S Schriftsteller 

Die Harfe der Hugenottin, Ernst Schreiner

10/30/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Es war im Jahre 1561. Die Einwohner der Stadt Poissy be= fanden sich seit dem frühen Morgen in großer Spannung und Neugier. War doch ein Tag von weltgeschichtlicher Bedeutung an diesem sonnigen Septembermorgen angebrochen. über den Weinbergen ruhte sickerndes Sonnengold, aber auf den Landstraßen, die nach Poissy führten, lagerte sich eine Dunstwolke von Staub. Immer noch kamen reitende Edelleute und Wagen mit hohen Gästen von allen Seiten heran. Der Hof war schon längere Zeit im düsteren Schlosse eingezogen.

Wo sich Katharina von Medici sehen ließ, oder wo das Volk einen flüchtigen Anblick des jungen, reichgekleideten Königs Karl IX. erhaschte, brach es in jubelnde Huldigungen aus. Die Herrschaften dankten gnädig, und Karl schwenkte jedes mal das mit wallender Straußenfeder gezierte Barett. Das Angesicht der Königinmutter trug ernste, fast strenge Züge. Die Sorge um des Landes Ruhe und Frieden schattete sich ab auf ihrem Gesicht. Zu diesem Ernst passte das schwarze Samtkleid vorzüglich, das ihre stolzen Glieder um schmiegte. Karl hatte sich in den vergangenen Tagen im Park das Vergnügen des Schießens auf Zielscheiben gemacht. Aus der reich mit Silberintarsien ge= schmückten Jagdflinte ließ er einen Schluss nach dem andern erdröhnen und spielte dabei mit seinen Jagdhunden.

Heute aber hatte er Wichtigeres zu tun. Es galt die vielen Handküsse der hohen geistlichen Herren hinzunehmen, die sich bemühten, Seiner Majestät ihre Untertänigkeit zu beweisen. Lässig bot er die reich mit Brillantringen geschmückte Knabenhand den Bischöfen und Prälaten dar, die ihm untertänig nahten.

Und Katharina lächelte nur mit einem vornehmen, fast strengen Lächeln. Sie fächelte sich Kühlung mit dem Fächer aus Straußenfedern.
Vor ihr hatte schon zur frühen Stunde der Kardinal von Lothringen Platz genommen.
Der mächtige Herzog von Guise, der von Papst Leo dem Zehnten schon als Jüngling von 2o Jahren zum Kardinal er= hoben wurde, stand jetzt auf der Höhe seiner Macht. Hatte ihn doch schon König Franz I. mit Ehrenstellen geradezu überhäuft. Ihm waren nebst der Kardinals würde von Lothringen die Bistümer zu Lyon, Reims, Narbon und die Bistümer von Toul, Metz und Verdun verliehen, und die Klöster zu Gorzo, Clugny und Marmeutier nannten den Allgewaltigen ihren Abt. jetzt sah er die Königin mit eindrucksvollem, beinahe durchdringendem Blick an, und indem er den Kopf des mächtigen Windhundes Karls streichelte, begann er: „Es treibt mich noch ein= mal her in früher Morgenstunde, Sire, das Wohl des Vaterlandes so zu betonen, daß spätere Reue uns nicht zu peinigen imstande sein wird. Die Hugenotten bilden sich ein, daß das Religionsgespräch heute unter der Voraussetzung der Gleichberechtigung stattfinden soll."
„Sie wünschen es, Herr Kardinal", versetzte Katharina mit besonderer Betonung des Wörtleins „wünschen".
Das Gesicht des Kardinals verriet eine innere Erregung. „Was haben diese hugenottischen Hunde zu wünschen? Ich schlage allen Ernstes vor, daß man sie gleich zu Anfang versichert, daß die katholische Partei die herrschende und die protestantische die geduldete ist. Von Gleichberechtigung kann auch kein Schimmer vorhanden sein."
Katharinas Angesicht trug keinen freundlichen Ausdruck, als der Herzog und Kardinal in. fast befehlendem Ton also sprach. Im Grunde ihres Herzens haßte sie diesen stolzen Würden= träger ehrlich und war nicht gesonnen, von ihm Ratschläge entgegenzunehmen. Aber sie bezwang sich wie immer und streckte die Hand aus nach der Pergamentrolle in des Kardinals Hand.
„Monseigneur, haben Sie schon etwas aufgesetzt?"
„Wenn Eure königliche Majestät gestatten." Der Kardinal erhob sich vom Plüschsessel und verneigte sich leicht. Neugierig drängte sich auch Karl herzu.
Katharina aber las halb murmelnd: „Zur Einleitung der Ansprache des Königs: Der König hat nach dem Beispiel seiner Vorfahren die Prälaten vor sich gerufen, um ihnen die Lage der Dinge darzulegen und von ihnen Rat und Hilfe zu begehren. 

Ich bitte Sie, auf Mittel zu sinnen, wie der Zorn der beleidigten Gottheit wieder zu versöhnen sei; ebenso bitte ich, die Lehrer der neuen Sekte ebenso zu empfangen, wie der Vater seine Kinder empfängt, um sie zu belehren und zu unterweisen. Sollte sich aber die Unmöglichkeit herausstellen, sie zur Wiederkehr zu bewegen, so wird man wenigstens nicht wie bisher behaupten können, daß sie ungehört verdammt worden sind."
Eine Weile studierte die Königin ernsten Blickes das Manuskript, während der König sich wieder mit dem Windhund zu schaffen machte. Dann aber gab sie es mit einer nachlässigen Handbewegung dem Kardinal zurück. ihre energischen Schritte durchmaßen das Zimmer, als suche sie auf diese Weise die innere Erregung niederzukämpfen, dann nahm sie abermals die Rolle aus des Kardinals Hand und sprach: „Gut! Der Kanzler mag diesen Text verlesen. Katharina de Medici weiß, was sie der Kirche schuldet, Herr Kardinal. Aber nun habe ich noch die Vorbereitungen zu treffen, die dieses ganze Gespräch an Außerlichkeiten mit sich bringt, und auch der König ist noch nicht ganz fertig."
Der Kardinal verneigte sich und lächelte. Er haschte nach der Hand der Königin und drückte einen Kuss darauf. Eine Minute später war er verschwunden. An seiner Stelle kniete nun ein reichgekleideter Diener vor der Herrscherin.
Diese reichte ihm das Manuskript. „Dem Kanzler!' sagte sie kurz und herrisch.
Der Diener küßte den Saum ihres Gewandes und huschte davon; Die Königin aber ließ sich mit einem Seufzer in das Polster fallen.
«Die Heiligen wissen es, Karl«, sagte sie verdrießlich, diese Kardinäle verderben mir die Laune schon am frühen Morgen. Empfängt man sie nicht, so planen sie Verrat. Empfängt man sie, so ist man schon verraten. Wie sagt doch ein großer Denker? Oft sind die Könige die Sklaven ihrer Untertanen und *merken es nicht einmal. Ja, wir merken es aber, Charles, und wollen es uns merken. Machen wir nun große Toilette zum Tanz! Das mag eine schöne langweilige Suppe werden, bis sich die Prälaten die Meinung gesagt haben. Beim schönen Schlosse in Fontainebleau ich wollte ich wäre, wo der Pfeffer wächst!« Karl lachte und enteilte mit lustigen Sprüngen, während ihm der Windhund auf dem Fuße folgte:
Die Bilder hoher. Ahnen aber sahen in ihrer Erhabenheit aus den prunkvollen Goldrahmen stolz auf Katharina herab, und sie nahm sich vor, unter allen Umstanden Königin zubleiben den Guisen wie den Bourbonen zum Trotz, die jetzt mit ihrem Hader das Land zu Zerklüften drohten
Eine Stunde später war im Speisesaal des Schlosses eine glanzvolle Gesellschaft versammelt Unter einem Thronhimmel hafte Katharina nebst Karl Platz genommen Sie schimmerte in steifer. Pracht, und zuweilen blitzte ein Strahl ihrer Diamanten durch den Raum, um die Anwesenden zu mahnen, ehrfürchtig hier versammelt zu sein.

Um den Thronhimmel her hatte der Hof sich in glänzender Farbenpracht gelagert. Frauen, in Seide gekleidet und mit reichem Goldschmuck behangen, ließen sich auf weichen Sesseln nieder. Edelleute umrahmten malerisch, das festliche Barett auf dem Haupt, den schimmernden Halbkreis. Rechts und links vom Hofe aber saßen nicht weniger als 36 Bischöfe, dazu eine große Anzahl von Prälaten und Doktoren der Theologie, Äbte großer Klöster und andere Würdenträger der Kirche Den Hintergrund bildete eine große Anzahl weiterer geladener Gäste. Diese glänzende Gesellschaft schien schon durch ihr bloßes Erscheinen das Recht vollständig auf ihrer Seite zu haben. Was bedeutete gegen sie jene Schar hugenottischere Edelleute und Geistlicher, die auf der anderen Seite in Ermangelung einer Sitzgelegenheit standen?

 Ihre Gewänder waren einfach und dunkel gehalten und stachen merkbar ab von den scharlachroten und Edelstein geschmückten Kleidern der Gegenpartei und der schimmernden Pracht des Hofes. Aber die Macht der einfachen Männer lag in ihrem Glauben und ihrer Entschlossenheit.
Aller Augen richteten sich jetzt auf Theodor von Beza, den Vorkämpfer der hugenottischen Lehre und treuen Mitarbeiter Calvins, den die Königin eingeladen hatte, nach Poissy zu kommen, um daselbst die Grundlagen der hugenottischen Religion öffentlich darzulegen.
Geduldig hatten noch soeben seine Begleiter, im ganzen etwa 24 Personen, die Wartezeit über sich ergehen lassen, die man ihnen auferlegte, um sie als gedemütigte Ketzer vortreten zu lassen. Als sie aber durch die Menge hindurch mit festem
Schrift den Saal betraten, schleuderte ihnen ein Kardinal das giftige Wort zu: »Da kommen die Genfer Hunde!«
Beza faßte ihn ruhig ins: Auge. »Ja wahrlich«, erwiderte er nun in voller Seelenstärke, »treue Hunde tun not in der Schafherde des Herrn um anzubellen gegen die reißenden Wölfe.« Es war ein scharfer Auftakt, aber es ging ja heute nach der Musik der alten Psalmen, und da mochten immerhin herbe Akkorde erklingen. .
Jetzt begann der Kanzler seine einleitenden Worte. Stolz wurden sie den hugenottischen Edelleuten entgegengeschleudert, die sich betroffen ansahen als der Kanzler solche Worte verlas. Also keine Gleichberechtigung? Etwa nur. ein Vorwand, um nachher die Verfolgung gegen die Kirche des Kreuzes um so erfolgreicher zu betreiben? .
Sie versuchten, auf dem Angesicht der . Königin zu lesen, aber es war wie aus Stein gemeißelt. Und Karl musterte mit halb kindischer Neugier die einfachen Männer vor sich, die sich ehrerbietig gegen den Thronhimmel verneigt haften.
»Theodor von Beza hat das Wort!« rief nun der Herold mit weithin klingender Stimme. Da trat Beza in schwarzer Edel-mannstracht in die Schranken. Ein freudiger Glanz lag auf seinem Angesicht. Ihn verwirrte all der Glanz und Duft des Hofes nicht, und sein Herz war gestählt im Feuer der Wahrheit.
Mit volltönender Stimme wandte er sich an den jungen König: »Sire, da der Ausgang jedes Unternehmens von Gottes Gnade und Beistand abhängt, so wird es Eure Majestät weder übel noch befremdend finden, wenn wir mit der Anrufung seines Namens beginnen.« Und ehe noch der Hof wußte, was ihm geschah, und ehe die stolzen Bischöfe ihr Veto einlegen konnten oder ihre Zustimmung zu geben vermochten, fiel er samt seinen Begleitern auf seine Knie nieder.
Eine feierliche Stille entstand im hohen Saal. Noch nie hatten seine mit prächtigen Gemälden geschmückten Wände ein solches Gebet vernommen, wie es jetzt durch die Halle tönte. Denn Beza scheute sich nicht, das Gebet zu sprechen, das in Genf den Gottesdienst zu eröffnen pflegte.
Als sich Beza wieder erhob, begann er seine Rede mit der Ruhe des guten Gewissens und legte nach dem Dank gegen
den König die reformierte Lehre dar. Er verwahrte die Hugenotten gegen die falschen Verdächtigungen, die gegen sie ausgestreut wurden berief sich auf die Kirchenvater und wies
•unter Anführung gewisser Stellen aus ihnen die Übereinstimmung der Reformation mit ihnen nach.
Selbst Katharina wurde gefesselt durch seine freimütige und aus der Herzensgüte quellende Darlegung. Gebannten Auges blickte der junge König auf den hocherhoben dastehenden Zeugen des Evangeliums. Es stieg etwas auf in ihm von Bewunderung für diesen Helden des Glaubens, und die Knabenseele empfand unwillkürlich den Unterschied zwischen jenen einfachen Männern dort und dem reichen Glanz der Bischöfe und Prälaten.
Nun aber, da Beza. die Lehre des Abendmahles vortrug und die wirkliche Verwandlung des Brotes und Weines in Leib un d Blut des Herrn ablehnte, ja erklärte, daß das Brot und der Wein so weit von jenen entfernt seien wie die Erde vom Himmel, erhob sich Sturm.
»Blasphemavit!« rief der Kardinal Tournon erregt aus. »Er hat gelästert!« wiederholten die Prälaten und stampften mit den Füßen. Und die katholischen Edelleute stießen mit dem Degen klirrend auf den Fußboden des Saales.
Die Königin selbst mußte Stille gebieten, damit doch das Gespräch zu Ende geführt werden könne. Beza aber blieb gelassen. Je wütendere Blicke ihm zugeschossen wurden, um so ruhiger trug er seine Lehre weiter vor. Ja, er bewies aus de griechischen Grundtext die Wahrheit der Schrift so lebendig, daß manche vom Hofe aufhorchten und seine Worte begierig in sich aufnahmen. 

Der innere Sieg war ohne Zweifel auf seiner Seite. Aber was sollte ihm das helfen? Jenen hohen Würdenträgern der Gegenseite war es nicht so sehr um das Recht als um die Macht zu tun, und diese zu erhalten, setzten sie zuletzt eine Formel auf, die alle hugenottischen Abgesandten unterzeichnen sollten. In dieser Erklärung wurde die katholische Auffassung vom heiligen Abendmahl betont. Gleichzeitig aber wurde der Antrag gestellt, daß die reformierten Prediger und Abgesandten denselben entweder zu unterzeichnen sich -‚ zu beeilen hätten oder der Ausweisung aus dem Lande sich gewärtig halten sollten. Sie sollten auch alsdann als hartnäckige und unverbesserliche Ketzer in keiner Weise angehört und als ungehorsame Untertanen aus dem Lande gewiesen werden, das immer nur einen Gott, einen König und einen Glauben gehabt habe.
Auf das Gespräch folgte eine glänzende Tafel im Schloß zu Poissy. Dort wurde die Pracht des Hofes entfaltet, und die Bischöfe und Kardinäle tranken sich den funkelnden Burgunderwein zu. Man pries Frankreichs edle Tropfen, lobte des Hofes Gastfreundschaft und der Kardinäle Weisheit und Macht. Das war der Tag, an dem der Hof den Bischöfen seine Not klagen und von ihnen Bezahlung seiner großen Schulden heischen durfte.
Und siehe, er klopfte nicht vergeblich auf die Geldtaschen der geistlichen Herren. 17160 Livres schlug Katharina heraus bei den Nachverhandlungen mit den Prälaten. Der Kardinal von Lothringen aber wußte die Gegenrechnung geschickt zu stellen. Er wollte nicht umsonst nach Poissy gekommen sein, der mächtige Guise. Wollte Karl die Golddukaten der Bistümer, so wollten diese die katholischen Kirchen zurückhaben, welche die Protestanten in verschiedenen Provinzen eingenommen haften. Nur freie Versammlung sollte ihnen immerhin zugestanden werden. 

Das war das Ergebnis von Poissy, wohin die Hugenotten mit großen Hoffnungen gezogen waren. Aber trotz aller Anstrengungen der Guisen, trotz des Hofes und trotz Roms wuchs das Wort Gottes in Frankreich, wie ein Feuer wächst im dürren Wald. Die nach Wahrheit dürstenden Menschen griffen begierig nach Gottes Wort, und die Scharen strömten zusammen, um die Botschaft des Heiles zu hören.
Beza war nicht umsonst nach Genf gekommen, und das Bekenntnis war nicht umsonst abgelegt worden. Der Heilige Geist zündete weiter und, immer weiter und leuchtete hinein in die Finsternis.

Spurgeon C.H. Gehe in den Weinberg - Ausgewählte Erweckungspredigten über Gleichnisse Jesu

07/11/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

GEHE IN DEN WEINBERG

„Denn das Reich der Himmel ist gleich einem Hausherrn, der frühmorgens ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg zu dingen. Nachdem er aber mit den Arbeitern um einen Denar den Tag übereingekommen war, sandte er sie in seinen Weinberg.

Und als er um die dritte Stunde ausging, sah er andere auf dem Markte müßig stehen; und zu diesen sprach er: Gehet auch ihr hin in den Weinberg, und was irgend recht ist, werde ich euch geben. Sie aber gingen hin. Wiederum aber ging er aus um die sechste und neunte Stunde und tat desgleichen. Als er aber um die elfte Stunde ausging, fand er andere stehen und spricht zu ihnen: Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig? Sie sagten zu ihm: Weil niemand uns gedungen hat. Er spricht zu ihnen: Gehet auch ihr hin in den Weinberg, und was irgend recht ist, werdet ihr empfangen. "
(Mattb. 20, 1-7)

Wir haben schon oft festgestellt, daß es nicht richtig ist, den Zusammenhang der Schrift zu übersehen. Wir haben kein Recht, eine Schriftstelle aus dem Zusammenhang herauszureißen und ihr einen Sinn zu unterlegen, den sie im Zusammenhang nicht hat. Deshalb habe ich euch beim Lesen des Schriftabschnittes darauf aufmerksam gemacht, was dieses Gleichnis in erster Linie lehren will. Es ist ein Tadel für diejenigen, welche einen gesetzlichen Geist haben und anfangen zu berechnen, was ihr Lohn in dem Reiche sein wird, in welchem der gesetzliche Geist fehl am Platze ist, weil der Lohn nicht aus Verdienst, sondern aus Gnaden gegeben wird. Ich denke, daß ich nun, ohne die Grundbedeutung zu verletzen, auf eine bestimmte Tatsache, die mit dem Gleichnis in Verbindung steht, eingehen kann.

Es ist nicht recht, die eigentliche Lehre des Gleichnisses zu übersehen; da wir sie aber beachtet und uns klar gemacht haben, möchte ich nun eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, daß die Arbeiter zu verschiedenen Tageszeiten eingestellt wurden. Ohne Zweifel sollen wir daraus lernen, daß Gott Seine Diener zu verschiedenen Zeiten in den Weinberg sendet, daß einige in früher Jugend gerufen werden und andere erst, wenn sie älter geworden sind.

Beachtet bitte, daß alle gerufen wurden, womit der Herr uns deutlich machen will, daß niemand von selbst in den Weinberg geht. Ohne Ausnahme ist jeder Arbeiter für Jesus auf die eine oder andere Weise gerufen worden.
Wenn der Mensch wäre wie er sein sollte, so bedürfte er keiner Aufforderung oder Einladung zu Christus zu kommen; aber seitdem die menschliche Natur verdorben ist und der Mensch bitter für süß und süß für bitter, Finsternis für Licht und Licht für Finsternis hält, bedarf er der Einladung, der Überredung, der Aufforderung.

Die Lehre vom freien Willen kann also kein einziges Beispiel für sich finden. Es ist nicht ein einziges Schaf in der Herde, welches ungesucht zum Hirten zurückgekehrt ist! Es ist nicht ein einziges Geldstück, welches selbst wieder in die Tasche der Frau gesprungen ist, denn sie fegte das Haus und suchte es. Ja, ich will weitergehen und sagen, es ist nicht ein einziger verlorener Sohn der gesagt hat: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen", ehe des Vaters Gnade, die sich in den Schleier der großen Teuerung hüllte, den Verlorenen das Ergebnis seiner Sünde gelehrt hat, als er die Schweine hütete und seinen Bauch vergebens zu füllen
suchte mit Trebern, welche die Schweine aßen. Wenn wir nun zu unserem Gegenstand kommen, so sehen wir zuerst, daß der Herr Seine Arbeiter zu verschiedenen Stunden des Tages beruft, und zweitens, daß sich in jedem einzelnen Fall eine besondere Gnade offenbart und sich das Mitleid und die Liebe des Herrn zu jeder Tageszeit zeigt.

Die Gnade beruft nicht alle zur selben Zeit


Einige im Gleichnis werden früh am Morgen berufen. Wie glücklich können sie sein! Die früheste Zeit, in welcher ein Kind von der Gnade berufen werden kann, wird kaum von uns bestimmt werden können, denn Kinder haben nicht alle die gleiche geistliche Reife. Wenn sie dem Körper nach auch im gleichen Alter sind, in der geistlichen Entwicklung dürfen wir dem Heiligen Israels die Zeit nicht beschränken. Soweit unsere Beobachtung geht, arbeitet die Gnade an einigen Kleinen schon bei der ersten Dämmerung ihres Gewissens. Es gibt ohne Zweifel bevorzugte Kinder von zwei bis drei Jahren, deren Verstand und Gemüt stark entwickelt und tief geheiligt ist. Solche Kinder beabsichtigt der Herr bald heim zu holen.


 Es gibt interessante Beispiele die beweisen, daß die Heiligkeit in den jüngsten Herzen blühen und reifen kann und Gott sich aus dem Munde zarter Kinder ein Lob bereitet und durch sie Feinde und Gegner zum Schweigen gebracht hat. Kleine Schwätzer, deren Mund, wie man denkt, nur von Spielzeug sprechen kann, sind imstande gewesen, mit tiefer Erkenntnis von geistlichen, besonders von himmlischen Dingen zu sprechen. Es ist gewiß, daß einige ihr Tagewerk für den Herrn auf den Armen ihrer Mutter getan haben. Sie haben von dem Heiland mit solchen Worten gesprochen, daß sie das Herz der Mutter erweicht und das Gewissen des Vaters erweckt haben, und dann sind sie heimgerufen worden.

 „Wen die Götter lieben, der stirbt jung", sagten die Heiden, und es ist ohne Zweifel kein kleines Vorrecht, so jung in die Herrlichkeit zu gehen. Sie haben sich auf Erden nur gezeigt und sind dann plötzlich in den Himmel genommen worden, ru kostbar, um hier Unten zu bleiben. Köstliches Kind, wie teuer warst du dein guten Gott, der dich hersandte und dann heim nahm! Wie könnten wir deine Versetzung in den Himmel betrauern! „Früh am Morgen" würde auch die einschließen, welche die erste Stunde des Tages schon durchlebt, aber die zweite noch nicht vergeudet haben. Ich meine die hoffnungsvollen Jungen und Mädchen, Jugendliche, die das erste Jahrzehnt hinter sich haben und aus der eigentlichen Kindheit heraus sind und nun in der Kraft der Jugend aufwachsen. Junge Leute, nach dem, was der Satan ihnen sagt, passender für das Spiel auf dem Marktplatz, als für die Arbeit im Weinberg des Herrn. Solche werden oft zum Preise der göttlichen Liebe vom Hausherrn gemietet.

Es ist der Mühe wert, einige unserer Brüder, welche kritisch auf die Frömmigkeit der Jungen und Mädchen blicken, davor zu warnen, sich verdächtigenden Zweifeln hinzugeben. Es gibt heute einige, die das Evangelium mit Kraft und Erfolg predigen, welche diese meine Hände in ihrem Knabenalter in den Tod Jesu getauft haben. Und es gibt ehrenwerte Diener Gottes unter uns, welche der Gemeinde treu gedient haben, die schon als Schulkinder freudige Nachfolger des Herrn Jesu waren. Von früher Jugend an haben manche von uns ein Verständnis für die Dinge des Himmelreichs bekommen. Unsere Bibel ist unsere Fibel, unser erstes Lesebuch, der Führer unserer Jugend und die Freude in unseren jungen Jahren gewesen. Wir danken Gott, daß es noch Jünger wie Timotheus unter uns gibt, junge Bekenner wie Samuel, die in ihrer Jugend zum Hause Gottes gebracht worden sind. Glücklich diejenigen, welche am Morgen des Lebens berufen werden. Sie haben einen besonderen Grund, Gott zu loben und zu preisen!

Laßt uns jetzt einige Minuten über das Glück derer nachdenken, die in der Kindheit errettet wurden. Früh am Morgen funkelt der Tau noch auf den Blättern und offenbart eine knospende Schönheit, welche für diejenigen verloren ist, die nicht zu Beginn des Tages aufstehen.
Es gibt eine Schönheit in der frühen Frömmigkeit, die unbeschreiblich bezaubernd und lieblich ist. Wir stellen bei der Jugend eine ungekünstelte Einfalt, ein kindliches Vertrauen fest, welches nirgend anders gefunden wird. Es mag weniger Wissen da sein, aber es ist mehr Liebe vorhanden. Es mag weniger Nachdenken da sein, aber es ist mehr einfältiger Glaube an die göttlichen Offenbarungen da. Wenn ich den Teil des christlichen Lebens wählen sollte, in welchem am meisten Freude da ist, so würde ich den Zeitraum christlicher Erfahrung wählen, welcher gleich nach Sonnenaufgang liegt. Der mit orientalischen Perlen der Liebe bestreut ist und von der köstlichen Musik der Hoffnungsvögel aufgeheitert wird. 

Früh am Morgen, wenn wir eben vom Schlaf erwacht sind, ist die Arbeit leicht. Unsere Beschäftigung im Weinberg ist dann eher eine fröhliche Übung als eine Arbeit wie diejenigen sie fühlen, welche die Last und Hitze des Tages tragen. Der junge Christ wird nicht so von den Mühen und Sorgen der Welt gedrückt wie andere. Er hat nichts anderes zu tun, als seinem Gott zu dienen. Er ist frei von den Verlegenheiten, die viele von uns umgeben und uns hindern, Gutes zu tun. Er ist unter seinen Spielkameraden und in Einfalt kann er ihnen zu Diensten sein und sie zu Gott führen. Gib mir, sage ich, wenn ich zu einer günstigen Zeit für Jesus arbeiten wollte, gib mir die gesegneten Morgenstunden. Wenn mein Herz vor Freude springt und die reinen Sonnenstrahlen der Freude meinen Weg bescheinen, wenn meiner glühenden Brust der Eifer nicht fehlt und mein glücklicher Geist keine Sorgenketten trägt. 

Frühe Bekehrungen sind schon deshalb vorzuziehen, weil solche Personen noch nicht gelernt haben, am Markt müßig umherzustehen. Ein Bursche, der stundenlang mit den Händen in den Taschen gestanden und mit den Betrunkenen gesprochen hat, taugt nicht viel in der elften Stunde. Ja, schon am Mittag ist es ihm so natürlich geworden sich an die Wand zu drücken, daß er keine große Lust mehr zum Arbeiten hat. Fangt früh an mit den Seelen, zähmt die Füllen, wenn sie jung sind und sie werden dann wahrscheinlich nachher gut im Geschirr gehen. Keine Arbeiter sind denen gleich, die in ihrer, Jugend den Anfang gemacht haben. 

Welche Aussicht auf einen langen Tag haben junge Gläubige! Wenn Gott es in Seiner Weisheit fügt, daß der junge Mann dort zwölf Arbeitsstunden vor sich hat - was kann er nicht alles ausrichten! Für ein herrliches, fruchtbares Leben ist frühe Frömmigkeit von großem Vorteil. Wenn wir die ersten Tage dem Herrn geben, so wird es uns viele traurige Erlebnisse ersparen, vor vielen bösen Gewohnheiten bewahren und uns durch den Heiligen Geist befähigen, gute Erfolge zu erzielen. Es ist gut, das Fliegen zu beginnen, wenn die Flügel noch stark sind! Denn wenn wir lange in der Sünde leben, werden die Flügel gebrochen und in den übrigen Tagen schlaff herabhängen, selbst dann, wenn die Gnade uns beruft. Möge es der Wünsch der hier anwesenden Eltern sein, daß ihre Kinder in der Jugend bekehrt werden! 0 möge Gott diesen Wunsch in euch wecken, ihr jungen Leute, damit ihr, ehe ihr Männer genannt werdet, vollkommene Männer in Christo seid. Möget ihr „als die neugeborenen Kinder begierig sein nach der lauteren Milch des Wortes Gottes" und gebe der Herr, „daß ihr dadurch wachset". Glückliche, ja, glückliche Seelen, welche der Herr durch besondere Gnade „am frühen Morgen" ruft.

Der Hausherr ging dann um die dritte Stunde aus. Das deutet die Zeit an, wenn wir aus der Kindheit herausgetreten sind und Männer genannt werden. Angenommen, wir rech- nen die erste Stunde bis zum siebten oder achten Jahr, dann geht die zweite Stunde bis ungefähr zu zwanzig oder einundzwanzig Jahren. Dann bleibt uns eine gute Zeit vom zwanzigsten bis zum dreißigsten Jahre für die dritte, vierte und fünfte Stunde.
Es gibt einige, welche die göttliche Gnade in der dritten Stunde erneuert. Das ist spät. Einundzwanzig Jahre ist betrübend wenn man bedenkt, wie viele der ersten Freuden nun unmöglich sind, wie viele sündige Gewohnheiten angenommen wurden und wie viele Gelegenheiten, Gutes zu tun, unwiederbringlich verloren gegangen sind. Der vierte Teil des Tages ist schon auf immer dahin, wenn du die dritte Stunde erreicht hast. Es ist sogar der beste Teil des Tages, der für immer vorbei ist. Die erste Mahlzeit des Tages ist vorüber; das gesegnete Brechen des Morgenbrotes mit Jesus ist nicht mehr möglich. Ein sehr köstliches Mahl ist dieses, wenn der Heiland uns das „Manna" gibt, welches schmilzt, wenn die Sonne heiß scheint. Gesegnet ist es, wenn sich das Kind an Jesus nährt. Ich erinnere mich daran als ich wie Elia unter dem Strauch geweckt wurde und von diesen Leckerbissen genoß, wovon der Wohlgeschmack mir bis zu dieser Stunde geblieben ist. Der Mann von einundzwanzig Jahren hat dieses Mahl verloren, daß Frühstück ist vorüber. Jesus wird zu ihm nicht wie zu anderen sagen: „Kommt und esset!" Die erste Jugendfreude, die jugendliche Begeisterung ist vorüber.
Ich zweifle nicht daran, daß hier viele anwesend sind, welche denken, die Bekehrung im einundzwanzigsten Jahre sei sehr früh. Aber warum wollen wir den vierten Teil des Lebens dem Bösen geben? Außerdem ist es vielleicht nicht der vierte Teil, sondern die Hälfte und in vielen Fällen das ganze Leben. Die Sonne senkt sich, ehe es Mittag ist, und mancher, der müßig am Markte steht, hat keine Hoffnung, je ein Arbeiter im Weinberg zu werden. Der Tod, welcher..

Schmidt-Eller Berta, O diese Gabriele

07/10/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Brief lag zusammengefaltet mitten auf dem Näh= tisch, ein kleines, weißes Viereck. Frau Frisius hätte nur die Hand auszustrecken brauchen, um ihn noch einmal zu lesen.

Die Hand griff jedoch nicht nach dem Brief, sondern nach dem Wäschestück, das auf der rechten Seite des Nähtisches lag. Sie nahm es auseinander und hielt es gegen das Fenster, um dann die fadenscheinige Stelle sorgfältig mit feinstem Garn in kleinen Stichen zu wiebeln.
Der Kanarienvogel im Käfig auf der breiten Fensterbank neben den Kakteen wetzte seinen Schnabel und begann einen Triller. Dann lugte er mit geneigtem Köpfchen zu der alten Dame hin. Er wünschte, angesprochen zu werden.


