1. Könige 4, Herrlichkeit des Reiches

01/07/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

KAPITEL 4 Die Herrlichkeit des Reiches

Dieses Kapitel redet von der inneren Ordnung und dem Glanze des Reiches Salomos, aber auch von seiner m o r a l i s c h e n Herrlichkeit, die durch die Weisheit des Königs dar­gestellt wird. 

Ganz Israel war unter seinem Zepter vereinigt und bildete so eine friedliche Einheit, welche der Regierung seines Vaters fremd war, wie dies die sieben Jahre in Hebron, der Aufstand Absaloms, derjenige Schebas, des Sohnes Bikris und endlich der Aufstand Adonijas beweisen. Jetzt ist alles in Ordnung und dieser herrlichen Regierung würdig; doch findet man nur elf Oberste (V. 26). Die vollkommene Ordnung in bezug auf die Regierung der Erde, welche durch die Zahl z w ö 1 f dargestellt wird, war noch nicht erreicht, und soll auch erst erreicht werden bei der Erscheinung eines Größeren als Salomo. 

Asarja, der Sohn Zadoks, ist an die Spitze der Obersten gestellt. "Dieser ist es, der den Priesterdienst ausübte in dem Hause, welches Salomo zu Jerusalem gebaut hatte" (i. Chron. 6, 10).*) Der höchste Dienst ist ihm zugefallen. Der Tempel wird der Mittelpunkt der ganzen Ordnung des Salomonischen Reiches, wie er es auf der Erde sein wird, sobald das Tausendjährige Reich Christi errichtet ist (Hes. 40-48). Abjathar selbst, der aus dem Priestertum verstoßen worden war, wird unter den Obersten neben Zadok aufgezählt. Er hatte die Bundeslade getragen und an den Trübsalen Davids teilgenommen, und obwohl sein A in t ihm genommen ist, will sein Herr ihm doch nicht die Würde rauben, welche er allen denen verleiht, die mit dem verworfenen König gelitten haben.

*) Wahrscheinlich war dieser Asarja der Sohn des Achimaaz und der Enkel Zadoks. Der Ausdruck "Sohn" für einen Nachkommen findet sich immer wieder In den jüdischen Geschlechtsverzeichnissen. Die etwas unklare Stelle in 1. Chron. 6, 9 und 10 könnte den Gedanken erwecken, als ob das Priestertum Asarja, dem Urenkel des Achimaaz, übertragen worden sei. eine andere Person. 

Unter den zwölf Aufsehern Salomos (V. 719) finden wir zwei, welche Töchter Salomos geheiratet hatten, eine besondere Ehre, die dem Sohne jenes Abinadab zuteil wurde, welcher die Bundeslade bei sich aufgenommen und sie zwanzig Jahre lang in dem Hause auf dem Hügel behütet hatte. In den Augen des Königs war es ein Ehrentitel, zu der Familie zu gehören, die gewissenhaft über die Bundeslade Jehovas gewacht hatte. 

Eine gleiche Ehre wird Achimaaz, dem Sohne Zadoks,*) zuteil, der mit Gefahr seines Lebens David treu ergeben war und dem der alte König das Zeugnis gegeben hatte: "Das ist ein guter Mann, und er kommt zu guter Botschaft". Er hatte als erster David den Sieg gemeldet, der ihm seinen Thron zurückgab und ihn dem von Gott bestimmten Erben sicherte.

