Botschafter des Heils in Christo BdH 1867

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Inhalts-Verzeichniß des Jahrgangs 1867. Seite
Das kananäische Weib 1
Warum öffnest Du nicht? 14
Jesus unser Prophet, unser Hohepriester und unser König. 19
Ein göttliches Heilmittel für menschliche Trauer 20
Gedanken über den Gottesdienst und das Amt bes heiligen Geistes 21
Die goldenen Fäden 36
Stromaufwärts 37
Das Gebet 38
Woran kann man die Leitung des Heiligen Geistes wahrnehmen 39
Verschiedene Bemerkungen gegenseitige Abhängigkeit, in den Erbauungsstunden
Unmöglich möglich 47
Ruhe für das Herz 55
Ihr seid vollendet in Ihm" 60
Wir sind dem Gesetz gestorben 61
Ihr seid vollendet in Ihm". (Fortsetzung) 79
Eine gesegnete Mischung 81
Ein Wort für alle, welche unsern Herrn Jesum Christum 95
Die Thätigkeit Christi für sein Volt 102
Ihr seid vollenbet in Ihm." (Fortsetzung). 104
Ein auffallender Gegensatz 117
Die Abnahme im geistlichen Leben 125
Glaube und Demuth 131
Das Buch und die Seele 140
Jhr seid vollendet in Ihm." (Schluss) 143
Jesus Christus, die einzige Triebfeder, Weisheit und Kraft 145
Mache Dich auf und ziehe gen Bethel 150
Der sterbende Räuber 158
Der sterbende Räuber. (Schluss) 165
Seid Niemand irgend etwas schuldig" 172
Welches sind die Kinder der Weisheit. 183
Frieden durch Glauben. 185


Warum öffnest Du nicht? 
„Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine 
Stimme hört und die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen 
und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir." (Offb 
3, 20.) Diese Worte richtet Jesus an die Versammlung in 
Laodicäa; und Er richtet sie auch an den Sünder. Ja, es wäre 
möglich, daß der Herr auch an das Herz des einen oder anderen meiner Leser geklopft und vergeblich geklopft hätte. 
Und eben an solche wende ich mich mit der ernsten Frage: 
„Warum öffnest du nicht?" 
Ich will versuchen, einige Ursachen zu bezeichnen, die im allgemeinen den Menschen hindern, dem Herrn das Herz aufzuschließen. Viele kennen Ihn nicht, der da sagt: „Ich stehe an 
der Tür und klopfe an." — Willst Du, mein teurer Leser, 
wissen, wer Er ist? Er ist Jesus, der Sohn Gottes, der Seine 
Herrlichkeit verlassen hat, um Sünder selig zu machen. Seine 
Liebe war so groß, daß Er Sich in Elend und Jammer hineinstürzte und den Zorn Gottes trug, um vor Dein Herz treten und 
rufen zu können: „Tue mir auf!" O wenn Du Seine Liebe 
kanntest, Du würdest nicht einen Augenblick länger zögern, 
Ihm die Tür Deines Herzens aufzuschließen. Du würdest Dich 
sicher wundern, wenn Du den König an der Tür eines Bettlers 
stehen sähest mit der Bitte, sie ihm zu öffnen. Und wenn Du 
Ihn kanntest, der klopfend an Deiner Tür steht, sicher, Du 
würdest in Anbetung niedersinken; denn Er kann sagen: „Hier 
ist mehr als Salomo!" Er ist der König der Könige und dei 
Herr der Herren. „Ihm ist alle Gewalt gegeben im Himmel und 
auf Erden", vor Ihm werden sich einmal alle Knie beugen; 
und alle Zungen werden bekennen, daß Er der Herr ist. Könntest Du wohl jemanden Dein Herz geben, der eine höhere 
Würde besäße, als Jesus? Kennst Du jemanden, der höher und 
erhabener ist, der mehr Liebe hat, und der mit weniger Eigennutz Dich sucht, als Jesus? Er hat Dich nicht nötig; und dennoch sucht Er Dich. O sicher, wenn Du Ihn kanntest, Du würdest ungesäumt Dein Herz vor Ihm aufschließen. 
Bei vielen ist Weltsinn die Ursache, daß sie Ihm nicht das Herz 
öffnen. Sie wissen sehr wohl, daß, wenn sie Jesu den Eintritt 
20 
gestatten, sie auch berufen sind, Ihm zu dienen. Sie wissen, 
daß Er gesagt hat: „Niemand kann zwei Herren dienen." Sie 
möchten Ihn zwar gern besitzen, um mit Ruhe an den Tod 
denken zu können; aber um Seinetwillen die Welt ganz preiszugeben und auf ihre Genüsse gänzlich zu verzichten, eine 
solche Forderung ist zu groß. Wie? zu groß? Aber weißt Du 
denn nicht, daß „diese Welt vergeht mit ihrer Lust?" Glaube 
mir, daß das, was Dich zurückhält, nur Schein ist, dessen Täuschung Du gar bald erfahren wirst, nur eine Seifenblase, deren 
schillernde Farben Dein Auge verblenden, die aber zerplatzen 
wird, sobald Du diese Erde verlassen mußt. Und dafür verzichtest Du auf jenes ewige Glück, das Jesus Dir geben will? 
O ich bitte Dich, lausche doch auf die Stimme dessen, der Dich 
so freundlich ruft; denn „was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber seine Seele einbüßte?" 
Andere berufen sich in verkehrter Weise auf ihre Ohnmacht, 
als auf die Ursache, warum sie nicht öffnen. Sie sagen: „Ich 
möchte wohl gerne; aber ich kann nicht." O mein teurer Leser! 
Wenn es sich um die Ohnmacht des Menschen handelt, dann 
versichere ich Dir, daß ich sie aus Erfahrung kenne; ja, ich bin 
überzeugt, daß die Ohnmacht des Menschen größer ist, als 
jene meinen, die sagen: „Ich kann nicht!" — Das Bild, das der 
Herr hier gebraucht, stellt uns die Ohnmacht des Menschen 
deutlich vor Augen; denn wäre der Mensch imstande, sich selbst 
helfen zu können, dann würde das Kommen Jesu unnötig 
sein; aber eben weil der Mensch ein hilfloses Geschöpf ist, 
darum steht Er an der Tür und klopft. Doch das Bewußtsein 
der Ohnmacht wird bei vielen nur zum Ruhekissen gebraucht. 
Und in vielen Fällen kommen die Worte: „Ich kann nicht!" 
von den Lippen solcher, deren Gewissen über ihren Zustand 
erwacht ist, so daß sie mit Furcht an die Ewigkeit denken, die 
sich dann aber durch allerlei Dinge zurückhalten lassen, bei 
Jesu ihr Heil zu suchen, und sich sogar freuen, einen Vorwand 
gefunden zu haben, der einen Schein von Wahrheit an sich 
trägt — einen Vorwand, der nach ihrer Meinung vor Gott und 
Menschen Gültigkeit hat. Aber wie entsetzlich wird es für sie 
sein, wenn sie in der Ewigkeit erfahren werden, daß nicht ihre 
Ohnmacht die Ursache ihres Verlorenseins ist, sondern daß sie 
21 
diesen Vorwand nur gebraucht haben, um ruhig vorangehen 
und in ihrem Zustande bleiben zu können. Ist dieses •. „Ich 
kann nicht!" auch Dein Vorwand, mein Leser? Hast auch Du 
Dich etwa vielleicht schon seit Jahren hinter diesem Schilde 
verborgen? O, dann bitte ich Dich, einmal mit aufrichtigem 
Ernst zu erwägen, wie schrecklich es ist, daß Du in all dieser 
Zeit Jesu widerstanden und Ihn verhindert hast, Dich zu retten. 
Ein einfältiges Herz, das Verlangen nach Jesu hat, denkt an 
eine solche Ohnmacht nicht, sondern freut sich zu hören, daß 
jemand da ist, der Liebe und Macht genug besitzt, um erretten 
zu können. „Siehe ich stehe an der Tür und klopfe an!" — ruft 
der Herr auch Dir zu; und solange Du nicht öffnest, widerstehst Du Ihm. 
Bei noch anderen muß die Ursache darin gesucht werden, daß 
sie fürchten getadelt und abgewiesen zu werden. Sie sind es, 
die da sagen: „Meine Sünden sind zu groß und es sind zu 
viele." Ist dies wirklich Deine aufrichtige Meinung? Ist dies 
wirklich das Gefühl Deines Herzens? Ach! leider gebrauchen 
viele die Größe ihrer Sünden, so wie andere ihre Ohnmacht 
ebenfalls zu einem Vorwande, um ihr Herz für Jesu geschlossen zu halten. Wenn Du es aber aufrichtig meinst, wohlan, 
dann ist Jesus der einzige, der Dir in einem solchen Zustand 
helfen kann. Zu welchem anderen Du auch Deine Zuflucht 
nehmen magst, so wird doch alles vergeblich sein. Die Anstrengungen die Du machst, um Dich selbst zu ändern, 
werden ohne Erfolg bleiben. Die Reinheit, die ein heiliger 
Gott fordert, ist keineswegs dadurch zu erlangen, daß man 
etwas weniger sündigt, oder etwas besser lebt, oder etwas mehr 
betet, oder etwas dieser Art verrichtet. Oder fürchtest Du Dich, 
im Hinblick auf Deine Sünden, dem heiligen und reinen Jesus 
die Tür Deines Herzens zu öffnen? Fürchtest Du Dich, Ihn 
einzulassen in eine solche unreine Wohnung? Willst Du vielleicht versuchen, erst alles selbst in Ordnung zu bringen und 
dann die Tür zu öffnen? Aber dann würdest Du keinen Jesus 
mehr nötig haben. Je unreiner Du bist, desto mehr brauchst 
Du einen Heiland. Der Herr selbst will alles in Ordnung bringen; Du hast nichts zu tun, als mit Bewunderung und Anbetung anzuschauen, wie der Herr Jesus imstande ist, Dich, den 
Verlorenen, zu retten, Dich, den Gottlosen, in den Augen 
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Gottes zu rechtfertigen. Du wirst durch Dein Wirken und 
durch Deine Anstrengungen dem Herrn nur hinderlich sein 
und Ihm entgegenwirken. Er weiß alles, Du brauchst vor Seinem Auge nichts zu verbergen. Er weiß, wie gottlos und unrein 
Du bist; und dieses verhindert Ihn nicht, bei Dir anzuklopfen, 
sondern es ist für ihn um so mehr ein Grund, daß Er Dir mit 
Nachdruck zuruft: „Tue mir auf!" Denke nicht, daß Er bei 
Deinem Anblick überrascht werden wird; denn Er sagt: „Ich 
kenne deine Werke!" Zögere daher nicht länger, sondern tue 
Ihm noch heute auf. Er hat nirgends in Seinem Wort die 
Menge und Größe der Sünden bezeichnet, aus denen Er die 
Seelen befreien kann. Er, der klopfend an Deiner Tür steht, 
ruft Dir zu: „Wenn Eure Sünden wie Scharlach sind, wie 
Schnee sollen sie weiß werden." (Jes 1, 18.) 
Wieder begegnet man anderen, die dem Herrn nicht öffnen, 
weil sie Ehre und Ansehen bei den Menschen einzubüßen 
fürchten. Sie haben recht; denn der Herr Jesus selbst sagt: 
„Wenn ihr von der Welt wäret, so würde die Welt das Ihrige 
lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch 
aus der Welt auserwählt habe, darum haßt euch die Welt." 
(Joh 15, 19.) Sobald die Jünger dem Herrn folgten, haben sie 
dieses erfahren; und jeder, der Ihn kennenlernt und Ihm nachfolgt, macht diese Erfahrung. So lange man in der Welt lebt, 
wird man von ihr geachtet und geehrt; doch sobald man auf 
die Stimme Jesu lauscht und das Herz vor Ihm aufschließt, 
nimmt alles eine andere Gestalt an; dann ist Verachtung Dein 
Teil, dann sind jene, die Dich früher liebten, plötzlich Deine 
Feinde geworden; und jene, die Dich einst priesen als einen 
Mann, mit dem etwas anzufangen sei, überschütten Dich mit 
Schimpfnamen, beklagen Dich wegen Deines Brütens und betrachten Dich als für die Welt verloren. Dann hören alle Begünstigungen meistens auf; und mancherlei Arten von Verlusten sind zu beklagen. Siehst Du? dies alles können die Folgen sein, wenn man Jesum aufnimmt, wenn man Ihm das Herz 
öffnet. Aber, mein Freund, bedenke einmal, was solchen Erscheinungen gegenübergestellt ist. Der Herr Jesus sagt: „Wer 
überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Throne 
zu sitzen." (Offb 3, 21.) — Hier das Kreuz, dort die Herrlichkeit; hier Verachtung, dort ein Thron. Wie vieles ich auch um 
23 
Jesu willen zu leiden haben mag, ja wäre es selbst, daß meine 
eigenen Hausgenossen mich hassen werden; dies ist alles nicht 
zu vergleichen mit dem, was Jesus für Sünder aufgeopfert hat. 
„Er, der er reich war, ist um deinetwillen arm geworden, damit du durch seine Armut reich würdest." (2. Kor 8, 9.) Er hat 
den Zorn Gottes getragen, um Dir einen Thron geben zu 
können. Wenn die ewige Herrlichkeit und die Rettung Deiner 
Seele Dir mehr am Herzen liegt, als eine kurze Zeit der Ehre 
und als ein kurzer Genuß der Vorteile von Seiten der Menschen, dann laß Dich nicht zurückhalten, sondern öffne Ihm 
Dein Herz, der an Deiner Tür steht und anklopft. 
Noch anderen kommt der Besuch Jesu zur ungelegenen Zeit. 
Sie wollen ihr Herz öffnen; aber jetzt noch nicht. Sie sind 
heute noch mit anderen Dingen beschäftigt. Die Aussichten 
dieses Lebens sind gerade jetzt so schön; die Gelegenheit bietet 
sich gerade jetzt an, um etwas genießen zu können, worauf sie 
verzichten müßten, wenn sie Jesum jetzt Eintritt gestatteten. 
Sie denken: „Es wird wohl noch eine gelegenere Zeit kommen, 
und dann werde ich auf tun; für jetzt gehe hin/' Denkst Du 
auch so, mein teurer Leser? Ach, dann beklage ich Dich; denn 
eine gelegenere Zeit wird nie kommen. Und auch könnte es 
wohl das letzte Mal sein, daß Jesus bei Dir anklopft; es 
könnte das letzte Jahr, der letzte Tag, die letzte Stunde sein, 
daß Du noch hier in der Zeit der Gnade lebst. Jesus, Dein 
Freund, sagt: „Mache mir auf!" — der Teufel, Dein Feind, 
sagt: „Warte bis morgen!" Auf wessen Stimme willst Du 
lauschen? Jesus sucht Deine ewige Errettung, der Teufel Dein 
ewiges Verderben. O bedenke dies und verwirf jeden Aufschub, „jetzt ist der Tag des Heils!" Jetzt ist Jesus noch bereit, 
Dich selig zu machen. Morgen hat Dich vielleicht schon der 
Tod von dieser Erde hin weggerafft; und dann ist alles zu spät. 
Endlich denken noch andere, daß es für sie gerade nicht so 
sehr nötig sei, dem Herrn das Herz zu öffnen. Schrecklicher 
Selbstbetrug! Denn für welchen Menschen sollte Jesus nicht 
nötig sein? Mein teurer Leser! Vielleicht hast auch Du bisher 
der Meinung Raum gegeben, daß Du so gottlos nicht seiest, 
wie mancher andere. Vielleicht hält man Dich allgemein für 
einen religiösen, braven Mann, so daß Du nicht einsiehst. 
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warum Du Dich bekehren solltest; ja, vielleicht zürnst Du gar 
denen, die Dich auf Dein Seelenheil aufmerksam machen. Es 
kann möglich sein, daß sich noch gottlosere Menschen finden 
lassen, als Du bist; aber auch vielleicht solche, die braver und 
religiöser sind, als Du. Wäre dieses das Merkzeichen, ob man 
einen Heiland braucht oder nicht, dann möchtest Du vielleicht 
recht haben. Aber das ist es nicht, worauf es ankommt. 
Saulus, der an pharisäischer Heiligkeit viele übertraf, mußte 
ebensogut wie der Räuber am Kreuze einen Jesus haben, um 
in den Himmel kommen zu können. Und das gilt auch für Dich. 
Du denkst vielleicht genug zu besitzen; und das dachten die 
Laodicäer auch; doch der Herr sagt ihnen, daß sie arm, blind 
und bloß seien. Ach, laß Dir Deine Augen durch den Herrn 
öffnen, und siehe Deinen Zustand. Menschliche Religiosität 
und Ehrbarkeit ist vor Gott nicht genügend; nur das Werk 
Christi vermag Gott zu befriedigen. Vor Gott ist niemand gu) 
von Natur; vor Ihm sind alle Menschen verwerflich; und niemand, wie religiös er auch gewesen sein mag, hat je auf Erden 
gelebt, der vor dem Urteil Gottes bestehen kann. Willst Du 
es wagen, diesem Urteil entgegenzugehen? Fürchtest Du Dich 
nicht vor einem Gott, dem Du Rechenschaft geben mußt? Ein 
einziger unreiner Gedanke, ein einziges gottloses Wort, eine 
einzige verkehrte Tat ist genug, um vor Gott nicht bestehen 
zu können. O betrüge Dich selbst nicht, mein teurer Leser! Du 
hast ebenso gut einen Heiland nötig, wie ein anderer. Er steht 
an Deiner Tür und klopft an. O mache Ihm doch auf; wirf 
Dich als ein armer Sünder zu Seinen Füßen und Du wirst 
leben. 
Und nun, mein Leser, welche Ursache Dich auch von Jesu 
zurückhalten mag, und welche Entschuldigung Du auch vorbringen magst, — ich komme nochmals mit der Frage: „Warum 
öffnest Du nicht?" Wer Du auch seiest, und in welcher Stellung 
Du Dich auch befindest — Du hast Jesum nötig. Er allein kann 
Dich selig machen. Und Er kann dich vollkommen selig machen. Er weiß zu allen Dingen Rat. Dein Zustand kann nicht 
so schrecklich sein, oder Er kann und will Dich daraus erlösen. 
O gehe darum zu Ihm, zu dem einzigen Arzt der Seele, und 
sei versichert, daß niemand, der zu Ihm kommt, hinausgeworfen werden wird. 
25 
Jesus, unser Prophet, 
unser Hoherpriesrer und unser König 
Wie wir in Luk 10,39 lesen, saß Maria zu den Füßen Jesu und 
hörte Sein Wort, indem sie Ihn als ihren Propheten, als Den 
erkannte, der aus dem Schoß des Vaters gekommen war, um 
den Vater zu offenbaren. 
In Joh 11, 32. 33 finden wir, wie Maria, von ihrer Trauer 
niedergebeugt, Jesu weinend zu Füßen fällt und wie Er mit ihr 
weint. Hier erkennt sie Ihn als ihren Hohenpriester und findet 
in Ihm jemanden, der Mitleiden hat mit ihren Schwachheiten. 
Da sie Gnade und Hilfe nötig hatte, naht sie sich mit Freimut 
Ihm, der voll von Gnade und Wahrheit ist. 
In Joh 12, 3 salbt Maria die Füße Jesu, und „das Haus wurde 
von dem Geruch der Salbe erfüllt". Wie lieblich der sich ausbreitende Wohlgeruch sein mochte, so war er doch nicht so 
lieblich, wie ihr Glaube für das Herz ihres Herrn war. Ja, der 
Glaube war nach Seiner Wertschätzung so kostbar, daß Er 
laut erklärte, der Wohlgeruch ihres Glaubens werde bekannt 
werden, wohin irgendwie der Schall des Evangeliums dringen 
werde. 
Matth 26, 12. 13. „Sie hat es zu meinem Begräbnis getan." 
Ihr Glaube verstand gewiß das, was die Jünger nicht verstehen 
konnten. Sie sah Ihn als das Lamm, geschlachtet für die Sünde 
des Volks; und indem sie, wie es mir scheint, über Seinen Tod 
und Sein Begräbnis hinweg auf Seine Auferstehung schaute, 
salbte sie Ihn als den König in Zion; denn dies ist der Charakter, in dem wir Ihn unmittelbar nach Seinem Einzüge in Jerusalem finden und der hier in Schwachheit darstellt, was Er hernach in der Macht und Herrlichkeit der Auferstehung erfüllen 
wird. 
Möchte unser Glaube unseren von der Erde verworfenen und 
verachteten Herrn in allen diesen Seinen kostbaren Ämtern 
erkennen, und zwar sitzend zu Seinen Füßen, um zu lernen, 
weinend zu Seinen Füßen in der Gewißheit Seines Mitgefühls 
in all unseren Trübsalen, und hinschauend mit Wonne nach 
jener Zeit, wo Er als König der Könige und als Herr der Herren 
geoffenbart sein wird und wir mit Ihm regieren in Herrlichkeit. 
26 
Ein göttliches Heilmittel 
für menschliche Trauer 
Die Auferstehung Jesu ist das Heilmittel Gottes für alle 
Krankheiten dieser Wüste. (Siehe Mark 16.) Die Jünger befanden sich in jenen Tagen in großer Unruhe und Herzenstraurigkeit. „Diese ging hin und verkündigte es denen, die mit 
ihm gewesen waren, welche trauerten und weinten." (V. 10.) 
Sie waren ihres Herrn und Meisters beraubt worden. Der sie 
umgebende Schauplatz war für sie eine Wildnis. Jesus war 
abwesend; und der schönste Platz in dem großen Weltenraum 
ist, wenn Er nicht da ist, nur eine Wüste für das Herz, das 
Ihn liebt. Nur Seine Gegenwart machte die Wüste lieblich; 
und „wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, 
ein Morgen ohne Wolken; von ihrem Glänze nach dem Regen 
sprießt das Grün aus der Erde". (2. Sam 23, 4.) Daher ist die 
Lieblichkeit unserer Hoffnung, daß wir „noch über ein gar 
Kleines" bei Ihm sein werden. Und dieses ist auch der Wunsch 
Seines eigenen Herzens, das voll von Liebe ist. „Vater, ich 
will, daß die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, 
wo ich bin; auf daß sie meine Herrlichkeit schauen, die Du 
mir gegeben hast." (Joh 17, 24.) 
Ein auferstandener Christus begegnet daher allen Bedürfnissen 
1. eines beladenen und trauernden Herzens, (V. 3, 4.) 
2. eines beunruhigten, sich entsetzenden Geistes, (V. 5, 6.) 
3. eines erschrockenen, bestürzten Gemüts, (V. 8.) 
4. einer beraubten, trauernden und weinenden Liebe. (V. 10.) 
Dann ist der auferstandene Jesus die Kraft, das Evangelium zu 
predigen, Teufel auszutreiben, Schlangen zu zertreten und 
Kranke zu heilen. Schließlich sehen wir den auferstandenen, 
siegreichen, aufgefahrenen Christus sitzen zur Rechten Gottes, 
indem Er stets den Charakter des Wirkenden behauptet. „Jene 
aber gingen aus und predigten allenthalben, indem der Herr 
mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden 
Zeichen." (V. 20.) 
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Gedanken* über den Gottesdienst 
und das Amt des Heiligen Geistes 
„Alle Dinge aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeglichen 
insbesondere austeilend, wie er will" (1. Kor 12, 11). 
1. Die Gegenwart Gottes in der Versammlung. 
Die Lehre von der Innewohnung des Heiligen Geistes in dem 
„Leibe", der Kirche, sowie von Seiner Gegenwart und Obergewalt in den Versammlungen der Heiligen erschien mir bereits seit vielen Jahren, wenn auch nicht wie die erhabene 
Wahrheit der Ausgießung selbst, so doch als eine der wichtigsten Wahrheiten, welche die Tatsache der Ausgießung kennzeichnen. Diese Wahrheit zu verneinen ist einer der bedeutendsten Züge des in unseren Tagen sich kundgebenden Abfalls. 
Dieses Gefühl hat sich bei mir keineswegs vermindert, sondern 
steigert sich vielmehr in dem Maße, wie die Zeit voranschreitet. 
Obwohl ich völlig anerkenne, daß unter allen Parteien und 
Benennungen vielgeliebte Kinder Gottes zu finden sind, und 
obwohl ich mein Herz gegen jedes Kind Gottes offen zu halten 
wünsche, muß ich doch freimütig bekennen, djß mir eine Gemeinschaft mit irgend einer aus bekennenden Christen besiehenden Körperschaft, welche anstatt der obersten Leitung des 
Heiligen Geistes die eine oder die andere kirchliche Form unterschiebt, ebenso unmöglich sein würde, wie wenn ich als geborener Israelit an der Aufrichtung eines goldenen Kalbes an 
die Stelle des lebendigen Gottes hätte teilnehmen sollen. Wie 
tief aber ist in dieser Beziehung die Christenheit gesunken! 
Und da wegen dieser Sünde und vieler anderen Greuel das 
Gericht über die Christenheit verhängt ist, so vermögen wir 
unseren Dank nur mit Trauer und mit dem demütigenden Bewußtsein zu opfern, daß auch wir Anteil an dieser Sünde hatten, und daß wir in Christo einen Leib mit einer großen Zahl 
*) Auszüge au? einigen Briefen, die zunächst an eine bestimmte Versamm* 
lung gerichtet waren, dann aber auf vielseitiges Verlangen gedruckt worden sind. 
Der beschränkte Raum dieser Blätter nötigt uns, die Briefe nur auszugsweise 
dem Leser vorzuführen. Anmcrk. d. Übers. 
28 
von Christen bilden, die bis heute noch in diesem Zustande 
verharren und sich sogar dessen rühmen. Wie groß aber auch 
die Schwierigkeiten sein mochten, die eine Trennung von diesem Übel begleiten, und denen wir alle mehr oder weniger begegnet sind, so haben sie doch weder meine Überzeugung bezüglich dieses Übels zu erschüttern vermocht, von dem mich 
Gott in Seiner Gnade hat ausgehen lassen, noch das "Verlangen 
in mir wachgerufen, zu jener Art von menschlicher und amtlicher Autorität zurückzukehren, die sich gewisse Personen anmaßen und dadurch der bekennenden Welt jenes Kennzeichen 
aufdrücken, wodurch das bald über sie hereinbrechende Gericht beschleunigt wird. 
Aber, geliebte Brüder, da unsere Überzeugung von der Wahrheit und Wichtigkeit der Lehre von der Gegenwart des Heiligen Geistes nicht zu fest sein kann, so erlaubt mir, Euch zu 
erinnern, daß die Gegenwart des Heiligen Geistes in den Versammlungen der Heiligen eine Tatsache ist. Wir bedürfen 
hierzu eines einfältigen Glaubens. Wir sind sehr geneigt, es zu 
vergessen; und dieses Vergessen oder das Nichterkennen 
dieser Wahrheit ist die Haupt-Ursache, daß wir uns versammeln, um in der Gegenwart Gottes zu sein, und lebte, 
während wir versammelt sind, das Bewußtsein in uns, daß 
Gott wirklich gegenwärtig ist, welch eine gesegnete Wirkung 
würde diese Überzeugung auf unsere Seelen ausüben! Ist es 
doch eine unleugbare Tatsache, daß, so wie wirklich einst 
Christus bei Seinen Jüngern auf der Erde war, ebenso wirklich 
jetzt der Heilige Geist in den Versammlungen der Heiligen 
gegenwärtig ist. Wenn Seine Gegenwart in irgend einer Weise 
durch unsere Sinne wahrgenommen werden könnte, wenn 
unser Auge Ihn zu schauen vermöchte, wie die Jünger einst 
Jesum sahen, welche ernsten Gefühle würden uns erfüllen 
und unsere Herzen beherrschen! Gewiß, eine feierliche Stille, 
eine ehrfurchtbezeugende Aufmerksamkeit, ein volles Vertrauen zu Ihm — kurz alles, was dem Gliede einer solchen 
Versammlung geziemt, würde die unausbleibliche Folge sein. 
Wie könnte dann, wenn also die Gegenwart des Heiligen 
Geistes unseren äußeren Sinnen enthüllt wäre, irgend eine 
Voreiligkeit, wie konnten Gefühle des Neides oder der Aufregung sich kundgeben! Aber sollte die Wirklichkeit Seiner 
29 
Gegenwart weniger Einfluß auf uns ausüben, weil ihre Wahrnehmung eine Sache des Glaubens und nicht des Schauens ist? 
Ist Er, weil Er unsichtbar ist, weniger wirklich gegenwärtig? 
Die arme Welt ist es, die Ihn nicht empfängt, weil sie Ihn 
nicht sieht; aber wollen wir den Platz der Welt einnehmen 
und den unsrigen aufgeben? Der Herr Jesus sagt: „Ich werde 
den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Sachwalter 
geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht 
sieht, noch ihn kennt, Ihr aber kennet ihn; denn er bleibt bei 
euch und wird in euch sein." (Joh 14, 16. 17.) 
„Ihr aber kennet ihn!" Wie sehr wäre es zu wünschen, daS 
dieses in der Tat der Fall sei! Ich gewinne mehr und mehr die 
Überzeugung, daß das große etwas, das uns mangelt, nichts 
anderes ist, als der Glaube an Seine persönliche Gegenwart. 
Haben, wir nicht alle schon Zeiten verlebt, wo Seine Gegenwart in unserer Mitte als eine Tatsache verwirklicht war? Und 
wie gesegnet waren solche Momente! Wohl möglich, daß in 
Zwischenräumen kein begabter Bruder den Mund öffnete; 
aber wie wurden solche Augenblicke angewendet? Man harrte 
feierlich auf Gott. Da zeigte sich nirgends eine unruhige Bewegung, um zu erfahren, welcher Bruder beten oder reden 
würde, da vernahm das Ohr kein geräuschvolles Blättern in 
den Bibeln oder Liederbüchern, um zum Lesen oder Singen 
etwas Passendes zu finden, da regten sich im Herzen keine 
ängstlichen Gedanken darüber, was die Anwesenden von 
einem solchen Schweigen denken möchten. Gott war da. Jedes 
Herz war mit Ihm beschäftigt. Und hätte in einem solchen 
Augenblick jemand den Mund geöffnet, nur um das Schweigen 
zu brechen, so würde man es sicher als eine wirkliche Störung 
bezeichnet haben. Und wie gehoben fühlten sich unsere Seelen, 
wenn endlich durch ein Gebet, das den Wünschen und Gefühlen aller Anwesenden Ausdruck verlieh, oder durch ein 
Lied, in das jeder mit ganzer Seele einstimmen konnte, oder 
durch ein Wort, das sich mit Macht an unsere Herzen wandte, 
die Stille unterbrochen wurde! Und obwohl beim Vorschlagen 
der Lieder, beim Beten und Reden verschiedene Personen tätig 
gewesen waren, so war es doch augenscheinlich „ein und derselbe Geist", der sie in diesem Dienst so geleitet hatte, als 
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habe man sich darüber vorher verständigt und jedem einzelnen 
seinen Platz angewiesen. Menschliche Weisheit würde einen 
solchen Plan nie zur Ausführung gebracht haben. Die Harmonie war göttlich, es war der Heilige Geist, der durch die 
verschiedenen Glieder tätig war, um die Anbetung auszudrücken, oder um den Bedürfnissen aller Anwesenden zu genügen. 
Und warum sollte es nicht immer so sein? Ich wiederhole es, 
geliebte Brüder: die Gegenwart des Heiligen Geistes ist eine 
Tatsache, nicht Bloß eine Lehre. Und sicher, wenn Er bei 
unseren Zusammenkünften in unserer Mitte gegenwärtig ist, 
so gibt es keine Tatsache von größerer Bedeutung, als eben 
diese. Ps ist eine Tatsache, die alles andere ausschließt und die 
alles übrige in der Versammlung charakterisieren sollte. Hier 
handelt es sich nicht nur um eine Verneinung. Die Gegenwart 
des Heiligen Geistes bezeichnet nicht nur, daß die Versammlung nicht nach einer menschlichen, zum Voraus bestimmten 
Ordnung geleitet werden darf, sondern richtet auch an uns 
die Mahnung, daß, wenn der Heilige Geist gegenwärtig ist, 
Er auch die Versammlung leiten muß. Seine Gegenwart will 
auch nicht sagen, daß ein Jeder nach Belieben einen Dienst in 
der Versammlung einnehmen kann. Nein, gerade das Gegenteil. Freilich darf keine menschliche Beschränkung stattfinden; 
aber wenn der Geist Gottes gegenwärtig ist, so darf niemand 
in dem Gottesdienste einen Platz einnehmen, der ihm nicht 
von Gott angewiesen ist und für den Er ihn nicht befähigt hat. 
Die Freiheit des Dienstes besteht darin, daß der Heilige Geist 
frei wirken kann, durch welchen er will. Aber wir sind nicht 
der Heilige Geist; und wenn die widerrechtliche Besitznahme 
Seines Platzes durch eine einzelne Person ein unerträgliches 
Ding ist, was soll man dann zu einer solchen Anmaßung 
seitens einer bestimmten Anzahl von Personen sagen, welche 
handeln, weil sie meinen, die Freiheit dazu zu haben, statt zu 
wissen, daß sie sich dem Willen des Heiligen Geistes zu unterwerfen haben. Ein wirklicher Glaube an die Gegenwart des 
Heiligen Geistes würde alle diese Dinge in Ordnung bringen. 
Man soll nicht zu schweigen wünschen oder sich des Wirkens 
aus dem Grunde enthalten, weil dieser oder jener Bruder 
gegenwärtig ist. Lieber würde ich sehen, daß Unordnungen 
31 
aller Art zum Vorschein kämen, damit sich der wahre Zustand 
der Dinge ans Licht stellte, als daß dieser Zustand verborgen 
bliebe wegen der Anwesenheit irgend einer Person. Es wäre 
zu wünschen, daß die Gegenwart des Heiligen Geistes auf eine 
solche Weise verwirklicht würde, daß niemand zum Reden den 
Mund öffnete, es sei denn durch die Macht und unter der 
Leitung des Heiligen Geistes, und daß das Gefühl Seiner 
Gegenwart uns also von allem fernhalten möchte, was Seiner 
und des Namens Jesu, der uns versammelt, unwürdig ist. 
In einer Stelle des Alten Testaments lesen wir die Ermahnung: 
„Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause Gottes gehst, und 
nahen, um zu hören, ist besser, als wenn die Toren Schlachtopfer geben, denn sie haben keine Erkenntnis, daß sie Böses 
tun. Sei nicht vorschnell mit deinem Munde, und dein Herz 
eile nicht, ein Wort vor Gott hervorzubringen; denn Gott ist 
im Himmel und du bist auf der Erde; darum seien deiner 
Worte wenige." (Pred 5, 1. 2.) Wenn die Gnade, in welcher 
wir stehen, uns einen freien Zugang zu Gott gegeben hat, so 
dürfen wir sicher diese Freiheit nicht durch voreiliges, unehrerbietiges Reden mißbrauchen. Das Bewußtsein, daß der 
Heilige Geist in unserer Mitte ist, sollte ein wichtigerer Beweggrund zu einer heiligen Scheu und zu einer gottseligen 
Furcht sein, als der Gedanke, daß Gott im Himmel ist, und 
wir auf der Erde sind. „Deshalb, da wir ein unerschütterliches 
Reich empfangen, laßt uns Gnade haben, durch welche wir 
Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht." 
(Hebr 12, 28.) 
2. Die Auferbauung der Kirche durch die Guben. 
Indem ich den oben angeregten Gegenstand weiter verfolge, 
wünsche ich, meinen Lesern einen Auszug aus einem Traktat 
vorzulegen, der vor mehreren Jahren von einem sehr lieben 
Bruder in der Form eines Zwiegesprächs abgefaßt worden ist. 
E. Ich habe vernommen, daß Sie jedem Bruder die Fähigkeit 
zutrauen, in der Versammlung der Heiligen zu lehren. 
W. Durch eine solche Behauptung würde ich den Heiligen Geist 
leugnen. Niemand ist fähig, in der Versammlung der Heiligen 
lehren zu können, es sei denn, daß Gott ihm zu diesem Zweck 
besondere Gaben verliehen habe. 
32 
E. Gut; aber Sie glauben doch, daß jeder Bruder, wenn er es 
kann, das Recht hat, in der Versammlung zu reden. 
W. Nein, sicher nicht. Ich spreche jedem, wer es auch sei, dieses 
Recht ab. Nur Gott der Heilige Geist hat dieses Recht. Ein 
Mensch mag von Natur sehr begabt sein, reden und sogar gut 
reden zu können; aber wenn er „dem Nächsten nicht zum 
Guten, zur Erbauung gefallen" kann, (Röm 15, 2.) so hat ihn 
der Heilige Geist nicht zum Reden befähigt. Wenn ein solcher 
es aber dennoch tut, so verunehrt er Gott, seinen Vater, betrübt den Heiligen Geist, verachtet die Kirche Christi und 
offenbart nur seinen eigenen Willen. 
E. Welche besondere Ansicht aber haben Sie über diesen 
Punkt? 
W. Meinen Sie, daß es eine besondere Ansicht von meiner 
Seite sei, wenn ich glaube, daß, da die Kirche Christo angehört, Er ihr auch Gaben zu ihrer Auferbauung und Leitung 
verleiht, damit nicht etwa noch so schön Vorgetragenes nutzlos sein würde, und ihre Aufmerksamkeit schlecht geleitet und 
ihre Zeit übel angewandt wird? 
E. Gewiß; ich räume dieses ein, und ich wünsche nur, daß 
man noch mehr nach diesen Gaben Gottes streben und mit 
größerer Sorgfalt alle anderen Mittel bekämpfen möchte, wie 
sehr menschliche Beredsamkeit sie auch in Kredit zu bringen 
suchen mag. 
W. Ich behaupte auch, daß der Heilige Geist Gaben austeilt, 
welchem Er will, und zwar solche Gaben, wie es Ihm gefällt, 
daß ferner die Heiligen so untereinander verbunden sein sollten, daß die Gaben eines Bruders die Ausübung der Gaben 
eines anderen nicht hindern, und daß schließlich den kleinsten 
Gaben die Tür ebensowohl geöffnet sein sollte, wie den 
größten. 
E. Das versteht sich von selbst. 
W. Nun, das läßt sich nicht so bestimmt sagen; denn weder in 
der Landeskirche noch bei anderen Sekten findet man das 
ausgeübt, was wir in 1. Kor 14 lesen. Zudem behaupte ich, 
daß keine Gabe, um tätig zu werden, der Weihe seitens der 
Kirche bedarf. Ist sie von Gott, so wird Er sie auch bestätigen, 
und die Heiligen werden ihren Wert anerkennen. 