Frau Frisius mußte mit ihren Gedanken weit weg sein, daß sie auf dieses Signal des Vögelchens nicht achtete. Hansi wetzte energischer und setzte wieder mit seinem zarten Triller an. Als die Frau auch jetzt den Kopf nicht hob, gab er es auf und hüpfte an seinen Futternapf.
Ehe Frau Frisius das Küchentuch zusammenlegte, prüfte sie noch einmal mit kritischem Blick, ob es auch keine dünne Stelle mehr habe. Dann faltete sie es und legte es auf den Wäschepacken links auf dem Nähtisch, wo seit eh und je die fertige Arbeit zu liegen hatte.
Ihr Blick streifte den Brief, aber auch jetzt griff sie nicht danach, um ihn ein zweites Mal zu lesen. Sie pflückte ein paar Flusen und die Reste der Stopffäden vom Kleid und tat sie in die blaue Schale, die nur zu dem Zweck auf dem Nähtisch stand, Nähfäden und Garnreste aufzunehmen, damit nur ja keines den dunkelroten Teppich verunziere.
Lag es an dem Brief, daß Frau Frisius jetzt daran denken mußte, wie Annemarie einmal diese blaue Schale mit leuchtenden, gelben Himmelsschlüsselchen gefüllt hatte? Nur einmal war das geschehen. Hübsch hatte es ausgesehen, das war nicht zu bestreiten gewesen. Aber sie hatte ihrer Tochter - acht Jahre mochte Annemarie damals alt gewesen sein - eindringlich klar gemacht, daß diese Schale nicht für Blumen bestimmt sei. Es mußte ja schließlich Ordnung herrschen, wo kam man sonst hin! Außerdem gab es genug Vasen im Haus.
Frau Frisius schob diese Erinnerung gewaltsam beiseite.
Der Twist wurde aufgerollt, die Stopfnadel kam in die zierliche, geschnitzte Nadelbüchse, an deren oberem Knopf eine kleine Glaskugel eingelassen war, nicht größer als ein bunter Stecknadelkopf aus Glas. Wenn man in diese Kugel schaute, sah man den Eiffelturm.
Wie viele Male hatte Annemarie, ein Auge zukneifend, andächtig und wie verzaubert in diese kleine Kugel geschaut.
Annemarie.
Der Brief mußte vom Nähtisch verschwinden, Solange dieser Brief dort lag, gingen die Gedanken, wo= hin sie wollten, und ließen sich nicht zwingen.
Frau Frisius nahm ihn nun doch zur Hand, aber nicht, um ihn noch einmal zu lesen. Sie ging zum Schreibtisch, zog eine Schublade auf und nahm ein Kästchen heraus. Es war ein Karton, in dem ehemals
Briefpapier mit passenden Umschlägen gewesen war. Obenauf prangten drei Rosen, die mit den Jahren allerdings an Glanz und Frische eingebüßt hatten.
Jetzt lagen Briefe in dem Karton.
Es störte Frau Frisius jedesmal, wenn sie den Kasten öffnete, um wieder einen Brief hineinzulegen, daß die Briefbogen nicht immer das passende Format hatten. Dieser letzte, den sie in der Hand hatte, paßte zufällig genau hinein. Das gab also wenigstens einen glatten Abschluß. In Zukunft würden diese Briefe nicht mehr kommen.
Die alte Dame schob den Deckel über die Briefe und blickte eine Weile auf die verblichenen Rosen.
Keinen dieser Briefe hatte sie zweimal gelesen. Sechs Jahre lang waren sie mit regelmäßiger Pünktlichkeit gekommen, Weihnachten und zu ihrem Geburtstag.
Einmal war einer außer der Reihe da.
Darin stand, daß Annemarie ein kleines Mädel bekommen hatte.
„Liebe Mutter, willst Du nicht kommen und es Dir ansehen?" Sie hatte es sich nicht angesehen. Auch die sen Brief hatte sie nicht beantwortet, so wie sie keinen von Annemaries Briefen seit deren Hochzeit beantwortet hatte.
Nun kam sie also mit ihrem Mann und dem Kind zurück in die Heimatstadt. Briefe würden nun wohl kaum noch geschrieben werden. Dafür musste man damit rechnen, daß man sich eines Tages begegnete, irgendwo, in der Stadt, wenn man Einkäufe machte, bei den Geschwistern, in der Straßenbahn...

Siebenbrodt Dorothee, Christin Halbachs wundersamer Weg

07/05/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Winter kam früh in diesem Jahr mit Eis und Schneetreiben. Schneidende Ostwinde drangen der kleinen Christin bis ins Mark, während sie, wie jeden Morgen, den dreiviertelstündigen Schulweg in das im Tal liegende Weißenbach antrat. Bis zur Kreuzung brachte sie der Großvater. „Mach's gut, Kind", rief er ihr mit seiner rauhen Stimme nach. Vor der nächsten Wegbiegung blickte sie sich noch einmal um. Sie sah die massige Gestalt des alten Försters, neben ihm Tell, den Jagdhund, und Waldmann, den Dackel. Das vertraute Bild prägte sich dem Mädchen tief in die Seele und begleitete es in die Schule, wo es blaugefroren und zerzaust ankam. Fräulein Kunstmann holte ihren eigenen Stuhl vom Katheder und schob ihn vor den eisernen Ofen. „Du mußt ja erst wieder auftauen, Kind", sagte sie in ihrer stillen, gütigen Art.

Der Rückweg zur Mittagszeit war noch anstrengender als der Hinweg zur Schule. Es ging steil aufwärts, und der Großvater blieb unsichtbar. Aber Christin wußte, daß daheim die Großmutter wartete mit gutem Essen, gewärmten Hausschuhen und zischenden Bratäpfeln in der Ofenröhre. Unverzagt stapfte sie vorwärts wie jeden Tag. Sie wurde groß und kräftig dabei, viel größer und kräftiger als die meisten Mädchen ihres Alters, gar nicht zu vergleichen mit der kleinen Marei, die den ganzen Tag über bei der Großmutter hinter dem Ofen hockte und sich fürchtete, wenn der Sturm, in den hohen Bäumen heulte, die das Forsthaus überschatteten, und des Abends die Eulen schrien. Marei war ja auch erst sechs Jahre alt, man hätte sie bei ihrer Zierlichkeit für vier halten können, während Christin schon das zehnte Lebensjahr überschritten hatte.
Mitte November, schlug das Wetter um. Der Wind wehte aus Nordwest und führte Schneemassen mit sich, die sich hoch um das Forsthaus türmten und den Weg versperrten. „Du kannst nicht zur Schule gehen", sagte der Großvater am Morgen zu Christin. Er zog gerade seine gewaltigen Stiefel an. Vor Ungeduld zitternd standen die beiden Hunde an der Tür und witterten.
„Gehen wir heute zur Futterstelle?" bettelte Christin.
Wohlgefällig glitten des Großvaters Augen über die Gestalt seiner ältesten Enkelin. „Wart noch bis Mittag, der Alfons muß erst schaufeln." Alfons war der Jägerbursche. Er bahnte während des Vormittags einen Weg in den Wald und einen schmalen Pfad ins Dorf. Es ging ja nicht an, daß Christin länger als einen Tag Schneeferien machte.
Gleich nach dem Mittagessen standen Großvater und Enkelin zum Ausgehen bereit vor der Haustür. An kurzer Leine führte Christin den Dackel, der japsend und kläffend daran zerrte, so daß sie schnell laufen mußte,
Der Förster stapfte mit dem Jagdhund hinterher. Den Schlug, bildete Alfons mit dem Futtersack.
Durch das Fenster der behaglichen Wohnstube blickte die Försterin dem kleinen Zug nach. Ein stilles Lächeln glitt über ihr schmales, früh gealtertes Gesicht. „So hat er doch noch sein Glück, der Konrad", sagte sie leise vor sich hin; „und er meinte, es sei alles zu Ende - damals - vor sechs Jahren, als unser Hannel starb." Ihr Blick streifte das Bild einer jungen Frau, das auf der Kommode stand.
Franziska Amman setzte sich in den Ohrenstuhl neben den Ofen. Eine tiefe Stille lag über dem Zimmer. Nichts war zu hören als das leise Knistern der Holzscheite im Ofen und das Ticken der Schwarzwälder Uhr an der Wand. Ihr fielen die Augen zu.
Eine leise Berührung weckte sie auf. Erschrocken fuhr sie zusammen. Das jüngste Enkelkind stand vor ihr, eine alte, häßliche Puppe im Arm. „Stranzes Arm ist kaputt, du mußt ihn nähen."
„Ja, nachher", erwiderte die Großmutter müde, und schon wieder fielen ihr die Augen zu.
„Nicht nachher - gleich!" begehrte das Kind auf und sah die Großmutter mit jenem Blick an, der die alte Frau schon manchmal erschreckt hatte. „Siehst du denn nicht, daß sie blutet?" Tatsächlich drang ein feiner Strahl Sägmehl aus dem Arm des verwundeten Puppenkindes.
„Lege die Puppe auf meinen Nähtisch und nimm deine Armgard, bis ich sie heil gemacht habe", redete
ihr die Großmutter freundlich zu. „Ich will nicht Arm-gard, ich will Stranze", beharrte das Kind eigensinnig.
Seufzend stand Frau Amman auf. Sie wußte, daß Marei mit leidenschaftlicher Liebe an der alten Puppe hing, die noch aus der Kinderzeit der verstorbenen Mutter stammte.
Die Försterin setzte sich an den Nähtisch, der zwischen den beiden Fenstern stand. Sie blickte, bevor sie mit der Arbeit begann, auf den Weg, der vom Dorf heraufführte. Zwei Männer näherten sich der Försterei, der Postbote Lindemann und ein anderer. Frau Amman stockte der Atem: „Ist das nicht Hans?"
Es kam nicht oft vor, daß der Schwiegersohn den Weg zur Försterei fand, seitdem er sich vor zwei Jahren wieder verheiratet hatte. Daß es einmal so kommen würde, hatten beide gewußt, sie und ihr Mann. Ein Mann in den Dreißigern konnte nicht ewig allein bleiben. Aber weshalb mußte es gerade diese Frau sein, diese Thekla Großkopf?
Was mochte der Schwiegersohn wollen? Ohne besonderen Grund kam er nicht zu ihnen, die alte Frau wußte es genau, und eine Unruhe erfaßte ihr Herz.
„Weshalb nähst'du nicht?" fragte das Kind.
Hastig strich ihm die Großmutter über das dunkle Haar.,, Der Vater komtk Marei, wir müssen Kaffee für ihn kochen."
Hans Halbach schüttelte sich den Schnee von den Füßen und begrüßte verlegen die Schwiegermutter.
Dann beugte er sich zu seiner Tochter nieder. Gleichgültig, beinahe ablehnend blickte die Kleine den großen Mann an. Sie kannte den Vater kaum. Ihre Mutter war kurz nach ihrer Geburt jener schweren Grippeepidemie erlegen, die in den letztenMonaten des Jahres 1916 viele Menschen dahinraffte, zu allermeist die jungen und werdenden Mütter. Der. Vater kehrte nach dem Krieg wohl noch in das Großelternhaus zurück, aber damals war Maiei noch klein gewesen. Später zog er ins Dorf zu Verwandten und heiratete vor zwei Jahren eine fremde Frau. Marei blieb im warmen heimatlichen Nest bei den Großeltern und vermißte nichts.
Christin, die Ältere, stand in einem anderen Verhältnis zu ihrem Vater. Sie liebte ihn mit einer scheuen, verhaltenen Zärtlichkeit. Sie kannte ihn ja auch viel besser als die kleine Schwester und konnte sich auch noch an die eigene Mutter erinnern, um deren Bild sie lichte Kränze der Verehrung wand.
„Ist der Vater daheim?" fragte Hans Halbach seine Schwiegermutter.
„Er ist gerade mit Christin bei den Futterplätzen. Es kann nicht allzulange dauern, bis er heimkommt. - Setz dich, ich koche dir eine Tasse Kaffee" Eilig lief die Försterin in die Küche und entfachte das Herdfeuer. „Bleib beim Vater, Marei", rief sie dem Kinde zu. Die Kleine schüttelte den Kopf und schmiegte sich an die Großmutter.
„Was mag er nur wollen, der Hans? Geht es um die Kinder?" grübelte Franziska Amman. „Er hat uns doch sein Wort gegeben - damals -‚ als er seine Sachen abholte, sein Ehrenwort, daß er uns die Kinder lassen wollte - Hannels Kinder - unser ein und alles."
Unruhig ging Hans Halbach im Zimmer auf und ab, von der Tür zum Fenster, vom Ofen zum Sofa. Ob er sich ein wenig in die Sofaecke setzte? - Nein, lieber nicht. Dort hatte er mit Hannel gesessen in so mancher schönen Stunde. Das Sofakissen lag noch in derselben Ecke, auf dem ihr dunkler Kopf einst geruht. - Nein, dort wollte er nicht sitzen. Am Fenster stand ein harter Stuhl, auf ihm ließ er sich nieder. Er blickte zur Kommode hinüber. Dort stand Hannels Bild und sah ihn mit einem ernsten Lächeln an. Er wandte den Kopf und erhob sich wieder, aber der Blick verfolgte ihn und ließ ihn nicht los.
„Ich kann nichts dafür, Hannel, ich hab' es nicht gewollt", verteidigte er sich gegen die Anklage, die aus diesem Blick sprach.
„Du bist der Mann. Du brauchst nichts zu tun, was du nicht willst. Du bist der Vater deiner Kinder."
Der Mann stöhnte -auf: „Du kennst Thekla nicht."
Inder Stube begann ä zu schummern. Aus den Ecken krochen die Schatten. Scheü blickte Hans Halbach wieder zu Hannels Bild hinüber. t*te er sich, oder war ihr Blick noch ernsthafter geworden5, hoch dunkler und fragender? Leise ging er zur Kommode und drehte das Bild zur Wand.
In diesem Augenblick trat die Schwiegermutter mit dem Kaff eetablett in der Hand ein. Wie ein ertappter Sünder wandte er sich ab. Hinter dem faltigen Rock der Großmutter lugte das Kind hervor. Scheu, ernst und dunkel ruhte sein Blick auf dem Antlitz des Vaters. Hans Halbach gewährte zum ersten Mal, wie ähnlich seine jüngste Tochter seiner verstorbenen Frau war. „Sie gleicht ihrer Mutter", sagte er beklommen.
„Im Innern nicht", erwiderte die Försterin.
Die Stimme des Försters wurde vor den Fenstern laut. Christins helles Lachen und das Bellen der Hunde mischten sich ein. „Der Vater ist da", jubelte eine -fröhliche Stimme im Flur. Die Tür wurde aufgerissen, und mit glänzenden Augen und glühenden Wangen eilte die Tochter auf den Vater zu.
„Bist du aber groß geworden!" staunte Hans Halbach und schloß sein Kind in die Arme.
Der alte Förster trat geräuschvoll ein und brachte einen Hauch von Winterkälte mit sich in die Stube. „Mir auch eine Tasse", rief er seiner Frau zu und ließ sich dröhnend auf das Sofa fallen.
„Was führt dich her?" fragte er seinen Schwiegersohn geradeheraus und schaute ihn durch seine Brillengläser scharf an.
Halbach ließ seine Tochter los und sah verlegen vor sich nieder. „Wir wollen umbauen", begann er zögernd.
„Der alte Kasten hat es nötig", stimmte Konrad Amman zu und bestrich sich eine dicke Landbrotscheibe mit goldgelber Butter. „Woher habt ihr das Geld?" fragte er mißtrauisch.

„Das Geschäft lohnt sich, und auch ich bringe jeden Monat das Meinige", erwiderte der Schwiegersohn, „aber es ist - es fehlt an Arbeitskraft. Da dachte ich - da dachte sie - da meinte Thekla -"
Der Alte legte das Jagdmesser, mit dem er aß, zur Seite und musterte den Schwiegersohn von oben bis unten. „Sag gerade heraus, was du willst", herrschte er ihn an.
„Christin", antwortete Hans Halbach leise.
Das Gesicht des Försters begann sich erschreckend zu verändern, es lief dunkelrot an. Kein Laut kam über seine Lippen. Aus der Ofenecke klang leises Schluchzen; dort saß die Försterin, das Kind Marei auf dem Schoß. Das Mädchen Christin stand mitten im Zimmer. Seine großen, klugen Augen blickten ernsthaft vom Vater zur Großmutter und blieben auf dem Gesicht des Großvaters haften, dieses Großvaters, der bis zur Stunde der Halt und die Stütze ihres jungen Lebens gewesen war. Schrecklich sah er aus in diesem Augenblick.
„So hältst du dein Wort", brachte der Alte schließlich mühsam hervor. „Erinnere dich: vor zwei Jahren hast du an derselben Stelle* gesessen und versprochen, daß die Kinder bei uns bleiben ilJten. Dein Wort gabst du! Dein Ehrenwort!"
Wie ein Peitschenhieb traf es den anderen. „So hör mich doch an, Vater, die Thekla verlangt es. Sie ist jetzt meine Frau, auch sie hat ein Recht. Sie braucht die Hilfe, sie kann die Arbeit nicht zwingen, und Christin ist groß und stark. - Ihr seid ja nicht allein. Ihr habt noch die kleine Marei. Ihr sollt sie für immer behalten. Ich sage es euch, ich schwöre es euch zu'
„Was ist schon ein Schwur von dir?" Der Förster rief es mit eisigem Hohn. „Ein gebrochenes Wort mehr - darauf kommt es nicht an. Meinst du, man kann die zwei auseinanderreißen, die zusammengehören, doppelt zusammengehören, weil sie beide Eltern verloren haben - die Mutter und den Vater?"
Hans Halbach begehrte auf: „Sie haben einen Vater, die zwei."
„Einen Vater!" Es lag Verachtung und Bitterkeit in dem Wort. „Und was für einen Vater!"
Wie ein gehetztes Tier lief der Förster im Zimmer auf und ab. Die Stirnadern geschwollen, die Fäuste in der Tasche geballt, blieb er vor seinem Schwiegersohn stehen. „Heut sagst du: Behaltet die Marei. Sie ist ja auch noch klein, und ihr könnt nichts mit ihr anfangen. Aber du wirst wiederkommen, wenn es deine Frau von dir verlangt, du wirst sie von uns fordern, wenn sie herangewachsen ist. - Du schüttelst den Kopf? Ich sage dir, du wirst es tun. Doch dazu soll es nicht kommen, hörst du? Nimm sie beide - aber nimm sie schnell - nimm sie gleich. Ich will es. Und wenn ich etwas will, so tue ich es auch und lasse mir von niemandem dareinreden, denn ich bin nicht wie du."
@1960 Christliches Verlagshaus

Schmidt-Eller Berta, Ab heute hab ich Zeit

06/06/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Regen klopfte an die Scheiben, trommelte auf das Blech der Fensterbretter. Nanette lauschte mit geschlossenen Augen und dachte: Wie schön, daß ich bei diesem Wetter nicht aus dem Haus gehen muß. Die Osterferien waren zu Ende, Nanette aber hatte für den ganzen Rest ihres Lebens Ferien. Sie wachte zwar aus jahrelanger Gewohnheit noch immer um halb sieben auf, und auch heute gelang es ihr nicht, wieder einzuschlafen, aber... Der Rektor hatte recht gehabt, als er bei der Abschiedsfeier sagte, sie sei noch so quicklebendig und frisch, daß sie als Endfünfzigerin durchginge. Er hatte sie überreden wollen, nach ihrer Pensionierung wenigstens noch ein paar Unterrichtsstunden zu geben. 

Doch sie hatte abgelehnt. „Wenn man mir meine sechsundsechzig Jahre auch nicht ansieht, in den Akten stehen sie doch und sind nicht wegzuleugnen. Ich werde die noch vorhandene Frische dazu benutzen, mir ein wenig die Welt anzusehen. Leider habe ich dazu bisher viel zu wenig Gelegenheit gehabt." Nanette Bruckbeuer hörte den Regen klopfen und trommeln und vernahm zugleich all die warmen Worte, die zu ihrer Abschiedsfeier gesprochen worden waren - morgens von den Schulkindern in Gedichten und Liedern, hier und da auch ein persönliches Wort einer Schülerin der Oberstufe, und am Abend die Reden der Kolleginnen, vom Schulrat und dem Rektor.


Da der Schlaf nicht noch einmal kommen wollte, schlug Nanette die Augen auf, erhob sich und zog die Vorhänge zurück. Unten auf der Straße lief Fräulein Meißner vorbei, die Turnlehrerin.
„Sie ist wieder einmal spät dran und rennt wie Nurnii", murmelte Nanette vor sich hin. Nurmi war der einzige Sportler und Olympiasieger, der bleibend in ihr Gedächtnis eingegangen war. Sie sah der Dahineilenden mit einem teils belustigten, teils wehmütigen Lächeln nach. Ihr wurde mit einem Male bewußt, daß sie nun nicht mehr dazugehörte. Sie hatte sich danach gesehnt, die Arbeit niederlegen zu können, hatte sich darauf gefreut, pensioniert zu werden. Jetzt, da es soweit war, freute es sie gar nicht so sehr, wie sie erwartet hatte, obwohl ihr das letzte Dienstjahr ein wenig schwergefallen war.
Vor fünfundvierzig Jahren, als sie anfing zu unterrichten, waren andere Zeiten. Damals herrschte in der Schule strenge Disziplin, von antiautoritärer Erziehung keine Spur. Obwohl Nanette Strenge und absolute Autorität nicht lagen, hatte sie sich in den letzten Jahren manch mal nach jener Disziplin zurückgesehnt, die sie selber allerdings nie ganz beherrscht hatte, die aber die Arbeit in einer Schulklasse wesentlich erleichterte.
Woran einen doch eine vorübereilende frühere Kollegin zu erinnern vermochte!
Über sich selber den Kopf schüttelnd, ging Nanette hinüber ins Bad. Sie drehte die beiden blitzenden Wasserhähne auf, den kalten bis zum Anschlag, den warmen nur zweimal herum. Seit Dr. Eigen ihr vor zwei Jahren geraten hatte, nicht mehr kalt zu duschen, war sie zu dem Kompromiß mit dem warmen Wasserhahn gekommen. Nanette hatte; als der Arzt die kranke Mutter besuchte, ganz nebenbei erwähnt, sie habe ab und zu Schmerzen in der Schulter. Nach einer kurzen Untersuchung, gegen die sie sich zunächst ärgerlich gewehrt hatte, auf der aber die Mutter bestand, hatte der Arzt gesagt: „Ihr Herz ist fabelhaft intakt, Fräulein Bruckbeuer. Aber irgendwo packt es doch jeden mit zunehmendem Alter. Auch Sie sind nicht grundsätzlich gegen jede Krankheit gefeit."
Nanette hatte erwidert, er wolle die Schmerzen in ihrer Schulter doch nicht etwa eine Krankheit nennen. „Rheuma ist es, ein handfestes Rheuma, und Sie müssen etwas dagegen tun."

Nanette hielt Rheuma keineswegs für eine Krankheit. Nach einigem Hin- und Herreden, bei dem die tägliche kalte Dusche zur Sprache gekommen war, hatte er dringend davon abgeraten.
Als ob der immerhin noch recht kühle Regen aus der Brause alle Gedanken an die Vergangenheit abgespült hätte, kehrte Nanette in die Gegenwart zurück.
„Man muß das, was man sich vorgestellt hat, nur getreulich ausführen", sprach Nanette vor sich hin. Seit dem Tode ihres Vaters vor drei Monaten hatte sie sich angewöhnt, ab und zu Selbstgespräche zu führen.
„Bis gestern", murmelte sie weiter, „hatte ich regulär Ferien. Jetzt beginnt der Ernst des pensionierten Daseins. Jetzt heißt es ausführen, was ich mir vorgenommen habe: Reisen! Die Frage ist nur, wohin. Wie gut, daß ich genug Zeit habe, in Ruhe Pläne zu machen."
Gegen zehn Uhr betrat Nanette das Reisebüro. Ein junges, schüchternes Mädchen, an das sie sich wandte, meinte verlegen: „Wenn Sie sich bitte einen Augenblick gedulden wollen, gnädige Frau, ich habe hier erst gestern angefangen und weiß noch nicht Bescheid. Die Kollegin dort, die den Herrn abfertigt, wird gleich frei sein."
„Mein liebes Kind", Nanette hatte diese Form der Anrede noch zu sehr im Blut, als daß sie davon hätte abgehen können, „irgendwann fängt jeder Mensch irgendwo irgend etwas an und weiß
noch nicht Bescheid. Da bin ich gerade die richtige Kundin für Sie. Ich möchte verreisen und gern irgendeinen Prospekt haben, der über Kurorte Auskunft gibt. Da drüben in den Regalen hinter Ihnen liegen bunte Hefte .
„Vielen Dank", sagte das Mädchen lächelnd und reichte die gewünschten Prospekte herüber.
Nanette las halblaut: „Touropa, hm, diese Plakate sieht man überall. Ist das zu empfehlen?"
„Wenn Sie noch nicht viel gereist sind, fahren Sie am besten mit einer Reisegesellschaft. Hier ist ein Prospekt von Scharnow .
„Sind Sie schon einmal mit so einer Reisegesellschaft gereist? Heute fahren junge Leute ja schon wer weiß wohin. Darf man fragen, wohin Sie reisen, wenn Sie Ferien haben?"
„Ich fahre nicht mit der Bahn. Mein Vater hat einen Wagen."
„Ich verstehe. Soundso viel Kilometer am Tage, in drei Ferienwochen um die halbe Welt. Ich kenne das vom Hörensagen. Meine Schülerinnen mußten sich erst mal vier Wochen lang erholen, wenn die Ferien zu Ende waren. Nun, ich bin jetzt pensioniert und habe Zeit, mich nach einer anstrengenden Reise zu erholen. Lassen Sie sehen, was Sie sonst noch haben."
„In diesem Heft sind vorwiegend Schiffsreisen."

„Nein, mein liebes Kind, mag der Ausdruck ‚vorwiegend' auch in den Sprachgebrauch eingegangen sein, er ist nicht richtig, nicht sinngemäß. Es muß heißen ‚überwiegend', wenn man in Verbindung mit ‚wiegen' spricht, gibt es kein ‚vor' und ‚nach', sondern nur ‚Ober- und Untergewicht'. Das nur nebenbei. Lassen Sie sehen. Eine Schiffsreise könnte mich reizen."
„Oder wenn Sie fliegen möchten? Nehmen Sie' doch auch dieses Heft mit den besonderen Flugprogrammen mit."
„Sieh mal einer an, wie gut Sie das können! Ihre Kollegin hätte mich gar nicht besser bedienen können."
Nanette blätterte und las: „Schweiz - Zermatt - Matterhorn - Berner Alpen - Italien - Capri - ja, die Blaue Grotte möchte ich sehen. Aber so im Handumdrehen kann ich mich nicht entscheiden. Ich werde die Prospekte zu Hause. in Ruhe durchblättern."
Die ältere Kollegin war nun frei und wandte sich an Nanette: ‚;Haben Sie einen besonderen Wunsch, gnädige Frau?"
„Danke, Ihr kleines Fräulein hat mich gut bedient. Zwei - drei Prospekte - und diesen hier - Afrika, herrlich! Diese Hefte möchte ich mitnehmen. Was habe ich zu zahlen?"
„Das kostet nichts, gnädige Frau. Wenn Sie sich entschieden haben, dürfen wir Sie gewiß im einzelnen beraten."
„Danke sehr! Sie werden von mir hören. Auf Wiedersehn!"
Munter schritt Nanette ihrer Wohnung zu. Im Treppenhaus traf sie mit Frau Becker, ihrer Hauswirtin, zusammen.
„Wie geht's, Fräulein Bruckbeuer? Waren Sie einkaufen? Zum Spazierengehen ist das ja kein Wetter. Was treiben Sie nun so den ganzen Tag? Wenn Sie Langeweile haben, kommen Sie nur zu mir. Nachmittags sitze ich meist allein am Fernseher."
„Langeweile, Frau Becker, die lasse ich nicht aufkommen. Schönen Dank für die Einladung! Vielleicht komme ich mal darauf zurück."
„Fernseher", murmelte Nanette, als sie ihre Wohnung betrat, „das ist heutzutage das A und 0 jeglicher Unterhaltung. Jetzt werde ich erst mal in Ruhe die Prospekte studieren."
Sie setzte sich ans Fenster in den Sessel, der früher ihrer Mutter und zuletzt ihres Vaters Lieblingsplatz gewesen war, und breitete die bunten Hefte auf dem Nähtisch vor sich aus.
Taunus, Schwarzwald, Rhein und Mosel überschlug sie. Dorthin wollte sie reisen, wenn sie keine Kraft mehr haben würde, in ferne Länder zu fliegen oder mit dem Schiff zu fahren. Allgäu - Italien - weiter, viel weiter wollte sie.
„Teneriffa - ob Sie in einem Erste-Klasse-Hotel wohnen oder in einer gemütlichen Familienpension -" sagte der Prospekt. „. . in den Häusern läßt es sich behaglich leben, es herrscht eine familiäre Atmosphäre..."
Nanette suchte nach Angaben über die Gegend. Das war, was sie wissen wollte.
„Man promeniert unter Palmen und zwischen üppigen Blumenbeeten, über romantische Uferstraßen... durch blühende Gärten.. vorbei an Eukalyptusbäumen... terrassenförmigen Hängen..."
Die Umwelt, ihr Zimmer, versank. Nanette war weit weg, blätterte, schaute und las:
„Djerba - wo die Sonne am wärmsten scheint...'
„Mallorca - das Kleinod der Balearen. ..„
„Tunesien - Wunderwelt Afrikas. .
„Tanger - Fez - Meknes - Casablanca - Rabat—"
Welche Möglichkeiten! Aber auch welche Qual der Wahl!
Und wieder glitten ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit. Wieviel einfacher war es gewesen, wenn sie mit den Eltern reiste. Jedes Jahr hatten sie in Freudenstadt die gleichen Zimmer belegt. Die Koffer wurden aufgegeben, und man stieg acht Uhr zwanzig in den D-Zug. In den beiden letzten Jahren war sie mit ihrem Vater allein nach Freudenstadt gefahren. Auf allen Wegen hatte sie ihn begleiten müssen. Auf be sondere Ausflugsfahrten, die ihr etwas Abwechslung geboten hätten, mußte sie verzichten. Nicht, daß sie diesen Verzicht besonders empfunden hatte, aber jetzt, angesichts der Bilder naher und ferner Länder war sie schier überwältigt von dem Gedanken, frei wählen zu können, wohin sie reisen wollte. Am liebsten wäre sie einfach drauflosgefahren, aber sie war vernünftig genug, um einzusehen, daß es zu gewagt war, ohne Vorbereitung in: Länder zu reisen, die eine fremde Währung hatten, dazu andere Sitten und unbekannte Bräuche, Länder, in denen Sprachen gesprochen wurden, die sie nicht kannte. Darum war es wohl besser, sich einer Reisegesellschaft anzuvertrauen.
„Ja, ich will Palmen sehen und Zypressen, Agaven und die riesigen Kamelienbüsche, die hier abgebildet sind. Afrika. Nachts aufwachen vom Gebrüll der Löwen und dabei doch in Sicherheit sein."
Wer Nanettes Selbstgespräch belauscht hätte, wäre erstaunt und belustigt gewesen. Sie blätterte, und ihre Stimme wurde vor Begeisterung lauter: „Ha, ein Ausflug zum Kilimandscharo! Das ist nahe beim Äquator, wo Tag und Nacht ohne Dämmerung unmittelbar ineinander übergehen. Das weiß ich nur aus dem Erdkundetm-terricht; aber es zu sehen und zu erleben muß einzigartig sein."

