Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1856 | Seite |
Inhalts-Verzeichnis: | |
Christus: innerhalb des Vorhangs - außerhalb des Lagers | 1 |
Die vor den Gerichten aufgenommene Kirche | 7 |
Sie sind nicht von der Welt | 21 |
Der Nasir | 36 |
Gedanken über Heb 11,1-10 | 41 |
Aussatz, ein Bild der Sünde | 52 |
Gott in allen Dingen | 58 |
Über Gaben und Ämter | 61 |
Gottes Ruhe, der Heiligen Ruhe | 73 |
Seid um nichts besorgt! Phl. 4,6,7 | 81 |
Kaleb Josua 14, 6-12 | 87 |
Die zuversicht Jesu Psalm 16 | 101 |
War unser Herz nicht brennend in uns Luk 24. 13-32 | 110 |
Bileam - angeworben von Balak, benutzt von Gott 4. Mose 22-24 | 116 |
Der Durchzug durch das Rote Meer | 121 |
Jonathan, 1. Sam. 14 | 135 |
Zu Dir, o Jesu (Gedicht) | 140 |
Harre auf Gott | 141 |
Ich will dich mit meinen Augen leiten | 158 |
Die Thessalonicherbriefe | 161 |
Teil 2
Die Zuversicht Jesu (Psalm 16)
„Bewahre mich, o Gott, denn ich traue auf dich! Zu Jehova spreche ich: Du bist der Herr; meine Güte geht nicht zu dir hin, sondern zu den Heiligen, welche auf der Erde sind, und den Herrlichen, an denen ich alle meine Lust habe. Viel sind der Schmerzen derer, die anderswohin eilen. Ich will ihre Trankopfer von Blut nicht opfern, und ihre Namen nicht auf meine Lippen nehmen. Jehova ist das Teil meines Besitztums und meines Bechers; du bewahrest mein Los. Die Meßschnur fiel mir in lieblicher Gegend; ja, ein schönes Erbteil ist mir geworden. Ich lobe den Herrn, der mich beraten, selbst des Nachts unterweisen mich meine Nieren. Ich habe den Herrn allezeit vor mir; denn er ist zu meiner Rechten, ich werde nicht wanken.
Deswegen freuet sich mein Herz, und mein Geist frohlockt; ja, auch mein Fleisch wird ruhen sorgenlos. Denn du wirst meine Seele nicht in dem Hades zurücklassen, und nicht zugeben, daß dein Heiliger die Verwesung sehe. Du tust mir kund den Weg des Lebens; eine Fülle von Freude ist bei deinem Angesicht, liebliches Wesen an deiner Rechten ewiglich." Von dem Augenblick an, wo wir an den Herrn Jesus gläubig geworden sind, rindet alles, was uns trösten, was uns Freude und Zuversicht geben kann, seine Quelle i n I h m , und alles, was uns betrübte, alles, was unser Gewissen verurteilte oder richtete, dieses alles endigte in einfacher aber vollkommener Gnade d u r c h Ihn . So lange wir unsere Stellung in Christo nicht kennen, fürchten wir die Wahrheit, die von der Vollkommenheit eines Heiligen spricht; aber sobald wir über dieselbe völlig klar sind, sehen wir, daß diese Wahrheit uns nur Segen und Freude zuführt.
So ist es mit diesem Psalm. Es gibt wenige Abschnitte in der Heiligen Schrift, die uns so unsere Schwachheit und unsere Fehler, sowie unser mannigfaltiges Straucheln fühlen lassen, als dieser Psalm, und zwar dadurch, daß er uns die Vollkommenheit von Einem vorstellt, der o h n e F l e c k e n vor Gott war und n i e fiel. Alles aber, was Seine äußere und innere Vollkommenheit offenbart, kann nur Traurigkeit und Niedergeschlagenheit in uns erwecken, wenn wir es außer dem wahren Gegenstand d. i. Jesus Selbst, betrach- 8 113 ten. Suchen wir unsere Herzen, durch die E r f a h r u n g e n , welche uns die Psalmen geben, sicher und gewiß zu machen, so können wir nur sagen: „Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch." Keine Seele könnte wahren Frieden bekommen. Dennoch suchen manche h i e r ihre Gewißheit; sie sind bemüht, dieselben Züge, dieselben Erfahrungen in sich zu finden, wie sie uns in den Psalmen dargestellt werden, und sie nehmen diese zum Maßstab, um sich selbst zu beurteilen. Wir lesen in Psalm 17, 2. 3: „Mein Recht gehe von deinem Angesicht her, auf das Recht laß deine Augen schauen. Du hast mein Herz geprüft, des nachts besucht, du hast mich geläutert; du findest keinen bösen Gedanken in mir, nicht vergeht sich mein Mund.
" Weil sich nun in unserem Wandel und unserer Gesinnung gewiß Unvollkommenheit befindet, (obgleich der Geist Gottes in uns wohnt) so kann eine solche Stelle nie für uns ein sicherer Grund des Friedens in der Gegenwart Gottes sein. Unsere Freude ist nicht eher vollkommen, als bis wir jede Forderung der Heiligkeit Gottes erfüllt und in Jesu beantwortet sehen. Wenn Gott (wie Er getan) das Herz und die Nieren Jesu prüfte, so fand Er nichts, was Seiner Heiligkeit nicht entsprochen hätte; und darum ist nicht eher unsere Freude völlig, als bis wir sehen und erkennen, daß Jesus dahin gegangen ist, wo eine Fülle von Freude und liebliches Wesen zur Rechten Gottes ist ewiglich. Ja, unser Herz ist dann beruhigt, wenn wir verstehen, daß die Worte in Hebr. 9, 24 zu uns gesagt sind: „Denn der Christus ist nicht in das von Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, eingegangen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesichte Gottes für un s zu erscheinen." Und dies ist wahr von einem jeden, der wahrhaft mit Ihm in Berührung gekommen ist. Es hat nie ein elendes oder betrübtes Herz gegeben, welches nicht, wenn es Jesum anschaute, in Ihm, welcher höher als die Himmel geworden ist, völlige Errettung fand. Die Psalmen sind also für solche Seelen, die an Jesum glauben. Wir erlangen nicht dadurch das Leben und die Segnungen, daß wir versuchen, Schritt für Schritt in den Fußstapfen Jesu zu wandeln.
Nein, wir befinden uns auf einmal darin und zwar durch Ihn, der alle diese Schritte zurückgelegt hat und welcher jetzt beim Vater ist. Wir sind auf einmal in die Segnungen gestellt, welche Christus für uns empfangen hat. Wir sollen die Psalmen lesen, als solche, welche in Ihm schon Errettung, Segnung und Herrlichkeit erlangt haben; und dann erst sind wir in die Stellung versetzt, wo wir mit Ihm sagen können: „ Bewahre mich, o Gott, denn ich traue auf dich! " 114 Diese Worte finden also nur auf E r r e t t e t e ihre Anwendung. Jesus sprach sie nicht aus, weil Er es für Sich nötig hatte, vom Zorn Gottes errettet zu werden. Er kam aus dem Schoß des Vaters in diese Welt; Er stand da, als der Heilige — „der Sohn des Menschen, welcher im Himmel ist." Nie war Er weniger, als dieses; aber äußerlich waren Seine Umstände ganz verändert, und Er konnte sagen: „Bewahre mich , o Gott, denn ich traue auf dich! " Also können auch wir, die wir vom Bösen aller Art und von Feinden, die uns stets zu versuchen und aufzuhalten trachten, umgeben sind, dies Gebet zu dem unsrigen machen. Es gibt mancherlei Umstände, in welchen wir uns tagtäglich befinden, — Umstände, hinter welchen sich Satan verbirgt, und durch welche wir mit ihm in den Kampf gebracht werden. Nun können wir entweder dem Satan in diesen Dingen nachgeben, oder wir können Gott darin ehren und den Satan überwinden.
Unsere Füße aber werden immer ausgleiten, und Satan wird u n s stets überwinden, wenn wir nicht die Macht Gottes durch den Glauben in diese Umstände bringen, und dadurch siegen. Der Herr Jesus brachte immer die Gesinnung Gottes in die gegenwärtigen Umstände, und harrte auf Ihn; um die nötige Kraft von Stunde zu Stunde zu besitzen. Er stand nicht allein; denn als M e n s c h geziemte es Ihm nicht, allein und unabhängig zu stehen. Er war Der, welcher Sein Ohr von Morgen zu Morgen geöffnet hatte, gleich dem Gelehrten (Jes. 50, 4. 5). Er war der gehorsame Knecht, welcher nicht Seinen Willen tat, sondern den Willen eines anderen, und Er war unabhängig von Ihm. Und siehe! welch gesegnete Gemeinschaft mit dem Herrn Jesu muß eine Seele genießen, welche bereit ist, Ihm auf diesen Pfaden zu folgen und in seinen Fußstapfen zu wandeln. Der, welcher diese Fußstapfen ein wenig kennt, muß immer ausrufen: „ B e - w a h r e mich , o Gott , d e n n ic h t r a u e au f d i c h ! " Er muß seinen Platz jetzt da finden, wo ihn einst der Herr Jesus hatte. Es ist schon gesagt, daß wir weder Errettung, noch Frieden, noch Herrlichkeit durch Gehorsam erlangen können; aber es bringt uns viel Freude, wenn wir den Willen des andern tun. Es war eine Freude für Jesum, den Willen Seines Vaters zu tun. Dies war die einzige Stellung, in welcher der große Feind überwunden werden konnte. Deshalb nahm Er sie ein, und Er fand Segen darin. Und nun, geliebte Brüder, das Herz, welches eine andere Stellung liebt und wählt, kann nie in Gemeinschaft mit Jesu sein.
Es ist möglich, daß ein Heiliger in Unabhängig- 115 keit von Gott wandelt, und die Umstände selbst zu ordnen sucht, und daß dennoch ein solcher gesegnet ist, weil der, welchen Gott gesegnet hat, gesegnet ist, und weil Er nie aufhören kann, den zu segnen, welcher an Jesum glaubt, — ein solcher also kann nachlässig wandeln, er kann sich in einer unabhängigen Stellung von Gott befinden, aber die Gemeinschaft Jesu, welcher die unabhängige Stellung vor Gott wählte, genießt er nicht. Wenn dies nun bei einer Seele der Fall ist, so wird sie auch die Schwierigkeiten auf dem Wege, um in allen Umständen würdig zu wandeln, nicht erkennen, weil es gewöhnlich ist, daß diese Schwierigkeiten erst erkannt und gefühlt werden, wenn wir wirklich auf Gott trauen; und dann kommt auch dieses gesegnete Rufen aus dem Herzen: „ B e w a h r e m i c h , o G o t t , d e n n ic h t r a u e au f d i c h ! " Es gibt keinen Ausruf, welcher für den Heiligen ehrenvoller wäre, als dieser; — es war kein Ausruf, welcher sich dem Munde des Herrn geziemte, weil Er die Stellung des Gehorsams eingenommen, und deshalb die Schwierigkeiten in den Umständen fühlte. Er sagte: „ B e w a h r e m i c h , o G o t t , d e n n ic h t r a u e au f d i c h ! " Wenn also die Seele in Versuchung und Kampf ist, inmitten der boshaften Pfeile Satans — denn sie fallen schrecklich auf den, welcher im Gehorsam zu wandeln sucht — so dringt dieser Ruf zu Gott hinauf. Und kein Ruf ist Gott wohlgefälliger; er kommt von dem Geiste Christi in denen, welche im Kampf mit dem Bösen sind.
Er setzt Erkenntnis Gottes und unsers Mangels voraus; wir fühlen, daß wir als M e n s c h versucht und also von G o t t unterschieden sind. Obgleich Jesus wahrhaft Gott war, so war Er doch in Gleichheit der Menschen geworden, ein vollkommener und fleckenloser Mensch; — Er litt, da Er versucht ward. „Zu Jehova sprach ich: du bist der Herr! " — Diese Aufgabe ist so schwer zu erlernen, daß nur der Herr Jesus allein dieses sagen und darin v e r h a r r e n konnte. Er sagte es mit der Festigkeit der Seele, und wich nicht davon ab. Er kannte Jehova und sagte zu Ihm: „D u b i s t d e r H e r r ! " Dies ist im Gegensatz wider alle Götzen, — den Herrn zu unterscheiden von allem, was unser Herz, unsere Wünsche, unsere Gefühle und unsere Gesinnung beherrschen will, — wegzuwerfen alle Götzen, und Jehova über alles zu setzen. Dies ward nur in Jesu vollkommen gefunden: Gott in allem, was wir tun, als H e r r n anzuerkennen, Ihm unsern Willen zu unterwerfen, in allen Dingen, sowohl in der Wahl der Mittel, als in der Ausführung, unsern Willen Ihm zu opfern, das heißt: „D u b i s t d e r H e r r ! " So 116 weit dieses in den Herzen der Gläubigen verwirklicht ist, sind sie glücklich; und sie werden vor tausend Ängsten und Nöten, welche die treffen, die sich andern Herren unterwerfen, bewahrt bleiben. Die Seele hat alsdann Ähnlichkeit mit Jesu und hat Teil an Seiner Freude; sobald aber irgend etwas anderes in dem Herzen sich der Rechte des Herrn angemaßt hat, so wird gewiß auch in allen Gefühlen und Neigungen des Heizens Unordnung sein. Diese Gedanken sollen den Heiligen demütigen und richten, weil er nicht nur schwach, elend und wertlos nach dem Fleische ist, sondern auch, weil ihm Gott den Heiligen Geist gegeben hat, daß er möge stark sein, tüchtig in allen Dingen durch Jesum, der ihn kräftigt.
Und wenn uns unsere Herzen sagen, geliebte Brüder, daß es nicht also mit uns ist, so laßt uns durch diese Worte uns richten. Die Prüfung unsers Gehorsams wird uns demütigen und niedrig gesinnt machen, und alle selbstgefälligen Gedanken niederwerfen. Ja, ich bin überzeugt, daß, wenn diese Wahrheit in Treue auf unsere Seele angewandt wird, so wird sie uns eine geläuterte, sanfte und gedemütigte Gesinnung geben, welche in unsern Tagen unter den Heiligen so mangelhaft ist. In dieser Unterwerfung finden wir „die Güte", — die moralische Vollkommenheit des Verstandes, des Willens und der Handlung in Jesu. Alles, was sich in Jesu an Verstand, an Gefühlen und Neigungen, an Willen offenbarte, war vollkommen, und dies charakterisierte Seine „Güte". Aber was sagt Er von Seiner Güte? Verursachte sie Ihm Freude? Gewiß —. aber (Er sagt) diese Güte in Mir wird keinen Unterschied in Deinem Wesen, o Gott, hervorbringen; „ m e i n e G ü t e g e h t n i c h t z u d i r h i n , sondern . .. . " Welcher Zustand ist durch diese Güte verändert? „...z u d e n Hei - l i g e n , w e l c h e au f d e r E r d e s i n d , u n d d e n H e r r l i c h e n , a n d e n e n i c h a l l e m e i n e L u s t habe." Es ist immer ein Teil des Glaubens der Knechte Gottes: zu sehen, daß solche „auf der Erde sind" — eine heilige Priesterschar, in welchen, wenn das irdene Gefäß zerbrochen ist, auf einmal die Herrlichkeit des Lichtes, welches in ihnen ist, scheinen wird. Die Sinne sehen nur die irdenen Gefäße; aber der Glaube erkennt leicht den Puls, welcher, wenn auch nur schwach, für Jesum schlägt, und gern an Seine Wege denkt. Es ist oft so schwer, „diese Heiligen" zu erkennen; aber da, wo es jemand gibt, der den Namen Jesu bekennt, und die Frucht des Glaubens, der im Herzen ist, darbringt, — da sehen wir Einen, an dem Er „seine Freude" hat, Einen, welchen Er liebt, als Sich Selbst. Die habsüchtige, böse, argwöhnische Gesinnung der Welt, so wie die Ge- 117 sinnung des Fleisches in den Heiligen (denn beide sind gleich) erkennt leicht, was böse ist, und liebt, die Schwachheiten und Mängel der Heiligen auf eine harte Weise aufzudecken und auszulegen, und der Teufel unterstützt dieses immer.
Ja, das Fleisch deckt gern die Fehler der Heiligen auf, und brüstet sich dann, daß es nicht so schwach ist, wie ein anderer. Wie verschieden aber ist der Geist Christi! Nichts offenbart so sehr die Gesinnung des Geistes Christi, als die Liebe, welche nicht argwöhnisch ist, welche sich aber immer freut einen Heiligen zu finden, wie schwach und mangelhaft er auch sein mag. Ist dies auch unsere Freude, teure Brüder? Es ist gut, wenn wir diese Frage wohl beherzigen. Wir sind gewiß gesegnet, wenn wir uns mit der Versammlung Gottes, sowohl in ihren Gefühlen, Gedanken und Neigungen, als auch in ihrem äußerlichen Zeugnis, einverleibt wissen, wenn wir sie als von Gott anerkennen, ausgezeichnet, herrlich, als die, von welcher Christus sagt: „a n w e l c h e r i c h a l l e i n m e i n e L u s t h a b e " ; und über welcher Seine „Güte" bleibt. Diese „Güte" ist für sie, darum kann sie wohl als a u s g e z e i c h n e t betrachtet werden. Wir wissen, daß der Herr Jesus sagt: „Was ihr dem Geringsten unter meinen Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan." Nichts macht im Praktischen einen tieferen Eindruck auf den Christen, als tagtäglich an Christum zu denken, — nicht nur als im Himmel, sondern auch als in den Heiligen hienieden, so daß wir für sie sorgen können und sagen: „a n w e l c h e n ic h a l l e m e i n e L u s t h a b e . " Wenn wir also Gott mit den Heiligen vereinen, — wenn wir aufsehen zu Gott, und sagen können: „ B e w a h r e mich , o Gott , d e n n ic h t r a u e au f d i c h ! " und hinsehen auf die Heiligen und sagen: „an dene n ic h a l l e m e i n e L u s t h a b e , " — gewiß, eine solche Seele befindet Mch in einer Stellung von reichen, praktischen Segnungen. Dann werden die Widerwärtigkeiten, die sich uns auf dem Wege entgegenstellen, nur ein Samenkorn sein, welches in die Erde fällt und stirbt, auf daß es viel Frucht bringe.
Keins von diesen Körnlein wird verloren gehen; und obgleich viel Ausharren Not tut, es wird aber die Frucht nicht ausbleiben — ein reicher Erntetag wird kommen. Laßt uns aber bemerken, wie verschieden der Zustand dieser von dem Jener ist, von welchen gesagt wird: „Viel sind die Schmerzen derer, die anders wohin eilen. Ich will ihre Trankopfer von Blut nicht opfern, und ihre Namen nicht auf meine Lippen nehmen." Es ist ein Unterschied zwischen denen, die von der Welt, und denen, die von Gott sind. Der Herr wird mit jenen keine Gemeinschaft haben. Er sagt: Ich will keine Gemein- 118 schaft haben mit den Dingen, womit sie Gemeinschaft haben. „Trankopfer von Blut", — das ist der Charakter ihrer heiligen Dinge. „Sie laufen anders wohin." — Es macht nichts, wie weit sie entfernt sind; ihre Füße sind auf einem andern Wege. In Vers 5 finden wir Sein heiliges Verhältnis zu Gott: „ J e h o v a is t d a s T e i l m e i n e s B e s i t z t u m s." Dies ist wahr von Ihm und von uns. Ich wünsche, daß wir diese köstlichen Gedanken einen Augenblick betrachten. Unsere Freude ist Gott. Es gibt zwar Freude und Mitgefühl, aber kein wahres Glück außer Gott. Sind die Gefühle und Freuden des Himmels das Teil der Seele, so wird sie außer Gott nur unglücklich sein. Es würde nichts als Elend im Himmel sein, wenn Gott Selbst dort nicht das Teil eines jeden wäre. Ich versuche nicht zu erklären, wie dieses Glück oder diese Seligkeit sein wird; allein wenn die Seele mit der Herrlichkeit Seiner Zukunft beschäftigt ist, so ist es ihr nötig, daß sie Gott Selbst mit ihrem Teil und mit ihrer Freude verbindet, sonst würde selbst die Herrlichkeit eine zu große Last sein, denn a u ß e r Gott ist uns die Herrlichkeit fremd. „ U n d m e i n e s B e c h e r s . " Der Becher ist eine gegenwärtige Segnung. Jesus bewährte dieses, als Er hienieden praktisch in der Gemeinschaft mit Gott wandelte, und auch wir werden es erfahren, wenn wir in Seinen Fußstapfen einhergehen.
Kein Segen wird a m E n d e für uns verloren sein, aber wir werden g e g e n w ä r t i g Segen verlieren, ja, wir werden darben, wenn wir unser Glück anderswo suchen, als in dem Bewußtsein, daß der Herr „das Teil unseres Bechers" ist. Wir können verschiedene Becher für uns bereiten; wir können in diesen oder jenen Dingen Segen suchen, — nichts aber wird uns Trost und Freude bringen, nichts vollkommenen Segen bereiten, wenn nicht der Herr „das Teil unseres Bechers" ist. Gott a l l e i n kann die Seele wahrhaft befriedigen. „D u b e w a h r e s t m e i n Los. " Bewahren, ernähren, sorgen, — die Seele fühlt, daß sie dieser Stücke notwendig bedarf, wenn sie die Gefahr umher betrachtet. Die geübte Seele zittert beinahe, wenn sie eine Freude oder einen Segen empfängt, wovon sie nicht sicher weiß, ob es von Gott ist und von Gott bewahrt wird, weil sie überzeugt ist, daß alles andere, wie das Gras auf dem Felde verwelken wird. Aber wenn sie mit Gewißheit sagen kann: Dies ist kein Becher o h n e Gott, sondern v o n I h m , dann erhält sie Kraft und Freude und wiederholt mit Zuversicht: „D u b e w a h r e s t m e i n L o s." Alle Segnungen also, die uns von Gott zufließen, sei es Errettung, sei es Kraft zu dienen oder sei es 119 selbst eine irdische Segnung, welche durch Jesum kommt, wir haben immer das Vorrecht zu sagen: „Du b e w a h r e s t m e i n Los. " Und dann auch, in dem Maße, als wir den Herrn als das Teil unseres Besitztums und unseres Bechers und als unseren Erhalter sehen, sind wir fähig zu sagen: „Di e M e ß - s c h n u r f i e l m i r i n l i e b l i c h e r G e g e n d , j a e i n s c h ö n e s E r b t e i l i s t m i r g e w o r d e n .