33 
E. Erkennen Sie denn ein angeordnetes Amt nicht an? 
W. Wenn Sie damit sagen wollen, daß in jeder Versammlung 
die, welche Gaben zur Erbauung von Gott empfangen haben, 
sich in beschränkter Zahl vorfinden und von den anderen anerkannt werden, so räume ich dieses ein; wenn Sie aber ein 
ausschließliches Amt im Auge haben, so verneine ich Ihre 
Frage entschieden. Unter einem solchen Amt oder Dienst verstehe ich die Anerkennung bestimmter Personen, die den Platz 
von Lehrern so ausschließlich einnehmen, daß die Ausübung 
der Gaben irgend eines anderen ordnungswidrig erscheinen 
würde. So würde man es z. B. in der Landeskirche und in den 
meisten Kapellen anderer Benennungen als eine Unordnung 
bezeichne, wenn ein Dienst durch zwei oder drei wirklich vom 
Heiligen Geist begabte Personen ausgeführt würde. 
E. Auf was gründen Sie aber diese Unterscheidung? 
W. Auf Apg 13, 1. Ich sehe, daß dort nur fünf Personen 
waren, die der Heilige Geist als Lehrer anerkannt hatte: 
Barnabas, Simeon, Lucius, Manaen und Saulus. Ohne Zweifel 
waren es nur diese fünf Männer, von denen in allen Versammlungen die Heiligen erwarteten, daß sie reden würden. 
Dies war ein anerkannter aber kein ausschließlicher Dienst; 
denn als Judas und Silas kamen, (Kap. 15, 32.) konnten sie 
ohne Schwierigkeit unter diesen anerkannten Lehrern ihre 
Plätze einnehmen und deren Zahl vermehren. 
E. Aber in welcher Beziehung würde dieses stehen zum Vorschlagen eines Liedes, oder zu einem Gebet oder dem Vorlesen 
eines Schriftabschnitts? 
W. Dieses sollte, wie alles Übrige, der Leitung des Heiligen 
Geistes anheimfallen. Es ist nicht genug zu beklagen, wenn 
jemand aus eigenem Antrieb ein Lied vorschlägt, ein Gebet 
spricht oder einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift in einer 
Versammlung vorliest, ohne durch den Heiligen Geist dazu 
geleitet zu werden. Wenn jemand in der Versammlung der 
Heiligen handelt, so bekennt er dadurch, daß er vom Heiligen 
Geist dazu geleitet und angetrieben sei; und wenn dieses 
Bekenntnis ein unwahres ist, so begeht er eine sehr vermessene Handlung. Wenn die Heiligen wissen, was die Gemeinschaft ist, so werden sie auch wissen, wie schwierig es ist, 
34 
die Versammlung durch Gebet und Gesang zu leiten. Sich an 
Gott zu wenden im Namen der Versammlung, oder der Versammlung ein Lied vorzuschlagen als das Mittel, um vor Gott 
ihren wahren Zustand auszudrücken, das bedarf sicher der unmittelbarsten Leitung von Seiten Gottes. 
Unter einem solchen Gesichtspunkt wurde der bezeichnete 
Gegenstand von einem Bruder betrachtet, der einer der ersten 
Arbeiter unter denen war, die bereits seit beinahe dreißig 
Jahren bestrebt waren, sich im Namen Jesu zu versammeln. 
Als Stützpunkt des Hauptgedankens in diesem Traktat, nämlich, daß Gott niemals alle Heiligen dazu bestimmt, an dem 
öffentlichen Dienst des Wortes teilzunehmen, oder die Andacht der Versammlung zu leiten, wünsche ich die Aufmerksamkeit der Leser auf 1. Kor 12, 29. 30. zu lenken, wo wir 
lesen: „Sind etwa alle Apostel? alle Propheten? alle Lehrer? 
Haben alle Wunderkräfte? Haben alle Gnadengaben der Heilungen? Reden alle in Sprachen? Legen alle aus?" — Diese 
Stellen würden keinen Sinn haben, wenn nicht dadurch klar 
ans Licht treten sollte, daß solche Dienstleistungen in der Versammlung nur durch einzelne ausgeübt werden. Der Apostel 
hatte vorher gesagt: „Und Gott hat etliche in der Versammlung gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens 
Lehrer, sodann Wunderkräfte, sodann Gaben der Heilungen 
usw." Und dann fragt er: „Sind alle Apostel? usw." Also 
selbst in dem Teile der Heiligen Schrift, der bis ins einzelne die 
Obergewalt des Heiligen Geistes betreffs der Austeilung und 
Ausübung der Gaben in dem Leibe, der Kirche, behandelt, in 
jenem Teil, auf den man sich, und zwar mit Recht, beruft, um 
zu beweisen, daß die Freiheit des Dienstes in der Kirche von 
Gott selbst eingesetzt ist, gerade in diesem Teil wird uns gesagt, daß nicht alle Brüder von Gott begabt sind, sondern daß 
Er etliche in der Versammlung dazu bestimmt hat. 
Wenden wir uns jetzt zu Eph 4. Man hat in betreff der Möglichkeit, nach den in 1. Kor 12 und 14 angegebenen Grundsätzen handeln zu können, Zweifel erhoben, da etliche der hier 
aufgezählten Gaben nicht mehr vorhanden sind. Ich hege 
solche Zweifel nicht, und ich beschränke mich darauf, an die, 
35 
welche sie haben, die Frage zu richten, ob sich in der Heiligen 
Schrift etwa andere Grundsätze vorfinden, nach denen wir 
handeln können. Wenn aber solche nicht vorhanden sind, 
welche Macht gestattet uns dann, nach Grundsätzen zu handeln, die nirgends in der Heiligen Schrift zu finden sind? Doch 
kein Zweifel dieser Art kann bestehen im Blick auf Eph 4, 
8—13, wo wir lesen: „Darum sagt er: Hinaufgestiegen in die 
Höhe hat er die Gefangenschaft gefangen geführt und den 
Menschen Gaben gegeben . .. Und er hat die einen gegeben 
als Apostel, und andere als Propheten, und andere als Evangelisten, und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung 
der Heiligen: für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung 
des Leibes des Christus." So lange Christus einen Leib auf der 
Erde hat, der der Dienstleistungen solcher Männer bedarf, 
reicht Er diesen die Gaben Seiner Liebe dar zur Nahrung und 
Unterhaltung dieses Leibes, Seiner Braut, bis „wir alle ihm 
entgegen gerückt werden" usw. 
Also durch den Dienst lebender Menschen, die für diesen 
Dienst gegeben und berufen sind, sorgt Christus für Seine 
Herde und ernährt sie; und ebenso wirkt durch diesen Dienst 
der Heilige Geist in dem durch Ihn bewohnten Leibe. Vielleicht 
treiben etliche dieser Männer ein Gewerbe (Paulus war ein 
Zeltmacher); vielleicht sind sie sehr weit davon entfernt, irgend 
welche Ansprüche auf ein kirchliches Amt oder auf eine 
offizielle Stellung machen zu können. Aber für Christum sind 
sie um deswillen nicht weniger geeignet, Seine Heiligen zu 
erbauen und ihre Seelen zu nähren; und die wahre Weisheit 
der Heiligen besteht darin, daß sie die Gaben da, wo Christus 
sie hingestellt hat, zu unterscheiden und sie an dem Platz anzuerkennen vermögen, den Er ihnen an Seinem Leibe angewiesen hat. Wer sie in dieser Weise anerkennt, der erkennt 
Christum an. Weisen wir sie ab, so begehen wir ein Unrecht 
an uns selbst, und wir verunehren Christum. 
Erinnern wir uns aber auch daran, daß Christus diese Gaben 
dem ganzen Leibe gegeben hat, daß wir aber nicht den ganzen 
Leib ausmachen. Gesetzt, die Kirche stellte noch, wie zur Zeit 
der Apostel, sichtbarlich eine Einheit dar, so könnte es dennoch der Fall sein, daß in dem einen Ort kein Evangelist und 
an dem anderen kein Hirte oder Lehrer zu finden sei. Aber 
36 
wievielmehr muß dies jetzt, wo die Kirche so sehr zersplittert 
und zerteilt ist, für die kleinen Versammlungen wahr sein, 
deren Glieder hier und da im Namen Jesu zusammenkommen. 
Trägt etwa der Herr Jesus keine Sorge mehr für Seine Kirche, 
weil sie in diesem Zustande ist? Wer wagt dieses zu behaupten? Versagt Er ihr die so notwendigen und nützlichen Gaben? 
Keineswegs. Aber wir finden sie in der Einheit des ganzen 
Leibes, und es ist nötig, daß wir uns stets daran erinnern. Alle 
Gläubigen in N. bilden die Kirche oder Versammlung in diesem Orte; und man findet vielleicht Evangelisten, Hirten und 
Lehrer unter jenen Gliedern des Leibes, die sich noch äußerlich 
zur Landeskirche bekennen oder sich in der Mitte der Methodisten oder anderer Parteien befinden. Welchen Vorteil ziehen 
wir aus ihrem Dienst? Und wie können die Heiligen, die sich 
mit ihnen versammeln, die Gaben benutzen, welche Gott in 
unserer Mitte ausgeteilt hat? — 
Ich stelle Euch, geliebte Brüder, diese Gedanken vor Augen, 
um Euch zu zeigen, wenn unter den siebzig oder achtzig, die 
sich in N. im Namen des Herrn versammeln, keine oder nur 
etliche Seiner Gaben vorhanden sind, wie wir sie in Eph 4 finden, daß der Umstand, in dieser Weise versammelt zu sein, 
die Zahl dieser Gaben aus sich selbst nicht vermehren wird. 
Ein Bruder, den Christus selbst nicht zu einem Hirten oder 
Evangelisten bestimmt hat, wird es auch dadurch nicht werden, wenn er anfängt, sich da zu versammeln, wo die Gegenwart des Heiligen Geistes und die Freiheit des Dienstes anerkannt werden. Und wenn, weil menschliche Einschränkungen 
beseitigt sind, diejenigen, welche Christus nicht als Hirten, 
Lehrer oder Evangelisten Seiner Kirche gegeben hat, sich dennoch eine solche Stellung aneigenen und darin handeln, — 
wird das zur Auferbauung dienen? Nein, im Gegenteil, es 
wird nur Verwirrung hervorbringen; und „Gott ist nicht ein 
Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie in allen Versammlungen der Heiligen". (1. Kor 14,33.) Wenn solche Gaben 
in unserer Mitte fehlen, so laßt uns unsere Armut bekennen; 
wenn wir zwei oder drei von ihnen besitzen, so laßt uns mit 
Dank erfüllt sein; laßt uns sie an der Stelle, die Gott ihnen 
angewiesen hat, anerkennen und beten, um zahlreichere und 
37 
bessere Gaben und Dienste zu erhalten. Aber hüten wir uns 
vor der Voraussetzung, als ob die Handlung eines Bruders, den 
der Herr nicht in diese Stellung gesetzt hat, eine Gabe zu ersetzen imstande sei. Die einzige Wirkung einer solchen Handlung ist, den Geist zu betrüben und ihn zu hindern, durch die 
zu wirken, die er ohne dieses im Dienste der Heiligen gebrauchen möchte. 
Ein glücklicher Gedanke beschäftigt mich beim Schluß dieses 
Briefes. Wenn die Stellung, in der wir uns befinden, gar nicht 
mit der Heiligen Schrift in Übereinstimmung wäre, so würden 
solche Fragen wohl schwerlich in unserer Mitte erhoben werden. Wenn alles eingerichtet und durch ein menschliches 
System geregelt ist, so daß die durch einen Bischof, oder 
durch eine kirchliche Behörde, oder durch eine Versammlung 
angestellten Personen sich in ihren Amtspflichten nur nach 
einer vorgeschriebenen Form zu richten haben, dann haben 
solche Fragen keinen Grund. Die Schwierigkeiten unserer 
Stellung beweisen durch ihren Charakter, daß diese Stellung 
von Gott ist. Ja, und Gott, der uns durch Seinen Geist und 
mittels Seines Wortes dahin geleitet hat, ist vollkommen 
genügend und wird uns in den Schwierigkeiten nicht versäumen, sondern wird uns zu unserem Heil und zu Seinem 
Ruhme hindurchgehen lassen. Laßt uns nur einfältig, demütig 
und bescheiden sein. Machen wir auf keine Sache Anspruch, 
die wir nicht besitzen, und maßen wir uns nichts an, wozu 
Gott uns nicht befähigt hat. 
5. Woran kann man die Leitung des Geistes wahrnehmen? 
a) Verneinende Merkmale 
Bevor ich zu dem speziellen Gegenstand dieses Briefes übergehe, wünsche ich, mich über zwei Punkte klar auszudrücken. 
Der erste betrifft den Unterschied zwischen dem Dienst und 
dem Kultus oder dem eigentlichen Gottesdienst. Ich nehme 
hier das Wort „Gottesdienst" in seinem ausgedehntesten 
Sinne, als bezeichnend die verschiedenen Arten, in denen sich 
der Mensch an Gott wendet; und dazu gehört das Gebet, das 
Bekenntnis und das, was hauptsächlich den Gottesdienst ausmacht, nämlich die Verehrung und die Handlung des Dankes 
38 
und des Lobes. Die wesentliche Verschiedenheit zwischen dem 
Dienst und dem Gottesdienst besteht darin, daß im Gottesdienst der Mensch mit Gott, und im Dienst Gott mit dem 
Menschen durch Seine Diener redet. Unser einziges, aber völlig 
genügendes Recht, um Gottesdienst halten zu können, ist uns 
durch jene überschwengliche Gnade verliehen, die uns durch 
das Blut Jesu so nahe zu Gott gebracht hat, daß wir jetzt 
Gott als unseren Vater erkennen und anbeten, und daß wir 
Gott zu Königen und Priestern gemacht sind. In dieser Beziehung sind sich alle Heiligen gleich; der schwächste wie der 
stärkste, der, welcher viele Erfahrungen gemacht hat, und der, 
der noch ein kleines Kind ist, alle haben einen gleichen Anteil 
an diesem Vorrecht. Der begabteste Diener Christi hat kein 
größeres Recht, Gott zu nahen, als der Unwissendste der Heiligen, unter denen er seine Dienste ausübt. Wenn wir das Gegenteil annehmen, würden wir das Verfahren gutheißen, dem 
man nur zu sehr in der Christenheit huldigt, indem man einen 
Priester- oder Predigerstand zwischen der Kirche und Gott 
eingesetzt hat. Wir haben einen großen Hohenpriester. Christus ist der einzige Hohepriester; und an Ihm haben alle Heiligen einen gleichen Anteil. Auch könnte ich mich nicht der 
Meinung hingeben, daß in einer Versammlung von Christen 
nur die befugt seien, Lieder vorzuschlagen, zu beten, Gott zu 
loben und Ihm den Dank darzubringen, welche Gott befähigt 
hat zu lehren, zu ermahnen oder das Evangelium zu predigen. 
Warum könnte der Heilige Geist Sich nicht anderer Brüder 
bedienen, um sowohl durch das Vorschlagen eines Liedes den 
wahren Ausdruck der Anbetung der Versammlung kundzugeben, oder durch ein Gebet die wirklichen Wünsche und wahren Bedürfnisse derer auszudrücken, deren Organ und deren 
Mund sie bekennen zu sein? Und wenn Gott es für gut findet, 
in dieser Weise zu handeln, wer sind wir, daß wir Seinem 
Willen widerstehen? Erinnern wir uns indes stets daran, daß, 
wenn diese Handlungen des Gottesdienstes nicht das ausschließliche Vorrecht derer sein können, welche Gaben besitzen, sie doch der Leitung des Heiligen Geistes untergeordnet 
und durch die in 1. Kor. 14 enthaltenen Grundsätze beherrscht 
sein müssen, nach denen alle Dinge mit Ordnung und zur 
Auferbauung geschehen sollen. 
39 
Der Dienst, d. h. der Dienst des Wortes, in dem Gott mittels 
Seiner Diener zu den Menschen redet — ist das Resultat der 
Verleihung von Gaben, die einem Bruder übertragen sind, und 
für deren Anwendung er Christo gegenüber verantwortlich ist. 
In betreff unseres Rechts, Gottesdienst halten zu können, sind 
wir uns alle gleich; in betreff der Verantwortlichkeit unseres 
Dienstes sind wir uns verschieden, „da wir verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade. . ." (Röm 
12, 6.) Diese Stelle zeigt uns deutlich die Verschiedenheit 
zwischen Dienst und Gottesdienst. 
Der zweite Punkt ist die Freiheit des Dienstes. Der wahre, 
schriftgemäße Gedanke der Freiheit des Dienstes begreift 
nicht nur die Freiheit in der Ausübung der Gaben, sondern 
auch ihre Entfaltung in sich. Sie zeigt, wie wir in unseren 
Versammlungen die Gegenwart und Leitung des Heiligen Geistes bis zu dem Punkte anerkennen, daß wir Ihm, wenn Er 
durch irgend einen Bruder wirkt, kein Hindernis in den Weg 
legen; es ist daher völlig klar, daß die erste Entfaltung einer 
Gabe das Werk des Geistes sein muß, in dem Er durch Brüder 
zu wirken beginnt, deren Er Sich vorher nicht bedient hat. 
Jeder entgegengesetze Grundsatz würde nach meiner Meinung 
ein Eingriff in die Vorrechte der Kirche und in die Rechte des 
Heiligen Geistes sein. Aber eben in diesem Falle, wenn die 
Kinder Gottes sich auf einem Grundsatz versammeln, der dem 
Heiligen Geiste die Freiheit läßt, den einen Bruder zum Vorschlagen eines Liedes, einen anderen zum Beten und einen 
dritten zum Ermahnen oder Lehren anzutreiben, so ist Gelegenheit zur Voreiligkeit und Selbstgefälligkeit vorhanden und 
die Versuchung nahe, außer der völligen Leitung des Heiligen 
Geistes zu handeln. Wie wichtig ist es daher, den Unterschied 
zwischen dem, was vom Fleische ist, und dem, was vom Geiste 
ist, zu erkennen! Ich verabscheue den Mißbrauch, den man 
leider nur zu oft mit Ausdrücken wie: „Dienst des Fleisches" 
und „Dienst des Geistes" macht; jedoch enthalten sie, wenn 
man sie richtig anwendet, eine wichtige Wahrheit. Jeder Christ 
hat zwei Quellen von Gedanken, von Gefühlen, von Beweggründen, von Worten und Werken in sich, und diese beiden 
Quellen werden in der heiligen Schrift das „Fleisch" und der 
„Geist" genannt. Unsere Tätigkeit in den Versammlungen der 
40 
Heiligen gehen aus der einen oder der anderen dieser beiden 
Quellen hervor. Es ist daher wichtig, hier ein scharfes Unterscheidungsvermögen zu haben. Die, welche beständig oder 
auch nur gelegentlich in den Versammlungen tätig sind, sollten sich selbst in dieser Beziehung ernstlich prüfen. Auch ist 
dies eine durchaus wesentliche Sache für alle Heiligen; denn 
wir sind ermahnt, die Geister zu prüfen, ob sie aus Gott sind, 
eine Ermahnung, wodurch die Versammlung verantwortlich 
gemacht wird, das, was von Gott ist, anzuerkennen, und das, 
was aus einer anderen Quelle ist, durch Verwerfung zu bezeichnen. 
Ich möchte jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers auf etliche der 
besonderen Merkmale lenken, mit deren Hilfe wir die Leitung 
des Geistes von der Anmaßung und Nachahmung des Fleisches unterscheiden können. Zunächst mache ich auf mehrere 
Dinge aufmerksam, die uns keineswegs ermächtigen, an der 
Leitung der Versammlung der Heiligen teilzunehmen. 
1. Wir sind nicht ermächtigt zu handeln, bloß aus dem Grunde, 
weil Freiheit vorhanden ist. Die Sache ist so klar, daß es kaum 
nötig ist, Worte darüber zu verlieren; und dennoch haben wir 
es so nötig, daran erinnert zu werden. Gerade der Umstand, 
daß keinem Bruder irgend ein äußeres Hindernis im Wege 
steht, um in der Versammlung tätig sein zu können, bietet 
solchen, deren einzige Fähigkeit es ist, lesen zu können, die 
Gelegenheit dar, eine geraume Zeit in Anspruch zu nehmen, 
indem sie ein Kapitel nach dem anderen lesen und ein Lied 
nach dem anderen vorschlagen. Jedes Kind, das lesen gelernt 
hat, könnte dasselbe tun. Ein Kapitel vorzulesen ist leicht; 
aber unterscheiden zu können, welches Kapitel zum Vorlesen 
geeignet und welcher Augenblick dazu passend ist, ist eine 
andere Sache. Ebenso ist es nicht schwer, ein Lied vorzuschlagen; aber die Auswahl eines Liedes, das wirklich die Anbetung 
der Versammlung in sich schließt und ausdrückt, ist ohne die 
Leitung des Heiligen Geistes eine Unmöglichkeit. Als ich vor 
vielen Jahren in einer Versammlung war, wo am Tische des 
Herrn eine ganze Reihe von Kapiteln vorgelesen und ebensoviele Lieder gesungen wurden, während vielleicht nur ein einziges Mal durchs Gebet die Danksagung dargebracht wurde, 
41 
habe ich mich fragen müssen, ob wir wirklich versammelt gewesen seien, um den Tod des Herrn zu verkündigen, oder ob 
uns der Zweck geleitet habe, uns im Lesen und Singen zu vervollkommnen. Gott sei gepriesen, daß solche Mißgriffe jetzt 
weniger vorkommen; aber wir haben immer nötig, uns ins 
Gedächtnis zu rufen, daß die Freiheit, in den Versammlungen 
tätig zu sein, uns noch nicht berechtigt, hier nach Willkür zu 
handeln. 
2. Man ist auch nicht ermächtigt, in Augenblicken zu handeln, 
weil es gerade kein anderer Bruder tut. Das Stillschweigen als 
solches ist nicht immer eine Wirksamkeit des Geistes und 
kann ebensogut wie jede andere Sache zur Form werden; doch 
ist das Schweigen viel mehr wert als das Reden oder Handeln 
nur aus dem einzigen Grunde, die Stille zu unterbrechen. Ich 
weiß wohl, daß dies gar oft geschieht, weil man an anwesende 
Personen denkt, die den Weg nicht mit uns gehen, oder wohl 
gar nicht bekehrt sind, und weil man ihretwegen sich über 
das Schweigen unbehaglich fühlt. Und in der Tat, wenn 
die Versammlung oft eine solche Armut an den Tag legt, so 
ist das sicher eine Mahnung Gottes, die Ursache eines solchen 
Schweigens zu untersuchen; aber nie darf ein Bruder sich berechtigt glauben, zu reden, zu beten oder ein Lied vorzuschlagen, und zwar aus dem einzigen Grunde, um etwas zu tun. 
3. Ferner sind unsere Erfahrungen und unsere persönliche 
Stellung nicht die sicheren Führer in betreff des Anteils an 
der Wirksamkeit inmitten der Versammlung der Heiligen. 
Vielleicht ist einmal ein bestimmtes Lied für meine Seele 
köstlich gewesen; vielleicht habe ich es einmal mit großem 
Genuß der Gegenwart des Herrn singen gehört; aber soll ich 
daraus schließen, daß ich berufen sei, dieses Lied in der ersten 
Versammlung, der ich wieder beiwohne, vorzuschlagen? Möglicherweise steht es in keiner Beziehung zu dem gegenwärtigen 
Zustand dieser Versammlung. Vielleicht ist es gar nicht einmal 
die Absicht des Geistes, daß überhaupt ein Lied gesungen 
werde. „Leidet jemand unter euch Trübsal? er bete. Ist jemand 
gutes Mutes? er singe Psalmen." (Jak 5, 13.) Ein Lied soll 
die Gefühle derer ausdrücken, die versammelt sind; im anderen Falle werden sie, wenn sie singen, nicht aufrichtig sein. 
42 
Und wer, außer jenem, der den gegenwärtigen Zustand kennt, 
wird ein geeignetes Lied finden können? Ebenso verhält es 
sich mit dem Gebet. Wenn jemand in der Versammlung das 
Gebet spricht, so tut er es als das Organ der Bitten und als 
der Mund der Bedürfnisse aller. Ich kann mich mittels des 
Gebets vor dem Herrn einer Bürde entledigen, die nur auf 
mir lastet; aber sie in der Versammlung zu erwähnen, würde 
unpassend sein. Vielleicht würde ich durch eine solche Handlung alle meine Brüder in denselben Zustand herabziehen, in 
dem ich mich befinde. Andererseits auch kann meine Seele 
vollkommen glücklich in dem Herrn sein; ist dies aber von 
der Versammlung nicht zu sagen, so werde ich nur dann fähig 
sein, ihre Bedürfnisse vor Gott bringen zu können, wenn ich 
mich mit ihrem Zustand eins mache. Mit einem Wort, wenn 
ich durch den Geist geleitet werde, in der Versammlung zu 
beten, so darf dies nicht sein, wie in einer Kammer, wo sich 
außer dem Herrn und mir niemand befindet, und wo meine 
eigenen Bedürfnisse und meine eigenen Genüsse den Hauptgegenstand meiner Gebete und Danksagungen bilden, sondern 
ich brauche die Fähigkeit, dem Herrn die Bekenntnisse abzulegen und Ihm jene Wünsche und die Danksagung vorzutragen, die mit dem Zustand derer übereinstimmen, deren Mund 
ich sein werde, indem ich mich an Gott wende. Es ist einer 
der größten Mißgriffe, in die wir verfallen können, wenn wir 
uns einbilden, daß unser Ich und das, was sich auf unsere 
Person bezieht, maßgehend sei bei der Leitung der Versammlung der Heiligen. So kann ein Abschnitt aus der Heiligen 
Schrift meine Seele sehr erquickt und rnir Nutzen gebracht 
haben; allein es folgt daraus noch nicht, daß ich diesen Abschnitt am Tisch des Herrn oder in anderen Versammlungen 
der Heiligen vorlesen soll. Auch mag irgend ein besonderer 
Gegenstand mich beschäftigen oder vorher beschäftigt haben, 
und zwar zum Nutzen meiner Seele; aber dennoch kann es 
sein, daß dies durchaus nicht der Gegenstand ist, auf den 
Gott die Aufmerksamkeit der Heiligen im allgemeinen lenken will. Man verstehe mich indes recht. Ich leugne nicht, daß 
man sich mit irgend einem Gegenstande beschäftigt haben 
kann, mit dem man sich nach dem Willen Gottes nicht auch 
mit den Heiligen beschäftigen sollte. Vielleicht ist dies häufig 
43 
oder wohl gar gewöhnlich bei den Dienern des Herrn der Fall; 
aber ich fürchte, es nicht kräftig genug hervorzuheben, daß an 
und für sich der Umstand, in irgend einer Weise beschäftigt 
gewesen zu sein, keine genügende Leitung ist. Wir können 
Bedürfnisse haben, welche die Kinder Gottes im allgemeinen 
nicht haben; und auch können ihre Bedürfnisse nicht die unsrigen sein. 
Auch möchte ich noch hinzufügen, daß der Geist mich nicht 
zur Angabe eines Liedes antreiben wird, weil es meine besonderen Ansichten ausdrückt. Es kann sein, daß die Heiligen, die 
versammelt sind, über gewisse Punkte der Auslegung nicht 
die gleiche Meinung haben. Wenn in diesem Falle etliche unter 
ihnen Lieder auswählten, in der Absicht, ihre besonderen Meinungen auszudrücken, so könnte wie gut und wahr diese 
Lieder sonst auch sein möchten, es möglich sein, daß andere 
Glieder der Versammlung nicht mitsingen könnten. In einer 
Versammlung werden die Lieder, die der Heilige Geist angibt, 
der Ausdruck der Gefühle aller sein. Laßt uns daher zu jeder 
Zeit in der Versammlung bestrebt sein, die „Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens", und erinnern 
wir uns, daß das Mittel, dahin zu gelangen, dies ist, daß wir 
wandeln „mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander ertragend in Liebe." (Eph 4.) 
Wir dürfen es überhaupt nie außer acht lassen, daß, wer auch 
immer das Organ oder der Mund der Versammlung sein mag, 
es stets beim Gesang, beim Gebet und, mit einem Wort, bei 
dem Gottesdienst die Versammlung ist, die mit Gott redet; 
und demzufolge kann der Gottesdienst nur dann wahr und 
aufrichtig sein, wenn er ein treuer Ausdruck des Zustandes 
dieser Versammlung ist. Gepriesen sei Gott, daß Er durch Seinen Geist, wie Er es oft tut, einen höheren Ton hören lassen 
kann, der in allen Herzen einen Widerhall findet, und daß Er 
auf diese Weise dem Gottesdienst einen erhabeneren Charakter verleiht. Aber wenn sich die Versammlung nicht in dem 
Zustand befindet, um auf diesen Ton eine Antwort geben zu 
können, so gibt es nichts Peinlicheres, als einen Bruder zu 
hören, der in den wärmsten Ausdrücken Lob und Anbetung 
darbringt, während die Herzen der anderen traurig, kalt und 
zerstreut sind. Stets sollte derjenige, der dem Gottesdienst 
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der Versammlung Ausdruck gibt, die Herzen seiner Umgebung 
vor sich haben, denn sonst nimmt er nicht seinen wahren Platz 
ein. Anders verhält es sich in bezug auf den Dienst; hier redet 
Gott zu uns; und darum ist der Dienst nicht wie der Kultus 
oder Gottesdienst durch unseren Zustand beschränkt, sondern 
kann stets einen höheren Grad annehmen. Wenn ein Bruder, 
der im Dienst gebraucht wird, wirklich, während er redet, der 
Mund Gottes ist, wie er es sein sollte, so kann es oft geschehen, daß uns Wahrheiten vorgestellt werden, die wir bisher noch nicht empfangen haben, oder solche, die aufgehört 
haben, mit Macht auf unsere Seelen zu wirken. Wie klar ist 
es, daß in dem einen wie in dem anderen Falle, ja in allen 
Fällen, der Geist Gottes der alleinige Leiter sein muß! 
Indes gedenke ich im nächsten Briefe die bestimmte Leitung 
des Geistes noch etwas näher zu beleuchten. Bisher habe ich 
nur die negative oder verneinende Seite dieses Gegenstandes 
vorgestellt. 
4. Woran kann man die Leitung des Heiligen Geistes 
wahrnehmen? 
b) Bejahende Merkmale 
Wer es versuchen wollte, bei der Erweckung oder der Bekehrung einer Seele die Wirkungen des Heiligen Geistes festzustellen, der würde dadurch nur seine eigene Unwissenheit verraten und zugleich jene Souveränität des Geistes leugnen, die 
uns in den wohlbekannten Worten angekündigt wird: „Der 
Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen; aber du 
weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; also ist 
jeder, der aus dem Geiste geboren ist." (Joh 3, 8.) Dennoch ist 
die Heilige Schrift reich an Beispielen, die dazu dienen können, 
die aus dem Geiste und die nicht aus dem Geiste geboren sind 
zu unterscheiden. Und eben dies ist der Zweck dieses Briefes. 
Ich hoffe vor der Gefahr, von dem Platz des Heiligen Geistes 
widerrechtlich Besitz zu nehmen, bewahrt zu bleiben; denn 
wer vermöchte die Art und Weise Seiner Wirkungen in den 
Seelen derer genau zu bestimmen, die Er antreibt, in der Versammlung tätig zu sein, sei es beim eigentlichen Gottesdienst 
oder bei Ausübung irgend eines Dienstes inmitten der Heiligen? Aber obwohl es nutzlos und anmaßend sein würde, eine 
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wahre und völlige Entscheidung über diesen Gegenstand treffen zu wollen, so bietet uns die Heilige Schrift dennoch hinreichende Belehrungen über die Merkmale eines wahren Dienstes; und auf etliche der einfachsten und verständlichsten 
dieser Merkmale möchte ich jetzt gern die Aufmerksamkeit 
meiner Leser richten. Wir werden darin solche Belehrungen 
finden, die sich auf den Gegenstand des Dienstes beziehen, 
und solche, welche die Beweggründe bezeichnen, die uns zum 
Dienst anregen oder uns irgendwie an der Leitung der Versammlungen der Heiligen teilnehmen lassen. Die Belehrungen, 
die sich auf den Gegenstand des Dienstes beziehen, verleihen 
jenen, die in dieser Beziehung tätig sind, einen Prüfstein, mit 
dem sie sich selbst beurteilen können. Diese Belehrungen 
werden auch dazu dienen, die Gaben zu zeigen, die Christus 
Seiner Kirche für den Dienst des Wortes verliehen hat. — 
Mit Hilfe der Belehrungen, welche die Beweggründe zeigen, 
die uns zum Dienst anregen, werden alle Heiligen das zu 
unterscheiden vermögen, was aus dem Geiste ist und was 
einer anderen Quelle entspringt. Diese Belehrungen werden 
denen, welche diese Gabe besitzen, behilflich sein, die wichtige Frage zu entscheiden, wann sie reden und wann sie schweigen sollen. Meine Seele zittert, wenn ich an meine Verantwortlichkeit denke, indem ich über einen solchen Gegenstand 
schreibe, aber mich ermutigt das Bewußtsein, daß „unsere 
Fähigkeit von Gott kommt", und daß in bezug auf das Wort 
Gottes „alle Schrift nütze ist zur Lehre, zur Überführung, zur 
Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf 
d~ß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke 
völlig geschickt." (2. Tim 3, 16. 17.) Möge der Leser daher die 
folgenden Zeilen nach dieser vollkommenen Richtschnur prüfen und von Gott weise gemacht sein, um alles, was irgend 
diese Probe nicht aushält, zurückzuweisen. 
Der Heilige Geist leitet nicht durch ein blindes Antreiben 
oder mittels unvernünftiger Eindrücke, sondern dadurch, daß 
Er das geistliche Verständnis geradeso mit den Gedanken 
Gottes erfüllt, wie sie in dem geschriebenen Worte enthüllt 
sind. In den ersten Zeiten der Kirche gab es allerdings Gaben 
von Gott, deren Anwendung nicht an das geistliche Verständnis geknüpft sein konnte. Ich will nur an die Gabe, in Spra46 
chen zu reden, erinnern, wenn kein Ausleger zugegen war; 
und es scheint, daß, da diese Gabe in den Augen der Menschen 
bewundernswürdiger und auffallender als jede andere war, 
die Korinther es sehr liebten, sie auszuüben und zu zeigen. 
Der Apostel tadelt sie dieserhalb mit den Worten: „Ich danke 
Gott, ich rede mehr in einer Sprache, als ihr alle. Aber in der 
Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit meinem 
Verstände, auf daß ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache. Brüder! seid nicht Kinder 
am Verstände, sondern an der Bosheit seid Unmündige, am 
Verstände aber seid Erwachsene." (1. Kor 14, 18—20.) Das 
geringste also, was man von denen, die einen Dienst ausüben, 
erwarten kann, ist, daß sie die Schrift kennen und das Verständnis der Gedanken Gottes haben, so wie diese in dem 
Worte geoffenbart sind. Freilich kann die Erkenntnis des Wortes bei einem Bruder vorhanden, und nicht mit einer Gabe des 
Vortrags oder nicht mit der Fähigkeit, sie anderen mitteilen 
zu können, verbunden sein; aber was hätten wir, ohne die 
Erkenntnis zu besitzen, mitzuteilen? Sicher versammeln die 
Kinder Gottes sich nicht von Zeit zu Zeit im Namen Jesu, daß 
man ihnen rein menschliche Gedanken vorstellen oder ihnen 
das wiederholen soll, was andere geredet oder geschrieben 
haben. Ganz bestimmt sind die Kenntnis der Schrift und das 
Verständnis ihres Inhalts ganz unentbehrliche Dinge zum 
Dienst des Wortes. Wir lesen in Mt 13, 51. 52: „Jesus spricht 
zu ihnen: Habt ihr dieses alles verstanden? Sie sagen zu ihm: 
Ja, Herr! Er aber sprach zu ihnen: Darum ist jeder Schriftgelehrte, der im Reiche der Himmel unterrichtet ist, gleich einem 
Hausherrn, der aus seinem Schatze Neues und Altes hervorbringt." — Als der Herr Jesus auf dem Punkte stand, Seine 
Jünger auszusenden, damit sie Seine Zeugen seien, „öffnete 
er ihnen das Verständnis, um die Schriften zu verstehen." 
(Lk 24, 45.) Und wie oft lesen wir, daß Paulus, wenn er den 
Juden predigte, sich mit ihnen über die Schriften unterhielt. 
(Apg 18, 2—4.) Wenn sich dieser Apostel an die Römer als an 
Christen wendet, die fähig waren, sich einander zu ermahnen, 
so tut er es, weil er zu ihnen sagen kann: „Ich bin aber, meine 
Brüder, auch selbst von euch überzeugt, daß auch ihr selbst 
voll Gütigkeit seid, erfüllt mit aller Erkenntnis und fähig, 
47 
auch einander zu ermahnen." (Röm 15, 14.) Jene Teile der 
Heiligen Schrift, die ausdrücklich von der Tätigkeit des Geistes 
in der Versammlung reden, zeigen uns deutlich, daß diese 
Tätigkeit nicht mit Ausschluß des Wortes stattfinden soll. 
Wir lesen u. a. in 1. Kor 12, 8: „Einem wird durch den Geist 
das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort 
der Erkenntnis nach demselben Geiste." Ebenso sagt der 
Apostel beim Aufzählen der Dinge, durch die er und andere 
sich als die Diener Gottes ausweisen, die Worte: „In Erkenntnis .. . im Worte der Wahrheit . . . durch die Waffen der 
Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken." (2. Kor 6, 6—7.) 
Und wenn wir untersuchen, woraus diese Waffenrüstung besteht, so werden wir finden, daß die Wahrheit einen Gürtel 
um die Lenden bildet und daß das Wort Gottes das Schwert 
des Geistes ist. (Eph 6, 14—18.) Auch sagt der Apostel, indem 
er auf das, was er den Ephesern bereits geschrieben hat, anspielt: „Woran ihr im Lesen merken könnt mein Verständnis 
in dem Geheimnis des Christus." (Eph 3, 4.) Und wenn der 
Apostel die Heiligen antreibt, sich gegenseitig zu ermahnen, so 
ruft er ihnen mit allem Nachdruck zu: „Laßt das Wort des 
Christus reichlich in euch wohnen in aller Weisheit euch gegenseitig lehrend und ermahnend mit Psalmen, Lobliedern 
und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in 
Gnade." (Kol 3, 16.) Ebenso sagt er im Brief an Timotheus: 
„Wenn du dieses den Brüdern vorstellst, so wirst du ein guter 
Diener Jesu Christi sein; auf erzogen durch die Worte des 
Glaubens und der guten Lehre, welcher du genau gefolgt 
bist." (1. Tim 4, 6.) Auch fügt er die Ermahnung hinzu: „Bis 
ich komme, halte an mit dem Vorlesen, mit dem Ermahnen, 
mit dem Lehren. Bedenke dieses sorgfältig; lebe darin, auf daß 
deine Fortschritte allen offenbar seien. Habe acht auf dich 
selbst und auf die Lehre, beharre in diesen Dingen. Denn 
wenn du dieses tust, wirst du sowohl dich selbst erretten, als 
auch die, welche dich hören." (Tim 4, 13. 15. 16.) Im zweiten 
Briefe wird Timotheus mit den Worten ermahnt: „Und was 
du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Männern an, die tüchtig sein werden, auch andere 
zu lehren." (2. Tim 2, 2.) Und wiederum: „Befleißige dich, 
dich selbst Gott bewährt darzustellen als einen Arbeiter, der 
48 
sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit recht 
teilt." (V. 15.) Unter den Eigenschaften, die erforderlich sind, 
um ein Bischof oder Aufseher zu sein, finden wir im Brief 
an Titus folgende: „anhangend dem zuverlässigen Worte nach 
der Lehre, auf daß er fähig sei, sowohl mit der gesunden 
Lehre zu ermahnen, als auch die Widersprechenden zu überführen." — 
Aus all diesem geht klar hervor, daß die Kirche nicht immer 
durch einzelne Bruchstücke der Wahrheit, die, wenn man sich 
dazu gedrungen fühlt, vorgestellt werden, ernährt werden 
kann. Nein, sondern der Heilige Geist will Sich, um die Heiligen Gottes zu weiden, zu nähren und zu leiten, solcher Brüder bedienen, deren Seelen aus Gewohnheit geübt sind durch 
die Betrachtung des Wortes, und die „vermöge der Gewohnheit geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten sowohl als auch des Bösen." (Hebr 5, 14.) Darum ist, wie bereits gesagt, Erkenntnis des Wortes Gottes das geringste, das 
man von jemandem erwarten kann, der irgend einen Dienst 
in der Kirche tut. 