Umschlaggestaltung: Franz Reins, Detmold
@1975Druckhaus West GmbH, Stuttgart
ISBN 3-7675-0315-8

Schlink Basilea

06/04/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Mutter Basilea (Dr. Klara Schlink) 1904- 2001 in Darmstadt geboren, aufgewachsen in Braunschweig, wo der Vater Rektor der Technischen Hochschule war. Als-Achtzehnjährige erfährt sie, daß Jesus in ihr Leben tritt - sozial-pädagogische Ausbildungen folgen - Studium der Psychologie, Kunstgeschichte, Philosophie, Theologie - Dr.Klara Schlink wird Vorsitzende der Christlichen Studentinnenbewegung Deutschlands

anschließend mehrere Jahre lang Vortragsdienste als Reisesekretärin derMo-hammedaner-Mission im Inland - zugleich Leitung der Darmstädter Mädchenbibelkreise zusammen mit Erika Madauss-(Mutter Martyria) Nach einer Erweckung 1947 Gründung der Evangelischen Marienschwesternschaft, später Aufbau' des kleinen Landes Kanaan bei Darmstadt als Mittelpunkt des Werkes und inzwischen Gründung weiterer Kanaanzentren in verschiedenen Teilen der Welt.

Quelle; Zum Gewinn ward mir das Leid

Smith Oswald, Der Mensch den Gott gebraucht

05/28/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Der Mensch, den Gott gebraucht von Dr. Oswald J. Smith 

An meinem 38. Geburtstag betete ich: "HERR, mach mich zu einem Mann nach Deinem Herzen!" Die tägliche Arbeit rückte aus meinem Blickfeld. Dinge, die mir vorher so wichtig erschienen waren, traten zurück. Alles, was mich bisher interessiert hatte, wurde jetzt zweitrangig, und es kam nur noch auf mein eigenes inneres Leben vor Gott an. Ich ging an diesem Tag in meinem Arbeitszimmer auf und ab und betete: "HERR, mach mich zu einem Menschen nach Deinem Herzen!" 

Ein Mensch nach dem Herzen Gottes 
Wie nie zuvor erkannte ich, dass das Große in meinem Leben nicht die Arbeit war, die ich tat, nicht die Bücher, die ich schrieb, oder die Predigten, die ich hielt, auch nicht die Menschenmengen, die sich unter meiner Kanzel versammelten, noch der erzielte Erfolg. Es ging um das Leben, das ich lebte, um die Gedanken, die ich dachte, um Herzensheiligkeit und praktische Gerechtigkeit, mit einem Wort: Es ging um meine Umwandlung durch den Heiligen Geist in Christusähnlichkeit. Mit neuer und tieferer Bedeutung standen die Worte vor mir: "Lass mich näher bei Gott sein!" Und mein Herz verlor sich in einem Schrei um solche Erfahrung. "Dass ich Ihn erkenne", betete der große Apostel. "Christus in euch", sagt er, und dann "Christus in mir". Ja, "Noah wandelte mit Gott", "Henoch wandelte mit Gott". Warum nicht ich? Bin ich nicht wertvoller für Gott als meine Abeit, mein Besitz? Gott will mich, nicht nur meinen Dienst.

Danach trieb Er mich ins Gebet, das Gebet, dass Er mich zu einem Mann nach Seinem Herzen mache. Und dies waren meine Bitten: "HERR, hier sind meine Hände. Ich übergebe sie Dir. Lass sie nie etwas berühren, das sie nach Deinem Willen nicht berühren sollten, oder etwas tun, das Dich entehren könnte. Und hier sind meine Füße; ich gebe sie Dir. Lass sie nie einen Weg gehen, auf dem Du nicht zu sehen bist. Hier, HERR, sind meine Augen. Lass sie nie etwas sehen, das Deinen Heiligen Geist betrüben könnte. Lass meine Ohren nichts hören, das Deinen Namen verunehrt. Lass meinen Mund nichts aussprechen, das Du nicht hören darfst. Lass meinen Verstand keinen Gedanken und meinen Sinn keine Vorstellung festhalten, die das Bewusstsein Deiner Gegenwart trüben könnten. Lass mein Herz keine Liebe kennen und keine Gefühle hegen, die nicht von Dir sind. Amen." 

Ich erkannte, dass Gott meine ungeteilte Aufmerksamkeit erwartete. Alles andere musste zurücktreten. Freunde und Angehörige, Heim, Geld, Arbeit - alles legitim -, alles musste Christus übergeben werden. Meine ungeteilte Aufmerksamkeit musste sich Tag und Nacht auf Ihn richten. Gott zuerst! Das musste meine Einstellung Ihm gegenüber sein. Nur so würde Er mich segnen und gebrauchen können. Nur so würde ich Sein liebendes Herz zufriedenstellen können. Ich 
erkannte, dass nichts und niemand zwischen Gott und mich treten durfte. So wie in der Ehe dem Mann zuerst Zuneigung seiner Frau gehört und umgekehrt, so muss Gott in meinem Herzen den ersten Platz einnehmen. Und wie eine Ehe nur glücklich sein kann, wenn sich Mann und Frau ungeteilt einander zuwenden, so kann auch meine Gemeinschaft mit Gott nur dann vollkommen sein, wenn ich mich Ihm ungeteilten Herzens zuwende. Er will, dass ich ununterbrochen mit Ihm rechne. 

„Nur für Jesus! Ihm allein will ich meine schwachen Kräfte. 

Wort', Gedanken und Geschäfte, alle Tage, alle Stunden weihn. -
Was Er an jenem Tage von mir verlangte, fordert Er genau so von all e n Gläubigen. Darf es sein, daß wir Ihm Sein Recht streitig machen? Gibt es irgend etwas in der Welt, das jener Aufmerksamkeit wen wäre, die Er beansprucht; Wenn nicht, warum halten wir Ihm zurück, um was Er bittet? Kann wirkliche Freude außerhalb von Gott gefunden werden? Können wir mit toten „Dingen« glücklich sein, und befriedigen uns diese »Dinge”? „Das Leben eines Menschen besteht nicht aus dem Überfluß der Dinge, die er besitzt" (Luk. 12, 15). Gott hat uns für sich selbst geschaffen. Ihn verlangt nach Gemeinschaft und Verbindung mit uns. Hier. Inmitten der herzlosen und verkehrten Generation einer Welt, die für ein abgesondertes Leben im Heiligen Geiste keinen Sinn mehr hat, deren Gott Satan ist, mit ihm zu gehen Augenblick für Augenblick - das ist Sein Plan und Seine Absicht mit uns. Als Pilger und Fremde sollen wir leben In einer Welt, die unseren Herrn gekreuzigt hat. Wie können wir es da ertragen, Ihn zu enttäuschen und zu betrüben?
Gott will, daß wir hundertprozentig Sein eigen sind. So erhebt sich die Frage: ‚;Gehören wir wirklich durch und durch dem Herrn Jesus? Sind wir ganz Gottes Eigentum? Nicht nur neunzig—, sondern hundertprozentig, vollständig  Gott übergeben?" Wir wollen Ihn bitten, daß Er uns von Irdischen Dingen löse, uns frei mache von der Welt, von unseren Familien und Heimen, von allem, was die Schrift als „Fleisch" bezeichnet. Wir wollen Ihn bitten, daß Er uns so freimacht, daß wir Ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenken können. 

Da ist vieles im „ Fleisch", das „unser gutes Recht" ist. Können wir uni des Reiches Gottes willen, um ganz Sein eigen zu sein, auch darauf verzichten? Können wir gehorsam sein, auch wenn z. B. der Dienst eine Trennung von unseren Angehörigen für längere Zeit notwendig macht? Vermögen wir uns in Seiner Gnade so über die Welt und das »Fleisch« zu erheben, daß wir Jesus selbst finden durch Seinen in uns wohnenden Geist, der uns befähigt. „durch und durch" für Ihn zu leben, so daß wir mit dankerfülltem Herzen ausrufen können: „Jesus macht uns zufrieden"? Das ist es, was Er mich gelehrt hat, und das meine ich, wenn ich davon spreche, ganz Gott zu eigen zu sein, „durch und durch abgesondert für Jesus Christus«, hundertprozentig für Ihn, um so „ein Mensch nach Seinem eigenen Herzen" zu werden.
Ein Mensch nach dem Herzen Gottes zu sein heißt also, Gott an die erste Stelle zu setzen, allezeit vor Ihm zu wandeln, nichts zu tun, was Ihm mißfallen, und nichts zu erlauben, das Ihn betrüben würde. Ein Leben praktischer Gerechtigkeit und Heiligkeit vor Ihm zu leben, Ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken und Ihn über alles zu lieben.
Wir wissen, daß David „ein Mann nach dem Herzen Gottes" war! Wenn er nach seinem Fehltritt trotzdem solch ein Mensch sein konnte, warum sollte ich, warum solltest du es nicht sein können? „Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht zu verunreinigen" (Dan.1, 5). Laßt uns aufrichtigen Herzens etwas „vornehmen". Gott wird die Kraft zum Vollbringen geben!

So werden wir christus-ähnlich. Und das ist Gottes höchstes Ziel mit uns, daß wir sein sollen wie Sein Sohn, verwandelt in dasselbe Bild. Es ist sehr traurig, wenn man schon seit zehn Jahren gläubig ist und dann seinem Herrn noch nicht ähnlicher geworden als am Tage der Bekehrung. Es gibt Menschen, die sechs Monate nach ihrer Errettung dem Retter mehr gleichen als solche, die schon sechs Jahre auf dem Wege sind. Nur die, die viel Zeit in Seiner Gegenwart verbringen werden Ihm ähnlich werden. Nur die, die Ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zuwenden, werden Ihn ganz erkennen dürfen.


Um ein Bestes zu erhalten, müssen wir unser Bestes geben. Um Männer und Frauen nach Seinem Herzen zu werden, müssen wir uns ganz nach Ihm ausrichten. Um zu gewinnen, müssen wir uns ausliefern, um zu leben, müssen wir sterben, um zu empfangen, müssen wir aufgeben.
Wie groß aber ist die Herrlichkeit eines solchen Lebens. die Freude Seiner Gemeinschaft! Nichts Gleichwertiges gibt es auf der Erde.
Aller Erfolg der Welt bietet dafür keinen Ersatz. Er Ist „die Lilie des Tale?. der „helle Morgenstern". „die Rose von Saron", der „Oberste unter den Zehntausend". „der Eine in allem Liebliche". Freunde können uns nicht soviel bedeuten, selbst Angehörige enttäuschen. Geld bringt seine Lasten und Ruhm seine Bitterkeit, E r aber macht zufrieden. Gott kann nicht enttäuschen. Mit Ihm wandeln ist die herrlichste Erfahrung. Zu wissen, daß alles in Ordnung ist, nichts zwischen Ihm und mir, keine dunkeln Wolken der Sünde, die Sein Angesicht verbergen - das ist wahrhaftig der Himmel.
Darum laßt uns beten, erfahren und leben: „Herr, mach mich zu einem Menschen nachDelnemHerzenl"
„Freude ganzer Übergabe
strömt durch alle meine Glieder, alles, was ich kann und habe, leg von Seinem Thron ich nieder."

Steinberger Georg, In den Spuren Jesu Gesammelte Schriften

05/22/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Vorwort

Georg Steinberger (1865-1904) war Ende des 19. Jahrhunderts ein bekannter und begnadeter Schriftsteller und Seelsorger. Nach seiner Ausbildung auf St. Chrischona, Schweiz, war er zunächst als Prediger und Evangelist tätig und folgte im Jahre 1899 einem Ruf in das schweizer Erholungsheim Rämismühle bei Zürich. Immer wieder war er nicht nur in der Schweiz zu Evangelisationen und Bibelstunden unterwegs, sondern auch in Deutschland. Seine Kontakte zur
Deutschen Zeltmission führten zur Gründung der Schweizer Zeltmission.
In seinem kurzen Leben wurde er vielen Menschen durch seinen Dienst und seine Schriften zum Segen. Das vorliegende Buch ist eine Zusammenstellung seiner bekanntesten Bücher wie „Der Weg dem Lamme nach“, „Kleine Lichter auf dem Weg der Nachfolge“ sowie Schriften, die es wert sind, gelesen zu werden. Eine kurze Biografie über sein Leben zeugt, wie auch seine geistliche Hinterlassenschaft, von der Prägung der Heiligungsbewegung und von einem Lebensstil, dem er seit seiner Bekehrung treu geblieben ist: Glauben, Vertrauen, Gehorsam, Selbstverleugnung und Leidensbereitschaft. Dieses Zeugnis eines Lebens, in dem Christus der Mittelpunkt war, ist
auch in unserer heutigen Zeit glaubensstärkend und ermutigend.
Steinbergers Schriften werden noch heute viel gelesen. Sie sind dem Suchenden ein Wegweiser und dem Erretteten eine Stärkung. Gar manches Traktat anderer Verfasser ist bereits in Vergessenheit
geraten, warum nicht auch Steinbergers Schriften? Sie haben dem Menschen von heute noch etwas zu sagen.           Georg Walter

Die notwendigste Lebensfrage
Was muß ich tun, um errettet zu werden?Apg. 16,30
Diese Frage ist eine Lebensfrage, nicht eine Sterbensfrage, eine Frage für die Gegenwart, nicht fürs Alter. Sie ist auch die wichtigste Frage. Viele wichtige Fragen gibt es, aber die wichtigste von allen bleibt die: „Wie werde ich selig“ oder auch wörtlich – „gerettet“?
Ein Mann, der in eine Grube gefallen ist, mag viele wichtige Fragen im Blick auf Frau und Kind, auf Geschäft und Zukunft haben; aber sie alle werden zurücktreten vor der Frage: „Wie kann ich gerettet werden?“ Die Schrift sagt uns in Psalm 40, daß wir alle in eine grausame Grube des Verderbens und in den Schlamm der Sünde gefallen seien. Wie können wir gerettet werden? O welch eine wichtige Frage!
Gibt es eine Frage, die so hoch, so weit, so alles überragend ist als gerade diese? Was wird es dir oder mir bald ausmachen, ob wir in dieser Welt gingen oder fuhren, ob man uns grüßte oder mißhandelte, ob man uns achtete oder hinausstieß, ob wir reich waren oder arm? Aber
darauf wird es ankommen, ob unsere Seele gerettet ist oder nicht, ob unsere Übertretungen vergeben sind oder nicht, ob unsere Sünden bedeckt sind oder nicht, ob wir Jesus, den Bürgen und Mittler, haben, der vor Gott die Sache unserer Seele führt, oder ob Er uns sagen wird:
„Ich kenne dich nicht!“ Die Seele verloren, alles verloren!
Laß uns recht einfach zu Werke gehen mit dieser ungeheuer wichtigen Sache und zuerst fragen:
Was muß ich nicht tun, um selig zu werden?
1. Man muß seine Sünden nicht zudecken wollen durch Vergessen. Wir haben alle eine Vergangenheit. Vieles ist in unserm Leben geschehen! O, könnte ich es gutmachen!Aber da steht das schwarze Gespenst, das uns begleitet auf allen unsern Gängen, das mit uns ißt und trinkt, das in der Stille der Nacht an unser Lager tritt und den Schlaf von unsern Augenlidern verscheucht. Bemühe dich, es zu vergessen, und siehe, ob du es fertig bringst. Themistokles, ein griechisches Staatsoberhaupt, soll gesagt haben: „Die größte Kunst auf Erden ist das Vergessen.“ Aber ich glaube, daß diese große Kunst auf Erden nur wenige fertigbringen und in der Ewigkeit nicht ein einziger. 

Da wacht bei allen das schlafende Gewissen auf, und sie müssen erfahren, daß dasselbe alles ganz gewiß weiß. Und das wird der Wurm sein, der nicht stirbt, und das Feuer, das nicht verlöscht. Der reiche Mann nahm nicht seinen Reichtum und sein Wohlleben mit in die Hölle; aber sein Gewissen nahm er mit. Das Gewissen ist ein Buch, das jede böse Tat, jedes böse Wort, jeden bösen Gedanken aufzeichnet. Und in Offenbarung 20 wird uns gesagt, daß alle die Bücher am Tage des Gerichts aufgetan werden vor Gott, vor Engeln und vor Menschen.
Und wehe dir, wenn da die Handschrift bei dir nicht ausgetilgt ist!
Viele meinen, weil sie ihre Sünden nicht erkennen, hätten sie keine. Aber dein Gewissen wird auf einmal aufwachen und lebendig werden, wie z. B. bei einem Ertrinkenden, dem in der Todesstunde in wenigen Sekunden sein ganzes Leben vor die Seele tritt. Die Sünden deiner Vergangenheit, die Menschen, die du belogen, betrogen und hintergangen hast, werden dir vor die Augen treten und dich nie mehr verlassen. Ich las von einem Mann, der im Zorn einen andern ermordet und seinen Leichnam in die Erde verscharrt hatte. Aber es schien ihm, als liege der Ermordete beständig in seinem Hause; das Bild des Toten wollte ihm nicht aus den Augen kommen. 

Der Mann wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt, und während er im Gefängnis saß, hörte er beständig die Stimme des Ermordeten, und es war ihm eine Wohltat, hingerichtet zu werden. Er wollte lieber sterben als leben. Das Gewissen fing an, sein furchtbares Werk
der Verdammnis zu tun, und wird es tun für alle Ewigkeit.
Die Brüder Josephs wollten auch ihre Sünden vergessen, und es gelang ihnen auch wohl zwanzig Jahre lang. Aber da zogen sie eines


Tages nach Ägypten an den königlichen Hof, und siehe, da trat die
Sünde, die sie an ihrem Bruder begangen hatten, plötzlich wieder vor
ihre Seele, und Juda ruft in großer Seelenangst: „Das haben wir an unserm Bruder verschuldet!“ Viele Leute wollen Gras über ihre Sünden wachsen lassen, und es gelingt auch scheinbar, aber da wird ein Wort geredet, tritt irgendein Vorfall ein, und siehe, die Schuld, die alte
Schuld, die alte Klage: „Ich habe mich verschuldet!“ ist wieder da.
Einmal traf ich in der Bahn mit einer Lehrerin zusammen, die mir von ihren Lebensidealen erzählte. Ich sagte ihr: „Ihre Ideale sind sehr schön und anerkennenswert; aber was machen Sie mit Ihren Sünden?“ „Nun, die werde ich eben vergessen müssen“, erwiderte sie.
„Können Sie das?“ fuhr ich fort. Ihre Antwort auf diese Frage war eine Träne in ihren Augen. O wie viele bemühen sich, ihre Sünden zu vergessen! Aber das ist alles nutzlose Anstrengung. Es gibt etwas weit Besseres als Vergessen, es gibt eine Vergebung.


2. Man muß seine Sünden nicht mehr zudecken wollen durch Entschuldigungen.
Ich glaube, die größte Arbeit hat Gott mit dem Menschen, bis Er einen Sünder aus ihm gemacht hat. Sünder sind seltene Leute. Darum sagt auch Jesus: „Ich bin gekommen, die Sünder zu suchen. „Muß man die suchen? Ja, die muß man suchen. Jesus kam in eine Stadt, und da war eine Sünderin. Er ging durch Jericho, und viel Volk folgte Ihm nach; aber da war nur ein Sünder, dem Heil widerfahren konnte.
Unter diesen großen Hut: „Wir sind allzumal Sünder“, stellen sich die Leute noch gern; aber sobald man persönlich wird und sagt: „Du bist der Mann!“ da hat alle Willigkeit ein Ende. Nun, solange wir keine Sünder sind, können wir nicht selig werden; denn nur Sünder macht der Heiland selig. Es fragte einmal eine Dame, ob sie denn erst recht sündigen müsse, um eine Sünderin zu werden. Ach, sie wußte nicht, daß es auch von dem besten unter den Menschenkindern heißt: „Von der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Gesundes an ihm, sondern eitel Striemen und Eiterbeulen.“
Der König Saul gab zu, daß er gesündigt habe; aber sofort entschuldigte er seine Sünde. Solange wir unsere Sünden entschuldigen, kann uns nicht geholfen werden. Bei unserm Gott ist viel
Vergebung, aber nur da, wo man seine Sünde erkennt, anerkennt und bekennt und, wo man an Menschen gesündigt hat, auch vor Menschen bekennt.
Du hast gelogen; aber du sagst: „Ich war gezwungen. Ich konnte doch nicht die Wahrheit sagen. Wie wäre das herausgekommen? Und was hätte das für Folgen gehabt?“
Allerdings hätte dich die Wahrheit in schwierige Dinge hineingebracht. Aber weißt du, wo dich die Lüge hinbringt? In den Feuerpfuhl! Denn „aller Lügner Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt.“ Unser Gott entschuldigt keine Notlüge und Die notwendigste Lebensfrage - Was muss ich tun? keine Geschäftslüge. Nicht bei Gott wird dein Teil sein, sondern bei dem Vater der Lüge.
Du hast gestohlen, und du sagst: „Ach, der ist noch reich genug, der spürt es nicht.“ Ja, der reiche Mann wird es nicht spüren; aber du wirst es in der Ewigkeit spüren als ein Brandmal in deinem Gewissen. Andere wollen ihre Diebstähle damit entschuldigen, daß sie den
Betrag in die Missionskasse oder in die Opferbüchse werfen. Aber das sind „räuberische Brandopfer“ (Jes. 61,8), die Gott, der das Recht liebt, haßt. Diese Dinge lassen viele nicht nur hier, sondern
auch in der Ewigkeit nicht zur Ruhe kommen. Der göttliche Weg ist
hier: „Wer seine Sünden bekennt und läßt, dem wird es gelingen.“
Du hast mit andern gesündigt, und du sagst: „Ich wurde verführt;
ich wurde mitgezogen. Meine Umgebung, meine Verhältnisse waren
derart, daß ich nicht anders konnte. Überhaupt kann es nicht so
schlimm sein; denn was ich tue, tut fast jeder Mensch.“ Lieber
Freund, tröstet es dich, verbessert es deine Lage, wenn du auf sinkendem Schiff dem sichern Tode entgegensehen mußt und dir sagen
kannst: Nun, es sind ja noch dreihundert andere mit mir in derselben
Lage? Sieh, wie eitel deine Entschuldigungen sind! Höre auf damit;
denn solange du dich entschuldigst, kann dir nicht vergeben werden.
Es heißt: „So wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht,
daß Er uns die Sünden vergibt.“
Aber furchtbarer als alles ist, wenn man seine Sünden damit entschuldigen will, daß man alle Festtage das heilige Abendmahl genießt und nach wie vor in seinen Sünden weiterlebt. In den vorhin
erwähnten Fällen hast du dich an Menschen versündigt, hier aber an dem heiligen Leib und Blut des Herrn. So oft du das Abendmahl genommen hast ohne Erneuerung des Herzens, ohne dein Leben Dem hinzugeben, der Sein Blut und Leben für dich gelassen, hast du es zum Gericht genommen. Setze dich einmal hin und zähle nach, wie oft du seit deiner Konfirmation am Abendmahl teilgenommen hast, ohne dein Leben wirklich zu ändern. Wisse es, du hast es jedes Mal dir zum Gericht empfangen; denn „wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet.“ (1.Kor. 11,29). Du wolltest mit diesen heiligen Dingen deine Sünden entschuldigen und hast dadurch nur Schuld auf Schuld gehäuft.

3. Man darf Buße und Bekehrung nicht aufschieben bis zur letzten Stunde.
Es sagt jemand: „Ich glaube bestimmt, daß aus hundert Bekehrungen auf dem Sterbebett neunundneunzig nichts wert sind.“ Von wie vielen unter allen Personen, deren Sterben in der Bibel erwähnt wird, lesen wir, daß sie sich in der letzten Stunde bekehrten? Von fünfzig? Nein! Vierzig? Nein! Dreißig? Nein! Zwanzig? Nein! Zehn? Nein! von einem Menschen, nur von einem, um zu zeigen, daß es eine Möglichkeit der Bekehrung in der letzten Stunde gibt, daß es
aber sehr unwahrscheinlich, furchtbar unwahrscheinlich ist! Wenn du es jemals gesehen hast, wie ein Mensch versucht, sich in der letzten Stunde zu bekehren, so hast du etwas überaus Trauriges gesehen. Von dem Augenblick an, in welchem der Mensch geboren wird, bis
zu dem letzten Augenblick gibt es dazu keinen ungünstigeren Augenblick als die Todesstunde. Da steht der Arzt mit seinen Mitteln, da steht der Rechtsanwalt mit seinem halb geschriebenen Testament, da ist die ganze bestürzte Familie, die ganze Vergangenheit steigt vor
uns auf. O, der Mensch ist ein Narr, der seine Bekehrung bis zur Todesstunde aufschiebt!
Nicht einmal bis zum nächsten Tag dürfen wir unsere Bekehrung
aufschieben. Nur das „Heute“ gehört uns, nicht das „Morgen.“ Nicht
einmal bis zur nächsten Stunde dürfen wir aufschieben. Ein treues
Kind Gottes erzählte mir vor nicht langer Zeit: In unserm Dorfe
wohnte auf einem Gut eine reiche Dame, der ich von Zeit zu Zeit
christliche Schriften brachte, sie einlud in unsere Bibelstunden und
ihr auch hie und da sagte, daß sie sich bekehren müsse. Eines Sonntagnachmittags trieb es mich innerlich, die Dame wieder zu besuchen und sie noch einmal ernstlich einzuladen. Als ich den Hof betrat, stand eine feine Karosse da mit zwei mutigen Pferden, und als ich die Treppe hinaufging, begegnete mir die Dame, bereit zum Ausfahren.
Ich lud sie wieder freundlich ein und sagte ihr unter anderem, daß sie doch auch etwas für ihre unsterbliche Seele tun müsse, wenn sie in den Himmel kommen wolle. „Ach was Himmel!“ sagte sie, und sich wendend und auf ihre Karosse deutend, fügte sie hinzu: „Sehen Sie, das ist mein Himmel!“ Mit diesen Worten ließ sie mich stehen, ging die Treppe hinunter, stieg in den Wagen und fuhr fort. Nach einigen Stunden lief die furchtbar traurige Nachricht durch unser Dorf:
Die notwendigste Lebensfrage - Was muss ich tun?
Die Gutsbesitzerin Frau H. ist tot! Sie wurde von den scheuen Pferden aus dem Wagen geworfen und an einen Stein geschleudert und wurde dort tot aufgehoben. O teurer Leser, schicke niemand weg und verachte niemand, der sich um deine unsterbliche Seele bemüht. Es
ist vielleicht ein Bote Gottes und vielleicht der letzte.
Es hat einer gesagt: Der Teufel fängt die meisten Seelen durch die
„lange Bank“, d.h. durch das Aufschieben. Die Bibel sagt: „Heute,
wie gesagt ist, heute, so ihr Seine Stimme hören werdet, so verhärtet
eure Herzen nicht.“ Die Bibel sagt: „Jetzt ist der Tag der Annahme,
jetzt ist der Tag des Heils.“ Der Teufel sagt: „Morgen ist es auch noch
Zeit; jetzt lege dieses Büchlein beiseite; schlage dir jetzt die beunruhigenden Gedanken aus dem Kopf, denke morgen darüber nach!“
Wem wirst du glauben, wem wirst du folgen?
Laß mich noch kurz sagen, was man tun muß, um selig zu werden. Nun, die Antwort ist sehr einfach. Aber gerade, weil sie so einfach ist, scheint es dem Menschen schwer zu sein, sie zu verstehen. Paulus antwortete dem Kerkermeister auf diese Frage: Glaube an den
Herrn Jesus Christus! Ganz einfach: Glaube!
Wenn man in unserer Christenheit fragt, was man tun müsse, um selig zu werden, erhält man fast durchweg die Antwort: „Man muß beten.“ Sagte Paulus dem Kerkermeister, er müsse ernstlich beten und weinen und trauern und mit lauter Stimme zu Gott rufen? Nein!
Dies alles mag in Begleitung der Bekehrung und des Glaubens sein;
aber das ist nicht glauben und nicht das, wodurch wir gerettet werden. Viele Christen wundern sich, daß dieser Heide so schnell glauben konnte. Ich denke darum, weil er in Sündennot war. Überhaupt ist in der Bibel der kurze Befehl: „Glaube!“ nur an zerbrochene und zerknirschte Herzen gerichtet. Wer nicht zerbrochen ist, kann mit dem Glauben einfach nichts anfangen. Aber laßt die Leute einmal in Sündennot kommen, dann hören sie bald auf zu sagen, glauben sei zu einfach und zu leicht. Dann braucht man ihnen auch nicht mehr zu erklären, was glauben ist, ebenso wenig wie man einem Ertrinkenden sagen muß, wie er das Rettungsseil fassen muß.