" Die Heiligen sagen dies jetzt selten. Diese Lieblichkeit ist wenig bekannt, und warum? Weil der Herr so wenig genossen wird. Aber gerade in dem Maße, als wir Gott kennen und in Ihm ruhen, finden wir wahre Freude und verstehen, daß für uns die „Meßschnur in lieblicher Gegend gefallen ist." Gesegnet sind diejenigen, welche diese Erfahrungen zu verwirklichen suchen. Doch dies ist's, ich wiederhole es, worin die Gläubigen so mannigfach fehlen, — in der praktischen Anerkennung Gottes in ihren Wegen. Und wenn die Seele imstande ist, zu sagen: „Ich habe mit dem Herrn gewandelt und bei ihm Rat gesucht", so wird sie auch imstande sein, Ihn zu loben und sagen zu können, wie wir in diesem Psalm V. 7 lesen: „ I c h l o b e d e n H e r r n , d e r m i c h b e r a t e n , s e l b s t de s n a c h t s u n t e r w e i s e n m i c h m e i n e N i e r e n." Das ist eine glückliche Stellung. Aber nur dann, wenn die Seele mit Ihm wandelt, können wir von dem, was wir unternehmen, glückliche Erfolge erwarten. Haben wir unsere Wege selbst erwählt, so finden wir nur Unglück und Entfernung, und wir werden nicht imstande sein, den Herrn zu preisen, und zu sagen: „ I c h l o b e d e n H e r r n , d e r m i c h b e r a t e n . " Dieser Vers beschreibt gleichsam die Freude eines glücklichen Erntetages, als Folge unsers Wandels nach dem Rat des Herrn. Wir sind oft so eigensinnig, so eilig und nachlässig, daß wir etwas tun, wozu wir so sehr Seines Rates bedurft hätten, und doch suchen wir erst nachher diesen Rat. Und dann können wir den Herrn nicht loben, als Den, der uns b e r a t e n hat; wenn es auch möglich ist, daß wir Ihn deshalb loben, weil Er uns von der Torheit unserer selbst erwählten Wege errettet hat.
Wenn wir nicht nur den Herrn haben, sondern auch Sein Wort zu unserer Unterweisung, und den Heiligen Geist in uns wohnend, um uns zu raten und zu leiten, und uns seine eigenen Gefühle und Neigungen mitzuteilen, so können wir getrost voran gehen. Der Heilige hat eine verborgene Macht, um sich selbst zu richten, und oft „während der Nacht", wenn die Umstände, welche ihn beunruhigen, nicht gegenwärtig sind, werden wir von dem Heiligen Geist unterwiesen und ermahnt. „ I c h l o b e d e n H e r r n , d e r m i c h 120 b e r a t e n , s e l b s t de s n a c h t s u n t e r w e i s e n m i c h m e i n e N i e r e n . " Dies ist wirklich ein gegenwärtiger und wahrer Segen. Der Heilige Geist wohnt in uns; und wenn wir auf diese verborgenen Ermahnungen, auf diese verborgene Macht, um uns zu richten, (natürlich geleitet durch das Wort) mehr Acht gäben, so würden wir selbst von dieser wirksamen Macht, welche die Welt nie erfahren kann, überzeugt sein. Wir haben unseren geliebten Herrn, als Den, welcher den Pfad der Trübsal gewandelt hat, betrachtet, und hier sehen wir Ihn am Ende Seiner Wege. „D u tus. t m i r k u n d de n P f a d d e s L e b e n s ; e i n e F ü l l e vo n F r e u d e is t be i d e i n e m A n g e s i c h t , l i e b l i c h e s W e s e n a n d e i n e r R e c h t e n e w i g l i c h . " Damit wir fähig sind, dieses zu verstehen, müssen wir den Unterschied zwischen Tod und Leben begreifen. Wir lesen in dem Verse vorher: „ D e n n d u w i r s t m e i n e S e e l e n i c h t i n d e m H a d e s z u r ü c k l a s s e n , u n d n i c h t z u g e b e n , d a ß d e i n H e i l i g e r di e V e r w e s u n g sehe. " Nachdem Jesus das Verlassen sein von Gott erfahren hatte, wurde Ihm „der Pfad des Lebens und eine Fülle von Freude zur Rechten Gottes kund getan." Es gibt hier etwas, geliebte Brüder, da können wir unserem Herrn auf dem Pfade Seiner Leiden nicht folgen; wir können niemals erfahren, was Er durchgemacht. Er hat den Zorn Gottes getragen, den Zorn, den wir nie für uns tragen werden. Wir können Trübsal, Schmerz und Leiden haben, aber der Ausgang ist sicher und gewiß. Wir mögen auch etwas von dem Pfade des Lebens kennen, wenn wir ihn in unserer Erkenntnis von dem Pfade des Todes zu unterscheiden vermögen. Dies aber können nur die Heiligen.
Wenn der Geist, der in uns wohnt, uns zur Erkenntnis des Pfades des Todes gebracht hat, weil Er der „ l e b e n d i g e G e i s t " ist, so können wir begreifen, daß alles Liebliche und Schöne hienieden der Verwesung entgegen geht, und die Zeichen des Todes in sich trägt. Nun, alle Hindernisse und Trübsale, welchen wir hier so oft begegnen, werden aufhören; und dann werden wir erfahren, was es heißt, den „Pfa d de s L e b e n s " zu sehen und darauf zu wandeln, und zwar mit demselben Gefühl von Freude, von welchem unser geliebter Herr in Joh. 17 spricht. Jesus Selbst war in diesen Umständen, und Er hat uns dies Kapitel hinterlassen, auf daß wir durch die Erkenntnis Seines Dienstes und Seiner Wege getröstet würden, um sowohl in d i e s e n U m s t ä n d e n als auch in d e r H e r r l i c h k e i t hernach mit Ihm Teil zu haben. Und da es gewiß ist, daß wir das Ende des Segens erreichen werden, 121 so sollten wir jetzt diese Umstände nicht fürchten, sondern vielmehr wünschen, in dieselben gestellt zu werden, weil wir darin etwas von dem gesegneten Wandel Jesu erfahren. Die Seele, die nicht nachlässig, sondern im Gegenteil geübt ist, erkennt, daß diese Stellung, in welcher Jesus hier wandelte, die einzige Stellung ist, in welcher der Segen Gottes bleiben kann, und welche sie d e s h a l b wünscht. (Words of truth)
„War unser Herz nicht brennend in uns, als er auf dem Wege zu uns redete, und als er uns die Schriften auftat?" (Lukas 24, 13—32)
Erst dann, wenn die Befreiung in meinem Herzen durch den Glauben verwirklicht ist, verstehe ich in Wahrheit meine Stellung in dieser Welt, und erkenne, daß sie für mich eine Wüste geworden ist. Gestorben und auferstanden mit Christo, steht meine Seele nicht mehr in Beziehung zu dieser Welt und ihrem Wesen, sondern nur in Beziehung zu den himmlischen Dingen. Mein Wandel ist im Himmel. Doch gehe ich hienieden durch eine Wüste voll Kummer und Beschwerden, wo allein die Fußstapfen Jesu mir zum Wegweiser dienen.
Seine Gesinnung und Sein Wandel allein geziemt sich auch für mich auf diesem Wege. Nur dann bin ich gesegnet, wenn ich in allen Umständen Seinen Tritten folge; nur dann genieße ich S e i n e n Frieden und S e i n e Freude hienieden, wenn ich auf S e i n e m Wege wandle. Zwar ist es, wie gesagt, ein Weg voll Kampf und Trübsal, voll Schwierigkeiten und Verleugnung; aber es ist der Weg, auf den mich Gott gestellt hat, auf welchem Er Sich jetzt an mir verherrlichen will, — der einzige, auf welchem ich Seine gesegnete Gemeinschaft genießen kann. Es ist so tröstlich, für unsere Herzen, teure Brüder, wenn wir überall in dieser Wüste unserm geliebten Herrn begegnen. In allen unseren Versuchungen ward Er versucht, und in allen hat Er gelitten. „Und deswegen sollte er in allem den Brüdern gleich werden, auf daß er in den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hoherpriester werden möchte, um die Sünden des Volkes zu versöhnen. Denn in d e m e r s e l b s t g e l i t t e n h a t , d a e r v e r s u c h t w a r d , v e r m a g e r d e n e n z u h e l f e n , di e v e r - 122 s u c h t w e r d e n " (Hebr. 2, 17. 18). Ich komme auf diesem Wege in keine Lage, in keine Schwierigkeit, wo ich Jesum und Seine Liebe nicht finde. Überall ist Er mein Trost und mein Licht, meine Speise und meine Kraft. Auch jetzt, obgleich in Herrlichkeit, ist Er stets um mich beschäftigt, und begleitet mich im Geist durch diese Wüste. Nie bin ich allein, nie verlassen. Wenn der gefangene Paulus zu Rom bei seiner ersten Verantwortung erfahren mußte, daß sie ihn alle verließen, so konnte er dennoch bekennen: „ D e r H e r r a b e r s t a n d m i r be i u n d s t ä r k t e mich , . . . un d ic h b i n g e r e t t e t a u s d e m R a c h e n d e s L ö w e n " (2. Tim. 4,16. 17). — So bietet uns auch diese Geschichte der beiden Jünger auf dem Wege nach Emmaus in dieser Beziehung manches Liebliche dar. „Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselbigen Tage nach einem Dorfe, das sechzig Stadien von Jerusalem entfernt liegt, welches Emmaus heißt.
Und sie unterhielten sich über alles dieses, welches sich zugetragen hatte. Und es geschah, als sie sich unterhielten und sich einander befragten, daß Jesus selbst nahete und mit ihnen ging. Ihre Augen aber wurden gehalten, ihn nicht zu erkennen." Der Gegenstand der Unterhaltung war für die Jünger von höchstem Interesse. Sie hatten schreckliche Dinge gesehen; ein gewaltsamer Tod hatte Den von ihrer Seite weggerissen, den sie sehr liebten, und dessen Umgang für sie so gesegnet gewesen war. Dennoch lebte Er, und Er nahete ihnen, während sie sich von Seiner Trennung unterhielten und darüber trauerten. Ihre Augen aber wurden gehalten, Ihn nicht zu erkennen. Sie sollten Ihn auch von jetzt an nicht mehr in derselben Weise erkennen, wie sie Ihn gekannt hatten. Er Selbst hatte schon zu Maria Magdalena gesagt: „Rühre mich nicht an; denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater" (Joh. 20, 17). Paulus schreibt den Korinthern: „Wenn wir aber auch Christum n a c h d e m F l e i s c h gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr." Jesus offenbarte Sich zwar den Jüngern nach Seiner Auferstehung, nicht aber um hienieden das frühere sichtbare Verhältnis i m F l e i s c h e wieder herzustellen, sondern um sie zu trösten, und besonders auszurüsten, Zeuge Seiner Auferstehung zu sein. Christum im Fleisch gekannt zu haben, war nicht länger ein besonderes Vorrecht. Wir haben jetzt Christum verherrlicht im Himmel, erhöht zur Rechten Gottes. Also kennen wir Ihn jetzt, und also ist Er unser Teil. Mit Ihm sind wir vereinigt im Leben. Aber obgleich im Himmel, so ist Er doch stets bei den Seinigen im Geiste gegenwärtig. Sie können fort und fort Gemein- 123 schaft mit Ihm haben; aber nur durch den Glauben.
Seine Gegenwart bleibt uns selbst dann, wenn wir sie, was immer traurig ist, durch Unwissenheit, Zweifel, Unlauterkeit usw. nicht genießen. Nie kann Er die Seinigen, die hier in der Wüste sind, wo sie nicht Weg noch Steg wissen, wo mächtige Feinde sie umgeben, wo Sünde und Fleisch stets reizen und locken, wo keine Nahrung für die Seele ist, — nie kann Er sie hier allein lassen. Er ist das Leben, das Licht und die Kraft der Seinigen. Hienieden ist nichts mehr, was Interesse für uns hat, als die Seinigen, die hier mit uns wandeln; nichts kann hier eine Erquickung für unsere Seele sein, als wenn wir von oben erquickt werden, und wenn Gott in diese Umstände eingreift, und Sich in Seiner Gnade, Liebe und Macht verherrlicht. Selbst das Jerusalem hier unten hat für uns kein Interesse, wenn wir es nicht als Gegenstand der Ratschlüsse Gottes betrachten. Unsere Berufung ist nicht irdisch, sondern himmlisch. Wir finden in dieser Wüste keinen Ort, wo wir unser Haupt niederlegen können; unsere Heimat ist droben, und durch den Glauben wandeln wir jetzt schon dort. Wir sind auf dem Wege zu Ihm, und es ist für uns so gesegnet, Ihn als Mittelpunkt aller Ratschlüsse Gottes und als das Alpha und Omega, Ihn in Seiner ganzen Fülle zu betrachten. Er allein ist der Gegenstand unserer Liebe, ein Gegenstand von höchstem Interesse für uns. So gibt es auch für uns keine Unterhaltung auf unserem Wege durch die Wüste, die köstlicher und gesegneter wäre, als die von Ihm. Jedes Herz, was Ihn wahrhaft besitzt und kennt, ist erfüllt von Seiner Fülle, und aus dieser Fülle redet der Mund. Und während wir hienieden von Ihm reden, ist Er Selbst stets gegenwärtig, uns zu unterweisen, zu trösten, zu stärken. Es gibt keine Lage, wo wir Ihn nicht finden. Er kennt und sorgt für alle unsere Bedürfnisse.
Wie gesegnet ist doch unser Wandel, wenn wir Ihn kennen und das Bewußtsein Seiner Gegenwart stets in unseren Herzen tragen; aber auch wie traurig und unruhig sind die Seinigen, wenn ihnen dies Bewußtsein mangelt. Das Gefühl des Alleinseins ist für die, welche Seine Gemeinschaft genossen haben, höchst schmerzlich und niederdrückend. „Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr, wandelnd, miteinander wechselt und seid niedergeschlagen? — Einer aber mit Namen Kleophas, antwortete und sprach zu ihm: Weilest du als Fremdling allein in Jerusalem, daß du die D i n g e n i c h t weißt, welche i n d i e s e n T a g e n in ihr geschehen-sind? — Und er sprach zu ihnen: Welche? — Sie aber sprachen zu ihm: Die von Jesu, dem 124 Nazaräer, welcher ein Prophet war, mächtig im Werk und Wort vor Gott und dem ganzen Volk; und daß ihn unsere Hohenpriester und Obersten zum Urteil des Todes überlieferten und ihn kreuzigten. Wir aber hofften, daß er der sei, der Israel erlösen sollte. Doch auch bei alledem ist es heute der dritte Tag, seit diese Dinge geschehen sind. Aber auch einige Weiber der Unseren haben uns außer uns gebracht, welche am frühen Morgen zur Gruft gewesen sind; und als sie seinen Leib nicht fanden, kamen sie, sagend, daß sie ein Gesicht von Engeln gesehen hätten, welche sagen, daß er lebe. Und einige der Unseren gingen nach der Gruft und fanden es so, wie es auch die Weiber gesagt hatten; ihn aber sahen sie nicht." Wir sehen hier, mit wieviel Ungewißheit, Zweifel und Verwirrung die Herzen dieser Jünger erfüllt waren. Sie hatten erkannt, daß dieser Jesus ein Prophet war, mächtig in Wort und Werk vor Gott und dem ganzen Volk; sie waren mit Ihm in Israel umhergewandelt; sie hatten dessen Erlösung von Ihm erwartet, und jetzt? — Jesus hatte Sein Leben am Kreuze ausgehaucht und Israel war nicht erlöst; Er war ins Grab hinabgesunken und mit Ihm alle ihre Hoffnungen. Ihr Glaube (oder vielmehr Unglaube) ruhte in den Umständen, und nicht im Wort; er war nicht gestützt auf die Unveränderlichkeit der Ratschlüsse Gottes, noch auf Seine Macht und Weisheit. Es waren auch ihre Herzen durch etliche verwirrt worden, welche die Nachricht vom Grabe brachten, daß Er lebe, ohne daß sie Ihn Selbst gesehen hatten.
Wie wunderbar lautet die Sprache dieser Jünger in der Gegenwart Jesu; wie befremdend ist es in der Gegenwart Dessen, in Dem alle Verheißungen Ja und Amen sind, zu hören: „Wir aber hofften, daß er der sei, der Israel erlösen sollte." Wir verstehen dieses nur, wenn wir uns an die Worte erinnern: „Ihre Augen aber wurden gehalten, ihn nicht zu erkennen." — Es schwindet nur dann alle unsere Furcht und Ungewißheit und alle unsere Unruhe und Verwirrung, wenn wir von Seiner Gegenwart ü b e r z e u g t sind, wenn unser Glaube Ihn schaut. Es ist gewiß, geliebte Freunde, daß viele der Seinigen in dieser Welt wandeln, ohne von Seiner steten Gegenwart überzeugt zu sein, und dies erzeugt viel Unruhe in ihrem Herzen, viel Furcht und Verzagtheit in den Schwierigkeiten, viel Übermut in guten Tagen und so oft Unlauterkeit im Wandel, — alles aber darum, weil sie das Bewußtsein Seiner Gegenwart nicht völlig in sich tragen. Dies Bewußtsein macht uns stille und getrost in den Umständen, besonnen und stark in den Schwierigkeiten, ausharrend in den Trübsalen und wirkt stets heili- 125 gend auf unseren ganzen Wandel. Der Glaube hat an Ihm genug, wenn auch für unser Auge und für unsere fleischlichen Hoffnungen so wenig in dieser Welt übrig bleibt, als für jene Jünger. In Ihm haben wir die Fülle Gottes; wir haben a l l e s in Ihm, was zu jeder Zeit und in jeder Lage völlig zufrieden und glücklich macht, und Sein Wort ist stets der treue und sichere Leitstern für den Glauben. „Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen und von Herzen träge, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht der Christus dieses leiden, und in seine Herrlichkeit eingehen? Und von Mose und allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen den Schriften das, was ihn betraf."
Außer der steten G e g e n w a r t J e s u , gibt es noch etwas, was zur Beruhigung und zur Festigkeit unserer Herzen dient, d. i. J e s u m i n S e i n e r F ü l l e z u k e n n e n . Jesus Selbst führte diese beiden Jünger in die Schriften ein. Der Gegenstand dieser Schriften und des Wortes Gottes ist Er. „Und von Mose und allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in all den Schriften, w a s i h n b e t r a f . " Das geistliche und gläubige Herz findet in dem Worte Gottes überall Jesum, sowohl in den Schriften von Mose und den Propheten, als auch in denen der Evangelisten und Apostel. „Ihr suchet in den Schriften . . . d e n n s i e s i n d e s , d i e v o n m i r z e u g e n . " Sie zeugen von Seinen Leiden und von Seiner Herrlichkeit. Jenen Jüngern waren ohne Zweifel die Schriften nicht unbekannt; aber ihre Kenntnis war in ihrer jetzigen Lage nicht mit Glauben verbunden. „O ihr Unverständigen und von Herzen träge, zu glauben alles, was die Propheten geredet haben." Wieviele lesen das Wort Gottes, wieviele kennen es, und dieses Lesen, und dieses Kennen bleibt ohne allen gesegneten Einfluß auf ihre Herzen und ihren Wandel, weil der Glaube fehlt. Das Herz ist ungewiß und unruhig trotz dieser äußeren Bekanntschaft mit dem Worte. Wo aber der Glaube wirksam ist, da offenbart sich dies Wort als G o t t e s Wort. „Meine Worte sind Geist und Leben", sagt Jesus. Für den Glauben wird das stets in uns verwirklicht und gewiß gemacht, was wir hoffen und nicht sehen, wovon uns aber das Wort redet. Und diese Verwirklichung und Gewißheit durch den Glauben erzeugt im Herzen Leben und Seligkeit, Friede und Freude, Trost und Kraft, Ausharren und Hoffnung. Jesus Selbst war es, der mit den beiden Jüngern redete, und sie in den Schriften, die von Ihm zeugten, unterwies, obgleich sie Ihn nicht kannten.
Doch müssen sie nachher bekennen: „W a r u n s e r H e r z n i c h t b r e n n e n d i n u n s , al s e r au f d e m W e g e z u u n s r e d e t e , u n d 126 al s e r u n s d i e S c h r i f t e n a u f t a t." Wir haben vorhin gesehen, daß Jesus Selbst die Seinigen im Geist begleitet; hier finden wir Ihn auch beschäftigt, ihnen 'die Schriften zu eröffnen, damit sie Ihn in Seiner ganzen Fülle, sowohl in Seiner Niedrigkeit, als auch in Seiner Hoheit kennen lernen. Diese zwei Stücke bedürfen wir hienieden: S e i n e G e g e n w a r t u n d d i e E r k e n n t n i s G o t t e s o d e r S e i n e F ü l l e i n J e s u ; und wir sehen hier, daß ans durch Ihn Selbst beides zuteil wird. Wir haben die Heiligen Schriften, die von Ihm zeugen noch reichhaltiger als jene Jünger; wir finden im voraus auf alle die Fragen und Gedanken, die in unseren Herzen aufsteigen können, eine völlig genügende Antwort. Welche treue Fürsorge Gottes für uns! Aber wie beschämend auch, wenn wir trotzdem in mancher Lage traurig, niedergeschlagen, unruhig und besorgt sind; und dies ist immer der Fall, wenn, wie schon bemerkt, das Wort nicht im Glauben aufgenommen wird. Aber auch wie tröstlich für unsere Herzen, wenn Jesus durch den Heiligen Geist mit uns redet; wie werden sie belebt und brennend, wenn der Heilige Geist unseren Herzen die Schriften aufschließt. Da wird uns das bekannte Wort, als noch nie gekannt, und das so oft gelesene, als noch nie gelesen. Wie oft haben wir, geliebte Brüder, diese köstliche Erfahrung in den verschiedenen Umständen und Schwierigkeiten gemacht, und wir machen sie noch immer fort. Er kommt stets unserer Schwachheit zu Hilfe, und Er weiß am besten, was wir auf dem Wege durch die Wüste bedürfen, weil Er Selbst diesen Weg in Niedrigkeit, wo Er nicht hatte Sein Haupt hinzulegen, gewandelt hat. Darum kann Er allein unsere Herzen wahrhaft brennend machen. damit wir unseren Weg immer mit Freude und Trost und Ausharren fortsetzen. Lasset uns denn nie vergessen, daß Er stets bei uns ist, und daß wir hienieden durch das Wort Gottes und den Heiligen Geist, in welchem Er stets unter uns ist, unterwiesen werden zu Seiner gesegneten Erkenntnis. „Und sie naheten dem Dorfe, wohin sie gingen; und er stellte sich, als wollte er weitergehen.
Und sie nötigten ihn, sagend: Bleibe bei uns; denn es ist gegen Abend, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, um bei ihnen zu bleiben.— Und es geschah, als er mit ihnen zu Tische lag, nahm er Brot und segnete; und brechend reichte er es ihnen. Ihre Augen aber wurden aufgetan, und sie erkannten ihn; aber er ward ihnen unsichtbar. Und sie sprachen zueinander: War unser Herz nicht brennend in uns, als er auf dem Wege zu uns redete und als er uns die Schriften auf tat?" 127 „Er stellte sich, als wollte er weiter gehen." Wir sehen also, daß Er Selbst bereit war, bei ihnen zu bleiben und mit ihnen einzukehren. Es sollte nur ihr Verlangen offenbar werden. Und wie konnten die Jünger anders als Ihn bitten, bei ihnen zu bleiben. Wenn Er auch noch für sie ein Fremdling war, so war Er doch ein seltsamer Fremdling. Wie hätten sie sich von Ihm so leicht trennen können! Er hatte sie in ihrer Betrübnis und Verwirrung aufgerichtet. Seine Gegenwart war ihnen lieb und teuer geworden; Sein Wort und Seine Eröffnung der Schriften hatten ihre Herzen brennend gemacht, Er war für sie in ihrer Trauer und Not ein tröstender Engel. Es gibt nichts Erquicklicheres auf unserem Wege, als die Gemeinschaft Jesu zu genießen. Er ist immer da, w o und w i e wir Ihn bedürfen. Doch schrecklich und trostlos ist es, Seine Gemeinschaft zu entbehren — besonders wenn man sie genossen hat. Der Herr aber Selbst weiß, wie unentbehrlich Er für uns ist, darum läßt Er uns nicht, sondern geleitet uns alle Wege. Wir finden hier den Herrn mit Seinen Jüngern am Tische, und Er wird von ihnen am Brotbrechen erkannt. Welche Gnade, daß Er uns in dieser Wüste einen Tisch bereitet, wo Er Selbst unter uns Teil nimmt.