Diese Erkenntnis genügt jedoch nicht. Das Wort Gottes muß 
auch in einer Weise auf das Gewissen der Heiligen gebracht 
werden, daß es ihren gegenwärtigen Bedürfnissen entspricht. 
Daher ist es nötig, entweder den Zustand der Heiligen durch 
Umgang kennenzulernen, oder vielmehr direkt von Gott geleitet zu werden; und dieses wird der Fall sein bei Brüdern, 
die als Evangelisten, Hirten oder Lehrer jene Gaben besitzen, 
die Christus Seiner Kirche geschenkt hat. Gott allein kann sie 
diejenigen Teile der Wahrheit finden lassen, die das Gewissen 
erreichen und den Bedürfnissen der Seelen entsprechen werden; Er allein kann sie fähig machen, diese Wahrheit so darzustellen, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Heilige Geist 
kennt in der Versammlung die Bedürfnisse aller im allgemeinen und eines jeden im besonderen; und Er kann die, welche 
sprechen, gerade die Wahrheit reden lassen, die, mögen sie 
den Zustand der Zuhörer kennen oder nicht, passend und 
nötig ist. Wie wichtig ist es daher, sich ohne Rückhalt und 
aufrichtig dem Geiste zu unterwerfen! 
Nichts kennzeichnet den Dienst des Geistes mehr, als wenn 
er seine Quelle in der persönlichen Anhänglichkeit an Christum 
49 
hat. „Liebst du mich?" Diese Frage wurde dreimal an Petrus 
gerichtet, zu der Zeit, als er den Auftrag erhielt, die Herde 
Christi zu weiden. „Die Liebe Christi drängt uns", sagt Paulus. Wie sehr unterscheidet sich dieses von den vielen Beweggründen, die uns seitens der Natur beeinflussen könnten! Wie 
wünschenswert wäre es, wenn wir jedesmal bei Ausübung 
eines Dienstes mit gutem Gewissen sagen könnten: „Nicht 
die Eitelkeit, nicht die Macht der Gewohnheit, auch nicht jene 
Ungeduld, die das Nichtstun nicht ertragen kann, nein, alles 
dieses war nicht die Triebfeder meines Handelns, sondern 
vielmehr die Liebe für Christum und Seine durch Blut erkaufte 
Herde." — Sicher fehlte diese Triebkraft jenem schlechten 
Knecht, der das Talent seines Herrn in die Erde vergraben 
hatte. 
Überdies wird der Dienst des Geistes, und jede andere durch 
denselben Geist gewirkte Handlung in der Versammlung sich 
stets durch ein tiefes Gefühl der Verantwortlichkeit gegen 
Christum auszeichnen. Laßt mich, meine Brüder, eine Frage 
an Euch richten. Ich nehme den Fall an, daß jemand am Ende 
einer Versammlung die Frage an uns richten würde: „Warum 
hast du gerade dieses Lied vorgeschlagen, warum dieses Kapitel gelesen oder gar darüber gesprochen, warum in dieser 
Weise gebetet?" — würden wir dann mit einem ruhigen Gewissen antworten können: „Mich trieb dazu die aufrichtige 
Überzeugung, daß es der Wille des Herrn sei, so zu handeln?" 
Würden wir dann sagen können: „Ich wählte gerade dieses 
Lied in der gewissen Überzeugung, daß es der Absicht des 
Geistes entsprach, dieses Lied zu singen. Ich las gerade dieses 
Kapitel oder sprach gerade über diesen Abschnitt, weil ich vor 
Gott klar und bestimmt den Dienst erkannte, den mein Herr 
und Meister mir aufgetragen hatte? ich betete gerade in dieser 
Weise in dem vollen Bewußtsein, durch den Geist Gottes berufen zu sein, jene Segnungen zu erflehen, welche den Inhalt 
meines Gebets ausmachten?" Würden wir, teure Brüder, eine 
solche Antwort imstande sein zu geben? Oder handeln wir nicht 
vielmehr oft ohne irgend ein Gefühl unserer Verantwortlichkeit gegen Christum? „Wenn jemand redet, so rede er als 
Aussprüche Gottes", sagt Petrus; und dieses bezeichnet nicht, 
daß jemand nur, was natürlich auch der Fall ist, nach der 
SO 
Schrift, sondern vielmehr, daß er als Aussprüche Gottes reden 
soll. Wenn ich nicht sagen kann: „Gott hat mich in dem, was 
ich in diesem Augenblicke in der Versammlung hören lasse, 
unterwiesen, und Sein Wille ist es, gerade jetzt zu reden", 
so soll ich schweigen. Natürlich kann jemand, der sich in dieser Beziehung sicher weiß, sich dennoch irren; und es ist die 
Sache der Heiligen, das Gehörte nach dem Worte Gottes zu 
beurteilen; aber nichts als die völlige Überzeugung vor Gott, 
daß Gott ihm etwas zu tun oder zu reden gegeben hat, sollte 
für einen jeden die Triebfeder des Redens oder Handelns in 
den Versammlungen der Heiligen sein. Würden unsere Gewissen stets unter dieser Verantwortlichkeit handeln, so würde 
dies allerdings in vielen Dingen ein Hindernis sein; aber zu 
gleicher Zeit würde Gott Seine Gegenwart frei offenbaren 
können, die durch ein unzeitiges Handeln von unserer Seite 
so oft gehindert wird. 
Wie bestimmt tritt dieses Gefühl der unmittelbaren Verantwortlichkeit gegen Christum bei dem Apostel Paulus in den 
Vordergrund! „Denn wenn ich das Evangelium verkündige", 
— sagt er — „so habe ich keinen Ruhm, denn eine Notwendigkeit liegt mir auf; denn wehe mir, wenn ich das Evangelium 
nicht verkündigte! Denn wenn ich dies freiwillig tue, so habe 
ich Lohn, wenn aber unfreiwillig, so bin ich mit einer Verwaltung betraut." (1. Kor 9, 16. 17.) Und wie rührend sind 
die an dieselben Christen gerichteten Worte: „Und ich war 
bei euch in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern." 
(1. Kor 2, 3.) Welch ein Tadel gegen die Leichtfertigkeit des 
Herzens, und die Voreiligkeit, womit wir leider nur zu oft 
das heilige Wort unseres Gottes behandeln. Der Apostel sagt: 
„Wir verfälschen nicht, wie die vielen, das Wort Gottes, sondern als aus Lauterkeit, sondern als aus Gott, vor Gott, reden 
wir in Christo." (2. Kor 2, 17.) 
Schließlich möchte ich noch einen anderen Punkt berühren. 
„Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, 
sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit." 
(2. Tim 1, 7.) Einen Geist der Besonnenheit! Es ist möglich, 
daß jemand wenige oder gar keine menschlichen Kenntnisse 
besitzt, daß er unfähig ist, sich in einer schönen oder gar 
richtigen Weise ausdrücken zu können, daß es ihm an diesem 
51 
allem mangelt; aber dennoch kann er ein „guter Diener Jesu 
Christi" sein. Aber es ist nötig, daß er einen Geist der Besonnenheit habe. Und da gerade dieser Gegenstand berührt ist, 
so möchte ich bei dieser Gelegenheit gern an eine Sache 
erinnern, an die ich oft mit Betrübnis denke. Ich meine nämlich die Verworrenheit, die sich, wenn es sich um die Personen 
der Gottheit handelt, so oft in den Gebeten einzelner Brüder 
kundgibt. Wenn ein Bruder sich im Anfang des Gebets an 
Gott den Vater wendet und Ihn im Verlaufe anredet als Den, 
der gestorben und auferstanden ist, oder wenn er sein Gebet 
an Jesum richtet und Ihm am Ende dankt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt habe, dann möchte ich 
mich wirklich fragen: „Kann der Geist Gottes solche Gebete 
wirken?" — O wie sehr haben alle, die bei dem Gottesdienst 
tätig sind, den Geist der Besonnenheit nötig, um solche Verwirrungen zu vermeiden! Keiner von ihnen glaubt, daß der 
Vater auf Golgatha gestorben ist, und daß Christus Seinen 
Sohn in die Welt gesandt hat. Wo findet sich nun der ruhige, 
besonnene Geist, der die, die sich als die Kanäle des Gottesdienstes der Heiligen gebrauchen lassen, charakterisieren soll, 
wenn ihre Sprache geradezu das ausdrückt, was sie selbst nicht 
glauben und was widersinnig sein würde, zu glauben! Möge 
daher der Herr uns den Geist der Kraft, der Liebe und der 
Besonnenheit in reichem Maße geben! 
5. Verschiedene Bemerkungen über die gegenseitige Abhängigkeit der Heiligen in den Erbauungsstunden und über einige 
andere Punkte. 
Meine Bemerkungen in diesem Brief werden weniger zusammenhängend sein, als die in den vorhergehenden Zeilen, indem 
ich die Absicht habe, verschiedene Punkte hervorzuheben, die 
in Verbindung mit den bereits behandelten Gegenständen nicht 
gut erörtert werden können. 
Zunächst erlaube ich mir, daran zu erinnern, daß alles, was in 
einer Versammlung gegenseitiger Erbauung geschieht, die 
Frucht der Gemeinschaft sein muß. Wenn ich z. B. ein Kapitel 
aus dem Worte Gottes lesen will, so soll ich nicht lange meine 
Bibel durchblättern, um ein passendes Kapitel zu finden, sondern, vorausgesetzt, daß ich das Wort mehr oder weniger 
52 
kenne, es ist nötig, daß der Geist Gottes mir den Abschnitt, 
den ich vorlesen soll, ins Herz gebe. Ebenso verhält es sich mit 
dem Vorschlagen eines Liedes. Es darf nicht geschehen, weil 
ich den Augenblick zum Gesang herangerückt glaube und weil 
ich im Liederbuch ein Lied, das mir gefällt, gesucht habe, 
sondern es ist nötig, daß mich der Geist, insoweit ich den 
Inhalt der vorhandenen Lieder kenne, an eins erinnert und 
mich antreibt, es vorzuschlagen. Das Durchblättern der Bibeln 
und der Liederbücher von Seiten mehrerer Brüder, um ein 
passendes Kapitel oder Lied zu suchen, trägt ganz den 
Schein an sich, als ob es darauf abgesehen sei, den wahren 
Charakter einer vom Heiligen Geiste abhängigen Versammlung gegenseitiger Erbauung zu beseitigen. Freilich mag mich 
meine unvollkommene Kenntnis des Inhalts zwingen, die Bibel 
oder das Liederbuch zur Hand zu nehmen, um das mir durch 
den Geist ins Herz gegebene Kapitel oder Lied zu suchen; 
aber mich sollte stets das Gefühl leiten, daß man in der Abhängigkeit von dem Heiligen Geiste versammelt ist, um sich 
gegenseitig zu erbauen. 
Haben wir nun das soeben Gesagte wohl begriffen, so wird 
selbstredend daraus folgen, daß, wenn man einen Bruder seine 
Bibel oder sein Liederbuch öffnen sieht, man wissen wird, daß 
er es in der Absicht tut, ein Kapitel vorzulesen oder ein Lied 
vorzuschlagen. Das aber sollte jeden anderen Bruder hindern, 
in ähnlicher Weise handeln zu wollen, bevor jener seine Absicht ausgeführt oder wieder aufgegeben hat; und dieses leitet 
mich zu dem Gegenstand gegenseitiger Abhängigkeit, worauf 
ich die Aufmerksamkeit meiner Leser lenken möchte. — 
In 1. Kor. 11 handelt es sich in betreff der Korinther nicht um 
den Dienst, sondern um die Art und Weise, wie sie das Abendmahl des Herrn feierten. Die Frage hinsichtlich des Dienstes 
wird in Kapitel 14 erörtert; aber die innere Wurzel der Unordnung zeigte sich in beiden Fällen. Die Korinther unterschieden 
nicht den Leib des Herrn; und darum war ein jeder mit seiner 
eigenen Person beschäftigt. „Denn ein jeder nimmt beim Essen 
sein eigenes Abendmahl vorweg." (V. 21.) Und daraus folgte 
natürlich: „Und der eine ist hungrig, der andere ist trunken." 
Der Grundsatz des Ichs brachte hier Früchte zum Vorschein, 
die so sichtbar und verabscheuungswürdig waren, daß sie selbst 
53 
das natürliche Gefühl verletzten. Aber wenn ich zur Versammlung gehe oder mich dort befinde und nur an das Kapitel oder 
das Lied denke, das ich vorzulesen oder vorzuschlagen beabsichtige, oder mich, mit anderen Worten, mit der Stellung beschäftige, die ich beim Gottesdienst einnehmen will, so ist 
ebenso in geistlichen Dingen das Ich der Mittelpunkt, um den 
sich alle meine Gedanken und Beschäftigungen drehen, als 
wenn ich, wie die Korinther in natürlichen Angelegenheiten, 
ein Abendessen herbeigetragen hätte und es genösse, während 
mein armer Bruder, der sich nichts zu verschaffen vermag, 
hungrig weggehen würde. Wir sind versammelt in der Gemeinschaft des einen Leibes Christi, und zwar geweckt, belebt, belehrt und beherrscht durch den einen Geist; und die 
Gedanken unserer Herzen sollten in der Versammlung nicht 
auf das Mahl, das ich zu genießen habe, und nicht auf die 
Stellung, die ich einzunehmen habe, sondern auf die Güte und 
bewundernswürdige Gnade dessen gerichtet sein, der uns der 
Bewahrung des Heiligen Geistes anvertraut hat. Un d sicher 
wird der Heilige Geist, wenn wir uns Ihm demütig unterwerfen, 
einen jeden die Handlung und den Platz anweisen, die für ihn 
passen, ohne daß eine fieberhaft aufregende Vorbereitung in 
uns stattfinden muß. Jeder Christ ist nur ein Teil des Leibes 
Christi, und wenn die Korinther dieses zu begreifen und zu 
verwirklichen vermocht hätten, so würde sicher der, welcher 
mit Speise versehen war, auf die, welche keine Speise hatten, 
gewartet und die Speise mit ihnen geteilt haben. Ebenso werde 
ich, wenn meine Seele die kostbare Einheit des Leibes verwirklicht und ich den niedrigen Platz eines Einzel-Gliedes einnehme, mich in der Versammlung vor übereiltem Sprechen 
hüten, wodurch andere Heilige verhindert würden, es zu tun. 
Wenn ich fühle, daß ich im Auftrage des Herrn ein Wort zu 
reden oder irgend einen Dienst auszuüben habe, so sollte ich 
mich dennoch stets daran erinnern, daß andere ebenfalls einen 
gleichen Ruf vom Herrn erhalten haben können, und sicher 
werde ich ihnen dann nicht im Wege stehen. Vor allem aber 
sollte ich, wenn irgend ein Bruder bereits sein Buch geöffnet 
hat, um einen Abschnitt des Wortes vorzulesen, oder ein Lied 
anzugeben, warten, bis er seine Absicht ausgeführt hat, und 
ich sollte nicht ihm zuvorzukommen suchen. Die Worte: 
54 
„Wartet aufeinander", kann man hierauf sicher ebensogut anwenden, wie auf das Essen; und in Kapitel 14 werden die 
Glieder der Versammlung zu einer solchen gegenseitigen Unterwerfung aufgefordert, daß, selbst wenn einer der Propheten 
unter ihnen redete und der andere eine neue Offenbarung 
empfing, der erste „schweigen" sollte. Überhaupt würde, wenn 
wir unseren Platz an dem Leibe und die Einheit des Leibes 
besser verwirklichten, das Wort: „Jeder Mensch sei schnell zum 
Hören, langsam zum Reden", (Jak 1, 19.) uns leiten, aufeinander zu warten. 
Erinnern wir uns stets daran, daß der Zweck unserer Zusammenkunft die Erbauung ist. Wir finden dies deutlich in 
1. Kor 14. In Kapitel 12 haben wir den Leib Christi. Er ist 
Christo als Seinem Herrn unterworfen und ist hienieden, kraft 
der Innewohnung und Wirkung des Heiligen Geistes, der 
Zeuge dieser Oberhoheit Christi, welcher jedem insbesondere 
Seine Gaben austeilt, wie Er will. Dieses Kapitel schließt mit 
der Bezeichnung der verliehenen Gaben, als Apostel, Propheten 
usw., die Gott in ihren verschiedenen Stellungen zum Nutzen 
und Dienst des ganzen Leibes in der Kirche eingesetzt hat. Es 
wird uns anempfohlen, „um die größeren Gnadengaben zu 
eifern"; aber in Kapital 13 wird uns ein vortrefflicherer Weg 
gezeigt, und das ist die Liebe, ohne welche die herrlichsten 
Gaben nichts sind, und welche die Ausübung der Gaben leiten 
muß, wenn überhaupt die Erbauung das Resultat sein soll. 
Und hierüber handelt das 14. Kapitel. Da die Gabe der Sprachen in den Augen der Menschen die meiste Bewunderung 
erregte, so zeigte sich bei den Korinthern in hohem Grade die 
Sucht, sie zur Schau zu tragen. Statt der Liebe, die die Auferbauung aller sucht, war die Eitelkeit beschäftigt, um glänzende 
Talente zu zeigen. Die Gabe der Sprachen war in der Tat eine 
Gabe des Heiligen Geistes; und es ist für uns, geliebte Brüder, 
eine ernstlich zu erwägende Sache, wenn wir sehen, daß die in 
den Gaben für den Dienst geoffenbarte Macht des Geistes getrennt sein kann von der lebendigen Leitung desselben Geistes 
in der Ausübung dieser Gaben. Diese Leitung kann nur da 
gefühlt werden, wo das Ich beiseitegesetzt ist, wo Christus 
alles für die Seele ist. Der Zweck des Heiligen Geistes ist nicht, 
die armen irdischen Gefäße, die im Besitz Seiner Gaben sind, 
55 
zu ehren, sondern durch die Auferbauung Christum selbst zu 
verherrlichen, der diese Gaben darreicht, damit die Empfangenden mit Gnade, Demut und Verzichtleisten auf sich selbst 
davon Gebrauch machen sollen. Wie herrlich tritt bei dem 
Apostel Paulus dieses Verzichtleisten auf seine eigene Person 
in den Vordergrund! Im Besitz aller Gaben, blieb er dennoch 
aller Prunksucht fern. Und mit welcher Herzenseinfalt war er 
bemüht, seinen Herrn zu verherrlichen und die Heiligen zu 
erbauen! „Ich danke Gott, ich rede mehr in einer Sprache, als 
ihr alle. Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte 
reden mit meinem Verstände, auf daß ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache." (1. Kor. 14, 
18 — 19.) — Welche Kraft haben die aus der Feder eines solchen 
Mannes hervorkommenden Worte des Heiligen Geistes: „Alles 
geschehe zur Erbauung." (1. Kor 14, 26.) „Also auch ihr, da 
ihr um geistliche Gaben eifert, so suchet, daß ihr überströmend 
seid zur Erbauung der Versammlung." (1. Kor 14, 12.) 
Vor allen Dingen muß jeder Diener, um treu zu sein, nach den 
Vorschriften seines Herrn und Meisters handeln. Es kann nicht 
genug hervorgehoben werden, daß, wenn ich in der Versammlung der Heiligen tätig sein will, nichts weniger zum Antriebe 
dazu nötig ist, als die vollkommene und ernste Überzeugung 
in meiner Seele und vor Gott, daß dieses der wirkliche Auftrag 
und Wille meines Herrn ist. „Denn ich sage durch die Gnade, 
die mir gegeben ist, jedem, der unter euch ist, nicht höher von 
sich zu denken, als zu denken sich gebührt, sondern so zu 
denken, daß er besonnen sei, wie Gott einem jeden das Maß 
des Glaubens zugeteilt hat." (Röm 12, 3.) Das mir von Gott 
verliehene Maß des Glaubens soll das Maß von dem sein, was 
ich tue; und Gott wird dafür sorgen, daß Seine Diener, indem 
Er ihnen das Maß des erforderlichen Glaubens darreicht, das 
tun können, was sie nach Seinem Willen tun sollen. Eine feste 
und aufrichtige Überzeugung, daß es so der Wille Gottes ist, 
kann also allein mich ermächtigen, als Sein Diener sowohl in 
der Versammlung als auch anderswo tätig zu sein. 
Da nun aber mit diesem Grundsatz Mißbrauch getrieben werden könnte, so hat Gott auch hier durch jene Vorschrift vorgebeugt, die wir in der Stelle finden: „Propheten aber laßt 
zwei oder drei reden, und die anderen laßt urteilen." (1. Kor 
56 
14, 29.) Das wird ein Zügel gegen derartige Mißbräuche in der 
Versammlung sein. Zunächst ist es an mir, zu beurteilen und 
zu wissen, ob der Herr mich beruft, zu reden oder auf irgend 
eine andere Weise in der Versammlung tätig zu sein, aber 
nachdem ich geredet oder gehandelt habe, ist es an meinen 
Brüdern zu urteilen; und in den meisten Fällen werde ich mich 
ihrem Urteil unterwerfen müssen. Es wird in der Tat eine 
höchst seltene Erscheinung sein, daß sich ein Diener Christi 
ermächtigt fühlt, in seinem Wirken fortzufahren, wenn dieses 
von seinen Brüdern mißbilligt wird. Wenn Gott mich beruft, 
zu reden oder zu beten in den Versammlungen, vorausgesetzt, 
daß meine Überzeugung, berufen zu sein, von Ihm ist, so ist 
es klar, daß es Ihm ebenso leicht ist, die Herzen der Heiligen 
zu lenken, daß sie meinen Dienst anerkennen und sich mit 
meinen Gebeten zu vereinigen, wie es Ihm leicht ist, mein 
eigenes Herz zu einem solchen Dienst fähig zu machen. Wenn 
es wirklich der Geist ist, der mich zum Wirken antreibt, so 
wohnt der Geist auch in den Heiligen; und in neunundneunzig 
Fällen unter hundert wird der Geist in den Heiligen durch 
irgend einen Bruder auf meinen Dienst antworten. Wenn ich 
daher wahrnehme, daß mein Wirken in den Versammlungen, 
anstatt die Heiligen zu erbauen, für sie eine Last ist, so muß 
ich daraus schließen, daß ich mich in betreff meiner Stellung 
täusche und daß ich nicht berufen bin, also tätig zu sein. Gesetzt nun aber, daß nicht der Zustand eines wirkenden Bruders, sondern der der Versammlung der Grund wäre, daß sein 
Dienst eine Zeitlang nicht gebilligt wurde, gesetzt, daß dieser 
Bruder weit geistlicher wäre als die Versammlung, so daß 
diese seinen Dienst weder verstehen noch würdigen könnte! 
In diesem höchst seltenen Falle würde dieser Diener Christi 
sich vielleicht prüfen müssen, ob er nicht etwas zu lernen habe, 
um zu sein, wie sein Herr und Meister, der lehrte und „das 
Wort zu ihnen richtete, wie sie es zu hören vermochten", 
(Mark 4, 33.), oder ob er nicht etwa der Gesinnung des Paulus 
bedürfe, der sagen konnte: „Wir sind in eurer Mitte zart gewesen, wie eine nährende Mutter ihre eigenen Kinder pflegt," 
(1. Thess 2, 7.) und wieder: „Ich habe euch Milch zu trinken 
gegeben, nicht Speise; denn ihr vermochtet es noch nicht; aber 
ihr vermöget es auch jetzt noch nicht." (1. Kor 3, 2.) — Wenn 
57 
nun aber, trotz dieser mit Sorgfalt und Einsicht geübten Zartheit, der Dienst dieses Bruders auch fernerhin nicht anerkannt 
wird, so wird das sicher eine Prüfung für seinen Glauben sein. 
Aber dennoch würde es, da die Erbauung der Zweck jedes 
Dienstes ist, und die Heiligen unmöglich durch einen Dienst, 
der sich ihrem Gewissen nicht empfiehlt, erbaut werden können, ohne Nutzen sein, ihnen einen solchen Dienst aufzubürden, abgesehen davon, ob der Zustand des einen Bruders oder 
der Versammlung die Schuld der Nicht-Anerkennung trägt. 
Der allgemeine Zustand der Schwäche oder der Krankheit 
eines Körpers kann die Verrenkung eines Gelenkes herbeiführen; in einem solchen Falle würde man dadurch, daß man 
das verrenkte Glied zur Erfüllung seiner Verrichtungen zwingen wollte, den Zustand des Körpers keineswegs verbessern. 
Daß dieses Glied nicht tätig sein kann, ist freilich beklagenswert; aber der einzige Weg, es wieder herzustellen, wird sein, 
daß man ihm volle Ruhe gewährt, während man durch andere 
Mittel die Genesung des Körpers zu fördern strebt. Ebenso 
verhält es sich in dem von uns angeführten Falle. Die Ausübung eines Dienstes da fortsetzen zu wollen, wo er, selbst 
wegen des schlechten Zustandes der Versammlung, nicht anerkannt wird, würde zu den traurigen Erscheinungen nur noch 
Verwirrung hinzufügen und sie dadurch verschlimmern. Der 
Diener des Herrn wird finden, daß es dann weise ist, zu 
schweigen, oder, sollte sein Herr ihm in dieser Weise Seinen 
Willen kund tun, anderswo seinen Dienst auszuüben. 
Andererseits, geliebte Brüder, laßt Euch ernstlich vor jener 
Schlinge warnen, die Satan in seiner List so gern zu unserem 
Schaden zu legen sucht, nämlich vor dem Geiste lieblosen 
Kritisierens über das, was in der Versammlung vorfällt. Die 
Anstrengungen des Feindes gehen immer dahin, uns von einem 
Extrem ins andere zu treiben. Wenn wir nämlich zu einer Zeit 
durch Gleichgültigkeit gesündigt haben, indem wir für das, 
was in der Versammlung geschah, fast kein Auge hatten, so 
ist es oft mehr als wahrscheinlich, daß wir zu einer anderen 
Zeit gerade der entgegengesetzten Klippe zusteuern. Der Herr 
wolle uns in Seinem Erbarmen davor bewahren! Nichts zeigt 
so sehr einen beklagenswerten Zustand an, und nichts kann so 
58 
sehr der Segnung hemmend in den Weg treten, als ein Geist 
lieblosen Richtens und Kritisierens. Wir versammeln uns, um 
Gott anzubeten, und um uns einander zu erbauen, und nicht 
in der Absicht, um einen wirkenden Bruder zu beurteilen und 
um zu entscheiden, ob ein solcher Bruder seinen Dienst in 
einer fleischlichen Weise ausübt und ob ein anderer durch den 
Geist betet. Wenn das Fleisch sich offenbart, ist es nötig, daß 
es gerichtet wird; aber es ist eine traurige und demütigende Sache, 
es in der Versammlung unterscheiden und richten zu müssen, 
anstatt uns, was unser glückseliges Vorrecht ist, der Fülle unseres göttlichen Herrn und Heilands zu freuen. Hüten wir uns 
daher vor dem Geiste des Richtens! Es gibt sowohl geringe als 
mehr hervorragende Gaben; und wir kennen den, der den 
Gliedern des Leibes, die uns die schwächeren zu sein scheinen, 
eine um so reichlichere Ehre verleiht. Die Handlungen eines 
Bruders in der Versammlung sind nicht geradezu alle fleischlich, weil er bis zu einem gewissen Punkte fleischlich wirksam 
ist; und in dieser Beziehung würde es für uns alle von Nutzen 
sein, die Worte eines der geachtetsten Diener des Herrn unter 
uns ernstlich zu erwägen. „Es ist vor allen Dingen nötig", sagt 
er, „daß wir zunächst die Natur unserer Gabe prüfen, und dann 
ihr Maß. Was das Maß betrifft, so glaube ich, daß manche 
Gabe nicht anerkannt wird, weil der Bruder, der sie empfangen 
hat, bei deren Ausübung das Maß überschreitet. „ .. . es sei 
Weissagung, so laßt uns weissagen nach dem Maß des Glaubens". (Röm 12, 6.) Alles was außerhalb dieser Grenzen liegt, 
ist vom Fleisch. Der Mensch stellt sich dann in den Vordergrund; die Sache wird gefühlt und die Gabe verworfen, weil 
der wirkende Bruder sich nicht mit dem Maße seiner Gabe 
begnügt hat. Weil aber sein Fleisch wirkt, so darf man sich 
nicht wundern, daß das, was er sagt, als fleischlich verworfen 
wird. Ebenso verhält es sich bezüglich der Natur der Gabe. 
Wenn ein Bruder, der eine Gabe des Ermahnens hat, zu lehren 
beginnt, so wird es sicher an der Erbauung mangeln. Ich 
möchte sehr wünschen, daß jeder Bruder, der im Dienst des 
Wortes tätig ist, auf diese Bemerkung sein Augenmerk richtete, 
weil vielleicht bei dem Mangel an Treue seiner Zuhörer kein 
anderes Mittel vorhanden ist, um in dieser Beziehung klar zu 
werden. 
59 
Diese Worte sind zunächst an solche gerichtet, die einen Dienst 
ausüben; aber ich führe sie hier an, damit wir, geliebte Brüder, 
nicht alles, was ein Bruder redet oder tut, als fleischlich bezeichnen, weil wir darin irgend etwas Fleischliches erblicken. 
Laßt uns mit Dank alles anerkennen, was vom Geiste ist, indem wir es, selbst in dem Dienst und den Handlungen einer 
und derselben Person, von jeder anderen Sache unterscheiden! 
Es gibt noch zwei oder drei kleine Einzelheiten, die ich hier in 
der Einfalt brüderlicher Liebe kvirz zu berühren wünsche. Zunächst möchte ich die Aufmerksamkeit meiner Leser auf die 
Austeilung des Brotes und Weines am Tisch des Herrn lenken. 
Einerseits wäre es sehr wünschenswert, wenn Brot und Wein 
nicht beständig und ausschließlich von denselben Brüdern ausgeteilt würde, als ob ein kirchlicher Unterschied vorhanden sei; 
aber andererseits finde ich nichts in der Schrift, das irgend 
einen Bruder ermächtigen könnte, das Brot zu brechen oder 
den Kelch darzureichen, ohne die Danksagung darzubringen. 
In Mt 24, 26. 27; Mk 14, 22. 23; Lk 22, 19 und 1. Kor 
11, 24 wird uns gesagt, daß der Herr danksagte, als Er das 
Brot brach und den Kelch nahm; und in 1. Kor 10, 16 wird 
uns der Kelch, als der Kelch der Segnung und der Danksagung 
bezeichnet. Wenn nun die Heilige Schrift unser Führer sein 
soll, ist es dann nicht augenscheinlich, daß der, welcher das 
Brot bricht und den Kelch nimmt, auch zu gleicher Zeit die 
Danksagung verrichten muß? Und wenn nun jemand unter 
uns sich zur Danksagung unfähig fühlt, sollte das nicht für 
ihn eine Ursache sein, sich zu fragen, ob er berufen sei, das 
Brot und den Wein auszuteilen? 
Ferner sollten wir alle betreffs der Aufsicht und der Leitung in 
den Versammlungen sowie betreffs der so notwendigen Befähigungen derer, die inmitten der Heiligen irgend einen 
Dienst ausüben, die Kap. 1. Tim 3 und Tit 1 mit betendem 
Herzen betrachten. Das erste dieser beiden Kapitel enthält in 
Vers 6 etwas ganz Besonderes, und es kann für uns alle von 
großem Nutzen sein, uns daran zu erinnern: „Nicht ein Neuling, damit er nicht, aufgebläht, ins Gericht des Teufels verfalle." Es kann der Fall sein, daß sich die Berufung Gottes und 
die Gabe Christi/ wie im Alten Testament bei Jeremias, bei 
60 
einem jugendlichen Mann wie Timotheus finden, und die an 
Timotheus gerichteten Worte: „Niemand verachte deine Jugend", würden in einem solchen Fall auch jetzt am Platze 
sein. Aber die Worte: „Nicht ein Neuling", waren gerade an 
Timotheus gerichtet. Seine Jugend sollte keineswegs für solche 
ein Anlaß zum Wirken sein, in denen sich weder die Gnade 
noch die Gabe fand, die ihm zuteil geworden waren. Schon das 
Gefühl natürlicher Schicklichkeit verlangt es, daß ein Jüngling 
weit eher den Platz der Unterwürfigkeit als den des Regierens 
einnimmt. Wir finden im ersten Brief Petri in dieser Beziehung 
eine vortreffliche Ermahnung, die leider, wie mir's scheint, nicht 
genug beherzigt wird. „Gleicherweise ihr Jüngeren seid den 
Älteren unterwürfig; alle aber seid gegeneinander mit Demut 
fest umhüllt; denn Gott widersteht den Hochmütigen, den 
Demütigen aber gibt er Gnade." (1. Petr 5, 5.) 
Möge der Herr in Seiner Gnade uns allen geben, geliebte Brüder, daß wir in Demut vor Ihm wandeln, auf daß unsererseits 
nichts das Werk des Heiligen Geistes in unserer Mitte hemme 
und störe! 

Der Herausgeber dieser Briefe erlaubt sich noch, einige kurze 
Bemerkungen beizufügen. 
1. Wenn ein Bruder in der Versammlung betet und sich an 
Gott wendet mit den Worten: „Mein Gott!" so hat ihm sicher 
der Heilige Geist diese Worte nicht eingegeben. Wir sollten 
uns stets erinnern, daß der Geist an diesem Platze niemanden 
antreibt, persönlich für sich zu beten, sondern, daß Er den 
Betenden, als den Mund der Versammlung, mit allen Brüdern 
auf den gleichen Boden stellt. 
2. Wenn ein Gebet oder eine Danksagung lange Darstellungen 
bestimmter Lehren enthält, so kann ich auch darin keineswegs 
eine Wirkung des Heiligen Geistes erkennen. Wer betet, redet 
mit Gott und nicht mit seinen Brüdern; und es geziemt uns 
durchaus nicht, Gott eine Predigt zu halten. 
3. Ich bezweifle es, daß die Handlungen beim Gottesdienst, 
die immer nach derselben Ordnung geschehen, sich stets der 
Leitung des Geistes erfreuen. Will es z. B. der Heilige Geist, 
61 
daß jede Versammlung durch ein Gebet geschlossen werde, 
ohne welches es niemand wagen dürfte, sich zu erheben, um 
nach Hause zu gehen? Ohne Zweifel ist ein Schlußgebet jedenfalls passend und an seinem Platze, wenn Gott es ist, der es 
eingibt. Ist dies aber nicht der Fall, so ist das Gebet eine armselige Form, die nicht mehr Wert hat als eine Liturgie. 
Die goldenen Fäden 
2. Mose 39, 3. 
„Und sie plätteten Goldbleche und man zerschnitt sie zu Fäden, zum Verarbeiten unter den blauen und unter den roten 
Purpur, und unter den Karmesin und unter den Byssus." 
In dem „gezwirnten Byssus" haben wir ein Vorbild von der 
fleckenlosen Menschheit des Herrn Jesu Christi; und in den 
„goldenen Fäden" ein ebenso treffendes und schönes Vorbild 
von Seiner Gottheit. Der Geist Gottes liebt es, in dieser Weise 
die Person und das Werk Christi darzustellen. Jedes Vorbild, 
jede Figur, jede Ordnung der mosaischen Gebräuche, alles 
duftet von dem Wohlgeruch Seines kostbaren Namens. Wie 
scheinbar unbedeutend der eine oder andere Umstand auch 
sein mag, so ist er nach dem Urteil des Heiligen Geistes dennoch unaussprechlich köstlich, wenn er nur irgend etwas von 
Christo ausdrückt. 
Der „blaue und der rote Purpur, der Karmesin und der Byssus" 
stellen die verschiedenen Züge der vollkommenen Menschheit 
Christi dar; aber die Weise, in welcher der goldene Faden 
unter diese Stoffe, aus denen das Priesterkleid Aarons bestand, gewirkt wurde, verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Der Faden von Gold wurde so künstlich unter jene 
anderen Stoffe gewirkt, daß er mit ihnen unzertrennlich verbunden und dennoch wieder vollkommen von ihnen unterschieden war. — Die Anwendung von all diesem auf den 
Herrn Jesus ist von hohem Interesse. In den verschiedenen 
Szenen, die uns das Evangelium mitteilt, können wir leicht 
62 
diese seltene und schöne Vereinigung der Menschheit und 
Gottheit, und zu gleicher Zeit das geheimnisvolle Hervortreten der einen und der anderen deutlich erkennen. 
Schauen wir z. B. Christus auf dem See Genezareth. Mitten 
im Sturm war Er „auf einem Kopfkissen eingeschlafen." Welch 
herrliches Bild von Seiner vollkommenen Menschheit! Aber 
im nächsten Augenblick erscheint Er in der ganzen Größe Seiner 
Majestät und Gottheit; und als der unumschränkte Beherrscher des Weltalls stillt Er den Wind und beruhigt den See. 
Betrachten wir Ihn ferner in dem Falle, wo sich die Einnehmer 
der Doppeldrachme an Petrus wenden. Als der höchste Gott, 
der Besitzer des Himmels und der Erde, legt Er Seine Hand 
auf die Schätze des Meeres und sagt: „Sie sind mein!" und 
nachdem Er erklärt hat, daß Ihm das Meer gehört, verändert 
Er plötzlich Seine Sprache und verbindet Sich, Seine vollkommene Menschheit offenbarend, mit Seinem armen Jünger 
durch die rührenden Worte: „Diesen nimm und gib ihn für 
mich und dich." — Welche gnadenreichen Worte. 