Ich predigte einmal an einem Ort, und da wurde auch eine Frau erweckt. Sie kam zu mir, und ich betete mit ihr und ermahnte sie zu glauben. Am nächsten Abend brachte man die Frau wieder mit der Bitte, ich sollte mit ihr beten. Ich sagte: „Nein, das tue ich nicht, die Frau soll glauben.“ Aber ich betete für sie. Sie brachte auch ihr Kind mit in jene Versammlung, und auch das Kind wurde erweckt und sagte am nächsten Morgen zur Mutter: „Aber Mutter, wenn wir verloren gingen! Geht das Feuer in der Hölle nie aus? Muß man da immer brennen und kann nie verbrennen?“ Die Mutter mußte dem Kind sagen: „Nein, das Feuer geht nie aus; man muß ewiglich brennen.“ Das Kind fuhr fort: „Ja, Mutter, willst du dich nicht bekehren?“
„Gewiß“, sagte die Mutter. Nach einer Stunde fragte das Kind wieder: „Mutter, bist du jetzt bekehrt?“ „Nein“, sagte die Mutter, „wenn
ich nur wüßte, wie ich es anfangen sollte!“ Eine Stunde später fragte das Kind wieder: „Mutter, bist du jetzt bekehrt?“ „Ach nein, Kind“,seufzte die Mutter. „Aber Mutter, wenn du in die Hölle kämst und müßtest brennen und könntest doch nicht verbrennen!“ sagte das
Kind. Da brach die Mutter zusammen und schrie laut: „Heiland, was
muß ich tun? Ich nehme meine Zuflucht zu Dir, Du bist für die Gottlosen gestorben und auch für mich.“ Und siehe, da zog Friede und
Ruhe in ihre Seele ein. Sie wurde in jenem Augenblick Jesu Eigentum und freut sich heute mehr denn je, daß sie es ist.
Siehe, lieber Leser, das ist Glauben, wenn man als Mühseliger und
Beladener zu Jesus kommt und aus Seiner Hand die Vergebung empfängt. Nicht vergessen sollst du deine Sünden, sondern vergeben will
sie dir Gott. Gott haßt die Sünde, aber Er liebt den Sünder. Trotzdem
der verlorene Sohn sein Gut umgebracht mit Prassen, bleibt ihm doch
das Vaterhaus offen, das Vaterherz ihm zugetan und die Vaterliebe
so brennend, daß sie dem Verlorenen entgegeneilt, sobald sie ihn umkehren sieht. Man hat mit Recht gesagt, daß der Ruf Gottes an Adam:
„Wo bist du?“ ein Ruf tiefen Schmerzes gewesen sei. Gott hat zuerst den Verlust empfunden und deshalb auch den ersten Schritt getan.
Gott hat immer den ersten Schritt getan, auch den ersten Schritt zur
Versöhnung mit uns.
„Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit Sich selbst“
Er hat Den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß uns in Ihm die Gerechtigkeit zuteil würde, die vor
Gott gilt. Denn wie wir ohne unser Dafürkönnen durch den ersten
Die notwendigste Lebensfrage - Was muss ich tun? 
Menschen, Adam, verloren gingen, so sind wir ohne unser Dazutun durch den zweiten Menschen, Christus, wieder gerettet. Wir gingen alle in der Irre, waren blind und unbekümmert um unsere Seelen, taten nichts und konnten nichts tun für ihre Rettung. Aber da trat Gott
ein. „Der Herr warf unser aller Sünde auf Ihn“ (Jes. 53,6). Gott selbst hat unsere Sünde in Seine Hand genommen und hat sie mit Seinen eigenen Händen auf Seinen Sohn geworfen. Nicht du mußt deine Sünden auf den Sohn werfen. Nein, das tat Gott (Römer 8,3).
Ein Ungläubiger las einmal Jesaja 53 und rief verwundert aus:
„Wenn das wahr ist, dann bin ich auch erlöst, und zwar von Gott selber.“ Der Ungläubige hatte mehr Licht über die Erlösung als viele, die sich Gläubige nennen. Er hat recht: wir sind erlöst, und zwar von Gott selber.
Die Vergebung ist da; sie ist ein Geschenk von Gott bereitet für jeden. Die Bibel redet von einer Vorbereitung für den Himmel, aber nicht von einer Vorbereitung, um zum Heiland zu kommen. Die einzige Vorbereitung hierzu ist, daß wir wollen versöhnt und erlöst sein. Ein Mädchen, das wegen seiner Sünden sehr beunruhigt war, fragte mich einmal: Darf ich denn so von heute auf morgen glauben an die Vergebung? Ich sagte: #ein! Die Bibel hat ein doppeltes #

Inhalt
Vorwort 005
Die notwendigste Lebensfrage - Was muß ich tun? 007
In der Schwebe 016
Komm zum Kreuz! 025
Buße, ein himmlisches Geschenk 050
Der Gnadenstrom 071
Ohne Fühlen will ich trauen! 089
Ein Überwinder von innen heraus! 097
Das Geheimnis eines siegreichen Lebens 103
Der Weg dem Lamme nach 124
Kleine Lichter auf dem Weg der Nachfolge 175
Kreuzesgemeinschaft 175
Verborgenes Leben 177
Der Glaubenskampf 179
#icht in Anfechtung fallen 181
Gebetsleben 183
Innere Erfahrungen 185
Überfließendes Leben 187
Unheiligkeiten andrer 189
Der Ausweg 191
Gesegnetes Bibellesen 193
Das Examen 195
Die Ruhe im Kreuz 197
Grundsatz des Kreuzes 199
Ein Segen sein und Segen empfangen 201
Praktische Heiligung 203
Christus – auch der Letzte 205
Sabbatruhe 207
Schritthalten mit Gott 209
Umgestaltung und Hoffnung 211
Die zuvorkommende Gnade 213
Das „Ja“ des Geistes 215
Vergebung und Reinigung 217
Führungen 219
Wer überwindet! 221
Verborgene Opfer 223
Die wiederherstellende Gnade Gottes 225
Anfechtungen 227
Reinigung und Dienst 229
Hingabe und Segen 231
Unsre Zusammengehörigkeit mit Christus 232
Der Geist der Selbstentsagung 234
Bleibt in Meiner Liebe! 236
Lebst du in der Gegenwart Gottes? 248
Eine wunderbare Begegnung 256
Alttestamentliche Vorbilder der Braut des Lammes 266
Anleitung zum segensreichen Bibellesen 301
Heilsgewißheit 323
Aus dem Nachlaß von Georg Steinberger 330
Steinbergers Leben und Wirken 364

@2012 Rudolf Kretzek

Sauer Erich, Offenbarung Gottes und Antwort des Glaubens

05/17/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Einführung: ERICH SAUER - LEBEN UND WERK

Ein ,Schatzgräber Gottes, der im Bergwerk der Heiligen Schrift auf wunderbare Schätze treffen und sie uns freilegen konnte", ist Erich Sauer einmal genannt worden. In dieses Urteil werden nicht nur diejenigen einstimmen, denen er als Freund und geistlicher Lehrer einst persönlich nahestand, sondern auch viele aus dem großen Kreis derer, die durch seine Bücher Wegweisung in die Bibel und Hilfe für ein Leben in der konsequenten Nachfolge Jesu Christi empfingen.
Das Leben Erich Sauers ist ein beredtes Zeugnis von dem, was Gottes Gnade aus einem Menschen machen kann, der sich den Wirkungen dieser Gnade ganz öffnet. Von früher Kindheit an - er wurde am 31. Dezember 1898 in Berlin geboren - war seine geistliche Entwicklung eng mit dem geistlichen Weg seiner Mutter verbunden, wie er oft dankbar bezeugte. Die Mutter hatte in die Christliche Gemeinschaft in Berlin-Hohenstaufenstraße hineingefunden, die nun auch dem Sohn zur geistlichen Heimat wurde.


Zahlreiche gesegnete Gottesmänner jener Erweckungszeit gingen in der Gemeinde ein und aus. Die im September 1905 in Berlin auf Initiative von Dr. F. W. Baedecker, Gernot v. Viebahn, Freiherr v. Thiele-Winckler u. a. Männern aus erweckten Kreisen, vornehmlich der Brüderbewegung, gegründete Bibelschule wurde im Gemeindesaal der Hohenstaufenstraße eröffnet; sie fand hier nach wenigen Wochen auch ihre ständige Heimstatt und in der Gemeinde den zu ihrer Entwicklung nötigen Rückhalt. Diese Bibelschule, 1919 nach Wiedenest verlegt, gewann zunehmende Bedeutung für die Brüdergemeinden. Darüber hinaus entwickelte sich hier ein eigengeprägtes Missionswerk und später die heute bekannte freikirchliche Ausbildungs- und Zurüstungsstätte. Der junge Erich Sauer empfing durch die Arbeit der Bibelschule nachhaltige Eindrücke. 

Die Schule machte seine Heimatgemeinde zu einem geistlichen Schnitt- und Mittelpunkt für Lehrende, Lernende und Besucher aus vielen Ländern Europas. Sie ermöglichte Begegnungen mit zahlreichen Gästen und vermittelte die verschiedensten Zeugnisse christlicher Erfahrung. Wie wir noch sehen werden, setzte ihm Gott später die Arbeit an dieser Bibelschule zur eigenen Lebensaufgabe.
Tief prägte sich dem jungen die Verkündigung der frohen Botschaft an die Kinder in der Sonntagsschule ein. Kaum vierzehnzehn Jahre alt, übergab Erich Sauer sein Leben seinem Herrn und war fortan nicht nur in der Gemeinde, sondern auch unter seinen gleichaltrigen Lern- und Spielkameraden ein eifriger Zeuge Jesu Christi, dem außer dem Versammlungsbesuch auch das Bibelstudium zum ständigen Bedürfnis wurde. Als jungem Sonntagsschiilmitarbeiter und -leiter gelang es ihm, die Zahl der kleinen Besucher innerhalb eines Jahres von 30 auf 110 zu erhöhen. Er richtete eine Jungmännerstunde in der Gemeinde ein. Schon damals spürte er die Berufung in den Dienst des Herrn, an der er auch während späterer innerer Glaubenskämpfe nie zweifelte. Nach dem Besuch des Realgymnasiums nahm er das Studium der Geschichte, der englischen Sprache und der Theologie auf, das ihm der Vater trotz geringen Einkommens unter größten Opfern ermöglichte, um die deutlich hervorgetretene Begabung des Sohnes nicht brachliegen zu lassen.

Während des Studiums durchlebte Erich Sauer eine liefe Glaubenskrise, aus der ihn aber nach manchem schweren inneren Ringen die befreiende und bleibende Einsicht führte, daß Gott nicht auf dem Wege des Verstandes und des philosophierenden Nachdenkens, sondern allein auf dem Wege lebendiger Glaubenserfahrung zu erkennen ist; daß deshalb alles auf die Gemeinschaft mit Gott im Gebet ankommt, auch wenn theoretisch nicht alle Erkenntnisprobleme gelöst sind; daß es gilt, Selbstbescheidung im Blick auf die Grenzen der Offenbarung Gottes zu üben und sich ganz unter die Autorität der Heiligen Schrift zu beugen. Diese Haltung sollte charakteristisch für das ganze spätere Forschen und Lehren Erich Sauers bleiben, wie der Leser auch bei der Lektüre der folgenden Abschnitte dieses Buches wahrnehmen wird.

In jenen Jünglingsjahren hatte Erich Sauer noch eine andere Krise zu durchleben. Sie hat die ihm einst von einem gläubigen Manne mit auf den Weg gegebene biblische Verheißung „Ich will dich mit meinen Augen leiten" in besonderer Weise zum Leitstern seines Lebens werden lassen. Schon als Kind hatte er an starker Augenschwäche gelitten, und ein bedeutender Augenarzt hatte die Eltern des Dreizehnjährigen gewarnt, den Jungen in einen Beruf zu führen, der viel Lese- und Schreibarbeit erfordern würde; er solle Gärtner werden. Nicht aus Schicksaistrotz, sondern innerer Berufung folgend, hatte der Abiturient Erich Sauer dennoch das Studium an der Berliner Universität aufgenommen. Doch schon nach zwei Semestern erlitt er einen schweren Augenzusammenbruch, der ihn an den Rand der Erblindung brachte. Ein zweiter, noch schwererer derartiger Zusammenbruch folgte im siebenten Semester. Es zeugt von der beispielhaften Energie des jungen Mannes, der nicht resignierte, sondern im Aufblick zu Gott getrost blieb und sich bewußt auf den gänzlichen Verlust der Sehkraft vorbereitete, indem er an der Berliner Blindenschule die Blindenschrift erlernte.

Daß er dann doch der ärztlichen Empfehlung folgte, durch einen Landaufenthalt den Augen Schonung zu gewähren, sollte zum großen Wendepunkt seines Lebens werden, den er stets der gnädigen Führung Gottes zugeschrieben hat. Johannes Warns, der damalige Leiter der eben verlegten Bibelschule, lud ihn zum Erholungsaufenthalt nach Wiedenest ein. Seit diesem Jahr 1920 wurde Wiedenest Erich Sauers Wirkungsstätte für fast vierzig Jahre, in denen alles so ganz anders verlief, als es die Ärzte für denkbar und tragbar gehalten hatten. Lese- und Schreibarbeit, intensives Studium und anstrengende Lehrtätigkeit, Vortrags- und Studienreisen ins In-und Ausland prägten sein unermüdliches Schaffen, bei dem ihm die anhaltende Augenschwäche viel Mühe machte, höchste Energie abverlangte und ihn täglich die absolute Abhängigkeit von Gottes Gnade empfinden ließ, aber ihn auch täglich dankbar sein ließ, daß das völlige Versagen der Sehkraft ihm erspart blieb.
Erste Buchveröffentlichungen von ihm waren schon bekannt, und viele Länder Europas hatte er schon besucht, als er nach dem Heimgang von Johannes Warns im Jahre 1937 in schwerer, notvoller Zeit die Studienleitung des Wiedenester Werkes übernahm. In all seinem weitreichenden Wirken - er war z. B. auch jahrelang geschätzter Mitarbeiter des Blankenburger Allianz-Komitees - waren ihm seine Gattin, jüngste Tochter des einstigen ersten Leiters der Bibelschule Christoph Köhler, seine Schwester und später auch seine Tochter treue, unentbehrliche Gehilfinnen. Neun Bücher aus seiner Feder erschienen zwischen 1931 und 1959, sind die Frucht angestrengter Arbeit, von den zahlreichen Aufsätzen, Konferenzbeiträgen, Gelegenheitsschriften und Reiseberichten besonders über die von ihm besuchten Länder der Bibel rund um das östliche Mittelmeer ganz zu schweigen.
In den allgemeinen evangelischen Nachschlagewerken ist der Name Erich Sauers zwar des öfteren im Zusammenhang mit der Bibelschule Wiedenest genannt, unerwähnt bleibt aber zumeist seine eigene theologische Arbeit und Leistung, die in den Büchern ihren literarischen Niederschlag gefunden haben. 

Das ist verständlich und vielleicht sogar bezeichnend, wenn man bedenkt, daß einerseits Sauers originelle Denk-, Auslegungs-und Ausdrucksweise kaum einem der klassischen theologischen Systeme und Schulmeinungen zuzuordnen oder gar einzugliedern ist und daß andererseits Sauer sich selbst nicht im landläufigen Sinne als Theologe, sondern in des Wortes echtester Bedeutung als Lehrer der Gläubigen verstanden hat.

Und er lehrte nicht theoretisch-spekulativ, nicht „objektiv" über die Sache, sondern die Sache selbst drängte ihn zum Lehren und Schreiben, zum Zeugnis, dem stets innerstes Selbst beteiigtsein abzuspüren ist. Das entspricht zugegebenermaßen nicht wissenschaftlichen Methoden der Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt oder Gegenstand. Es würde eine völlige Fehleinschätzung des Anliegens unseres Verfassers bedeuten, diese Methodik bei ihm zu suchen. Auch beim Lesen der nachfolgenden Auswahl ist es wichtig, davon auszugehen, daß wir es bei den Büchern Erich Sauers nicht mit wissenschaftlich-theologischen Werken im üblichen Sinne, auch nicht mit üblichen Kommentaren und Auslegungshilfen zu tun haben, sondern mit den Erkenntnissen und Erfahrungen eines Mannes, der sich lebenslang persönlich engagiert mit der Heiligen Schrift beschäftigte und sie dabei nicht zum Untersuchungsobjekt machte, sondern sie in ihrer Autorität als Quelle und Zeugnis der Offenbarung Gottes vorbehaltlos anerkannte und respektierte. Daß Erich Sauer dabei durchaus auch in der Theologie, Philosophie, Geschichte und Naturwissenschaft seiner Tage umfassend belesen und zu Hause war, zeigen die vielen Anmerkungen und Hinweise in seinen Büchern. Immer aber ging es ihm darum, aus der Schrift selbst zu schöpfen.

Themen, Aufbau und Sprache seiner Bücher belegen das. Tiefster Inhalt der Arbeit Erich Sauers in Schriftforschung, Lehre und literarischem Schaffen war es, dem ewigen Heils-ratschluß, dem Heilsplan Gottes von der Weltschöpfung bis zur Weltvollendung nachzusinnen und nachzugehen. Er besaß in besonderem Maße die Gabe des Durchblicks und Einblicks in die Zusammenhänge des Wortes Gottes sowie in die Kontinuität der Heilsgeschichte und das Vermögen der gedanklichen Bewältigung dessen, was solcher Zusammenschau sich öffnete. Als Illustration einige Buchtitel: „Zweck und Ziel der Menschenschöpfung", der Gang durch die alttestarnentljche Heilsgeschichte „Vom Morgenrot der Welterlösung" und die Fortsetzung dieses Ganges durch das Neue Testament 

»Der Triumph des Gekreuzigten". „Der göttliche Erlösungsplan von Ewigkeit zu Ewigkeit", „Vom Adel des Menschen", „In der Kampfbahn des Glaubens", „Gott, Menschheit, Ewigkeit", „Es geht um den ewigen Siegeskranz". Die Formulierungen atmen Weite; und ihr Pathos ist, auch wo es uns heute nicht nachvollziehbar erscheint, aufrichtig, an der Sprache der Bibel orientiert und verdient Respekt.
Sauers scharfer Blick für die Proportionen biblischer Wahrheiten bewahrte ihn davor, den einen oder anderen Teil der Schrift für das Ganze zu nehmen. Er stellte in den Vordergrund, was in den Vordergrund gehört, ging nicht vorbei an dem, was im Hintergrund steht, ließ es aber an seinem Ort und sah alles unter dem Blickpunkt der Hinführung zu der einen Mitte, zu Jesus Christus. So erwies sich Erich Sauer als ein rechter „Haushalter über Gottes Geheimnisse", als ein Mittler gesunder, gediegener biblischer Lehre.
Daß seine Werke nicht unter denen der sogenannten klassischen Theologie einrangiert sind, liegt, wie gesagt, zu einem wesentlichen Teil daran, daß sie nicht ein Beitrag zum Selbstgespräch der Theologie und der wissenschaftlichen Theologen unter sich sein wollten, sondern sich unmittelbar an den Christen wandten. Erich Sauer war sich darüber im Klaren, daß der Gemeinde - und um sie ging es ihm - nicht mit der Un-terbreitung und Erörterung theologisch-wissenschaftlicher Spezialfragen gedient war, aber er traute ihr viel zu an geist-
lichem Urteilsvermögen, an Denkkraft und geistiger Bemühung. Das Echo, das seine Bücher gerade in den Kreisen der
Freikirchen, der Gemeinschaften, der Evangelischen Allianz
bis hinein in pietistisch geprägte Kreise der Landeskirchen fand, rechtfertigte dieses Zutrauen. Schon zum Zeitpunkt sei-
nes Todes waren Sauers Bücher in einer Gesamtauflage von über 220 000 erschienen und nicht nur in die wichtigsten europäischen Sprachen, sondern auch in einige asiatische und afrikanische Sprachen übersetzt - Resonanz von einer Breite, wie sie theologischen Arbeiten nur selten zuteil wird.
Trotz zunehmender Behinderung durch die Augenschwäche und zuletzt auch durch ein Herzleiden hat Erich Sauer bis zu
seinem Heimgang rastlos im Dienst für seinen Herrn und Mei-
ster gestanden. Ein Herzanfall setzte seinem irdischen Leben am 25. Februar 1959, wenige Wochen: nach seinem 60. Ge-
burtstag, plötzlich ein Ende. Er war arn2iel der „Kampfbahn des Glaubens", in die er sein und seiner Mitchristen Leben gestellt sah und in der er sich so beispielhaft bewährt hatte. Er hatte den Satz nicht nur begriffen, sondern sein Leben lang vollzogen, den er seinen Schülern immer wieder einprägte: „Zeit ist Ewigkeit wenn wir unsere Zeit nicht an die Ewigkeit knüpfen, werden wir Egoisten und Pharisäer?'

Einführung: Erich Sauer - Leben und Werk
EIN GANG DURCH DIE ALTTESTAMENTLICHE OFFENBARUNGSGESCHICHTE
Einleitung
1. Die Grundlagen der biblischen Offenbarungsgeschichte
1. Die vorweltliche Ewigkeit
2. Die Weltschöpfung
Il. Die Uroffenbarung
III. Die vorlaufende Heilsoffenbarung
1. Der Heilsumfang des Alten Testaments
2. Der überragende Glanz des Abrahambundes
Die Bedingungslosigkeit des Heils (29),
Der Urgrund des Heils (30), 
Der Mittler des Heils (32), 
Das Ziel des Heils (33)
3. Warum gab Gott das mosaische Gesetz?
Der Zweck des Gesetzes (34), 
Der Todesweg des Gesetzes (36), 
Der Lebensweg des Gesetzes (38)
4. Das Gotteszeugnis der Prophetie
Die Propheten Gottes (43), 
Die prophetische Botschaft (45), 
Die Messiasprophetie (46)

EIN GANG DURCH DIE NEUTESTAMENTLICHE OFFENBARUNGSGESCHICHTE
I. Das Erscheinen des Erlösers
II. Das kreuz - die sieghafte Grundlage der Erlösung
III. Die Auferstehung - Voraussetzung zur
Durchführung der Erlösung
IV. Die Himmelfahrt - Ermöglichung der
ununterbrochenen Fortsetzung seines Dienstes
V. Die Ausgießung des Heiligen Geistes und ihre
Bedeutung für das göttliche Heilswirken in der Gegenwart

Vl. Die Berufung der Gemeinde als neues Gottesvolk
Das Ziel dieser Berufung (62), 
Der Beginn dieser Berufung (62),
Das „Geheimnis" der Berufung (63), 
Der Eintritt in die Berufung (64), 
Der Gnadenstand der Berufenen (64), 
Die Beziehungen zwischen Christus und seinen Berufenen (66), 
Die Berufung der Gemeinde als neue Gottesstiftung (68), 
Reichtum und Spannungen des gegenwärtigen Heils der Berufenen (69), 
Die Hoffnung der Berufenen (73)

MIT CHRISTUS LEBEN IM GLAUBEN ...• 77 
Was Gottes Volk neu braucht
1. Lasset uns aufsehen auf Jesus! Hebr. 12,1-2 ..79
2. Christus - Vorbild im Glaubenskampf, Hebr. 12,2-3 81
in unbeirrbarem Siegeswillen (82), 
als „Anfänger und Vollender des Glaubens" (82), 
als siegreicher Überwinder in zielbewußter Hoffnung (84), 
als mutmachendes, kraftgebendes Vorbild seiner Nachfolger (84)
III Der Kampf, der uns verordnet ist. Hebr. 12,1-385
Kampf, der uns „verordnet" ist (85), 
Die zum Erreichen des Zieles erforderliche Haltung (86), 
den rechten Blick auf das Ziel (89)

IV. Der Christ und das Leid, Hebr. 12,4-11..
V. Nicht müde werden! Hebr. 12,12-15...
Vl. Verschleuderte Werte, Hebr. 12,16-17..
VII. Hinhören! Gott spricht! Hebr. 12,18-29..

DIE BIBEL - DAS BUCH DER HEILSGESCHICHTE 113
Gott - der Herr der Geschichte 113
„Wort Gottes" und „Buch Gottes" 113
1. Wir glauben an eine notwendige, volle Inspiration um der absoluten Unzulänglichkeit des gefallenen Menschen willen 114
2. Wir glauben an eine folgerichtige, volle Inspiration um der inneren Beziehung zwischen Wort und Gedanke willen 118
3. Wir glauben an eine gotteswürdige, volle Inspiration um der Genauigkeit der göttlichen Naturoffenbarung willen, die auch das Winzigste in der Schöpfung sorgfältig ordnet 126
4. Wir glauben an eine harmonische, volle Inspiration um des Zusammenklangs aller Einzelbestandteile des biblischen Gesamtzeugnisses willen 127
5. Wir glauben an eine organisch sich entfaltende, volle Inspiration um der Geschichtseinheit der
von der Bibel bezeugten Heilsoffenbarung willen 129
6. Wir glauben an eine zuverlässige, volle Inspiration um der Autorität Jesu und seiner Apostel willen 140
7. Wir glauben an eine lebendige, volle Inspiration um der auch die kleinsten Bestandteile der Bibel
durchwaltenden Geisteskraft willen . . . . 147

Verzeichnis der Entwürfe zu biblischen Ansprachen . 152 
Anhang: DER HEILSPLAN GOTTES . . . .

@ 1969 R. Brockhaus

Steven Hugh, Manuel Botschafter der Totonacs

05/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das Elternhaus

Zuerst sah sie den geflochtenen Korb voll Süßbrot und den Krug mit dem Branntwein, die nebeneinander in der• Ecke standen - und dem Mädchen erstarrte beinahe das Blut in den Adern.
Totonac-Mädchen heiraten früh, im Alter von elf bis fünfzehn Jahren. Ihre Rolle als „willenlose Kinder" ist ihnen bekannt, und sie akzeptieren sie. Naht die Zeit ihrer Verheiratung, dann wissen sie, daß die Eltern den Ehemann wählen werden. Das Einverständnis zur Hochzeit wird mit dem gegenseitigen Austausch von Branntwein und Süßbrot besiegelt..
Die zwölfjährige Luz rieb sich mit den Handballen den Schlaf aus den Augen; dann rollte sie ihre Schlafmatte aus Maisstroh zusammen und legte sie in eine Ecke des Dachbodens. Danach setzte sie vorsichtig einen ihrer kleinen nackten Füße auf die oberste Leitersprosse und stieg hinunter auf den Fußboden der Lehmhütte.


„Kleine Mutter, wer ist in der Nacht gekommen und hat das Süßbrot gebracht?" fragte sie ängstlich.
Die Mutter kauerte neben dein kleinen Feuer, das in der Mitte des Raumes brannte. Geschickt formte sie die pfannkuchenartigen Tortillas und legte sie auf ein Blech, das auf drei rußgeschwärzten Steinen ruhte. Langsam kroch der Rauch unter das dicke Strohdach, wo er wie Nebel hängenblieb.
„Ach so, meine faule Tochter ist es, die so fragt", brummte sie. „Du schläfst immer über die Zeit des Hahnenschreis hinaus. Aber bald wirst du aufstehen, bevor der Hahn kräht.":
„Was willst du damit sagen, kleine Mutter?" fragte Luz beklommen. „Das Süßbrot und der Branntwein - bedeutet es, daß ich heiraten soll
Die Mutter wischte sich mit dem Handrücken die Nase, dann antwortete sie: „Ja, meine kleine Luz. Dein Onkel ist vergangene Nacht gekommen und hat uns erzählt, daß Mariano dich zur Frau wünscht."
Luz zuckte zusammen, als sie den Namen ‚Marian& hörte. Mit sechs Monaten verwaist, war er von Luz' gütigem, aber allzu weichherzigem Onkel aufgezogen worden und in fünfzehn Jahren zu einem verwöhnten, selbstsüchtigen, unerzogenen Jungen herangewachsen.
„Aber, kleine Mutter", wandte Luz ein, „ich bin doch erst zwölf Jahre alt. Ich mag Mariano nicht. Ich habe für ihn kein Gefühl in mir. Alle meine Gefühle gehören
Alejandro, ihn möchte ich heiraten." -
Luz kannte das strenge Totonac-Gesetz, das Mädchen und Jungen im heiratsfähigen Alter verbot, mehr als nur einen Gruß zu wechseln. Doch irgendwie hatte sie alle Stammes- und Familiengsetze vergessen, als Alejandro am Wasserloch auf sie gewartet und sie um einen Schluck Wasser aus ihrem Krug gebeten hatte. Als er ihr dann wilde Orchideen aus dem Wald gebracht und beim Sammeln von Feuerholz geholfen hatte, waren sie ihr vollends aus dem Gedächtnis entschwunden; ja sie hatte sich sogar schon ausgemalt, welch guter Ehemann er sein würde!
„Daß du für Mariano keine Gefühle in dir hast, ist nicht wichtig", brummte die Mutter ärgerlich. „Dein
Vater und ich sehen Mariano gern. Wir mögen Alejandro nicht. Nach Allerheiligen wirst du heiraten."
Luz' inständigen Bitten, Alejandro als ihren Ehemann zu wählen, erging es wie Wassertröpfchen auf heißen Steinen: sie vergingen wie Dampf. Ein kräftiger Schlag auf ihren feingeformten Mund ließ Luz völlig verstummen.
„Es ist eine Sünde, vor der Hochzeit mit einem Jungen zu sprechen. Erwähne davon kein Wort vor deinem Vater, sonst wirst du auf deinem Rücken das Gewicht seiner Tumpline* spüren. Geh jetzt an den Fluß und wasche das Korn; und nimm deinen kleinen Bruder mit, damit ich erfahre, ob du mit Alejandro ges&watt hast!'
Luz hob eines der von Hand behauenen Bretter hoch, die als Tür dienten, schob es beiseite und schlüpfte durch die Offnung in die kalte, vordämmrige Dunkelheit hinaus. Zwar war ihr Körper noch immer der eines Kindes, doch die Natürlichkeit und Schönheit ihrer Haltung ließen einen ungewöhnlichen Charakter vermuten. Graziös hob sie einen mit goldgelben Maiskörnern gefüllten Korb auf ihren kleinen Kopf und schlug den Weg zum Fluß ein. Der Pfad, den sie wählte, war zwar der längste, aber auch der malerischste. Man traf dort kaum einen Menschen. Von zwölfjährigen Totonac-Mädchen erwartet man, daß sie nicht weinen; es sollte daher niemand die Tränen sehen, die auf ihren Wangen glitzerten. -
Luz liebte diesen Pfad zum Fluß.' Kaum hatte man den Dschungel betreten, waren die Laute von bellenden
* Tumpline = Stirnband
Hunden, schreienden Kindern und maisstampfenden Frauen wie ausgelöscht. Hier vermischten sich die Stimmen der Nachtigallen, Kanarienvögel und Drosseln mit dem Gezwitscher buntgefiederter Papagaien und Aras und einem ganzen Orchester tropischer Vögel.
Für einen Moment vergaß Luz ihren Schmerz und verweilte, um den starken Duft der Vanille-Orchideen einzuatmen. Als sie dann den Pfad entlang ging, schien es ihr, als ob eine mächtige Hand jeden einzelnen Baumriesen in vollkommener Anordnung den Weg entlang gepflanzt habe und dann - gewissermaßen als nachträglichen Einfall - die Aste mit langen, herabhängenden Ranken bedeckt, von denen jede zusätzlich mit riesigen orangefarbenen, blauen und roten Trompetenblumen übersät war. Ober dem Träumen bemerkte sie kaum das Zerren an ihrem langen Rock.
„Unsere Mutter wird zornig sein", drängte der kleine Bruder ungeduldig. „Sie wird denken, du redest wieder mit Alejandro. Wir müssen uns beeilen. Es sind nur noch sieben Tage bis Allerheiligen. Bis dahin bleibt noch viel, zu tun.
Der Bürgermeister holte von einem staubigen Regal das dicke, braune Buch herunter und legte es auf einen mit Tintenklecksen, Kerzentropfen und Wasserringen von Limonadenflaschen übersäten rohen, hölzernen Tisch.
„Es ist recht, daß ihr dem Gesetz der Republik gehorcht und zuerst zur Ziviltrauung kommt", hob der Bürgermeister feierlich an, während er sein Stoppelkinn rieb. Er genoß es sichtlich, den Eltern von Luz, die vor dem Pult standen, seine Autorität vorführen zu können.
Ein wichtiger Platz, dieses Gemeindehaus mit seinem Lehmfußboden! Im Dorf mit den mehr als zweitausend Einwohnern war es das einzige Gebäude, in dem Papier, Tinte und eine Schreibmaschine zu finden waren. Es störte niemand, daß die Maschine kein Farbband hatte und überdies so alt war, daß sie als Museumsstück dienen konnte. Sie gehörte dem Dorf, und alle Bewohner waren stolz darauf.
Luz stand neben Mariano auf der einen Seite des Pultes. Den Kopf hielt sie gesenkt, die tiefschwarzen Augen starrten ratlos zu Boden; noch immer konnte sie nicht fassen, was ihr geschah.
Sie sah rührend aus und war - für andere Maßstäbe - überbekleidet. Ein langes, weißes Kleid reichte bis zu den Knöcheln. Die weiße Stickereibluse wurde von einer kastanienbraunen Schärpe zusammengehalten, die für ihre schmale Taille viel zu weit war. Um den schlanken Hals trug sie sechs Reihen gelber, roter, blauer und orangefarbener Glasperlen. Das schwarze Haar war in der Mitte des Kopfes gescheitelt und straff nach hinten gezogen, wo es in zwei dicken Zöpfen über ihren Rücken hing. Zusammengehalten wurden sie von dem zweifarbigen orange-gelben Band, das durch jeden der Zöpfe geflochten war. An ihren kleinen Ohren hingen trop-fenförmige, von Hand gearbeitete Silberohrringe. Ober diese ganze Pracht war ein weißer, bis zu den Knien reichender Spitzenschal gebreitet.
Marianos Bluse, Hemd und Hose waren vollkommen weiß, ebenso das Tuch, das er um seinen dicken, bron-zefarbenen Hals trug. Seine schwarze Haartracht, die knapp über den Augenbrauen begann und mit Fett in Form gebracht worden war, versuchte bereits wieder, sich ihre normale, stadhelschweinartige Erscheinung zu erkämpfen.
Nach kräftigem Räuspern fing der Bürgermeister an, Marianos zukünftige Pflichten aufzuzählen: ein eigenes Maisfeld bestellen und Geld und Obdach für die junge Frau beschaffen. Die lange Liste der Aufgaben schloß er mit der Frage an den Bräutigam, ob er Luz liebe, worauf Mariano scheu nickte. Sich an Luz wendend, verlas der Bürgermeister eine Reihe weiblicher Pflichten, die solch wichtige Punkte einschloß wie: Feuerholz sammeln, früh aufstehen, um das Maisbrot zuzubereiten und die Tortillas * nicht zu verbrennen. Als er zu der Routinefrage kam: „Liebst du Mariano?" hob Luz ihren Kopf und schaute den Bürgermeister an.
Es folgte eine lange Stille - und dann, bevor Maria-no und die Eltern wußten, was geschah, schrie Luz ein trotziges »Nein". Sie rannte aus dem Gemeindehaus den Hügel hinauf zu ihrer Hütte, um dort auf das Unabwendbare zu warten.
Schneller als sie gedacht hatte, polterte ihr Vater durch die Tür und riß die gewobene Tumpline von der Wand. Wortlos tauchte er sie in den Wasserkrug und wartete, bis die Fasern dick und schwer wurden.
Luz duckte sich in eine Ecke. Sie sagte kein Wort, nur ihre Augen flehten um Erbarmen. Beim ersten Schlag wußte sie, daß sich ihr Vater nicht mehr unter Kontrolle hatte. Schlag um Schlag sauste auf ihren schlanken Körper, und es hörte erst auf, als er außer Atem geriet. Dann war die Reihe an der Mutter, das unbarmherzige Werk fortzusetzen. Erst als auch sie ermüdete,
Tortillas = Maisbro
war die Bestrafung zu Ende. Beim Hinausgehen rief der Vater. zurück: „Wenn dich der Bürgermeister das nächste Mal fragt, ob du Mariano liebst, wirst du Ja sagen!"
Drei Tage später - Luz war kaum fähig, aufrecht zu stehen - nickte sie auf die ernste Frage des Bürgermeisters. Darauf wurden die Namen von Mariano und Luz Vasques Arenas in großer Schrift ins Zivilstandsregister des Dorfes eingetragen. Noch aber fehlte eine abschließende Zeremonie, bevor die Ehe als legal erklärt werden konnte: die feierliche Bestätigung durch den Priester.
„Liebst du Mariano?" fragte auch der Priester.
Sie hob den Kopf, um zu antworten. Die Bewegung allein genügte, ihr Schmerzen zu bereiten; und sie wußte, daß ein Leben mit Mariano dauernden Schmerz bedeuten würde. In einem letzten Versuch, ihre Eltern davon., zu überzeugen, daß sie diesen Mann nicht wollte, sagte Luz: „Nein, ich habe in mir kein Gefühl für Mariano. Ich liebe ihn nicht!" Und zum zweitenmal innerhalb von drei .Tagen rannte sie weg aus der Gegenwart einer Autorität, die nicht in Frage gestellt werden durfte.
„Mein Onkel war es, der mich rettete", erzählte sie in späteren Jahren. »Mein Vater war wütend wie ein Bulle; er schlug mich so lange, bis ich die Schläge nicht mehr spürte."
»Wenn du schon etwas schlagen mußt, dann schlag mich", tönte die Stimme des kleinen, aber stämmigen Mannes, der bewegungslos im Hütteneingang stand. Ihr Onkel war der Dorfälteste. Zwar hatte man einen Bürgermeister, der gewählt wurde, doch es war dieser unauffällige,. derbe, kleine, barfüßige Mann, der die endgültigen Entscheidungen traf.
„Ist es nicht unklug, Luz jetzt zur Heirat zu zwingen?” fragte er ruhig „Mit fünfzehn wird sie eine Frau sein wollen, und Mariano wird mit achtzehn ein besserer Ehegatte sein. Damit eure Ehe gerettet bleibt, und ihr - durch die Rückgabe der Geschenke - nicht Schande über euch bringt, sollen sie heiraten Doch behaftet Luz so lange in eurem Haus, bis sie fünfzehn Jahre alt ist.«
Es war eine ungewöhnliche. Bitte; doch sie schien den Eltern vernünftig zu sein. Sie erklärten sich damit einverstanden. An ihrem fünfzehnten Geburtstag war Luz noch immer unglücklich; da sie aber nicht fähig war, gegen den Druck der Tradition anzukämpfen, beugte sie sich.
In schneller Folge gebar Luz eine Tochter und zwei Söhne. Bei jeder Geburt assistierten Totonac-Hebammen mit ihren ungewaschenen Händen. Als die vierte Niederkunft bevorstand, war es dunkel und kalt. Es regnete. Im Innern der Hütte brannte auf dem Lehmboden ein kleines Feuer, das bei jedem Windstoß aufflackerte, der sich zwischen den Pfählen der Außenwand durchzwängte. Mariano schlief auf einer dünnen Strohmatte, die auf einer hölzernen Plattform lag. Die drei Kinder schliefen ebenfalls auf Strohmatten, doch in der Nähe des Feuers. Sie kuschelten sich eng zusammen. Neben dem Eingang hockten .drei ältere Frauen auf ihren rissigen, lederharten Fersen. Flüsternd unterhielten sie sich über ihre Erfolge als Hebammen des Dorfes.
Luz kauerte ebenfalls auf ihren Fersen, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Trotz der Außentemperatur, die um den Gefrierpunkt lag, perlten auf ihrer bronzefar-
benen Stirn große Sdiweißtropfen. Ihre kleinen Hände klammerten sich um ein Seil, das von dem Balken herunterhing, der das Strohdach stützte. Bei jedem Schmerz gab sie mit ihrem Becken den üblichen Stoß; und dann - aus einer tiefen Finsternis heraus, die einen schwarzen Schleier über ihre Augen breitete, und unter Schmerzen, die an jeder Faser ihres schmächtigen Körpers zerrten - gebar sie einen Sohn.
Jetzt kam Bewegung in die alten Frauen. Eine schnitt zwei lange Quasten von ihrem Schal und schnürte damit gewandt die Nabelschnur ab.
Eine andere hielt eine alte Machete * über das Feuer, bis die Klinge schwarz war, und trennte mit einem fachmännischen Schnitt das Kind von der Mutter.
Beim ersten Wimmern stützte Mariano sich etwas auf und fragte schlaftrunken, was es sei.
„Ein Sohn, der deine Maisfelder bearbeiten wird", gab die eine der Hebammen zur Antwort.
„0, ein Sohn! Die Götter sind gut! Er soll Leopoldo heißen." Damit zog er die dünne Wolldecke über seine Schultern und legte sich wieder schlafen.
Luz, erschöpft, aber glücklich, nahm das/Kind, und während sie sein zerknittertes Ohrchen liebkoste, flüsterte sie: „Für deinen Vater bist du Leopoldo, ich aber werde dich Manuel nennen."
*Maete = Buschmesser