Nicht nur begleitet Er die Seinigen auf ihrem Wege durch die Wüste, nicht nur ist Er ihre Freude, Trost und Kraft in allen Umständen, sondern Er bereitet ihnen auch einen Tisch in einem öden und dürren Lande, um sie zu erquicken und zu erfreuen. Er ist Selbst gegenwärtig und ist die Speise der Seinigen. Alles, was Er in Seiner Niedrigkeit bis in Seinen Tod war, ist die wahre Speise für unsere Seele. Sein Leib ist in den Tod gegeben und Sein Blut für uns vergossen worden. Wir bekennen an Seinem Tische, wie völlig unser Anteil daran ist. „Der Kelch der Segnung, welchen wir segnen,— ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, welches wir brechen, — ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus?" (1. Kor. 10,16). Wir freuen uns als Erlöste und Versöhnte mit dankbarem Herzen Seines Todes, wir freuen uns Seiner Auferstehung und warten auf Sein Kommen. An Seinem Tische bezeugen wir, daß wir Ihn kennen, sowohl in Seiner Niedrigkeit wie in Seiner Verherrlichung. Er hat unsere Augen aufgetan, Ihn zu sehen und zu erkennen. So lasset uns" denn allezeit ge t r o s t sein, geliebte Brüder, denn alles bezeugt uns, wie sehr wir selbst in dieser Wüste dazu Ursache haben; wie sehr wir bewahrt und wie sorgfältig wir gepflegt und geleitet werden. Er mache denn stets unsere Herzen brennend durch Sein köstliches Wort 128 und die Kraft des Heiligen Geistes; Er erleuchte unsere Augen, daß wir Seine Gegenwart stets durch den Glauben erkennen. Das Wort Christi wohne reichlich unter uns; es stärke und kräftige unsere Herzen, damit wir durch einen Wandel im Glauben Ihn allezeit verherrlichen.
Bileam, gedungen von Balak und benutzt von Gott (4. Mose 22 — 24)
Es ist sehr interessant und köstlich, die Wege zu sehen, welche die leitende Macht Gottes benutzt, um durch die Anstrengungen Satans gegen Sein Volk, den Segen desselben um so klarer an den Tag zu legen. Wir finden in diesen Kapiteln den Namen Gottes mit der Macht des Satans vermengt.
Es gibt Werkzeuge Satans, die bewußt,, und andere, die unbewußt durch dessen Macht geleitet werden. Wir finden kaum eine größere Verwirrung, als in dem, was sich hier zwischen Balaam und Balak ereignete. Balaam war, wie wir wissen, ein völlig gottloser Mensch (siehe 2. Petri 2,15.16. Juda 11). Nichts übertrifft die Bosheit und die Verderbtheit seines Weges. Und doch wird er ein P r o - p h e t genannt; wie von ihm gesagt ist: „'. . . welcher den Lohn der Ungerechtigkeit liebte, hatte aber eine Strafe seiner eigenen Verkehrtheit: ein sprachloses Lasttier, mit Menschenstimme laut redend, wehrte der Torheit des P r o - p h e t e n . " Wir sehen Kapitel 24, 1, daß er sich mit der Zauberei abgab; und dennoch, als er zu Balak kommt, sagt er: „Siehe, ich komme zu dir; nun aber, vermag ich zu reden, was es auch sei? Das Wort, das mir Jehova in den Mund legt, muß ich reden" (Kap. 22, 39). Balak suchte die Macht des Bösen gegen die Kinder Israel, des Volkes Gottes, und er erwartete dasselbe von Gott (Kap. 23, 27). In gewissem Sinne war dies ein Anerkennen der Macht und der Dazwischenkunft Gottes; und deshalb war alles V e r w i r r u n g .
Ebenso ist es jetzt in der Welt, da wo Satan wirkt. Wir sehen oft in denen, worin er wirksam ist, und welche sogar im Bösen geübt sind, ein unbestimmtes Fragen nach Gott. Dies ist aber nichts anderes als gänzliche V e r w i r r u n g ; man will den Willen Satans tun, und doch mit einer gewissen Anerkennung Gottes. 9 129 Kap. 22, 1—6: Wir sehen hier die Feindschaft der Welt gegen das Volk Gottes und besonders gegen die M a c h t des Volkes Gottes. Gottes Macht war mit Seinem Volke, und dieses rief die Feindschaft Satans hervor. Als der Sohn Gottes in die Welt kam, war die ganze Wirksamkeit der Macht und der Feindschaft Satans gegen Ihn gerichtet. So nachher gegen die Apostel, jene, „welche den Erdkreis aufwiegelten" (Apg. 17, 6); aber Gottes Macht ist mit Seinem Volke und Er ist für dasselbe. Siehe den Gesang des Moses (2. B. Mose 15, 14—16). Gott hatte Sein Volk mit mächtiger Hand und ausgestrecktem Arm von der Macht und der Gefangenschaft Satans befreit, und z u Sich gebracht (2. Mose 19, 4). Wenn dies der Fall ist, so sucht Satan andere in einen offenen Aufruhr gegen das Volk Gottes zu bringen.
Aber die Folge von diesem allem ist, daß er dieses Volk in besonderer Weise unter Gottes Auge und Sorge bringt. Schon der Wunsch, daß Gott Israel verfluchen sollte, macht Seine Segnung über dasselbe um so offenbarer. „Da hob er an seinen Spruch, und sprach: Aus Aram führte mich Balak, der König Moabs aus den Gebirgen des Ostens: ,Komm, verfluche mir Jakob, und komm, verwünsche Israel!' Wie soll ich verfluchen, den Gott nicht verflucht; und wie verwünschen, da Gott nicht verwünschet? Denn vom Gipfel des Felsen schau' ich es, und von den Höhen erblick' ich es: s i e h e , e i n V o l k , a b g e s o n d e r t w o h n e t e s , u n d u n t e r di e V ö l k e r r e c h n e t e s sic h n i c h t " (Kap. 23, 7—9). Hier finden wir den Erfolg von Satans Empörung. Es war nur, um auf das klarste zu offenbaren, daß das Volk nicht von dieser Welt war. So lange Israel in Ägypten lebte, gab es nichts von alle dem, was die Gedanken und Gesinnungen Balaks und Balaams gegen dasselbe hervorrufen konnte, oder was es der Welt unerträglich gemacht hätte. Doch der bemerkenswerteste Punkt dieses Zeugnisses von ihrer Segnung ist, daß sie ein e i g e n t ü m l i c h e s Volk waren, abgesondert von allen anderen Völkern, i n G o t t und in Übereinstimmung mit Seinem Worte. „Der Herr hat dir an diesem Tage versichert, daß du s e i n eigentümlich Volk bist" (5. B. Mose 29,18). Vers 11 und ferner; — Balaam, auf die Aufforderung Balaks, suchte Israel von einem „ a n d e r n O r t e " zu verfluchen. Er sagte zu Balak: „Tritt hin neben dein Brandopfer und ich will dort entgegen gehen."
Er scheint nicht zu wissen, wem er entgegen gehen will. Dieses zeigt ebenfalls die völligste V e r w i r r u n g . Er sagt: „Ich will dort entgegen gehen"; aber es war der Herr, welcher ihm begegnete, und Sein Wort in seinen Mund legte, um die F e s t i g - 130 k e i t S e i n e s R a t s c h l u s s e s i n B e t r e f f S e i n e s V o l k e s z u o f f e n b a r e n . „Nicht Mensch ist Gott, daß er lüge, noch Menschensohn, daß er bereue. Sollte er sprechen und nicht tun, und reden und nicht erfüllen: Siehe, zu segnen hab' ich empfangen; ?" Balaam würde sich gefreut haben, dieses Zeugnis Gottes zu ändern; aber er sagte: „E r s e g n e t e u n d ic h k a n n e s n i c h t w e n d e n . " Darnach kommt das Zeugnis d e r V o l l k o m m e n h e i t , d e r G e r e c h t i g k e i t G o t t e s , S e i n e s V o l k e s . „Er schaut nichts Böses an Jakob, und sieht kein Unrecht an Israel" (Kap. 23,21). Es gibt keinen deutlicheren Ausspruch der Wahrheit. Israel hatte so mangelhaft und ungläubig gehandelt, während seiner Wanderung durch die Wüste, daß selbst Moses, welcher es hinauf führte, und welcher der sanftmütigste Mann auf der ganzen Erde war, die Worte aussprach: „Widerspenstig wäret ihr gegen Jehova, s e i t - d e m ic h e u c h k e n n e " (5. B. Mose 9, 24).
Das Urteil dieses Mannes Gottes über dasselbe war nach einer vierzigjährigen Erfahrung, daß es ein hartnäckiges und rebellisches Volk war; aber das Urteil Gottes in Betreff ihrer Gerechtigkeit war seinem Urteil über die moralische Führung des Volkes gänzlich entgegen gesetzt. Es ist sehr beachtenswert, daß wir, indem wir dieses auf uns beziehen, zwischen diesen beiden Stücken einen bestimmten Unterschied machen: Das Gericht des Geistes Gottes in mir, sowohl über das, was wir praktisch sind, als auch über die Sünde im Fleische usw. und das Zeugnis des Geistes von dem, was Gottes Urteil über mich ist, d. i. was ich in Christo bin. Wir finden oft, daß die Seele durch den Geist Gottes beschäftigt ist, ein gerechtes Gericht über sich zu fällen, und vergißt, daß der Grund, auf welchem sie vor Gott, dem Ruheplatz des Glaubens steht, das ist, was er für uns durch den Herrn Jesum gewirkt hat.
Der Heilige Geist richtet die Sünde gemäß Seines Charakters, wie sie gesehen wird in dem Lichte der Heiligkeit Gottes; aber Er läßt mich auch wissen,, daß ich deshalb nicht gerichtet werde, weil Christus das Gericht für mich durchgemacht hat. In Betreff unserer Stellung vor Gott handelt es sich nicht darum, daß wir uns speziell untersuchen, ob wir Gutes oder Böses in uns finden, es handelt sich allein um die Wirkung und den Wert des Werkes Christi und Seiner Annahme. Wir stehen entweder unter dem völligen Gericht Gottes, tot in Sünden und Übertretungen, oder „wir sind angenehm in dem Geliebten." Obgleich es von großer Wichtigkeit ist, daß wir uns selber beurteilen, wie gesagt ist: „Wenn wir uns selbst beurteilen, so würden wir nicht gerichtet" (1. Kor. 11, 31. 32), so 131 ist dies doch ganz unterschieden von dem Urteil, welches Gott über uns fällt durch das Werk Christi.
Am Ende einer langen Reihe von Übertretungen, nachdem die Verderbtheit der Kinder Israel völlig offenbar geworden war, „schaute Gott nichts Böses an Jakob, und sah kein Unrecht an Israel" (Kap. 23,21). Wo die Seele eines Gläubigen das Urteil des Heiligen Geistes i n und ü b e r ihn mit dem Gericht Gottes durch das Werk Christi fü r i h n verwechselt, da kann kein Friede sein. „ .. . Jehova, sein Gott, ist mit ihm, und des Königs Posaunenhall unter ihm" (Kap. 26, 21). Das unterscheidenste Merkmal des Volkes Gottes ist: daß Er i n ihnen und u n t e r i h n e n ist (1. Kor. 14, 25). Es wird die größte Schwäche der Heiligen gesehen, wo dieses nicht der Fall ist. Es ist eine gesegnete Wahrheit, daß Gott Seine Kinder erlöst und gerechtfertigt hat, deshalb kann Er auch jetzt für immer „ u n t e r i h n e n w o h n e n " (2. B. Mose 29, 45. 46). „Gott führte ihn aus Ägypten, sein ist die Stärke des Wildochsen" (Kap. 23, 22). Ich darf mich nicht mit ihnen abgeben (sagt Balaam), ich habe zu viel erfahren, was sie sind, um dies zu tun; sie sind vereinigt mit Gott, mit Seiner Kraft und Seiner Macht. — „Nicht Zauberei hilft wider Jakob, noch Wahrsagung wider Israel. Zur Zeit wird es Jakob verkündigt und Israel, was Gott tut" (V. 23). „Zur Zeit", — wann war dies? Es war die Zeit, als Israel schwach und matt war, entmutigt durch die Länge des Weges und als noch keiner ihrer Feinde auf der anderen Seite des Jordans überwunden war. Diese Feinde waren viel mächtiger als sie, (5. B. Mose 7,1) und doch sagte er: „wa s G o t t t u t ! — Siehe das Volk, gleich der Löwin steht es auf, und gleich dem Löwen erhebet es sich. Es legt sich nicht, bis es den Raub verzehret, und das Blut der Erschlagenen trinket.
Da sprach Balak zu Balaam: Weder verwünschen sollst du es, noch segnen sollst du es. Und Balaam antwortete, und sprach zu Balak: Habe ich nicht zu dir geredet und gesprochen: alles was Gott reden wird, das werde ich tun? Und Balak sprach zu Balaam: Komme doch, ich will dich an einen anderen Ort führen, vielleicht gefällt es Gott, daß du mir es von dannen verwünschest. Da führte Balak Balaam auf den Gipfel des Peor, der emporragt über die Fläche der Wüste usw." (V. 24—28). Kap. 24, 1. „Und als Balaam sah, daß es Jehova gefiel, Israel zu segnen, ging er nicht, wie einmal und das andere Mal, nach Wahrsagung aus, und richtete nach der Wüste sein Angesicht. Und Balaam erhob seine Augen und sah Israel, gelagert nach seinen Stämmen: da kam auf ihn der 132 Geist Gottes. Und er hob an seinen Spruch und sprach: usw. (V. 1 — 9). Er beginnt das Volk Gottes selbst anzuschauen, und sieht Israel wohnend in seinen Zelten, in seinen eigenen Wohnungen. Der Anblick der Schönheit des Volkes Gottes gibt hier dem Heiligen Geist Gelegenheit, also zu sprechen, wie Er's Vers 5 und ferner tut: „Wie schön sind deine Zelte, o Jakob, deine Wohnungen, o Israel! Gleich Tälern breiten sie sich aus usw." Er schaut das Volk Gottes selbst und sieht seine Schönheit in den Gesichten des Allmächtigen. — Israel war beschäftigt mit seinen eigenen kurzsichtigen Gedanken in der G e g e n w a r t und diese Szene ging in die Z u k u n f t hinein. Ebenso ist es mit uns, geliebte Freunde. Wir sind oft mit unseren eigenen kurzsichtigen Gedanken beschäftigt; der Ankläger spricht gegen uns; und kann doch nichts über uns gewinnen, weil G o t t für uns wirkt.
Ich spreche hier nicht davon, daß Gott uns rechtfertigt, sondern von unserer gesegneten Stellung und von der nie versiegenden Quelle der Erquickung des Volkes Gottes — „alle meine frischen Brunnen sind in d i r." Gott offenbart dies aufs völligste durch das Böse, welches Balak und Balaam verlangten. Wir sehen in diesem Kapitel, wie man nach dem Willen des Satans wirksam sein kann und doch die Macht und Dazwischenkunft Gottes in etwa anerkennen. Deshalb ist hier auch a l l e s Verwirrung, und es wird immer also sein. Aber in dem Augenblick, wo die Kinder Gottes ihren rechten Platz vor Gott einnehmen, da ist keine Verwirrung, keine Unruhe, — der Pfad ist so einfach als möglich. Möge der Heilige Geist uns in den Stand setzen, um diesen der Kirche Gottes so ganz eigentümlichen Zug, und das, was die Macht ihrer Heiligkeit und auch ihres Trostes ist, zu verwirklichen, nämlich: „Jehova, sein Gott, ist mit ihm und des König« Posaunenhall unter ihm!"
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Der Durchzug durch das Rote Meer (Hebr. 11, 23—29)
Wir haben in diesen Versen ein kleines Bild, entworfen von dem Heiligen Geiste, von den Wegen Gottes, um Israel, Sein Volk, durch Moses aus Ägypten zu führen. Und wir können sagen, es ist ein treues Bild von der Befreiung der Kirche oder der Versammlung Gottes von der Macht Satans, und von den Mitteln, durch welche diese Befreiung vollbracht ist. Vers 23: „Durch den Glauben ward Moses, als er geboren war, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, daß das Kind schön war; und sie fürchteten sich nicht vor dem Gebot des Königs." — Gott bewies für den Moses in seiner Kindheit die zärtlichste Sorge.
Dasselbe hat Er bei uns getan in den Tagen, da wir Ihn noch nicht kannten Gottes Fürsorge war über uns in tausendfachen Wegen. Vers 24—26: „Durch den Glauben verweigerte Moses, als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharao's zu heißen, lieber wählend mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben, indem er die Schmach Christi für größeren Reichtum hielt, als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung hin."— Hier haben wir ein Wort in Betreff der Führung durch die Vorsehung Gottes.
Viele halten sich an der Vorsehung, als wenn dies die Führung durch den Glauben wäre. Nichts könnte uns die Vorsehung deutlicher an den Tag legen, als die Umstände, welche Moses an den Hof Pharaos brachten; aber es war nicht die Führung durch den G l a u b e n des Moses. Er war auferzogen als Sohn der Tochter Pharaos, unterwiesen in aller Weisheit der Ägypter, mächtig in Wort und Tat, — d o r t h i n hatte ihn die „Vorsehung" gebracht. Wenn es irgendwie eine augenscheinliche Vorsehung gibt, so ist es diese in Betreff des Moses.
Nachdem ihn seine Eltern drei Monate verborgen hatten und ihn nicht länger verbergen konnten, legten sie ihn in ein Kästchen von Rohr, und setzten ihn ins Schilf am Ufer des Nilstroms. Also ausgesetzt und schreiend, zog der Säugling die Aufmerksamkeit der Tochter Pharaos auf sich, welche in demselben Augenblick mit ihren Dirnen zu dem Orte hinging, um zu baden. Sie hatte Mitleid mit dem Knaben; sie achtete auf
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die Worte des jungen Mädchens, der Schwester Mose, und gab ihn seiner eigenen Mutter zur Pflege, um ihn für sie zu ernähren; — und er ward ihr Sohn. Das erste was Moses, als er zu Jahren gekommen, tat, war, daß er alle äußeren Vorteile hingab. Hätte er zuerst überlegt, gewiß würden seine Überlegungen einen weiten Raum für allerlei Folgerungen gehabt haben; er hätte denken können Gottes V o r s e h u n g hat mich hierher gestellt; ich kann meinen ganzen E i n f l u ß für das Volk Gottes benutzen u. dergl. Aber an so etwas dachte er nicht. Seine Stellung war mit dem Volke Gottes. Er handelte nicht fü r dieses Volk, noch suchte er dessen S c h u t z h e r r zu sein; seine Stellung war mi t und u n t e r dem Volke Gottes.
Die Vorsehung hatte ihm eine Stellung gegeben, welche er aufgeben konnte, die er aber nicht als Führer des Gewissens benutzen konnte. Es mag der scheinbarste Grund für eine Sache da sein, — wenn „das Auge einfältig" ist, so wird der ganze Leib „voll von Licht" sein. Moses sah in seinen Brüdern d a s V o l k G o t t e s , obgleich es ein schwaches Volk war; und er einverleibte sich mit ihm, als mit einem Volke, welches für Gott kostbar auf der Erde war.
Das ist, was der Glaube immer tut. Dies Volk mag sich in einer elenden und höchst unvollkommenen oder in einer herrlichen Lage befinden, — darum handelt es sich nicht, —• der Glaube macht sich ganz gleich mit dem V o l k e G o t t e s , mit dem, was vor Ihm kostbar ist, und darnach handelt er. Die Kinder Israel waren, wie gesagt, in einem sehr traurigen Zustande, und dennoch waren sie das „Volk Gottes"; und das erste, was der G l a u b e des Moses tat, war, daß er seinen Platz unter diesem bedrängten Volke nahm. Wenn er bei ihnen geschmäht war, so war es doch „die Schmach Christi", und er achtete diese für größeren Reichtum, als „die Schätze Ägyptens". Er urteilte Gott gemäß, und dies hielt seine Seele von jedem anderen Einfluß frei. Er schaute geradeaus. — „Laß deine Augen geradeaus schauen, und deine Augenlider stracks vor dich hinsehen usw." Auf einem anderen Wege kann das Licht nicht scheinen. Vers 27: „Durch den Glauben verließ er Ägypten und fürchtete nicht die Wut des Königs; denn er hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren." Der Glaube hatte den Moses in die Stellung gesetzt, wo die Belohnung für ihn sicher war, und auf diesem Wege wurde er durch den Glauben fähig, sich mit Gott Eins zu machen und auf Ihn, als seine Kraft zu schauen.
Plötzlich brach der Grimm des Königs aus. Doch derselbe Glaube, welcher am Ende des Pfades di e H e r r l i c h k e i t fü r i h n erblickte, sah Gott au f 135 d e m g a n z e n P f a d e fü r ihn . Dies ist das Geheimnis der wahren Kraft. Was der U n g l a u b e tut, ist dieses: Er vergleicht uns selbst und unsere eigene Kraft mit den Umständen; aber der Glaube vergleicht Gott mit den Umständen. Jenes war der Fall bei den Kundschaftern (4. B. Mose 13,14). Sie sagten: „Alles Volk, welches wir darin gesehen, sind Leute von Größe und Länge; und daselbst sahen wir die Riesen, die Söhne Enaks von.den Riesen, und wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und also waren wir auch in ihren Augen" (Kap. 13, 33. 34). Wenn die Kinder Israel ihre Länge mit der der Enakiter verglichen, so konnten sie dort nichts ausrichten. Was aber sagten Kaleb und Josua? Sie stillten das Volk und sagten: „Hinaufziehen werden wir, und es einnehmen, denn überwältigen werden wir es . . . Das Land, das wir durchzogen, es zu erkunden, das Land ist sehr, sehr gut. Wenn Jehova uns geneigt ist, so bringt er uns in dieses Land, und gibt es uns, ein Land, das fließt von Milch und Honig" (Kap. 13, 31 und Kap. 14, 7. 8). Sie verglichen die Söhne Enaks mit Gott, und da blieb es sich gleich, ob sie Riesen oder Heuschrecken waren. Sie redeten die Sprache des Glaubens. Es war nicht ein Besprechen der Umstände; sie sagten ganz einfach: „Größer ist er, der fü r uns ist, als alle die, welche g e g e n uns sind." Gott war da. Dies ist es, was den Weg des Glaubens so einfach macht. — Wie urteilte David? Er ging nicht, um die Länge Goliaths und seine eigene kleine Statur zu untersuchen; er brachte Gott hinein. „Wer ist der Philister, dieser Unbeschnittene", sagte er, „daß er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes höhnet?" — Das war eine grade und sehr gute Sprache. Wenn die vor uns liegende Herrlichkeit uns auf den Weg der Verheißung leitet, und wir unseren Platz mit dem verachteten und bedrängten Volke Gottes nehmen, so wird dies die Welt nicht lieben, und „der Grimm des Königs" wird, als Folge davon, ausbrechen.