*) Die Kritiker machen, augenscheinlich ohne Grund, aus diesem Achimaaz 

Die Verse 2028 beschreiben uns die Lage des Volkes unter der Regierung Salomos und den Charakter dieser Regierung. „Juda und Israel waren zahlreich, wie der Sand, der am Meere ist, an Menge." Die Verheißung, die einst Abraham gegeben worden war, nachdem er seinen Sohn auf dem Altar dargebracht hatte, ging jetzt, wenigstens teilweise, in Erfüllung; denn Gott hatte gesagt, daß sein Same sein solle "wie d i e Sterne des Himmels und wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist" (i. Mose 22, 17). Die Verheißung wird erst v ö 11 i g erfüllt werden, wenn das Tausendjährige Reich Christi da ist, wo, was Israel betrifft, die beiden Teile des Reiches, der himmlische und der irdische, in vollkommenem Einklang auf immerdar errichtet sein werden. Hier ist das Volk zahlreich wie der Sand des Meeres; es umfaßt zu gleicher Zeit die umliegenden Völker und hält sie in ihren Grenzen. Die Untertanen Salomos "aßen, tranken und waren fröhlich". Sie hatten Überfluß an allen irdischen Gütern; unbefriedigte Bedürfnisse gab es nicht mehr. F r e u d e er­füllte die Herzen; überall herrschte Sicherheit. Jeder hatte sein Besitztum und wohnte unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum. Was die Menschen vergeblich suchen in dieser ungerechten Welt, aus welcher Christus hinausge­worfen worden ist wird sich völlig verwirklicht finden, wenn der Herr, von allen anerkannt, h e r r s c h e n wird über alle Königreiche der Erde (V. 21 und 24). überdies wird diese mächtige Herrschaft eine Herrschaft a 11 g e m e i n e n F r i e d e n s sein: "Er hatte Frieden auf allen Seiten ringsum". Das ganze Gedeihen des Reiches und alle seine Hilfsquellen müssen dazu dienen, den König zu erhöhen; sie vereinigen sich, um seine Herrlichkeit erglänzen zu lassen (V. 22. 23; 2628). 

Doch was vor allem jene zukünftige allgemeine Herrschaft kennzeichnete, war das sittliche Bild, welches Salomos Regierung darbot; dies war noch viel herrlicher als die materielle Seite. "Gott gab Salomo W e i s h e i t und sehr große E i n sicht und Weite des Herzens, wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist." W e i s h e i t ist das sittliche Unter­scheidungsvermögen bezüglich aller Dinge, des Guten, des Bösen, der verschiedenen Umstände des Menschen usw., sowie die Kenntnis des hinsichtlich dieser Dinge zu beobachtenden Verhaltens. Dieses sittliche Unterscheidungsvermögen findet sich nur da, wo die Furcht Jehovas vorhanden ist; und diese kennzeichnete, wie wir gesehen haben, Salomo im Beginn seiner Laufbahn. Das Wort Gottes ist das Mittel, durch welches uns diese Weisheit mitgeteilt wird; darum erbat Salomo von Gott "ein verständiges (oder hörendes) Herz". Diese Weisheit hat ihren Ausdruck in den Sprüchen Salomos gefunden, die selbst Gottes Wort geworden sind. 

Ferner hatte Gott Salomo "sehr große E i n s i c h t " gegeben. Die Einsicht Salomos war ebenso groß wie seine Weisheit und innig mit ihr verbunden. Einsicht ist die Fähigkeit, die Gedanken Gottes zu verstehen und sich so anzueignen, daß man sie anderen mitteilen kann. Außerdem " W e i t e d e s H e r z e n s wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist",  ein Herz, welches fähig war, das ganze Volk zu umfassen. Salomo machte Israel mit sich eins, trug nach seiner Liebe Sorge für alle Bedürfnisse, widmete sich allen Angelegenheiten des Volkes, indem er sie zu den seinigen machte. Redet das nicht zu uns von Christo, von dem, was Er völlig offenbaren wird, wenn Er uns dereinst in die herrliche Ruhe Seiner Gegenwart eingeführt haben wird? wenn Sein Herz in Seiner göttlichen Weite uns alle umfassen wird, wenn Er "schweigen wird in seiner Liebe" (Zeph. 3, 17)? 

Die Größe der Einsicht Salomos wird uns in den Versen 33 und 34 beschrieben. Es gab in seinem Reiche weit mehr als nur eine Herrschaft über äußere Dinge; seine Einsicht beherrschte alles. "Er redete über die Bäume, von der Zeder, die auf dem Libanon ist, bis zum Ysop, der an der Mauer herauswächst; und er redete über das Vieh und über die Vögel und über das Gewürm und über die Fische." Adam hatte äußerlich geherrscht "über die Fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt" (i. Mose 1, 26). 