Richten wir ferner unseren Blick auf Ihn am Grabe des Lazarus. Er seufzt und weint; diese Seufzer und Tränen dringen 
aus den Tiefen einer vollkommenen Menschheit hervor. Dann 
aber erhebt Er als die Auferstehung und das Leben Seine 
Stimme zu dem Ruf: „Lazarus, komm heraus!" — Beides — 
Seine Gottheit und Seine Menschheit — tritt hier in voller 
Klarheit vor uns. 
Und noch viele andere Szenen des Evangeliums könnten als 
Erläuterung der Verbindung der goldenen Fäden mit dem 
„blauen und roten Purpur, dem Karmesin und dem Byssus" 
dienen; und das ist die Verbindung der Gottheit mit der 
Menschheit in der geheimnisvollen Person des Sohnes Gottes. 
Es ist für unsere Seelen stets nützlich, mit dem Herrn Jesus, 
als dem wahrhaftigen Gott und dem wahrhaftigen Menschen 
beschäftigt zu sein. 
O möchten doch unsere Herzen solche Belehrungen zu schätzen wissen! Nichts vermag die Frische des geistlichen Lebens 
zu erhalten, als eine stete, ununterbrochene Gemeinschaft mit 
der Person Christi. 
63 
Stromaufwärts 
Ein Christ kann in seinem Lauf unmöglich stehen bleiben, denn wir gehen gegen den Strom dieser Welt; 
sobald wir stehen bleiben, zieht uns die Strömung notwendigerweise mit sich fort. Fährt man mit dem Strom, so ist es 
nicht nötig zu rudern, man kommt von selbst, und zwar sehr 
rasch vorwärts; aber ein Abgrund ist das Ziel. Um gegen den 
Strom zu fahren, muß man beständig rudern, blickt man aber 
nach oben, so geht's auch von selbst. — Ich stelle mir die 
Sache in folgender Weise vor: Der Herr Jesus ist oben bei 
der Quelle angekommen und Er zieht das Schiffchen mittels 
eines Seils, das nur für das Auge des Glaubens sichtbar ist. 
(Vergl. Hebr 6, 11-20 und 12, 1-3. 4 ff.) - Der Heilige Geist 
ist mit uns im Schiffchen, Er hält das Steuerruder und spricht 
mit uns durch die Heilige Schrift von der herrlichen Person 
Jesu, von den Freuden und Herrlichkeiten, die wir am Ziel der 
Reise finden werden. (Joh 14, 15-20. 25. 26; 16, 12—15 und 
1. Joh 2, 20. 27). 
So lange nun unser Auge auf Jesum gerichtet ist, sehen wir, 
wie straff das Seil angezogen ist, um uns zu ziehen; unsere 
Ohren merken auf die köstlichen Worte, die unser Steuermann 
uns sagt; und durch diese beiden Mittel unterstützt, bewegen 
wir die Ruder, ohne es zu merken. Sie scheinen uns so leicht 
wie Federn zu sein; der Weg ist kurz, das Herz glücklich, 
alles geht gut. — Sehen wir hingegen rechts oder links vom 
Schiffchen auf die Größe der Wellen und die Stärke der 
Strömung, so verlieren wir das Seil und Ihn, der es zieht, aus 
den Augen; und weil wir uns nach unten gegen das Wasser 
bücken, so hindert uns dessen Geräusch, die Worte unseres 
Steuermanns zu verstehen. Das aber betrübt Ihn; unsere Arme 
lassen die Ruder sinken und unsere Blicke, die ihre Richtung 
geändert haben, begegnen den Schiffen, die mit dem Strom 
fahren. Diese sind voll gutgekleideter und lustiger Leute, die 
uns zurufen: „Kommt mit uns, hier belustigt man sich sehr!" 
Ach! wie oft waren wir in Gefahr, in eins dieser Schiffchen 
zu springen, wenn der Steuermann uns nicht ergriffen hätte, 
64 
damit wir das Haupt erheben und unsere Ohren öffnen möchten, um Seine köstlichen Belehrungen über die Person Jesu 
und die Dinge, die wir bald sehen werden, zu vernehmen, — 
denn die Zeit ist nahe! F. P. 
Das Gebet 
Die Fürbitte setzt immer voraus, daß wir nahe genug bei Gott 
sind, um in den Interessen der Kirche mit Gott zu sein. Das 
Interesse, das wir an dem Zustand der Heiligen und an dem 
ganzen Leibe — der Kirche — nehmen, ruft Gebet und Fürbitte 
bei uns hervor, und ein Ringen, das die Seele mit dem Herrn 
Jesu in Seiner Zuneigung für die Kirche aufs innigste vereinigt. 
Befinden wir uns für das Wohl der Kirche im Kampfe mit 
geistlichen Mächten in himmlischen Oertern, (Eph. 6, 10) so 
macht das Gebet den größten Teil des Kampfes aus. Ein 
Christ, der in ringendem Gebet über die Angelegenheiten der 
Kirche viel mit dem Herrn verkehrt, hat mehr gearbeitet und 
Früchte gebracht, als andere durch viele äußere Anstrengungen. Wenn mehr Treue unter uns vorhanden wäre, mehr 
wahres Interesse für die Förderung des Glaubens der Heiligen 
und für den Fortschritt des Evangeliums, so würde viel mehr 
gewirkt werden durch unsere Gebete, als durch unsere Gegenwart und unsere tätige Dazvvischenkunft. 
Was läßt mich Interesse nehmen an der Kirche, wenn nicht der 
Geist Christi in mir die Quelle ist? Wenn ich das Interesse 
verstehe, das Christus für Seine Kirche hat, so wird das die 
Wirkung hervorbringen, daß ich mich mit Ihm darüber unterhalte; und Christus antwortet auf meine Gebete, weil Er die 
Kirche liebt und sie auf Seinem Herzen trägt. „Er hat die Versammlung geliebt und sich selbst für sie dahingegeben"; Er 
nährt und pflegt sie; „denn wir sind Glieder seines Leibes, 
von seinem Fleische und von seinen Gebeinen." (Eph 5, 
22—33.) Ich sehe die Vertraulichkeit und die heilige Freiheit 
mit Jesu in vielen Stellen der Heiligen Schrift dargestellt. Als 
Jesus in einem Gesicht den Ananias aufgefordert hatte, einen 
Mann namens Saulus von Tarsus zu suchen und ihm die 
65 
Hände aufzulegen, antwortete Ananias: „Ich habe von vielen 
von diesem Manne gehört, wieviel Böses er deinen Heiligen 
in Jerusalem getan hat. Und hier hat er Gewalt von den 
Hohenpriestern, alle zu binden, die deinen Namen anrufen." 
(Apg 9, 13—16.) Dieser Zug stellt die Vertraulichkeit des 
Herrn Jesu mit den Seinigen, sowie das Interesse ins Licht, 
das Er an der Kirche nimmt. — Wir haben noch ein anderes 
Beispiel der Vertraulichkeit im Buch der Apostelgeschichte. In 
Kap. 23, 11 stellt sich Jesus vor Paulus und sagt ihm: „Sei 
gutes Mutes! Denn wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, 
so mußt du auch in Rom zeugen." — Ferner spricht Paulus 
von einem Kampf, den er für die Treuen zu Kolossä zu bestehen habe. (Kol 2.) Denn jeder Vorteil, den man erlangt, 
kann als ein Sieg über den Feind betrachtet werden. Die Wirkung der Macht des Heiligen Geistes ist, die Kirche zu stützen, 
damit Satan sie nicht überwinden kann. Wenn die Arme 
Moses sanken, so war Amalek der Sieger; und wenn sie gehoben blieben, war Josua der stärkere. So ist es noch jetzt 
in unserem Kampf. Israel kämpfte und wußte nichts von diesem Gebetskampf. Wenn es Dinge gibt, die für uns von 
Interesse sind, so sieht man Satan sie angreifen. Wenn ich 
mich beklage über den, der das Werkzeug des Bösen ist, so 
ist das ein Gedanke des Fleisches. Der Geist setzt mich in die 
direkte Beziehung zum Herrn, um Ihm zu sagen, wie jener 
Hauptmann: „Sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht 
gesund." 
Gedanken 
Ein Christ sah ein Gemälde, das den Tod vorstellen sollte. 
Der Maler hatte durch ein Skelett, neben dem ein Mann mit 
einer Sense stand, den Tod darstellen wollen. 
Der Christ bemerkte, daß er den Tod, wenn er ihn bildlich 
darstellen sollte, anders malen würde; und auf die Frage, 
wie er dies tun würde, antwortete er, daß er einen Mann mit 
goldenem Schlüssel malen würde, weil der Tod ihm die Pforten des Lebens aufschlösse! 
66 
Man hört so oft von Gott als dem „lieben Gott" reden, 
während Er in der Schrift nie so genannt wird. Die Christen 
sollten, dünkt mich, Gott nie anders nennen, als Ihn die 
Schrift nennt. 
Mancher möchte wünschen, schon jetzt diesen Leib der 
Schwachheit nicht mehr zu haben, aber in diesem Falle würde 
man vergessen, daß unser jetziger schwacher Zustand nötig 
ist, damit die Kraft Gottes darin vollbracht würde. 
Der Teufel handelt immer im Gegensatz zu Christo. Er stellt 
uns die Sünde als einen Himmel voll süßer Genüsse vor, und 
überläßt uns nach der Sünde ihren schmerzlichen Folgen. Der 
Herr Jesus warnt uns vor der Sünde als einem Betrug, und 
wenn wir uns dennoch vergessen, dann tilgt er die Folgen 
der Sünde durch Seine Fußwaschung wieder aus. 
„Denn das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn." Paulus hat nicht gesagt, daß er wünsche, daß es so 
bei ihm sein möchte, sondern er sagt, daß es so bei ihm sei, 
und zwar das eine ebenso gewiß wie das andere. Man kann 
glauben, daß das Sterben Gewinn ist, ohne sagen zu können, 
daß das Leben für mich Christus ist. Philipper 1, 21. 
Unmöglich — möglich 
Wenn wir unsere Blicke auf die vielen Erfindungen richten, die 
seit einem halben Jahrhundert in die Erscheinung getreten sind, 
und noch von Tag zu Tag durch neue vermehrt werden, so 
müßte man fast sagen, daß für die Welt nichts Unmögliches 
mehr besteht. Was noch vor drei Jahren als ein Hirngespinst 
erschien, gehört jetzt schon zu den alltäglichen Dingen; was 
noch vor einem halben Jahrhundert als ein Wunder betrachtet 
wurde, wird jetzt bereits wieder als unvollkommen beiseitegestellt; was ehemals als unmöglich bezeichnet wurde, ist jetzt 
möglich geworden. Das Neue verdrängt im Fluge das Alte. Wo 
irgend eine Idee auftaucht, da sind gleich Menschenhände dabei, sie auszuführen. 
67 
Aber wie sehr es auch den Nachkommen Kains geglückt sein 
mag, die Welt zu verschönern und sie mit allem, was den 
Sinnen gefällt, zu versehen, und wie viele Denkmäler ihnen 
auch für ihre Werke errichtet sein mögen, so gibt es doch 
eine Sache, die für sie unmöglich ist, zu erlangen. Alle Anstrengungen der Menschen bis zu diesem Augenblick sind an ihr 
gescheitert; für die Errettung der Seele haben sie kein Mittel 
ausfindig zu machen gewußt, um sich dieser Sache rühmen zu 
können. Die Wissenschaft, die Weisheit der Menschen brüstete 
sich von jeher sehr; und mit gespannter Aufmerksamkeit 
lauschten Tausende auf ihre hochklingenden Aussprüche in der 
sehnlichsten Erwartung, etwas unter ihren aufgeschichteten 
Schätzen betreffs dieser wichtigen Frage zu entdecken. Aber 
ach! unmöglich vermochte die Weisheit dieser Welt Gott in 
Seiner Weisheit zu erkennen; man verwarf das Licht, das Gott 
vom Himmel sandte; man kreuzigte den Herrn der Herrlichkeit, man tappte umher in der tiefsten Finsternis. Zwar richtete 
man unzählige Systeme auf; aber keines war imstande, über 
die Frage der Ewigkeit Licht zu verbreiten; keines konnte dem 
Gewissen Ruhe, wahre Ruhe geben in der Stunde des Todes. 
Wie viel Neues die Weisheit daher auch hervorgerufen haben 
mag, so hat sie es doch nicht dahin gebracht, den Boden der 
Unsicherheit, auf dem die Füße ihrer Anhänger gestellt sind, 
zu zertrümmern und durch ein unerschütterliches Fundament 
zu ersetzen. Hätte die Frage der Jünger: „Wer kann dann 
errettet werden?" ihr Ohr berührt, sie hätten zu allen Zeiten 
nur die Antwort geben können: „Bei Menschen ist dies unmöglich." (Mt 19, 25-26.) 
In der Tat, der Mensch mag die überraschendsten Erscheinungen zutage fördern; aber eine einzige Seele in den Himmel zu 
bringen, das überschreitet weit die Grenzen seiner Macht. Sobald er mit seiner Weisheit dieses Gebiet betritt, wird seine 
Ohmacht und Unwissenheit bloßgestellt. Ach! sowohl die 
klaren Zeugnisse der Heiligen Schrift, als auch die täglichen 
Erfahrungen aller Menschen, die selig zu werden wünschen, beweisen es unzweideutig, daß alle eigenen Anstrengungen des 
Menschen nutzlos und eitel sind. Sie sind nichts als tote Werke 
und verraten es mit ganzer Deutlichkeit, daß der arme Mensch 
in seinem Stolze dem Zeugnisse Gottes nicht glaubt. Und ist 
68 
es nicht genug, wenn der Herr Jesus selbst betreffs der Errettung die Worte sagt: „Bei Menschen ist dies unmöglich"? Die 
Jünger schenkten diesem Wort, ohne Einrede dagegen zu erheben, völligen Glauben; denn Petrus sagte: „Siehe, wir haben 
alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns nun 
werden?" O, möchten doch alle, in deren Herzen ein Verlangen 
nach Errettung durch die Gnade geweckt worden ist, gleich 
diesem Jünger mit einfältigem Herzen dem Worte des Herrn 
glauben! 
Glaubst Du, mein teurer Leser, daß es „bei Menschen unmöglich ist"? Glaubst Du, daß alle Deine Arbeit ohne Frucht bleibt, 
und daß alles, was Du zur Erlangung Deiner Seele anwendest, 
Dich um keinen Schritt näher bringt? Ja, das Wort: „Bei 
Menschen ist dies unmöglich", ist sicher nicht geeignet, den 
Menschen in seinem Wahn und in seinem Hochmut zu stärken; 
denn wie weit er es auch in seinen Künsten und Wissenschaften im Reich der Natur gebracht haben mag, so zeigt er 
doch in dieser Beziehung nichts als Ohnmacht und Unwissenheit. Hier wird er seines ganzen Ruhmes entkleidet; und während er in fieberhafter Anstrengung bemüht ist, sich durch 
sein Tun ein Anrecht auf den Himmel zu erwerben, ruft ihm 
eine Stimme zu: „Halt! Alle deine Werke nützen nichts; alle 
Deine Bestrebungen, Anstrengungen und Spendungen sind 
eitel und wertlos in den Augen Gottes!" — O, wie manchem, 
dessen Gewissen durch diese Worte erschüttert wird, entsinkt 
die Stütze, auf die er sich lehnte und die er als untrüglich 
erachtete, wie mancher sieht sein Gebäude, an dem er seither 
mit so vieler Mühe gearbeitet hat, in Trümmer stürzen, wie 
mancher, der bisher Trost fand in dem Gedanken, nicht mehr 
fern vom Reiche Gottes zu sein, sieht sich auf einmal zurückgesetzt, ohne Hoffnung, ohne Gott! 
Der reiche Jüngling im Evangelium, der in der Meinung zu Jesu 
gekommen war, daß noch irgend etwas, um das ewige Leben 
zu erlangen, getan werden könnte, ging betrübt hinweg, als er 
vernahm, daß er trotz all seines Tuns und trotz Beobachtung der 
Gebote nicht vollkommen sei. Er hatte in der Tat vieles getan. 
Er konnte sagen: „Alles dieses habe ich beobachtet von meiner 
Jugend an." Und hätte es für ihn noch etwas zu tun gegeben, 
69 
um für sein Herz mehr Sicherheit und Gewißheit betreffs des 
ewigen Lebens zu erlangen, so würde er es willig ausgeführt 
und den an ihn gestellten Anforderungen mit eigener Aufopferung genügt haben. Die Jünger selbst waren darüber verwundert, daß jemand, der so vieles getan hatte, noch nicht 
sagen konnte, daß er errettet sei. Das zeigt uns unzweideutig 
die Frage: „Wer kann dann errettet werden?" Ach! „bei Menschen ist dies unmöglich." Und ist dies eine Wahrheit in 
bezug auf jemand, der brav und tugendhaft war, der sich 
kühn seiner Treue betreffs der Beobachtung der Gebote 
rühmen konnte, ach! wie viel mehr ist es dann anzuwenden auf die, die sich nicht dieser Dinge rühmen könne, sondern sich vielmehr den Sündern und Übertretern beizählen müssen, auf solche, die sich, hinschauend auf ihr Leben, 
schuldig fühlen gegenüber den Geboten Gottes, und die bei 
dem Gedanken an das gerechte Gericht zitternd zurückschrecken. 
Es ist wahr, daß es in dem äußeren Leben und Wandel einen 
Unterschied gibt, daß der eine Mensch sittlicher und ehrbarer 
wandelt als der andere; und sicher ist dies, insoweit es sich 
auf das Leben auf Erden bezieht, beachtenswert. Aber in bezug 
auf das ewige Leben fällt unter den Menschen jeder Unterschied weg. Alle stehen vor derselben geschlossenen Tür. 
Hunderte und Tausende mögen es versuchen, sie zu öffnen, — 
sie wird geschlossen bleiben. Für alle heißt es: „Bei Menschen 
ist dies unmöglich." Kein Gebet, keine Träne, keine Reue, 
keine Tugend, nein, nicht der höchste Grad der Sittlichkeit 
kann sie öffnen. Schrecklich, aber wahr! Pharao mit seinem 
Heer hinter ihm, das Rote Meer vor ihm, das ist die traurige 
Lage des Menschen. Und so unmöglich es für den Israeliten 
war, das Rote Meer durchschreiten zu können, so unmöglich 
ist es für den Sünder, sich die Tür des Himmels zu öffnen. 
Hast Du wohl einmal mit Ernst über diese Dinge nachgedacht, 
mein teurer Leser? Dann wirst Du auch sicher, angesichts 
Deines trostlosen Zustandes von Natur, mit Angst und Schmerz 
an Deine Brust geschlagen haben. Alle Hoffnungen auf Rettung, sobald es sich um das Tun des Menschen handelt, ist 
verschwunden. Vergeblich sucht er einen Ausweg, vergeblich 
strengt er sich an, seine Füße aus dem Schlamm der Sünde 
70 
herauszuziehen; von allen Seiten tönt ihm das Wort entgegen: 
„Bei Menschen ist dies unmöglich." 
Aber siehe! für Israel durchbrach ein Lichtstrahl die Finsternis. 
Gott, der den Notschrei des armen Volkes vernommen hatte, 
kam hernieder und spaltete die Fluten des Roten Meeres. Ein 
Pfad wurde gebahnt, damit das Volk der Macht des gewaltigen 
Feindes entrinnen konnte; und die Fliehenden, die soeben noch 
vergeblich einen Ausweg gesucht und geschrieen hatten: „Unmöglich! Unmöglich!" — empfingen jetzt die Botschaft: „Aber 
bei Gott sind alle Dinge möglich." Das was unmöglich war, ist 
möglich geworden. Welch kostbare Wahrheit! 
Es ist wahr, jeder natürliche Mensch ist in der Gewalt des 
Fürsten dieser Welt, und zu seinen Füßen wälzen sich die 
Wellen des Todes. Was kann er tun, um der Macht eines 
solchen schrecklichen Feindes und dem Zorn eines gerechten 
Gottes zu entfliehen? Nichts. „Bei Menschen ist dies unmöglich." Aber Gott in Seiner Gnade konnte etwas tun; denn „bei 
ihm sind alle Dinge möglich". Und Er hat für den Sünder 
einen Weg zum Entrinnen bereitet; Er hat das Unmögliche 
möglich gemacht, Er gab Seinen Sohn. Jesus ist der Weg, die 
Wahrheit und das Leben; Er kam auf die Erde, starb am 
Kreuze, verließ das Grab, fuhr auf gen Himmel und rief den 
Seinigen zu: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten." 
Durch Ihn ist der Himmel zugängig gemacht; Er hat die Tür 
geöffnet. Jetzt kann niemand sagen: „Es ist unmöglich." Aber 
es ist nur möglich durch Jesum. Für die Kinder Israel gab es 
nur einen Weg zum Entrinnen; es war der Weg, den Gott 
gebahnt hatte. Jeder Unterschied war zu Boden gefallen. Und 
ebenso verhält es sich jetzt mit den Sündern. Vor Gott stehen 
sie alle auf gleichem Boden, sowohl der Mörder am Kreuz, der 
sein Leben in Sünden zugebracht hatte als auch der reiche 
Jüngling, der sagen konnte: „Alles dieses habe ich beobachtet 
von meiner Jugend an." Für beide galt das Wort: „Bei Menschen ist dies unmöglich." — Und dennoch entdecken wir in 
ihnen einen bedeutenden Unterschied. Der Mörder am Kreuz 
erkannte, daß es ihm unmöglich sei, errettet zu werden; darum 
wandte er sich an Jesum, der ihm mit den Worten entgegenkam: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein." Der reiche 
Jüngling kam zwar ebenfalls zu Jesu, aber nicht mit dem 
71 
Bedürfnis, Gnade zu empfangen, und nicht mit der Überzeugung, daß es ihm unmöglich sei, errettet zu werden; und 
darum ging er betrübt hinweg. 
Mit einem Worte, mein teurer Leser: So lange der Mensch 
denkt, es sei ihm Rettung „möglich", sagt Gott: „Unmöglich"; 
aber sobald der Mensch im Gefühl seines Unvermögens sagt: 
„Unmöglich"; ruft ihm Gott mit Macht zu: „Möglich." Ja, bis 
zu diesem Punkt der Hoffnungslosigkeit muß es mit dem 
Menschen kommen; erst dann öffnen sich die Arme Jesu, um 
den Verlorenen aufzunehmen, um ihm zu zeigen, daß das bei 
den Menschen Unmögliche bei Gott möglich ist. 
Ruhe für das Herz 
„Seid um nichts besorgt; sondern in allem lasset durch Gebet 
und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kund werden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, 
wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christo Jesu." 
(Phil 4, 6. 7.) Fürwahr, das gibt dem Herzen wahre Ruhe! In 
welchen Umständen wir uns auch befinden, welche Sorgen 
unser Herz auch erfüllen mögen — der Herr, unser Gott, fordert uns auf, zu Ihm unsere Zuflucht zu nehmen. Er ist völlig 
bereit und auch mächtig genug, alles auf Sich zu nehmen. In 
Seiner zärtlichen Liebe gegen uns will Er mit uns tauschen. Er 
will unsere Sorgen nehmen und uns Seinen Frieden geben. 
Welch ein herrlicher Tausch! O, wie unaussprechlich gut ist Er! 
Er will nicht, daß eine einzige Sorge unser Herz beschweren 
soll. Er will, daß unser Herz ebenso frei von Sorgen sein 
soll, wie unser Gewissen frei ist von Schuld. Anstatt unserer 
Sünde gab Er uns Seine Gerechtigkeit, und anstatt unserer 
Sorgen will Er uns Seinen Frieden geben. 
Mit welch einer anbetungswürdigen Güte ist doch der Herr 
mit uns beschäftigt! Er bemüht Sich mit unseren Torheiten 
und Mängeln, um uns davon zu befreien, und Er bemüht Sich 
mit unseren Sorgen und Kümmernissen, um uns davon zu 
entlasten und unsere Herzen mit Seinem seligen Frieden zu 
erfüllen. Er sagt uns ausdrücklich und in einer für jeden deutlichen Sprache: „Gib mir deine Sorgen, welcher Art sie auch 
72 
sein mögen, ob klein oder groß, ob sie auf dein persönliches, 
häusliches oder öffentliches Leben Bezug haben; gib sie mir, 
und ich will dir dafür meinen Frieden geben, der jede Vernunft übersteigt." Herrliche Gnade! O, möchten unsere Herzen 
allezeit eine völlig geziemende Antwort darauf geben! Warum 
wollen wir unsere Sorgen, die doch nur eine schwere Bürde 
für uns sind, für uns behalten, wenn Gott sie haben will? 
Warum wollen wir selbst für uns sorgen, wenn Gott es tun 
will? Er denkt allezeit an uns. Niemand hat noch getan, was 
Er tat. Er, der große und herrliche Gott, der Schöpfer des 
Himmels und der Erde, hat die Haare unseres Hauptes gezählt. 
Welch eine Liebe! Welch eine Zärtlichkeit! Fürwahr, wir können uns Ihm anvertrauen; unsere Herzen können ruhig sein 
inmitten all der Stürme dieses Lebens und Seinem Namen 
lobsingen. 
„Ihr seid vollendet in Ihm" 
Kol 2, 10. 
Gegenüber der Neigung vieler Seelen, den Frieden des Gewissens auf etwas zu gründen, was sie in und bei sich selbst 
wahrnehmen, sowie angesichts der steten Schwankungen, der 
Unbeständigkeit und Unzulänglichkeit eines solchen Friedens 
ist es von unberechenbarer Bedeutung, den wirklichen, wahren 
und unerschütterlichen Grund zu kennen, auf dem allein ein 
dauernder, beständiger Friede seinen Stützpunkt hat. Wo 
anders aber könnte die Seele diesen Grund finden, als nur in 
dem vollbrachten Werke Christi? Das ist der wahre, unbewegliche Boden, den Gott selbst gelegt hat, ein Fels, der den 
Stürmen trotzt und dem Platzregen und den Strömen widersteht. (Mt 7, 25.) Es ist der alleinige Grund, auf dem wir 
Gott stets mit einem guten Gewissen und einem mit Ruhe erfüllten Herzen nahen können. Jeder andere Grund des Friedens, wie vernünftig und sicher er auch zu sein scheinen mag, 
ist trüglich und nichtig. Sowohl das Wort Gottes als auch die 
täglichen Erfahrungen des Gläubigen liefern dafür unwiderlegbare Beweise. 
73 
Und dennoch ist leider bei so vielen Seelen die Neigung vorherrschend, den Grund ihres Friedens weit lieber in den trügerischen Erfahrungen ihres eigenen Herzens, in ihrer Buße, in 
ihren Gebeten und ihren Tränen, in ihren Gefühlen und ihren 
Vorsätzen, in ihrer Erkenntnis, ihren Werken und in zahllosen 
anderen Dingen zu suchen, als in Christo und nur in Ihm 
allein. Und was ist die Folge? Der Friede kann nicht wirklich 
und dauernd sein, sondern ist nur Schein und stetem Wechsel 
und mannigfachen Störungen unterworfen. Wie konnte auch 
von Seiten des Menschen etwas imstande sein, das „Gewissen 
vollkommen zu machen", oder bewirken, daß „kein Gewissen 
von Sünden" mehr vorhanden wäre? (Hebr 9, 9; 10, 2.) Eine 
solche gesegnete Wirkung hat nur das Werk Christi, weil es 
göttlich und mithin vollkommen ist; und hat die Seele durch 
den Glauben in diesem Werk ihren Stützpunkt gefunden, so 
ist der Friede für immer gesichert, das Gewissen entlastet und 
das Herz an jener Stätte, wo die göttliche Gerechtigkeit betreffs unserer Sünden gänzlich befriedigt und Gott selbst verherrlicht ist, in glückselige Ruhe versetzt. Nur von dieser Stätte 
aus vermag Gott uns zu segnen und in vollkommener Gnade 
mit uns zu handeln. 
Diese gesegnete Wahrheit sollte allen Fleiß in uns erwecken, 
jeden menschlichen Grund zu verlassen, jede fleischliche Stütze 
zu verwerfen und nur auf das vollbrachte Werk Christi unser 
völliges Vertrauen zu setzen. Je tiefer wir in diese Wahrheit 
eindringen, desto bestimmtere Schranken werden wir den Einbildungen unserer selbstgerechten Herzen entgegenstellen und 
um so unzweideutiger werden wir Gott die Ihm allein gebührende Ehre geben. Wo anders finden wir eine so deutliche 
Offenbarung dessen, was der Mensch und was Gott ist, als in 
dem Kreuz Christi? Von hier aus dringen dem armen, entblößten und verdammungswürdigen Sünder die Strahlen einer 
göttlichen Liebe und Treue, Gnade und Gerechtigkeit im herrlichsten Glänze entgegen; ja, hier begegnet das Auge des Mühseligen und Beladenen allem, was für ihn erforderlich ist, daß 
er für immer und mit einem völlig glücklichen Herzen in der 
heiligen und gesegneten Gegenwart Gottes seinen Platz einnehmen darf. 
74 
Es wird daher für unsere Leser von nicht geringem Interesse 
sein, wenn wir in diese große und herrliche FundamentalWahrheit ein wenig näher eingehen. Möge es geschehen unter 
der Leitung des Heiligen Geistes, der allein fähig ist, uns 
wahrhaft zu erleuchten. 
1. 
Zunächst möchte ich einige kurze Augenblicke bei dem Zustand 
des Menschen von Natur verweilen. Ein klares Verständnis 
über diesen Punkt zu besitzen, mit anderen Worten, das Urteil 
Gottes in dieser Beziehung zu kennen, ist wichtig und notwendig. Hier handelt es sich nicht um das, was der Mensch 
selbst von sich hält und wie er über sich urteilt, sondern allein 
um das, wie Gott ihn betrachtet und beurteilt. Nur das Urteil 
Gottes ist maßgebend. Der Mensch urteilt nach dem, was vor 
Augen ist, nach dem äußeren Schein; aber Gott ist ein „Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens, und kein 
Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben." 
(Hebr 4, 12. 13.) Das menschliche Urteil unterscheidet ehrbare 
und ruchlose, treue und gewissenlose, gütige und hartherzige, 
religiöse und gottlose Menschen; und diese Unterschiede sind, 
nach dem Maßstabe der menschlichen Gerechtigkeit und insoweit es sich um das Leben auf dieser Erde handelt, auch in der 
Tat vorhanden. Wer wollte das Dasein löblicher und anerkennenswerter Eigenschaften unter den Menschen leugnen? 
Aber welchen Wert haben alle menschlichen Vorzüge und Tugenden vor Gott, wenn es sich um die himmlische Herrlichkeit 
handelt? Nicht den geringsten. Das Urteil Gottes ist in dieser 
Beziehung bestimmt und entscheidend; denn wir lesen: „Denn 
es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes." (Röm 3, 23.) Und wiederum: „Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden; da ist keiner, der Gutes tue, da ist auch nicht einer." 
(Röm 3, 12.) In den Augen der Menschen war Saulus ein 
„Eiferer für Gott" (Apg 22, 3) und tadellos hinsichtlich der 
Gerechtigkeit im Gesetz; aber in den Augen Gottes war er ein 
„Lästerer und Verfolger und Gewalttäter". (1. Tim 1, 13.) Vor 
Gott ist der Mensch ein unwürdiges Geschöpf. Mag er in sorg75 
loser Leichtfertigkeit und träger Gleichgültigkeit, oder in dünkelhaftem Selbstvertrauen und stolzer Eigengerechtigkeit dahin gehen, er ist und bleibt ein Sünder. 
Und dennoch, wie schwer ist es dem natürlichen Herzen, dies 
zu erkennen! Ja, ohne Licht von oben ist eine solche Erkenntnis undenkbar. Nie wird es der eigengerechte Mensch einräumen, daß alle seine Werke ihm auf ewig den Himmel verschließen und die Pforten der Hölle öffnen. Ob auch Gott gesagt hat: „Das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von 
seiner Jugend an", (1. Mo 8, 21 vergl. Jer 17, 9) so fährt doch 
der Mensch fort, nach eingebildeten Guttaten zu haschen und 
sich ihrer zu rühmen. Zu seiner Rechtfertigung zählt er Sünden 
und Vergehungen auf, deren er sich nicht schuldig gemacht hat 
wie andere. Er ist kein Mörder, kein Ehebrecher, kein Dieb, 
kein Lästerer, und er glaubt, deshalb schon ein Anrecht auf 
den Himmel zu haben. Welche eitle Verblendung und Selbsttäuschung! Trotz allen Anmaßungen des eitlen Herzens bezeichnet Gott den Menschen einfach als einen Sünder, als 
einen Feind Gottes, als einen Gottlosen, (Röm 5, 6—10) als 
einen Lügner, (Ps 116, 11) als tot in seinen Sünden und Vergehungen, als ein Kind des Zornes, (Eph 2, 1—3) als einen Verlorenen; (Röm 2, 12) und in diesem Zustande wird er nach 
Ablauf des Tages der Gnade vor den Richterstuhl Christi gestellt und gerichtet werden. (Mt 12, 36; Röm 14, 12.) Es ist 
„dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das 
Gericht"; (Hebr 9, 27) und „kein Lebendiger ist vor ihm gerecht". Und wäre auch nur das gegebene Gesetz das einzige 
Maß der Forderungen Gottes, so würde sicher rchon „jeder 
Mund verstopft werden und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sein". (Röm 3, 19.) 
Es kann daher nicht stark genug betont werden, daß jeder 
Mensch von Natur, ob Jude, Heide oder Christ, vor Gott als 
Sünder erfunden und darum schuldig und verloren ist. Die 
]uden, obwohl sie unter Gesetz und in Erkenntnis Gottes 
waren, haben sich auf jeder Stufe ihrer Geschichte als ein undankbares, trotziges und halsstarriges Volk erwiesen; und 
ohne alle Gerechtigkeit vor Gott tragen sie auf ihren Stirnen 
den göttlichen Urteilsspruch: „Verflucht sei, wer nicht aufrecht 
hält die Worte dieses Gesetzes, sie zu tun; und das ganze 
76 
Volk sage: Amen!" (5. Mo 27, 26.) Was aber die Heiden, als 
ohne Gesetz und ohne Erkenntnis Gottes und Christi betrifft, 
so finden wir in Röm 1, 18—32 eine wahre Schilderung ihres 
hoffnungslosen Zustandes; und in ähnlicher Weise wird uns 
in 2. Tim 3, 1—5 der Zustand derer charakterisiert, welche, 
lebend in der „wohlangenehmen Zeit" der Gnade, unter dem 
Namen von Christen, „die eine Form der Gottseligkeit haben, 
ihre Kraft aber verleugnen". Mit einem Wort, alle, ohne Unterschied, sind schuldig, alle sind verloren. 
Das ist das einfache und bestimmte Urteil des göttlichen Wortes, ein höchst demütigendes, aber, da es „unmöglich ist, daß 
Gott lüge", ein völlig wahres Urteil. Doch der Mensch bedarf 
der göttlichen Gnade, um sich unter ein solches unumstößliches 
Zeugnis zu beugen. So lange er sich und sein Leben nach dem 
Licht seiner eigenen Erkenntnis mißt, unterscheidet er in und 
an sich Gutes und Böses; und indem er sich des einen rühmt 
und das andere abzulegen sich anmaßt, glaubt er einen passenden Weg zum Eingang in den Himmel entdeckt und gefunden 
zu haben. Wie schnell aber zerrinnen und verfliegen die dicken 
Nebel seiner eitlen Vorspiegelungen, wenn der Lichtglanz der 
Gerechtigkeit Gottes in seine Seele dringt und all sein Tun, 
Dichten und Trachten des eingebildeten Schmuckes entkleidet! 
Dann sieht er, wie die Überlegungen seines Herzens, die Worte 
seiner Lügen und die Werke seiner Hände ganz und gar von 
der Sünde befleckt und verunreinigt sind: ja, dann ist er zu 
dem demütigenden Bekenntnis gezwungen, daß er nichts getan 
hat und nichts zu tun vermag, um die Herrlichkeit Gottes zu 
erreichen. Und das ist die Wahrheit nach dem unumstößlichen 
Urteil Gottes. Der Mensch ist ohne Leben und mithin ohne 
Kraft. Die Quelle ist verderbt; wie könnte etwas Gutes daraus 
hervorsprudeln? Der Mensch ist in Sünden geboren und lebt 
in Sünden; er verwirft das Böse, und dennoch übt er es aus; 
er rühmt das Gute, und dennoch vollbringt er es nicht. Das 
düstere Gemälde, das der Apostel in Eph 2, 1—3 über den 
natürlichen Menschen entwirft, zeigt nicht einen einzigen Lichtpunkt. Er zeichnet ihn hier in seinem moralischen Zustand vor 
Gott als völlig verderbt, blind und tot, und darum als gänzlich 
verloren. Und kein Heilmittel ist in der Hand des unglücklichen Menschen; nirgends zeigt sich ihm ein Ausweg zum Ent77 
rinnen. In seinem wirklichen Zustand, in seiner wahren Gestalt 
muß er dem heiligen und gerechten Gott begegnen. Kann er 
etwas anderes erwarten, als jenes schreckliche, niederschmetternde Wort: „Weichet von mir, ihr Übeltäter?" Kann er den 
Armen einer ewigen und qualvollen Verdammnis ausweichen, 
die sich ihm entgegenstrecken, um seine arme Seele für immer 
zu umschlingen? Ach! „es ist furchtbar, in die Hände des 
lebendigen Gottes zu fallen!" (Hebr 10, 31.) 
Und, geliebter Leser, welches wird Dein Los sein? Machst Du 
etwa eine Ausnahme von der göttlichen Regel? Hat die Sünde 
ihren Stempel nicht auch auf Deine Stirn gedrückt? O, täusche 
Dich nicht! Traue nicht den Vorspiegelungen Deines eitlen, 
törichten Herzens! Dein Wandel mag nach dem Maßstabe 
menschlicher Gerechtigkeit tadellos sein; Deine Tugenden und 
guten Eigenschaften mögen Dir das ehrende Lob der Menschen 
einbringen; aber Gott allein ist es, der Dich durchschaut, beurteilt und richtet. Willst Du es wagen, in die Hände dessen 
zu fallen, der ein „verzehrendes Feuer" ist? 
Aber gibt es denn gar kein Mittel zur Errettung aus diesem 
schrecklichen Zustande? Gewiß, Gott sei ewig dafür gepriesen! 
Aber dieses Rettungsmittel liegt nicht in der Hand des schwachen Menschen, sondern in der Hand des allmächtigen Gottes. 
Gott selbst ist die Quelle dieser Errettung; aus Ihm sprudeln 
ihre lebendigmachenden Ströme hervor. Nicht die fruchtlose 
Untersuchung dessen, was ich zu tun habe, um gerettet zu 
werden, sondern nur die Frage: „Was hat Gott zu meiner Rettung getan?" findet hier ihren göttlich bezeichneten Platz. Die 
Sünde auszuüben war meine Sache, von der Sünde und ihren 
Folgen zu erretten ist ausschließlich die Sache Gottes. Er hat 
für arme, verderbte und verlorene Sünder in Christo Jesu eine 
ewige und vollkommene Erlösung vollbracht. Er hat es getan 
nach Seinem Wohlgefallen, nach Seiner Erbarmung, Seiner 
Liebe und um Seines Namens willen; und darum hat die Erlösung des Sünders ihre unversiegbare Quelle in Gott selbst. 