Dies ist nun immer etwas, was wir so lange fürchten, und wovor wir so lange zittern, bis Gott von der Seele klar erkannt wird, als ein Gott, der fü r uns ist. Als Pharao den Kindern Israel mit all seinen Wagen und seinen Reitern und seinem Heere nachjagte, (2. Mos. 14) (er hatte jene wohl ziehen lassen, um Jehova zu dienen; aber sein Herz war nicht anders gegen sie gesinnt) gab der Herr zu, daß das Volk einerseits von dem Heere Pharaos (der Macht des Bösen) und andererseits von dem roten Meere umgeben wurde. Nachdem sie völlig eingeschlossen waren, sagte Er: „Fürchtet euch nicht, stehet und sehet die Hilfe Jehovas, welche er euch heute erweisen wird." 136 Wenn Gott mit den Sündern in Verkehr tritt, s o m u ß E r m i t i h n e n v e r k e h r e n n a c h d e m , w a s E r ist , — al s ei n h e i l i g e r Gott . Mögen es die Israeliten oder die Ägypter sein, Er muß mit ihnen handeln, nach dem, was Er ist. Das Gericht Gottes muß die Sünde treffen. Gottes Vorsatz war, Israel zu segnen, und, indem Er dieses tat, mußte Er Ägypten richten. Er muß deshalb der Sünde gedenken. Und so ist es immer. Wenn Gott mit einem Herzen in Verkehr tritt, so ist, wenn es sich auch um etwas zwischen dem Herzen und der Macht Satans handelt, dies doch nicht das erste, woran Got t denkt. Bei einer neuerweckten Seele zwar wird das traurige Bewußtsein der Macht Satans und der Knechtschaft seines Dienstes oft einen tieferen Einfluß ausüben, als die Furcht vor der Wirkung und dem Wesen der Sünde. Allein damit beginnt Gott nicht. Er befreit uns wohl davon, aber Er fängt nicht damit an. Zuerst gedenkt Gott dessen, was zwischen Ihm und uns ist. Die Kinder Israel waren in den Götzendienst verfallen; sie waren schlechter als die Ägypter; sie hatten die Verheißungen Gottes (1. Mos. 15) gehört und dienten den Götzen in Ägypten, und dennoch fühlten sie ihre Sünde nicht. —• Sie seufzten unter den Fronvögten Ägyptens; sie beklagten ihre Gefangenschaft; — und dies alles rief das zärtliche Mitleid der Liebe Gottes hervor. Er kam zu Mose hernieder und sprach zu ihm: „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes, das in Ägypten ist, und ihr Geschrei habe ich gehöret wegen ihrer Treiber; denn ich kenne ihre Leiden. Und ich bin herabgekommen, es zu erretten aus der Hand der Ägypter" (2. Mos. 3, 7). Wenn Er aber kam, um die Sünde zu richten, so mußte Israel vor dem Gericht sicher gestellt sein, oder dieses würde auf dasselbe ebenso gewiß gefallen sein, als auch auf die Ägypter.
Die Frage war also nicht, ob Israel in der Gegenwart Pharaos, sondern ob es in der Gegenwart Gottes stehen konnte. Vers 28: „Durch den Glauben hielt er das Passah und die Besprengung des Blutes, auf daß der, welcher die Erstgeburt zerstörte, sie nicht antastete." Gott hatte zu Israel gesagt, 12. Mose 12) sie sollten von dem B l u t e des Passah-Lammes nehmen und es an die beiden Pfosten und die Oberschwelle der Häuser, worin sie aßen, streichen. „Und ich werde", sagte Er, „durch das Land Ägypten gehen in dieser Nacht und schlagen alles Erstgeborene im Lande Ägypten vom Menschen bis zum Vieh; und an allen Göttern Ägyptens werde ich Gericht üben, ich Jehova. Und das B l u t soll euch zum Zeichen sein an den Häusern, woselbst ihr seid; und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorüber- 137 gehen, und es wird euch keine Plage treffen zum Verderben, wenn ich das Land Ägypten schlage." Der Würgengel ging durch das Land. In der Finsternis und in dem Tode der Nacht verrichtete er sein Werk. Er würde keinen Unterschied zwischen den Häusern der Israeliten und denen der Ägypter gemacht haben, wenn sie nicht mit dem B l u t e bezeichnet gewesen wären. An einem solchen Hause aber ging er vorüber; er sah das Blut an der Türschwelle und an den Türpfosten, und dann untersuchte er nicht weiter und ging auch nicht hinein. — Aller Verkehr Gottes mit einem Sünder muß auf dem Grunde Seines heiligen Gerichts über die Sünde stattfinden.
Da, wo es sich um Errettung handelt, sucht Er sie von Seiner Heiligkeit und dem Gericht zu überzeugen, und Er sagt: Das Gericht über die Sünde ist gekommen, und es ist die Folge derselben; und dann bringt Er das Blut auf die Türschwelle und die Türpfosten. Ehe uns Gott die Reise nach Kanaan antreten läßt, offenbart Er auf das klarste, daß alles in Betreff der Sünde beseitigt ist, und daß die Forderungen Seiner Gerechtigkeit vollkommen befriedigt sind. Gott kann mit uns in Gnade handeln; aber Er begibt Sich nicht mit uns eher auf den Weg, bis die Frage über die Sünde beseitigt ist. Ehe Israel seine Reise antrat, hatte Gott das Land im Gericht durchzogen. Sie aber aßen in dem völligsten Vertrauen, daß sie unter dem Schutze des Blutes des Lammes seien. Bevor wir beginnen im Glauben zu wandeln, muß die Frage des Gerichtes Gottes über die Sünde erörtert sein. Alles, d. h. das christliche Leben, der Weg der Erfahrung, das Leben des Glaubens, ist darauf gegründet, daß Gott an uns vorüber gegangen ist. An der Sünde aber kann Er nicht vorübergehen. Er zeigt uns, wenn Er das Bewußtsein der Sünde in uns erweckt hat, das B l u t ; und ehe wir den Weg des Glaubens betreten, unterweist Er uns, daß Alles in Betreff der Sünde ein für allemal geordnet ist. „Ihrer Sünden und Übertretungen will ich nicht mehr gedenken." Darnach wird Er auf dem Wege ein Gott fü r uns. Der Glaube sieht und erfaßt (nicht, als ob es keine Sünde und kein Gericht gäbe) das Werk und das Wort Gottes, und siehe: Alles ist zwischen Ihm und uns fü r i m m e r beseitigt. Das B l u t ist zwischen die Seele und Gott gestellt, — dasBlutde s S o h - n e s G o t t e s .
Nie gab es ein solches Gericht über die Sünde. Mögen meine Sünden noch so groß sein, ich sehe hier etwas, welches jede Forderung der Gerechtigkeit Gottes auf das vollkommenste befriedigt hat: „ U n d d a s B l u t s o l l e u c h z u m Z e i c h e n s e i n usw." Und dennoch ist die Seele leider! zu sehr daran gewöhnt, 138 ein Sklave zu sein. Nachdem die Kinder Israel das Blut auf den Türpfosten gesehen hatten, finden wir sie zitternd vor der Macht Pharaos. Sie waren auf der Reise, aber sie waren noch nicht aus Ägypten; sie befanden sich noch auf dem Gebiete Pharaos. Wohl besaßen sie die Erkenntnis von der Befreiung durch das Gericht Gottes, welches auf die Erstgeborenen gefallen war; aber sie waren noch im Kampf mit Pharao. Zur bestimmten Zeit traten sie ihre Reise an; sie verließen die Welt, sie gingen aus Ägypten, dem Orte, wo sie Sklaven gewesen waren, und Pharao, der Fürst der Welt, verfolgte sie. Da kam Furcht und Schrecken. So lange wir nicht wissen, daß der Tod Christi uns vollkommen aus dem Bereich Satans befreit hat, können wir nie wahre Ruhe der Seele haben. Der Satan kann immer Forderungen an uns stellen, bis wir ihm sagen können, daß wir mit Christo gestorben und auferstanden sind. Weil sie Sklaven der Macht Pharaos waren und weil sie Pharao fürchteten, (und es ist kein Wunder) hatten sie nicht den Glauben, zu sagen: „Wenn Gott für uns ist, wer ist wider uns!" Pharao war stärker als Israel; aber Gott war stärker als Pharao. Als sie ihre Augen erhoben und sahen die Ägypter hinter sich herkommen, wurden sie sehr furchtsam; und sie sagten zu Mose: „Weil wohl keine Gräber in Ägypten waren, hast du uns weggeführet, damit wir sterben in der Wüste? Warum hast du uns das getan, daß du uns aus Ägypten führtest? Ist es nicht das Wort, was wir zu dir redeten in Ägypten: Laß ab von uns, wir wollen den Ägyptern dienen; denn besser ist es uns, den Ägyptern zu dienen, als daß wir sterben in der Wüste?" (2. Mose 14, 11—12). Sie verrieten hier, was ihre Gefühle betrifft, einen schlechteren Zustand, als je zuvor, Und so ist es oft mit den Heiligen.
Wir bedürfen der Kraft Gottes m i t uns und fü r uns und auch die Überzeugung davon, (und zwar ebenso sehr als wir die Gewißheit der Befriedigung des Gerichtes Gottes bedurften, als dieses gegen uns war), wenn wir die Fülle des Friedens besitzen wollen. Ich mag die Kraft des Blutes Christi, welches durch das Gericht segnet, erfahren haben; aber es ist eine ganz verschiedene Sache, eine beständige und völlige Überzeugung zu haben, daß Gott fü r mich ist. Zuerst, nachdem Gott in der Seele ein Gefühl der Sünde, wie Er sie sieht, erweckt hat, entsteht die Frage, wie diese Seele gegen Sein gerechtes Gericht mag gesichert werden. Sie sieht durch den Glauben das Blut Christi und bekommt Frieden. Allein, wenn ich das Blut aus dem Gesicht verliere, betrachte ich Gott, zur Besorgnis meiner Seele, immer noch als Richter. Dies ist aber nicht der eigentliche Platz für 139 einen Gläubigen. Ich sehe da die Gerechtigkeit Gottes, und — „ohne Blutvergießen ist keine Vergebung!" Wenn ich nun sagen kann, daß das Blut, welches vergossen ward, jene Gerechtigkeit befriedigt hat, so kann ich sehen, daß Gott nicht länger ein Richter ist, Seine Gerechtigkeit ist befriedigt worden. Aber wenn Seine Gerechtigkeit noch befriedigt werden muß, so ist er auch noch ein Richter. Die Israeliten bekamen solche Furcht, Schrecken und Not, sie waren so sehr unter der Macht des Bösen, welches gegen sie war, daß es bei ihnen sogar in Frage gestellt wurde, ob sie Gott oder den Satan haben wollten. Und so ist es stets mit den Heiligen, welche noch nicht befreit sind, sobald Schwierigkeiten und Hindernisse kommen. Wir sind so sehr die Sklaven der Gewalt des Satans gewesen, daß wir kein Bewußtsein von der Errettung Gottes haben. Es war Pharao (bei uns ist es Satan) die Macht des Bösen, welcher sie verfolgte, und sie bis auf diesen Punkt trieb, wo Tod und Gericht (wovon das Rote Meer das Symbol ist) ihnen ins Auge sah.
Tod und Gericht aber mußten für sie völlig hinweggetan sein, wenn sie unversehrt durch beides hindurch gehen wollten; sie konnten nicht in ihrer eigenen Kraft durch diese Schwierigkeiten kommen: — das Rote Meer war vor ihnen und sie konnten nicht hindurch gehen, und Pharao und alle seine Kriegsheere hinter ihnen; dawar auch kein Ausweg auf irgend einer anderen Straße. Sie waren ganz eingeschlossen und wurden zu der Überzeugung gebracht, daß sie eines Befreiers bedurften, oder es war mit ihnen ganz aus. Dies nun war der Weg Gottes zur Befreiung, und Moses sagte: „Fürchtet euch nicht, stehet und sehet die Errettung Jehovas, welche er euch heute erweisen wird; denn die ihr heute sehet, die Ägypter, werdet ihr nimmermehr sehen ewiglich" (2. Mos. 14, 13). Ihr könnt weder vorwärts noch rückwärts gehen, ihr müßt ganz still stehen und sehen die Errettung von Seiten des Herrn. „Jehova wird für euch streiten und ihr sollt ruhig sein" (V. 14). Der Herr schreitet ein und stellt Sich zwischen den Satan und Sein Volk. „Da brach der Engel Gottes auf, der vor dem Heere Israels herzog, und ging hinter sie; und es brach die Wolkensäule auf von vorne, und trat hinter sie. Und sie kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels, und war die Wolke und Finsternis (von der einen Seite), und erleuchtete die Nacht (von der anderen); und so nahten diese nicht jenen die ganze Nacht" (V. 19. 20). Bevor Er den Trost der Befreiung gibt, trägt Er immer Sorge, daß Satan uns nicht anrühren kann. „ D u r c h de n G l a u b e n g i n g e n si e d u r c h da s R o t e M e e r , w i e d u r c h s T r o c k e n e , w e l c h e s 140 di e Ä g y p t e r v e r s u c h t e n u n d w u r d e n v e r - s c h l u n g e n " (Hebr. 11, 29). Das, was ihr Verderben zu sein scheint, wird ihre Befreiung. „Und Mose reckte seine Hand aus über das Meer; da ließ Jehova das Meer weggehen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht, und machte das Meer zu trockenem Boden, und das Gewässer teilte sich. Und die Söhne Israels gingen mitten durchs Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken" (2. Mos. 14, 21. 22). Hier war keine Schlacht für Israel gegen Pharao.
„Und die Ägypter jagten nach, und kamen hinter ihnen, alle Rosse Pharaos, seine Wagen und seine Reiter, hinein ins Meer. Und es geschah um die Morgenwache, da blickte Jehova auf das Heer der Ägypter in der Wolken- und Feuersäule, und verwirrte das Heer der Ägypter, und ließ die Räder ihrer Wagen ausweichen, und machte ihren Zug beschwerlich. Da sprachen die Ägypter: Lasset uns fliehen von Israel, denn Jehova streitet für sie und wider die Ägypter! Und Jehova sprach zu Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, daß das Wasser zurückkehre über die Ägypter, über ihre Wagen und über ihre Reiter. Da reckte Moses seine Hand aus über das Meer, und das Meer kehrte gegen Morgen zurück in seine Flut, und die Ägypter flohen ihm entgegen, und Jehova trieb die Ägypter mitten ins Meer. Und das Wasser kehrte zurück, und bedeckte die Wagen und die Reiter vom ganzen Heere Pharaos, die hinter ihnen ins Meer gekommen waren; e s b l i e b vo n i h n e n ü b r i g a u c h n i c h t e i n e r . Die Söhne Israels aber gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. Und so rettete Jehova Israel aus der Hand der Ägypter, u n d I s r a e l s a h di e Ä g y p t e r to t a m U f e r de s M e e r e s " (2. Mose 14, 23—30). Der Tod ist der Sold der Sünde, da ist kein Entrinnen; das Rote Meer muß durchschritten werden: „Es ist dem Menschen gesetzt einmal zu sterben und darnach das Gericht." Dies ist die natürliche Folge der Sünde.
Es bleibt sich gleich, ob Ägypter oder Israelit, der Tod ergreift sie alle; man muß durch das Rote Meer hindurch. Aber wenn die Gnade uns begegnet, wie den Kindern Israel, so werden wir sehen, daß uns dies zur völligen und unzweideutigen Freiheit wird. Israel stand da und schaute den ewigen Untergang, seiner Feinde. Als die Ägypter tot am Ufer des Meeres lagen, und sie in Sicherheit gebracht waren, sangen sie den Lobgesang der Befreiung. Es ist wahr, daß sie jetzt die Wüste zu durchwandern hatten, wo Amalek zu bekämpfen war usw., aber sie waren doch aus Ägypten. Sie sangen den 141 Lobgesang der Befreiung in einfältigem, herzlichem Vertrauen. Ägypten war verlassen, und verlassen für immer; die Macht Pharaos war gebrochen, und nicht ein Ägypter zu sehen.
Und dennoch versuchen jetzt leider viele das Rote Meer zu durchschreiten, vielleicht in einem besseren Geiste als jene Ägypter, aber mit demselben, ebenso schrecklichen Erfolg. Ich spreche hier nicht von den anerkannten Feinden Gottes, obgleich wir alle von Natur solche sind; auch nicht von denen, welche das Volk Gottes verfolgen, sondern von denen, welche versuchen in ihren eigenen Wegen durch den Tod und das Gericht zu gehen. Gerade weil sie in einem christlichen Lande und unter Christen sind, hoffen sie mit dem Namen Christi in Gemeinschaft mit Seinem Volke in den Himmel einzugehen; aber alle müssen durch d a s hindurch, was sich am Anfang des Weges Gottes befindet.
Wenn wir zum Roten Meer hinaufgegangen sind, so muß Tod und Gericht durchschritten werden, und wo bleiben wir dann mit all unserer ägyptischen Weisheit und Erkenntnis, mit all unseren Wagen und Reitern vor Tod und Gericht? Wir müssen aber hindurch. Wenn wir dieses, ohne daß Gott fü r uns ist, versuchen, wenn wir nicht die Überzeugung haben, daß jede Frage über Tod und Gericht vollständig und für immer beseitigt ist (wie es für Israel war, als sie durch Glauben durch das Rote Meer gingen, wie durchs Trockene), so finden wir unsern Untergang.
Wenn wir verstanden haben, daß wir einmal sterben müssen, daß nach dem Tode das Gericht folgt, und daß wir in jenem Gericht stehen müssen, so trifft uns, wenn wir dies in unserer eigenen Kraft versuchen, auch wirklich ein unausbleibliches, schreckliches Verderben. Wir müssen alle, bekehrt oder unbekehrt, die Welt verlassen. Der größte Freund der Welt muß früher oder später seine Eitelkeiten und Vergnügungen, seine Hoffnungen und seine Interessen, ja alles muß er verlassen. Der einzige Unterschied ist dieser, daß die Christen sie für Gott verlassen; die Weitlinge aber geben sie auf, weil sie dieselbe nicht behalten können. Der König von Ägypten gab Ägypten und seinen Hof auf, wie auch Moses; aber es war dieser Unterschied: der König von Ägypten gab es auf für das Gericht, und Moses für Christum. Dieselbe Hoffnung, welche das Volk Gottes hatte, wurde der Untergang der Ägypter. Sie sahen Israel nach Kanaan gehen, und sie hofften auch auf diesem Wege zu gehen. Allein sie gehen zum Himmel auf ihrem eigenen Wege und in ihrer eigenen Kraft.
Was sagt der Psalmist: — Gib deinem Knecht ein günstiges Gericht? Nein!— „ G e h e n i c h t i n d a s G e r i c h t m i t d e i n e m K n e c h t e ; d e n n 142 vo r d e i n e m A n g e s i c h t is t k e i n L e b e n d i g e r g e r e c h t . " Sie geben sich der Hoffnung hin, daß es mit ihnen ganz gut gehen werde im Gericht; sie nehmen den Namen Christi auf ihre Lippen und denken ebenso gewiß zum Himmel zu gehen, als die wahren Gläubigen. Aber sie müssen durch das hindurch gehen, was sie in das volle Licht stellt, und klar und bestimmt offenbart, was sie wirklich sind. Sie können das nicht umgehen, was Gott auf den Weg gestellt hat; sie müssen durch Tod und Gericht gehen; und da werden sie erfahren, d a ß k e i n L e b e n d i g e r g e - r e c h t ist . Die Rute der Macht Gottes war ausgestreckt, als Israel hindurch ging, und da war kein Meer (nur ein Wall zu ihrer rechten und linken Hand als Sperre gegen Pharao). Wo finden wir den Grund zu der Zuversicht des Glaubens? Er ist ganz und gar verschieden von dem bloßen Bekenntnis. Durch jenes Meer, sagt der Gläubige, wage ich nicht hindurchzugehen, ich wage nicht einen Fuß in dasselbe zu setzen, es sei denn auf den Befehl Gottes, und dann findet er kein Meer. Weil der Weg für den Glauben geöffnet ist, so daß der Glaube ihn betreten und darauf wie auf trockenem Boden wandeln kann, so denken die äußeren Bekenner auch darauf gehen zu können. Doch der Weg ist nur für de n G l a u - be n geöffnet, welcher keinen Tropfen Wasser mehr findet — der Tod ist gewichen und das Gericht, alles ist vorüber — es ist trockener Boden, Gott Selbst hat es also gemacht. Es ist aber nur das Volk des Glaubens, welches ihn betreten kann. Das, was für Israel ein trockener Boden ist, ist Meer für alle anderen. Laßt die Ägypter versuchen, ihnen nachzujagen und daran denken, ihrem natürlichen Lauf zu folgen, so wird Tod und Gericht d a sein; k e i n L e b e n d i - g e r is t g e r e c h t . Der Gläubige denkt nicht, daß er in dem Gericht Gottes in eigener Kraft bestehen würde.
Wenn Gott zwischen ihm und Pharao einschreitet, was sieht er? Die Errettung des Herrn. Das, was er fürchtete, wird seine Sicherheit. Christus ist da in der Tiefe: Er sieht das Gericht Gottes, in seinem ganzen Gewicht und in seiner ganzen Macht durch Christum getragen. „Flut rufet der Flut beim Brausen deiner Wasserfälle; alle Wogen und Wellen strömen über mich." Die Wogen und Wellen sind über Christum gegangen; dort habe ich Tod und Gericht gesehen. Ich habe gesehen, daß der Schweiß des Sohnes Gottes zur Erde rann, wie große Blutstropfen, wegen meiner Sünden. Ich habe den Sohn Gottes schreien hören: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Ich habe Ihn gesehen zur Sünde gemacht, tragend das Gericht, welches den Sündern gebührte. 143 Ja, ich habe das ganze Gewicht und den Schrecken dieser Wogen gesehen; aber — sie sind über Christum gegangen. Das, was mich jetzt errettet, ist der Tod und ist das Gericht. Die G n a d e h a t i h r e n W e g i n d e m T o d e g e f u n - d e n ; „und es ist alles trockenes Land." Gott begegnet mir da und sagt: „Stehe still und siehe die Errettung des Herrn." Ich sehe diese große und vollkommene Errettung in der Auferstehung Christi; und was ich empfangen habe, ist, daß „der Tod" mein ist. „Alle Dinge", sagt der Apostel, „sind unser"; ja, der Tod ist „unser". Satan hat sich mit dem Tode und dem Gericht beschäftigt, und seine Macht im Tode ist völlig gebrochen; „ .. . auf daß er durch den Tod den zunichte machte, der die Kraft des Todes hat, das ist, den Teufel." Gleich Pharao ist er in dem letzten festen Platze, in welchem er uns gefangen hielt, überwunden. Alle die Wogen des Roten Meeres, die Wellen des Zornes Gottes gingen über Christum. Er hat alles hinweggetan, was gegen uns war. Satan ist gekommen und hat gewirkt, und was hat er ausgerichtet? Er hat Christum zum Tode gebracht; aber der Triumph des Fürsten der Finsternis hat nur seine Niederlage offenbart. Er ist gekommen und hat mit Christo ge - kämpft; er hat alle seine Kraft gegen Ihn angewandt; er h«t alle Bosheit und Kraft, welche er im Tode hatte, bei Ihm versucht, — a b e r C h r i s t u s is t d a r a u s a u f e r - s t a n d e n . Er ist an der anderen Seite; Er ist außerhalb des Bereichs Satans; und jetzt hat der Tod moralisch keine Kraft mehr über die Gläubigen; sie sind mit Christo auferstanden. Als Anführer der Errettung ist Christus hernieder gekommen, und Er nahm Seine Stellung unter denen, über welche Satan die Gewalt des Todes hatte.