@Hänssler-Verlag

Schulte Anton, Nur ein kleiner Dicker Lehr- und Wanderjahre eines Evangelisten

05/12/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

„Sind Sie derselbe Anton Schulte, den ich in einem amerikanischen Holzfällerlager kennengelernt habe?”
Statt einer Einführung
Der Sommer 1964 war noch das, was man damals unter einem Sommer verstand. In Württemberg jedenfalls waren die Julitage heiß. Auf den Fudern, südwestlich von Stuttgart, hatten wir zwei Missionszelte so zusammengebaut, daß eine Halle entstand, die etwa 2000 Menschen Platz bot. 

Die evangelische Kirchengemeinde in Ruit, die Landeskirchliche Gemeinschaft und benachbarte freikirchliche Gemeinden hatten mich zu dieser Evangelisation eingeladen. Ich war damals 39, und ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als so vielen Menschen wie nur irgend möglich zu sagen, wo die eigentliche Wurzel ihrer Lebensprobleme lag, und ihnen Mut zu machen, es auch mit diesem Jesus zu wagen.
Und an den Abenden kamen sie: mit Bussen und Privatautos, aus der ganzen Umgebung. Am Ende der 14 Tage füllten sie das Zelt bis auf den letzten Platz. Und manch einer war darunter, der schon jahrelang keine Kirche von innen gesehen hatte, der sich aber von seinem Nachbarn hatte einladen und mitnehmen lassen. Die Zahl der Menschen, die sich in diesen Tagen entschlossen, ihr Leben Jesus Christus anzuvertrauen, wuchs ständig. Und im gleichen Ausmaß stieg die Bereitschaft der Christen, sich mit dieser Zeitmission zu identifizieren. „Das ist unser Zelt und unsere Arbeit", sagten sie.
Die Tage waren angefüllt mit seelsorgerlichen Gesprächen, mit der Aufnahme von Rundfunkansprachen für unsere wöchentliche Rundfunksendung über Radio Luxemburg, und dazu kamen jene Spannungen und Kämpfe, aus denen ein Evangelist während eines solchen Einsatzes praktisch nie entlassen wird: Welche Themen sollte ich für die Abendansprachen wählen, wie ausführlich sie behandeln, welche Beispiele verwenden? Welches war in dieser Situation die geeignetste und wirksamste Weise, den Menschen die Gelegenheit zu einem seelsorgerlichen Gespräch anzubieten, um ihre Entscheidung für Christus festzumachen?
Zum Abschluß der Evangelisation - inzwischen hatten bei uns die Schulferien begonnen - kam auch meine Frau mit unseren beiden Söhnen Peter und Wilfried nach Ruit. Sie waren damals 11 und 9 Jahre alt, und wir haben immer jede Gelegenheit wahrgenommen, um als Familie zusammenzusein. Eines der großen Probleme im Leben eines Evangelisten ist ja die häufige Trennung von der Familie. Briefe und Telefongespräche können das einfach nicht wettmachen. Also hatte ich im Hospiz zwei Doppelzimmer reserviert, auf das eine Blumen, auf das andere eine große Schale mit Obst gestellt, und als Hermine dann endlieh ankam, konnten die beiden Buben kaum verstehen, daß ich nicht alle drei gleichzeitig in die Arme nehmen konnte.

Außerdem brachte mir meine Frau einen Brief mit. Ein Mann aus der Nähe von Ansbach fragte darin:
„Sind Sie derselbe Anton Schulte, den ich während der Kriegsgefangenschaft in einem amerikanischen Holzfällerlager kennengelernt habe?" Und dann fuhr er fort: „Ich kenne einen Anton Schulte, der spricht an jedem Mittwochmorgen in einer evangelistischen Sendung über Radio Luxemburg. Ich höre seine Sendungen jetzt schon viele Jahre. Aber ich habe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in amerikanischer Kriegsgefangenschaft auch einen Anton Schulte kennengelernt: in dem Holzfällerlager Red Bridge in der Nähe von Cane in Pennsylvanien. Bisher bin ich nie auf die Idee gekommen, diese beiden miteinander in Verbindung zu bringen. Aber jetzt habe ich Ihr Foto gesehen, und nun muß ich Sie doch fragen: ‚Sind Sie derselbe Anton Schulte oder nicht?'
Ich schrieb zurück: „Ich bin derselbe Anton Schulte, aber in meinem Leben hat sich vieles geändert. In einem Brief kann ich Dir das nicht erklären. Auf der Rückfahrt von der Zeitmission, die ich gerade durchführe, besuche ich Dich und erzähle Dir alles."
Am Montagmorgen, als das Zelt bereits abgebaut wurde, packte ich dann meine Familie ins Auto, und wir fuhren quer durch Schwaben in Richtung Nürnberg. Dies sollte ein freier Tag sein, an dem wir miteinander Schönes sehen und uns freuen wollten. Wir kamen an den Nordausläufern der Schwäbischen Alb mit ihren Kreidefelsen vorüber, passierten schmucke Dörfer mit ihren rotbedachten Häusern.
Dann kamen wir nach Franken. Jeder Ort, der etwas auf sich hält, weist hier einen historischen Marktbrunnen auf, der den idyllischen, von Fachwerkhäusern umgebenen Marktplatz ziert. Phantastisch Freilichttheater könnte man hier spielen, oder vor dieser Kulisse eine evangelistische Freiveranstaltung durchführen. Aber richtig, heute wollte ich mich ja ganz meiner Familie widmen.
Ich hatte meinen Überlegungen mit Mühe Einhalt geboten, da begann meine Frau zu fragen: Ob den Menschen hier das Evangeli-
8 um auch klar verkündigt worden sei, und wie es in den schmucken Städtchen und malerischen Dörfern wohl mit dem geistlichen Leben stünde.
So ist das nun mal bei Evangelisten. Auch an freien Tagen begleiten einen die Fragen, die mit Beruf und Berufüng entscheidend verknüpft sind. Auch hier ergeht es Evangelisten nicht besser als anderen Leuten. Wenn man alte Kirchen besichtigt, die darin aufgestellten Kunstwerke bewundert, dann fragt man unwillkürlich, was von dem Glauben, der die Vorfahren Dome und Kunstwerke schaffen ließ, denn bis in unsere Zeit übriggeblieben ist. Gibt es hier entschiedene Christen? Leben sie so, daß ihre Nachbarn sie nach dem Grund ihres Glaubens fragen? Wird das Evangelium so gepredigt, daß jeder eine Chance erhält, sein Leben Christus anzuvertrauen?
Schließlich erreichten wir die mittelfränkische Stadt Ansbach. Auf dem Stadttor hatte, hoch oben auf einem Wagenrad, ein Storch sein Nest. Wir fuhren hindurch und erfragten den Weg zu dem Dorf, in dem mein Kriegskamerad zusammen mit seiner Frau einen Aussiedlerhof bewirtschaftete.
Das gab ein freudiges Wiedersehen! Wir waren zwar ein paar Jahre älter geworden, aber er war im Grunde derselbe geblieben, als den ich ihn kannte. Wie vieles hatte sich dagegen bei mir verändert!
Georg Aumüller war von Jugend an ein überzeugter Christ gewesen. Auch hier gehörte er der Landeskirchlichen Gemeinschaft an. Ich hatte gedacht, wir würden uns an diesem Abend im kleinen Kreis unterhalten, aber schon kurz nach unserer Ankunft eröffnete er mir: „Weißt du, als ich im Dorf erzählte, daß du kommen würdest, mußte ich für 20.00 Uhr eine Versammlung ansetzen. Hier kennen dich viele Menschen durch deine Rundfunkvorträge. Eine Frau, die früher nichts vom Glauben wissen wollte und nie in der Kirche zu sehen war, besuchte eines Tages unsere Bibelstunde. Als sich das mehrmals wiederholte, fragten wir sie vorsichtig nach dem Grund. Da erzählte sie, daß sie deine Sendungen gehört, deinen Bibelfernkurs bestellt und durchgearbeitet habe. Daraufhin habe sie ihr Leben Christus anvertraut. ‚Und jetzt will ich auch dort hingehen, wo die Bibel gelesen wird', erklärte sie. Sie wird heute abend ebenfalls kommen und einige Nachbarn mitbringen."
Schließlich kamen sie nicht nur aus dem Ort, sondern auch aus dem Nachbardorf. Eine Diakonisse hatte sich einen Trecker geliehen und brachte eine ganze Fuhre voll Menschen mit.
Es war ein heißer Tag gewesen, und auch am Abend war es schwül. Die große Küche war voll von Menschen. Auf dem weißen

Tisch, vor dem ich saß, häuften sich die Fliegenleichen, die der Petroleumlampe zu nahe gekommen waren. Wir sangen ein Lied, ich sprach ein Dankgebet. Dann begann ich meinem Kriegskameraden und seinen Gästen zu erzählen, wie es dazu gekommen war, daß ich zwar noch derselbe Anton Schulte, aber eigentlich doch nicht mehr derselbe bin. Ich war ein anderer geworden, weil Gott mich verändert hatte.

Müllergeselle, RAD-Mann, Fallschirmjäger, Kriegsgefangener
Die Vorgeschichte
Zum erstenmal war ich Georg Aumüller im Sommer 1946 in einem der vielen Holzfällerlager begegnet, die man für deutsche Kriegsgefangene in den USA eingerichtet hatte. Im Lager „Red Bridge" befanden sich etwa 200 Männer, die zu je 50 in einer Holzbaracke untergebracht waren. An jedem Werktagmorgen, nach dem Zählappell, brachten uns LKW's in ein großes Waldgebiet. Dort wurden wir in kleine Gruppen eingeteilt, erhielten Handsägen, Äxte und Keile. Wir hatten ein bestimmtes Tagessoll zu erfüllen.
Um 17.00 Uhr fuhren wir ins Lager zurück, und um 18.00 Uhr gab es Abendessen. Anschließend konnte jeder machen, was er wollte. Die einen spielten Karten, andere wurden nicht müde, sich gegenseitig ihre „Heldentaten" zu erzählen, die sie im Krieg vollbracht haben wollten. Die meisten beteiligten sich an irgendwelchen Diskussionsgruppen. Jetzt konnte man ja wieder offen seine Meinung sagen, ohne Furcht über die unterschiedlichsten Lebensauffassungen, über politische und wirtschaftliche Zukunftsaussichten miteinander reden.
Einige Ingenieure befaßten sich mit der Frage, wie man aus dem Schutt der deutschen Städte neues Baumaterial gewinnen könnte. Andere Lagerinsassen besuchten Vorträge über amerikanische Geschichte und amerikanische Rechtskunde oder Englischkurse in verschiedenen Lehrstufen. Es gab eine Art kleine Volkshochschule im Lager. Außerdem hatte uns der CVJM eine stattliche Bibliothek zur Verfügung gestellt, in der ich mich bald heimisch fühlte.
Gelegentlich besuchten uns evangelische oder katholische Geistliche. Aber nach der Ankündigung des ersten Gottesdienstes erschienen nur drei Mann. Daraufhin ging der Pfarrer beim nächstenmal von Baracke zu Baracke und lud jeden einzeln zum Gottesdienst ein. Nun kamen zwar einige mehr, aber die meisten Kriegsgefangenen standen allem, was Staat und Kirche hieß, mit gleicher Skepsis, wenn nicht Verbitterung, gegenüber.
Ich selbst bezeichnete mich damals als Atheist. Ich wollte nicht an die Existenz eines Gottes glauben. Aber das Bekenntnis zum Atheismus entspricht ja auch einer Art Glaubensaussage; denn es setzt voraus, daß man die These, daß es keinen Gott gibt, für wahr hält. Und damit hatte ich ebenfalls meine Schwierigkeiten.

Wenns hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, Kurt Scherer

04/18/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Am 6. März 1983 feierte eine ungewöhnliche Frau ihren 84 Geburtstag Berta Isselmann, überall bekannt als »Schwester Berta«.BN8405.jpg?1681796504373

Als ich meinen ersten Brief von ihr bekam, hatte er eine interessante Anschrift: »Herrn Pastor Kurt Scherer, Firma Kraft und Sieg, 6330 Wetzlar«. Der Brief kam an. Er enthielt die Zusage des erbetenen Interviews, von dem ich ihnen heute einige Ausschnitte vorstellen möchte. ich holte Schwester Berta dann in Kreuztal-Kredenbach ab und war überrascht von ihrer Originalität. Ja, Schwester Berta ist eine »ungewöhnliche Frau« - obwohl sie das -. bestreitet. Bevor wir uns in das Gespräch einblenden, muß ich noch sagen, daß wir das interview einige Wochen vor ihrem 84. Geburtstag aufnahmen.
B. i.: Ich bin 83 und überglücklich in Jesus. So war ich aber nicht immer. Ich muß mal von mir erzählen, wie das früher war. Ich habe meine Eltern nicht gekannt. Wo ich die ersten zwei Jahre war, weiß ich auch nicht. Und dann kam ich zu Pflegeeltern. Aber ich hatte ganz andere Gedankengänge als sie. Das war schlimm mit mir! Ich liebte nur zwei Dinge: die Musik und mein Fahrrad. Als ich 13 Jahre alt war, war eine Erweckung im Dorf. Andere kamen zum Glauben, und ich geriet auch dazwischen. Und dann meinte ich: Jetzt will ich auch Jesus nachfolgen. Jetzt, meinte ich, bin ich auch Christ, jetzt bin ich ein Gotteskind. Ich kam freudestrahlend zu meinem Pflegevater. Der sagte: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.« Er sah aber keine Früchte. Nein, es war nur halb bei mir. Ich hatte wohl die Vergebung für etliche Sünden für mich angenommen, aber ich hatte mich behalten.
Die Musik wurde dann mein Beruf. In den Ferien machte ich Radtouren So war ich dreimal in Wien, m Budapest, Schweden, Dänemark, Jugoslawien. Und mein Herz, mein verbittertes, kaltes Herz blieb unverändert.
1932 war das Missionszelt in der Nähe. Jemand sagt: »Wollen wir da hinfahren?« Ja, weil es so schön mit dem Fahrrad war zu fahren, fuhr ich mit. Aber ich habe gar nichts vernommen. Ich weiß nichts, kein Wort, kein Lied habe ich behalten.
Wieder im nächsten Jahr kam ich wieder von großer Fahrt zurück. Da war das Zelt in Kreuztal. Eine, die nicht gläubig war, sagte: »Wollen wir da hin?« Ich sagte: »können wir ja; ich habe nichts vor.« Ich ging dann ms Zelt, um nicht zuzuhören. Aber schon der Bibeltext hat mich umgeworfen Die Textlesung war aus Lukas 13 - vom Feigenbaum, der keine Frucht bringt. Er wird umgehauen und ins Feuer geworfen Und dann heißt es, daß der Gärtner zum Besitzer sagt »Ich will ihn umhauen Was hindert er das Land? Er bringt ja doch keine Frucht!« Da sagt der Besitzer »Gib dir noch mal ein Jahr Mühe. Laß ihn noch dies Jahr. Und wenn er dann keine Frucht bringt, dann haue ihn danach ab.«
Als die Stelle kam, da bekam ich Angst. Oh, dachte ich, hat das voriges Jahr im Zelt Gott gesagt:. »Die hört ja gar nicht zu! Laß sie noch dies Jahr?« Jetzt ist das Jahr aber um. Ich kann ja gar nicht mehr kommen.
Ich habe Qualen ausgestanden in dem Zelt, in dem ich nicht zuhören wollte. Da hat der Herr laut, laut mit mir geredet. Dahat er mir mein schwarzes Herz gezeigt, und ich sah mich im Lichte Gottes und erschrak Und in diese Qual, in diese Not hinein, die in der Bibel auch »Buße« heißt, da hat der Heilige Geist nur Worte in Erinnerung gebracht von früher. Ich wußte plötzlich, da ich ja früher schon mal in der Bibel gelesen hatte, daß im Buch Hiob steht: »Gott ruft zweimal oder dreimal.« Da dachte ich: Als Kind damals, das war ja ein Ruf; voriges Jahr im Zelt, das war auch ein Ruf. Heute, da kann ja Gott gar nicht rufen. Ob er mich überhaupt noch mal ruft, wenn ich heut nicht komme? Ob ich jetzt „
will oder nicht, wenn ich noch Wert darauf lege, ein Gotteskind zu
werden, kann ich ja gar nicht anders.
Dann war ich innerlich sofort einverstanden. Jetzt wollte ich Frucht bringen; Ich konnte aber nicht aus dem Zelt rennen und Frucht bringen wollen, das ging doch gar nicht Und da zeigte nur der Herr Da mußt du zu deiner Pflegemutter gehen (mein Pflegevater war grad ein paar Tage vorher gestorben), und da mußt du um Verzeihung bitten und . . . Ich war mit allem einverstanden. Sie sangen im Zelt: »Es quillt für mich das teure Blut, das glaub und fasse ich. Es macht auch meinen Schaden gut, denn Jesus starb für mich.« So, dann rannte ich aus dem Zelt nach Hause und ging auf die Knie und sagte: »Herr Jesus, komm bitte heute nacht nicht wieder« - das fiel mir auch noch ein zu meinem Schrecken, daß das sein könnte - »und laß mich bitte heute nacht flieht sterben. Morgen früh will ich all die sauren Gänge machen. Ich will alles tun, was du sagst.«
Ich schlief dann ruhig ein. Am andern Morgen - ein Satz aus dem Bett Erst die sauren Gange! Erst das Schwerste, erst zu meiner Pflegemutter! Die war gerade mi Krankenhaus Vor dem Krankenhaus dachte ich Wenn ich die schwerste Krankheit hatte, das war' gar nicht schlimm, aber die Mutter um Verzeihung bitten, das ist ja furchtbar! Da gab mir der Gedanke Mut: Vielleicht wird sie gebadet! Ich bin die Treppe hinaufgegangen und klopfte an. Die Mutter rief: »Herein!« Ich war sehr, sehr verlegen. »Ich dachte, du würdest gebadet«, sagte ich. Und da sagte sie: »Ich warte auf die Badeschwester.«
Jetzt mußte ich schnell machen! Ich sagte: »Ich bin zu Jesus gekommen« Als ich den Namen Jesus ausgesprochen hatte, da verließ mich der Feind. Da konnte er mich nicht mehr hindern. Und dann sagte ich »Kannst du mir vergeben, daß ich dir das ganze Leben verbittert habe?« Ich habe meine Pflegeeltern wirklich seelisch ermordet, das sage ich immer wieder. Da sagte meine Pflegemutter: »Kannst du mir verzeihen, was ich falsch gemacht habe?«.
Ich sah nur noch ihre Liebe und meine Lieblosigkeit. Und wir haben uns vergeben Ich ahnte nicht, daß sie nach ein paar Tagen einen Hirnschlag bekommen würde. Der Teufel wußte, das ist die letzte Gelegenheit; darum wollte er mich immer hindern. Und der Herr hat in seiner Gnade diese Vergebungsstunde geschenkt.
Es war wunderbar. Ich war nun froh. Alle Bitterkeit war weg. Und grade meine Not, daß ich unerwünscht geboren war, warjetzt zu Ende. Jetzt war ich legitim hineingeboren in die Gottesfamilie; durch Jesus war Gott, die höchste Instanz der Welt, mein Vater. Und all die vielen Geschwister, die Brüder und Schwestern alle! Ach, ich war überglücklich!
Als sie die Vergangenheit bereinigt hat, fängt Berta Isselmann gleich an, missionarisch tätig zu werden. Im Nachbardorf gastiert der Zirkus Busch. Sie packt Neue Testamente ein und verteilt sie mit anderen Traktaten in den Wohnwagen.
Wohnwagen werden von da an zu ihrem besonderen Auftrag gehören, zur Weltfirma »Hecken und Zäune« in Anlehnung an das biblische Wort: »Geht an die Hecken und Zäune und nötigt sie, hereinzukommen. «
Berta Isselmann laßt keine Begegnung mit Menschen ungenutzt Ob in Bahnen und Bussen, auf Rummelplätzen, in Gaststätten, bei Bauarbeitern, bei Strafgefangenen, bei Zigeunern, bei Obdachld-sen— alle sollen die gute Nachricht hören, daß Gott sie liebt und daß Jesus für sie gestorben ist. Von 1933 bis 1945 ist sie so unterwegs. Nebenher verdient sie mit Klavierstundenunterricht ihren Lebensunterhalt.
Dann kommt sie in Verbindung mit der »Mission für.Südosteuro-pa« und arbeitet von da an mit dieser Mission zusammen.

1937 hat sie ein bedeutsames Erlebnis, das ihren weiteren Dienst—der später auch in Bibelschulen und andere theologische Ausbildungsstätten führt - prägen wird. Dort wird sie, die nie eine Ausbildung in dieser Richtung erfahren hat, zu den Studenten sprechen und sie in praktischer Theologie unterrichten.
1937 also fährt Berta Isselmann mit dem Fahrrad nach Bad Blankenburg zur Konferenz. Dort trifft sie Pastor Ernst Moder-sohn. Er ist es, der sie dazu bringt, in öffentlichen Versammlüngen zu sprechen.
B. L: Dann war Pastor Modersohn im Nachbarort, in Hilchen-bach, bei Dr. Müller - die beiden hatten mich ja eingeladen. Und da sagten sie, ich solle erzählen. Ich sagte: »Ich kann nicht reden vor Leuten. Klavierspielen vor Leuten, ja; Konzert, das geht; aber reden vor Leuten - nein, das kann ich nicht.« Und da sagte Ernst Modersohn: »Da lernt die Berta mal das Reden!« Und dann stand ich einfach auf dem Programm. »Nötigt sie, hereinzukommen!« Mir schlotterten die Knie. Aber als ich dann in das Gemeindehaus kam, in dem viele Mädchenkreise saßen, und der Pfarrer Dr. Müller saß grad vorm Pult - wie ich den sah, war ich ruhig. Ach, ich war ganz ruhig. Ohne Uhr hab ich genau geredet nach der Uhr, hab die Zeit genau eingehalten.
Und da fing es an. Da mußte ich überall reden. So hat der Herr den Pfarrer Modersohn benutzt, damit ich mehr in die Öffentlichkeit kam. Da lag mir gar nichts dran!•
Es kommt vor, daß Begegnungen mit Schwester Berta dazu führen, daß Menschen verändert werden und nun ihrerseits, als Missionare die Frohe Botschaft weitertragen Hier ein Beispiel Laci Aranyi wurde 1909 in Rumänien geboren Der plötzliche Tod seines Vaters zwang ihn, als Geiger im Kino zu spielen, um die Mutter und die Schwester zu ernähren. Später mußte er, mit dem Aufkommen des Tonfilms, auf Tournee gehen. Zuletzt war er Kapellmeister in Zürich. Dann begegnete er Schwester Berta. 