Der Mensch erhebt stets, bewußt oder unbewußt, seine Stirn 
in Empörung wider Gott und weigert sich hartnäckig, den an 
ihn gestellten weisen und gerechten Anforderungen Genüge 
zu leisten. Er ist, wie die Schrift sagt, „unverständig, ungehor78 
sam, irregehend; er dient mancherlei Lüsten und Vergnügungen, 
führt sein Leben in Bosheit und Neid, verhaßt und einander 
hassend". (Tit 3, 3.) Wird man sich nicht mit Abscheu und 
Ekel von einer Quelle abwenden, die nur schmutziges, stinkendes Wasser aussprudelt? Und eine solche Quelle war und 
ist das menschliche Herz im Angesicht des heiligen und gerechten Gottes. Konnte Sein alles durchdringendes Auge hier etwas 
entdecken, das Ihn hätte anziehen, anspornen und bewegen 
können, die rettende Hand auszustrecken? Kann der so tief 
gesunkene, völlig verderbte Mensch Ansprüche auf irgendwelche Segnungen erheben? Keineswegs. Der alleinige Beweggrund Gottes zur Rettung des Sünders ruht in dem eigenen 
Wohlgefallen Gottes, in Seiner eigenen grenzenlosen Liebe und 
Gnade, in Seinem unergründlichen Erbarmen. 
Für diese herrliche Wahrheit liefert die Heilige Schrift unwiderlegbare Beweise. Wir finden in Hebr 10, 8—10, wo der 
Herr Jesus redend eingeführt wird, die beachtenswerten Worte: 
„Schlachtopfer und Speisopfer und Brandopfer und Opfer für 
die Sünde hast du nicht gewollt, noch Wohlgefallen daran gefunden . .. Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun. . . 
durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für 
allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi." Nur als 
Vorbilder hatten die Opfer des alten Bundes ihre Bedeutung 
und ihren Wert. Gegenüber einer wirklichen, tatsächlichen Erlösung waren sie ohne Kraft. Das vergossene Blut aller in der 
ganzen Schöpfung lebenden Tiere hätte nicht die kleinste 
Sünde zu tilgen, geschweige denn einen Sünder zu erretten 
vermocht. Wie konnte daher Gott Wohlgefallen haben an 
Opfern, die der Ausführung Seiner Gnadenabsichten nicht 
entsprachen? Aber — o wunderbare Liebe! — Er hatte Wohlgefallen an unserer Errettung; und darum tritt der Herr Jesus 
in Seinem Erbarmen in die Welt mit den Worten: „Siehe, ich 
komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun." Und durch das 
„einmal geschehene Opfer seiner selbst" hat Er diesen Willen 
erfüllt und eine „ewige Erlösung" (Hebr 9, 12) und eine vollkommene Reinigung von Sünden vollbracht. „Das Blut Jesu 
Christi reinigt uns von aller Sünde." (1. Joh 1, 7.) 
Aber noch an einer anderen Stelle bezeugt der Herr, daß die 
Errettung des Sünders ihren Ursprung in dem Willen Gottes 
79 
hat. Er sagt in Joh 17, 4: „Ich habe dich verherrlicht auf der 
Erde; Das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben 
hast, daß ich es tun sollte." ~ Welch ein festes Fundament 
trägt unsere Errettung! Sie ist weder aus dem Willen des 
Menschen hervorgegangen, noch durch die Hand des Menschen vollbracht, sondern sie verdankt ihren Ursprung allein 
dem Willen Gottes, ist vollbracht durch den Sohn Gottes und 
zugleich bezeugt und bestätigt durch den Geist Gottes. (Hebr 
10, 15.) Sie ist göttlich in ihrer Quelle, göttlich in ihrer Vollbringung, göttlich in ihrer Bestätigung. Und darum ist das 
Werk Christi die einzige und wahre Freistatt für den verlorenen Sünder; nur dieses Werk ist sein sicherer Bergungsort 
am Tage des Zorns und sein lieblicher Ruheplatz in Zeit und 
Ewigkeit. Welch eine gesegnete Wahrheit! 
Wenn aber nun die Errettung des Sünders ihren alleinigen 
Ursprung, ihre einzige Quelle in dem Willen oder Wohlgefallen Gottes hat, so vermochte auch nur die Macht Seiner 
Liebe und Seines Erbarmens die Schleusen zu öffnen, um die 
Ströme lebendigen Wassers hervorbrechen zu lassen. „Denn 
also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen 
Sohn gab, auf daß jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren 
gehe, sondern ewiges Leben habe." (Joh 3, 16.) Waren es 
Gerechte und Gütige, für die diese unendliche Liebe tätig war? 
Nein! Für gottlose, feindselige und verlorene Sünder sandte 
Gott Seinen eingeborenen Sohn. „Also hat Gott die Welt 
geliebt." Nicht erst dann, nachdem unsere Errettung eine vollendete Tatsache war, setzte sich diese Liebe in Tätigkeit, nein, 
sondern unsere Errettung selbst ist, da wir noch Sünder und 
Feinde waren, das Werk dieser Liebe. „Gott erweist seine Liebe 
gegen uns darin, daß Christus, da wir noch Sünder waren, für 
uns gestorben ist." (Röm 5, 8.) „Gott aber, der reich ist an 
Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, als auch wir in den Vergehungen tot waren, hat uns 
mit dem Christus lebendig gemacht." (Eph 2, 4.) „Hierin ist 
die Liebe: nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er 
uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnimg für 
unsere Sünden .. . — Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt 
hat." (1. Joh 4,10. 19.) Wie klar und bestimmt bezeugen diese 
80 
und viele andere Stellen, daß Gott die Liebe ist, und daß unsere 
Errettung diese Seine Liebe zur Quelle hat! 
Nichts aber verleiht dieser Liebe einen bestimmteren Ausdruck als das Kreuz Christi; und nirgends tritt das unergründliche Erbarmen Gottes so lebendig an den Tag, wie bei einem 
erlösten Sünder. „Gott hat seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben." (Röm 8, 32.) Die 
Errettung in ihrer ganzen Ausdehnung trägt das unverkennbare Gepräge Seiner vollkommenen Liebe. Hat der verlorene 
Sünder etwas hinzugefügt? Hat er etwa den Glanz des auf 
Golgatha vollbrachten Werkes Christi durch irgend eine Beifügung von seiner Seite erhöht? Ach! nichts als seine Sünden 
und Vergehungen konnte er für dieses glorreiche Werk bringen; alles andere tat Gott, der die Armut, die Blöße, das Verderben des Menschen kannte und nichts erwartete und nichts 
suchte, als dessen Sünden. Ja, Gott allein hat nach dem Wohlgefallen Seines Willens gehandelt und, geleitet durch Seine 
unendliche Liebe und Sein unergründliches Erbarmen, ein vollkommenes Werk der Erlösung vollbracht. 
Und die Pforten des Himmels sind jetzt weit geöffnet. „Die 
Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen." 
(Tit 2, 11.) Teurer Leser! Hast Du diese gesegnete Wahrheit 
an Deinem Herzen noch nicht erfahren, dann nahe ohne 
Zögern zu Gott, nahe zu Ihm, wie Du bist, als ein armer, verlorener und verderbter Sünder; und sicher, Du wirst bei Ihm 
eine vollkommene Gnade und eine ewige Erlösung finden, 
nahe zu Ihm mit der ganzen Sündenbürde, die zentnerschwer 
auf Deinem Gewissen lastet; und gewiß, Du wirst aus eigener 
Erfahrung einstimmen können in die Worte des Psalmisten: 
„Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde 
zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem Jehova die Ungerechtigkeit nicht zurechnet und in dessen Geist kein Trug ist." 
(Ps 32, 1, 2.) Mag Deine Sünde groß und überströmend sein, 
so ist doch die Gnade weit überschwenglicher. (Röm 5, 20.) 
Darum nahe zu Ihm, denn Du begegnest einem Gott, dessen 
Herz nicht erst durch Dein Gebet und Flehen zum Mitgefühl 
und Erbarmen erweicht werden muß, sondern der Wohlgefallen an Deiner Rettung hat und völlig bereit ist, Dich mit der 
innigsten Liebe und dem herzlichsten Erbarmen zu empfangen. 
81 
Er selbst sucht Dich und ladet Dich ein; Er fordert Dich auf 
durch den Mund des Apostels: „Laß dich versöhnen mit Gott!" 
(2. Kor 5, 20.) 
Möge der Herr uns alle befähigen, die Wirksamkeit und Tragweite des Opfers Christi immer tiefer zu ergründen! Möge Er, 
indem wir die heiligen Schriften erforschen, die Überzeugung 
tief in unsere Herzen prägen, daß wir es nicht mit dem unsicheren Wort eines Menschen, sondern mit dem untrüglichen 
Wort des wahrhaftigen Gottes zu tun haben. Nur wenn die 
sich widersprechenden Gefühle und die menschlichen Vernunftschlüsse und Meinungen zum Schweigen gebracht sind 
und unser Glaubensauge in dem Lichte und der Kraft des 
Heiligen Geistes auf das vollbrachte Werk Christi gerichtet ist, 
nur dann werden unsere Gewissen von aller Furcht befreit und 
unsere Herzen in Ruhe sein. 
2. 
Die Gedanken eines Sünders, dessen Gewissen erwacht ist, 
richten sich zuerst auf seine Sünden und Vergehungen. Das 
Licht Gottes durchbricht die finsteren Schatten seiner Seele; und 
in diesem Licht erkennt er, daß Er Gott auf tausendfache 
Weise verunehrt und beleidigt hat. Der Gedanke an die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes und an das ewige Gericht füllt 
sein Herz mit Furcht und Entsetzen. Er fühlt, daß er „ihm auf 
tausend nicht eins antworten kann". (Hi 9, 3.) Was wird die 
Ewigkeit für ihn in ihrem dunklen Schöße bergen? Was 
anderes als den ewigen Tod, die ewige Verdammnis? Und 
nirgends zeigt sich seinem ängstlichen Blick ein Ausweg, um 
diesem schrecklichen Los zu entrinnen, nirgends ein Mittel, um 
nur ein Sümmchen seiner unberechenbaren Sündenschuld zu 
tilgen und in irgend einer Weise den heiligen und gerechten 
Gott zu befriedigen. Wohl traut sich in solcher Lage noch 
mancher die Fähigkeit zu, die Bahn des Bösen verlassen und 
sein Leben bessern zu können; wohl legt mancher mit einer 
Energie, deren seine Natur fähig ist, Hand ans Werk, um 
gute, Gott wohlgefällige Früchte hervorzubringen; aber ach, 
die in ihm wohnende Sünde setzt allen seinen Anstrengungen 
eine mächtige, unübersteigliche Schranke entgegen. Er seufzt 
82 
und kämpft; aber es sind die wirkungslosen Seufzer und 
Kämpfe eines mit starken Ketten gebundenen Sklaven; er will 
das Gute und trachtet den Anforderungen Gottes zu genügen; 
aber es ist das Wollen und das Trachten eines verurteilten 
Gefangenen hinter Schloß und Riegel. Und mit jedem Tage 
drängt sich mächtiger und fühlbarer seiner Seele die trostlose 
Überzeugung auf, daß er „fleischlich und unter die Sünde verkauft" ist, und daß er „sich selbst Zorn aufhäuft für den Tag 
des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, 
welcher einem jeden vergelten wird nach seinen Werken .. . 
an dem Tage, da Gott das Verborgene der Menschen richten 
wird .. . durch Jesum Christum." (Röm 2, 5—16.) 
Armer, verblendeter Mensch! Deine Anstrengungen legen 
offenes Zeugnis ab von der Unkenntnis bezüglich Deines wirklichen Zustandes und sind ganz und gar geeignet, Deine Blöße 
und Deine Ohnmacht noch völliger ins Licht zu stellen. Und 
selbst vorausgesetzt, daß Dein Streben, das Leben zu bessern, 
von einem glücklichen Erfolg gekrönt wäre, würdest Du dann, 
im Blick auf die vorher begangenen, unzähligen Sünden, aufhören, Gottes Schuldner zu sein? Könntest Du hinfort mehr 
tun, als Du schuldig bist zu tun, um durch einen Überschuß 
guter Werke die Sünden der Vergangenheit zu sühnen? Wird 
nicht Deine Sündenschuld offen bleiben und wider Dich zeugen? „Aber", sagst Du, „Gott ist doch gnädig." Ohne Zweifel, 
Sein Name sei bis in alle Ewigkeit dafür gepriesen! Aber nie 
wird Er auf Kosten Seiner Gerechtigkeit gnädig sein; nie in 
Gnaden handeln, während Er Seine Gerechtigkeit beiseite 
setzt. Das ist unmöglich. Und dennoch wird, bewußt oder unbewußt, von vielen Seelen eine solche Gnade erwartet und 
erfleht. Wollte aber Gott einem derartigen Verlangen genügen, 
so müßte Er Sich selbst verleugnen und aufhören, Gott zu sein. 
Unleugbar übersteigt die Oberschwenglichkeit Seiner Gnade 
alle menschlichen Begriffe; aber es ist eine Gnade, die in der 
völlig befriedigten und verherrlichten Gerechtigkeit Gottes 
ihren sicheren Ruhepunkt findet — eine Gnade, welche „herrscht 
durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum Christum, 
unseren Herrn." (Röm 5, 21.) Und auf diese Gnade möchte ich 
hier vornehmlich die Aufmerksamkeit meiner Leser richten. 
83 

Von dem Augenblick an, wo ein Sünder sich vor Gott wirklich 
schuldig und verloren fühlt, erwacht in seiner Seele das Verlangen nach Gnade; und je tiefer und gründlicher jenes Bewußtsein ist, desto mächtiger und wahrer ist auch dieses Verlangen. Er mag zwar von jeher im allgemeinen die Gnade als 
wünschenswert betrachtet haben; aber erst jetzt, wo er sie so 
nötig braucht, erkennt er ihre Notwendigkeit. Nur ein schuldbewußter, verurteilter Verbrecher weiß die Gnade wahrhaft 
zu würdigen. Und wo findet der verdammungswürdige Sünder 
eine Gnade, die alle seine Sünden zudeckt und vergibt, und 
die ihn nach allen Seiten hin sicherstellt? Wo anders als in 
Christo Jesu? Außer Christo muß Gott jedem Sünder, und 
wäre er auch der tugendhafteste, vorzüglichste Mensch auf 
Erden, in Gerechtigkeit und Gericht entgegentreten; in Christo 
aber, und ob auch seine Sünden noch so zahlreich und himmelschreiend sein mögen, begegnet Er ihm in vollkommener, 
überschwenglicher Gnade. Wer in Ihm Gott sucht, der findet 
den Gott, der Gottlose rechtfertigt, (Röm 4, 5.), und zwar auf 
dem Grunde Seiner vollkommenen Gerechtigkeit. Und wie 
ist dies möglich? Richte Deinen Blick auf das Kreuz Christi, 
und Du findest eine völlige Lösung dieser Frage. 
Durch die Sünde ist Gott von Seiten des Menschen auf jegliche 
Weise verunehrt worden. Der Mensch hat alles, was in Gott 
ist und worin Er Sich ihm geoffenbart hat, mit Füßen getreten 
und der Mensch steht jetzt mit einem schuldbeladenen Gewissen vor einem verunehrten, aber völlig heiligen und gerechten Gott. Und vor einem solchen Gott ist der Platz des Sünders 
unbeschreiblich schrecklich. Kein menschlicher Verstand vermag die Tiefe seines Elends zu ergründen; kein menschliches 
Auge kann die finsteren Todesschatten durchbrechen, die die 
Größe seines Jammers bergen. Aber gerade auf dieser Stätte 
des Elends und des Jammers sah ihn die Liebe Gottes; ihn zu 
retten, war der Beschluß Seiner Liebe, Seines Erbarmens. Aber 
wie war dies möglich? Wie konnte Gott in Gnade handeln, 
solange Seine Gerechtigkeit nicht voll befriedigt war? Ach! die 
Ströme einer vollkommenen, göttlichen Gnade, die der Sünder 
brauchte, waren gehemmt durch den mächtigen Damm einer 
vollkommenen, göttlichen Gerechtigl<eit. Wo war ein Ausweg? 
84 
Nur die Liebe Gottes fand die Lösung dieser verhängnisvollen 
Frage. „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun!" 
So sprach der Sohn Gottes (Ps 40). Ja, es war jemand da, der 
Macht und Liebe besaß, um den wohlgefälligen Willen des 
Gottes der Liebe erfüllen zu können, einer war da, der bereit 
war, von der mächtigen Hand der Gerechtigkeit den Todesstoß 
zu empfangen, damit aus dem Herzen eines gerechten und in 
allen seinen Forderungen befriedigten Gottes die Fluten einer 
überschwenglichen Gnade ungehindert hervorströmen konnten; und dieser eine war der eingeborene, vielgeliebte Sohn 
Gottes. Außer Ihm war niemand im Himmel und auf Erden, 
der den Platz des Sünders einnehmen und Tod und Gericht, 
den wohlverdienten Lohn des Sünders, auf sich nehmen 
konnte, um auf diese Weise die Gerechtigkeit Gottes völlig zu 
befriedigen. Ach, welch eine anbetungswürdige Gabe der 
Liebe Gottes für gottlose und feindselige Sünder! Tausend und 
aber tausend Welten sind nichts gegen eine solche Gabe. Die 
Liebe Gottes zeigt sich in ihren glänzendsten Strahlen gegenüber einem Geschöpf, das abgefallen ist und die freche Stirn 
der Empörung wider Ihn erhebt. Eine größere Probe konnte 
diese Seine Liebe nicht bestehen; über ihr Maß hinaus gibt es 
keine Liebe weder im Himmel noch auf Erden. In ihrer Bemühung, bis zur Stätte des Todes herabzusteigen und hier den 
verlorenen, feindseligen Sünder zu ergreifen, gleicht sie einem 
blendenden Strahl auf dunklem Grund. Kein höherer Beweis 
von der Größe einer Liebe konnte geliefert werden. Mit Recht 
ruft der Apostel aus: „Kaum wird jemand für einen Gerechten 
sterben; denn für den Gütigen möchte vielleicht jemand zu 
sterben wagen. Gott aber erweist seine Liebe gegen uns darin, 
daß Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben 
ist." (Röm 5. 7—8.) — Ja, die Gerechtigkeit Gottes ist in all 
ihren Forderungen zufriedengestellt; die „Gnade herrscht durch 
Gerechtigkeit"; und der Gläubige kann mit völliger Zuversicht 
seinen Blick auf das Kreuz richten und mit einem glücklichen 
Herzen ausrufen: „Der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat; wie wird er 
uns mit ihm nicht auch alles schenken?" 
Christus nahm also nach dem wohlgefälligen Willen Gottes 
und in Seiner eigenen Liebe unseren Platz auf Golgatha ein. 
85 
Dort belud Er Sich mit unseren Sünden; dort erlitt Er an 
unserer statt den Tod und das Gericht, Er, „der Gerechte für 
die Ungerechten, auf daß er uns zu Gott führe." (1. Petr 3,18.) 
„Er ist einmal in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart 
worden, zur Abschaffung der Sünde durch seine Opfer," (Hebr 
9, 26.) Um unserer Übertretungen willen war er verwundet 
und um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu 
unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist 
uns Heilung geworden." (Jes 53, 5.) Er war im Gericht für 
unsere Sünden, Er trug den Zorn, den wir verdient hatten. — 
„Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung", (Hebr 9, 22) sagt 
die Schrift; und darum war es nötig, daß zur Tilgung unserer 
Sünden Sein Blut floß, das Blut des Lammes Gottes. „Das 
Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller 
Sünde". (1. Joh 1, 7.) „Mit seinem eigenen Blute ist er ein für 
allemal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung erfunden hatte". (Hebr 9, 12.) — Bis zu jener Zeit war 
der Weg zum Heiligtum verschlossen; der Anbeter mußte 
draußen bleiben. Jetzt aber hat der Glaubende „Freimütigkeit 
zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut ]esu, auf dem 
neuen und lebendigen Wege, den er uns eingeweiht hat durch 
den Vorhang, das ist sein Fleisch." (Hebr 10, 19. 20.) Das 
Lamm Gottes vergoß auf Golgatha Sein Blut, hauchte Seinen 
Geist aus, und der Vorhang zerriß von oben bis unten und 
öffnete auf diese Weise den Weg in die unmittelbare und unverhüllte Gegenwart Gottes. Jeder, der jetzt einfach im Glauben an dieses kostbare Blut naht, hat hier ungehinderten 
freien Zutritt. Er betritt dann einen Weg, auf dem auch 
Christus „mit seinem eigenen Blute" in das Heiligtum eingegangen ist, und wird um dieses Blutes willen hier ebenso willkommen sein, wie Christus selbst. In der ganzen Vortrefflichkeit Christi nimmt er mit ihm Platz im Heiligtum, um für 
immer bei Ihm zu sein und im Genuß Seiner Herrlichkeit mit 
allen Erlösten zu Seinem Lobe ausrufen zu können: „Dem, der 
uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in 
seinem Blut, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu 
Priestern seinem Gott und Vater, ihm sei die Herrlichkeit und 
die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit", (Offb 1, 5. 6.) 
Und wie unendlich groß ist der Wert Seines kostbaren Blutes! 
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Denn kraft dieses Blutes werden wir auf ewig mit Ihm unseren 
Platz in Seiner Herrlichkeit haben, auf ewig uns in Seiner 
Liebe erfreuen und auf ewig Ihn preisen und anbeten. Noch in 
jener letzten Nacht richtete der Herr bei Gelegenheit der 
Feier des Abendmahls die Blicke Seiner betrübten Jünger auf 
dieses Sein Blut, indem Er sagte: „Dieses ist mein Blut, das 
des neuen Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden." (Mt 26, 28.) Auf einen festeren, sichereren Boden konnte Er die Füße der Seinigen nicht stellen. 
Nicht mit Silber oder Gold sind sie erlöst worden, sondern 
„mit dem kostbaren Blute Christi, als eines Lammes ohne 
Fehl und ohne Flecken", (1. Petr 1, 18. 19.) — eines Lammes, 
das für die Erlösten selbst in der Herrlichkeit ein Gegenstand 
ihres Lobes und ihrer Anbetung sein wird, indem sie zu Seinen 
Füßen niedersinken und das neue Lied anstimmen: „Du bist 
würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn 
du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch 
dein Blut aus jedem Geschlecht und Sprache und Volk und 
Nation." (Offb 5, 9.) Dort werden sie den vollen Wert dieses 
kostbaren Blutes verstehen. Dort, durch das Blut in völlige 
Sicherheit, in die unmittelbare Gegenwart Gottes gebracht, 
wird ihr Lob ohne Mißton und des Gegenstandes würdig sein., 
dem es gewidmet ist. Ja, dort wird nimmer ihr Lob enden, 
wenn auch „Blitze und Stimmen und Donner" aus dem 
Throne Gottes hervorbrechen (Offb 4, 5.) und in zerstörender 
Wirkung die Erde und ihre Bewohner schrecken. 
Das Blut Christi ist also das alleinige Mittel, durch das die 
Gerechtigkeit Gottes völlig befriedigt ist, und durch das alle 
unsere Sünden getilgt sind. Welche Segnungen bereitet dieses 
kostbare Blut dem Glaubenden! „Es öffnet ihm", wie jemand 
gesagt hat, „die glänzenden Perlentore des Himmels und 
verschließt ihm für immer die finsteren Pforten der Hölle; es 
öffnet die ewigen Quellen der errettenden Liebe Gottes und 
löscht die Flammen des brennenden Sees aus; es reißt ihn wie 
einen Brand aus dem Feuer, reinigt ihn von jedem Flecken der 
Sünde und stellt ihn, in Kleidern von fleckenlosem Glanz, in 
die unmittelbare Gegenwart Gottes." — Ja, das ist für jeden 
Glaubenden die gesegnete Frucht des auf Golgatha vollbrachten Werkes Jesu Christi. Doch vergessen wir es nicht, daß es 
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nur und allein Sein Werk ist. Es ist frei von aller menschlichen 
Mitwirkung, und darum auch frei von allen menschlichen 
Mängeln und Gebrechen; es ist ein göttlich vollkommenes 
Werk. Wer unter den geschaffenen Wesen hätte ihn auch darin 
unterstützen können? Ach, unsere Sünden waren groß genug, 
um die grauenhaften Schatten jener Stunde der Finsternis heraufzubeschwören, die Seine reine Seele mit Angst und Bestürzung erfüllte; unsere Übertretungen waren zahlreich genug, 
um Ihn am Kreuz die ganze Schrecklichkeit eines göttlichen 
Gerichts fühlen zu lassen; und das Maß unserer Ungerechtigkeit war voll genug, um die Wellen des Todes bis zur höchsten 
Höhe anschwellen zu lassen und über sein Haupt zu wälzen. 
Er mußte diesen bitteren, schrecklichen Kelch allein trinken, 
mußte sich allein dem gerechten Zorn Gottes über unsere 
Sünden aussetzen und Sein Haupt allein beugen unter dem 
wuchtigen Schlag der Hand einer göttlichen Gerechtigkeit. Ach! 
nie wird der Sterbliche fähig sein, die Tiefen der Schrecken 
dieses furchtbaren Todes auch nur annähernd zu ergründen. 
Und hätte es jemand wagen wollen, Ihm auf diesem Wege zu 
folgen, so würden sicher die zermalmenden Arme eines ewigen 
Todes ihn für immer umschlungen haben. Doch, vermochte 
Ihn der Tod zu halten, Ihn, der selbst das Leben ist? Keineswegs. Nachdem durch das Opfer Seiner selbst der göttlichen 
Gerechtigkeit völlig genügt und unsere Schuld getilgt war, hat 
„Gott ihn auferweckt und zu seiner Rechten gesetzt". Ihm 
allein gebührte dieser Platz; denn Er, „gehorsam bis zum Tode, 
ja, bis zum Tode am Kreuz", (Phil 2, 8.) konnte sagen: „Ich 
habe dich verherrlicht auf der Erde." (Joh 17, 4.) Und gerade 
diese Seine Auferstehung und Seine Aufnahme bei Gott sind 
für den Glaubenden der unumstößliche Beweis und die sichere 
Bürgschaft, daß das Opfer Christi angenommen und Gott zufrieden gestellt ist, daß die Sünde weggenommen und der 
Sünder völlig gerechtfertigt ist. „Er ist unserer Übertretung 
wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden." (Röm 4, 25.) Da gibt es keine Sünde mehr, 
die ihn verdammen, keine Sünde, die je noch eine Scheidewand 
zwischen ihm und Gott aufrichten könnte, das Blut Christi 
hat alle Sünden abgewaschen, die ganze Schuld getilgt und 
zugleich Gott vollkommen verherrlicht. 
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Ja, Gott ist in dem Werke Christi vollkommen verherrlicht; 
und auf diese Verherrlichung Gottes sollten wir vor allen 
Dingen unser Auge richten. Wie sehr wird dieses von den 
Gläubigen vernachlässigt! Die erste, unser ganzes Interesse 
fesselnde Frage lautet: „Welches ist unser Teil in diesem 
Werke?" Und sicher hat diese Frage ihre volle Berechtigung; 
denn von ihrer Beantwortung hängt die Ruhe unseres Gewissens ab. Aber manche Seelen überschreiten kaum die 
Grenze dieser Frage und verraten dadurch nur ihre Selbstsucht und Undankbarkeit. Sie vergessen, daß das Kreuz noch 
eine Seite von tieferer Bedeutung hat, eine Seite, die nicht die 
Versöhnung des Sünders, sondern vielmehr die Verherrlichung 
Gottes hervortreten läßt. Ein treffendes Vorbild liefert uns in 
dieser Beziehung das 16. Kapitel des 3. Buches Mose in den 
beiden Böcken des großen Versöhnungstages der Kinder 
Israel. Das Los bestimmte den einen Bock für den Herrn, den 
anderen für das Volk. Der erste Bock stellte die Rechte Jehovas fest und hielt, ungeachtet der Übertretungen des Volkes, 
Seine Beziehungen zum Volk aufrecht, während die Hand 
des Hohenpriesters auf das Haupt des anderen Bokkes die Missetaten und Übertretungen des Volkes legte 
und ihn dann, als den Träger der Sünden des Volkes, in die 
Wüste trieb. Diese beiden Tatsachen finden wir vereinigt und 
verwirklicht in dem Opfer Christi. Die Darstellung des Charakters und der Majestät Gottes nimmt darin den hervorragendsten Platz ein. Der Tod Christi hat die Herrlichkeit Gottes festgestellt, und alle Seine Rechte wieder geltend gemacht. 
Da ist kein Zug in dem Charakter Gottes, der nicht in der 
völligsten Klarheit in dem Opfer Christi geoffenbart und 
verherrlicht wäre. Seine Wahrheit, Seine Majestät, Seine Gerechtigkeit gegenüber der Sünde, Seine unendliche Liebe und 
unermeßliche Barmherzigkeit gegenüber dem Sünder, kurz 
alles, was in Gott ist, findet in dem Kreuzestode Jesu die 
herrlichste Entfaltung. Der Tod Jesu allein setzt- Gott in den 
Stand, gegen den Sünder, mit Aufrechthaltung der ganzen 
Autorität Seiner Gerechtigkeit und göttlichen Würde, in vollkommener Liebe und Gnade handeln zu können. Nur das 
Kreuz Christi allein bahnte in einer gotteswürdigen Weise 
dem gewaltigen Strom der Gerechtigkeit und den erquicken89 
den Fluten der Gnade einen Weg, sich ungehindert in den 
Ozean der Liebe Gottes gegen den verlorenen Sünder stürzen 
zu können. „Gerechtigkeit und Friede haben sich geküßt." 
(Ps 85, 10.) Der Herr Jesus verließ die Herrlichkeit, die Er 
bei dem Vater hatte, damit der Vater auf der Erde verherrlicht werde; Er machte Sich selbst zu nichts, damit Gott, völlig 
befriedigt in Seinen Rechten und Forderungen, in der ganzen 
Fülle Seiner Liebe und Gnade Seinen durch die Sünde verderbten Geschöpfen begegnen könnte. Und also vollkommen 
verherrlicht, kann Gott jetzt gegen alle, die Ihm nahen, nach 
dem Wert des kostbaren Blutes Christi handeln. 
Anbetungswürdige Liebe! Der Damm der Gerechtigkeit Gottes ist göttlich durchbrochen; ungehindert ergießen sich die 
breiten Ströme der Gnade dem gefallenen Menschen zu. „Siehe, 
jetzt ist die wohlangenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des 
Heils!" (2. Kor 6, 2.) Auf das Haupt unseres zur Sünde gemachten Herrn lagerte sich das niederdrückende Gericht der 
Gerechtigkeit Gottes, damit der Sünder jetzt sich der überschwenglichen göttlichen Liebe erfreue; auf Ihn wälzte sich 
der Fluch in seiner ganzen Schrecklichkeit, damit der Sünder 
jetzt die Fülle des Segens genieße. Und Er Selbst sucht jetzt 
die elenden Sünder und ruft ihnen in Seiner erbarmenden 
Liebe zu: „Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen; und ich werde euch Ruhe geben." (Mt 11, 28.) Und 
von den Lippen Seiner Apostel hören wir die ermunternden 
Worte: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch versöhnen mit 
Gott!" (2. Kor 5, 20.) — und wiederum: „Wen da dürstet, der 
komme; und wer da will, nehme das Wasser des Lebens 
umsonst." (Offb 22, 17.) Wie unvergleichlich ist diese Liebe! 
Wer faßt ihre Höhe und Tiefe, ihre Länge und Breite? 
In welch erhebender Weise stellt uns der Herr Selbst in Seinem 
Gleichnis vom verlorenen Sohn diese Liebe und Gnade vor 
Augen! Kaum erblickt das Auge des Vaters den unglücklichen 
Sohn in der Ferne, so eilt er ihm entgegen, umarmt und küßt 
ihn sehr, kleidet ihn und führt ihn an seinen Tisch; und weder 
überhäuft er ihn wegen seiner Sünden mit Vorwürfen, noch 
stellt er irgend welche Bedingungen betreffs seiner Aufnahme. 
Mag auch der bußfertige Sohn, wie es sich für ihn geziemte, 
90 
seine Sünden bekennen, aber der Vater berührt sie nicht mit 
einem Wort. Sein Herz fließt über von Liebe und Gnade und 
ist erfüllt mit einer Freude, die nur in einem Vater- oder 
Mutterherzen wohnen kann. Was anders hätte da für den 
Sohn übrig bleiben können, als daß auch er sich mit ungeteilter Wonne der Liebe und des Glückes seines Vaters erfreute! Wie hätte er noch trauern können, da über die Lippen 
des Vaters die Worte drangen: „Lasset uns essen und fröhlich 
sein!" Und was anderes bleibt dem armen, elenden, gottlosen 
und feindseligen Sünder übrig, als anzunehmen, was die erbarmende göttliche Liebe ihm aus Gnaden darreicht? Ach! der 
Mensch von Natur ist in Wahrheit ein armer, hilfsbedürftiger 
Sünder; nur die Liebe und die Gnade des erbarmenden Gottes 
kann ihn retten und glücklich machen. In der Dahingabe Seines eingeborenen und geliebten Sohnes ist Gott der ganzen 
Armut und Hilfsbedürftigkeit des Sünders in vollkommener 
Weise begegnet, (Apg 13, 38.) so daß dieser weiter nichts zu 
tun hat, als diese frohe Botschaft zu hören und zu glauben. 
Paulus konnte auf die Frage des zitternden Kerkermeisters: 
„Ihr Herren, was muß ich tun, auf daß ich errettet werde?" — 
keine andere Antwort geben, als: „Glaube an den Herrn Jesum Christum, und du wirst errettet werden, du und dein 
Haus." (Apg 16, 30. 31.) Und überall begegnen unsere Blicke 
in der Heiligen Schrift dem Zeugnis, daß es nur des einfachen 
Glaubens an Jesum Christum bedarf, um Seiner Errettung 
teilhaftig zu werden. „Denn wir urteilen, daß ein Mensch 
durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke." 
(Röm 3, 28; Gal 2, 16.) „Dem aber, der nicht wirkt, sondern 
an den glaubt, der die Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube 
zur Gerechtigkeit gerechnet." (Röm 4, 5.) „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit 
Gott durch unseren Herrn Jesum Christum." (Röm 5, 1.) „Das 
Evangelium ist Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden." 
(Röm 1, 16.) „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet. . ." 
Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem 
Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der 
Zorn Gottes bleibt auf ihm." (Joh 3, 18. 36.) „Ohne Glauben 
ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen." (Hebr 11, 6.) 
91 
Alle diese und viele andere Stellen zeigen klar und bestimmt, 
daß nur der Glaube an Christum der einzige Weg ist, um an 
dem köstlichen Heil teil zu haben! Jeder andere Weg ist ausgeschlossen, jede andere Anstrengung völlig nutzlos. Jene 
Israeliten, die ihres Ungehorsams wegen durch den Biß feuriger Schlangen vergiftet waren, brauchten zu ihrer Heilung 
einfach auf die durch Mose erhöhte Schlange aufzuschauen; 
und ebenso haben die gottlosen Sünder, um gerettet zu werden, nur den einfachen Glauben an den erhöhten Christus 
nötig. Hierin liegt das einzige Heilmittel verborgen, eine Torheit für die menschliche Vernunft, aber die Kraft Gottes für 
den Glauben. Der Glaube gleicht einer Hand, die sich mit der 
festen Überzeugung öffnet, das Ersehnte zu empfangen. Der 
Glaube hat die Gewißheit, daß er sich an den Gott wendet, 
der die Liebe ist und der Seinen eingeborenen und geliebten 
Sohn für gottlose und verlorene Sünder dahingegeben hat, 
und daß er sein Auge auf den wahrhaftigen Gott richtet, 
dessen Wort Ja und Amen ist, und das den Apostel zu dem 
Zeugnis drängt: „Das Wort ist gewiß und aller Annahme 
wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder 
zu erretten." (1. Tim 1, 15.) Kurz, alles, was der schuldbeladene, verdammungswürdige, verlorene Sünder braucht, findet 
der Glaubende in überströmender Fülle in Christo, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Christus ist sein Lösegeld, 
sein Stellvertreter, seine Versöhnung, sein Friede, sein Leben, 
seine Gerechtigkeit, sein Alles; denn „der Anführer unserer 
Errettung ist durch Leiden vollkommen gemacht worden." 
(Hebr 2, 10.) In diesen göttlichen Vollkommenheiten bietet Er 
Sich dem Sünder an, ladet ihn ein zu kommen und alles umsonst zu nehmen, und handelt mit ihm, wie groß und unzählig seine Sünden und Vergehungen auch sein mögen, in vollkommener Gnade und Liebe. 
Doch ach! wie gering ist die Zahl derer, die bereit sind, sich 
mit Gott versöhnen zu lassen! Wie wenige erkennen, gleich 
dem verlorenen Sohn, mit einem bußfertigen, angsterfüllten 
Herzen ihr Leben voller Sünde, ihren hoffnungslosen Zustand 
und ihr schreckliches Ende! Nur der, der dem Zeugnis Gottes 
über den Menschen glaubt und sein Elend erkennt, wird sich 
aufmachen und Gnade und Erbarmen suchen; nur der, welcher 
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Bedürfnis nach Hilfe und Rettung fühlt, wird sich von Herzen 
zu Dem hinwenden, der die Liebe ist, und gegen dessen Bitten 
bisher sein Ohr taub und sein Herz gefühllos geblieben ist. 
Und was wird der Erfolg seines Kommens sein? Zu seiner 
unbeschreiblichen Freude und zu seinem ewigen Trost vernimmt er die Wahrheit, daß Gott schon lange zuvor an ihn 
gedacht, daß Er Seinen eingeborenen vielgeliebten Sohn für 
ihn dahingegeben hat, daß Er alle seine Sünden auf das vor 
Grundlegung der Welt zuvorerkannte, fehl- und fleckenlose 
Lamm Gottes gelegt und an Ihm sein Gericht vollzogen hat; 
er vernimmt, daß die Gerechtigkeit Gottes befriedigt, das 
Werk der Versöhnung vollbracht und jede Frage zwischen 
Gott und ihm göttlich gelöst ist. Er fühlt sein Gewissen von 
einer zermalmenden Bürde entlastet und sein Herz mit himmlischem Frieden erfüllt; und zu den Füßen Jesu sinkend, betet 
er an. Was könnte ihn auch noch beunruhigen? Er hat Jesum, 
Ihn, den die Liebe Gottes umsonst schenkte, in seinem Herzen 
durch Glauben aufgenommen; und seine Seele erfreut sich der 
glücklichen Gewißheit, daß alle seine Übertretungen vergeben 
und seine Missetaten für immer bedeckt sind, daß er von allen 
seinen Sünden so rein gewaschen ist, wie das Blut Christi die 
Kraft dazu besitzt, und daß seine Versöhnung von Gott geschätzt wird nach dem Wert dieses kostbaren Blutes. Jede 
Anklage gegen' ihn muß verstummen, denn Gott selbst ist es, 
der ihn rechtfertigt. Er ruht auf dem Werke Dessen, der alle 
seine Sünden auf Sich genommen hat, der das Gericht für ihn 
erduldet und alles, alles gut gemacht hat; und mit einem glücklichen und dankerfüllten Herzen kann er sagen: 
Wo ist meine Sund' geblieben? 