Wenn Er ihre Sache in die Hand nahm, so mußte Er auch in ihre Umstände eintreten. Er stand da, und fühlte das ganze Gewicht dieser Stelle. Die Schrecken des Zornes Gottes und die Bitterkeit des Kelches, welchen Er zu trinken hatte, kennend, flehte Er, daß, wenn es möglich wäre, dieser Kelch an Ihm vorüber gehe. Aber Liebe hatte Ihn in diese Stelle gebracht „ d u r c h d i e G n a d e Gottes" , daß Er den Tod schmeckte. Jetzt ist alle Schuld gegen mich, die Ursache der Anklage Satans vor dem gerechten Gericht Gottes, hinweggetan. Gottes Zorn ist über alle gegangen. In dem Augenblick, wo wir an der anderen Seite des Roten Meeres ankommen, ist alles geschehen; wir haben nur den Lobgesang zu singen. Der Herr hat Seine Rechte verherrlicht in Macht. Die Ägypter, welche wir am Tage gesehen haben, werden wir nimmer wieder sehen. 144 Die Israeliten konnten den Lobgesang singen, ehe sie einen Schritt in der Wüste getan hatten. Sie konnten sagen: „Du leitest mit deiner Gnade das Volk, d a s d u e r l ö s e t ; führtest es mit d e i n e r Kraft zu d e i n e r heiligen Wohnung. Es hörten's die Völker, sie bebten; Schrecken ergriff die Bewohner Philistäa's. Da waren bestürzt die Fürsten Edoms; die Gewaltigen Moabs, sie ergriff Zittern; es schmolzen (vor Furcht) alle Bewohner Kanaan's. Auf sie fällt Schrecken und Furcht, o b d e i n e s A r m e s G r ö ß e starren sie gleich Steinen, bis hindurchzieht d e i n Volk, das du erworben. Du bringest und pflanzest sie auf d e i n e n Eigentum-Berg, die Stätte, die d u zu d e i n e r Wohnung gemacht, Jehova, —• das Heiligtum, das, Herr, deine Hände bereitet. Jehova ist König in Ewigkeit und immerdar" (2. Mose 15,13—18). Es war jetzt jeder mögliche Unterschied zwischen dem armen Israel und den Ägyptern bezeichnet. Jene hatten Gott für sich, diese (welche mit viel größerer m e n s c h l i c h e n Möglichkeit hindurch gehen konnten) verließen sich in ihrer Sorglosigkeit und Torheit auf ihre eigene Macht. Doch bald wurden sie zum Stillstand gebracht, und zwar durch die Macht des Todes und des Gerichts.
Weil sie das arme, unbedeckte Israel hindurch schreiten, weil sie die Christen zum Himmel gehen sahen, versuchten sie es auch also zu tun, aber ohne die K e n n t n i s des Blutes, welches an die Häuser in Ägypten gesprengt worden war. Dieses Blut konnte allein die Frage über Tod und Gericht beseitigen. Nur durch dasselbe konnte Israel Gott fü r sich haben, welcher zwischen sie und Pharao trat. Ohne dieses würde derselbe Platz der Errettung ein Platz des Verderbens sein. Israel sang diesen Lobgesang noch nicht, als es nur das Blut an den Türpfosten gesehen hatte. Sie sangen erst, nachdem sie vier oder fünf Tage von dem Platz ihrer Gefangenschaft gereist und zwischen dem roten Meer und Pharao eingeschlossen und befreit worden waren. Sie waren auf der Straße, sie waren von Ramses nach Suchoth gekommen, und von Suchoth nach Etham und waren gelagert vor Pihachiroth zwischen Michdol und dem Meere. Sie hatten Ägypten verlassen und hatten alle Bosheit Satans über sich gebracht. Aber die Macht Gottes war m i t ihnen und fü r sie und es hieß einfach: „Stehet still, und sehet die Errettung Jehovas!" Der Streit war zwischen Gott und Pharao und nicht zwischen Israel und Pharao, und er war bald beseitigt. Gott wollte Israel zuerst sicher stellen, deshalb war das Blut auf ihren Türpfosten. Jetzt war nicht mehr die Rede von irgend einer Sünde zwischen ihnen und Gott, so schwach, elend und man- 10 145 gelhaft sie auch sein mochten. Sie waren in guter Ruhe von den Ägyptern ausgegangen. Ihren gekneteten Teig in ihre Kleider gebunden und auf ihren Schultern tragend, besangen sie jetzt ihre völlige Errettung. Sie hatten die Wüste betreten, wo kein Weg, noch Labung, noch Wasser war; das Manna mußte von Tag zu Tag gesammelt werden, und wenn die Sonne aufgegangen war, dann war es all vergangen (der geistliche Fleiß ist nötig; „die fleißige Seele wird fett werden"); aber sie waren befreit, und hatten Gott mit sich und Gott fü r sich, um sie auf dem Wege zu begleiten und zu führen. Und nun, Geliebte, haben unsere Seelen diese Errettung gesehen? Sind wir zum Roten Meer gekommen, und haben gefühlt, daß wir den Pfad geöffnet für den Glauben in unserer eigenen Kraft nicht betreten konnten, und daß, wenn wir es versucht hätten, ertrunken wären? Und haben wir gefunden, daß für den Glauben k e i n M e e r da ist, sondern t r o c k e n e r B o d e n , w o k e i n T r o p f e n W a s - s e r z u r ü c k g e l a s s e n i s t ? — Wenn wir das Blut Christi erkannt haben, als unsere einzige Hoffnung vor Gott, als Richter betrachtet; wenn wir erkannt haben, daß wir Ägypten verlassen müssen und die Wüste betreten, unseren Weg zu der verheißenen Ruhe, so können wir dennoch in einem gewissen Maße unfähig sein zu sagen: „Du l e i - t e s t m i t d e i n e r G n a d e d a s V o l k , d a s d u e r - l ö s e t usw."
Dies will nicht sagen, daß wir nicht auf dem Wege sind, aber daß wir nicht wissen, daß Gott ganz und gar fü r uns ist. Wir mögen als Sünder das Blut einfach im Glauben angeschaut haben, aber wir haben die Auferstehung des Herrn Jesu Christi, als unsere Befreiung und unseren Ausgang, aus dem Bereich und der Macht Satans, nicht völlig erkannt; wir haben nicht still gestanden, um die Errettung des Herrn zu sehen. Die Wogen und Wellen des Zornes Gottes sind über das Haupt Christi gegangen und Er hat gemacht, daß es kein Meer für uns ist. Er ist herniedergekommen und hat Sich unter diesen Zorn gestellt, um unsere Sündenschuld zu tragen; und Er ist daraus auferstanden, und alles ist vorüber. Der Blitzstrahl der Gerechtigkeit Gottes hat das Haupt Christi getroffen, und aller Sturm ist für den Glauben vorüber. Nichts gibt ein solches Gefühl von der Abscheulichkeit der Sünde, nichts ein solches Zeugnis von dem Gericht Gottes über dieselbe, als wenn wir Christum unter diesem Gericht sehen; und ebenso gibt nichts ein solches Zeugnis von der Liebe Gottes gegen den armen Sünder, als gerade dies. — Möge der Heilige Geist 146 unseren Herzen stets über die Kraft und die Wirksamkeit und den Wert des Blutes Christi völlige Klarheit und Gewißheit geben. (Übersetzt)
Jonathan (1. Samuel 14)
In dem Werke Jonathans sehen wir die Energie des Glaubens inmitten der traurigen Verwirrung Israels. Das Volk hatte auf einem fleischlichen Wege sich gegen seine Feinde stark zu machen gesucht. Sie hatten keinen Glauben, sich unmittelbar auf Gott zu stützen, und hatten deshalb für sich einen König verlangt; und, während Gott, von Seiner eigenen Verwerfung durch sie, Zeugnis ablegte, beauftragte Er den Samuel, ihrer Stimme in allem, was sie sagten, zu gehorchen, und ihnen einen König zu geben Kap. 8).
„Gib uns einen König, der uns richte, gleich allen Nationen", schrieen sie. Samuel warnte sie ernstlich und verkündigte ihnen die Weise des Königs, der über sie herrschen sollte. Aber das Volk weigerte sich, der Stimme Samuels zu gehorchen und sprach: „Nein, sondern ein König soll über uns sein, daß auch wir seien, wie alle Völker, und uns richte unser König, und ausziehet vor uns her, und unsere Streite streite" (1. Sam. 8,19. 20). Jehova war für Israel gleichsam nicht mehr da. Das fleischliche Verlangen wurde erfüllt, und Saul eingesetzt, um gegen Israels Feinde Krieg zu führen. — Solches war der Zustand der Dinge, in deren Mitte wir Jonathan finden; und obgleich er nicht ganz und gar in die Gedanken Gottes einging, so war er doch fähig, in der Energie des Glaubens zu handeln. Es ist für den Glauben schwer, die Unterdrückung des Volkes Gottes durch seine Feinde und die Entehrung, welche also Gott Selbst angetan wird, zu ertragen. Jonathan ertrug sie nicht. Er hatte Glauben an den Gott Israels, und machte sich auf, die Philister anzugreifen. Er rief seinen Waffenträger und sagte: „Komm und laß uns hinüber gehen zu der Aufstellung dieser Unbeschnittenen usw." Mag auch die Sünde des Volkes Gottes dieses der Macht der „Unbeschnittenen" unterworfen haben, so kann jene doch das Recht Gottes nicht unterwerfen. So urteilt der Glaube, und nichts ist einfacher. In dem Augenblick, wo die Seele für Gott abgesondert ist, wo sie ihren Platz bei Ihm genommen hat, ist 147 sie auch für Ihn und stark in Seinem Dienste.
Er bespricht sich aber nicht mit Fleisch und Blut: „.. . s e i n e m V a t e r s a g t e e r e s n i c h t . " In Saul war kein Glaube; und hätte er ihm sein Vorhaben mitgeteilt, so würde er sehr wahrscheinlich ihn nur entmutigt haben. Hätte Saul Glauben gehabt, so wäre er selbst gegen die Philister gezogen; jetzt aber hätte er ihn entweder zurückgehalten, oder beunruhigt. Wenn der Unglaube wirksam ist, so beunruhigt er nur. Der Glaube hat auch nach seiner eigenen Verantwortlichkeit zu handeln. In dieser Beziehung wird sehr oft gefehlt, daß wir nämlich jene um Rat fragen, die nicht einmal so viel Glauben und Licht haben, als wir selbst, und wir sinken deshalb zu ihrer Schwäche hinab. Alles, was in den Augen des Volkes als Macht, Ansehen und Gottesdienst galt, war mit Saul. Der König, der Priester und die Bundeslade waren da; aber Jonathan weilte nicht bei dem Volke. Er hatte niemand als seinen Waffenträger bei sich; und dies war um so besser für ihn; weil er sich jetzt nicht durch den Unglauben Anderer zu beunruhigen brauchte. Da, wo ein einfaches Auge ist, da ist immer Zuversicht im Handeln und keine Ungewißheit. Das Fleisch mag zuversichtlich sein, aber seine Zuversicht ist zu sich selbst; und darum ist sie Torheit. Der Glaube macht sich nichts aus den Umständen, weil er sich a l l e s aus Gott macht. Die Schwierigkeit wird deshalb zwar nicht geringer, allein Gott füllt das Auge. Die Philister nahmen mit ihrem Lager eine Stellung ein, deren Zugänge von außerordentlicher Schwierigkeit waren, nur durch einen engen Weg zugänglich, auf welchem man Felsenzacken erklettern mußte. Was konnte hier menschliche Energie helfen? „Jonathan mußte sogar auf Händen und Füßen hinaufklettern" (V. 13). Die Unterdrücker waren da in großer Zahl und wohl bewaffnet. Der Glaube aber mit einem einfachen Schwert hält Gott für hinreichend. „Komm", sprach er ohne Zögern, „laß uns hinüber gehen zu der Aufstellung d i e s e r U n b e - s c h n i t t e n e n : vielleicht wird Jehova für uns wirken; denn für Jehova ist kein Hindernis, durch Viel oder Wenig zu segnen." Die Unbeschnittenen haben keine Kraft, wenn man daran denkt, daß der Gott Jakobs ihr Gott nicht ist, und daß sie ihre Hoffnung nicht auf den Herrn setzen; aber Seinem Volke hilft Er oft durch die geringfügigsten Mittel; „denn für den Herrn ist kein Hindernis, durch Viel oder Wenig zu segnen."
Der Feind mag sein wie der Sand am Meere; das ist nichts, und der Glaube weiß, daß es nichts ist. Gott kann e i n e m Schwerte Kraft geben, ein ganzes Kriegsheer zu überwinden. 148 Jonathan suchte keine andere Hilfe. Er ist glücklich in der Gemeinschaft des Waffenträgers einen Mann verwandten Geistes gefunden zu haben. Dieser sagte zu Jonathan: „Tue alles, was dir am Herzen ist; wende dich, siehe, ich bin mit dir nach deinem Herzen" (V. 7). Mit diesem wollte er sich den Philistern zeigen. Wir haben schon die Stärke, die einfache Zuversicht des Jonathan auf des Herrn Kraft, bemerkt. Es gibt hier aber noch etwas anderes. Er erkennt die Treue Jehovas gegen sein Volk an; er ist überzeugt, daß Jehova mit seinem Volke ist, was auch dessen Zustand sein mag. Dies ist es, was den Glauben charakterisiert.
Der Glaube erkennt nicht allein an, daß Gott stark ist, sondern er erkennt auch das unauflösliche Band zwischen Ihm und Seinem Volke an. Gott ist mit Seinem Volke und nicht mit Seinen Feinden. Der Zustand des Volkes Israel war gewiß ein trauriger: die Philister, ein mächtiges Volk, plünderten das offene Land; kein Mittel, um ihnen Widerstand zu leisten, war übrig geblieben; nicht einmal ein Schwert oder ein Speer, (ausgenommen bei Saul und Jonathan) wurde in Israel gefunden (Kap. 13,19. 22). Welch ein Bild von dem Zustand des Volkes Gottes! Wie oft aber finden wir, daß solche, welche sich zum Volke Gottes, zur Wahrheit, und als Erben der Verheißungen bekennen, ohne Waffen wider die Feinde sind, welche sie plündern! Bei Israel kam noch dazu, daß der König in ihrer Mitte ihrer Sünden wegen eingesetzt war; — aber dieses alles schwächte nicht die Treue Gottes. Die Philister wurden in die Hand Israels überliefert, (nicht in seine eigene) in das Gericht des Mannes des Glaubens (V. 12).
Er war abgesondert mit Gott, und er einverleibte sich im Glauben mit seinem Volke. Er sieht weder auf sich, noch auf ihren Verfall, sondern erkennt an, was sie in den Augen Gottes sind. Jonathan ist gleichsam die Hand des Herrn, und siehe, welche Unerschrockenheit! Obgleich Israel nicht im Stande ist, eine Hacke zu schärfen, so begibt er sich dennoch im Namen des Gottes der Heerscharen, im Namen Jehovas, de s G o t t e s I s r a e l s , auf den Weg. Während er geht, bespricht er sich nicht mit Fleisch und Blut, und wir finden auch in seinem Herzen weder Prahlerei, noch ein Handeln in fleischlicher Hast und Aufregung. Seine Hoffnung steht auf Gott. Er hätte einfach zu dem Lager der Philister gehen und sich ihnen zeigen können und sagen: „Hier bin ich, ein Israelit"; aber er wollte warten, um ganz nach dem Willen des Herrn zu gehen. Wenn sie sagten: „Haltet, bis wir zu euch gelangen, so wollten sie an ihrer Stelle stehen bleiben, und nicht zu ihnen hinauf gehen; wenn sie aber sprachen: Kommt herauf zu uns, so wollten 149 sie hinauf gehen; denn Jehova hatte sie in ihre Hand gegeben" (V. 9.10). Mit anderen Worten, er war bereit, entweder zu warten, bis sie zu ihm kamen, oder hinzugehen, und sich in der Mitte ihres Lagers zu zeigen.
Wenn die Kühnheit der Feinde diese antrieb, herabzusteigen, so wollte er sie erwarten, ohne sich Schwierigkeiten zu machen; aber er wollte nicht vor den Schwierigkeiten zurückweichen, die sich auf seinem Wege zeigten. Dies ist die wahre Abhängigkeit des Glaubens. Nachdem er dieses getan hatte, unterrichtete ihn der Hochmut und der Stolz der feindlichen Macht, was er zu tun hatte. „Siehe", sagten die Männer im Lager zueinander: „Hebräer kommen hervor aus den Löchern, in welchen sie sich verkrochen"; und dann schmähten sie sorglos und mit fleischlicher Zuversicht die Treue dieser Israeliten und sagten: „Kommet herauf zu uns, wir wollen euch etwas kund tun" (V. 12). Dies ist das Zeichen für Jonathan. „Steige mir nach", sagte er zu dem Waffenträger, „denn Jehova hat sie in die Hand Israels gegeben". In der Kraft des Glaubens geht er vorwärts und erklimmt den Felsen; sein Waffenträger ihm nach. Die Philister fallen vor ihm, „und sein Waffenträger tötete sie hinter ihm her." Dieser hatte vergleichsweise ein leichtes Werk, — die Macht des begeisterten Jonathans wirkte für ihn. Gott hatte Ehre auf den Arm des Glaubens gelegt, obgleich Er es Selbst war, der Sich hier offenbarte. Der Schrecken Gottes fiel auf die Feinde Israels (V. 13.15). Doch was tut jetzt der arme Saul? Hat der Unglaube auch noch so gute Absichten, wenn er sich mit dem Werke des Glaubens vereinigt, so tut er doch nie etwas anderes, als daß er es besudelt.
Saul war zurückgelassen und lag am Ende von Gibea, unter dem Granatbaum zu Migron, während Gott durch Jonathan über die Philister triumphierte (V. 2). „Da schauten die Wächter Sauls zu Gibea-Benjamin, und siehe, die Menge zerrann und lief hin und her. Und Saul sprach zum Volke, das bei ihm war: Z ä h l e t , und sehet, wer von uns weggegangen ist" (V. 16,17). Die äußere Ordnung sehen wir hier bei Israel, aber es war kein Glaube da. „Und sie zählten, und siehe, es waren nicht da Jonathan und sein Waffenträger." Das war alles, was sie davon wußten. Da sprach Saul zu Ahija: „Bringe die Lade Gottes her!" Hier sehen wir wieder die Form — die Form der Ehre des Herrn, um sich scheinbar von Ihm leiten zu lassen. Es scheint alles in Ordnung zu sein; doch ist es nur die Form. Saul fragte bei der Bundeslade um Rat, während Gott anderswo, ohne Israel, über Seine Feinde triumphierte. (Gott hatte Sich, wenn ich so sagen darf, dem Jonathan überge- 150 ben.) Während nun Saul mit dem Priester redete, dauerte der Tumult der Niederlage in dem Heer der Philister fort, und wurde immer größer; und der Unglaube, welcher nie weiß was er zu tun hat, sagte zu dem Priester: „Ziehe deine Hand zurück!" Der König und die Priester waren nicht das Band zwischen Gott und Israel. Es war weder der Glaube des Volks ohne König an Gott, noch der König, welchen Gott Selbst gegeben hatte. — Jetzt kamen sie zum Streite (V. 20), aber da war kein Eingehen in den Geist der Sache. Saul hatte kein Gefühl von dem, worauf Jonathan gerechnet hatte, von dem Geheimnis seiner Kraft.
„Es gibt aber kein Hindernis, mit dem Herrn durch viel oder wenig zu wirken." Saul redete nun das Volk um sich her an, und beschwor es und sprach: „Verflucht der Mann, der Brot isset bis zum Abend, bis ich mich gerächt habe an meine n Feinden. Und niemand vom Volke kostete Brot" (V. 24). Dies ist augenscheinlich große Energie, es ist wahr; aber es ist nichts von dem Geiste Gottes darin, und in Wahrheit war diese fleischliche und selbstsüchtige Energie in der Zeit des Sieges nur störend, indem sie das Volk Israel elend machte, und die Verfolgung des Feindes schwächte. Wir mögen uns auf den Weg des Glaubens begeben; aber immer wenn sich das Fleisch in das Werk des Glaubens mischt, dient dies nur zu unserer Schwächung.
Das Volk kam in einen Wald, und es war Honig auf dem Erdboden; aber keiner tat die Hand zum Munde, weil sie den Schwur fürchteten (V. 25. 26). Jonathan aber hatte jenen Schwur nicht gehört, und er reckte die Spitze seines Stabes, der in seiner Hand war, aus, und tauchte ihn in den Honigseim und führte seine Hand zum Munde und seine Augen wurden hell. Und als er mit dem Fluch bekannt gemacht wurde, und er um sich her das matte Volk erblickte, rief er aus: „Mein Vater bringt das Land ins Verderben! Sehet doch, daß meine Augen hell sind, da ich ein wenig gekostet von diesem Honig. Wenn nun gar das Volk heute hätte gegessen von der Beute seiner Feinde, die es gefunden; — denn nun ist die Niederlage nicht groß gewesen unter den Philistern" (V. 29.30). Glücklicher Jonathan! Der Glaube ist so sehr mit dem Werke beschäftigt und hat so tief die Gefühle der Liebe und Gnade Gottes, daß er voll Freiheit ist; und was immer Gott auf dem ermüdenden Wege schenkt, davon macht er mit dankbarem Herzen Gebrauch. Er nimmt es und eilt dann weiter; während die fleischliche Seele, welche den Glauben nur nachahmt, und welche nie mit Gott wirkt, solches zu tun verbietet.
Wäre Jonathan nicht mit Herz und Seele im Werke des Herrn beschäftigt gewesen, 151 er möchte sich vielleicht auch des Honigs wegen haben aufhalten lassen; während er ihn jetzt zu seiner Erfrischung nimmt, und dann weiter eilt. Durch die Energie des Glaubens allein kam es, daß er von dem Schwur nichts gehört hatte, daß er vor diesem Unglauben bewahrt blieb und die Güte Gottes mit Freude und Danksagung genoß, und dann seinen Lauf, erfrischt und ermutigt, fortsetzte, während das Volk, welches nicht den Glauben hatte, mit ihm zu gehen, unter dem Fluche war, und nicht konnte. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." Saul hatte sich und das Volk unter diesen elenden Zwang gestellt, (wenn das Fleisch sich selbst unter die Dienstbarkeit stellt, so muß es seinen Schwur halten) und infolge dessen wurden sie zur Sünde verleitet; denn sie waren so hungrig, daß sie, als die Zeit des Eides zu Ende war, über die Beute herfielen, Schafe, Rinder und Kälber nahmen, sie auf der Erde hinschlachteten und mit Blut aßen, und also einem direkten Befehl Gottes entgegen handelten (5. Mose 12, 22). Der Glaube aber wirkt wahre Freiheit, und wandelt darin; doch ist dies nie ein Weg für das Fleisch, dessen Einmischung nur den Glauben schwächt und hindert.