Sie erzählt über diese Begegnung während einer Bahnfahrt: B. 1.: Sitzt ein Mann mir gegenüber. Ich sehe nur Zeitung und Beine. Ich sage: »Sie lesen anscheinend gern. Kann ich Ihnen was Gutes dazu geben?« Er brummt: »Danke«, nimmt es an und stopft es in die Tasche. Ich erzähle von meinem großen Glück, daß ich Vergebung der Sünden habe. Er brummt wieder was daher. Ich sage -. es war in der Schweiz -: »Hören Sie mal, Sie sind doch kein Schweizer und auch kein Deutscher; was sind Sie denn?« »Ungar.« Ich sagte: »Das ist schön. Dann bekommen Sie von unserm Ungarnmissionar ungarische Bibeln, ungarische Traktate . . .« Da ruft er hinter der Zeitung: »Literatur habe ich genug. Mir fehlt der Anschluß.« Und dann sagte ich: »Geben Sie mir mal Ihre Adresse, Sie können schreiben.« - »Ich schreibe nicht!« Ich sagte: »Ich konnte früher ohne Musik nicht leben. Die Musik hatte mich, wie der Bau die Leute hat.« - »ich kann auch ohne Musik nicht leben«, sagte er. - »Was spielen Sie denn?« - »Geige.< - »Ich Klavier«, sagte ich. Ich sagte: »Wir beten!« Ich betete mit ihm, und dann ist er ausgestiegen. Und der Herr hat die paar Minuten genutzt, um aus diesem Mann einen Missionar zu machen. Er war Tanzkapellmeister in der schlechtesten Bar in Zürich. Und nun wird er Missionar. Wunderbar! Er sagte mir neulich noch: »Ich habe dich dahin gewünscht, wo der Pfeffer wächst. Als du kamst, im Zug, hab ich mich versteckt hinter der Zeitung. Und wie froh bin ich, daß du mich zu Jesus geführt hast!«
Ja, so geht das im Zug. Aber das ist nicht immer so.
Schwester Berta hält überwiegend nicht lange Predigten, sondern oftmals sind es sehr kurze Zeugnisse. Wenn man in ihren Taschenbüchern bzw. in den Büchern, die über sie berichten, liest, fällt auf, daß sie immer ein Wort ihres Gegenübers aufnimmt und es dann in einer gewissen Originalität verarbeitet
B. L: Da steigt ein Mann ein. Ich seh' ja schlecht - ich sehe nicht, wo sein Gesicht anfängt, aber ich dachte: So ein unglücklicher Kerl, so ein Wrack von Mann kannst du doch nicht da sitzen lassen. Geh zu ihm und gib ihm was zu lesen. »Ich kann nicht lesen.« Ich sag: »Aber lügen.« Da sagt er: »Ich bin Moslem.« Ich sag: »Das ist auch gelogen. Aber nicht gelogen ist, daß Sie sehr, sehr unglücklich sind.« - »Woher wissen Sie das? Riechen Sie das?« Ich sag: »Ich weiß es; darum bin ich zu Ihnen gekommen. Ich fahre aber nur zwei Stationen mit.« - »Wie schade!« sagt er. Da sag ich: »Ihnen fehlt der Heiland.« Da springt er auf und packt mich und schmeißt mich wieder mit aller Wucht auf meinen Platz zurück. Ein wunderbares, massives Echo! Der wird den Satz nicht mehr los.
Wunderbar! Der Satz genügte: Und der Heiland wird damit fertig. »Der Stachel sitzt«, sag ich immer. Und der Heilige Geist kann großartig mit den Stacheln umgehen. Ich verteile immer Stacheln unterwegs.
Oder: Mal wieder im Zug. Da lösen die Leute immer Kreuzworträtsel. Ich weiß nicht, ob das die Klugen machen oder ob das klug macht. Ich geh hin. Ich sag: »Das Rätsel Ihres Lebens, das Rätsel Ihres Todes können Sie nicht auf dem Papier lösen. Das Rätsel hat Jesus am Kreuz gelöst. Und wenn Sie schon lesen >Kreuz-wort-rätsel-zeitung< - welche >Kreuz<-Worte wissen Sie? >Es ist vollbracht!< haben Sie vielleicht noch behalten. Oder: >Vater, vergib Ihnen.<« Und dann wird die Kreuzworträtselzei-tung zum Traktat. Die Frau kann jetzt gar nicht mehr die Zeitung vornehmen, ohne an, Golgatha zu denken. Da steht doch »Kreuzwort. . . « So kann man überall anknüpfen.
Schwester Berta erzählt von ihren Besudhen in Gaststätten und Nachtlokalen. Und ich frage, ob es da nicht manchmal auch Ärger gibt.
B. L: Ich gehe so alle sechs Wochen in zwölf Gaststätten. Das ist schön in Gaststätten. Ich komm' rein, verteile »Blaukreuz«-
Blätter, und dann singe ich ein Lied, und dann predige ich. Ich habe in manchen Gaststätten auch gebetet. Eine Wirtin - ob sie denkt, daß ich das in allen Gaststätten tue? Neulich ging es mirmal nicht so gut, das merkte sie. Sie sagte: »Schwester Berta, machen Sie's heute ein bißchen kürzer, ein andermal wieder länger, aber beten Sie mit uns!« Das sagt die Wirtin an der Theke! Ich betete. Als ich später wiederkam, war die ganze Wirtsstube voller Männer. Ich dachte: Ob das heute hier geht? Aber nach meiner Rede war es ganz still. Wenn der Herr die Tür aufmacht, kann keiner zumachen! Wenn der Herr die Herzen hörend macht, sind sie still. Ich konnte dann auch beten. Ich fragte einen Mann an der Theke: »Haben Sie schon mal gedankt für das Blut Jesu?« Da sagte er: »Ja, eben, doch. Eben habe ich doch gedankt dafür!« Er wollte sagen: »Ich habe mitgebetet.«
• Passiert es, Schwester Berta, daß man Ihnen bei solchen Besuchen auch Ärger macht? Und wie gehen Sie mit diesem Ärger um?
B. L: Ich ärgere mich gar nicht! Ich habe keine Zeit, mich zu ärgern..
Ich bin immer unter der himmlischen Brause. Wenn ich die gereinigten, geheiligten Glaubenshände aufhalte, dann fließt der Licht-, Kraft-, Freudens- und Friedensstrom so stark; da kommt viel mehr, als ich packen kann. Und vom Überfließen leben die andern. Wer nicht überfließt, vergräbt sein Pfund. Es steht doch in Römer 5,5: »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz«, nicht »getropft«. Die Liebe fließt also unaufhörlich. Jetzt bin ich zum Beispiel auf einem schwierigen Wohnwagenplatz. Eine Frau wirft mich raus. Nach 'ner halben Stunde sucht sie mich. »Ach, Schwester Berta, ich hab eine schlechte Nachricht bekommen. Vielleicht hilft das doch, was Sie haben.« Sie weiß genau: Ich komme mit derselben Liebe. Ich kann alle Liebe verströmen, jeden Augenblick, weil immer neue fließt. Ich muß ja die Liebe von vorher, wo ich rausgeschmissen wurde, nicht nehmen. Wieder neue, immer neue Liebe für die Frau. Und sie weiß genau: Ich komme mit derselben Liebe, von oben geschenkt.
Wir müssen nur von Jesus reden und dann alles dem Herrn überlassen, alles! Ich bete immer »Alles, was ich seit meiner

Bekehrung gesagt, gesungen und geschrieben und verteilt habe, übersiehst du noch alles Und du schaifst heute noch Frucht
davon!« - -:
Schwester Berta weiß auch Rat für Menschen, die in ihrem Zeugnis für Christus durch Menschenfurcht gehindert werden
B 1 Ja, die haben den falschen Blick Sie schauen auf die Menschen »Was werden die sagen?« anstatt »Was sagt der Heiland?«. Neben Jesus schauen ist geschielt Und Schielen ist eine Krankheit Sobald ich auf Menschen blicke oder noch auf mich, da höre ich ja auf mit allem Das geht ja nicht! Ich will mich ja nicht hebmachen bei den anderen, gar nicht' Wenn die Leute umsteigen, dann denk' ich Sie können ruhig gehen Der Heiland kennt sie! Nein, das macht gar nichts, wie die Leute reagieren, ob die mich mit Teer beschmieren oder mit Wasser beschütten oder was Wasser kühlt und trocknet auch wieder. Macht doch nichts!
Ist Ihnen das schon passiert?
B. L: Och, schon allerlei ist mir passiert, allerlei! Aber, das macht doch nichts! Das gehört doch mit dazu!
Schwester Bertas Originalität hat ihre Prägung erfahren.
B. L: Ich kann eigentlich nur sagen, daß der Heilige Geist mich erzogen hat Ich hab auch nicht ein Vorbild gehabt wie man auf Leute zugeht Später habe ich mal von Hebich gelesen Da dachte ich Das ist so mein Muster, der hat sie auch unterm Tisch hervorgezogen, die Leute..Ich mach das auch'
Die Leute, denen ich diente die haben mich eigentlich mehr erzogen Die von mir lernen sollten, von denen habe ich eigentlich gelernt, wie man's macht Einmal verteilte ich Traktate Plötzlich ging's nicht mehr. Ich dachte Was ist denn los? Ich gucke drauf auf das Blatt - das hab ich ja noch gar nicht getan, was da draufsteht! Da bin ich schnell in eine Ecke gegangen, hab Buße getan, hab getan, was draufstand, und dann ging's wieder' Und so hat mich der Herr erzogen
Menschen - das ging überhaupt nicht. Die konnten mich gar nicht erziehen. Als ich die >Mission für Südosteuropa« kennenlernte, habe ich eine gesunde Kritik und Beter gewonnen. Zwei wichtige Sachen, für die ich dankbar bin das ganze Leben. Da bin ich froh darüber. Aber sonst - ich kann mich ja nach niemand richten, weil die Gelegenheiten so verschieden sind. Kann ich ja gar nicht!
Im Laufe unseres Gesprächs frage ich Schwester Berta, wie sie eigentlich mit ihren Sorgen umgehe - oder kennt sie etwa keine Sorgen? Ihre Antwort ist:
B 1 Nein, ist ein Fremdwort Ich habe eine ganze Reihe
Fremdwörter aufgeschrieben fur Christen. Sorgen Die Sor-
gen kommen, ja Es gibt zwei Sorten Die eine Sorte, die Fürsorge, die hat so ein hellblaues, fröhliches Gewand, und die huscht daher, diese Fürsorge, die einkellert für den Winter, die Fürsorge, die auch Termine macht für 1984 -wie ich schon Und die Fürsorge ist etwas Fröhliches, etwas Herrliches Aber die andere Sorte, die ein graues Nebelgewand hat, das ist Sunde Die hängt mit Angst vor der Zukunft zusammen
Wenn ich heute ein Buch hebe, bekomme ich heute die Kraft für das Buch Wenn ich morgen einen Stuhl heben soll, bekomme ich morgen die Kraft für den Stuhl Also brauche ich für morgen nicht zu sorgen.
Das ist so mit der Sorge Die Sorgen kommen und sagen zu mir »Du7irst ja nicht mit uns fertig' Aber du sollst nur das Werfen üben, sollst abhängig bleiben vom Heiland Wir tun dir nichts Du wirst nicht mit uns fertig'« Und dann j ag' ich sie alle zum Heiland!
Ich habe einen bestimmten Mann, der mir viel Kummer macht—ein Strafentlassener, der nicht nur rückfällig wurde, sondern wieder ganz abgefallen ist Und wenn mir nachts dieser Mann ins Gedächtnis kommt, dann sag ich ganz energisch zum Herrn Jesus »Herr Jesus, jetzt nimm du den Josef, ich muß schlafen?« Der Teufel will uns die Nerven kaputtmachen, und der Heiland will, daß wir ruhen Ich sag dann »Heiland, nimm du den Josef!« Fertig' Und dann schlafe ich Und immer, wenn mich etwas besonders bedrängt, sag ich »Herr Jesus, hier, das mach du,

nicht ich!« Und das ist das Wunderbare: Weil, er sich um mich kümmert, bekümmert mich nichts.
Zum Schluß frage ich Berta Isselmann: »Was würden Sie den älteren Menschen 'sagen, wenn die Lebenskräfte nachlassen und damit auch gewisse Fragen und Probleme verbunden sind?«
B. 1.: Was ich dann sage? Altsein ist schön! Die Leute wollen alle alt werden, aber nicht alt sein. Und Altsein ist so schön, wunderbar. Altsein mit Jesus!
Also, ich hab ja schlimme Augen. Jetzt war ich doch in der Klinik, 'wurde operiert (vor zwei Jahren). Das war mein Urlaub in der Augenklinik. Fünf Tage waren beide Augen zu. Das waren die schönsten Tage! Da hab ich geschwelgt im Wort Gottes. Erst ein Wort nach dem Alphabet, dann zwei, dann drei, dann fünf, dann zehn. Und wißt ihr, wo ich die meisten Worte hatte? Mit »X«! X-beliebige in Deutschland liebt Jesus. X-beliebige in Amerika liebt Jesus. Ich hatte mehr Länder als zehn. Es war großartig! Und bei »1« die vielen »Ich will« im Buch Hesekiel: »Ich 'will Wasser gießen auf das durstige Land . . Ich will das Verirrte wiederbringen.« Das gilt auch den Alten, die sieh in Selbstgerechtigkeit verirrt haben.
Und dann die vielen »Ich bin« im Johannesevangelium! Ich schwelgte nur so im Wort. Bei »F« die vielen »Fürchte dich nicht!«, aber auch »Folge mir nach!« und »Fanget die kleinen Füchse, die den Weinberg verderben«. Ich habe immer die Bibel gelesen, von vorn bis hinten, und immer Bibelstellen gelernt. Da war ich jetzt froh darüber.
Was würden Sie denn einem alten Menschen sagen, Schwester Berta, der schon mehr als einmal im Krankenhaus gelegen hat und dem das Krankenhaus zur Anfechtung wird, der sich also freuen würde, wenn er mit den Schmerzen und den damit zusammenhängenden Anfechtungen anders umzugehen lernte? Denn das kann ja bedrängen.
B. L: Ja, ich würde immer nur denken an Psalm 77,11. Ich kann nur mit Bibelstellen helfen. Sprich: »Ich muß das leiden; aber die.
Hand des Höchsten kann alles ändern.« Und wenn er das nicht ändert?
Als ich mal im Krankenhaus war und meinte, ich bliebe für immer drin, da sagte mir der Herr: »Ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends!« - »Danke schön«, sagte ich. »Du bist aber bei mir im Ofen. Dann sehe ich das Elend doch gar nicht mehr!«
Was ich anschaue, gewinnt Macht über mich. Siehe Petrus. Als er Jesus anschaute, konnte er, was Jesus kann. Als er die Welle anschaute, wurde er unruhig wie die Welle. Und die Welle hatte ihn. Wenn ich auf meine Gebrechen gucke, auf meine Wehwehchen, dann werde ich verliebt in meine Wehwehchen, und dann weiß ich nichts anderes. Hab nur meine Wehwehchen zum Thema. Aber wenn ich Schmerzein hab, dann darf ich mich ja in Jesu Anne fallen lassen.
Wenn ich krank bin, dann sage ich so: »Jetzt habe ich Privataudienz bei dir, jetzt bin ich auf deiner Intensivstation!« Und dann ist alles wieder schön. Und dann kann ich dem Arzt von Jesus sagen, kann mit dem Arzt beten, für die Kranken beten. Und dann bin ich einfach für diese Menschen da. Und schon öfter durfte ich Menschen im Krankenhaus sterben helfen. Wenn ein Christ ins Krankenhaus kommt, hat er immer Aufgaben. Nur darum wird er reingeschickt. Manchmal hat er auch stellvertretende Aufgaben, wenn er zu schwach ist oder starke Schmerzen hat. Ich hatte einwal Gürtelrose. Da hab ich gedacht: Gott 'hat mein Bein mit einer Gürtelrose gesegnet— nach der Melodie »Sein Tun ist lauter Segen«. Also danke ich für die Gürtelrose, danke für den Zucker, den ich habe, danke für die schlimmen Augen. Da kann die Kunst mich nicht mehr gefangennehmen.
Und meine ganze Theologie heißt: Ja, Vater, danke schön! Das habe ich in der Stube groß stehen. Mit der Theologie komme ich aus. Ich danke für alles.
Aber nun ist es so: Denkt nur nicht, ich danke jetzt, wenn ich Schmerzen habe, für die Schmerzen. Ich danke ja für den Segen. Denn der Segen ist immer größer als alle Not. Der Herr nimmt ja, um zu geben. Er verwundet, um zu heilen. Und er mißt mit Ewigkeitsmaßstäben. Ganz anders als wir. Da muß ich ihm eben zutrauen, daß er alles richtig macht. Er macht nichts falsch. 

Und er wird dich nicht verlassen, nichts an dir versäumen. Er versäumt auch keine Engpässe bei mir, natürlich nicht! Da bin ich immer gespannt, wie er mich rausbringt Rausbringt er mich ja
Da gibt es eine schöne Übersetzung von »Befiehl dem Herrn deine Wege« (nach Psalm 37,5) »Walze die Last deines Weges auf den Herrn, und im Vertrauen auf ihn ruhe; er wird handeln!« Er wird handehi - er wird handeln—er wird handeln! Da lege ich die Betonung auf jedes Wort. Und dann lese ich Prediger 12. Da steht ja, wie alt wir sind; wenn die Augen nicht mehr wollen, wenn die Ohren nicht mehr wollen usw. Aber mein Ruhestand ist ja unter dem Schirm des Höchsten. Psalm 91: »Wer unter dem Schirm des• Höchsten sitzt ... « Und dann kann ich sagen:
Mein Ruhestand in Jesus ist voller Lieb und Lust, mein Ruhestand in Jesus ist voller Sang und Klang, mein Ruhestand in Jesus ist früchteschwer und reich,• mein Ruhestand in Jesus ist stilles Ruhn in ihm, mein Ruhestand in Jesus ist frohes Gehn für ihn, mein Ruhestand in Jesus ist frohes Gehn zu ihm.


Literaturhinweis
Berta Isselmann/Adolf Wunderlich: Der Herr macht Programm, Brunnen-Verlag, Gießen/Basel
Berta IsselmannlAdolf Wunderlich: Das Licht der Gerechten brennt fröhlich, Brunnen-Verlag, Gießen/Basel
Auch im Alter in Seilen der Liebe
»Ich will, dich nicht verlassen noch versäumen« (Hebt 13,5).
Wenn wir Alten zurückblicken, dann erkennen wir, daß sich die Wahrheit dieses Wortes in unserem Leben erfüllt hat. Unser himmlischer Vater hat nichts in unserem Leben versäumt. Er hat uns sein Wort in die Hand gegeben und Jesus sein »Vollbracht!« für uns ausrufen lassen. Seine Liebe hat uns durchgetragen durch Freud und Leid bis zur Stunde, so daß nur noch Lob und Dank übrigbleiben.
Bei mir selbst sehe ich jedoch manche Versäumnisse, und ich, bin dankbar, -daß Jesus auch für unsere Versäumnisse gestorben ist und daß sein Blut ausreicht zur Vergebung jeder Sünde. Wichtig ist, daß wir nicht versäumen, unser Herz und Leben Jesus auszuliefern. Wir können nichts ausradieren, aber ihm alles bekennen. Und er reinigt dann unser Herz und wäscht es schneeweiß, damit es in den hellen Himmel paßt.
Er läßt uns auch im Alter in Seilen der Liebe gehen, wohl Seile und Schranken, aber Liebesschranken. Schranken sind nie zum Ärgern, sondern zum Schutz da, weil wir auch noch im Alter gefährdet sind. Tägliche Beschäftigung mit dem Wort Gottes und Zwiesprache mit Jesus helfen uns den Tag zu durchloben, ja zu
durchjubeln. ..
Wenn wir angefochten werden, versäumt der Heilige Geist nicht, uns die tröstendenYerheißungen Gottes ins Gedächtnis zu rufen. Ich stütze mich auf die Zusagen meines Vaters wie ein Lahmer auf die Krücken. Klopfen Sorgen an, schicke ich sie zum Heiland. Er ist am Kreuz schon mit ihnen fertig geworden.
Jesus schenkt Durchblick nach oben, wo alle Sünde, Nacht und Not ein Ende hat. Wir nehmen Psalm 139,5 und danken, daß er uns von allen Seiten umgibt wie ein Liebesmantel, wie eine göttliche Schutzmauer. Er versäumt nicht, uns in seiner Liebe, auf seiner Intensivstation himmlisch reich zu umsorgen; und wir wollen nicht versäumen, ihm kindlich vertrauend zu danken. In dem Wort »Vater« liegt alle Wonne des Kindseins!
Wir jauchzen mit David, der in schwerer Lage sagen konnte: »Der Herr ist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel
ISBN3-7751-0865-3

Auferstehung - Realität oder Illusion, Andreas Steinmeister

04/18/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Jesus Christus ist auferstanden! Diese historische Tatsache steht felsenfest und stützt sich aufBN0753.jpg?1681838931146 nachprüfbare Fakten.

Jesus Christus lebt! Das bezeugen die Schreiber des Neuen Testamentes, die frühen Apologeten (Verteidiger des christlichen Glaubens) und Millionen von Christen, die den Auferstandenen als ihren persönlichen Retter von Sünde und Schuld praktisch erlebt haben; das bezeugen die erhörten Gebete vieler Christen, die herrlichen Erfahrungen eines bewußten Glaubenslebens und die wunderbaren Führungen im christlichen Leben.
Doch schreibt Wilber M. Smith mit Recht: „Die Bedeutung der Auferstehung ist eine theologische Sache, aber die Tatsache der Auferstehung ist eine historische Sache; das Wesen des Auferstehungsleibes Jesu mag ein Geheimnis sein, aber die Tatsache, cfaß der Leib aus dem Grab verschwand, ist eine Angelegenheit, die nach historischer Beweisführung entschieden werden muß ... Die umfangreiche Literatur belegt, daß dieser Mensch, Jesus, eine lebendige Person, ein Mensch unter Menschen war, was immer sonst er noch war; und die Jünger, die den auferstandenen Herrn verkündigten, waren Menschen unter Menschen - Männer, die aßen, tranken, schliefen, litten, arbeiteten, starben. Was soll daran dogmatisch sein? Dies ist ein historisches Problem."

Kein Christ muß einem sacrificium intellectus (Opfer des Verstandes) anheimfallen, sondern darf im Vertrauen auf das geschriebene Wort Gottes, auf Gottes geschichtliche Urkunden, die einer historischen Untersuchung standhalten, in intellektueller Redlichkeit, in Aufrichtigkeit des Herzens und in Glaubensgewißheit seinen Weg gehen.
Der Christ trotzt jeglicher rationalistischen, materialistischen und idealistischen Philosophie,
weil er durch Gottes Geschichtsschreibung und durch die Kraft des Heiligen Geistes von der Wahrheit der Auferstehung und der Herrlichkeit des auferstandenen Christus überführt wurde;
weil er die Hohlheit, Widersprüchlichkeit und die kulturelle Bedingtheit vieler philosophischer, geschichtlicher und naturwissenschaftlicher Welterkliirungs- und Weltdeutungsversuche durchschaut hat;
weil er denjenigen kennengelernt hat, dem er alles verdankt: die Vergebung der Sünden, die Freude des Heils und die ewige Herrlichkeit bei IHM, der Seine Liebe am Kreuz unter Beweis gestellt hat.
- Die Auferstehung Jesu Christi und der Auferstehungsglaube der Christen werden immer wieder von sog. kritisch denkenden Menschen angegriffen. Dieses Buch will Antworten auf grundlegende intellektuelle Probleme in Verbindung mit dem Thema „Auferstehung' geben.
Der Verfasser hofft und betet, daß dem Leser dieses Buches die Augen über die Person des Herrn Jesus Christus aufgetan werden, der einst gesagt hat:
‚Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben' (Job 8,12).
Dank
Allen, die mir durch ihre positive Kritik, ihre inhaltlichen und stilistischen Änderungsvorschläge geholfen haben sei an dieser Stelle noch einmal recht herzlich gedankt.
Andreas Steinmeister
Einleitung
Ist die Auferstehung Jesu Christi ein geschichtliches Ereignis? Ist es wahr, daß jeder Mensch einmal auferstehen wird? Wird Gott in der Zukunft zu einem uns verborgenen Zeitpunkt jeden Menschen der je gelebt hat, zur Rechenschaft ziehen? Gibt es wirklich eine ewige Glückseligkeit in der Herrlichkeit Gottes, aber auch eine ewige Pein und Verdammnis in der Gottverlassenheit? Was geschieht eigentlich nach dem Tod?
Solche Fragen werden von vielen Menschen jeden Alters, in jeder Generation, immer wieder mit großer Skepsis gestellt. Im tiefsten Innern ist sich fast jeder Mensch der Wichtigkeit der „Auferstehungs-Frage' bewußt, doch nur wenige Personen gehen der Beantwortung dieser Frage unvoreingenommen nach Häufig übernimmt man fertige Antworten von Populärwissenschaftlern verschiedenster Richtungen die es nach landläufiger Meinung wissen müssen. Ob dieselben Meinungsbildner jedoch um ihre große Verantwortung wissen, sich ihr stellen indem sie sorgfältig genug und mit dem nötigen Ernst bei der Suche nach der Wahrheit vorgehen ist ein ganz anderes Problem.
Als Christen sind wir verpflichtet unseren Glauben zu verantworten und ihn deutlich zu bezeugen. 1. Petr 3,15 ruft uns auf:
„Seid aber jederzeit bereit zur Verantwortung gegen jeden, der Rechenschaft von euch fordert über die Hoffnung, die in euch ist
Die vorliegende ArbeWsetzt sich daher mit den unterschiedlichen Antworten auseinander, die heute gegeben werden und stellt sie den Aussagen der Bibel gegenüber. Sie ist zudem das Ergebnis verschiedener Gespräche mit Theologen Religionslehrern Schülern u.a. zum Thema „Tod und Auferstehung'. Bei solchen Gelegenheiten, ebenso wie bei Vorträgen oder Veröffentlichungen über christliche Themen, muß man immer wieder feststellen daß viele Menschen entweder dem modernen Wissenschaftsglauben huldigen oder sich von den mannigfachen Strömungen des durch östliche Philosophie beeinflußten abendländischen Irrationalismus mitziehen lassen.
Bei der Erörterung des Themas sind die wesentlichen Aspekte des mo demen kritischen Denkens bezüglich der ‚Auferstehungs-Frage' so gut wie möglich berücksichtigt worden. Natürlich konnten nicht sämtliche Problemkreise ausgiebig behandelt werden wodurch sicher manche Fragen offen bleiben werden. Auf weitere sachbezogene Literatur wird am Ende des Buches hingewiesen.

Ich habe das Thema in der folgenden Weise bearbeitet: Zunächst wird die Frage nach der ethischen Notwendigkeit einer Auferstehung der Toten erörtert. Diesem schließt sich ein geschichtlicher Teil an, der sich insbesondere mit den Zeugnissen des Neuen Testamentes und den Zeugnissen außerbiblischer Quellen zur Auferstehung Jesu Christi befaßt wie den Kirchenvätern den Geschichtsschreibern und den kirchlichen Glaubensbekenntnissen. Dann werden diese Quellen analysiert, interpretiert und beurteilt. Anschließend werden kritische Einwände der Natur-, Geschichts- und theologischen Wissenschaft beleuchtet und auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft.
Insgesamt machen wir einige überraschende Entdeckungen und stellen fest, daß die Tatsache der Auferstehung Jesu Christi nach • den zur Verfügung stehenden Zeugnissen und dem Kenntnisstand vorurteilsloser Wissenschaft eine unleugbare Tatsache ist, die den Leser schließlich vor die ganz persönliche Frage stellt, welche Konsequenzen er für sich selbst aus diesem Faktum zieht.
Unsere Zeit von der die Heilige Schrift sagt daß sie schwer bzw. „gefahrvoll" (2. Tim 3,1) ist, erlebt gewaltige geistige • Umbrüche und fordert jeden Menschen zu einer grundsätzlichen Entscheidung heraus.. Als Christen wollen Wir die Wahrheit von der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus laut und vernehmlich in die Welt hinausrufen, damit noch viele Menschen eine persönliche und heilbringende Begegnung mit dem „Retter der Welt" (Job 4,42) erleben können und Christus nicht erst als ihren Richter erfahren werden, wenn es zu spät ist.
Wenn die folgenden Seiten den Leser dazu bringen, die Tatsache der Auferstehung Jesu Christi mit dem Herzen und dem Verstand anzuerkennen und Christus als Retter von persönlicher Schuld und Sunde aufzunehmen um IHM als Herrn zu dienen dann wäre das wesentliche Anliegen dieses Buches erreicht. Es ist mein Gebet und Wunsch, daß Gott diese Arbeit segnen- möge und jeder Leser zusammen mit dem Verfasser schließlich bekennen kann: „Tatsächlich - ER ist auferstanden ER lebt mein Herr und mein Retter!
„Das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, daß, wenn dii- mit deinem Munde Jesum als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst" (Röm 10,8-9).
1. --Die . Frage« nach Tod und Auferstehung
1. Auferstehung - Realität oder Illusion?
Die Schulglocke klingelte. Endlich war der Unterricht zu Ende. Monika rannte schnell in Richtung Lehrerzimmer, um mit ihrem Lehrer noch einmal über ein Thema zu sprechen das ihr völlig unklar geblieben war. Der Lehrer, ein überzeugter Christ haue den Schülern anhand der Blütenpracht des Frühlings etwas von der Auferstehung der Toten erzählt. Monika eine sehr intelligente Schülerin, war mit Behauptungen aber nicht zufriedenzustellen. Sie suchte Beweise. Da ihr Lehrer auch das Fach Geschichte unterrichtete versuchte dieser seiner wißbegierigen Schülerin durch die Darstellung einiger historischer Tatsachen deutlich zu machen, daß der Glaube an die Auferstehung ein Glaube ist der sich auf historische Fakten stützt. Die Schülerin war nun bald bereit, den Argumenten ihres Lehrers Vertrauen entgegenzubringen und selbst weiterzuforschen.
Wie gut wäre es, wenn der moderne Mensch des 20. Jahrhunderts etwas tiefer,sorgfältiger und vorurteilsfreier über die Frage der Möglichkeit einer Auferstehung der Toten nachdenken wurde, da er sch doch seines Todes gewiß ist. Wenn in dieser Welt über vieles kaum echte Gewißheit herrscht so ist doch eines völlig sicher und eine unleugbare Erfahrungstatsache: Der Mensch muß sterben.
Man mag über das Wie, Warum Wozu und Wodurch philosophieren, aber der Sachverhalt an sich steht fest.
Gilt diese Unumgänglichkeit nur unserem Tod oder stellt sich etwa mit der gleichen Sicherheit auch die Frage nach der Auferstehung der Toten? Wenn es wahr wäre, was dann'? Wurden sich daraus nicht ganz wichtige weitere existentielle Fragen ergeben wie z.B.:
- Wer kann denn Menschen die verwest sind aus dem Staub auferwecken? Wer setzt die in alle Winde zerstreute Asche von Verbrannten wieder zusammen? Wer holt die von Menschen Vergessenen vor Jahrhunderten Gestorbenen aus den Gräbern hervor?
- Welche Kraft muß hinter einer solchen Handlung stecken hinter einem solchen Werk?
- Welchen Sinn kann eine solche Auferweckung haben?
- Welche Fruchte (gute, schlechte) tragt unser Lebensstil' dann'?
- Wird es nach der Auferstehung der Toten ein Wiedererkennen geben?