Christus starb an meiner Statt. 
Meinen Freibrief, längst geschrieben, 
Christi Blut versiegelt hat. 
Ganz gereinigt, 
Ihm vereinigt, 
Der zur Rechten Gottes ist; 
Der den Weg zum Heiligtum 
Mir geweiht zu Seinem Ruhm. 
93 
Kann der Kläger noch bestehen, 
Da zur Rechten Gottes jetzt 
Er des Menschen Sohn muß sehen, 
Auf den Thron von Gott gesetzt? 
Alle Klagen, 
Abgeschlagen, 
Sind dort außer Kraft gesetzt. 
Vor dem Lamm auf Gottes Thron. 
Geht der Kläger stumm davon. 
Richten wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand, der mit dem bereits Gesagten in enger Verbindung 
steht, und ohne dessen Verständnis der Friede des Glaubenden, der auf dem Versöhnungswerk Christi ruht, nur zu bald 
wieder erschüttert werden wird. Da bei einem erleuchteten 
Gewissen zuerst die erkannten Sünden und Vergehungen 
ihren Druck auf das Herz ausüben und den Mund zu einem 
Notschrei öffnen, so ist es auch zunächst nur das Bewußtsein 
der durch das Blut Jesu bewirkten Versöhnung und Rechtfertigung, das der Seele Ruhe und Frieden gibt. Das Auge des 
Glaubens, durch die Gnade geöffnet, erblickt in dem Kreuz 
Christi die Hand jener sich erbarmenden Liebe, welche die 
Sündenschuld gänzlich durchstreicht und die schwarzen Punkte 
des vergangenen Lebens für immer hinwegwischt. Die Sonne 
einer überschwenglichen Gnade sendet ihre belebenden, erquickenden Strahlen in die finstere Nacht eines mühseligen 
und beladenen Gewissens; und in namenloser Freude erhebt 
sich das Herz, von jedem Druck befreit, zum Lobe und zur 
Anbetung Dessen, der zur Rettung des Sünders in diese Welt 
gekommen ist. Jedoch, wenn der Gläubige auf diesem Punkte 
stillsteht, wird der Ton dieser Freude gar bald wieder herabgestimmt und einem ängstlichen Seufzen öffnen sich Tür und 
Tor; denn nach kurzen, flüchtigen Augenblicken entdeckt die 
Seele zu ihrem Schrecken jene bisher unerkannte Quelle aller 
bösen Gedanken, Worte und Werke, die im Fleische wohnende 
Sünde. Ach, wie viele Seelen, die sich der Gewißheit der Vergebung ihrer Sünden erfreuten, aber jene Verderben spru94 
delnde Quelle nicht erkannten, sind durch das Böse, das sie 
kurz nach ihrer Bekehrung in sich gewahrten, von neuem 
in Unruhe und Verlegenheit gebracht worden! Hatten sie doch 
der Meinung Raum gegeben, daß infolge ihrer Bekehrung 
auch das in ihnen wohnende Böse beseitigt, oder doch wenigstens Kraft in ihnen vorhanden sein würde, um es überwinden 
und nach und nach gänzlich ausrotten zu können. Und sind 
sie sogar nicht nach dieser Richtung hin belehrt worden? Zeigt 
nicht eine große Zahl christlicher Schriften und Lehrbücher 
das geflissentliche Bestreben, jene schriftwidrige Meinung 
zu verbreiten, als ob ein tägliches Absterben der Sünde stattfinde und die Verbesserung und Umwandelung des alten 
Menschen auf solche Weise erzielt werden könne? Ach, welche 
Selbsttäuschung und Unkenntnis! Das „Ersäufen des alten 
Menschen durch tägliche Reue und Buße" wird sich stets als 
eine nutzlose, vergebliche Anstrengung erweisen; die alte Natur bleibt, was sie ist, das Fleisch wird nie seinen Charakter 
verleugnen und jedem Veredlungsversuch entschieden widerstreben. Mag auch in den ersten Tagen der Bekehrung das 
glückselige Bewußtsein der Sündenvergebung alle Gefühle und 
Neigungen des Herzens so sehr in Anspruch nehmen, daß die 
Begierden und Leidenschaften des Fleisches regungslos verstummen, so wird doch, je nachdem die hochgestimmten Saiten des Rettungsjubels allmählich ihre • Spannkraft verlieren, 
auch die alte Natur wieder ihre Ansprüche fühlbar machen. 
Und die enttäuschte Seele macht dann die demütigende Erfahrung, daß das Fleisch, jetzt wie einst im unbekehrten Zustande, dieselben alten Leidenschaften und Begierden in sich 
trägt, und sieht sich sogar, da sie sie in jenem Licht, 
welches „alles offenbar macht", (Eph 5, 13) erblickt, zu dem 
trostlosen Bekenntnis gezwungen, daß das Herz ehedem nie 
eine solche Hartnäckigkeit und Bosheit an den Tag gelegt 
habe. Wie könnte es anders sein, da doch die Strahlen der 
Sonne des neuen Tages bis in die verborgensten Schichten 
des Herzens eingedrungen sind und hier den feinsten Staub 
zeigen? 
Und was wird die Folge solcher Entdeckungen sein? Der Frieden flieht, die Freude verstummt, die Folter der Angst und der 
Unruhe kehrt in das Herz zurück. Die Seele kämpft und ringt, 
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der Mund öffnet sich zu flehentlichem Gebet und Anhalten; 
neue Vorsätze werden gefaßt, neue Gelübde abgelegt; aber 
ach! das Böse behauptet hartnäckig seinen Platz; und das 
Absterben macht nicht nur keine Fortschritte, sondern im Gegenteil ruft jede Anstregung dieser Art die schlummernden 
Elemente des Bösen zu wilder Empörung wach. „Als das 
Gebot kam, lebte die Sünde auf/' (Röm 7, 9.) Was anders 
vermöchten solche trostlose Erscheinungen in einem ernsten, 
aufrichtigen Herzen hervorzubringen, als eine Unruhe, die 
sich bis zur Verzweiflung steigert? 
Freilich wissen oberflächliche und leichtfertige Gemüter ohne 
große Sorge über solche Schwierigkeiten hinwegzukommen. 
Entweder verbergen sie ihren wahren Zustand vor anderen, 
oder sie lauschen auf die Sprache derer, die in gewissenloser 
Leichtfertigkeit die Entdeckungen ihrer Sünden, ihrer Ohnmacht 
und ihrer Dürre als die Frucht einer gründlichen Erkenntnis 
und mithin als den wahren Zustand eines erfahrenen Christen bezeichnen, und die sich sogar nicht schämen, die Bosheit 
ihres Herzens mit dem heiligen, fleckenlosen Gewände des 
Wortes Gottes zu bedecken. So hat doch nach ihrer Meinung 
selbst der Apostel Paulus über sich die Worte aussprechen 
müssen: „. . . ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. . . . das Wollen ist bei mir vorhanden; aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. . . . das Gute, 
das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht 
will, dieses tue ich." (Röm 7, 14. 18. 19.) Ach! diese Seelen 
verstehen nicht, daß solche Erfahrungen unter dem Gesetz 
und nicht unter der Gnade gemacht werden. Wie äußerst 
mangelhaft aber würde unsere Errettung sein, wenn wir, obgleich wir von der Vergebung unserer Sünden überzeugt sind, 
hinsichtlich der in uns wohnenden Sünde nur bis zu dem 
trostlosen Bewußtsein ihrer Herrschaft über uns gelangen 
könnten, einer Herrschaft, von der uns keine Macht zu befreien vermöchte! Wie unvollkommen würde das Resultat des 
Werkes Christi sein, wenn, im Blick auf unsere Gefangenschaft 
und Sklaverei in der Sünde, auf die Frage des bekümmerten 
Herzens: „Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" keine befriedigende Antwort zu finden wäre! Könnte auf diesem Wege in dem Werke Christi 
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jene so wichtige Absicht Gottes, ein „Eigentums-Volk, eifrig 
in guten Werken" zu haben, je erreicht werden? Nimmermehr, 
sondern unausbleiblich würden die himmlischen Pilger wie 
einst das irdische Volk Gottes, die Kinder Israel, das Zeichen 
der Verwerfung an ihren Stirnen tragen und aus dem Munde 
Gottes die Worte vernehmen: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren!" (Apg 7, 51.) „Ein Volk 
irrenden Herzens sind sie. Aber sie haben meine Wege nicht 
erkannt." (Ps 95,10.) 
Ach, wie trügerisch sind die Überlegungen und Vernunftschlüsse des menschlichen Herzens! Würden die Seelen bei 
der Entdeckung der im Fleische wohnenden Sünde mit einem 
einfältig glaubenden Herzen auf die untrüglichen Unterweisungen des Wortes Gottes lauschen, so würden sie auch sicher 
zu der Überzeugung gelangen, daß der Gott aller Gnade über 
jene unreine Quelle ebenso bestimmt entschieden hat, wie 
über das, was aus ihr hervorsprudelt. Allein anstatt sich der 
alleinigen Leitung dieses Wortes anzuvertrauen, tragen sie 
vielmehr in eitler Selbstverblendung ihre eigenen menschlichen Anschauungen in das Wort hinein, deuten es nach den 
Erfahrungen ihrer unfreien und irrenden Herzen und rufen 
auf diesem Wege die schriftwidrigsten Grundsätze ins Leben. 
Ach! von Jahrhundert zu Jahrhundert hat der Mensch, geleitet 
durch den trügerischen Schimmer seines Scharfsinns, in der 
Heiligen Schrift nach Schätzen gegraben, aber als einzige Ausbeute nur wertlose Schlacken zu Tage gefördert. Und dennoch 
haben die auf diese Weise gewonnenen Grundsätze und Anschauungen, weil sie mit den Erfahrungen einer fleischlichen 
Gesinnung übereinstimmen, bei vielen Seelen eine beklagenswerte Aufnahme und, besonders wenn sie ein höheres Alter 
und den Namen einer anerkannten Persönlichkeit an ihrer Stirn 
tragen, eine solche Anerkennung gefunden, daß man kaum noch 
daran denkt, den Prüfstein des Wortes Gottes an sie zu legen. 
Wozu anders aber bedienen sich unfreie Seelen dieser Grundsätze, als um sich Ruhe zu verschaffen in den Fesseln der 
Sünde, deren Herrschaft sie anerkennen und unter deren 
Macht sie sich unter schweren Seufzern beugen? Ist es da ein 
Wunder, wenn sich endlich die Meinung völlig Bahn bricht, 
daß Gott nach Seiner weisen Absicht die Fortdauer eines sol97 
chen trostlosen Zustandes bestimmt habe, um durch die Ergebnisse aller erfolglosen Kämpfe das Herz in wahrer Demut zu 
erhalten und die Überzeugung von unserer gänzlichen Verderbtheit zu befestigen? Ja, dann freilich bleibt für den Gläubigen, trotz der Gewißheit der Vergebung seiner Sünden, 
nichts als die traurige Aussicht übrig, ein armer, elender Sünder sein und bleiben zu müssen. 
Obgleich indes die bitteren Erfahrungen zahlreich genug sind, 
um eine Enttäuschung herbeizuführen, so lassen doch manche 
Seelen jenes falsche Vertrauen nicht fahren, als ob das Werk 
des Sünden-Absterbens innerlich seiner Vollendung entgegengehe. Wenn sich aber vollends eine Zeitlang diese oder jene 
Begierde nicht wirksam gezeigt hat, so erkennen sie darin 
einen augenscheinlichen Fortschritt und wiegen sich in sorglose Sicherheit ein. Doch ach, wie bald sehen sie sich in ihren 
Erwartungen getäuscht! Plötzlich erwacht, angelockt durch 
äußere Einflüsse, jene böse Begierde aus ihrem Schlummer 
und fordert ihre Befriedigung um so mächtiger, je weniger 
gegen sie gewacht worden ist. Und gerade in dem Augenblick, wo sie in falscher Sicherheit ihre Fortschritte bewunderten, öffneten sie zugleich dem gewaltsam heranstürmenden 
Feinde die Tore, der dann, wenn die Sünde vollbracht ist, unablässig bemüht ist, entweder Mutlosigkeit und Verzagtheit, 
oder Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit gegen die Sünde 
in ihren Herzen zu wirken. Wie viele Seelen gehen von Jahr 
zu Jahr in diesem Zustande dahin, ohne sich auf dem Wege 
der Heiligung auch nur einen einzigen Schritt vorwärts zu 
bewegen! Sie befinden sich entweder auf der Folter fortdauernder Anklage ihres eigenen Gewissens, oder ihre Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit gegen die Sünde nimmt einen 
stets bedenklicheren Grad an, indem sie sich trösten, daß 
andere gleiche Erfahrungen machen, oder sich gar einreden, 
daß das Leben des Christen sich durch stetes Fallen und Aufstehen charakterisieren müsse. Sie machen die Erfahrungen 
Jakobs und nicht die Erfahrungen Abrahams; und in der 
Voraussetzung, daß keine andere gemacht werden können, 
betrachten sie die Freude im Herrn nur als einen Rausch der 
ersten Gefühle, oder gar als Täuschung und Einbildung, und 
die Ermahnungen zu einem würdigen Wandel sehen sie an 
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als ein Treiben des Gesetzes. Wo aber findet sich dann jene 
glückselige Ruhe des Herzens, die sie den Unbekehrten anpreisen? Wo der alle Vernunft übersteigende Friede Gottes? 
Wo der Wandel zur Verherrlichung Gottes? Wo finden sie 
die guten Werke, wozu wir „in Christo Jesu geschaffen sind"? 
Dieses alles fehlt; der Name des Herrn wird verunehrt, Sein 
Wort verachtet und Sein Werk geringgeschätzt. 
Aber gibt es denn keine Errettung aus diesem Zustande, keine 
Befreiung aus der Macht der Sünde? Ohne Zweifel. Aber die 
Befreiung aus dieser Macht liegt ebensowenig in unserer Hand, 
und ist ebensowenig die Frucht unserer Anstrengung, wie die 
Sühnung für unsere Sünden. Beide Tatsachen sind einzig und 
allein das gesegnete Resultat des auf Golgatha vollbrachten 
Opfers Jesu Christi; und der Glaube ist das einzige Mittel, 
die kostbare Frucht dieses vollkommenen Werkes genießen 
und verwirklichen zu können. Der Glaube erblickt in dem 
Opfer Jesu Christi sowohl die Reinigung von unseren Sünden, als auch die Befreiung von der in uns wohnenden Sünde. 
Die Hand der errettenden Liebe, die unsere Sünden tilgte, 
vernichtete auch die Macht der Sünde; die Gnade, die dem 
Sünder eine ewige Versöhnung brachte, zerbrach auch für 
immer die Ketten und Banden des Sklaven; das Blut, das uns 
von allen Sünden reinigte, setzte auch den Gefangenen in 
völlige Freiheit. Welch eine wunderbare Gnade! welch eine 
anbetungswürdige Liebe! welch ein kostbares Blut! O möchten unsere Seelen sich doch von den trügerischen Erfahrungen 
unserer eitlen Herzen mit aller Entschiedenheit abwenden und 
die untrüglichen und klaren Zeugnisse des Wortes Gottes 
betreffs des glorreichen Werkes Christi in einfältigem Glauben 
aufnehmen! Das allein wird imstande sein, unsere Herzen zu 
befestigen und mit seliger Ruhe zu erfüllen. 
Um aber überhaupt zu einem klaren Verständnis über diese 
zweifache Wirkung des Kreuzes Christi zu gelangen, müssen 
wir zuvor erkannt haben, daß der Mensch nicht nur seiner 
Sünden, sondern auch seines Zustandes wegen ein Verlorener 
ist. Als Nachkomme des ersten Adam ist er in Sünden geboren; und das Wort Gottes charakterisiert seinen moralischen Zustand als Sünde, Finsternis und Tod. Im Blick auf 
einen solchen Zustand ist eine Gemeinschaft zwischen Gott 
99 
und ihm undenkbar, selbst wenn man die Möglichkeit einer 
Vergebung der Sünden voraussetzen dürfte. Die Quelle ist 
und bleibt verderbt, wenn auch ihre trüben Ausströmungen 
ausgetrocknet sind, der faule Baum behält unverändert seine 
schädlichen Säfte, wenn auch seine bitteren Früchte abgeschüttelt und beseitigt werden könnten. Das ist eine Wahrheit, 
die nicht genug verstanden und beachtet wird. Wer aber über 
die Heiligkeit Gottes und über das Verderben des Menschen 
einiges Verständnis besitzt, der wird auch sicher die Nutzlosigkeit aller Anstrengungen und Bestrebungen zur Veredlung des Menschen erkennen. Wie könnte jemand der Anmaßung Raum geben, die unermeßliche Kluft zwischen Heiligkeit und Sünde, zwischen Licht und Finsternis, zwischen Liebe 
und Haß, zwischen Leben und Tod ausfüllen zu wollen! Oder 
sollte Gott etwa den Charakter Seiner Heiligkeit verleugnen, 
um sich dem Menschen in seiner Gottlosigkeit zu nähern und 
Gemeinschaft mit ihm zu machen? Wer wollte sich zu einer 
solchen Behauptung erkühnen! Diese Gemeinschaft durch 
menschliche Anstrengungen erstreben zu wollen, ist nichts 
anderes, als die stolzen Überlegungen des Menschen aufzurichten und die Wahrheit und Ehre Gottes gering zu schätzen. 
Solche Bestrebungen führen nur die Erhöhung des Menschen 
und die Erniedrigung Gottes im Schilde. 
Aber dennoch, Gott sei dafür gepriesen, darf sich jeder Gläubige der „Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem Sohne 
Jesu Christo" erfreuen. (1. Joh 1, 3.) Aber diese Gemeinschaft 
steht auf einem Boden, auf dem jede menschliche Anstrengung ausgeschlossen ist; sie findet in dem Werk, das Gott 
selbst auf Golgatha in Christo Jesu vollbracht hat, ihre einzige 
Grundlage. Dort hat Er nicht den Zustand des Menschen 
verändert oder seine Natur veredelt, sondern hat ihn vielmehr 
gerichtet, getötet und beseitigt, aber zugleich auch einen neuen 
Menschen ins Leben gerufen. Da hat Er nicht nur das schwere 
Gewicht aller unserer Sünden auf das Haupt des von Ihm 
ausersehenen Opferlammes gelegt um sie von unseren Gewissen abzuwälzen, sondern hat da auch „Den, der Sünde 
nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes 
Gerechtigkeit würden in ihm". (2. Kor 5, 21.) Welch eine 
gesegnete Wahrheit! Christus wurde am Kreuze mit der gan100 
zen Schwere unserer Sünden beladen und für uns zur Sünde 
gemacht. Die ganze Häßlichkeit der Sünde wälzte sich auf das 
Haupt des Menschensohnes, der allein sagen konnte: „Wer 
von euch überführt mich einer Sünde?" — und gebeugt unter 
der zermalmenden Hand der Gerechtigkeit preßten sich Seiner 
bestürzten Seele im Gefühl tiefen Jammers die Worte aus: 
„Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?" — 
In Ihm, dem also Geschlagenen und Gemarterten, sehen wir 
unseren Zustand, unsere Sünde, unser Gericht, unseren Tod; 
in Ihm erblicken wir das traurige Ende des alten Menschen, 
mit dem der heilige und gerechte Gott niemals in Verbindung 
treten konnte. „Der Lohn der Sünde ist der Tod." 
Doch, Gott sei Lob, das schreckliche Gericht ist beendet, das 
Werk der Errettung ist vollbracht; und darum gibt es „keine 
Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind. . . . Denn 
das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er seinen eigenen Sohn in Gleichheit 
des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde 
im Fleische verurteilte." (Röm 8, 1. 3.) „Die des Christus 
sind, haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften 
und Lüsten." (Gal 5, 24.) Wie göttlich erhaben ist das Werk 
Christi! Wie bedeutungsvoll sind seine Wirkungen! Freilich 
bleibt, so lange der Gläubige hienieden ist, die Sünde in seinem Fleische; aber sie ist eine verurteilte, gerichtete Sache. 
Bezüglich seiner Errettung hat er die in ihm wohnende Sünde 
ebensowenig wie seine Sünden und Vergehungen zu fürchten; denn jene ist verurteilt und diese sind vergeben. Das eine 
ist so vollkommen wie das andere; beides ist die gesegnete 
Frucht des ein für allemal geschehenen Opfers des Leibes 
Jesu Christi. Der Glaube erfaßt und verwirklicht diese köstliche Wahrheit, und das Herz ruht in seligem Frieden. 
So hat also das Gericht auf Golgatha nicht nur die in uns 
wohnende Sünde getroffen, sondern auch wir selbst, die wir 
von Natur nichts anderes als Sünde sind, haben dort in Christo 
unser Gericht gefunden. Die Sünde drückt unserem natürlichen 
Zustande das wahre Gepräge auf; sie charakterisiert uns als 
die Nachkommen und Erben des gefallenen ersten Adam; 
aber als solche sind wir in Christo mitgekreuzigt, mitgestorben und mitbegraben, denn das Wort Gottes sagt mit völli101 
ger Bestimmtheit: „Indem wir dieses wissen, daß unser alter 
Mensch mitgekreuzigt ist, auf daß der Leib der Sünde abgetan sei, daß wir der Sünde nicht mehr dienen." (Röm 6, 6.) 
Wir haben also, was unseren alten Zustand betrifft, unseren 
Tod in dem Kreuzestod Christi gefunden; und mit Bezug auf 
diese Tatsache sagt der Apostel Paulus von sich: „Ich bin mit 
Christo gekreuzigt"; (Gal 2, 20.) und von den Kolossern: 
„Ihr seid gestorben." „Wisset ihr nicht", ruft er den Römern 
zu, „daß wir, so viele auf Christum Jesum getauft worden, 
auf seinen Tod getauft worden sind? So sind wir denn mit 
ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod." (Röm 
6, 3. 4.) Und an die Kolosser schreibt er: „In welchem (d. i. 
in Christo) ihr auch beschnitten seid mit einer nicht mit 
Händen geschehenen Beschneidung, in dem Ausziehen des 
Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus, mit 
ihm begraben in der Taufe usw." (Kap 2, 11.) In ähnlicher 
Weise lesen wir in 1. Petr 4, 1: „Da nun Christus für uns 
im Fleische gelitten hat, so waffnet auch ihr euch mit demselben Sinne; denn wer im Fleische gelitten hat (d. h. mit 
Christo gestorben ist), ruht von der Sünde." 
Aus diesen Stellen erhellt deutlich, daß der alte Mensch, d. h. 
das, was ich von Natur bin, in dem Kreuz Christi vor Gott 
für immer beseitigt ist. Jetzt kann selbst der schwächste 
Gläubige seinen Blick auf das Kreuz richten und mit Freimütigkeit ausrufen: „Ich bin mitgekreuzigt, mitgerichtet, mitgestorben; meine Verantwortlichkeit als Nachkomme des 
ersten Adam, als Sünder, als Gottloser hat für immer ihr 
Ende erreicht." Er kann in das Grab Christi schauen und mit 
Freuden in die Worte ausbrechen: „Hier bin ich, in betreff 
meines Zustandes von Natur, mit Christo begraben und vor 
Gott für immer hinweggetan." Er kann als ein neuer, mit 
Christo auferstandener Mensch an der Himmelsseite des leeren 
Grabes stehen und mit dem Apostel in den Jubelruf einstimmen: „Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben? 
Gott ist es, welcher rechtfertigt; wer ist, der verdamme? Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, 
der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet. Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi?" (Röm 
8, 33. 34.) Wie glücklich ist die Seele, die mit unerschütterli102 
chem Glauben in dem vollbrachten Werke Christi ihren Ruhepunkt gefunden hat! Die Sünden sind vergeben, die im Fleisch 
wohnende Sünde ist gerichtet und der Sünder selbst ist für 
immer vor Gott hinweggetan. 
Weiter bezeichnet das Wort den Menschen von Natur als 
einen Sklaven der Sünde und als völlig ihrer Macht und Herrschaft unterworfen. Der Apostel gibt dieser Wahrheit einen 
bestimmten Ausdruck, wenn er sagt: „Ich aber bin fleischlich, 
unter die Sünde verkauft"; (Röm 7, 14.) und die Erfahrung 
eines jeden, der das Wort des Herrn zu verwirklichen trachtet, 
wird damit übereinstimmen. Man könnte auch hier die Worte 
des Herrn anwenden: „Wenn jemand seinen Willen tun will, 
so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist." Alle 
Anstrengungen und Kämpfe eines aufrichtigen Herzens gegen 
jene schreckliche Macht lassen nur um so augenscheinlicher die 
Ohnmacht und Verderbtheit des Menschen hervortreten. 
Nichts bleibt diesem übrig, als der Notschrei: „Ich elender 
Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?" 
(Röm 7, 24.) und alle seine Weisheit ist außerstande, diese 
Frage der Angst und des Schreckens eine befriedigende Lösung zu geben. Welch ein Glück daher, in Christo eine nach 
allen Seiten hin genügende Antwort zu finden! Nur Ihm, der 
für uns gestorben und auferstanden ist, und in dem wir mitgestorben und mitauferweckt sind, verdanken wir unsere völlige Befreiung aus den Fesseln dieser schrecklichen Herrschaft. 
In Seinem Tode sind wir als Sklaven der Sünde gänzlich beseitigt und, in Seiner Auferstehung mit lebendig gemacht, zu 
Sklaven der Gerechtigkeit geworden, wie geschrieben steht: 
„Freigemacht von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden." (Röm 6, 18.) In dem auferstandenen Christus 
ist der Gläubige in eine ganz neue Stellung versetzt worden. 
Als alter Mensch, als Sklave der Sünde, ist er gerichtet und 
hinweggetan; als neuer Mensch, als Sklave der Gerechtigkeit, 
ist er in und mit Christo gesegnet. „Wenn jemand in Christo 
ist, da ist eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; siehe, 
alles ist neu geworden." (2. Kor 5, 17.) Die Fesseln des Sklaven sind gesprengt, das Lösegeld ist für ihn bezahlt, und 
die Arme des Bürgen nehmen den Befreiten auf. Nicht durch 
eine allmählich fortschreitende Veredlung seiner Natur, son103 
dem durch eine gänzliche Erneuerung ist er, der einst ein 
Sklave der Sünde war, ein Sklave der Gerechtigkeit geworden 
und, als „das Werk Gottes, geschaffen in Christo Jesu zu 
guten Werken", (Eph 2, 10.) fähig gemacht, Gott Frucht zu 
bringen. Trotz aller Anstrengungen wird der alte Mensch nie 
die Herrlichkeit Gottes erreichen; aber der neue Mensch ist 
im Besitz des Lebens des auferstandenen Christus und wird 
bei Seiner Ankunft auch einen Leib empfangen, der „gleichförmig mit seinem Leibe der Herrlichkeit sein wird, nach der 
wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu 
unterwerfen." (Phil 3, 21.) 
Welch eine erhabene Wahrheit! Der Glaube nimmt jetzt schon 
seinen Platz in dieser neuen Stellung ein und verwirklicht sie 
durch die Kraft des Heiligen Geistes. Er erblickt in dem Tode 
Christi das Ende des alten Menschen und in der Auferstehung 
Christi den Anfang einer neuen Kreatur, und mitgepflanzt zu 
der Gleichheit des Todes und der Auferstehung Christi hat 
der Christ mit der Sünde und ihrer Herrschaft ebensowenig 
gemein wie der auferstandene Christus. Im Tode Christi ist er 
der Sünde gestorben (Röm 6, 2.) und im Leben Christi der 
Herrschaft der Sünde und des Todes für immer entronnen. 
„Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde. 
Wenn wir aber mit Christo gestorben sind, so glauben wir, 
daß wir auch mit ihm leben werden, da wir wissen, daß 
Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der 
Tod herrscht nicht mehr über ihn. Denn was er gestorben ist, 
ist er ein für allemal der Sünde gestorben; was er aber lebt, 
lebt er Gott. Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, 
Gott aber lebend in Christo Jesu." (Röm 6, 7.—11.) Sind 
diese Schriftstellen nicht einfach und klar genug, um die Herzen aller, die angesichts des Richterstuhls Christi mit Zuversicht die Worte: „Gleich wie er ist, sind auch wir in dieser 
Welt", (1. Joh 4, 17.) ausrufen dürfen, mit Lob und Anbetung zu erfüllen? Haben die, die einst so elende Sklaven der 
Sünde waren, nicht einen sicheren Bergungsort gefunden, wo 
Sünde, Tod und Teufel sie nie mehr erreichen können? Ist 
nicht ihre Schuld getilgt, die im Fleisch wohnende Sünde gerichtet und der Leib der Sünde, der alte Mensch, für immer 
hinweggetan? Befinden sie sich nicht mit Christo jenseits 
104 
des Kreuzes, des Todes und des Gerichts? Warum noch trauern, da alles, was gegen sie war, auf Golgatha zum Schweigen 
gebracht ist und sie auf einem neuen und lebendigen Wege 
im ungetrübten Glanz einer ewigen und unvergleichlichen 
Liebe ihres Gottes und Vaters in Christo Jesu wandeln können? Und wie unerschütterlich fest ist der Fels, auf dem ihr 
Fuß ruht! Nichts kann sie scheiden von der Liebe, die in 
Christo Jesu ist; nichts ist imstande, sie aus Seiner Hand zu 
rauben; nichts kann die mächtigen Fluten Seiner überschwenglichen Gnade zurückhalten. O möchten wir doch nicht ermüden, 
Ihm, der uns für immer dem Rachen eines ewigen Todes 
entrissen hat, stets die Opfer des Lobes darzubringen! 
Wir dürfen es indes nicht unbachtet lassen, daß wir, d. h. die 
Gläubigen, diesen gesegneten Platz jetzt nur durch den Glauben einnehmen können. Bleibt das Auge auf uns selbst gerichtet, so finden wir nach wie vor nichts als Sünde und Feindschaft in uns, eine Entdeckung, die das Herz nur mit Zweifel, 
Furcht und Unruhe erfüllen wird. Der Glaube lauscht nur auf 
die wahrhaftigen Worte Gottes und klammert sich fest an 
einen Gegenstand außer ihm, an Christum Jesum. Er beschäftigt sich nicht mit dem, was wir getan haben, sondern was 
Christus getan hat, nicht mit dem, was wir sind, sondern was 
Er ist; er erforscht einzig und allein das Werk Christi und 
findet darin nicht nur die ewige Versöhnung unserer Sünden, 
sondern auch eine ewige Befreiung von allem, was wider uns 
war; er erblickt darin nicht nur das Ende des über uns verhängten Zorns und Gerichts Gottes, sondern auch den unausforschlichen Reichtum der Gnade und Liebe für uns, die Erlösten; er erkennt, daß nicht nur der Tod und das Grab für 
immer versiegelt, sondern auch das Leben und die Herrlichkeit 
ans Licht gebracht sind. Wo findet sich da noch eine Ursache 
zur Furcht? 
Wir haben also deutlich gesehen, daß wir, die wir an Christum 
glauben, in eine ganz neue Stellung, und zwar in dem auferstandenen Christus, versetzt sind — eine Stellung, die wir 
jedoch nur durch den Glauben einnehmen und durch die Kraft 
des in uns wohnenden Heiligen Geistes bewahren und verwirklichen können. Die Sünde, obgleich sie noch in uns ist, ist 
105 
gerichtet, und wir sind ihr gestorben, so daß der Apostel uns 
zurufen darf: „Ihr seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, 
wenn anders Gottes Geist in euch wohnt." (Röm 8, 9.) Einst 
war vor Gott unsere Stellung in dem ersten Adam, jetzt ist sie 
in dem letzten, in Christo; einst im Fleische, jetzt im Geiste; 
einst im Tode, jetzt im Leben; einst waren wir Sklaven der 
Sünde, jetzt sind wir Sklaven der Gerechtigkeit; einst unter 
Gesetz, jetzt unter Gnade, kurz „das Alte ist vergangen, siehe, 
alles ist neu geworden". Freilich wird diese Erneuerung erst 
dann vor aller Augen offenbar werden, wenn unser Leib der 
Niedrigkeit bei der Ankunft Christi entweder durch Verwandlung oder durch Auferweckung umgestaltet und Christus Jesus 
geoffenbart werden wird. (Vergl. 8, 11; 1. Thess 4, 15—17; 
Kol 3, 4.) Jetzt kann, wie bereits gesagt, nur der Glaube diese 
neue Stellung ergreifen und durch die Kraft des Heiligen 
Geistes in unserem Wandel verwirklichen. „Der Glaube ist 
eine Oberzeugung von Dingen, die man nicht sieht." (Hebr 
11, 1.) Das Wort Gottes ist die einzige Leuchte und Stütze des 
Glaubens, und der Geist Gottes seine Kraft. Durch den 
Glauben allein vermögen wir jetzt zu wandeln und den Namen 
des Herrn zu verherrlichen; nur durch den Glauben erkennen 
wir, „daß wir" — wie der Apostel sagt — „was den früheren 
Lebenswandel betrifft, den alten Menschen, der nach den betrügerischen Lüsten verdorben wird, abgelegt haben, aber in 
dem Geiste unserer Gesinnung erneuert worden sind und den 
neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger 
Gerechtigkeit und Heiligkeit, angezogen haben". (Eph 4,22—24.) 
Zu welchem Zweck aber hat uns Gott in diese gesegnete Stellung berufen? Warum hat die erbarmende Liebe Gottes in der 
Hingabe Seines Sohnes die Sklavenketten der Sünde und des 
Todes gesprengt und uns in Freiheit gesetzt? War es nur, um 
uns einen Platz in der Herrlichkeit zu bereiten? Hat Christus 
uns nicht von „aller Gesetzlosigkeit losgekauft und sich selbst 
ein Eigentums-Volk, eifrig in guten Werken, gereinigt"? 
(Tit 2, 14.) Jeder Gläubige weiß es, daß er berufen ist, Gott 
durch einen würdigen Wandel zu verherrlichen. „Denn wir 
sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, 
welche Gott zuvor bereitet hat, auf daß wir in ihnen wandeln 
106 
sollen." (Eph 2, 10.) Die Gesinnung Christi und Sein Wandel 
auf Erden sind allein das Maß und die Richtschnur unseres 
Lebens und Wandels. Deshalb lesen wir: „Diese Gesinnung 
sei in euch, die auch in Christo Jesu war"; (Phil 2, 5.) und 
wiederum: „Wer da sagt, daß er in ihm bleibe, der ist schuldig, 
selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat." (1. Joh 2, 6.) 
Wie aber ist ein solcher Wandel denkbar ohne einen Glauben, 
der jedes Vertrauen auf die eigene Kraft und auf alles Sichtbare ausschließt und der das Werk Christi zu seiner alleinigen 
Grundlage, das Wort Gottes zu seiner alleinigen Leuchte und 
den Geist Gottes zu seiner einzigen Kraft hat? Alles in uns 
und um uns her ist nur geeignet, unseren Glauben zu schwächen; und deshalb bedürfen wir allezeit der Wachsamkeit, der 
Nüchternheit und des Gebets, damit es dem Feinde unserer 
Seelen nicht gelinge, das Auge unseres Glaubens zu trüben, 
sie auf die sichtbaren Dinge zu richten und von Gott und 
Seinem untrüglichen Worte abzulenken. 
Da es indes nicht unsere Absicht ist, hier auf den Wandel eines 
Christen näher einzugehen, so möchte ich nur noch mit einigen 
Worten auf zwei gefährliche Klippen, an denen schon manche 
Seelen gescheitert sind und scheitern, die Blicke des Lesers 
richten. Man hört nämlich oft von einem Kampf wider die 
Sünde reden und man begreift unter dieser Bezeichnung jenes 
nutzlose Abmühen, den im Fleische wohnenden Lüsten und 
Begierden den Todesstoß zu geben. Es mag ein vielleicht unter 
vielfachen Flehen und Seufzen begonnener und fortgesetzter 
Kampf sein; aber es ist nicht der Kampf jenes Glaubens, der 
die Welt überwindet, sondern vielmehr das verzweifelte Ringen des Unglaubens, wobei der Kämpfer stets unterliegt und 
sich verunreinigt. Ohne Zweifel wird das Vorhandensein des 
Fleisches oder der im Fleische wohnenden Sünde Unruhe und 
Kämpfe in mir hervorrufen; jedoch möchte ich im Blick auf 
diese Erscheinung nicht gern sagen, daß ich „mit der Sünde zu 
kämpfen" habe, weil eine solche Ausdrucksweise einerseits 
zu einem falschen Begriff über den Kampf des Gläubigen 
Anlaß gibt, und weil andererseits sie an keiner Stelle der 
Heiligen Schrift gebraucht wird. Allerdings findet man in 
Hebr 12, 4 die Worte: „Ihr habt noch nicht, wider die Sünde 
ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden"; aber bei etwas 
107 
näherer Beleuchtung wird man auf den ersten Blick entdecken, 
daß hier nicht von einem Kampf wider die im Fleische wohnende, 
sondern wider jene Sünde die Rede ist, welche von außen 
her in dem Gewände mannigfacher Versuchungen auf die 
Hebräer eindrang. So lesen wir im vorhergehenden Vers: 
„Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von Sündern 
gegen sich erduldet hat, auf daß ihr nicht ermüdet, -indem ihr 
in euren Seelen ermattet"; (V 3) und da auch die Hebräer 
bereits vieles in dieser Weise im „Kampfe wider die Sünde" 
erduldet, (vergl. Kap. 10, 32—34.) jedoch noch nicht „bis aufs 
Blut" widerstanden (d. h. bis zum Tode ausgeharrt) hatten, so 
lag die Gefahr des Ermattens nahe. Wir sehen daher augenscheinlich, daß es sich hier keineswegs um einen Kampf wider 
die im Fleische wohnende Sünde handelt, wiewohl dadurch 
durchaus nicht geleugnet werden soll, daß den Gläubigen auch 
von dieser Seite viel Kampf und Unruhe bereitet wird. Denn 
nicht umsonst ermahnt der Apostel: „So herrsche denn nicht 
die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu 
gehorchen; stellet auch nicht eure Glieder der Sünde dar zu 
Werkzeugen der Ungerechtigkeit." (Röm 6, 12, 13.) Und 
ebenso lesen wir in Kol 3, 5, wo nicht von den Gliedern des 
äußeren Leibes, sondern des Leibes der Sünde die Rede ist: 
„Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, welcher 
Götzendienst ist." Daß das Vorhandensein der Sünde im 
Fleisch Kampf in der Seele hervorruft — wer wollte es leugnen? 