Bei dem Offenbarwerden eines solchen Segens baute Saul einen Altar, und war sehr beschäftigt, die Gebote Gottes aufrecht zu erhalten; er redete viel vom Namen des Herrn, wie er schon früher getan, als er den Rat des Herrn bei der Bundeslade gesucht hatte (V. 36). Aber laßt uns die ausdrückliche Erklärung des Heiligen Geistes bemerken: „Dies war der erste Altar, welchen er dem Herrn baute" (V. 35). Er fragte durch den Priester Gott, wegen der Verfolgung der Philister; — „aber er antwortete ihm nicht an diesem Tage" (V. 37). Da suchte er unter Anrufen des Gottes Israel die verborgene und hindernde Sünde zu entdecken (V. 36). Er dachte weder an seinen noch an des Volkes traurigen Zustand, vielmehr hielt er irgend eine verborgene Sünde für die Ursache des Schweigens Gottes. Der Herr aber warf sich ins Mittel; doch war es nur, um die Torheit des Königs zu offenbaren. Das Los wurde geworfen und Jonathan getroffen: „Und Saul sprach zu Jonathan: Sage mir, was hast du getan? Da sagte es ihm Jonathan, und sprach: Gekostet habe ich mit der Spitze des Stabes in meiner Hand ein wenig Honig: siehe, ich muß sterben.
Da sprach Saul: So soll mir Gott tun, und ferner! sterben mußt du, Jonathan" (V. 43. 44). Das Volk aber gab dies nicht zu; es mischte sich hinein und sagte: „Jonathan soll sterben, der diesen großen Sieg geschaffet in Israel? Das sei ferne! Beim Leben Jehovas, wenn von den Haaren seines Hauptes eines 152 zur Erde fällt; d e n n m i t G o t t h a t e r g e w i r k t a n d i e s e m T a g e . " Das war jetzt augenscheinlich. „Und so erlöste das Volk Jonathan, daß er nicht starb" (V. 45). Jonathan hatte mit Gott gewirkt; und wir sehen hier den einfachen, glücklichen Weg des nie zaudernden Glaubens, welcher auf Gott rechnet, und auf seine treue Verbindung mit Seinem Volke, der in der gesegneten Freiheit wandelt, indem er die Erquickungen, welche der Herr auf dem Wege gibt, benutzt, — eine Freiheit zur Erquickung und nicht zur Ausschweifung, — während das Fleisch den feierlichen Entschluß faßt, dieses weder zu benutzen, noch zu kosten, noch anzurühren, und bei einer anderen Gelegenheit die Autorität Gottes bei Seite setzt. Der Glaube bespricht sich nicht mit Fleisch und Blut; er wirkt m i t Gott, und wirkt d u r c h Ihn und fü r Ihn. Alle religiösen Übungen, alle Formen der Frömmigkeit waren mit Saul.
Er hatte die Bundeslade und die Priester; er tat das feierliche Gelübde, sich von der Speise zu enthalten; er zeigte großen Eifer für die Satzungen; allein er verhinderte das Volk, alle Früchte des Triumphs einzusammeln, und brachte es dahin, das Fleisch mit Blut zu essen; er baute seinen Altar, wenn andere die Segnung erlangt hatten und nahm die Ehre für sich. Er konnte fromm sein, wenn er getröstet und gesegnet war; aber es zeigt sich keine wahre Beziehung z u G o t t d u r c h G l a u b e n , noch ein Hindurchgehen durch die Schwierigkeit m i t G o t t ; da ist Energie, aber es ist die Energie des Fleisches; da ist Überlegung, wenn Gott wirkt, und wenn Saul wirksam ist, so ist das ein Handeln in Hast und Aufregung. Der Herr bewahre und leite Sein Volk auf dem Wege des Glaubens; und lasse uns erkennen, wie gesegnet die Einfalt und die Energie des Glaubens ist, der nur mit Gott wandelt und wirkt. (Übersetzt) 153 Melodie:
Mein Leben ist ein Pilgrimstand.
Zu Dir, o Jesu, führt mein Pfad; Ich geh' getrost, das Endziel naht,
Wo ich die Wüste werä" verlassen. Hier find' ich nichts!
doch Du bist mein; Bin nie vergessen, nie allein,
Wer kann, Herr, Deine Liebe fassen! Einst floß Dein Blut,
es floß für mich; Ich bin versöhnt; — Dein Glied bin ich.
Durch Dich, o Herr, ist all' mein Heil; — Ein lieblich Los ward mir zuteil,
Als Jesu, Du Dich mir gegeben. Durch Dich ist alles, was ich hob':
Du bist mein Stecken und mein Stab, Bist meine Hoffnung und mein Leben;
Durch Dich ist all mein Trost im Leid, Durch Dich ist mein die Herrlichkeit.
Mit Dir ich wandle; — unverweilt Mein Fuß durch diese Wüste eilt,
Wo keinen Ruhort Du gefunden. Ich seh' nur Kampf und Leiden hier; ,
Ich geh' hindurch, — doch nur mit Dir, Mit Dir ist alles überwunden.
O, Herr, dies eine bleibe mir, Daß stets ich wandle treu mit Dir.
Für Dich nur kann mein Leben sein, Und was ich hob' für Dich allein,
Weil Du am Kreuze mich erworben. Von Sund' und Tod bin ich befreit,
Und bin zu Deinem Dienst geweiht; — Ich lebe jetzt, weil Du gestorben.
O welche Huld! wie liebst Du mich! Und was ich bin, bin ich für Dich.
Bei Dir, o Jesu, werd' ich sein, Geh' ich mit Deinen Heilgen ein;
Bei Dir, wo jeder Kampf beendet. Dort werde ich Dein Antlitz schau'n
Mit allen, die auf Dich hier trau'n; Dort ist mein Glaubenslauf vollendet;
Ich werd' verherrlicht sein wie Du, Dich preisen stets in sel'ger Ruh'.
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Harre auf Gott! (Psalm 42)
„Wie der Hirsch lechzet nach "Wasserbächen, so lechzet meine Seele, o Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werä" ich hineingehen und vor Gottes Angesicht erscheinen? Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man den ganzen Tag zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? Daran gedenke ich, und ergieße in mir mein Herz in Klagen, wie ich einherzog im Haujen, mit ihnen wallete zum Hause Gottes unter Jubel und Lobgesang in feiernder Menge. Warum bist du gebeugt, meine Seele, und bist unruhig in mir? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Gebeugt ist meine Seele in mir, darum, daß ich an dich gedenke aus dem Lande des Jordan, und des Hermon, von dem kleinen Berge.
Flut rufet der Flut, beim Brausen deiner Wasserfälle; alle deine Wogen und Wellen gehen über mich. Des Tages gebot Jehova seiner Gnade und des Nachts war sein Loblied in mir, das Gebet zu Gott, meines Lebens. Nun muß ich sprechen zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mein vergessen? Warum muß ich trauernd einhergehen unter des Feindes Druck? Mit Zermalmung meiner Gebeine schmähen mich meine Feinde, da sie den ganzen Tag zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? Warum bist du gebeugt, meine Seele, und bist unruhig in mir? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist." Es gibt für uns zur Betrachtung keinen Gegenstand gesegneter und köstlicher, als den Herrn Selbst. Mögen wir Ihn in Seinem Wandel auf der Erde, oder in Seinem Tode am Kreuz, oder als wieder lebendig im Himmel betrachten, überall finden wir Segen und Freude. In Ihm findet das Herz sein volles Genüge. „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig." Glückselig, wer Ihn kennt und liebt, dessen Herz an Ihm hängt, und welcher immer sagen kann: D u b i s t m e i n ! Wir sind reich gesegnet in und mit Ihm; aber der größte Segen für uns ist, daß Er Selbst unser Teil ist. Gott hat uns das Beste geschenkt, Seinen eingeborenen und geliebten Sohn, so daß wir jetzt stets sagen können: „Sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken?"
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Wer diese Gabe kennt, dessen Herz ist immer voller Zuversicht zu Gott und Seiner Gnade und Liebe. Wenn unsere Blicke dem Herrn bis in Seine tiefste Erniedrigung und dann bis zu Seiner Erhöhung zur Rechten der Majestät Gottes gläubig folgen, so können wir nur bewundern und anbeten. Wir sehen hier eine Höhe und Tiefe, eine Breite und Länge, die jede Grenze und alle Erkenntnis weit übertrifft. „Denn es war das Wohlgefallen der g a n - ze n F ü l l e in ihm zu wohnen." In Ihm ist ein Meer voll Herrlichkeit, und wir haben alle Fülle in Ihm; aber unser Auge ist viel zu schwach, um auch nur nach einer Seite hin weit hineinzudringen. „Denn wir erkennen stückweise und wir prophezeien stückweise", sagt der Apostel.
Doch gesegnet sind wir, wenn die Augen unserer Herzen durch den Heiligen Geist so viel erleuchtet sind, daß wir, Seine Herrlichkeit anschauend, immer ausrufen müssen: „O, welch eine Tiefe des Reichtums!" Wenn wir so viel davon zu erfassen vermögen, daß sich unsere Herzen mit seliger Freude erfüllen. Der Mittelpunkt aller Seiner Herrlichkeit ist die Liebe. Und wenn auch die Liebe Christi alle Erkenntnis übertrifft, so ist sie doch unser Teil. Hier vermag unser Herz sich niederzulassen. Sie reicht uns das Vermögen dar, um Ihn und Seine Fülle zu erkennen. „Jeder, welcher liebt, ist aus Gott geboren und kennt Gott; wer nicht liebt, kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe." In Seiner Liebe finden auch alle unsere Bedürfnisse ihre völligste Befriedigung. Lesen wir die Heilige Schrift, so finden wir überall Jesum als Gegenstand ihres Zeugnisses. Der Heilige Geist und auch das Wort zeugen von Ihm und Seiner Fülle. Ohne Ihn wäre das Wort nur ein leerer Buchstabe und eine törichte Predigt. Mag auch der eine hier eine schöne Moral finden, und der andere aus Gewohnheit dem Worte eine gewisse Achtung zollen, so ist es doch in Wahrheit für die, welche es lesen und betrachten, ohne Ihn zu kennen, nur ein Buchstabe ohne Leben und Kraft.
— Besonders aber bildet die Person Christi in den Psalmen den Mittelpunkt des Zeugnisses. Hier finden wir Seine Erniedrigung bis zum Tode am Kreuze, Seine Erhöhung zur Rechten Gottes und Seine Herrlichkeit über die ganze Erde. Der oben mitgeteilte Psalm zeigt uns Ihn besonders in Seinem Wandel und Leiden in dieser Welt, und es ist gesegnet für unsere Herzen, wenn wir Ihm hier auf der Erde von Schritt zu Schritt folgen. Wir sehen da, was Gott ist; wir lernen Seine Gesinnung gegen uns kennen, und wir sehen die tiefste Demut und die völligste Hingebung des Menschensohnes an Gott. „Er machte sich selbst zu nichts und ward gehorsam bis zum 156 Tode am Kreuze." In Ihm sehen wir die völlige Verherrlichung Gottes für uns, und daß jede Forderung der Gerechtigkeit Gottes für immer befriedigt ist. „Unwidersprechlich groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist offenbart worden im Fleische usw." Doch wie glücklich sind wir, geliebte Brüder, daß uns dies kein Geheimnis geblieben ist, daß wir einen so völligen und gesegneten Anteil daran haben. „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns — (und haben Seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit, als eines Eingeborenen von seinem Vater) — voller Gnade und Wahrheit." „Die Gnade und die Wahrheit sind durch Jesum Christum geworden." Sie machen Sein Wesen aus, und wir besitzen beides in Ihm.
Die G n a d e entspricht unserm Bedürfnis und die W a h r h e i t dem Wesen Gottes. —• Wir genießen von der Fülle Christi durch unsere Gemeinschaft mit Ihm durch den Heiligen Geist im Glauben, und das Bewußtsein Seiner Gemeinschaft macht unsere Freude völlig. Besonders innig und lieblich wird sie uns 1. Joh. 1, 1—4 dargestellt: „Was von Anfang war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir betrachtet, und unsere Hände betastet haben von dem Worte des Lebens; (und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und zeugen und verkündigen euch das ewige Leben, welches bei dem Vater war und uns offenbart worden ist); was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, auf daß eure Freude völlig sei." Diese Gemeinschaft ist eine vollkommene und bleibende. Glückselig ist, wer sie zu schätzen und zu benutzen weiß. Wir betrachten jetzt die Person Christi mit anderen Gefühlen, als da, wo die Sünde uns niederbeugte. Doch ist es wahr, daß das Sünderherz, das sich nach Gnade sehnet, so sehr zu Ihm hingezogen wird. „Die Zöllner und Sünder nahten ihm." Er ist voll Erbarmen, Milde und Huld, und bei Ihm ist viel Vergebung; Er kam nur, um das Verlorene zu suchen und selig zu machen. Doch jetzt ist es nicht mehr der erste Zug der Gnade, der uns zu Ihm zieht, sondern wir kennen Ihn und haben Seine Freundlichkeit geschmeckt. Die befreite Seele betrachtet Ihn ohne Furcht, weil sie in Seiner Liebe ruht. Er hat durch Sein eigenes Blut ihre Sünden getilgt; durch Ihn ist sie dem Tode und dem Gericht entronnen; durch Ihn hat sie den Heiligen Geist empfangen, durch Ihn die Kindschaft, durch Ihn die Hoffnung der Herrlichkeit, durch Ihn wird sie im Heiligtum droben vertreten, durch Ihn genährt und gepflegt — kurz: die befreite Seele kennt Ihn als ihre Fülle und erfreut sich Seiner seligen Gemeinschaft und Liebe. Sie schaut zurück auf Seine Niedrig- 157 keit, auf Seinen Wandel, Seine Leiden und Sein Werk, und findet da nichts als Gnade und Liebe; und alles, was sie findet, erweckt Freude und Dank. Sie genießt die Früchte Seines Werkes und freut sich auf Sein Kommen.
Hinter uns, geliebte Brüder, liegt Tod und Gericht; wir sind in Christo hindurchgegangen; unsere Sünden sind versöhnt, denn Sein Blut ist im Heiligtum droben vor dem Angesicht Gottes; wir sind auferstanden mit Christo, und vor uns liegt eine Fülle von Segnungen und unaussprechlicher Freude. Dies alles erkennen wir, und sind gewiß darin, und dies Bewußtsein macht uns Seine Person so köstlich und so wertvoll. Ja, es ist gewiß ein süßes Gefühl, versöhnt und befreit zu sein, und dann zurückzuschauen, und Jesum in Seinem Wandel auf Erden und in Seinem Tode am Kreuze zu betrachten, da wir wissen, daß alles Glück und alle Freude der Erlösung und der Hoffnung der Herrlichkeit nur durch Ihn ist. Der obige Psalm führt uns besonders in die L e i d e n des Herrn ein. Als ein armer, verachteter Knecht wandelt Er durch diese Welt. „Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg.
" „Die Welt ward durch ihn, aber sie kannte ihn nicht." Die Sünde hat alles verderbt, alles zu einer Wüste gemacht. Er ging durch diese Wüste, aber Er fand nirgends, wo Er Sein Haupt hinlegen konnte; überall war nur dürres Land, und nirgends eine Erquickung für Seine Seele. Dennoch ging Er hindurch ohne Murren und in der völligsten Ergebung. Er ging durch alle Umstände und Schwierigkeiten, welche uns auf dem Wege begegnen. „Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht mit unseren Schwachheiten Mitleid haben kann, sondern der in allem gleichwie wir versucht worden ist, ausgenommen die Sünde" (Hebr. 4,15). „Und deswegen sollte er in allem den Brüdern gleich werden, auf daß er in den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hoherpriester werden möchte, um die Sünden des Volkes zu sühnen. Denn in dem er selbst gelitten hat, da er versucht ward, vermag er denen zu helfen, die versucht werden" (Kap. 2,17.18). Wie tröstet und beruhigt es unsere Herzen, wenn wir wissen, daß uns der Sohn Gottes als Hoherpriester vertritt, der alle unsere Schwachheiten kennt, der voll Mitleiden mit uns ist und der Selbst in allen unseren Umständen und Schwierigkeiten hienieden war. Er versteht alle unsere Gefühle, und weiß, wie uns in den mannigfachen Versuchungen zu Mute ist.
Unsere Seufzer treffen stets in Ihm ein Herz, welches selbst in allen den Versuchungen gelitten hat. Ja, meine Brüder, daß gerade Jesus uns versteht, ist stets ein lieblicher Gedanke für uns; 158 wir wandeln um so getroster und freudiger auf Seinen Pfaden hienieden. Jesus hatte die Herrlichkeit beim Vater verlassen, und war in Knechtsgestalt auf dieser armen, elenden Erde, wo für Ihn keine Labung, sondern nur Schmach, Hohn und Verfolgung war. Er trat in unsere Umstände ein, um Opfer für unsere Sünde zu werden, und um Gott für uns zu verehren, der durch uns so völlig entehrt war. In dieser Stellung war Er allein. Niemand ist Ihm hier gefolgt und nie wird, noch kann Ihm jemand folgen; nicht einmal reicht unsere Erkenntnis so weit, da bis in die Tiefe hineinzuschauen. Allein das Wort, und besonders die Psalmen, sind so reich an Ausdrücken, die uns Seine Leiden, Seine Angst und Seinen Jammer schildern, daß wir wenigstens verstehen, daß hier etwas ist, was über alle unsere Begriffe geht. Besonders entwirft uns der 22. Psalm ein Bild der tiefsten Not und Angst Seiner Seele. „ M e i n G o t t , m e i n G o t t , w a r u m h a s t d u m i c h v e r l a s s e n ? U n d b l e i b e s t f e r n , m i r z u h e l f e n , b e i d e n W o r t e n m e i n e s H e u l e n s ? M e i n G o t t , de s T a g e s r u f e i c h , so a n t w o r t e s t d u n i c h t ; u n d de s N a c h t s w i r d m i r k e i n e R u h e . . . Zu dir schrieen unsere Väter; und da sie hofften, halfst du ihnen aus. Zu dir schrieen sie und wurden errettet; auf dich hofften sie und wurden nicht zu Schanden. Aber ich bin ein Wurm und kein Mensch, ein Hohn der Leute und Verachtung des Volks. Alle, die mich sehen, spotten mein; sperren das Maul auf und schütteln den Kopf. Er hats dem Herrn befohlen, der helfe ihm aus, und errette ihn, hat er Lust an ihm . . . Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer. Große Farren haben mich umgeben, Stiere Basans haben mich umringt. Ihren Rachen sperren sie auf wider mich, wie ein reißender, brüllender Löwe. Ich bin ausgeschüttet, wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt; mein Herz ist wie zerschmolzenes Wachs in meinem Leibe. Meine Kraft ist vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebet an meinem Gaumen; und in des Todes Staub legest du mich. Denn Hunde haben mich umgeben; der Bösen Rotte hat mich umzingelt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben..." Welch ein Bild stellt uns hier der Heilige Geist von den Leiden des Herrn vor unsere Seele; und die Psalmen sind reich an solchen Bildern. Die menschliche Sprache aber ist viel zu arm, um Seine Angst und Seine Leiden in ihrer ganzen Tragweite darzustellen, und unsere Herzen sind viel zu schwach und zu unfähig, um in diese Tiefen weit hineinzuschauen.
Doch eins wissen wir, daß dies alles fü r u n s ge- 159 schah. Jesus „ward für uns zur Sünde gemacht." „Alle unsere Sünden lagen auf ihm", „und um unserer Sünden willen wurde er dahingegeben." Richten wir unsere Blicke nach dem Kreuze, so finden wir hier das Lamm Gottes für unsere Sünden geschlachtet; hier begegnen sich Zorn und Liebe, Gerechtigkeit und Gnade; hier sehen wir was Gott, und was der Mensch ist; hier ist das Werk unserer Versöhnung und Erlösung für immer vollbracht. „Denn durch ein. Opfer hat er auf immerdar, die, welche geheiligt werden, vollkommen gemacht." Das Werk Christi für uns gläubig anschauen, und dann noch vor Gott in Betreff unserer Sünden Furcht haben, beweist nur, wie wenig wir die Vollkommenheit dieses Werkes kennen, und wie klein unsere Gedanken von den Leiden Christi und der Angst Seiner Seele sind. Doch was Er getan, das überströmt und bedeckt alle unsere Sünden. „W i e d e r H i r s c h l e c h z e t n a c h W a s s e r b ä - c h e n , s o l e c h z e t m e i n e S e e l e , o G o t t , n a c h dir . M e i n e S e e l e d ü r s t e t n a c h Gott , n a c h d e m l e b e n d i g e n Gott . W a n n w e r d ' ic h h i n e i n - g e h e n u n d v o r G o t t e s A n g e s i c h t e r s c h e i - n e n ? " — Hier haben wir ein Bild von Seinen Leiden, welches etwas verschieden von dem oben angeführten ist, und dennoch eng damit verbunden. Es ist schon bemerkt worden, daß der Herr hier in einem dürren Lande war, wo Seine Seele nicht die geringste Erquickung fand. Es war weder Speise noch Trank hier und deshalb mußte er hungern und dürsten. Er war fern von Gott in einer Wüste und darum lechzte oder dürstete Seine Seele nach Gott. Und als am Kreuze die ganze Schwere unserer Sünden auf Ihm lag, (und Er doch Selbst ohne Sünde war), als die Macht des Todes Ihn, den Fürsten des Lebens, umgab, da hören wir Sein Geschrei: Mich dürstet! — Aber ach! die arme, elende Welt hatte für Ihn keine Erquickung; die Sünde hat alles unrein und bitter gemacht.
Und wenn auch immer, so war es doch am Kreuze in besonderer Weise, daß Seine Seele nach dem lebendigen Gott dürstete. Sein Verlangen war einzugehen, um vor Gott zu erscheinen. Nur Gott vermochte Seine Seele zu erquicken, und Ihn durch Seine Gegenwart zu erfreuen.*) * Hier mag die Bemerkung ihren Platz finden, daß David oder auch ein anderer Heiliger, wenn er einen Psalm sang oder niederschrieb, in ähnlichen Umständen war, wie sie der Psalm ausdruckte, allein der völlige Ausdruck, die gänzliche Erfüllung desselben, finden wir vornehmlich in der Person Christi, der aus den Lenden Davids kam, und auch wohl in den Drangsalen und in den Segnungen des treuen Überrestes von Israel kurz vor oder in dem tausendjährigen Reich. 160 „ M e i n e T r ä n e n s i n d m e i n e S p e i s e T a g u n d Nacht , w e i l m a n d e n g a n z e n T a g z u m i r s a g t : W o i s t n u n d e i n G o t t ? " Wie sehr bezeichnen uns diese wenigen Worte den Kummer und den Schmerz unseres geliebten Herrn. Wir finden dasselbe in Hebr. 5, 7 ausgedrückt: „Welcher (Jesus) in den Tagen seines Fleisches, da er Bitten und Flehen zu dem, der ihn aus dem Tode zu retten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen dargebracht hat, und um seiner Frömmigkeit willen erhört ward, obgleich er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte, und vollendet, allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils ward." Wir sehen hier, welche Arbeit und Kämpfe Seine Seele für uns hatte, und wieviel es Ihn gekostet, um uns aus dem Verderben der Sünde zu erlösen.