- Werden die Menschen dann einen Leib haben der dem menschlichen (irdischen) Leib den sie zeitlebens hatten gleicht?
So oder ähnlich könnten wir fragen.
Das Thema „Auferstehung der Toten" ist also wesentlich und beinhaltet eine Fülle von Konsequenzen für unser Leben. Es geht nicht um eine Gedankenspielerei, eine besondere philosophische Anschauung, es geht letztendlich um Wahrheit oder Irrtum, Leben oder Tod, Himmel oder Hölle.
Man kann sich mit Weltanschauungen, Philosophien oder irgendwelchen -ismen beschäftigen und sie gedanklich verstehen und nachvollziehen. Man kann sprachgeschichtliche Zusammenhänge begreifen und naturwissenschaftliche Erkenntnisse erfassen, ohne daraus irgendwelche Folgerungen für sich abzuleiten. Aber man kann wohl kaum aufrichtigen Herzens sagen: Die Bibel hat recht und weiterhin gleichgültig leben. Das wäre die schrecklichste Torheit, die man auf dem Erdboden begehen könnte.
2. Die Auferstehung der Toten - eine ethisch unantastbare Notwendigkeit?
Der Philosoph Erich Christian Schi-öder schreibt in seinem Buch „Abschied von der Metaphysik": „Er (der Mensch) lebt in einer Welt, in der er wohnen möchte, die ihm aber das Wohnen verwehrt, weil sie eine Welt des Vergehens, des Leidens und des Todes ist. Er kann sich in dieser Welt nicht befestigen, nicht beständigen und sichern, er bleibt der Vergänglichkeit seiner selbst und alles anderen ausgeliefert. Die Erfahrung der Vergänglichkeit läßt ihn nach Beständigkeit suchen, erweckt die Hoffnung auf ein schlechthin Beständiges, an das er sich halten kann und das ihn hält." 111
Diese Aussage weist insbesondere auf folgendes hin:
1.) Der Mensch möchte gern in dieser Welt leben, wohnen, d.h. sein eigentliches Zuhause haben.
2.) Die Beschaffenheit dieser Welt und die praktische Erfahrung der Endlichkeit, Vergänglichkeit und Unbeständigkeit aller Dinge zeigen aber dem nachdenkenden Menschen, daß er offensichtlich hier nicht sein ewiges Zuhause hat.
3.) Trotzdem herrscht in jedem Menschen dieses Sehnen nach absoluter Beständigkeit, nach ewigem Leben und. ewigem Glück. Er ist ein auf Hoffnung angelegtes und gleichzeitig auch ein zielorientiertes und
somit zukunftsbewußtes Wesen, das aus der praktischen Erfahrung einer vergänglichen Welt das innere Sehnen, .die Hoffnung auf eine bessere zukünftige Welt gewinnt.
2.1 Ist mit dem Tod alles vorbei?
Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Die führenden Politiker eines Staates, der zu den Atommächten unserer Zeit gehört, würden auf Grund eines Atomreaktorunglücks nuklear verseucht und hätten noch eine Lebenschance von höchstens zwei Jahren.
Unter dem gewaltigen psychologischen Druck des zu erwartenden Leidens und des Todes kämen sie auf die wahnsinnige Idee, die Welt mit Atombomben zu zerstören. Und sie könnten durch keine menschliche. Macht daran gehindert werden. Also würden sie auf alle Kontinente Atomraketen abschießen, so daß es letzten Endes nur wenige Oberlebende gäbe - wenn überhaupt.
Was empfindet man beim Lesen dieser utopischen Vorstellung? Das wäre Wahnsinn, Völkermord, ja, Mord an der ganzen menschlichen Rasse. Aber; man staune: Die verantwortlichen Politiker setzen ihrem Leben und damit - wie sie glauben - ihrer Verantwortlichkeit ein Ende. Sie rechtfertigen ihren Freitod mit der Begründung, daß sie ohnehin nur noch kurze Zeit dahinsiechen würden. Mit ihrem Selbstmord wäre doch schließlich alles vorbei.
So haben wohl auch Adolf Hitler und viele andere mit ihm gedacht. Auch Kriminelle, die sich einem gerichtlichen Urteil entziehen wollen, wählen den Freitod und meinen, sich dadurch für immer der Verantwortung für ihre Taten entziehen zu können. - Doch ist mit dem Tod wirklich alles vorbei?
2.2 Was sagt die Forschung über den Tod?
Untersuchungsergebnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen geben uns heute einige konkrete Hinweise:
2.2.1 Die Thanatologie (Sterbeforschung)
Dieses fächerübergreifende Forschungsgebiet befaßt sich mit den Vorgängen des Sterbens und des Todes.
In der medizinischen Forschung unterscheidet man z.B.:
Inhaltsverzeichnis

Vorwort 9
Einleitung
1. Die Frage nach Tod und Auferstehung 13
@ 1989 by A. Steinmeister
Umschlaggestaltung: D. Orten, Bergneustadt Satz: Typo Schröder, Dernbach Druck und Bindung: Ebner Ulm
SBN 3-87857-243-3
1. Auferstehung - Realität oder Illusion? 13
2. Die Auferstehung der Toten - eine ethisch unantastbare Notwendigkeit?  14
2.1 Ist mit dem Tod alles vorbei? 15
2.2 Was sagt die Forschung über den Tod? 15
2.2.1 Die Thanatologie (Sterbeforschung) 15
2.2.2 Die Parapsychologie 18
2.2.3 Gehirnchirurgie und Neurophysiologie. 19
2.3 Philosophische Erklärungsversuche 20
2.4 ... und die Religionen? 23
3. Auferstehung ist ethisch unentbehrlich 24
II. Auf den Spuren der Auferstehung Jesu Christi 27
1. Warum glauben Christen an Seine Auferstehung? . . . 27
1.1 Ohne Vertrauen in historische Dokumente kein Kennenlernen historischer Ereignisse 27
1.2 Der neutestamentliche Kanon - ein historisch glaubwürdiges Zeugnis 29
1.3 Neutestamentliche Handschriften und Zitate bei den Kirchenvätern 32
1.4 Wichtige Schlußfolgerungen 35
2. Auferstehung Jesu - eine historische Wirklichkeit? 37
2.1 Die Quellensammlung 38
2.1.1 Über die Auferstehung Jesu Christi wissen wir nahezu ausschließlich durch die Schriften des Neuen Testamentes . . . . 38
2.1.2 Die Kirchenväter über die Auferstehung Jesu Christi 39
2.1.3 Die Geschichtsschreiber über die Auferstehung Jesu Christi 44
2.2 Die Quellenanalyse . 45
2.3 Die Interpretation der Quellen
2.4 Die Quellenbeurteilung 48
3. Das Zeugnis der vier Evangelien 48
3.1 Der Bericht des Zöllners Matthäus 48
3.2 Der Bericht des Markus 50
3.3 Der Bericht des Arztes Lukas 51
3.4 Der Bericht des Johannes 54
3.5 Vier bemerkenswerte Tatsachen 55
3.6 Die Chronologie der Auferstehung Jesu 57
4. Das Auferstehungszeugnis des Lukas in Apg 1,1-14 60
5. Das Auferstehungszeugnis des Paulus in 1. Kor 15,3-8 . . . 62
6. Die Erscheinungen des Herrn nach Seiner Auferstehung . . 63
6.1 ... und das kraftvolle Zeugnis der Jünger  64
7. Die Bekenntnisse der Kirche zur Auferstehung Jesu Christi 66
8. Die Auferstehungsprophetie des Alten Testamentes über Jesus Christus 69
9. Die Auferstehungshoffnung und -prophetie im Alten Testament 71
10. Christus prophezeit Seine eigene Auferstehung 73
11. Die Verkündigung der Auferstehung Jesu Christi in der Frühkirche nach dem Bericht von Lukas 77
11.1 Woher hatte Lukas seine Kenntnis? 78
12. ... und so bleiben Seine Spuren unauslöschlich'   80
III. Einwände gegen eine leibhaftige Auferstehung 82
1. Aber es ist doch bewiesen, daß     82 1.1 Totenauferstehung - Was sagt die Naturwissenschaft? 84
1.2 Totenauferstehung - Was sagt die Geschichtswissenschaft? 87
1.2.1 Voraussetzungen ihrer Forschung - Freiraum und Grenzen 87
1.2.2 Bemerkenswerte Tatsachen: Von Zweifeln zur Gewißheit 89
1.2.3 Unwiderlegbare historische und soziologische Aspekte 91
1.2.4 Grundlagen und Aspekte der geschichtlichen Interpretation „erstaunlicher" Ereignisse     92
1.2.5 Aspekte und Bedingungen zum Verstehen einmaliger Ereignisse wie der Auferstehung Jesu 93
2. Totenauferstehung - Die Fehler in der theologischen Forschung 96
2.1 Stellt sie sich den „heilsgeschichtlichen" Aussagen der Zeugnisse? 96
2.2 Überführt durch Fakten und dem historischen Zeugnis der biblischen Schriften 98
2.3 Christus ist erschienen - leibhaftig oder geistig? 103
2.4 Christus - im Kerygma auferstanden? 104
2.5 Keine Zeugen der leibhaftigen Auferstehung? 107
IV. Auferstehung und die Rechtsansprüche Gottes an die Menschen 111
1. Was bedeutet die Auferstehung Jesu Christi für den Menschen? 111
1.1 Auferstehung zum Urteilsspruch Gottes 111
1.2 Christus als Richter der Welt 114
1.3 In welchem Zustand sind die gottlosen Toten? 115
1.4 Wen wird Christus richten? 116
1.5 Wann und wie wird das Gericht vollzogen? - 117
1.6 Der Zustand nach dem Gericht - Der zweite Tod 118
1.7 Wie wollen Sie Christus begegnen? 119
2. Die Bedeutung der Auferstehung für den Christen: Die christliche Hoffnung 122
2.1 Die Auferweckungs- und Verwandlungs-Kraft des Heiligen Geistes 122
2.2 Der Christ und das Paradies 123
2.3 Die Verwandlung des Leibes in einen Herrlichkeitsleib 127
2.3.1 Die Verwandlungskraft in der Schöpfung durch den Tod 128
2.3.2 Der Charakter des Herrlichkeits!eibes des zweiten (neuen) Menschen 129
2.3.3 Die Verwandlung der lebenden Gläubigen bei der Entrückung 131
2.4 Der Richterstuhl des Christus 133
2.4.1 Das Offenbarwerden der Gläubigen vor Christus 133
2.4.2 Einst Knechte - dann Könige 135
2.4.3 Der Tag Jesu Christi 137
3. Was geschieht mit den Toten, die zu Lebzeiten nie das Evangelium gehört haben? 139
3.1 Wonach beurteilt Gott die Menschen, die vor Christus lebten, das Alte Testament nicht kannten und das Evangelium nicht kennen konnten? 140
3.2 Wonach beurteilt Gott die Menschen, die während der Zeit des Christentums das Evangelium nicht gehört haben?
3.3 Gott kennt die Gottesfürchtigen aus allen Völkern
V. Ein letztes Wort - eine dringende Bitte
Literaturverzeichnis

Psalm 4 Aus der Schatzkammer Davids 3, C H Spurgeon

04/14/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Psalm 4BN2578.jpg?1681475551018

1 Ein Psalm Davids, vorzusingen, auf Saitenspiel. 2 Ei-höre mich, wenn ich rufe, Gott meiner Gerechtigkeit, der du mich tröstest in Angst; sei mir gnädig und erhöre mein Gebet! 3 Liebe Herren, wie lange soll meine Ehre geschändet werden? Wie habt ihr das Eitle so lieb und die Lüge so gern! (Bela)
Erkennet doch, daß der Herr seine Heiligen wunderbar führt; der Herr hört, wenn ich ihn anrufe. 5 Zürnet ihr, so sündiget nicht. Redet mit eurem Herzen auf eurem Lager und harret. (Bela) 6 Opfert Gerechtigkeit und hoffet auf den Herrn. 7 Viele sagen: „Wer wird uns Gutes sehen lassen?" Aber, Herr, erhebe über uns das Licht deines Antlitzes! 8 Du er= freuest mein Herz, ob jene gleich viel. Wein und Korn haben. g Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr, hilfst mir, daß ich sicher wohne.
Wir können diesem Psalm die Überschrift geben: Abendlied. Mögen die köstlichen Worte in Vers 9 immer unser Abendlied sein, wenn wir uns zur Ruhe legen.
Die textgenaue Überschrift lautet: „Ein Psalm Davids, dem Musikmeister auf Saitenspiel." Der Musikmeister war der Leiter aller musikalischen Darbietungen im Heiligtum. Man vergleiche dazu i. Chron. 6, 31 f., 1. Chron. 15, 16-22 und 1. Chron. 25, 1-7. Freunde sakraler Musik finden in diesen Abschnitten viel Interessantes darüber, wie Gott im Tempel gelobt wurde. Die Titel mancher Psalmen sind zweifellos von den Namen berühmter Sänger bestimmt, die auch die Musik dazu komponierten.
„Auf Saitenspiel". Es handelt sich um Saiten= oder Handinstru= mente, die ausschließlich mit der Hand gespielt wurden wie Harfen und Zimbeln. Die Freude der jüdischen Gemeinde war so groß; daß die Israeliten der Musik bedurften, um dem Hoch= gefühl ihrer Seele Ausdruck geben zu können. Unsere heilige Fröhlichkeit fließt nicht weniger über, wenn wir es auch vorziehen, sie auf geistlichere Weise auszudrücken. Anspielend auf diese Instrumente, die mit der Hand gespielt werden, sagt Gregor von Nazianz, der Kirchenvater (gest. um 390 11. Chr.): „Herr, ich bin ein Instrument, das auf die Berührung deiner Hand wartet." Laßt uns offen sein für die Berührung durch den Heiligen Geist, so werden wir zum Klingen kommen. Mögen wir erfüllt sein von Glauben und Liebe, so werden wir lebendige Musikinstrumente sein.
Einteilung: David betet um die Hilfe Gottes (Vers 2); er redet mit seinen Feinden (Verse 3-6); er vergleicht seine Zufriedenheit
ufrieden=heit und Sicherheit mit der Unruhe der Gottlosen (Verse 7—). Der Psalm ist eine köstliche Blume im Garten der Trübsal. Wie gut für uns, daß David durch viele Verfolgungen so tiefe geistliche Erfahrungen gesammelt hat, sonst hätten wir diese herr=lichen Glaubenslieder nie zu Ohren bekommen.
AUSLEGUNG
V. 2 David hat in seinem Leben oft die Barmherzigkeit Got= tes erfahren. Das macht ihn gewiß, daß Gott auch jetzt in der gegenwärtigen Not seine Hilfe erweisen wird. Es ist undenk= bar, daß Gott uns aus sechs Trübsalen errettet, um uns in der siebten im Stich zu lassen. Gott macht keine halben Sachen. Er wird nicht aufhören, uns zu helfen, bis unsere Not aufhört. Das Manna soll jeden Morgen vom Himmel fallen, bis wir über den Jordan gekommen sind (2. Mose 16, 35). Beachte, daß David zuerst zu Gott spricht und dann zu Menschen Sicherlich würden wir den Menschen gegenüber kühner und freier sein, wenn unsere Gemeinschaft mit Gott beständiger wäre. Wer es wagt, dem Schöpfer ins Angesicht zu schauen, wird vor den Geschöpfen nicht zittern.
Der Name, mit dem der Herr hier angeredet wird, verdient besondere Beachtung. Er wird sonst nirgends in der Bibel gebraucht." Gott meiner Gerechtigkeit." David will sagen: Du, Gott, bist der Urheber, der Erhalter, der Richter, der Belohner meiner Gerechtigkeit; unter den vielen Anschuldigungen und harten Urteilen der Menschen berufe ich mich auf dich. Das ist Weisheit, die wir nachahmen sollten. Laßt uns unsere Angelegenheiten nicht vor die niedrigen Gerichtshöfe menschlicher Meinungen bringen. 

Wir wollen sie dem höchsten Gerichtshof vorlegen: dem königlichen Gericht des Himmels; „Der du mich tröstest in der Angst." (Elberfelder Übersetzung: „In Bedrängnis hast du mir Raum gemacht.') Das Bild stammt aus dem militärischen Bereich. Eine Armee ist in einer Falle eingeschlossen und wird von allen Seiten durch den Feind hart bedrängt Gott hat die Felsen zerschmettert und mir Raum geschaffen; er hat die Schranken niedergebrochen und mich in die Weite geführt. Gott hat mein Herz weit gemacht mit Freude und Trost, als ich- ein Gefangener meiner Schmerzen und Sor= gen war. Bei Gott mangelt es nie an Trost. „Sei mir gnädig." Gerechterweise könntest du meinen Feinden erlauben, mich zu vernichten, weil ich viele und schwere Sünden begangen habe. Aber ich nehme meine Zuflucht zu deiner Gnade und bitte dich: Erhöre mein Gebet und führe deinen Knecht aus allen Trübsalen heraus. Die besten Menschen brauchen genauso• Gnade wie die schlechtesten. Was die Gläubigen an Gottes Hilfe erfahren, ist ebenso freie Gabe der himmlischen Gnade wie die Begnadigung von Sündern.

V. 3 „Liebe Herren, wie lange soll meine Ehre geschändet werden? Wie habt ihr das Eitle so lieb und die Lüge so gern! (Sela)" In diesem zweiten Teil des Psalms werden wir aus der Gebetskammer auf den Kampfplatz geführt. Wie unerschrok= ken und mutig ist der Mann Gottes! Er gibt zu, daß seine Feinde große Männer sind, aber er hält sie trotzdem für Toren und tadelt sie, als wären sie Weine Kinder. Er sagt ihnen offen, daß sie die Eitelkeit lieben, nach Lügen suchen, trügerischen Einbildungen zum Opfer fallen und böse Machenschaften pfle=gen. Er fragt sie, wie lange sie noch seine Ehre schänden und seinen guten Ruf zum Gespött machen wollen. Nur ein wenig von solcher Gemeinheit ist schon zuviel, warum machen sie immer weiter und schwelgen geradezu darin? Müßten sie nicht längst wissen, daß der Gesalbte des Herrn durch solche Schmä= hungen nicht überwunden werden kann? Sind ihre Bemühun=gen nicht immer wieder zunichte geworden? Wollen sie scher= zen, bis ihre Seele in die Hölle fährt, und so lange weiterlachen, bis überraschende Vergeltung ihr Gelächter in Heulen verwandelt? Der Psalmist fügt nun ein „Sela" ein und macht eine feierliche Pause. -Auch wir sollten hier etwas verweilen und darüber nachdenken, wie tief die Torheit in bösen Menschen wurzelt; wie sie in ihrer Bosheit beharren und schließlich darin untergehen. Wir beten die Gnade Gottes an, die uns zu ande= ren Menschen gemacht hat; die uns gelehrt hat, die Wahrheit zu lieben und die Gerechtigkeit zu suchen.

V. 4 „Erkennet doch, daß der Herr seine Heiligen wunderbar führt; der Herr hört, wenn ich ihn anrufe." (Elberfelder Oben. setzung: „Erkennet doch, daß der Herr den Frommen für sich abgesondert hat! Der Herr wird hören, wenn ich zu ihm rufe.") „Erkennet doch." Toren wollen nicht lernen. Deshalb muß ihnen immer und immer wieder dasselbe gesagt werden, be= sonders dann, wenn es eine so bittere Wahrheit für sie ist: Die Frommen sind von Gott erwählt und durch die Gnade von der Welt abgesondert. Ungläubige Menschen können die Lehre von der Erwählung nicht ertragen; aber sie ist eine herrliche und gut bezeugte Wahrheit, die einen angefochtenen Gläubi= gen wirklich trösten kann. In der Erwählung liegt die Garantie für eine vollständige Errettung und für die Erhörung am Thron der Gnade. Der uns für sich erwählt hat, wird ganz gewiß auch unsere Gebete hören. Die Erwählten des Herrn werden nicht verurteilt und verdammt. Ihr Schreien soll nicht ungehört ver= hallen. David war König durch göttliche Verordnung, und wir sind das Volk des Herrn durch göttliche Verordnung. Wir wollen unseren Feinden mutig ins Gesicht sagen, daß sie gegen Gott und seinen Willen kämpfen, wenn sie uns ins Verderben stürzen wollen; Wenn wir auf den Knien liegen und beten, wollen wir daran denken, daß wir abgesondert sind als Gottes eigener, kostbarer Schatz. Das wird uns neuen Mut geben und uns mit Kraft und Glauben erfüllen. „Sollte Gott nicht retten seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen?" (Luk. iS, 7). Weil er uns erwählt hat und uns liebt, kann er nicht anders, als uns auch zu erhören.

V.5 „Zürnet ihr, so sündiget nicht. Redet mit eurem Herzen auf eurem Lager und harret. (Sehr)" (Elberfelder Übersetzung: „Zittert, und sündiget nicht! Denket nach in eurem Herzen auf eurem Lager, und seid stille! Sela.") „Zittert, und sündiget nicht." Wie viele drehen dieses Wort um und sündigen, aber zittern nicht! Wenn die Menschen doch diesen Rat annehmen würden und mit ihrem eigenen Herzen redeten! Ganz bestimmt ist reine Gedankenlosigkeit e i n Grund dafür, daß Menschen so wahnwitzig sind, Christus zu verachten und das Heil von sich zu stoßen. Wenn ihre Leidenschaften nur einmal zur Ruhe kommen würden, damit sie innerlich gesammelt über ihr ver=-gangenes
ergangenes Leben und ihren kommenden Untergang nachdenken könnten! Ein denkender Mensch müßte doch genug Versstand besitzen, um die Torheit und Wertlosigkeit der Sünde einzusehen. Sünder, bleib stehen, bevor du den letzten Schrift tust! Lege dich auf dein Lager und überdenke dein Leben. Wirf deine Seele nicht weg für nichts. Laß die Vernunft zu Wort kommen. Laß die lärmende Welt eine Weile zurück und laß deine arme Seele mit dir reden. Besinne dich, bevor du dein Schicksal besiegelst und für immer ein ruinierter Mann bist! Se1a." Sünder, halte einen Augenblick stille und denke nach!

V. 6 „Opfert Gerechtigkeit und hoffet auf den Herrn." Wenn die Empörer auf die Mahnung des letzten Verses gehört hätten, würden sie jetzt rufen: „Was sollen wir tun, um gerettet zu werden?" Sie werden auf das Opfer gewiesen und ermuntert, ihr Vertrauen auf den Herrn zu setzen. Wenn der Israelit ein Opfer in rechter Weise darbrachte, war es ein Sinnbild für den Erlöser, das großartige Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt sühnt. So liegt in dieser Mahnung des Psalmisten das ganze Evangelium. Sünder, nimm deine Zuflucht zu dem Opfer von Golgatha und setze dein ganzes Vertrauen darauf; der dort für uns Menschen starb, ist der Herr, Gott selbst.

V 7. „Viele sagen: ‚Wer wird uns Gutes sehen lassen?' Aber,
Herr, erhebe über uns das Licht deines Antlitzes!" Wir kom= men hier zu dem dritten Teil des Psalms. Der Glaube des An= gefochtenen findet seinen Ausdruck in Äußerungen der Zu= friedenheit und des Friedens.
Sogar unter Davids Anhängern gab es viele, die lieber sehen als glauben wollten. Das liegt uns leider allen! Selbst der wiet dergeborene Gläubige sehnt sich manchmal nach sichtbaren Zeichen der Güte Gottes in Wohlstand und Glück und ist traurig, wenn die Dunkelheit alles Gute verhüllt. Für Weltmenschen aber ist das eine ständige Frage:,, Wer wird uns Gutes sehen lassen?" Niemals sind sie zufrieden; ihre hungrigen Mäuler wenden sich nach allen Seiten; ihre leeren Herzen sind bereit, jede angenehme Täuschung in sich aufzunehmen, die Betrüger erfinden können. Wenn alles versagt, überlassen sie sich schnell dem Zweifel und erklären, daß es überhaupt nichts Gutes gibt, weder im Himmel noch auf der Erde. Der echte Gläubige jedoch ist ein Mensch ganz anderer Prägung. Sein Angesicht ist nicht nach unten gerichtet wie das eines Tieres, sondern nach oben wie das eines Engels. Er trinkt nicht von den schmutzigen Pfützen des Mammons, sondern von der Quelle des ewigen Lebens. Das Licht von Gottes Angesicht ist genug für ihn. Das ist sein Reichtum, seine Ehre; seine Gesundheit, sein Ehrgeiz und seine Freude. Wenn er das hat, will er nichts anderes mehr. Ach, daß der Heilige Geist noch völliger in uns wohne und unsere Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus noch fester werde!

V. 8 „Du erfreuest mein Herz, ob jene gleich viel Wein und Korn haben' (Elberfelder Übersetzung: „Du hast Freude in mein Herz gegeben, mehr als zur Zeit, da ihres Korns und ihres Weins viel war.") jemand hat gesagt: „Es ist besser, eine Stunde lang Gottes Gnade im bußfertigen Herzen zu spüren, als ein Leben lang im wärmsten Sonnenschein zu sitzen, den diese Welt bieten kann." Christus im Herzen ist besser als Korn in der Scheune oder Wein im Faß. „Du bist bei mir" ist ein besseres Lied als der Gesang der Schnitter: „Ente einge=bracht!" Meine Scheune mag leer sein, aber ich bin erfüllt von reichem Segen in Jesus Christus. Ich wäre arm ohne ihn, auch wenn ich die ganze Welt besäße.
V. q „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr, hilfst mir, daß ich sicher wohne.":Liebliches Abendlied! Ich werde nicht aufbleiben und aus Furcht Wache halten, son= dem mich niederlegen. Ich werde nicht wachbleiben und ängst= lich auf jedes Geräusch achten; sondern mit Frieden liegen und schlafen, denn ich habe mich vor nichts zu fürchten. Wer die Flügel Gottes über sich hat, braucht keinen anderen Schutz. Bewaffnete Wächter bewachten das -Bett Salomos, aber ganz
bestimmt hatte er- keinen gesünderen Schlaf als sein Vater David, der auf hartem Felsen liegen mußte und von blutdürstigen Feinden verfolgt wurde. Achte auf das Wörtchen „allein"; es bedeutet, daß nur Gott Davids Beschützer war. Wenn David auch allein war, ohne menschlichen Schutz, befand er sich doch in guter Obhut, denn er war allein mit Gott. Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. Wie viele schlaflose Stunden haben wir deshalb, weil wir uns in einer ungläubigen und ungeordneten Gemütsverfassung befinden! Tief und fest schlafen diejenigen, die der Glaube in den Schlaf wiegt. Kein Kissen ist so weich wie eine göttliche Verheißung, keine Decke so warm wie die Geborgenheit in Christus.
0 Herr, gib - uns dieses tiefe Ruhen in dir, daß wir uns wie David im Frieden niederlegen und jede Nacht schlafen kön= nen, solange wir leben. Und wenn die Zeit für uns gekommen ist, wollen wir in Frieden sterben, um in Gott zu ruhen.

ERLÄUTERUNGEN
V. 3 Wir können uns gut vorstellen, daß der Herr Jesus selbst an einem Abend diesen Psalm Wort für Wort betete, als er sich nach vergeblichen Gesprächen aus dem Tempel zu seiner Ruhestätte nach Bethanien zurück7og. Und wir können ihn immer noch als einen Ausdruck seines Herzens lesen, das sich nach dem Heil der Menschen sehnt und sich in seinem Gott freut. - Andrew Bonar.
Wer Sünde liebt, liebt die Eitelkeit, hascht nach Seifenblasen, hält sich an einem Strohhalm fest und vertraut auf ein Spinn= gewebe. -
Als Gelimer, der letzte König der Vandalen, von dem römischen Feldherrn Belisar als Gefangener im Triumphzug herum= geführt wurde, rief er aus: „Eitelkeit über Eitelkeit, es ist alles ganz eitel!' - Thomas Brooks.

V. 4 Erkennet doch, daß der Herr den Frommen für sich ab= gesondert hat" (Elberfelder Übersetzung). Wenn Gott einen Menschen erwählt, dann erwählt er ihn für sich selbst. Er will mit dem Menschen Gemeinschaft haben, ihn sich zum Freund und Begleiter machen und seine Freude an ihm haben. Aber nur Heiligkeit macht es möglich, daß wir mit dem heiligen Gott leben.,, Ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen" (Hebr. 12, 14). Das ist Gottes Ziel mit uns. - Thomas Goodwin.

V.5 Wenn du dich in der Frömmigkeit üben willst, gewöhne dich daran, Zwiegespräch mit dir selbst zu führen. Unterhalte dich mit dir selbst. Der griechische Philosoph Antisthenes gab eine ausgezeichnete Antwort auf die Frage, welchen Gewinn ihm sein ganzes Studium gebracht hätte. Er habe dadurch ge=lernt, mit sich selbst zu leben und zu sprechen. Selbstgespräche sind die besten Gespräche. Frage dich, warum du erschaffen worden bist, zu welchem Zweck du lebst, wie du gelebt hast, wieviel Zeit du verschwendet hast, wieviel Liebe du mißbraucht hast und welches Urteil du verdient hast. Gib dir selbst Re= chenschaft darüber, wie du deine Gaben gebrauchst und das in dich gesetzte Vertrauen rechtfertigst. Denke darüber nach, welche Vorsorge du für die Stunde deines Todes treffen soll= test und ob du auf den Tag des großen Gerichtes vorbereitet bist. „Auf eurem Lager." Die Einsamkeit und Stille der Nacht ist die beste Gelegenheit zu solchen Selbstgesprächen. Wenn nichts um uns her unsere Augen und Sinne ablenken kann, können wir sie ganz nach innen richten. - George Swinnock.

V. 7 Wer wird uns Gutes sehen lassen?" Der Mensch wünscht sich Gutes; er haßt das Übel, weil es ihm Schmerzen, Leiden und Tod bringt. Er möchte gern das höchste Güt finden, das ihn ganz zufriedenstellt und ihn vor dem Übel bewahrt. Aber die Menschen verstehen das „Gute" falsch. Sie suchen es in der Befriedigung ihrer Leidenschaften, weil sie nichts anderes kennen als das Glücksgefühl durch die Befriedigung ihrer Sinne. Deshalb verwerfen sie das geistlich Gute, und sie lehnen Gott ab, der allein alle Sehnsüchte und Wünsche des Herzens erfüllen kann..— Adam Clarke.

V. 7 „Herr, erhebe über uns das Licht deines Antlitzes!" Das war der hohepriesterliche Segen. Das Licht von Gottes Angesicht ist das Erbteil aller Gläubigen. Es schließt die Versöh= nung mit Gott, die Heilsgewißheit, die Gemeinschaft mit dem Herrn und seinen Segen ein. - C. H. Spurgeon.

V. 7-8 Gott schenkt manchmal den Gerechten Reichtum, damit Reichtum nicht als etwas Böses angesehen wird. Aber er gibt ihn auch den Gottlosen, damit er nicht als das höchste Gut verstanden wird. Wir können uns hier auf Erden mit vielen Sicherheiten umgeben und enden trotzdem im ewigen Elend. Diese Welt ist wie eine schwimmende Insel; wer darauf seinen Anker wirft und festmacht, wird mit hinweggeschwemmt. Es ist besser, Gott zu haben ohne irgend etwas anderes, als alles andere zu besitzen ohne Gott. - William Secker.

V. 8 „Du erfreuest mein Herz." Die Tröstungen, die Gott den Leidtragenden schenkt, erfüllen das Herz ganz (Röm. 15, 13; Joh. 26, 24). Die Freude, die Gott ins Herz gibt, läßt es über.. fließen (z. Kor. y, 4). Äußere Freuden können das Herz eben= sowenig ausfüllen wie ein Dreieck einen Kreis. Nur die geist.. lichen Freuden sind wirklich zufriedenstellend (Es. 63, 6). Weltliche Freuden zaubern vielleicht Fröhlichkeit ins Gesicht, aber der Geist Gottes gibt echte Freude ins Herz (Sach. 10, 7; Joh. 26, 22; Luk. 1, 47). Wein und Korn können erfreuen, aber nicht befriedigen; bei allem bleibt eine Leere und ein Mangel. Nur die Freuden des Heiligen Geistes erfüllen wirklich das Herz (Es. 94, 19). Der Unterschied zwischen den himmlischen und irdischen Freuden ist so groß wie zwischen einem Gastmahl, an dem man wirklich teilnimmt, und einem Mahl, das nur an die Wand gemalt ist! - Thomas Watson.

V. 9 Dieser Vers zeigt uns, wie Gott sich bis ins kleinste um uns kümmert und wie er seine Liebe uns ganz persönlich zuwendet. Wir sollten uns dessen mehr bewußt werden, daß Gott in der stillen Kammer und in allen Stunden der Krankheit und des Schmerzes bei uns ist. 

Seine Fürsorge und Liebe gilt den schwachen Gläubigen ebenso wie denen, die auf dem Kampfplatz sind. In dem Wort des Esalmisten „ich liege und schlafe" liegt etwas Köstliches: vollkommenes Vertrauen. Mancher Gläubige legt sich wohl nieder, kann aber nicht schlafen. Das Leid oder die schwere Belastung ist schon vorüber, und doch kommt in der Stille der Einsamkeit die Niedergeschlagenheit zurück. Man spürt nichts mehr von der Kraft Gottes, und das Vertrauen ist nicht mehr da. In der Stille liegt die Gefahr der Versuchung. Oft werden in der Stille der Kammer höhere Anforderungen an Vertrauen und Glauben gestellt als auf dem Kampfplatz. Wenn wir doch lernen würden, auch in den persönlichsten Dingen Gott mehr und mehr zu Vertrauen! 

Er ist nicht nur der Gott unseres Gotteshauses, sondern auch der Gott unserer Kammer. Laßt uns ihn mehr und mehr hin= einnehmen in die kleinsten Dinge unseres alltäglichen Lebens! Dann werden wir die innere Ruhe haben, die uns jetzt noch fremd ist. Wir werden uns weniger vor dem Krankenbett fürchten. Wir haben einen getrosten und frohen Mut. Wir können dann sagen: „Ich liege und schlafe ganz in Frieden. Das Morgen will ich Gott überlassen!" Als Bischof Ridley den Märtyrertod erleiden sollte, erbot sich sein Bruder, die letzte Nacht bei ihm zu bleiben; aber der Bischof lehnte ab. Er sagte, er gedenke zu Bett zu gehen und so ruhig zu schlafen, wie er es in seinem Leben immer getan habe. - Philipp Power.

PREDIGTHILFEN
V. 2. Thema: Frühere Beweise der Hilfe Gottes als Begründung für die Bitte, daß Gott auch in der gegenwärtigen Not helfen möge. - Das Wort „Gott meiner Gerechtig= keit" eignet sich ebenfalls als Text. .-- Der Schlußsatz könnte das Thema abgeben: Auch die zuversichtlich= sten Gläubigen müssen immer aus Gottes Barmherzig= keit und Gnade leben.

V. 4. Thema: Gebetserhörungen für bestimmte Menschen. In der Predigt ist auszuführen, was für Menschen es sind, die dieses Vorrecht beanspruchen dürfen.
Wer ist für Gott abgesondert? Wer hat ihn äbgeson= dert? Warum und wozu? Wie kann man das den Menschen bewußt machen?

V. 5.„Seid stille.” Ein guter und praktischer • Rat, der aber sehr schwer zu befolgen ist. Welches ist die beste Zeit für die Stille? Was braucht man, um still werden zu
können? Welches sind die Folgen? Welche Menschen brauchen diesen Rat am meisten? Beispiele!
V. 7. Wonach die Welt verlangt und wonach die Gemeinde sich sehnt. Die Stimme •des Volkes ist nicht immer die Stimme Gottes.
V. 8. Die Freude des Gläubigen.
1. Ihre Quelle: Du."
2. Ihre Zeit: Jetzt - „Du erfreust".
3. Ihr Sitz: „mein Herz".
4. Ihr besonderer Wert;,, ob jene gleich viel Wein und Korn haben".