Wie und auf welche Weise aber werden wir imstande sein, 
solchen und ähnlichen Ermahnungen nachzukommen? Ohne 
Zweifel werden sich alle Anstrengungen der eigenen Kraft 
wider die Sünde als nutzlos und ohnmächtig erweisen. Aber 
auch hier wie überall wird der Kampf des Glaubens den Sieg 
verleihen. Nur dürfen wir es nie aus dem Auge verlieren, daß 
der Glaube seine Kraft zur Ausführung seines Kampfes nicht 
in uns selbst sucht. Sein Blick ist unverrückt auf Christum und 
Sein Werk gerichtet. Dort allein ist die verborgene Quelle 
seiner Kraft und die unumstößliche Gewißheit seines Sieges. 
Nur im Werke Christi sind wir, wie wir bereits gesehen, durch 
unsere Einpflanzung in Seinen Tod und Seine Auferstehung 
108 
der Herrschaft der Sünde entronnen, und dort haben unsere 
Glieder der Sünde ihren Tod gefunden. Und was ist die Folge? 
In dem Maße wie wir nun durch den Glauben diese Wahrheit 
festhalten und unseren Platz in dem Auferstandenen verwirklichen, werden wir auch in unserem Wandel die Befreiung von 
jener Herrschaft der Sünde ans Licht stellen und unsere „Glieder, die auf der Erde sind", so oft sie sich regen, durch die 
Kraft des Heiligen Geistes „töten". „Also auch ihr, haltet euch 
der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christo Jesu." (Röm 
6, 11.) „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt seid, so 
suchet, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten 
Gottes. Sinnet auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf 
der Erde ist." (Kol 3, 1. 2.) Nur der Glaube ist fähig, diese 
Ermahnungen in der Kraft des Heiligen Geistes zu erfassen, 
und ihnen nachzukommen; nur der Glaube vermag uns über 
die niedrige Atmosphäre zu erheben, wo Sünde und Tod ihr 
Lager aufgeschlagen haben und wo der Unglaube nur stets 
seine Niederlagen zu beklagen hat. Möge der Herr uns daher 
in Seiner reichen Gnade nüchtern und wachsam zum Gebet 
erhalten, damit wir allezeit „kraft des Glaubens" wandeln und 
den „guten Kampf des Glaubens" bis zu Ende kämpfen. 
Die zweite Klippe für die Gläubigen besteht darin, daß sie, 
wie schon bemerkt, die Wahrheit Gottes oder ihre Stellung in 
Christo nach ihren eigenen Erfahrungen abmessen und beurteilen. Das ist eine Erscheinung, die leider nur zur Folge hat, 
daß dadurch jene Wahrheit verdunkelt und die wahre Stellung 
der Gläubigen unsicher gemacht wird. Die Erfahrungen sind 
segensreich und köstlich, wenn der Glaube sie macht; aber 
wie viele trübe Erfahrungen macht der Unglaube! Wie viele 
solcher Erfahrungen eines unlauteren Herzen mußte Jakob 
machen! Aber wie traurig klingt sein Bekenntnis am Ende 
seiner Tage? Er sagt: „Wenig und böse waren die Tage meiner 
Lebensjahre." (1. Mos 47, 9.) Gleich den zahlreichen Christen 
unserer Tage hatte er fast nur die Falschheit und Unbeständigkeit seines bösen Herzens kennengelernt, keineswegs aber 
wie Abraham die ungetrübte und erquickende Gemeinschaft 
Jehovas genossen. Doch welchen Wert wir auch den Erfahrungen, die wir machen, beilegen mögen, so können sie doch nie 
unser Leiter in der Wahrheit sein und nicht dem Worte Gottes 
109 
gleichgestellt oder gar zum Prüfstein des Wortes benutzt werden. Weshalb bedürfte auch dieses „wohl geläuterte" Wort 
(Ps 119, 140) noch irgend eines Prüfsteins? Ist es nicht vielmehr selbst ein Prüfstein — „lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert?" — ein „Beurteiler der 
Gedanken und Gesinnungen des Herzen?" (Hebr. 4, 12.) Jede 
Erfahrung unseres Herzens haben wir nach diesem Wort zu 
beurteilen und, wenn sie nicht mit dem Wort übereinstimmt, 
mit Entschiedenheit zu verwerfen. Wo unter der Leitung des 
Heiligen Geistes der Glaube wirksam ist, da wird auch sicher 
das Wort Gottes die einzige Regel und Richtschnur unseres 
Wandels und Kampfes hier auf Erden sein, während der Unglaube, fern von dem Worte Gottes, vergeblich einen Ruheund Stützpunkt in den schwankenden Gefühlen und Erfahrungen des eigenen Herzens sucht. Der Geist Gottes ist unablässig bemüht, unsere Füße auf den Boden des an das untrügliche Wort gebundenen Glaubens zu stellen. Sobald die Kolosser auf diesem Boden eine rückgängige Bewegung zu machen 
schienen, rief ihnen der Apostel zu: „Wenn ihr mit Christo 
den Elementen der Welt gestorben seid, was unterwerfet ihr 
euch Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt?" (Kol 2, 20.) 
Das ist die Sprache des Wortes und des Glaubens, während die 
Erfahrung und die Vernunft gesagt haben würden: „Ihr unterwerft euch den Satzungen, und daher ist es sonnenklar, daß 
ihr noch am Leben in der Welt seid." Das Wort und der 
Glaube sagen: „Ihr seid gestorben"; aber die Erfahrung und 
die Vernunft urteilen: „Ich sterbe täglich", eine Sprache, die 
deutlich verrät, daß man diese Worte des Apostels in 1. Kor 
15, 31 nicht versteht, wo er von seinen großen Gefahren redet, 
die einem täglichen Sterben gleichzuachten waren, und die er 
in Röm 8, 36 mit den Worten bezeichnet: „Um deinetwillen 
werden wir getötet den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind 
wir gerechnet worden." Gewiß, das Wort Gottes bildet einen 
völligen Gegensatz zu den Erfahrungen des Herzens; und die 
Sprache des Glaubens widerspricht den Eingebungen der Vernunft unter allen Umständen. 
Herr! erleuchte mehr und mehr unser Auge, damit wir diese 
Klippen sehen, vermehre unseren Glauben und befestige ihn 
von Tag zu Tag! 
110 
4. 
Im Vorhergehenden haben wir also sowohl den bejammernswerten Zustand des Menschen von Natur, als auch seine völlige Befreiung daraus kennengelernt. Das vollbrachte Werk 
Christi hat alle Fragen gelöst. In dem vergossenen Blut des 
Lammes Gottes sieht der Gläubige die völlige Vergebung seiner Sünden, sowie die gänzliche Verurteilung der in seinem 
Fleische wohnenden Sünde, so daß er, gestorben und auferweckt mit Christo, befreit von der Sünde und im Besitz eines 
neuen Lebens, fähig gemacht ist, Gott Frucht bringen zu 
können. 
Jetzt aber möchte ich die Aufmerksamkeit meiner Leser auf 
einen Gegenstand hinlenken, dessen Bedeutung um so mehr 
in den Vordergrund tritt, als sich im allgemeinen in bezug auf 
seinen wahren Charakter eine Unkenntnis kundgibt, die fast 
ans Unglaubliche grenzt. Unter vielen Christen ist nämlich die 
Meinung verbreitet, als ob das „Gesetz" die Regel und Richtschnur des Lebens für den Gläubigen sei. Eine solche Anschauung aber verrät nicht nur, wie wenig man die Natur 
des Gesetzes kennt, sondern zeigt auch zu gleicher Zeit die 
Neigung des menschlichen Herzens, die Grundsätze des Gesetzes mit denen der Gnade zu verwirren. Das aber ist eine 
Neigung, wodurch man sowohl das Gesetz seiner unbestechlichen, unbeugsamen Strenge, als auch die Gnade ihrer herrlichen Schönheit und Kraft entkleidet. Es ist daher unerläßlich nötig, genau den Platz zu bezeichnen, den das Gesetz 
einerseits dem Sünder und andererseits dem Gläubigen gegenüber einnimmt. 
Gnade und Gesetz sind geradezu zwei ganz entgegengesetzte 
Grundsätze. Ihre Verbindung ist undenkbar. Das Gesetz, obwohl es zunächst den Juden gegeben war, ist im allgemeinen 
der Ausdruck dessen, was der Mensch sein sollte, während 
die Gnade zeigt, was Gott ist. Das Gesetz richtet seine gerechten Forderungen an den Sünder, fordert ihre pünktliche Erfüllung und verurteilt, ohne Kraft darzureichen, den Übertreter mit unnachsichtiger Strenge, während die Gnade nichts 
fordert, die Sünden vergibt und alles schenkt, was der Mensch 
zu seinem ewigen Heil nötig hat. Unter das Gesetz gestellt, 
111 
hat der Mensch, angesichts des gerechten Urteils des Gesetzes, nichts zu erwarten als Tod und Verdammnis; und selbst 
die Gnade kann weder sein trauriges Los ändern, noch die 
Forderungen des Gesetzes verringern. Das Gesetz mit der 
Gnade vermengen zu wollen, ist daher eitel und nutzlos. Eine 
Errettung, teils durch das Gesetz, teils durch die Gnade gehört 
ebensowohl in das Reich törichter Einbildungen, als eine Stellung teils unter dem Gesetz, teils in der Gnade. „Durch die 
Gnade seid ihr errettet" (Eph 2, 8.) und: „Ihr seid nicht unter 
Gesetz, sondern unter Gnade." (Röm 6, 14.) Das Gesetz 
enthüllt dem Auge des schuldigen Sünders den trostlosen 
Zustand seiner Natur und schreibt mit unverwischbaren Zügen das Todesurteil auf seine Stirn; aber nicht ein Fünklein 
von Gnade mildert die strengen Ansprüche des Gesetzes. 
„Jemand, der das Gesetz Moses verworfen hat, stirbt ohne 
Barmherzigkeit." (Hebr 10, 28.) „Der Mensch, der diese Dinge getan hat, wird durch sie leben." (3. Mo 18, 5; Röm 10, 5.) 
„Verflucht sei, wer nicht aufrecht hält die Worte dieses Gesetzes, sie zu tun." (5. Mo 27, 26; vergl. Gal 3, 10.) Wo findet 
sich in der gewaltigen Schärfe dieser Forderungen irgend die 
lindernde Einwirkung der Gnade? Von der Höhe des in „Dunkel, Finsternis und Sturm" gehüllten Berges Sinai herab 
wandte es sich an den gefallenen Menschen; und nicht der 
matteste Lichtschimmer der in Christo Jesu geoffenbarten 
Gnade durchbrach die finsteren Nebel. 
Schon von dem ersten Augenblick an, wo eine Seele durch die 
Gnade Gottes erweckt und unter den Einfluß des neuen Lebens gebracht ist, erkennt sie an, daß die Gerechtigkeit Gottes 
zu den Forderungen des Gesetzes berechtigt ist; aber zu gleicher Zeit entdeckt sie bei sich selbst gerade das, was durch 
das Gesetz verdammt wird. Sie ist überzeugt, daß Gott weder 
Seine Autorität mindern, noch Seine Heiligkeit verleugnen 
kann; und sie spannt daher alle ihre Kräfte an, um Seinen 
gerechten Forderungen zu genügen. Aber ach! bei dem ersten 
Anlauf sieht der arme Kämpfer seinen Schritt gelähmt. Das 
Gesetz fordert eine unbedingte, vollkommene Vollbringung; 
das Gewissen und der erneuerte Wille erkennen diese Forderung an als „heilig, gerecht und gut" (Röm 7, 12.) und wünschen nicht, daß sie gemildert werde; aber wo ist die Kraft, 
112 
um das vorgesteckte Ziel zu erreichen? Die neue Natur hat in 
der Tat die Gerechtigkeit Gottes lieb; aber das Gesetz, anstatt 
Kraft zum Vollbringen zu geben, weckt vielmehr die bisher 
schlummernde und ungekannte Lust zu entschiedenem Widerstände auf, so daß jede Anstrengung nutzlos und vergeblich ist. Das Gesetz verlangt völligen Gehorsam als die Bedingung des Lebens und der Gerechtigkeit; aber gerade dies 
stellt ins Licht, daß ich mich von Natur in einem Zustand 
des Todes und der Ungerechtigkeit befinde und mithin von 
vornherein die Dinge nötig habe., die das Gesetz als Ziele 
vor mich hinstellt. Ich finde in mir dieselben Grundsätze, 
gegen die jene Verbote ausdrücklich gerichtet sind. Was nützen da alle Seufzer, alle Tränen, alle Vorsätze und alle Anstrengungen, wenn bei jedem meiner Schritte das in mir wohnende Böse immer mächtiger in den Vordergrund tritt und gar 
gegen all mein Wirken einen so entschiedenen, hartnäckigen 
Widerspruch erhebt, daß ich nicht nur an. der Vollbringung des 
Guten behindert, sondern sogar zur Ausführung des Bösen 
gedrängt werde? Ach! alle Anstrengungen unter dem Gesetz, 
um den Willen Gottes zur Erlangung des Lebens und der 
Gerechtigkeit zu vollbringen, verraten nur zu deutlich die verborgene Eigengerechtigkeit des stolzen Herzens und bezeugen nur die traurige Verblendung des Menschen über seinen 
eigentlichen, wahren Zustand. Nutzlos und eitel wird daher 
das Ringen eines erwachten Gewissens sein; die Früchte eines 
solchen Kampfes werden ein leichtfertiges Gemüt bald erschlaffen und ein aufrichtiges Herz zur Verzweiflung treiben. 
Unter dem Gesetz kann eine Seele nur von ihrer ganzen Ohnmacht überzeugt werden; wenn sie auf die Heiligkeit und 
Gerechtigkeit Gottes blickt, kann das bei ihr nur Unruhe und 
Furcht hervorrufen. Das Gewissen ist niedergedrückt von der 
Geistlichkeit und Unerbittlichkeit des Gesetzes. Indem die 
Seele sich der eigenen fleischlichen, unverbesserlichen Natur 
bewußt wird, bleibt nichts anderes übrig als auszurufen: 
„Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leibe 
des Todes?" (Röm 7, 24.) 
Aber können solche traurigen Resultate befremden? Keineswegs. Das Erwachen des Gewissens genügt nicht, das Gesetz 
zu vollbringen. Wenn ich mich im Licht des Gesetzes prüfe, 
113 
kann es mich wohl überführen, daß ich das bin, was ich 
nicht sein sollte; aber es bietet mir keine Kraft, das Gute tun 
und das Böse lassen zu können. Wenn eine Lampe den finsteren Kerker eines gefesselten Gefangenen beleuchtet, so 
kann der Gefangene wohl die trostlose Öde seiner Umgebung 
und das Schreckliche seiner bedauernswürdigen Lage überschauen und sich bei diesem Anblick vielleicht zu den verzweifeltsten Anstrengungen, seine Ketten zu sprengen, drängen lassen. Aber was nützt es? Er bleibt ein Gefangener, ein 
Gebundener; gerade die Erkenntnis seines Zustandes und die 
fruchtlosen Versuche, sich davon zu befreien, machen sein herbes Schicksal um so unerträglicher. Ebenso das Gesetz. Es ist 
eine Lampe, die in die dunklen Räume des menschlichen Herzens hineinleuchtet, ein Spiegel, der dem Sünder die wahre 
Gestalt seines Elends und seiner Hilfslosigkeit unverhüllt vor 
das Auge rückt, es ist der Prüfstein seiner Gesinnung, seiner 
Worte und seiner Handlungen und stellt ihn, weil er ein Sünder und nicht das ist, was er sein sollte, unter den Fluch. Als 
der Maßstab dessen, was Gott von dem natürlichen Menschen 
fordert, kann das Gesetz nur durch eine vollkommene Erfüllung seiner Vorschriften befriedigt werden, und wird daher, 
gemäß der unerbittlichen Strenge seines Charakters, den Übertreter zum Tode und zur Verdammnis verurteilen. Das ist die 
einfache Erläuterung der Wirkung des Gesetzes. 
Was aber ist die Ursache einer solchen trostlosen Erscheinung? 
Diese Frage erhält erst dann die richtige Antwort, wenn 
wir uns daran erinnern, daß ein unter Gesetz gestellter 
Mensch mit einem Grundsatz in Verbindung ist, auf 
Grund dessen zwar die Gerechtigkeit gefordert und das Leben 
zugesagt wird, aber dieser Grundsatz kann nichts als die im 
Fleische schlummernden Leidenschaften hervorrufen, und er 
birgt den Tod und die Verdammnis in seinem Schoß. In 
Röm 7 finden wir eine vollständige Aufklärung über diesen 
Punkt. Dort lesen wir die Worte: „Wisset ihr nicht, Brüder, 
daß das Gesetz über den Menschen herrscht, so lange er lebt?" 
— Das ist einfach und klar. Der einem Gesetze unterworfene 
Mensch ist an dessen Vorschriften gebunden, so lange das 
Gesetz in Kraft ist; nur der Tod kann diese Verbindung 
rechtskräftig auflösen. Das Gesetz der Ehe liefert in den Dar114 
Stellungen des Apostels ein erläuterndes Beispiel. Wenn eine 
Frau bei Lebzeiten ihres Mannes eine Verbindung mit einem 
anderen Manne eingeht, so begeht sie Ehebruch; erst nach 
dem Tode ihres angetrauten Mannes ist sie frei, mit einem 
anderen Mann in Verbindung zu treten. (V. 3) Ebenso kann der Mensch, weil die an ihn gerichteten Forderungen 
des Gesetzes göttlich gerecht sind, der Herrschaft des Gesetzes 
nicht entrinnen, es sei denn, daß die Hand des Todes dazwischen greife und die Verbindung für immer auflöse. Ist es 
nun ein Wunder, wenn der gefallene Mensch unter der Herrschaft eines Gesetzes, das nichts anderes tun kann, als den 
Fluch, den Tod und die Verdammnis auf sein Haupt zu 
schleudern, nur Früchte des Todes hervorbringt? Kann 
es da befremden, wenn der gegen die Sünde kämpfende 
Gesetzesmensch nach langen vergeblichen Anstrengungen zu 
Boden sinkt und mit dem Rufe: „Ich aber bin fleischlich, 
unter die Sünde verkauft; denn was ich vollbringe, erkenne 
ich nicht; denn nicht was ich will, das tue ich, sondern was ich 
hasse, das übe ich aus", (V. 14. 15) die Tiefe seines Elends 
bezeichnet? Keineswegs. 
Aber wozu ist denn das Gesetz gegeben? Der Apostel belehrt 
uns darüber, wenn er sagt: „Das Gesetz aber kam daneben 
ein, auf daß die Übertretung überströmend sei." (Röm 5, 20.) 
Ja, es ist nebeneingekommen, um die übermäßige Sündigkeit 
der Sünde ans Licht zu stellen und um dem Menschen die wahre 
Gestalt seines kläglichen Zustandes zu offenbaren. „Durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde." (Röm 3, 20.) „Die Sünde 
hätte ich nicht erkannt, als nur durch Gesetz. Denn auch von 
der Lust hätte ich nichts gewußt, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: Laß dich nicht gelüsten." (Röm 7, 7.) Das ist der 
eigentliche Zweck des Gesetzes. Gott will die aufrichtige Seele 
von ihrem Elend und ihrer Ohnmacht überzeugen. Wie könnte 
Er ihr Seinen mächtigen Arm zur Stütze darreichen, während 
sie mit eigener Kraft gegen die Macht der Sünde ihre Waffe 
schwingt? Würde Er nicht der Eigengerechtigkeit und dem 
Stolz des menschlichen Herzens Nahrung geben? Würde nicht 
Sein Beistand eine Anerkennung des Fleisches in sich tragen 
und die Notwendigkeit des Werkes Christi in Frage stellen? 
Sicher, und niemals würde auf solche Weise der unter die 
115 
Sünde verkaufte Sklave zur Erkenntnis seines wahren Zustandes gelangen können. Darum läßt Gott dem Druck Seiner 
Gerechtigkeit auf das Gewissen des Sünders Seine volle, vernichtende Kraft, was nichts anderes zur Folge haben kann, als 
daß der unglückliche, stets besiegte Kämpfer von der stolzen 
Höhe seiner vermeintlichen Kraft herabsteigt und, von den 
unerbittlichen Schlägen des Gesetzes in den Staub gelegt, 
seine Erlösung anderswo zu suchen beginnt. Und das ist der 
Platz, der dem fluchwürdigen Sünder geziemt. Hast Du, mein 
teurer Leser, diesen Platz noch nicht eingenommen, so wird 
es sicher einmal geschehen müssen. Du bist Sünder und der 
Gerechtigkeit des Gottes unterworfen, der ein „verzehrendes 
Feuer" ist. Wie willst Du entfliehen? Nur in einer Stellung, 
wo die „Leuchte des Allmächtigen". (Hi 29, 3.) Dein finsteres 
Herz erhellt hat, und wenn Du, gebrochen in Deinem Stolz, 
am Boden liegst und zu dem Angstruf: „Wer wird mich retten 
von diesem Leibe des Todes?" — die Lippen öffnest, nur dann 
findet der Gott aller Gnade Gelegenheit, Seine rettende Hand 
auf Dein mit Sünden beladenes Haupt zu legen und Dich, fern 
von der Stätte des Todes und der Verdammnis, in jene Freistadt des Glaubens zu führen, wo Dich der Fluch des Gesetzes 
nie mehr erreichen kann. 
Es wird, wie ich hoffe, jetzt dem Leser einleuchten, daß 
die Errettung des Sünders, so lange er sich in Verbindung 
mit dem Gesetz befindet, unmöglich ist. Wie könnte auch 
eine Sache die Grundlage seines Lebens und seiner Gerechtigkeit bilden, die nur Fluch, Tod und Verdammnis über den 
Menschen verhängt, da doch der Zustand des Sünders und 
der Charakter des Gesetzes unverändert bleiben? 
Aber wie? Ist das Gesetz denn nicht „heilig, gerecht und gut"? 
Sind seine Vorschriften nicht göttlich? Und legen sie dem 
Menschen nicht wirkliche Verpflichtungen auf, denen er gewissenhaft nachkommen soll? Allerdings. Das Gesetz ist, wie 
gesagt, der Maßstab davon, was Gott von dem Menschen 
fordert; und selbst das, was der Mensch in Form einer Gnade 
hineinzubringen trachtet, ist nicht imstande, seine Forderungen zu mäßigen und die Verantwortlichkeit des Menschen zu 
vermindern. Und gerade weil das Gesetz göttlich vollkommen 
und der Mensch ein Sünder ist, wird vor Gott „aus Gesetzes 
116 
Werken kein Fleisch gerechtfertigt werden." Nur ein vollkommener Gehorsam bietet eine Aussicht zum Leben und zur 
Gerechtigkeit; der Blitzstrahl Seines Fluches trifft und zerschmettert jeden Übertreter. Wie ernst und bedeutungsvoll 
ist daher die Frage: Wie werde ich befreit von einer Sache, 
die mich, weil ich Sünder bin, nur in namenloses Elend stürzen kann? Eine Trennung muß stattfinden, das ist unleugbar. 
Aber wie? Eine Trennung auf unrechtmäßigem Wege wird 
Gott nicht gestatten, und nicht gelingen lassen. Wo ist nun 
der von Gott erlaubte und von Ihm selbst aus Gnaden bereitete Weg? 
Wie wir bereits erwähnt haben, kann nur der Tod die Auflösung eines in jeder Beziehung trostlosen Verhältnisses bewirken. Es ist die weise Anordnung eines gnadenreichen 
Gottes. Wenn daher eine erweckte Seele, erschreckt über den 
fleckenlosen Glanz der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes, 
und im Blick auf die eigene Sündhaftigkeit und Ohnmacht, 
von der schmerzlichen Überzeugung durchdrungen ist, daß 
sie den Forderungen des Gesetzes nicht genügen kann, so 
offenbart ihr Gott nur jenen einzigen Weg zur völligen Befreiung vom Gesetz und seinen gerechten Ansprüchen: dieser 
einzige Weg, der sie ganz und gar und für immer aus dem 
Bereich der Forderungen und des Urteils des Gesetzes führt, 
ist der Tod des Sünders. Das Gesetz, weil es „heilig, gerecht 
und gut" ist, kann weder aufgelöst, aufgehoben oder beseitigt, noch in seiner göttlichen Autorität irgendwie geschwächt 
oder beeinträchtigt werden. Es fordert die ungehemmte und 
unverkümmerte Ausübung seiner Rechte und die Vollziehung 
seines gerechten Urteils. Armer, verurteilter Sünder! Wie 
willst Du entrinnen? Wohin willst Du Dein bekümmertes 
Auge richten? Wohin Deine Zuflucht nehmen? Deine Seufzer, Deine Tränen, Deine Kämpfe — was haben sie genützt? 
Sind nicht die schlummernden Leidenschaften Deines Fleisches zum hartnäckigsten Kampf geweckt worden? Haben sie 
nicht mit unverwischbaren Zügen das Brandmal eines Sklaven 
auf Deine Stirn gedrückt? 
Doch, gottlob, es ist ein Rettungsweg da. Gott selbst hat ihn 
bereitet, in dem Tode Christi. Hier hat sich die Autorität des 
Gesetzes in ihrer ganzen Tragweite verherrlicht; denn im 
117 
Tode dessen, der zur Sünde gemacht wurde, sehen wir das 
Urteil des Gesetzes vollzogen; und der Apostel ruft allen, die 
unter Gesetz waren, aber an Jesum gläubig geworden sind, 
die Worte zu: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz 
gestorben durch den Leib des Christus." (Röm 7, 4.) Welch 
eine kostbare Wahrheit! Das Gesetz verhängte den Tod über 
jeden Sünder, aber in dem Tode Christi ist an jedem Gläubigen, weil er in Ihm mitgestorben und mitauferweckt ist, dieses 
Urteil bereits gänzlich vollstreckt worden. Wird das Gesetz 
etwa noch einem Gestorbenen gegenüber seine Ansprüche 
erheben? Sicher nicht. Jeder Gläubige kann jetzt aus dankerfülltem Herzen rufen: „Ich bin durchs Gesetz dem Gesetz 
gestorben"; (Gal 2, 19.) ich bin, weil in dem Tode Christi 
das über mich gefällte Urteil vollzogen ist, für die Flüche des 
Gesetzes nicht mehr da, sondern sehe durch Glauben meine 
frühere Stellung im Fleische und unter dem Gesetz vor Gott 
für immer aufgehoben. Welch eine wunderbare, preiswürdige 
Gnade! Für alles, was vor dem Angesicht Gottes und im Licht 
Seiner Gegenwart Sünde ist und für alles, um dessentwillen 
mich die furchtbaren Flüche des Gesetzes hätten treffen müssen, — für dies alles ist Christus auf dem Kreuze gestorben. 
Sein Tod ist mein Tod, Sein Leben ist mein Leben. Jetzt ist, 
Gott sei Dank, alles vorübergegangen. Das Werk ist vollbracht; die zuckenden Blitze des Zornes haben in Christo 
mich getroffen, und die schweren Gewitter eines ewigen Gerichts sind .für immer vorübergezogen. Auf die Frage des bekümmerten Sklaven: „Wer wird mich retten von diesem Leibe 
des Todes?" drängt sich aus dem wonneerfüllten Herzen des 
Befreiten die Antwort: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, 
unseren Herrn." (Röm 7, 24.) 
Könnte nach solchen Erfahrungen wohl noch jemand wagen 
zu behaupten, daß das Gesetz, das nichts anderes als den Tod 
zu bringen vermochte, noch irgendwelche Ansprüche auf das 
neue Leben eines Gläubigen habe? Es ist kaum denkbar. Ist 
das alte Verhältnis durch den Tod Christi so vollständig zerstört, daß ich „eines anderen, des aus den Toten auferstandenen" geworden bin, wie könnte ich dann noch in irgendwelcher 
Verbindung sein mit einer Sache, die mich verurteilt, verworfen und getötet hat? Und dennoch gibt es viele Seelen, die 
118 
zwar einräumen, daß das Leben nicht durch das Gesetz zu 
erlangen sei, die aber zugleich behaupten, daß das Gesetz 
für den Gläubigen die Regel und Richtschnur seines Lebens 
bilden müsse. Sie machen sogar die Liebe des Herrn zu einem 
Gesetz für sich; sie erkennen diese Liebe, geoffenbart in 
Seinem Werke auf dem Kreuze, völlig an und erblicken in 
dieser Liebe die gerechten Ansprüche Christi auf eine vollkommene Gegenliebe, die sie in ihrem Herzen vergeblich 
suchen. Sie sollen Ihn von ganzem Herzen lieben; aber sie 
entdecken in sich das Gegenteil. Sie sind mit sich, mit ihrer 
Liebe beschäftigt, aber keineswegs mit der Liebe Christi. Obwohl sie behaupten, vom Gesetz befreit zu sein, stellen sie 
sich unter ein Gesetz, welches Liebe fordert, aber keine darreicht. Sie geben dem Gesetz nur eine neue Form, bekleidet 
mit dem Namen Christi, und machen sich, mit einem Wort, 
Christus selbst zum Gesetz. Ach! wie schwer wird es dem 
törichten Herzen „fest zu stehen in der Freiheit, für die Christus uns freigemacht hat!" (Gal 5, 1.) Hat denn etwa das 
Gesetz, das den Sünder verurteilt und tötet, seinen Charakter 
verändert, wenn der Gläubige mit ihm in Berührung kommt? 
Der Apostel gibt uns auf diese Frage eine bestimmte Antwort, wenn er, abgesehen von dem persönlichen Zustande 
dessen, der sich das Joch des Gesetzes auferlegt, den Galatern 
zuruft: „So viele aus Gesetzes Werken sind, sind unter dem 
Fluche." Das ist genug, um zu zeigen, daß, wenn die Gnade 
Gottes den Menschen nicht aus dem Bereich des Gesetzes 
führen konnte, sie ihm auch nicht außerhalb der Grenzen des 
Fluches einen Platz anweisen konnte. Befindet sich der Christ 
noch in etwa unter dem Gesetz, so ist er auch unleugbar dem 
Fluche des Gesetzes ausgesetzt. Vermengt man das Gesetz mit 
Gnade, raubt man ihm die göttliche Vollkommenheit, Reinheit und Unbeugsamkeit; man stellt dadurch die Gerechtigkeit Gottes in Frage, und man leugnet die Fülle der bedingungslosen, unumschränkten Gnade. Sicher wird ohne Unterschied jeder, der sich das Gesetz zum Führer wählt, auch den 
vollen Schlag seines zweischneidigen Richtschwertes fühlen 
müssen. O welch ein Glück daher, daß nicht die Gedanken und 
Anschauungen eines eigengerechten Herzens, sondern die untrüglichen Worte Gottes auch in dieser Frage den Ausschlag 
119 
geben! „Christus hat uns losgekauft vom Fluche des Gesetzes, 
indem er ein Fluch für uns geworden ist." (Gal 3, 13.) „Als 
er ausgetilgt die uns entgegenstehende Handschrift in Satzungen, die wider uns war, hat er sie auch aus der Mitte 
weggenommen, indem er sie an das Kreuz nagelte." (Kol 2, 
14.) Schöpfen wir daher ununterbrochen aus dieser lauteren, 
unvermischten Quelle, dann werden wir nicht irregehen! 
Im 15. Kapitel der Apostelgeschichte sehen wir, wie der Heilige 
Geist dem Versuch der jüdischen Gesetzeslehrer, den heidnischen Gläubigen das Gesetz als Regel und Richtschnur ihres 
Lebens aufzudrängen, mit großer Entschiedenheit entgegentritt. „Man muß sie beschneiden und ihnen gebieten, daß sie 
das Gesetz Moses halten" rufen die Pharisäer. Aber in der 
Kraft des Heiligen Geistes und mit einer bewundernswürdigen Einstimmigkeit bekämpfen die Apostel dieses Ansinnen, 
indem sie sagen: „was versuchet ihr Gott, um ein Joch auf 
den Hals der Jünger zu legen, das weder unsere Väter, noch 
wir zu tragen vermochten." (Apg 15, 10.) Und Petrus fügt 
hinzu: „Brüder! Ihr wisset, daß Gott vor längerer Zeit mich 
unter euch auserwählt hat, daß die Nationen durch meinen 
Mund das Wort des Evangeliums hören und glauben sollten." 
(Apg 15, 7.) — Wie bestimmt und deutlich sind diese göttlichen Aussprüche! Nein, sicher wollte Gott nicht „ein Joch 
auf den Hals" derer legen, deren Herzen durch das Wort des 
Evangeliums Frieden gefunden hatten; im Gegenteil läßt Er 
durch den Mund jenes treuen Apostels, der einst in betreff 
des Gesetzes tadellos gewandelt hatte, (Phil 3, 6.) die Gläubigen auffordern, festzustehen „in der Freiheit Christi und 
sich nicht wiederum unter einem Joche der Knechtschaft halten zu lassen." Wie hätte er sie auch wieder führen können zu 
dem in „Dunkel, Finsternis und Sturm gehüllten Berge, der 
betastet werden konnte", nachdem der Lichtglanz der Gnade 
in ihre Herzen geleuchtet hatte? Sowohl die Juden, die unter 
dem Gesetz waren, als auch die Heiden, die ohne Gesetz gewesen waren, alle waren durch dieselbe Gnade „errettet" worden; (Apg 15, 11.) Alle „standen" in der Gnade (Röm 5, 2; 
Gal 5, 1.) und alle sollten „wachsen" in der Gnade. (2. Petr 
3, 18.) Nirgends wird im Neuen Testament das Gesetz als 
Lebensregel für die Gläubigen aufgestellt; sie hören und glau120 
ben dem Wort des Evangeliums und werden aufgefordert, 
„würdig des Evangeliums des Christus" zu wandeln. (Phil 1, 
27.) Wer daher sowohl jetzt wie ehedem den Hals der Jünger 
unter das Joch des Gesetzes zu beugen trachtet, erschüttert, 
gleich jenen Pharisäern, die Fundamente des christlichen Glaubens, und versucht Gott. „Ich wollte, daß sie sich auch abschnitten, die euch aufwiegeln", ruft der Apostel im Ton gerechten Unwillens; und sein durch den Heiligen Geist geleitetes Verhalten gegen die Gesetzeslehre stellt es klar ins Licht, 
welch ein Greuel die Gesetzlichkeit in den Augen Gottes ist. 
Sind Seine Gedanken etwa verändert? Gelten Seine Aussprüche 
nicht mehr für unsere Tage? Versuchen wir Ihn nicht, wenn 
wir den Seelen das Gesetz aufzubürden trachten? Beantworten wir im Lichte der Gegenwart Gottes diese Fragen, und 
vergessen wir nicht, „daß alles, was das Gesetz sagt, es denen 
sagt, die unter dem Gesetz sind", (Röm 3, 19.) daß aber, 
als Gott die Botschaft des Heils durch das Blut des Lammes 
vor das Ohr derer brachte, die „unter dem Himmel sind", 
nicht die Flüche des Gesetzes, sondern die süßen, lieblichen 
Worte der freien, unumschränkten Gnade von Seinen Lippen 
ertönten. — 
Dem Leser wird es daher einleuchten, daß das Gesetz weder 
für den Sünder das Fundament ist, noch für den Gläubigen 
die Richtschnur des Lebens. Aber, gottlob, sowohl das eine 
wie das andere erblicken wir in Christo. Er ist unser Leben 
und die Richtschnur unseres Lebens. Wie wir gesehen haben, 
kann das Gesetz nur verfluchen und töten; aber Christus ist 
unser Leben und unsere Gerechtigkeit. Als ein Fluch für uns 
hing Er am Kreuze. Er stieg hinab bis zu der finsteren Stätte, 
wo der gefangene, ohnmächtige und fluchwürdige Sünder lag 
— hinab zu dem Platz des Todes und des Gerichts; und nachdem Er uns durch Seinen Tod von allem, was wider uns war, 
befreit hat, ist Er für alle, die an Seinen Namen glauben, in 
der Auferstehung die Quelle des Lebens und das Fundament 
der Gerechtigkeit geworden. Weil wir nun aber in dieser 
Weise in Ihm das Leben und die Gerechtigkeit besitzen, so 
sollen wir auch wandeln, nicht wie das Gesetz vorschreibt, 
sondern „wie er gewandelt hat". (1. Joh 2, 6.) Eine genaue Beobachtung der zehn Gebote würde sicher noch kein Wandeln 
121 
sein, wie Er gewandelt hat. Man würde in diesem Falle zwar 
nicht „töten", nicht „stehlen", oder ähnliche Verbrechen begehen; aber daß man den Feind speisen, kleiden und segnen, 
und das Herz des Beleidigers durch Wohltun erfreuen soll, 
das gehört nicht zu den Vorschriften des Gesetzes. 
Aber wie? wenn ich die Vorschriften des Gesetzes nicht erfüllen konnte, wie kann ich dann den weit höher gestellten Forderungen des Evangeliums nachkommen? — Weil ich, unter 
dem Gesetz stehend, mit etwas verbunden war, das die in 
mir schlummernde Sünde lebendig machte und mich verurteilte und tötete, während ich jetzt einem anderen angehöre, 
der mein Leben und meine Gerechtigkeit ist und mich durch 
die Gnade in der Kraft des Heiligen Geistes befähigt, Gott 
Frucht bringen zu können. „Denn die Sünde wird nicht über 
euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern 
unter Gnade." Ich bin mit Ihm verbunden, der das Gesetz 
vollkommen erfüllt hat und der des Gesetzes Ende ist. Das 
Gesetz fordert Kraft von dem, der keine besitzt, und verflucht, 
wenn er keine beweist, während das Evangelium Kraft darreicht dem, der keine besitzt und ihn segnet in der Ausübung 
dieser Kraft. Das Gesetz bietet einem der Sünde unterworfenen 
Sklaven das Leben als die Frucht des Gehorsams, während die 
Gnade die Sklavenketten löst und das Leben als das einzige, 
wahrhaftige Fundament des Gehorsams im voraus darreicht. 
Was das Gesetz als Ziel bezeichnet, das ist in der Gnade der 
Auslaufpunkt. 
Wenn daher eine Seele ihren gänzlich hilflosen Zustand erkannt und die Überzeugung erlangt hat, daß sie die Gerechtigkeit des Gesetzes niemals erfüllen kann, so offenbart ihr Gott 
die vollkommene Befreiung vom Gesetz. Mit dankerfülltem 
Herzen erkennt sie, daß das Werk Christi für sie vollbracht 
ist, und daß sie zufolge dieses Werkes in eine gänzlich neue 
Stellung, in Verbindung mit dem auferstandenen Christus 
gebracht ist, um Gott Frucht zu tragen. Sie kann triumphierend 
sagen: „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu 
hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes; 
denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch 
kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in der 
Gleichheit des Fleisches der Sünde und (als Opfer) für dieSün122 
de sendend, die Sünde im Fleische verurteilte." (Röm 8, 2. 3.) 