Der Kaufpreis ist nicht gering, und wohl uns, daß er mehr gilt als alle unsere Sünden. In einem anderen Verse des Psalms lesen wir: „ F l u t r u f e t d e r F l u t , b e i m B r a u s e n d e i n e r W a s s e r - f ä l l e ; a l l e d e i n e W o g e n u n d W e l l e n g e h e n ü b e r m i c h." Alle Pfeile des göttlichen Zornes trafen Ihn, die ganze Schwere des Gerichts über die Sünde fiel auf Ihn, ja, alle Schrecken des Todes kamen über Ihn. Freiwillig stellte Er Sich fü r uns; mit unseren Sünden ging Er Gott entgegen, und Er mußte den bitteren Kelch bis auf den Grund trinken. Die Angst Seiner Seele war groß; die göttliche Gerechtigkeit forderte auch den letzten Heller. O hier, geliebte Brüder, gibt es etwas, das wir nicht zu ergründen vermögen. In Gethsemane finden wir Ihn in ringendem Kampfe, und Sein Schweiß fiel zur Erde wie Blutstropfen; Seine Seele war sehr betrübt bis zum Tode. Er betete: „Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber!" Er wußte wohl, wie so schrecklich er war. Doch Er mußte ihn völlig trinken, weil Er an unserer Stelle dastand, und Er trank Ihn mit der freiwilligsten Unterwürfigkeit. Alle Wogen und Wellen gingen über Ihn; aber kein Murren kam über Seine Lippen.— Welch ein Greuel ist doch die Sünde vor dem gerechten und heiligen Angesicht Gottes.
Selbst der Sohn, der für uns zur Sünde gemacht ward, und obwohl Er Selbst ohne Sünde und der geliebte Sohn war, mußte durch die Schrecken des Gerichts auf das völligste hindurchgehen; doch Dank, ewig Dank Seiner göttlichen Gnade und Liebe, daß wir, die wir Sein sind, die Gerechtigkeit Gottes unserer Sünde wegen nicht mehr zu fürchten haben. Wir sind völlig versöhnt, das Gericht Gottes über die Sünde liegt hinter uns und wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten. Wir lesen in Vers 10 u. 11: „Ic h m u ß s p r e c h e n z u G o t t , m e i n e m F e l s : W a r u m h a s t d u m e i n v e r - 11 161 g e s s e n ? W a r u m m u ß ic h t r a u e r n d e i n h e r - g e h e n u n t e r d e s F e i n d es D r u c k ? M i t Z e r m a l - m u n g m e i n e r G e b e i n e s c h m ä h e n m i c h m e i n e F e i n d e , d a s i e d e n g a n z e n Ta g z u m i r s a g e n : W o is t n u n d e i n G o t t ? " — Welch ein schrecklicher Zustand! Unter dem Druck der Feinde von Gott vergessen zu sein; sich ringsumher in der größten Gefahr und Not zu befinden und nirgends einen Retter zu sehen, statt Hilfe und eine Zuflucht, Spott und Verachtung zu finden. Dies war die Stellung Jesu, als Opfer unserer Sünden. Er war von Gott verlassen, wie schrecklich für Seine Seele, und hörte um sich her nur den Hohn und das Gespött der Feinde: „Wo ist nun Dein Gott?" Dies sehen wir am Kreuze in seiner ganzen Schrecklichkeit erfüllt. Satan entfaltete hier alle seine Bosheit und Macht aufs völligste; allein der grausame Feind ist geschlagen durch Den, der am Kreuze in einem so trostlosen, verlassenen und jammervollen Zustande war. Anstatt zu triumphieren, als Jesus am Kreuze hing und dem Tode in die Arme sank, ist über ihn triumphiert worden .. . „und als er (Jesus) die Fürstentümer und die Gewaltigen ausgezogen hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau, da er an demselben über sie einen Triumph hielt" (Kap. 2,15). Ja, der gewaltige Feind ist geschlagen und geschlagen für immer. Wir sind aus seiner Gewalt befreit; unsere Sklaverei hat ein Ende. Trotz allen Versuchungen, womit uns Satan versucht, weiß er, daß er überwunden ist. „Widerstehet dem Teufel, so fliehet er von euch";— weiter haben wir nichts nötig. Wo er die Kraft Christi findet, da fliehet er. Mit welcher Zuversicht und Freude können wir jetzt das Kreuz Christi anblicken. Wir sehen da unsere Versöhnung in Betreff unserer Sünden, die Erfüllung des Gerichts Gottes über uns in Christo, und den Triumph über Satan.
So wenig wir aber die Liebe Christi zu erfassen vermögen, ebenso wenig fassen wir auch Seine mannigfachen und schrecklichen Leiden für uns. Doch eins wissen wir, daß Seine Liebe und Sein Leiden uns unaussprechliche Segnungen bereitet haben. Die Schrecken des Kreuzes hat Jesus für Sich genommen; die Segnungen sind für uns. In Seinem vergossenen Blute haben wir Vergebung und Reinigung von allen unseren Sünden, und in Seinem Tode haben wir das Leben gefunden. Das Blut Christi allein macht unsere Annahme bei Gott möglich; kraft dieses Blutes und dieses Opfers ist Gott für uns und mit uns. Die Wirksamkeit des Opfers Christi dauert immerwährend, und bildet die einzige Grundlage der Beziehungen zwischen Gott und uns. Sein Blut ist auf dem Gnadenthron, um ohne Aufhören vor den Augen Gottes zu 162 sein, also daß wir jetzt stets mit den Psalmisten singen können: „Heil dem, dem die Übertretung vergeben, dem die Sünde bedecket ist! Heil dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet und in dessen Geist kein Falsch ist." Wir finden noch einiges in diesem Psalm, was zu den Leiden unseres Herrn gehört, doch wollen wir darauf nachher zurückkommen. Aus dem bisher Gesagten werden wir ganz überzeugt sein, daß Jesus e i n e n Weg ging, den wir nie zu gehen vermögen, und Dank Seiner Liebe, daß Er Ihn allein für uns gegangen ist. Doch gibt es auch einen Weg, wovon Er zu uns sagt: „Folget mir nach!" und wovon Paulus sagt: „Seid meine Nachfolger, gleichwie ich Christi."
Und sobald uns der Weg zum Kreuze Christi geführt hat, wo wir im Glauben unsere Versöhnung durch Sein Blut gefunden, und mit Ihm durch Tod und Gericht gegangen und auferstanden sind, befinden wir uns auf diesem Wege. Dann gilt uns das Wort des Apostels: „ . . . deshalb litt auch Jesus, auf daß er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores. D a r u m l a ß t u n s z u i h m h i n a u s g e h e n , a u ß e r h a l b de s L a g e r s , s e i n e S c h m a c h t r a - g e n d " (Hebr. 13, 12. 13). Unser Platz ist jetzt nicht mehr im Lager der Welt, sondern außerhalb desselben mit Jesu. Überall finden wir jetzt für uns eine Wüste mit mannigfachen Beschwerden und Versuchungen und Kämpfen; wir sind hienieden Pilgrime und Fremdlinge und finden überall die Schmach Christi. Dennoch ist es ein gesegnetes Vorrecht für uns, auf dem Pfade Jesu mit Ihm wandeln zu können. Den Ausgang dieses Weges wissen wir schon, wenn wir Jesum zur Rechten Gottes anschauen. „Gott hat ihn erhöhet", und Seine Auferstehung gibt unseren Herzen die Hoffnung der Herrlichkeit droben. Doch hier ist es auch für uns ein dürres Land, wo keine Quelle fließt, um den Durst unserer Seele zu stillen. Hienieden ist alles bitter. „Wer von diesem Wasser trinken wird, den wird wieder dürsten", sagt Jesus zu dem samaritischen Weibe. Das gilt von allem, was hienieden ist. Wer hier trinkt, der wird immer wieder dürsten und dann sterben. In dieser Wüste fließen nur die Bäche des Todes.
Jede Speise und jeder Trank ist vergänglich und kann nicht das Unvergängliche stärken und erquicken. Jeder Trunk von den Dingen dieser Welt, macht uns nur matt und dürre. Wandeln wir aber auf dem Pfade Jesu, den der Herr Selbst für uns durch die Wüste gebahnt hat, so finden wir die Bäche des Lebens. Christus ist die Quelle des Lebens, und alle Bäche, die zu unserer Erquickung auf diesem Wege dienen, fließen aus Ihm. „Jedweder aber, der von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht 163 dürsten in Ewigkeit, sondern das Wasser, welches ich ihm geben werde, wird in ihm ein Quell des Wassers werden, welcher in das ewige Leben quillt." Wo wir die Fußstapfen Jesu sehen, wo wir Seinen Tritten folgen, da werden wir Segen die Fülle finden, da wird's uns an Erquickung nicht fehlen. In Seiner Niedrigkeit ist Er unsere Speise, unser Manna in der Wüste. Sein Gehorsam, Seine Demut, Seine Liebe, Sein Erbarmen, Seine Milde, kurz alles ist Nahrung für unsere Seele. Außer Ihm aber finden wir nichts. Nur in Ihm, in dem lebendigen Gott ist die Quelle des Lebens, da findet jedes Bedürfnis der erneuerten Seele völlige Befriedigung. Der treue Herr bewahre uns, geliebte Brüder, daß keiner von uns seinen Blick nach der Wüste wende, um sich einen Labetrunk zu suchen. Wir finden nichts, als höchstens eine Ergötzung für das Fleisch und eine Verunreinigung und Ermattung der Seele. Er wolle uns aber stets ermuntern und stärken, treu auf dem Pfade Jesu zu wandeln, und auf Ihm alle Erquickung und Stärkung aus Seiner Fülle zu nehmen. Wenn wir Jesum in den schwierigsten Umständen und in den schrecklichsten Leiden sehen, so finden wir Ihn geduldig und völlig ergeben an Gott.
In der tiefsten Angst Seiner Seele, in den schwersten Verfolgungen von Seiten Seiner Feinde, wo Er nirgends Trost noch Hilfe sah, blieb dennoch Gott Seine Zuflucht, und Er setzte stets Sein Vertrauen auf Ihn. Ja, ruhig und besonnen finden wir Ihn in den schrecklichsten Stunden. Betrachten wir Ihn nur einen Augenblick in Gethsemane. In welcher Not und Angst befand sich Seine Seele, in welch heißen Kämpfen rang Er, wie groß war der Haß der Welt, alle Seine Feinde waren in wilder Aufregung und — wie so voller Schlaf waren Seine Jünger! Allein betrachten wir den Herrn in dieser unaussprechlich schrecklichen Lage, so finden wir Ihn vollkommen ruhig. Oder sehen wir Ihn bei Seiner Gefangennehmung, vor Kaiphas, vor Pilatus, vor Herodes, oder auf Seinem letzten und schwersten Gang hienieden nach Golgatha, oder am Kreuze, — welche göttliche Ruhe, welche Ergebung, welches geduldige Ausharren! Er sprach stets zu Seiner Seele: „ W a r u m b i s t d u g e b e u g t , m e i n e S e e l e , u n d b i s t u n r u h i g (oder jammerst) i n m i r ? H a r r e au f G o t t ! d e n n ic h w e r d e i h m n o c h d a n k e n , d a ß e r m e i n e s A n - g e s i c h t s H i l f e u n d m e i n G o t t ist. " — Überall, wo wir auch den Herrn hienieden sehen mögen, tritt uns diese Sprache entgegen: „Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist." Er übergibt sich in allen Umständen Gott und vertraut Ihm völlig. Nichts kann Ihn in Furcht oder Verlegen- 164 heit bringen, weil Er sich nicht durch die Schwierigkeiten leiten läßt, sondern mit Gott durch alles hindurch geht. „Ich bin gekommen, deinen Willen, o Gott, zu tun."
Dies tritt uns überall entgegen. Seine Speise war, den Willen Seines Vaters zu tun, und nicht Seinen Willen. Diese völlige Hingebung stellt uns auch der Apostel vor, wenn er uns zu der Gesinnung ermuntert, die auch in Christo Jesu war. „Welcher, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für eine Beute hielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte, und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und in seiner Stellung wie ein Mensch befunden, sich selbst erniedrigt hat, und bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz gehorsam ward" (Phil. 2, 5—8). So wie es uns einerseits die Arbeit sehen läßt, welche wir mit unseren Sünden dem Herrn gemacht haben, so liegt andererseits gewiß etwas Beseligendes für uns darin, zu sehen, daß der Anführer unserer Errettung durch Leiden zur Vollkommenheit gebracht ist; daß Er fühlte und litt, wie wir fühlen und leiden, doch ohne Sünde; daß Er so freiwillig diese niedrige Stellung nahm, um uns in allem gleich zu werden; daß Er Selbst sagen mußte: „Was bist du gebeugt meine Seele und bist unruhig in mir... " Ja, alles, was wir in Christo sehen, ist bewundernswert und anbetungswürdig, alles offenbart uns Seine Vollkommenheit und ist so gesegnet für uns. Je mehr wir dies alles betrachten, desto mehr Freimütigkeit und Zuversicht bekommen wir, mit Ihm zu verkehren, und desto ruhiger und glücklicher macht uns Seine Gemeinschaft.
„ H a r r e au f G o t t ! d e n n ic h w e r d e i h m n o c h d a n k e n , d a ß e r m e i n e s A n g e s i c h t s H i l f e u n d m e i n G o t t ist. " Unser Herr ist nicht zu Schanden geworden; Seine Zuversicht hat eine große Belohnung gefunden. Er hat Sein Werk vollbracht und Seinen Lauf hienieden vollendet, vollendet für immer. Sein Weg ging durch die tiefste Tiefe und Sein Ausgang zur höchsten Höhe. Gott erhöhet die Demütigen. „Wir sehen aber den, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, Jesum, wegen des Leidens des Todes mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt" (Hebr. 2, 9). Und in der vorhin angeführten Stelle des Philipper-Briefes, wo uns der Apostel die Niedrigkeit und den willigen Gehorsam des Herrn zur Nachahmung vorstellt, fährt er weiter fort: „Deswegen hat ihn Gott auch hoch erhoben und ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist, auf daß vor dem Namen Jesu sich jedes Knie der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen beuge, und auf daß jede Zunge bekenne, daß Jesus „Herr" ist, zur Verherrlichung Gottes, 165 des Vaters." — Der Herr Jesus zur Rechten Gottes droben zeigt uns den glückseligen Ausgang der Wege Gottes; und dies ist der Ausgang für alle, welche sich auf diesem Wege befinden. Zu allern heißt es: „ . . . von allem absehend auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher für die ihm vorliegende Freude das Kreuz erduldete, und der Schande nicht achtete, und s i t z e t z u r R e c h t e n au f d e m T h r o n e G o t t e s " (Hebr. 12, 2). Was uns betrifft, geliebte Brüder, so ist es zunächst und vor allem nötig, zu wissen, in welcher Stellung wir uns hienieden befinden.
Wir sind versöhnt und befreit, (gebe der Herr, daß wir alle unsere Freiheit recht verstehen und zu würdigen wissen;) wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten und sind Kinder Gottes; ja, „wie er (Jesus) ist, so sind auch wir in dieser Welt." Was unsere Sünden und das Gericht über dieselben betrifft, so kann zwischen Gott und uns nicht mehr davon die Rede sein, weil das Werk Christi dies alles beseitigt hat. Allein jetzt sind wir in einer Wüste und Gott will, daß wir darin sein sollen; wir treffen auf diesem Wege viele schwierige Umstände und Versuchungen, und Gott will, daß wir sie treffen, und es gibt viele Kämpfe für uns hienieden und Gott will, daß wir den guten Kampf des Glaubens kämpfen. Wäre es nicht völlig Gottes wohlgefälliger Wille, daß unsere Lage diese sei. worin wir uns befinden, so würde sie gewiß anders sein; denn Gott hat uns lieb und hat keinen Wohlgefallen in unseren Leiden. Wir sind also nach dem vollkommenen Willen Gottes auf diesem Wege; und das ist ein großer Trost für uns. „Denn euch ist es in Bezug auf Christum gegeben, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden", schreibt der Apostel den Philippern. Mein Weg ist also von Gott, es ist der Weg des Herrn Jesu; alle Umstände, Schwierigkeiten und Versuchungen sind für mich oder für jede andere gläubige Seele auf diesem Wege nach Gottes wohlgefälligem Willen, (obgleich Gott kein Versucher zum Bösen ist, so haben wir doch das Vorrecht, alles, was Er erlaubt, als einen Segen für uns zu betrachten, weil Er uns durch alles, was uns begegnet, stets zu segnen sucht). Mein Platz zu leiden, zu kämpfen und auszuharren ist gerade da, wo ich bin und nicht anderswo. Ich habe für mich hier nichts zu suchen, noch zu wählen, sondern nur da auszuharren und den guten Kampf zu und in Dem zu kämpfen, worin ich mich befinde, und da ist der Platz für mich, um stets zu lernen und meiner Seele zuzurufen: H a r r e au f G o t t ! Weiter ist es für uns nötig, zu verstehen, daß unsere Feinde hienieden voll List und Bosheit sind. „Denn unser 166 Kampf ist nicht wider Fleisch und Blut, sondern wider die Fürstentümer, wider die Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finsternis, wider die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen örtern" (Eph. 6,12). In all den Umständen, durch welche wir gehen, sucht Satan immerfort auf unsere Seelen zu wirken; den Glauben zu schwächen, den Mut und das Vertrauen zu rauben, und den Frieden und die Freude des Herzens zu stören. Und was sind wir inmitten der Schwierigkeiten und Hindernisse? Was sind wir gegen Satans List und Bosheit? — Es ist gut und nötig, daß wir uns dies nicht verhehlen, — ein irdenes Gefäß, ein schwaches Geschöpf voller Mängel und Gebrechen.
Und wenn ich alle diese schwierigen Umstände sehe, wenn ich Satans List und Bosheit erkenne, und wenn ich von meiner Schwachheit und von meinen Mängeln völlig überzeugt bin, kann das für mich Trost, Freude und Frieden sein? Gewiß nicht. Kann nicht dies in meinem Herzen Furcht, Angst, Sorgen und Unruhe erwecken? Gewiß; hier unten ist nichts für uns; hier findet unsere Seele keine Erquickung, keine Freude, und unser Fuß keine Ruhe. O, wie gut ist es, dies in Wahrheit zu erkennen, um immer zu lernen und zu sagen: „Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist." Ja, in Gott allein finde ich genug, um alles das, was mir begegnet, für nichts zu achten, um stets hindurchzugehen mit einem Herzen voll Ruhe, Trost, Freude und Kraft. Wir wollen uns nichts von dem verhehlen, was wir hier unten finden, noch von unseren ernsten Kämpfen, noch von unserer Schwachheit, um ganz und gar zu fühlen, wie nötig wir haben, jede Stunde auszurufen: „Harre auf Gott!" Seelen, die hienieden in den Umständen ihrer Ruhe und ihren Frieden suchen, bereiten sich selbst viele Schmerzen. Man findet aber aufrichtige Seelen, die sich Mühe geben, in den Umständen stille und glücklich zu sein, allein sie denken nicht daran, daß in den Schwierigkeiten und Versuchungen selbst nichts Liebliches für uns liegt, noch finden wir in uns Kraft zu widerstehen; wollen wir Ruhe, Freude und Kraft haben, so müssen wir dieses Wort „Harre auf Gott!" in jeder Lage recht kennen lernen. Unsere Stärke ist allein in dem Herrn, und nur Seine Waffenrüstung kann die unsrige sein. Wenn uns Gott in unserer Schwachheit durch diese Wüste und all ihre Schwierigkeiten gehen läßt, so hat Er Seine Verherrlichung und unsere Zubereitung zum Zweck. In unserer Schwachheit und in den schwierigen Umständen kann Er gerade Seine Kraft offenbaren. Sind unsere Augen recht erleuchtet und unsere Herzen recht nüchtern, so werden wir 167 überall die verborgene Hand Gottes wahrnehmen.
Er offenbart an uns Seine Treue, Seine Liebe, Seine Langmut, Seinen Willen; er tröstet, er stärkt und erquickt uns auf mannigfache Weise. Ja, in unserer Schwachheit und in den Umständen hienieden, lernen wir Gott in einer Weise kennen, wozu wir selbst in der Herrlichkeit keine Gelegenheit haben. Die Welt mag sich über das Ausharren der Heiligen in den Kämpfen und Versuchungen dieser Wüste wundern; allein sie kennt nicht das verborgene Manna, (die verborgene Speise und Kraft), welches uns fortwährend auf unserem Wege begleitet. Gott ist stets bereit, in allem Seinen Namen zu verherrlichen, und wo die Schwachheit am größten und die Umstände am schwierigsten sind, da kann Er dies am meisten. Jede Selbsthilfe steht Seiner Verherrlichung nur im Wege. Stets gilt der Zuruf: „Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist." Wenn wir recht verstehen, daß Gott es ist, der sich in unseren Umständen verherrlichen will, wenn Seine Verherrlichung unsere Freude ist, so werden wir auch das Wort des Apostels beweisen: „. . . daher will ich mich denn am allerliebsten meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft des Christus mir innewohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Drangsalen, für Christum. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich mächtig" (2. Kor. 12, 9. 10). Wenn wir vor den schwierigsten Umständen, ohne irgend einen Ausweg, stehen, wenn unsere Schwachheit in einer Lage völlig offenbart ist, da ist es Zeit zu sagen: „Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken,, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist." Haben wir nichts, dann haben wir genug, sind wir wirklich ohne Kraft, dann wird uns keine Kraft fehlen. „Harre auf Gott!" das ist unsere Kraft und unser Ausweg. Doch ist dies etwas, was wir auf dem Wege durch die Umstände und Versuchungen lernen müssen. Wenn wir diesen Weg betreten, so w i s s e n wir wohl, daß wir in Gott Alles haben, aber wir lernen auf dem- Wege selbst, daß wir in Ihm wirklich alles h a b e n .
Der Glaube geht durch die Proben; damit unser Bekenntnis sich auch im Wandel und in seiner Kraft offenbare. Wir lernen und lernen immer wieder, bis wir mit dem Apostel Paulus sagen können: „Den n ic h h a b e g e l e r n t , w o r i n ic h bin , m i c h z u b e g n ü g e n . Ich weiß niedrig zu sein, ich weiß auch Überfluß zu haben, in jedem und in allem bin ich unterwiesen; sowohl gesättigt zu sein, als Hunger zu leiden, sowohl Überfluß, als Mangel zu haben." Und was der Apostel hier in Betreff der äußern Notdurft von sich sagte, das müs- 168 sen wir auch in allen Dingen lernen. Alle Heiligen sind hier in einer Schule, wo sie zu lernen haben; und sind in der Schule Gottes. So vollkommen auch unsere Stellung in Christo ist, so gibts im praktischen Leben immer zu lernen und zuzunehmen, „bis wir alle hingelangen werden zu der Einheit des Glaubens, und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu einem vollkommenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus" (Eph. 4,13). Darum, meine Brüder, lasset uns nicht müde werden, zu lernen, bis wir in allen Dingen auf Gott harren und in jeder Lage sagen können: Ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnügen." Verstehen wir unsere Beziehung, unser Verhältnis zu Gott in seiner ganzen Fülle und Tragweite, so wird es uns eine Freude sein, uns stets zuzurufen: „Harre auf Gott!" „Wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten", und verstehen wir, was es heißt: „der Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi", so begreifen wir auch unsere gesegnete Stellung. Die Heiligen auf der Erde sind der Gegenstand der Pflege, der Fürsorge und Liebe Gottes, des Vaters. Wie früher Sein Wohlgefallen auf dem S o h n e hienieden ruhte, so ruht es jetzt auf den S ö h n e n . „Vater, ich will, daß du sie liebest, wie du mich liebest." Das Auge Gottes ist stets offen über uns; Sein Herz strömt allezeit in Liebe und in Vatergefühlen gegen uns aus. Da findet kein Aufhören, kein Verändern s tatt; denn „wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten." Auf der Erde hat Gott jetzt keinen anderen Gegenstand für Seine Liebe und Seine Sorgen, als Seine Kinder, „Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte." Er ist stets um sie bemüht, sie zu segnen, und reichlicher zu erfüllen, und je mehr wir in allem Guten zunehmen, desto größer wird unsere Freude.