So hatte Gott auch "alles Getier der Erde und alles Gevögel des Himmels, alles, was sich auf dem Erdboden regt und alle Fische des Meeres" in Noahs Hände gegeben (i. Mose 9, 2). Später gab der Gott des Himmels die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels in die Hände des Königs der Nationen und bestellte diesen zum Herrscher über sie und über die Menschen (Dan. 2, 38). Alles das wird nicht von Salomo gesagt; aber s e i n e W e i s h e i t beherrschte alle diese Dinge, von der Ceder bis zum Ysop, von den Tieren der Erde bis zu den Fischen. 

Er kannte ihr Leben, die Ursache ihres Seins, ihre Beziehungen zueinander und zu der Gesamtheit der Schöpfung, die Beispiele, welche Gott durch sie für das sittliche Leben der Menschen gegeben hat, und er redete über das alles. Die moderne Wissenschaft mit ihren stolzen Behauptungen ist nur ein Haufen Finsternis gegenüber diesen Gewißheiten. Jedoch besaß Salomo, wie gesagt, nicht die allgemeine Herrschaft unter ihren b e i d e n Gesichtspunkten. 

Diese ist einem Größeren als Salomo, dem letzten Adam, aufbewahrt: "Mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt; du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände; alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert" (Ps. 8, 58). Und von Ihm wird auch gesagt: "Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und W e i s h e i t und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung" (Offbg. 5, 12).

Die Herrschaft Salomos war nur ein schwaches Vorbild von derjenigen Christi, der "die Enden der Erde zum Besitztum ­haben wird" (Ps. 2, 8). Der König Israels „herrschte über das ganze Diesseits des Stromes"  "bis zu dem Lande der Philister und bis zu der Grenze Ägyptens". Das war, mit einem Wort, das Gebiet, welches Jehova in Josua 1, 4 Israel zugewiesen hatte; wenn es sich indes um die Weisheit Salomos handelte, so wurden diese Grenzen weit überschritten: a 11 e Völker kamen, um ihn zu hören; a 11 e Könige der Erde wünschten, ihn zu befragen, und man sah im Vorbilde verwirklicht, was von Christo gesagt wird: "Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde" (Jes. 49, 6). 

"Die Weisheit Salomos war größer als die Weisheit aller Söhne des Ostens und als alle Weisheit Ägyptens. Und er war weiser als alle Menschen, als Ethan, der Esrachiter, und Heman und Kalkol und Darda, die Söhne Machols" (V. 30 und 31). Die beiden letztgenannten Männer werden nur in 1. Chron. 2,6 erwähnt; dagegen enthält das Wort eine Mitteilung über die Weisheit Ethans und Hemans. Heman, der Esrachiter, ist der inspirierte Dichter des 88., und Ethan, der Esrachiter, der des 89. Psalms. 

Und worin besteht die in diesen beiden Psalmen enthaltene Weisheit? Psalm 88 trägt einen ganz besonderen Charakter, den kein anderer Psalm bis zu diesem Grade an den Tag legt. Er zeigt uns Israel überzeugt, d a s G e s e t z ü b e r t r e t e n zu haben, und wie es unter den Folgen dieses Ungehorsams liegt. Etwas Schrecklicheres gibt es nicht! Tod, Grab, Verwerfung und Finsternis sind das Teil des Redenden. Noch mehr, der Grimm Jehovas liegt schwer auf ihm; Er hat ihn niedergedrückt mit allen Seinen Wellen. 

Er ist verlassen von den Menschen und hat keinen Ausweg. Er schreit; doch er schreit vergebens. Er ist verworfen; Gott verbirgt Sein Angesicht vor ihm. Die Zornesgluten Jehovas sind über ihn hingegangen; er ist vernichtet durch Seine Schrecknisse. Alle, welche Mitgefühl mit ihm haben könnten, hat Gott von ihm entfernt. Und was ist das Ergebnis von dem allen? Gar nichts! Nicht e i n Hoffnungsstrahl zeigt sich. Da ist ein Seele, die schreit, und Gott, der nicht antwortet!*)

*) Wir finden dieselben Gefühle in dem Gebet Moses, im 90. Psalm, ausgedrückt, Vers 16 wegen der Sünde, Vers 712 wegen der Übertretung des Gesetzes, jedoch nicht ohne Hoffnung. 

