten Umwälzungen fanden während der Regierung Asas statt. So kurz die Regierungszeit der Vorgänger Ahabs gewesen war (Nadab regierte ein Jahr, Ela zwei Jahre, Simri sieben Tage), mit Ausnahme von Omri, so lang war die von Ahab: 22 Jahre. 

Ahab hat Zeit vor sich, um nur Böses zu tun. Er folgt dem Götzendienst Jerobeams, aber er tut noch Schlimmeres: er nimmt Isebel, die Tochter Ethbaals, des Königs der Zidonier, zum Weibe und beugt sich nieder vor Baal, dem er einen Altar und einen Tempel zu Samaria baut. Er errichtet ein Bild der phönizischen Astarte und reizt Jehova, den Gott Israels (V. 29-33). 

Und siehe da, gerade in solchen Tagen schickt dieser gereizte Gott Sich an, Seine Macht im Zeugnis gegen das Böse zu offenbaren, aber auch um dieses unglückliche Volk, welches sich freiwillig in die Knechtschaft der Dämonen begeben hatte, zu befreien. Welch ein Gott ist unser Gott! Er erwählt den Augenblick, wo der Mensch Ihn gänzlich verworfen hat, um zu zeigen, daß "Er Gott ist, Er allein", wie wir es weiterhin in der Geschichte des Elia sehen werden. Und, möchte ich fragen, haben wir Christen nicht dasselbe an dem Kreuze Christi erblickt? 

Doch bevor wir zu der Geschichte des Elia kommen, wird noch ein besonderes Ereignis erwähnt: "In den Tagen Ahabs baute Hiel, der Betheliter, Jericho wieder auf. Mit Abiram, seinem Erstgeborenen, legte er ihren Grund, und mit Segub, seinem Jüngsten, stellte er ihre Tore auf, nach dem Worte Jehovas, das er durch Josua, den Sohn Nuns, geredet hatte". Mehr als fünfhundert Jahre waren seit der Zerstörung Jerichos verflossen, aber Jehova hatte Sein Wort nicht vergessen (Jos. 6, 26). 

Die Mitteilung ist um so bemerkenswerter, weil sie dazu dient, den Menschen die unfehlbare Autorität aller Worte, die Gott ausgesprochen hat, zu beweisen. Israel war dem Götzendienst verfallen, der Name Jehovas wurde verunehrt, und das Böse in seiner abscheulichsten Form trat in dieser Zeit des Abfalls offen zutage. Warum schritt Gott nicht ein? 

Warum vertilgte Er den Gottlosen nicht? Weil Er ein Gott von unendlicher Langmut ist und das beweisen will. Er läßt Sein Wort nach fünfhundert Jahren in Erfüllung gehen, als der Mensch hätte denken können, und ohne Zweifel auch gedacht hat, daß Er ihm nicht mehr Rechnung tragen würde. Ein Ungehorsam führt das angekündigte Gericht buchstäblich herbei. Die Tatsache vollzieht sich vor den Augen aller; wird sie zu dein Gewissen des Königs und seines Volkes reden? 

Es ist ein Mann aus Bethel, der Jericho baut! Es gibt keine Gottesfurcht mehr vor den Augen Israels. Die Drohungen Gottes werden ebenso verachtet wie Seine Verheißungen. Jene vermessene Tat wird uns an dieser Stelle mitgeteilt, weil sie in moralischer Hinsicht den letzten Charakterzug des persönlichen Zustandes in den Zeiten des Abfalls darstellt; gesichtlich hat sie erst während der zweiundzwanzig Jahre der Regierung Ahabs stattgefunden.