Darum begegnet uns nichts auf unserem Wege, was Er nicht sieht, worin Seine Liebe nicht für uns tätig ist. Keine Sache, kein Umstand ist für Ihn zu klein, oder zu geringfügig, daß Er Sich nicht darum bekümmern sollte; alles sucht Er für uns zum Segen zu bereiten. Es ist unmöglich, daß uns etwas begegnen könnte, was Ihm gleichgültig wäre, oder worin Er uns unbeachtet ließe. „Er kann uns nicht verlassen, noch versäumen." Der Unglaube nur denkt das Gegenteil. Aber wie köstlich ist für uns, Seine Liebe und Fürsorge zu erkennen, und zu verstehen, daß kein Haar ohne Seinen Willen von unserem Haupte fällt. Gott will Sich um unsere kleinsten und geringsten Umstände treu und völlig bekümmern. Haben wir die Augen zu sehen, wir werden in allem Seine liebende und segnende Hand wahrnehmen, so daß wir uns stets voll Mut und Zuversicht zurufen können: 169 „Harre auf Gott!" Selbst Seine Züchtigungen sind nur ein Ausfluß Seiner Liebe und väterlichen Fürsorge. Er will, daß wir Seine Heiligkeit erlangen. Welch ein Segen, welch ein köstliches Vorrecht für uns! Ja, wenn wir uns selbst, durch Nachlässigkeit oder Selbsthilfe usw., was immer traurig ist, in verwickelte Umstände gebracht haben, so ist Sein Herz dennoch stets bemüht, uns so herauszuhelfen, daß wir dadurch reichlich gesegnet werden. Er sucht alles für uns zum Segen zu bereiten, weil wir Sein sind, und weil Er uns so völlig liebt. Darum auch, wenn wir gezüchtigt werden, wenn wir in gewissen Dingen unsere Nachlässigkeit fühlen müssen, so heißt es doch immer zu uns: „Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist". •— Wenn wir dies alles erwägen, geliebte Brüder, wieviel Ursache finden wir dann, auf unserem Wege durch diese Wüste stets stille und getrost zu sein. Wir mögen hinblicken oder hinkommen, wohin wir wollen, überall begegnet uns die zärtliche Liebe Gottes, des Vaters, überall Seine segnende Hand. Dieses Bewußtsein macht unseren Weg sicher und unseren Gang gewiß. Doch nur der Glaube harret auf Gott und versteht den gesegneten Ausweg; nur die Liebe erkennet Gott, und sieht überall Seine Bemühung und Seine Sorge um uns. Durch den Glauben allein erkennen wir Seine Gegenwart hienieden und wandeln in Seiner Gemeinschaft.
O, es ist etwas überaus Herrliches, Ihn zu kennen, unsere Beziehung zu Ihm zu verstehen, und dann in Seiner Gemeinschaft zu wandeln und sie zu genießen. Wir kennen auch schon unseren gesegneten und herrlichen Ausgang, wenn wir die Worte des Herrn verstanden haben: „ .. . auf daß ihr seid, wo ich bin." Bei Ihm ist unser Ruheort, bei Ihm sind unsere Segnungen und alles werden wir in der Herrlichkeit droben mit Ihm genießen. O, wir sind reich gesegnet! Hier begleitet, nährt und pflegt uns Seine Liebe, kräftigt und hilft uns Seine starke Hand; dort warten unserer unaussprechliche Segnungen mit Ihm nach der Herrlichkeit Seiner Gnade. Das Erbteil droben ist uns so gewiß, als wir jetzt auch Seine Liebe haben, und in dieser Gewißheit können wir nicht anders, als uns stets zuzurufen: „Harret auf Gott!" Es gibt noch etwas in diesem Psalm, was wir nicht übersehen dürfen. Wir lesen in V. 3 und ferner: „W an n w e r d ' ic h h i n e i n g e h e n , u n d v o r G o t t e s A n g e s i c h t e r s c h e i n e n . . . . D a r a n g e d e n k ' i c h , u n d e r - g i e ß e i n m i r m e i n H e r z i n K l a g e n , w i e ic h e i n h e r z o g i m H a u f e n , m i t i h n e n w a l l e t e z u m H a u s e G o t t es u n t e r J u b e l u n d L o b g e s a n g i n 170 f e i e r n d e r M e n g e . . . G e b e u g t is t m e i n e S e e l e i n m i r , d a r u m , d a ß ic h a n d i c h g e d e n k e a u s d e m L a n d e de s J o r d a n u n d de s H e r m o n v o n de m k l e i n e n B e r g e . " — Hier haben wir etwas, was uns die Leiden des Herrn, als Er auf Erden war, und auch der Seinigen offenbart. Wir haben schon davon gesprochen, daß der Herr hienieden ganz und gar ein Fremdling war. Die Welt kannte Ihn nicht, und obwohl „er in sein Eigentum kam, die Seinen rlahmen ihn nicht auf.
Sein Eigentum war der Welt gleich geworden — eine Wüste. Jesus war hier völlig ein Fremdling, selbst mitten unter Seinem Volke; niemand kannte, noch verstand Ihn. Er Selbst sagte zu Seinen Jüngern: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so b l e i b t e s a l l e i n " (Joh. 12, 24). Er war der einzige, der Gott wirklich kannte, und Ihn anbetete im Geist und in der Wahrheit; der einzige, der Ihn durch gänzliche Hingabe und willigen Gehorsam völlig verherrlichte. Der Gottesdienst Seines Volkes bestand in Buchstaben und in der äußeren Form; in diesem Dienste war ihre Herzenshärtigkeit auf das vollständigste offenbar geworden; stets hatte sich das Fleisch als Fleisch in seiner Feindschaft wider Gott völlig dargestellt. Deshalb, als Johannes, der Vorläufer des Herrn, in der Wüste (Bild Israels) auftrat, mußte er predigen: „Alles Fleisch ist Gras und alle Herrlichkeit des Menschen, wie des Grases Blume" (Jes. 40). So groß die Sehnsucht des Herrn auch war, mit Seinem Volke Sich zu erfreuen und zu erquicken, so fand Er doch in dem jetzigen Zustande nicht „den Haufen, die feiernde Menge, in welcher er zum Hause Gottes unter Jubel und Lobgesang zu wallen wünschte." Das Haus Gottes war zu einer Räuberhöhle geworden, und das Volk, das sich dort befand, war voll Haß, Bitterkeit und Feindschaft wider den Herrn Seines Hauses. In diesen Umständen befand Sich der Herr hienieden, und wir verstehen Seine Worte, die so voll des tiefsten Schmerzes sind: „Daran gedenk' ich, und ergieße in mir mein Herz in Klagen." Jerusalem, die Stadt Gottes, Zion, der Berg Seiner Heiligkeit, der Tempel, Seine heilige Wohnung, das Volk, Sein Eigentum — kurz alles, war jetzt nur eine Wüste. Unter Seinem Volke war Er fern von „der feiernden Menge, die mit Jubel und Lobgesang zum Hause Gottes wallete"; ob in Jerusalem, oder im Tempel, es war immer in einer Wüste, in den Höhlen der Räuber und der wilden Tiere. Er drückte darüber Seine tiefe Trauer in diesen Worten aus: „Gebeugt ist meine Seele in mir, darum, daß ich an dich gedenke aus dem Lande des Jordan und des Hermon von dem kleinen Berge."
Was Sein Inneres, Sein 171 Herz, Sein Gefühl usw. betraf, so befand sich der Herr, wenn Er an Gott gedachte, nie auf Zion im Hause Gottes, sondern fern; Er gedachte an Ihn „aus dem Lande des Jordan und des Hermon von dem kleinen Berge", — als Gegensatz von Zion. Wenn sich hier auch die Gefühle Davids kund geben, da er diesen Psalm, wie man vermutet, auf der Flucht vor Absalom dichtete, so finden wir doch nur den vollkommenen Ausdruck desselben in dem Herrn Jesum Selbst wieder. Vermögen wir einen Blick in Seine unvergleichliche Liebe und Sein herzliches Verlangen zu Gott und den Seinigen zu werfen, so begreifen wir auch in etwa Seine Leiden und Seine Sehnsucht in dieser öden Wüste, wo Er in der schrecklichsten und bejammernswertesten Lage allein war, wo Er nur die Sünde und ihre mächtige Wirkung sah. Wir wissen nun, daß ein Teil der Sehnsucht unseres geliebten Herrn erfüllt ist. Er ist droben in das Heiligtum hineingegangen und vor dem Angesicht Gottes erschienen. Er ist auch dort für uns, wir wissen es, doch davon wollen wir hier nicht reden. — Seine Sehnsucht war nach oben, weil Er hier nicht fand, wo Er Sein Haupt hinlegen konnte; Er sagt Selbst zu seinen Jüngern: „Wenn ihr mich liebtet, so hättet ihr euch gefreut, daß ich zum Vater gehe; denn mein Vater ist größer als ich." Nur dort war Er völlig verstanden, nur dort fand Er alles in voller Harmonie mit den Gefühlen und Neigungen Seines Herzens. Doch sind die Seinigen jetzt noch in der Wüste. Sein Herz ist voll Sehnsucht, mit ihnen völlig vereint zu werden. Wenn der Apostel im Gefängnis zu Rom, das Maß seiner Sehnsucht zu den Philippern kund geben will, so sagt er: „Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch Allen sehne mit dem Herzen Jesu Christi." Der Herr ist ganz eins mit den Seinen, und ihre Leiden auf dem Wege durch diese Wüste fühlt Sein Herz mit ihnen, weil Er voll Liebe, voll der zärtlichsten Zuneigung, voll des tiefsten Mitleids für sie ist. Und gewiß ist dies für uns ein süßes Gefühl, voll Trost und Freude, völlig überzeugt zu sein, daß wir stets in Ihm ein solches Herz gegen uns finden. Wandeln wir hienieden mit dem Herrn, genießen wir durch den Glauben Seine Gemeinschaft, so werden wir uns auch gewiß sehnen, droben zu sein, und Sein Angesicht zu schauen.
So groß auch unser Trost und unsere Freude im Herrn hienieden sein mag, so sind wir doch in dieser irdischen Hütte beschwert; wir sind in einem Lande, wo die Sünde wohnt und der Fürst dieser Welt herrscht. Und wenn wir die Gefühle des Herrn zu den Seinigeh teilen, — und wie können wir anders, wenn Seine Liebe in unsere Herzen durch den Heiligen Geist ausgegossen ist, als den innigsten 172 Anteil an der Versammlung Gottes hienieden haben? — so werden wir im Hinblick auf die große Verwirrung und Erschlaffung Seines Volkes, um so sehnlicher verlangen, dort zu sein, wo keine Sünde wohnt, wo Satan diejenigen nicht entzweit, die so völlig eins sind. Dort wird diese Einheit zu Seines Namens Preis und Rühm vollkommen verwirklicht und der Herr in der Mitte Seiner Heiligen völlig verherrlicht sein; dort werden alle Heiligen in sichtbarer Einheit und Herrlichkeit Gott und das Lamm preisen ohne Aufhören. — Geliebte Brüder! ist das jetzt die Sehnsucht und die Freude unserer Herzen? — Ebenso werden wir wünschen, weil alles dem Sohne übergeben und weil Seine Herrlichkeit die unsrige ist, daß Sein Reich auf dieser Erde komme, wo Er als König über alles regieren, und auf Zion in der Mitte Seines Volkes „unter Jubel und Lobgesang in feiernder Menge", sein wird. Ja, je inniger unsere Gemeinschaft hienieden mit dem Herrn verwirklicht ist, desto mehr wird unser Herz von alle dem erfüllt sein, womit Sein Herz beschäftigt ist; Sein Interesse wird das unsrige, und Seine Freude unsere Freude sein. Es gibt noch etwas in diesem Psalm, worauf ich zum Schluß mit wenigen Worten aufmerksam machen möchte. Wir rinden darin die Ausdrücke: „M ei n G o t t ! " „M ei n F e l s ! " — In den schwierigsten Umständen, in den dunkelsten Wegen, selbst da, wo jede Hilfe fern ist, bleibt Gott für das Vertrauen und die Zuversicht des Herrn Jesu immer „ s e i n G o t t u n d s e i n F e l s ! " — Seitdem nun Jesus auferstanden ist, seitdem Er gesagt hat: „Ich fähre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem.
Gott und eurem Gott", dürfen auch wir zu jeder Zeit und in jeder Lage mit Zuversicht sprechen: „Mein Gott! Mein Fels!" Wenn wir erkannt haben, wie das Vertrauen Jesu auf Seinen Gott, als Seinen Felsen, — obwohl Er durch die schwersten Umstände ohne irgendwelche Hilfe zu sehen, hindurchging,— so herrlich gekrönt worden ist, so gibt uns dies Zuversicht, in allen Umständen gläubig zu bekennen: „Mein Gott und mein Fels!" Und wir werden gewiß ebenso erfahren, daß Gott „unseres Angesichts Hilfe und unser Gott ist!" — Dann ist es aber auch so reich an Trost und Freude für uns, wenn wir erkennen, was Gott ist, wenn wir Seine Liebe, Gnade und Geduld verstehen, wenn wir überall Seine segnende Hand erblicken, und immer dabei sagen können: „ M e i n Gott und mein F e l s ! "
Der treue Herr wolle uns immer mehr die Fülle, die in Christo Jesu für uns ist, erkennen und genießen lassen, da- 173 mit wir unsere Versöhnung und Befreiung recht verstehen, Ihn durch Wort und Wandel preisen, und auf die Erfüllung unserer Hoffnung mit Sehnsucht und Ausharren warten.
Ich will dich mit meinen Augen leiten" (Psalm 32, 8. 9)
In diesem Psalm sehen wir die Glückseligkeit des Menschen, dessen Übertretungen bedecket sind, und den Verkehr Gottes mit ihm. Glückselig ist der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde bedeckt ist (nicht: welcher keine Übertretung hat, oder welcher nicht sündigt). „Glückselig ist der Mensch, welchem der Herr Ungerechtigkeiten nicht zurechnet und in dessen Geist kein Falsch ist (d. i. die erneuerte Seele). — Es ist wichtig das Werk des Geistes Gottes auf dem Wege, auf welchem die Seele hier geht, zu betrachten. „Deine Hand war schwer auf mir."
Hier sehen wir das Verfahren Gottes gegen die Seele, welche nicht gänzlich unterworfen ist, um sie in völlige Abhängigkeit und zum aufrichtigen Bekenntnis zu bringen. „Da ich es verschwieg, verschmachteten meine Gebeine durch mein Heulen den ganzen Tag; denn deine Hand war Tag und Nacht schwer auf mir; mein Saft wurde verwandelt in Sommer-Dürre. Ich bekenne dir meine Sünde und verhehle meine Missetat nicht. Ich sprach: ich will dem Herrn meine Übertretung bekennen, da vergabst du mir die Ungerechtigkeit meiner Sünde" (v. 3—5). Dies ist immer wahr, wenn des Herrn Hand auf jemand liegt bis das Böse vor Gott anerkannt wird; und dann ist Vergebung der Ungerechtigkeit da.
Es ist wichtig, daß wir das Verfahren Gottes gegen unsere Seelen, in Betreff der Vergebung verstehen. Wo nicht Bekenntnis der Sünde, wo selbst von irgend einer bestimmten Sünde nicht ein wahres Bekenntnis ist, da ist auch keine Vergebung, — die Seele hat kein wirkliches Bewußtsein von der Vergebung. Wir finden, daß David (Ps. 51) als er seine Sünde bekannte, sagt: „Siehe, ich bin in Ungerechtigkeit geboren und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen"; doch spricht er nicht bloß so im allgemeinen, sondern er bekennt auch (v. 1—4) das besondere Böse, welches er tat. Er erkannte die W u r z e l und die Q u e l l e der Sünde. Wenn das natürliche Herz dahin gebracht wird, die Hand Gottes zu erkennen, so handelt es 174 sich nicht nur um eine besondere Sünde, oder um eine besondere Ungerechtigkeit, wofür sie Vergebung bedarf, sondern Gott bringt die Seele durch das Werk Seines Geistes dahin, die Quelle der Sünde zu erkennen und wo diese und nicht bloß eine besondere Sünde wahrhaft erkannt und bekannt wird, da ist eine wirkliche Wiederherstellung der Seele. In diesem Psalm aber gibt es noch etwas viel Tieferes, sowohl in seinen praktischen Folgen als auch in dem Verfahren des Herrn, selbst tiefer als wir zu denken vermögen.
Freigemacht von den Dingen, welche uns hinderten mit Gott zu verkehren, lernt die Seele jetzt auf Gott sich stützen, anstatt auf diese Dinge, welche sozusagen die Stelle Gottes vertraten. „Dafür wird dich jeder Heilige bitten zur rechten Zeit; ja wenn große Wasserfluten kommen, werden sie ihn nicht anrühren. Du bist mein Schirm; du wirst mich vor Angst bewahren, du umgibst mich mit Gesängen der Befreiung" (V. 6. 7). Da ist ihre Zuversicht. Jetzt folgt das, was mehr den besonderen Gegenstand unserer Betrachtungen ausmacht: I c h w i l l D i c h u n t e r w e i s e n u n d D i r d e n W e g z e i g e n , d e n D u w a n d e l n s o l l s t ; i c h w i l l D i c h m i t m e i n e n A u g e n l e i t e n . Seid nicht gleich einem Rosse, gleich einem Maultier, welches keinen Verstand hat, welchem man Zaum und Gebiß in das Maul legen muß, weil sie nicht zu Dir nahen (V. 8. 9). Wir waren oft wie das Roß oder das Maultier, ein jeglicher von uns; unsere Seelen wollten nicht vorwärts. Wenn es etwas gibt, worin der Wille des Menschen wirksam ist, so verfährt der Herr mit uns wie mit einem Maultier, er hält uns zurück
. Wenn jeder Teil unseres Herzens mit ihm in Berührung ist, so leitet er uns mit seinen Augen. Die Lampe des Leibes ist das Auge. Wenn dein Auge einfältig ist, so ist auch dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. Siehe nun zu, daß das Licht, das in dir ist, nicht Finsternis sei. Wenn nun dein ganzer Leib licht ist, und keinen finstern Teil hat, so wird er ganz licht sein, wie wenn die Lampe mit dem Schein dich erleuchtete" (Luk. 11, 34—36). Wenn es irgend etwas gibt, worin das Auge nicht einfältig ist, und solange es etwas gibt, wird kein völlig freier Umgang mit Gott in unserm Herzen, in unsern Neigungen und Gefühlen stattfinden — unser Wille wird nicht unterworfen sein, und wir werden uns auch nicht einfach von Gott leiten lassen. Wenn das Herz in der rechten Stellung ist, so ist der ganze Leib „voll von Licht", und wir befinden uns in einer völligen Hingabe an den Willen Gottes.
Er lehrt uns jetzt durch Sein Auge, und bringt in uns das Wohlgefallen an Seiner Furcht hervor (Jes. 11,8). Dies ist 175 unser Teil: weil der Heilige Geist wohnend in uns ist, nämlich „Wohlgefallen an der Furcht Gottes zu haben", worin nur e i n Gegenstand, der Wille und die Ehre Gottes, Raum rindet. Dieses gerade sehen wir an Christum: „Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben) deinen Willen, o Gott, zu tun" (Ps.40, 7. 8; Hebr.10, 7). Da, wo dieses ist, da ist auch, selbst wenn wir noch so bittere und schmerzliche Umstände auf dem Wege antreffen, immer die Freude des Gehorsams, und bei dieser Freude können wir sagen: Gott „leitet uns mit seinen Augen." Es bleibt stets beachtenswert für uns, zu wissen, ob wir uns, ehe wir irgend etwas tun, ehe wir in einen besonderen Dienst eintreten, in Unterwürfigkeit vor Ihm befinden. Lasset uns die völlige Gewißheit darin stets suchen und alles in unseren Herzen richten, was uns daran hindert.
Bin ich ohne diese Gewißheit in diesem oder jenem Werke beschäftigt, und ich stoße auf Schwierigkeiten, so werde ich bald anfangen, unsicher zu werden, weil ich nicht weiß, ob dieses nach Gottes Willen ist oder nicht; und dann werde ich schwach und entmutigt sein. Andererseits aber, wenn ich in der Gewißheit des göttlichen Willens und in der Gemeinschaft mit Ihm handele, werde ich immer „mehr als Uberwinder sein", was sich mir auch in den Weg stellen mag; und der Herr wirkt auch innerlich und will mich nicht etwas außer Seinem Wege finden lassen, sondern nur da, wo wir uns im Geiste des Gehorsams befinden. Was könnte dies auch helfen, Gott würde für Seine eigene Unehre behilflich sein. „Wenn jemand will seinen Willen tun", sagt der Herr, „der wird von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist, oder ob ich von mir selber rede" (Joh. 7,17). Dies ist völlig der Gehorsam des Glaubens. Das Herz muß in der Stellung des Gehorsams sein, wie Christus war: „Siehe, ich komme usw." Der Apostel spricht zu den Kolossern: „...da ß ihr mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistigem Verständnis erfüllt sein möget" (Kol. 1, 9). Hier ist das Wohlgefallen an der Furcht des Herrn; es ist der Zustand der Seele eines Menschen; und der Geist der Gesinnung muß sich aber auch notwendigerweise in der äußeren Handlung offenbaren, wenn jener Wille stets vor ihm ist, wie Paulus fortfährt zu sagen: „ — um des Herrn würdig zu allem Wohlgefallen zu wandeln, in allem guten Werke fruchtbringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes" (V. 10). Hier haben wir den gesegneten und freudigen Zustand, wo wir mit Gottes Augen geleitet werden. „Ich habe Speise zu essen", sagt der Herr zu Seinen Jüngern, „welche ihr nicht kennt" (Joh. 4,32). Und was war jene Speise? „Jesus 176 spricht zu ihnen: Meine Speise ist, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe" (V 33). Der Herr leitet, oder besser, wacht über uns auch auf einem anderen Wege; wir werden durch allerlei Umstände Seine stete Sorge um uns erfahren, damit wir keinen Schaden nehmen; aber wir sind denen gleich, die keinen Verstand haben. Und sind wir in dieser Stellung auch dankbar, daß Er also tut? Wir gleichen vielmehr dem Roß und dem Maultier.
Er aber sagt: Dein Wille muß dem Meinen unterworfen sein, und Ich will dich l e i t e n mit M e i n e n A u g e n ; aber wenn ihr nicht unterworfen seid, so muß Ich euch Z a u m u n d G e b i ß e i n l e g e n . Dies ist augenscheinlich sehr verschieden. Mögen unsere Herzen doch wünschen, Gottes Willen zu erkennen und zu tun. Es wird dann nicht soviel die Frage sein, was dieser Wille ist, sondern wir werden den Willen Gottes w i s s e n und t u n , und dann haben wir das völlige und gesegnete Bewußtsein, daß Er uns mit Seinen Augen leitet. Dies ist das Walten Gottes über die, deren Übertretung vergeben, deren Sünde bedecket ist, welchen der Herr Ungerechtigkeiten nicht zurechnet und in deren Geist kein Falsch ist, — über die, welche ihr ganzes Vertrauen auf Ihn gesetzt haben, und welche fühlen, daß sie ohne Seine Leitung gewiß irren.
Quelle BdH 1856