Doch beachten wir, daß dieser Psalm das einzige Zeugnis ist, welches uns von der Weisheit Hemans gegeben wird. Es ist in der Tat eine große, außerordentliche Weisheit, welche bei der Betrachtung der Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber den Forderungen der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes feststellt, daß die Lage aussichtslos ist und daß das Gesetz (der Maßstab für diese Verantwortlichkeit) den Menschen in die Finsternis des Todes werfen muß, auf immer fern von dem Angesicht Gottes. 

Heman gelangte durch seine Weisheit zu demselben Ergebnis, welches Gott den Menschen durch das Gesetz Moses lehren wollte. War nicht der Geist dieses Mannes Gottes schon von dem überzeugt, was die schließliche Erfahrung der jahrhundertelangen Geschichte des Menschen sein sollte und was die Grundlage des Evangeliums bildet? Meint man nicht beim Lesen dieses Psalmes die Beschreibung des Gesetzes, welches den Sünder t ö t e t, im Römerbrief zu lesen? 

Im 89. Psalm unterweist uns die Weisheit Ethans. Wovon redet dieser andere Weise? Von der G n a d e ! Dieser Psalm beschreibt die unveränderlichen Verheißungen Gottes und die gewissen Gnaden Davids. Die Beziehungen des Volkes Israel zu Gott auf dem Boden des Gesetzes können nur in das Dunkel des Gerichts und des Todes führen; diese Beziehungen, auf dem Boden des mit David gemachten Gnadenbundes, führen zu dem Schluß: Auf ewig wird die Güte gebaut werden; die Himmel, in ihnen wirst du feststellen deine Treue" (V. 2) in den Himmeln, wo niemals etwas ihn antasten kann. 

Dieser herrliche Psalm ist das Lied von der Gnade und von der ganzen Herrlichkeit Gottes, welche durch diese Gnade begründet und ans Licht gestellt wird. Die Gerechtigkeit, das Gericht, die Güte, die Wahrheit, die Treue und die Macht Gottes werden verherrlicht, als in einer Person geoffenbart, welche selbst der Mittelpunkt und Schlüssel des Psalmes ist; in dem wahren David nämlich, der als ein Auserwählter aus dem Volke erhöht ist, dem Gesalbten Jehovas (V. 19 und 20), in dem, der zum Erstgeborenen gemacht wird, zum Höchsten der Könige der Erde (V. 27), von welchem Er Seine Güte nicht weichen lassen und dem Er Seine Treue nicht verleugnen wird (V. 33), dessen Same ewig, dessen Thron wie die Sonne sein wird vor Jehova (V. 36)! 

Es ist klar, daß in diesem wunderbaren Gemälde der Gnade, die in dem wahren David und in Seinem herrlichen Throne erblickt wird, die Frage der Verantwortlichkeit der Söhne Davids (V. 3032) nicht fehlen kann, noch auch die Folgen, die daraus für das Volk, welches gefehlt hat, hervorgehen (V.3851); aber selbst diese dunkle Szene schließt mit dem Segen: "Gepriesen sei Jehova ewiglich! Amen, ja, Amen!" 

Das sind die Unterweisungen der Weisheit durch den Mund dieser beiden Männer Gottes: der eine beschreibt die Herrschaft

des Gesetzes, welche zum Fluch und der Finsternis des Todes führt, der andere die Herrschaft der Gnade, die auf die Person des wahren David gegründet ist und zur ewigen Herrlichkeit leitet. Der erste verkündigt das Ende des alten Menschen, der zweite die nie endende Herrschaft des neuen Menschen.

Wie groß mußte also die Weisheit Salomos sein, wenn sie diejenige dieser beiden Weisen noch übertraf!