V. 9. Der Frieden und die Sicherheit des Gläubigen.
V. 3-9. Die Mittel, die ein gläubiger Mensch nutzen sollte, um gottlose Menschen für Christus zu gewinnen:
1. Ermahnung (V. ).
2. Unterweisung (V. 4).
3. Ermutigung (V. 5-6)
4. Zeugnis vom Glück echter Frömmigkeit (V. 7-5). 5. Bestätigung dieses Zeugnisses durch ein Leben im Frieden des Glaubens (V. 9).

Vorwort

Zum dritten Mal geht nun eine Auswahl aus Spurgeons Psalm men=Auslegung, der „Schatzkammer Davids", hinaus. Diesmal ist es ein Doppelband, weil er sich einem der Hauptgebiete des Psalters zuwendet, dem Vertrauen und der Errettung des Beters. Selbst bei diesem verstärkten Umfang konnten bei weitem nicht alle Psalmen berücksichtigt werden, die eigentlich hierzu gehörten und die wir gern in die Sammlung aufgenommen hätten. Es war nicht ganz leicht, die Auswahl zu treffen. Wer der Gemeinde den Psalter in Predigt oder Bibelstunde nahebringen möchte, hat hier eine Fundgrube lebensvoller Er= läuterung des Textes. 

Darüber hinaus aber wird unmittelbare Seelsorge geübt an Ieidgepriiften Gotteskindern, die im Dunkel ihrer Lebensführung nach Licht ausschauen. Kraftvoll er= klingt das Dennoch des Glaubens, das bei durchaus klarem Blick für die Nöte und Bedrängnisse völlig gewiß ist, daß Gott die Seinen nie im Stich läßt. Man kann den Psalter mit Fug und Recht das Bilderbuch Got= tes nennen. Hier wird lebendiger Anschauungsunterricht erteilt. Und Spurgeon bewegt sich nie in der verdünnten Atmosphäre bloß gedanklicher Auseinandersetzung, er greift immer ins volle Leben. Gelegentlich, wie bei Psalm 91, wird die Auslegung zu einem ergreifenden persönlichen Zeugnis. Und was für ein helfendes Geleit in das Gebetskämmerlein ist es, wenn Spur geon an anderer Stelle sagt: „Es ist gut, wenn unsere Gebete das Spiegelbild der göttlichen Verheißungen sind." Solche Gold= körner gibt es viele. Es lohnt sich, danach zu suchen. Man hätte der Sammlung auch den Titel „Schule der Betet" geben können. Mögen Zweifelnde hier Anreiz finden, mit Beten zu beginnen, und solche, die müde wurden, neue Zuver= sicht bekommen. Allen Lesern aber wünschen wir, so selbstverständlich vom Leben ins Beten und vom Beten ins Leben zu finden. Karl Schütte Wildbad im Schwarzwald, April 1964


Psalm    4

Psalm    23    ...........    18
Psalm    27    ...........    28
Psalm    31    ...........    41
Psalm    34    ...........    57
Psalm    36    ...........    70
Psalm    37    ...........    80
Psalm    57    ...........    101
Psalm    62    ...........    110
Psalm    91    ...........    120
Psalm    116    .... .....    136
Psalm    121    ..........    152
Psalm    138    ..........    158
Psalm    146    ..........    168

@Oncken 1964

Wie weit sind wir in der Endzeit? Das Prophetische Wort 7/8 Gerhard Salomon

04/01/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

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Diese Arbeit stellt den Versuch einer Analyse unserer Gegenwart im Lichte der biblischen Prophetie dar. Wir müssen darüber Klarheit gewinnen und wissen, in welcher Zeit wir leben.
Diese Arbeit baut sich auf den in den Heften der Reihe „Das Prophetische Wort" oder der Buchzusammenfassung „Was bald geschehen wird" erarbeiteten biblischen Grundlagen auf. Sie werden nicht noch einmal hier angeführt, sondern als bekannt vorausgesetzt. Auf sie verweisen Fußnoten, damit die betreffenden Stellen jederzeit nachgelesen werden können.
Es kommen zahlreiche Stimmen zu Wort, um zu zeigen, daß es sich nicht um unbegründete, sondern um ernst zu nehmende Aussagen handelt.
Die Ausführungen beschränken sich in der Regel auf das Allgemeine und Grundsätzliche und hören meist an dem Punkt auf, an dem ihre Anwendung auf die Gläubigen, die sich heute mit diesen Fragen auseinanderzusetzen haben, erfolgen würde. Das wird nun in einem nächsten Heft „Die Gefahren der Endzeit für die Gläubigen" nachgeholt werden. Auch ist die heutige Not der Gemeinde Jesu, „der Schaden Josephs" (Amos 6, 6), so groß, daß ein ausführlicheres Eingehen auf die endzeitlichen Fragen angebracht ist, hierbei besonders auf die religiös-kirchlichen, die hier nicht zur Sprache kommen.
Im Blick auf die heutige Lage der Theologie haben sich die Bekenntnisbewegung und mancher andere Zusammenschluß formiert. Andere nicht weniger gefährliche, aber geschickt getarnte und deshalb nicht sogleich wie die moderne Theologie als Gefahr erkennbare Tendenzen sind weithin unerkannt geblieben. Sie zu entlarven ist das Gebot der Stunde.
Man prüfe, ob kritische Stimmen zu neuesten technischen Errungenschaften itt dem früheren Fehler gleichgesetzt werden dürfen, alle Neuerungen zunächst abzulehnen (z. B. Flugzeug, Eisenbahn) und sich später dann ihrer selbst zu bedienen.
Der Verfasser

1. Alarmsignale in der Natur
Um zu zeigen; wie herrlich schon die nahe Zukunft sein wird, werden in einem Zeitungsartikel im Blick auf die Jahrtausendwende aus der Fülle der menschenbeglückenden Erfolge des Fortschritts genannt: Wenig Arbeit, keine Infektionskrankheiten, jeder erreicht ein Alter von hundert Jahren'."
Andere Meinungen dagegen weisen auf die unheilschwangere Kehrseite des Fortschritts hin Es bedürfe keineswegs der gefürchteten kriegerischen Atomkatastrophe, vielmehr laufe die Bevölkerung der Erde ohnehin Gefahr, bei Fortschreiten der gegenwärtigen Entwicklung durch zunehmende Zivilisationsfolgen wie Lärm, verdorbene Luft, Verunreinigung des Trinkwassers sowie chemisch veränderte Lebensmittel in nicht ferner Zukunft sich selbst den Garaus zu machen.
Schon eine dieser Ursachen, behauptete ein amerikanischer Meteorologe, reiche aus, um in hundertJhren die Erde unbewohnbar zu machen, nämlich das Gift dfr Industrieabgase, hier ganz besonders der Autos: „Wenn /die Menschheit so fortfährt, wird unser Planet in hundert Jkhren durch das den Automobilen entströmende Gift unbewohnbar sein2."
Die Vorhersage eines amerikanischen Botanikers geht in die gleiche Richtung: „Leben wird es auf unserem Planeten noch für Millionen Jahre geben, aber der Mensch wird sich vielleicht schon in hundert Jahren3 selbst ausgerottet haben4." „Schon sind die Fortpflanzungskraft des Menschen und seine funktionelle Anpassungsfähigkeit in Mitleidenschaft gezogen. Die größten Optimisten hoffen nur noch, daß den Menschen eine Frist von 150 Jahren geschenkt sein wird. Danach werden sie überhaupt keine normalen Kinder mehr zeugen können, höchstens verstümmelte Wesen'."

Wer hat nun recht, die Vertreter der optimistischen oder die der pessimistischen Vorhersagen?
Wer die Zusammenhänge nur ein wenig kennt, wird jenem Professor recht geben, der in seinem Vortrag ganz nüchtern sagte, die großen Zukunftsaufgaben der Naturwissenschaft würden nicht in der Verwirklichung gigantischer Pläne liegen, von denen man träume, sondern in der dann lebensentscheidend gewordenen Frage .

„Wie bekommen wir wieder sauberes Wasser, eine reine Luft und einen gesunden Boden?" Der ganzen Furchtbarkeit, die in dieser Entwicklung liegt, vermögen wir uns erst dann recht bewußt zu werden, wenn wir erkennen, daß es hier um Lebensgrundlagen geht, die vorhergehenden Generationen selbstverständlich waren und die durch den Menschen immer mehr zerstört werden. Schlag-lichtartig wird hierdurch deutlich, wie der Mensch den ihm von Gott übergebenen Auftrag, als sein Stellvertreter und in Verantwortung ihm gegenüber, die Erde zu beherrschen (u. Mose 1, 26. 28), schlecht ausgeführt hat.

Wenn schon die Wunder der heute gestörten Schöpfung, auf der der fluch der Sünde liegt, oft so überwältigend groß sind, wieviel mehr wird das bei der aus der Hand Gottes hervorgegangenen vor dem Sündenfall gewesen sein, die er dem Menschen anvertraut hatte Den biblischen Schöpfungsbericht in 1. Mose i umklammern die beiden bekannten Verse: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde" sowie „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut". -
Eine Entwicklung, in der ganz offen von der Zerstörung -der Natur und dem Ende des Menschen, der Krone der Schöpfung, gesprochen wird, kann unmöglich in gottgewollten Bahnen verlaufen. Ober die Errungenschaften des Fortschritts - so gewaltig, bewunderungswürdig und imponierend sie auch sein mögen - können wir nicht als letztes Ergebnis setzen:

„Alles ist sehr gut"; denn auch sie sind von der allgemeinen Wahrheit nicht ausgenommen, daß jedes Ding in dieser Welt eine Tag- und eine Nachtseite hat. Es ist schon angeklungen, daß diese Tatsache mit dem Sündenfall zusammenhängt, als dessen Folge der Mensch nicht mehr in ursprünglichem Umfang die Vollmacht und die Weisheit hat, die Naturzusammenhänge als Ganzheit zu erkennen und die Natur recht zu beherrschen'.

 Die Aufgliederung in sich immer weiter auffächernde Spezialgebiete ist der äußere Ausdruck dafür. Leibnitz (1646-1716) noch konnte das ganze Wissen seiner Zeit beherrschen, während dies jetzt nicht einmal auf kleinen Fachgebieten immer möglich ist, weil sich z. Z. unsere Kenntnisse im Schnitt alle neun Jahre verdoppeln.
Mit Appellen an die Vernunft der Menschheit ist es allein nicht getan, den gefährlichen Weg, der nur in einer Katastrophe enden kann, aufzugeben und sich um eine naturgemäße 
Einstellung zu bemühen, weil ja die tiefste Ursache eben die Sünde ist. Erst mit der Wiederkunft Jesu, die das Ende der Herrschaft der Sünde bringen wird, wird die Schöpfung 
ganz neu aufblühen. In Sacharja 3 schließt sich an die Vorhersage der Vergebung der Sünden des Landes, nämlich Israels, unmittelbar ein Idyll aus dem messianischen Reich an.  Als direkte Folge der Geistestaufe Israels werden neue Zustände in der Natur genannt (Jes.32, 15.16).

Welch beglückende Erkenntnisse, die auch Paulus aufgingen (Röm. 8,19-25), als er in die Schöpfung hineinhorchen durfte! So tief wie er hat kein Naturforscher in die 
letzten Zusammenhänge hineinschauen können: Die ganze Schöpfung schwebt in tausend Ängsten (V 19), sie darf aber einem Tag der Befreiung aus dieser Not entgegensehen. 
Aus der Menschheit, durch deren Sünde die ganze Kreatur mit unter den fluch gekommen ist, bereitet Gott eine erwählte Schar, die berufen ist, an der Erlösung der
 ganzen Schöpfung mitzuwirken,
1 Eine Auswirkung der biblisch bezeugten Tatsache, daß Verstand und Vernunft verfinstert sind (Eph. 4, 15).
Die technische Entwidclung wäre ohne den Sündenfall sicher anders verlaufen.9 für diesen Auftrag zu: die Gemeinde Jesu! Paulus ging es nicht nur um die Rettung des einzelnen, er hatte zudem einen kosmischen Weitblick. Deshalb ist es für Gläubige legitim, sich auch mit den Fragen der Natur zu beschäftigen.
Wir wollen nun anhand einiger weniger herausgegriffener Beispiele - es handelt sich also um keine abgerundete und nach allen Seiten abgesicherte Darstellung - kurz zeigen, wie der Mensch die Natur verdorben hat, diese Entwicklung aber im Blick auf die Zukunft einen Umfang anzunehmen im Begriffe ist, der einen zutiefst erschrecken lassen muß. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dies alles nur endzeitlich richtig gedeutet werden kann.
Der oft fast unerträgliche Lärm strapaziert den Menschen organisch und seelisch. So mutet es fast prophetisch an, wenn Dr. Robert Koch (1343-1910, Entdecker des Tuberkulose- sowie Choleraerregers) vor Jahrzehnten gesagt hat: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Fest."

Die Luftverpestung hat vor allem in Industriegebieten einen besorgniserregenden Grad erreicht. Einen wesentlichen Anteil daran hat der Kraftverkehr. Das Kohlenmonoxyd der Auspuffgase, das der Blutfarbstoff zweihundertmal stärker bindet als den lebenswichtigen Sauerstoff, führt u. a. zu Herz- und Kreislauferkrankungen. Weitere gefährliche Bestandteile dieser Abgase sind Blei und das krebserzeugende Benzpyren.
Beim Wasser, unserer zweiten Lebensgrundlage, stehen wir vor einem erschreckenden Dilemma: Während auf der einen Seite der Wasserbedarf ständig steigt, nehmen die Wasservorräte durch falsche Eingriffe des Menschen in den Wasserhaushalt immer mehr ab. Noch schlimmer aber ist die zunehmende Verschmutzung. Wo gibt es noch einen Fluß mit sauberem Wasser? Die Verseuchung des Rheins durch ein schweres Gift im Juni 1969 lenkte einmal für einige Tage die Aufmerksamkeit der Offentlichkeit auf diese Tatbestände. Nach dem Urteil von Wasserfachleuten hätte „die Gifteinleitung keineswegs solche katastrophalen Folgen gehabt, wenn der
Rhein nicht ohnehin bis kurz vor dem Sättigungsgrad mit Chloriden, Sulfaten, Nitraten, Phosphaten, Ammoniak und 500 weiteren Giften angereichert wäre und insgesamt bei einem mittleren Wasserdurchfluß bei Emmerich von rund 2500 Kubikmetern in der Sekunde Tag für Tag mehr als 1300 Tonnen Leser Stoffe hier vorbeifließen läßt." Auch das Wasser, das wir aus den Leitungen zum täglichen Leben entnehmen, ist leider nicht ganz gesund und sauber, beim mehrfach verwendeten finden sich manchmal noch sehr unappetitliche Spuren seiner früheren Wege.
Eine nicht minder gefährliche Zwangslage ergibt sich beim Boden, der dritten Lebensgrundlage. Mit welcher Gedankenlosigkeit entzieht man immer mehr Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung, ja, läßt sie sogar brach liegen, während Hungersnöte bei wachsender Weltbevölkerung ständig zunehmen. Gerade hier können wir erkennen, wie scheinbare Kleinigkeiten große Auswirkungen haben können: Wo Feldhecken des Arbeitsnutzens großer landwirtschaftlicher Maschinen wegen weichen mußten, mußte man bald feststellen, daß Winde die fruchtbare Ackerkrume und oftmals auch die Saaten mitnahmen. Weitere Folgen von Eingriffen des Menschen sind Störungen im Wasserhaushalt des Bodens und die Versteppung. Nennen wir noch zuletzt die Kunstdünger, dann ist es klar, daß das alles Auswirkungen auf die Qualität der Lebensmittel haben muß, die aus solchen Böden erwachsen.

Was gäbe es erst, wenn man das weite Gebiet der Pflanzenschutzmittel aufrollen wollte! Jedem leuchtet ein, daß Gifte, die Schädlinge vernichten, auch für den Menschen nicht unschädlich sein können. Dieser Weg der Bekämpfung führt in einen unentrinnbaren Teufelskreis. So werden Vögel getötet, die gerade jene Insekten vertilgen, gegen die sich das Spritzmittel richtet; auf der anderen Seite züchten die wenigen überlebenden, besonders widerstandsfähigen Exemplare kräftigere Stämme heran, gegen die nun immer stärkere Mittel angewandt werden müssen. 

Es wird von Schädlingen berichtet, die heute mehr als das Hundertfache der noch Vor zehn Jahren tödlichen Dosis vertragen können. Und diese Stoffe - Insektizide genannt - gelangen schließlich auf mancherlei Wegen auch in den menschlichen Körper. So klingt es wie ein Alarmsignal einer neuen Zeit, wenn man liest: „Es ist medizinisch einwandfrei festgestellt worden, daß Personen, die vor Anbruch des DDT-Zeitalters (uni 1942) lebten und starben, keine Spur von DDT' oder irgendeinem ähnlichen Stoff in ihren Geweben enthielten . . . dagegen enthielten Proben von Körperfett, die man der Bevölkerung zwischen 1954 und 1956 entnahm, durchschnittlich 5,3 bis 7,4 Teile pro Million DDT2." Die Verseuchung durch Schädlingsbekämpfungsmittel läßt sich nicht lokal begrenzen. So hat man bei Tieren in den Polargebieten DDT gefunden, also in Gebieten, in denen es nie verwandt worden ist. Dorthin ist es über das Meerwasser gekommen, nachdem es vorher Im Anwendungsgebiet in den Boden und ins Grundwasser gelangt war.

Die Radioaktivität3 stellt wohl z. Z. die größte Gefahr für den Fortbestand der Menschheit dar. Mit ihr ist eine Entwicklung eingeleitet worden, von der niemand sagen kann, welche Überraschungen sie uns noch bringen wird, weil wir erst Erfahrungen in wenigen Jahrzehnten haben sammeln können und noch nicht wissen können, wie sich die ständig zunehmenden Mengen in größeren Zeiträumen auswirken. Hinzu kommt hoch: Strahlungen können ihr zerstörendes Werk im-erkannt jahrzehntelang treiben und sich dann zu einem Zeitpunkt, an dem man es nicht mehr erwartet, bemerkbar machen. Als Beispiel sei eine Krankengeschichte aus der Anfangszeit der Verwendung der Röntgenstrahlen angeführt: „Die Patientin (zweier englischer Ärzte) war eine 70jährige Frau, die 1948 erstmals untersucht wurde. Sie hatte 1898 etwa 1500 r' während einer einstündigen Durchleuchtung auf Nierensteine erhalten. Etwa zwei Wochen später zeigte sich am rechten Oberarm eine ‚Verbrennung', die aber später abheilte. 1947 entwickelte sich an der 49 Jahre früher bestrahlten Stelle ein typischer Hautkrebs, der weitere Krebsherde im Körper - sogenannte Metastasen - bildete und nach zwei Jahren zum Tode der Patientin führte2."

Heute weiß man, daß diese Dosis viel zu hoch ist. Wie viele haben sich in der Anfangszeit schwere Erkrankungen zugezogen, ja den Tod erlitten! Das Schlimme daran ist, daß man die Folgen einer einmal verabreichten Strahlung bis heute nicht mehr rückgängig machen kann. Zudem: Beschränkten sich damals Auswirkungen auf einzelne, so sind sie heute weltweit. Setzt man nun den Fall, es würden einmal irgendwelche Langzeitfolgen festgestellt, an die man heute noch gar nicht denkt, so bedeutete das ein unausweichliches Schicksal für die gesamte Menschheit. Hier stehen wir Vor Möglichkeiten von wahrhaft apokalyptischem Ausmaß!

Durch die Atombombenversuche sind radioaktive Bestandteile in die Luft gelangt, die teils schon abgeregnet sind, teils aber noch um die Erde kreisen und erst nach und nach niederkommen werden. Aus dem Boden gelangen sie über die Nahrung schließlich in den menschlichen Körper. Und weiter: Die Schornsteine der Kernkraftwerke stoßen radioaktive Stoffe aus, weitere gelangen vom verwendeten Wasser in die Flüsse, wenn auch beides nur in sehr winzigen Mengen. Wohin aber mit den radioaktiven Abfällen, die z. T. Jahrhunderte, ja Jahrtausende weiterstrahlen? Ob man sie in der Erde, im Meer oder im Polareis versenkt, überall besteht auf weite Sicht die Gefahr der Verseuchung der Natur: Radioaktivität läßt sich eben nie lokal begrenzen. Sie durchdringt den ganzen Naturhaushalt.
1 V, Röntgen ist die internationale Einheit der Röntgen- und Gammastrahlung.
2 J. Schubert und R. E. Lapp, „Der =sichtbare Angriff", Stuttgart.

1 „Badische Neueste Nadiriditen' vom 31.5. 1969. -
2 _weetdeutsdie Rundsdtau" vom 14. 8.1965. - -
3 Das hängt damit zusammen, daß der Mensch gegen manche Einflüsse weit empfindlicher ist als andere Lebewesen. Z. B. beträgt die radioaktive Strahlendosis, die zum Tode führt, bei Bakterien und Viren ein Mehrhundertfaches.
4 ‚.Süddeutsdie Zeitung" vom W.W. 10. 1968.
1 Robert Charroux, „Phantastische Vergangenheit", Berlin.1 "Handelsblatt- vom 27. 6, 1969.

1 DDT - hodiwirksames Nervengift, verwandt als stäube-, Spritz- und Nebelmittel.
2 Radiel Cars-n, „Der stumme Frühling", München.
3 Radioaktivität ist die „Eigenschaft bestimmter dsemlsdier Elemente oder Isotope, ohne äußere Beeinflussung dauernd Energie in Form von Strahlung auszusenden" (Der Neue Brodchaus). Die natürliche Radioaktivität wurde 1896 nachgewiesen, die künstliche 1934 entdeckt. Jetzt kommt die von Menschen-. hand bewirkte Radioaktivität zur natiirlid,en hinzu, der der Mensch schon immer ausgesetzt war.


Schlatter Adolf 1852-1938

02/01/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Adolf Schlatter gilt zu Recht als einer der ganz großen Bibeltheologen dieses Jahrhunderts. BV15569%2BAdolf-Schlatter.jpg?1675246626486

Sein ungemein vielseitiges theologisches Schaffen war vom Bemühen getragen, die Botschaft der Heiligen Schrift möglichst getreu und umfassend weiterzugeben und ihr auch und gerade • dort Rechnung zu tragen, wo sie verkürzt zu werden droht - sei es durch modische Zeitströmungen oder durch die kirchliche Tradition. Am bekanntesten wurde Schlauer weit über den deutschen Sprachraum hinaus •durch .seine Auslegung des Neuen Testaments. 

Sie nimmt inzwischen einen geradezu »klassischen« Rang ein und darf getrost neben die großen Schriftauslegungen eines Augustin, Luther, Calvin oder Bengel gestellt werden. Durch seine neun großen Kommentare hat er der neutestamentlichen Wissenschaft bis auf den heutigen Tag eine Fülle von Anregungen und Erkenntnissen hinterlassen, und durch seine 10-bändigen »Erläuterungen zum Neuen Testament« erreicht er noch heute einen beträchtlichen Teil der Bibel lesenden Gemeinde. Weniger bekannt ist, daß Schlatter- nicht nur die neutestamentliche Exegese und die Judaistik nachhaltig beeinflußt hat, sondern daß er viele seiner weit über vierhundert Veröffentlichungen auch anderen Disziplinen wie der Kirchengeschichte, der Dogmatik, der Ethik, der praktischen Theologie und der Philosophie widmete.

Schlatters Einfluß auf die Theologie und • das kirchliche Leben im deutschsprachigen Protestantismus des 20. Jahrhunderts darf nicht unterschätzt werden, auch wenn sein Lebenswerk nach dem ZWeiten Weltkrieg längst nicht mehr die Beachtung fand wie zu seinen Lebzeiten. Immerhin gibt es keinen deutschsprachigen Theologen seiner Generation, der auch nur annähernd so zahlreich auf dem gegenwärtigen Buchmarkt vertreten ist wie Schlatter, von 

dem über dreißig Veröffentlichungen noch immer (oder inzwischen wieder) erhältlich sind Angesichts der unbestreitbar großen Bedeutung von Schlatters Leben und Werk für die evangelische Theologie ist es verständlich, daß seit seinem Tod am 19 Mai 1938 immer wieder der Ruf nach einer wissenschaftlichen Biographie laut wurde.. 

Die vorliegende Nachzeichnung von Schlatters Leben hat nicht den Sinn, dieser naheliegenden Forderung gerecht zu. werden. Auch wenn es sich um die erste Biographie Schlat-ters handelt und ihr langjährige wissenschaftliche Studien. vorausgingen (vor allem eine dreijährige Erforschung von Schlatters unveröffentlichtem Nachlaß), ist ihre Zielsetzung doch eine andere:
Sie soll anläßlich von Schlatters fünfzigstem Todesjahr Grundzüge seines Lebens und geistlich-theologischen Wollens einem größeren Leserkreis nahebringen. Angesichts dieser Zielsetzung habe ich auf einen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat verzichtet. 

Die meisten Zitate sind veröffentlichten und unveröffentlichten Selbstzeugnissen Schlatters entnommen, um eine möglichst große Authentizität und Anschaulichkeit zu gewährleisten.
In Anbetracht des zur Verfügung stehenden Raumes und der zur Verfügung stehenden Zeit mußten bei der Nachzeichnung von Schlatters Leben erhebliche Lücken in Kauf genommen werden. 

Der Schwierigkeiten und Grenzen eines solchen Unternehmens war ich mir beim Schreiben wohl bewußt. Der Schwerpunkt der vorliegenden Darstellung liegt auf jenen Aspekten; die den Menschen und Christen Schlatter beleuchten. Der Theologe und sein Werk treten demgegenüber etwas zurück. Dies hat zur, Folge, daß beispielsweise Schlatters Wirken als Theologieprofessor in Deutschland gegenüber der breiten Schilderung seines Schweizer Werdeganges nicht den Rang einnimmt, der ihm in einer wissenschaftlichen Biographie eingeräumt werden müßte.

Trotz der genannten Grenzen hoffe ich, mit der vorliegenden biographischen Skizze der Öffentlichkeit ein Werk zu übergeben, das Theologen wie Nichttheologen einen anschaulichen Eindruck von Schlatters Leben und Wirken vermittelt und auch von Schlatter-Kennern nicht ohne. Gewinn gelesen wird. Vor allem aber erhoffe ich mir, in einigen Jahren der Fachwelt eine umfassende wissenschaftliche Biographie vorlegen zu können, die der theologischen und kirchengeschichtlichen Bedeutung Schlatters gerecht wird und die seit Jahrzehnten erhobene Forderung nach einer großen Biographie zu erfüllen vermag.

Mein Dank gilt nächst Gott meiner Frau, die meine Arbeit an diesem Buch mit Verständnis und Interesse begleitet hat, und meinen Kindern, die ihren Vater während eines beträchtlichen Teils meines Jahresurlaubs entbehren mußten Außerdem danke ich Herrn Bischofsvikar Pater Christoph Cassetti, der mir in den Sommerferin das Arbeitszimmer in seinem Liechtensteiner Pfarrhaus großzügig zur Verfügung stellte. 

Sehr zu Dank verpflichtet bin ich Herrn Kirchenrat i. R. D. Hans Stroh (Reutlingen) für seine nun schon seit Jahren erfolgende treue und anregende Begleitung meiner Schlatter-Studien, Herrn Dekan Theodor Schlatter (Besigheim), der auch den größten Teil des Bildmaterials freundlicherweise zur Verfügung stellte, und der Schlatter-Stiftung für die jahrelange großzügige Fördeng meiner Nachlaß-Forschungen und nicht zuletzt Herrn Bernhard Müller und dem Verein zur Erziehung und Förderung e. V (Stuttgart), ohne deren finanzielle Unterstützung diese Forschungen nicht möglich gewesen wären Danken mochte ich auch dem langjährigen Betreuer des Schlauer-Nachlasses, Herrn P.fr. i. R. Ernst Bock (Korntal), für seine Hilfe bei der Zusammenstellung des Bildmaterials.
Ich widme dieses Buch den evangelischen Kirchengemeinden Walddorf und Häslach in Dankbarkeit für ihre wohlwollende und liebevolle Begleitung meines Vikars-dienstes. In diesen Dank ausdrücklich einschließen möchte ich Pfarrer Martin Ebene, der die während des Vikariats erfolgte Niederschrift dieses Buches mit brüderlichem Verständnis unterstützt hat.

Gomaringen, am zweiten Sonntag nach Epiphanias
im Januar 1988 Werner Neuer ISBN 3-417-21101-8 R. Brockhaus

Schnepel Erich 1893-1986

12/30/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Bücher

Wirkungen des GeistesSchnepel%2C%20Erich.jpg?1672408411241
Mein Leben hat Inhalt: aktuelle Skizzen aus d. 20. Jahrhundert
Jesus im frühen Mittelalter: d. Begegnung d. Germanen mit d. Botschaft von Jesus in d. Zeit von 300 - 800 n. Chr
Das Zentrum: seelsorgerliche Studien über den Kolosserbrief
Bauleute Gottes
Charismatische Gemeinde: Theorie oder Wirklichkeit
Jesus im Römerreich: Der Weg der Gemeinde Jesu in den ersten vier Jahrhunderten
Gewissheit
Das Werk Jesu: in uns u. durch uns
Jesus im Römerreich: Der Weg d. Gemeinde Jesu in d. ersten 4 Jahrhunderten
Erleben mit Jesus im 20. Jahrhundert
Against the Tide: An Auto Biography 1896-1983
Der Römerbrief, Kapitel 8: Gewißheit
Mein liebstes Buch - die Bibel
Worte des Lebens: An der Pforte der Ewigkeit. Rundfunksendung 8
Lebendige Gemeinde im 20. [zwanzigsten] Jahrhundert
Ein Leben im 20. Jahrhundert
Gemeinde aktuell: Lebensfragen d. christl. Gemeinde
Die befreiende Botschaft: Bibelstudien zum Römerbrief Kap. 5 - 8
Wie sieht die Zukunft der Menschheit aus? die Offenbarung d. Johannes

Studd Thomas Charles 1860-1931

12/23/2022
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Entstammte einer angesehenen Londoner Familie und kam schon in jungen Jahren zum lebendigen Glauben, Im Jahre 1885 reiste er mit noch sechs jungen Männern, den berühmten „Cambridge-Sieben", im Dienst der China-Inland-Mission nach China aus. Dort lernte er seine spätere Frau Priscilla Stewart kennen, die auf ähnliche Weise in den Missionsdienst berufen worden war. Nach zehnjährigem Chinaaufenthalt kehrte die Familie Studd aus gesundheitlichen Gründen nach England zurück; wo sie in den nächsten Jahren in fruchtbarer Heimatarbeit stand. 

Von 1900 bis 1906 wirkte Studd in Indien, bis er im Jahre 1908 den Ruf nach Innerafrika erhielt. Das wurde der Anfang des „Weltweiten Evangelisations - Kreuzzugs" (WEK),. einer reinen Glaubensmission, die schon zu Lebzeiten Studds Wunder über Wunder erlebt hat und deren Dienst sich heute über alle Erdteile erstreckt, 

Im Jahre 1913 war Studd, der Fünfzigjährige, zusammen mit dem jungen Medizinstudenten Alfred Buxtan in das innerste Afrika aufgebrochen und hatte vor seiner Abreise das bedeutsame Wart geprägt, das seither zum Motto des Werkes wurde; „Wenn Jesus Christus Gott ist und für mich starb, kann mir kein Opfer zu groß sein, um es ihm dar-übringen." Das vorliegende Lebensbild Studds ist nach der vergriffenen großen Biographie gekürzt worden; ein abschließendes Kapitel berichtet von dem heutigen Stand der segensreichen Arbeit des WElK.