Der Mensch hat das Gesetz der Sünde in seinen Gliedern 
durch das Gesetz kennengelernt; er hat die Sünde in sich 
gesehen und gehaßt, konnte sich jedoch nicht von ihr befreien. 
Aber jetzt, gläubig geworden an Christum, befindet er sich 
nicht nur in der Stellung eines Befreiten, sondern in Christo 
ist ihm auch die Kraft, dieser neuen Stellung gemäß zu leben, 
zuteilgeworden. Zwar ist das Fleisch noch vorhanden und 
nichts hat dessen böse Natur verändert; aber die Stellung der 
Gläubigen vor Gott ist „nicht mehr im Fleische, sondern im 
Geiste"; und an sie ergeht jetzt die Mahnung: „Wandelt im 
Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen." (Gal 5, 16.) Eine Seele unter dem Gesetz weiß, daß sie 
Gott und den Nächsten lieben soll von ganzem Herzen und 
aus allen Kräften; aber das Gesetz wirkt keine Liebe, sondern 
Zorn, und enthüllt den Haß und die Feinschaft des Herzens 
gegen Gott und den Nächsten. „Die Gesinnung des Fleisches 
ist Feindschaft gegen Gott; denn sie ist dem Gesetz Gottes 
nicht Untertan; denn sie vermag es auch nicht." (Röm 8, 7.) 
Wie ganz anders aber ist es, wenn die lieblichen Töne der 
Gnade das Ohr des Sünders berühren und durch Glauben 
Aufnahme im Herzen finden. Dann fühlt sich die Seele in 
betreff der Gerechtigkeit in vollkommenem Frieden, weil sie 
weiß, daß Gott, anstatt zu verdammen, etwas getan hat, was 
das Gesetz nie tun konnte; dann sieht sie sich in Verbindung 
mit Ihm, der die Liebe ist, und der, weil Er diese Seine Liebe 
durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen hat, 
ihr auch die Fähigkeit verliehen hat, Liebe üben zu können. 
„Wer aber den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. So ist 
nun die Liebe die Summe des Gesetzes." (Röm 13, 8. 10.; 
vergl. Gal 5, 14. 22. 23.) Wie tief betrübt daher auch ein aufrichtiger Christ über die Wirkung der Sünde in seinem Fleische sein mag, so weiß er doch, daß Christus für seine Sünde 
gestorben ist und daß in Ihm die Gerechtigkeit ihre völlige 
Befriedigung gefunden hat. Er tritt mit Freimütigkeit in die 
Gegenwart Gottes; denn er hat die Gewißheit, daß für alles, 
was in Gottes Gegenwart Sünde ist, sich in Christo ein vollgültiges Schlachtopfer gefunden hat. Und weil er sich in einer 
unauflöslichen Verbindung mit Christo, dem wahrhaftigen 
123 
Menschen, befindet, so besitzt er ein Leben, das fähig ist, für 
Gott Frucht tragen zu können. Nur in der Gemeinschaft mit 
Gott kann dies verwirklicht werden. Unter dem Gesetz und 
mit dem Bewußtsein der Sünde war diese Gemeinschaft unmöglich und darum war keine Kraft zur Heiligung da. Die 
durch das Gesetz bewirkte Furcht konnte ihn wohl zu verzweifelten Anstrengungen drängen; aber sie befähigte ihn zu 
keinem guten Werk. Jetzt aber, nachdem das Gewissen gereinigt und die Liebe Gottes in sein Herz ausgegossen ist, 
treibt ihn nicht gesetzliche Furcht zur Vollbringung toter 
Werke. Jetzt ist die Liebe, gewirkt durch den in ihm wohnenden Heiligen Geist, die Quelle und Triebfeder seiner Handlungen. Die Verbindung mit dem über den alten Menschen 
herrschenden Gesetz der Sünde und des Todes ist, und zwar 
durch den Tod, göttlich aufgelöst; ein neues, unauflösliches 
Verhältnis mit Christo ist durch die Gnade hergestellt; und 
jede Seele, die sich in dieser neuen Verbindung befindet, sieht 
vor ihren Blicken die mächtigen Züge des Charakters Gottes 
enthüllt, die geeignet sind, das eisige Herz zu zerschmelzen 
und die Seele zu ungefärbter Liebe und aufrichtiger Anbetung zu erheben. 
Wir sehen also, wie himmelweit verschieden der Charakter des 
Gesetzes von dem der Gnade ist. Das Gesetz herrscht über 
den alten, die Gnade über den neuen Menschen; das Gesetz 
verflucht, verurteilt und tötet, die Gnade segnet, vergibt und 
macht lebendig; das Gesetz wirkt Zorn und Feindschaft, die 
Gnade Frieden und Liebe. Wo finden sich unter diesen beiden 
Grundsätzen Anknüpfungspunkte, die ihre Vermengung zulassen könnten? Gott hat jedem Grundsatz seinen besonderen 
Platz angewiesen. Möge Er uns bewahren, damit wir diese 
Wahrheit durch unsere Gedanken nicht verwirren! Möge Er 
einen jeden der Seinigen verstehen lassen, daß das auf Golgatha vollbrachte Werk Christi die einzige Ursache der Vergebung unserer Sünden, das einzige Mittel zur Verurteilung 
der in unserem Fleisch wohnenden Sünde, und der einzige 
Weg zur Befreiung von dem Gesetz des Todes und der Sünde 
ist! Ja, das Kreuz Christi allein scheidet den Gläubigen von 
allem, womit er als Sünder in Verbindung war: — von seinen 
Vergehungen und ihren Folgen, von der Sünde und ihrer 
124 
Macht, vom Gesetz und seinem Fluch, von der Welt und ihrer 
Lust, von der Gewalt Satans und der Macht der Finsternis. 
Nur im Licht dieser Erkenntnis werden wir uns nicht durch 
das Gesetz zu einem Wirken drängen lassen, um dadurch das 
Leben und die Gerechtigkeit zu erlangen, sondern wir werden 
Gott Frucht tragen, weil wir durch die Gnade bereits das 
Leben und die Gerechtigkeit empfangen haben. 
5. 
Schließlich möchte ich noch verschiedene Arten von Hindernissen des Glaubens bezeichnen, durch die in unseren Tagen 
so viele Seelen aufgehalten werden, zum Frieden zu gelangen 
oder sich des Friedens dauernd zu erfreuen. Obwohl sie über 
ihren verlorenen Zustand wirklich beunruhigt und zugleich 
überzeugt sind, daß nur in Christo das Heil ist, quälen sie 
sich fort und fort mit der Frage, ob auch für sie dies Heil 
da sei. Sie bedenken nicht, daß nur der Unglaube ihres Herzens solche Fragen erhebt; und daß, während sie bisher den 
Herrn durch ihr Fortleben in der Sünde verunehrten, sie Ihm 
jetzt durch ihren Unglauben den Rücken wenden. Wenn, mein 
lieber Leser, auch Du der Zahl dieser Seelen angehörst, so bedenke doch, daß „der Sohn des Menschen gekommen ist, zu 
suchen und zu erretten, was verloren ist"; (Lk 19, 10.) und 
daß Er nirgends eine Ausnahme gemacht und nirgends festgestellt hat, etliche Verlorene nicht suchen und erretten zu 
wollen. Vielmehr richtet Er durch den Mund des Apostels die 
Bitte an alle Menschen: „Laßt euch versöhnen mit Gott." 
(2. Kor 5, 20.) Welch eine erbarmende Liebe! Nicht genug, 
daß Er die Versöhnung des Sünders mit Gott vollbracht hat; 
Er fordert auch noch den Sünder dringend auf, diese Versöhnung anzunehmen. Könnte eine solche Liebe etwa dem Gedanken Raum geben, daß sie Dich übergangen habe? Und 
hat der Herr selbst nicht in den Tagen Seines Fleisches gesagt: „Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! und ich werde euch Ruhe geben?" (Mt 11, 28.) Und 
wenn nun alle Mühseligen und alle Beladenen eingeladen sind,. 
bist Du dann ausgeschlossen? Ach! möchtest Du Dich doch 
Deines Unglaubens schämen und Seiner beharrlich Dich bittenden und einladenden Liebe mit völligem Vertrauen entge125 
genkommen! Er starb für Dich und lebt für Dich; darum 
glaube und gehe hin in Frieden! 
Vielleicht aber drängt Dich Dein ungläubiges Herz zu dem 
Einwand: „Ich weiß nicht, ob ich mühselig und beladen genug 
bin, ob ich meinen verlorenen Zustand tief genug fühle, und 
ob meine Buße von rechter Art ist." Ja, das ist ein Berg, vor 
dem manche Seelen oft lange Jahre haltmachen und sich 
nutzlos abmühen. Doch beantworte mir folgende Fragen: 
Weißt Du etwa, wie tief und gründlich das Gefühl über Deinen verlorenen Zustand sein muß? Hat der Herr irgendwo 
in Seinem Worte ein bestimmtes Maß davon angegeben? Und 
hat Er die Erlösung, die er auf dem Kreuz schon längst vollbracht hat, von der Tiefe und Größe Deines Sündengefühls 
abhängig gemacht? Sicher, Du wirst auf diese Fragen keine 
Antwort zu geben wissen; aber warum quälst Du Dich denn 
mit diesen nutzlosen Gedanken? Du weißt, daß Du ein gottloser und verlorener Sünder bist, und daß, wenn in diesem 
Augenblick der Tod Dich ereilen sollte, die ewige Verdammnis Dein Los sein würde. Ist das für Dich nicht hinreichend, 
um mit Furcht und Schrecken an Dein Ende zu denken? Die 
Schrift sagt einfach und bestimmt, daß Gott die Gottlosen 
rechtfertigt, und daß Christus sucht und errettet, was verloren ist. Wird hier etwa noch hinzugefügt, daß dieses unsererseits durch ein bestimmtes Maß der Erkenntnis und des 
Gefühls unserer Sünde bedingt sei? Wenn aber nicht, warum 
fügst Du denn solche Gedanken hinzu? Ach! Du verschließest 
nur dadurch Dein Herz gegen eine völlige, unumschränkte 
Gnade Gottes und beraubst Dich des Friedens mit Gott. „Denn 
also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen 
Sohn gab, auf daß jeder, (nicht nur solche, die tief genug 
ihre Sünden fühlen) der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, 
sondern ewiges Leben habe." (Joh 3, 16.) Und wiederum: 
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und 
glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und 
kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das 
Leben hinübergegangen." (Joh 5, 24.) Hier gibt es keine Vorbehalte, und darum stelle auch Du Dir keine in den Weg, 
sondern höre und glaube an Ihn, der schon so lange vorher 
in Liebe und Gnade an Dich gedacht hat. Nur Sein vollendetes 
126 
Werk, und nicht die Tiefe Deines Sündengefühls, macht Deine 
Errettung sicher und gewiß; und je fester Dein Glaube einzig 
und allein auf Seinem Werke ruht, nicht auf Deiner Buße, 
desto völliger ist auch der Genuß des Friedens in Deiner 
Seele. 
Andere suchen dadurch zum Frieden zu gelangen, daß sie 
beständig um ein neues Herz bitten; und nicht selten wird 
von vielen Seiten diese Bitte empfohlen, während das Wort 
Gottes durchaus keinen Anlaß dazu gibt. Nirgends hat der 
Herr Jesus Seine Jünger zu einer solchen Bitte aufgefordert. 
Wohl verheißt Jehova Seinem Volke Israel nebst künftigen 
Segnungen die Hin wegnähme des „steinernen", und die Gabe 
eines „neuen Herzens"; (Hes 36, 26.) aber in keiner Stelle der 
Schrift wird der Sünder zur Bitte um ein „neues Herz" aufgefordert. Für ihn gibt es kein anderes Rettungsmittel als 
den Glauben an den Herrn Jesum Christum. Das war das 
Werk, das der Herr den eigengerechten Juden anpries; das 
war der Weg, den Paulus dem zitternden Kerkermeister bezeichnete; und das ist der einzige sichere Grund, worauf das 
Wort Gottes jeden verlorenen Sünder zu stellen sucht. Das 
„neue Herz", wollen wir nun einmal bei diesem Ausdruck 
bleiben, ist nichts anderes, als die Frucht des Glaubens oder 
das Werk des Heiligen Geistes in der Seele, nachdem wir 
gläubig geworden sind; und es ist daher offenbar, daß die 
Bitte um ein „neues Herz" den Glauben an Christum, als die 
einzige Grundlage unserer Errettung, völlig ausschließt und an 
dessen Stelle das Werk des Heiligen Geistes setzt. Ist es da 
ein Wunder, daß so viele Seelen bei all ihrem Bitten um ein 
neues Herz in steter Unruhe bleiben, während sie zur wahren 
Ruhe gelangen würden, wenn sie gemäß der Aufforderung 
des Wortes Gottes an Jesum glaubten, der am Kreuz für 
Gottlose starb? 
Vielleicht sagt Du: „Ich glaube, ja ich glaube alles, was von 
dem Werke Christi gesagt ist, und dennoch habe ich keinen 
Frieden, sondern gehe stets unter einem geheimen Sündendruck einher/' — Das aber ist kaum möglich, denn wo ein 
lebendiger Glaube an Christum ist, da ist keine Unruhe, kein 
Druck der Sünde mehr. „Wer an ihn glaubt, der ist gerechtfertigt" und hat das „ewige Leben". „Da wir nun gerechtfer127 
tigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit 
Gott." Und wie könnte da, wo ewiges Leben ist, die Errettung 
eine ungewisse Sache sein? Glaubst Du aber in Wirklichkeit 
an Christum, während noch Dein Herz von Furcht und Unruhe gefoltert wird, so verrät das sicher Unwissenheit über 
das Werk, wie auch über die Person Christi, der an unserer 
statt unter dem Gericht und dem Fluch war und unser Bürge 
und Stellvertreter geworden ist. Sein Opfer ist die Versöhnung für unsere Sünden, und Er wurde zur Sünde gemacht, 
„auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm." Wie kannst 
Du nun dies alles glauben, ohne Frieden zu haben? Doch 
erlaube mir einige Fragen. Hast Du wohl je eine Zeit erlebt, 
wo Du von Deinem verlorenen Zustande sicher überzeugt 
warst, und wo Du erkanntest, daß beim Ausscheiden aus 
dieser Welt die ewige Verdammnis Dein unausbleibliches Los 
sein werde? Und hast Du in diesem Zustand Deine Zuflucht 
zu Jesu genommen? Bist Du zu jener Zeit an Seinen Namen 
gläubig geworden? Von der Beantwortung dieser Fragen hängt 
alles ab; denn man begegnet in unseren Tagen nicht selten 
einer natürlichen Erkenntnis des Werkes Christi, einem bloßen 
Fürwahrhalten, so wie man auch andere Dinge glaubt, die mit 
uns in keiner weiteren Verbindung stehen. Ist dies aber der 
Fall, so kann allerdings von keinem Frieden, von keinem Leben die Rede sein. Der wahre Glaube ist die feste und lebendige Überzeugung von dem Werk Christi in dem Herzen 
eines verlorenen Sünders. Deine Unruhe kann daher entweder in dem Mangel der Erkenntnis des Werkes Christi, oder 
in dem Mangel eines wirklichen Glaubens an dieses Werk 
ihre Quelle haben. Der Herr ladet alle Mühseligen und Beladenen ein, um ihnen Ruhe zu geben. Eile daher zu Ihm, 
wie Du bist, vertraue Dich Ihm und Seinem vollbrachten Werke 
mit ganzer Seele an, und Du wirst sicher nicht länger unter 
einem geheimen Sündendruck einhergehen. 
Ferner begegnet man nicht selten solchen Gläubigen, die der 
Meinung Raum geben, als ob es die weise Absicht Gottes 
sei, uns zu Zeiten in Ungewißheit kommen zu lassen, damit 
das Herz nicht zu sicher, sondern vielmehr in Demut erhalten 
werde. Jedoch möchte ich den Seelen zu bedenken geben, daß 
nur der Glaube es ist, der Gott die Ehre gibt und die Ohn128 
macht des Menschen bekundet. Und das ist die wahre Demut, 
hervorgegangen aus der Gewißheit des Glaubens. Abraham 
„zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, 
sondern wurde gestärkt im Glauben, Gott die Ehre gebend!" 
(Röm 4, 20.) Meine Ungewißheit aber verrät den Unglauben 
meines Herzens, ich zweifle dann an der Wahrheit des untrüglichen Wortes Gottes und des vollbrachten Werkes Christi; und sicher wird dadurch der Herr nicht verherrlicht. Sollte 
nun die Verunehrung Gottes das Mittel sein, wodurch mein 
Herz in der Demut erhalten bliebe? Und sollte es mich hochmütig machen, wenn ich in betreff der Genugtuung des Opfers Christi völlig gewiß bin und mit völliger Zuversicht in 
der Liebe und Gnade Gottes meine Ruhe finde? Nimmermehr. 
Der Hochmut sucht und findet, etwas in dem Menschen, 
dessen er sich rühmt, während ein demütiges Herz gänzlich 
von sich absieht und seinen ganzen Ruhm in Gott findet, 
über dessen Gnade es sich in völliger Gewißheit befindet. 
Und wenn der Heilige Geist durch das Wort stets bemüht ist, 
uns im Glauben zu ermuntern und zu befestigen, ist es dann 
nicht eine große Vermessenheit, die Ungewißheit als ein Mittel zur Demut und zur Abhängigkeit von Gott zu bezeichnen? 
Ach! hinter so falschen Aufstellungen verbirgt sich nur der 
Unglaube unserer armen Herzen. Wahrlich, mein Leser, je 
mehr Du der Liebe und der Gnade Gottes versichert bist, desto 
mehr wirst Du in Demut niedersinken und Den anbeten, der 
durch Sein eigenes Blut alle Deine Sünden abgewaschen hat. 
Auch wagen es sogar etliche, zur Rechtfertigung ihres Unglaubens die Worte des Apostels anzuführen: „Der Glaube ist 
nicht aller Teil." (2. Thess 3, 2.) Man sollte es kaum für 
möglich halten, daß Seelen, die sich Gläubige nennen und 
durch diesen Namen ihren Charakter bezeichnen, es wagen 
würden, durch eine falsche Anwendung dieser Stelle dem Unglauben das Wort zu reden. Wir lesen in dem vorhergehenden 
Vers: „Übrigens, Brüder, betet für uns, daß das Wort des 
Herrn laufe und verherrlicht werde, wie auch bei euch, und 
daß wir errettet werden von den schlechten und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht aller Teil." (V. 1. 2.) Gibt 
uns nun diese Stelle Anlaß, anzunehmen, daß der Glaube nur 
129 
ein Vorrecht einiger und nicht aller Gläubigen sei? Oder will 
sich der Gläubige mit jenen unvernünftigen und bösen Menschen auf ein und denselben Boden stellen? Nur der Feind 
deutet in solcher Weise das Wort Gottes; und das ungläubige 
Herz ist geneigt, seinen Deutungen Glauben zu schenken. 
Eine solche Erklärung aber würde mit der ganzen Heiligen 
Schrift im Widerspruch stehen; denn zu jeder Zeit gilt hier 
das ernste Wort: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott 
wohlzugefallen." (Hebr 11, 6.) 
Viele Gläubige werden auch oft dadurch beunruhigt, daß sie 
ihre Errettung von ihren Gefühlen abhängig machen. Ihr 
Blick ruht nicht einzig und allein auf dem vollbrachten Werke 
Christi, sondern zugleich auf dem, was in ihnen vorgeht. Aber 
da unsere Gefühle einem steten Wechsel ausgesetzt sind, ist 
selbstverständlich der auf ihnen ruhende Friede nicht weniger 
unbeständig und schwankend. Der Glaube aber ist nie auf 
das gerichtet, was in uns, sondern nur auf das, was außer 
uns liegt, auf das Werk Christi. Alles, was Christus für uns 
vollbracht hat, ist unser Teil, und nicht das, was wir davon 
erkennen oder fühlen. Wir sind versöhnt, weil Christus uns 
versöhnt hat; wir haben Frieden mit Gott, weil Christus ihn 
gemacht hat; und dies alles in so vollkommenem Maße, wie 
sein vergossenes Blut vor Gott geschätzt wird. Christus und 
Sein Werk sind vor Gott der Maßstab unserer Errettung und 
aller unserer Segnungen. Wir mögen wenig davon genießen, 
weil unser Glaube und unsere Erkenntnis schwach sind; aber 
wir verunehren Christum und Sein Werk, wenn wir dessen 
Fülle und Tragweite nach unserem Genuß abmessen. Je mehr 
dagegen unser Glaube auf Ihm und seinem Werke ruht, um 
so mehr erkennen und genießen wir die unergründlichen 
Ströme der Liebe und Gnade Gottes, und soviel mehr wird 
unser Herz, erfüllt mit Friede und Freude, Seinem Namen 
Lob, Ehre und Anbetung darbringen, während wir, wenn wir 
in unseren Gefühlen ruhen, einer Meereswoge gleichen, die 
vom Winde bewegt und hin und her getrieben wird. (Jak 1,6.) 
Ähnliche Erscheinungen gewahren wir bei solchen, die deshalb an ihrer Errettung zweifeln, weil sie nicht wandeln, wie 
sie wandeln sollten. Allerdings soll man den Baum an seiner 
130 
Frucht erkennen; keineswegs aber die Gewißheit der Errettung von einem guten Wandel abhängig machen. Solange 
der Seele die Gewißheit der Errettung folgt, ist kein guter 
Wandel denkbar, weil er nur aus dieser Gewißheit durch die 
Kraft des Heiligen Geistes hervorgehen kann. Unser Wandel, 
wie sehr auch der Genuß unserer Segnungen von ihm abhängig ist, wird stets unvollkommen sein, weil das Wesen, 
durch das der Wandel ausgeübt wird, unvollkommen ist; aber 
die Errettung ist vollkommen, weil sie das Werk Christi ist. 
Christus hat sie bereits auf Golgatha vollbracht, als ich noch 
ein gottloser und verlorener Sünder und ein Feind Gottes 
war. Er hat weder auf meinen guten Wandel gewartet, noch 
meine Errettung irgendwie davon abhängig gemacht. Wir können, mit einem Worte gesagt, uns nicht vertraut genug mit 
dem Gedanken machen, daß die Errettung außer uns in Christo 
vollbracht ist, und daß sie für alle, die an Ihn glauben, eine 
vollendete Tatsache ist. Wer an Ihn glaubt, der ist gerettet 
und hat das ewige Leben. Und je völliger durch den Glauben 
die Gewißheit meiner Errettung ist, desto mehr bin ich fähig, 
Gott durch einen würdigen Wandel zu verherrlichen. Je mehr 
ich aber auf meinen Wandel blicke, um darin die Gewißheit 
meiner Errettung zu erkennen, desto ungewisser und mithin 
auch desto unfähiger werde ich zu einem Gott wohlgefälligen 
Wandel sein. 
Schließlich mache ich noch auf solche Seelen aufmerksam, die 
ihren Glauben an die Stelle Christi setzen, die, mit anderen 
Worten, statt Christum den Glauben suchen, um diesen zu ihrem 
Erretter zu machen. Sie sind von allem, was man ihnen auch 
über Christum und Sein Werk reden mag, völlig überzeugt; 
aber ihr letztes Wort bleibt immer: „Wenn ich nur glauben 
könnte!" Nach ihrer Meinung ist der Glaube ein Werk, durch 
das sie die Errettung zu erlangen hoffen, und nicht einfach ein 
Mittel, um die durch Christum vollbrachte Errettung zu ergreifen. Würden sie aber dies erkennen, dann würden sie auch 
verstehen, daß gerade ihr Glaube sich in ihrer ausgesprochenen Überzeugung von Christo und Seinem Werke kund gibt. 
Würde nicht die Torheit eines Menschen offenkundig sein, 
der bezüglich einer irdischen Schuld die Worte sagte: „Ich bin 
völlig überzeugt, daß diese Schuld bezahlt ist, wenn ich es nur 
131 
glauben könnte"? „Der Glaube ist eine Überzeugung von 
Dingen, die man nicht sieht." (Hebr 11, 1.) Christus ist die 
uns verliehene Gabe Gottes; der Glaube ist die Hand, die diese 
Gabe empfängt. Christus hat auf dem Kreuz unsere Sünden 
getilgt und unsere Erlösung vollbracht; der Glaube erkennt 
dieses und läßt uns diese Tatsachen genießen. Christus ist 
unser Stellvertreter auf dem Kreuze, sowie unsere Rechtfertigung und unser Leben in der Auferstehung; der Glaube 
erfaßt Ihn als solchen und macht das Resultat davon für uns 
zur Wirklichkeit. 
O, möchten daher alle meine Leser, die geneigt sind, auf sich 
selbst, auf ihre Gefühle, oder auf ihren Glauben zu blicken, 
doch zu der Überzeugung kommen, daß sie auf diesem Wege 
nie zu einem dauernden Frieden, zu einem würdigen Wandel 
und einem anhaltenden Lobe des Herrn gelangen werden, 
während sie dieses Ziel sicher, wenn auch in Schwachheit erreichen werden, wenn ihr Auge unverrückt auf Christum und 
Sein vollendetes Werk gerichtet bleibt. Möge der Herr deshalb durch Seine Gnade in uns wirken, damit wir, wachsam 
und nüchtern zum Gebet, allezeit im Glauben beharren und 
Seinen Namen verherrlichen! 
Wir sind dem Gesetz gestorben 
„Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß 
ich Gott lebe." (Gal 2, 19.) Dies ist besonders in unseren 
Tagen ein höchst wichtiges Wort. Die geistliche Anwendung 
der hierdurch vorgestellten Wahrheit wird die Seele vor zwei 
Irrtümern bewahren, nämlich einerseits vor dem Geist der 
Gesetzlichkeit und andererseits vor dem Geist der Gesetzlosigkeit. Wenn ich diese beiden Übel miteinander vergleiche, oder 
wenn ich gezwungen wäre, eins vor beiden zu wählen, so würde 
ich ohne Zweifel dem Geist der Gesetzlichkeit den Vorzug geben. 
Ich sehe weit lieber einen Menschen unter der Autorität des 
Gesetzes Mose, als jemanden, der in Gesetzlosigkeit und 
Leichtfertigkeit dahinlebt. Wohl weiß ich, daß das Gesetz unerfüllbare Forderungen an den in Sünden toten Menschen 
132 
stellt und nichts als Fluch und Verdammnis in seinem Schöße 
birgt; ich weiß auch, daß es mit dem Evangelium der Gnade 
in geradem Widerspruche steht; aber nichtsdestoweniger habe 
ich mehr Achtung vor einem Menschen, der, da er nicht über 
Moses hinauszuschauen vermag, durch Beobachtung des Gesetzes, dessen Autorität er anerkennt, seinen Wandel in dieser Welt zu regeln sucht, als vor einen Menschen, der dieses 
Gesetz verachtet, um sich selbst zu gefallen. 
Gott sei Dank! die Wahrheit des Evangeliums gibt uns ein 
Heilmittel für beide Übel. Aber in welcher Weise? Werde ich 
etwa belehrt, daß das Gesetz gestorben sei? Keineswegs. Aber 
das Evangelium belehrt mich, daß ich, weil ich an den Herrn 
Jesus glaube, gestorben bin. „Ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben." Und zu welchem Zweck? Um Gefallen an 
mir selbst zu haben? Um meine eigenen Vorteile und Vergnügungen verfolgen zu können? Durchaus nicht, sondern 
damit „ich Gott lebe". 
Dies ist die Fundamental-Wahrheit des Christentums — eine 
Wahrheit, ohne die wir überhaupt nicht wissen, was Christentum ist. In gleichem Sinne finden wir in Röm 7 die Worte: 
„Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, auf daß wir Gott Frucht 
brächten." (V. 4.) Und wiederum: „Jetzt aber sind wir von 
dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten wurden, so daß wir dienen in dem 
Neuen des Geistes und nicht in dem Alten des Buchstabens." 
(V. 6.) Merken wir es uns wohl, daß wir dienen und nicht 
Gefallen an uns selber haben sollen. Wir sind von dem unerträglichen Joch Moses befreit worden, um das „leichte Joch 
Christi" zu tragen, und nicht um unserer Natur freien Lauf 
zu lassen. 
Die Weise jener Menschen, die sich auf gewisse Grundsätze 
des Evangeliums berufen, um dadurch für die Befriedigung 
des Fleisches irgend einen Rechtsgrund hervorzuheben, ist für 
ein ernstes Gemüt höchst anstößig. Sie bemühen sich, der 
Autorität Mose auszuweichen, und zwar nicht, um sich unter 
die Autorität Christi zu stellen, sondern bloß um sich und 
ihren Begierden zu leben. Eitle Mühe! Dies kann nicht ge133 
schehen auf dem Grunde der Wahrheit; denn es ist in der 
Schrift nicht gesagt, daß das Gesetz gestorben oder beseitigt, 
sondern daß der Gläubige dem Gesetz und der Sünde gestorben sei, damit er die Lieblichkeit eines Lebens für Gott genießen könne, und damit „seine Frucht zur Heiligkeit und sein 
Ende ewiges Leben" sei. 
Wir legen diesen wichtigen Gegenstand dem Leser dringend 
ans Herz. Er wird ihn in Röm 6 und 7, sowie in Gal 3 und 4 
gründlich entwickelt finden. Ein richtiges Verständnis dieser 
Wahrheit wird uns über tausend Schwierigkeiten hinweghelfen, wird eine Menge Fragen beantworten und uns von zahllosen Irrtümern fernhalten. Möge der Herr Seinem Worte 
völlige Macht über unsere Herzen und Gewissen verleihen! 
Ein Wort für alle, welche unseren Herrn 
Jesum Christum lieben 
Wenn wir in der Tat aus Gnaden gerettet sind, so sind wir 
alle, unter welchem Namen wir auch bei den Menschen bekannt sein mögen, durch dasselbe kostbare Blut Christi erkauft 
worden, das uns von allen unseren Sünden gereinigt hat. Ich 
bitte daher jeden gläubigen Leser im Angesichte Gottes, die 
folgenden Betrachtungen mit Aufmerksamkeit zu erwägen. 
1. Die himmlische Familie bildet eine Einheit. Als von Gott 
geboren, haben wir einen Vater, der uns Jesum gegeben und 
den Jesus uns geoffenbart hat. Er ist der eine Herr Jesus Christus 
— „Gott, geoffenbart im Fleische", „der Eingeborene vom 
Vater", „der Erstgeborene unter vielen Brüdern", „der Erstgeborene aus den Toten". Jeder von uns ist in Ihm gestorben 
und auferstanden. Ein und derselbe Heilige Geist wohnt in 
uns als unser Tröster, unser Erhalter, unser Führer und unser 
steter Begleiter während unserer ganzen Reise durch die Wüste. 
Und Er, der uns, und zwar „nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz und nach der Gnade, die 
uns in Christo Jesu gegeben ist vor den Zeiten der Zeitalter, 
134 
gerettet und mit heiligem Rufe berufen hat", (2. Tim 1, 9) 
fordert uns in Seinem Worte dringend auf, „würdig zu wandeln der Berufung, womit wir berufen sind, uns befleißigend, 
die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens", indem Er hinzufügt: „Da ist ein Leib und ein Geist, wie 
ihr auch berufen werden seid in einer Hoffnung eurer Berufung. 
Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der 
da ist über alle, und durch alle, und in uns allen." (Eph 4,1—6.) 
2. Das Kreuz Christi ist der Sammelplatz aller Heiligen. Der 
Herr Jesus gab Sein Leben für uns hin, damit „er die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte". (Joh 11, 52.) 
Vor Seinem Hingange betete Er für die Seinigen, „auf daß sie 
alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir und ich in dir, auf 
daß auch sie in uns eins seien". (Joh 17, 21.) Daß nun diese 
erbetene Einheit eine sichtbare Einheit sein sollte, geht klar 
aus den hinzugefügten Worten hervor: „Auf daß die Welt 
glaube, daß du mich gesandt hast." Die Welt, tot in Sünden 
und Vergehungen, ist außerstande, die unsichtbare Einheit der 
Kirche zu sehen; denn „der natürliche Mensch nimmt nicht an, 
was des Geistes Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit und 
er kann es nicht erkennen; weil es geistlich beurteilt wird." 
(1. Kor 2, 14.) Nur der Glaube sieht die unsichtbaren Dinge; 
und darum muß die vom Herrn erflehte Einheit eine sichtbare 
sein. In welchem Widerspruch steht dies mit den Erscheinungen in unseren Tagen, wo der eine sagt: „Ich bin des Paulus" 
und der andere: „Ich bin des Apollos" (1. Kor 3, 4.) und wo 
sich der eine unter diesem und der andere unter jenem Namen 
einer Partei anschließt. Ach, wie betrübend sind solche Dinge 
für das Herz unseres gesegneten Herrn. Wie ganz anders waren 
die Zustände in jenen Tagen, wo „die Menge derer, die gläubig geworden war, ein Herz und eine Seele war"! (Apg 4, 32.) 
Hat Er denn nicht auch uns zu demselben hohen Preis Seines 
kostbaren Blutes gekauft; und sollten wir nicht mit demselben 
Eifer Seine Wünsche zu erfüllen suchen? Gewiß wird der neue 
Mensch in Euch die Frage bejahen und dieser Forderung nachzukommen verlangen. Nun, dann horcht auf die letzte Bitte 
eures Herrn, als Er von der Welt schied, und seid eifrig, die 
Einheit des Leibes darzustellen. 
135 
3. Der Heilige Geist ist das Band der Einheit. Aus dem Geiste 
geboren, wohnt er in jedem von uns, wir haben einen Geist 
empfangen. Er hat uns zu Jesu gebracht. „In einem Geist sind 
wir alle zu einem Leibe getauft, es seien Juden oder Griechen, 
es seien Sklaven oder Freie; und sind alle mit einem Geist 
getränkt worden." (1. Kor 12, 13.) Gerade die Vernachlässigung des wahren Bandes der Einheit hat den gegenwärtigen 
traurigen Zustand der Kirche hervorgerufen. — Wir sind gesalbt 
als die wahren Söhne Aarons. (3. Mo 8.) Dasselbe kostbare 
Salböl, womit der wahre Aaron gesalbt wurde, ist auch unser 
Teil geworden, wie geschrieben steht: „Das köstliche ö l auf 
dem Haupte, das herabfließt auf den Bart, auf den Bart 
Aarons, das herabfließt auf den Saum seiner Kleider." (Ps 133.) 
Nachdem das geringste wie das höchste Glied des Leibes dieser 
Salbung teilhaftig geworden ist, sind wir berufen, die Wahrheit zu offenbaren, daß wir alle „einen Geist" empfangen 
haben, und daß wir „einen Leib" bilden. — „Wisset ihr nicht, 
daß ihr Gottes Tempel seid, und daß der Geist Gottes unter 
euch wohnt?" (1. Kor 3, 16.) 
4. Jede Aufrichtung einer Partei ist Fleischlichkeit und sie zerreißt das Band der Einheit. Wie betrübend ist es, wenn 
Christen irgend eine Person oder irgend eine besondere Lehre 
oder irgend einen Teil der Wahrheit zu einem Mittelpunkt 
wählen, um den sie sich versammeln. Wird nicht Christus dadurch von Seinem Ihm allein gebührenden Platz verdrängt? 
„ .. . ihr seid noch fleischlich. Denn da Neid und Streit unter 
euch ist, seid ihr nicht fleischlich, und wandelt nach Menschenweise? Denn wenn einer sagt: Ich bin des Paulus; der andere 
aber: Ich des Apollos; seid ihr nicht menschlich?" (1. Kor 3, 
3. 4.) Ein Glied dieser oder jener Benennung zu sein, steht in 
entschiedenem Widerspruch gegen das Wort Gottes; das nur 
eine Vereinigung mit dem Leihe Christi anerkennt. „Denn 
gleichwie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder 
des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind, also ist auch der 
Christus. Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem 
Leibe getauft worden.. ." (1. Kor 12, 12. 13.) „Denn wir sind 
Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinen 
Gebeinen." (Eph. 5, 30.) Und wiederum: „Denn gleichwie wir 
136 
in einem Leibe viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle 
dieselbe Verrichtung haben, also sind wir die Vielen, ein Leib 
in Christo, einzeln aber Glieder von einander"; (Röm 12,4.5.) 
„auf daß keine Spaltung in dem Leibe sei". (1. Kor 12, 25.) 
5. ]eder Gläubige ist ein Priester. „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum." (1. Petr 2, 9.) Eine 
nicht wiedergeborene Person ist, wenn sie auch noch so kenntnisreich ist, nicht ein Priester; nur die Vereinigung mit dem 
großen Hohenpriester macht ein Kind Adams zu einem Priester. — Ach! heutzutage wird man belehrt, daß das Priestertum nur solchen angehöre, die, ob sie bekehrt oder unbekehrt 
sind, von ihren Mitmenschen dazu bestimmt und ordiniert 
seien. Es gehört ja zu den gewöhnlichsten Erscheinungen, daß 
Menschen, die tot in Sünden und Vergehungen sind, sich in 
das priesterliche Amt hineindrängen. Mögen solche in 4. Mo 16 
die traurige Geschichte und das schreckliche Ende der Rotte 
Korahs betrachten, die das Priestertum an sich rissen, ohne 
Söhne Aarons zu sein. Aber jeder Gläubige ist ein Priester; 
denn Christus „hat uns gemacht zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater". (Offb 1, 6.) Wir haben keinen 
Menschen nötig, der sich zwischen Gott und uns stellt, sondern 
wir sind vielmehr aufgefordert, zu „nahen" und als wahre 
Söhne Aarons geistliche Opfer darzubringen. „Durch ihn nun 
laßt uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen." (Hebr 
13, 15.) Und „da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum 
Eintritt in das Heiligtum", so genießen wir das allgemeine 
Vorrecht der Heiligen, dort eintreten zu dürfen, wo Aaron nur 
einmal im Jahr eintreten durfte, und wo selbst den Söhnen 
Aarons der Eintritt verwehrt war. Ja, jetzt, wo der Vorhang 
zerrissen ist, sind die „Brüder" zum Eintritt ins Heiligtum, in 
den Himmel selbst, berufen, wo ihr großer Hoherpriester bereits eingetreten ist. Dort ist unser Anbetungs-Platz. Aber die 
Unterscheidungen zwischen den sogenannten Geistlichen und 
den Laien, zwischen den Priestern und dem Volk sind dem 
„Neuen Testament" gänzlich fremd. Gerade die Anstrengung, 
die Kirche nach dem Muster des Judentums zu bilden, hat den 
Grund zu diesem Irrtum gelegt; und leider nur zu oft wird 
Moses statt Christus, Gesetz statt Gnade gepredigt. Ach! über137 
all begegnet man den Zeichen der letzten Zeit. Man findet die 
Form der Gottseligkeit ohne die Kraft. Möchten doch alle 
Kinder Gottes ein offenes Ohr haben, um die Worte zu verstehen: „Gehet aus aus ihrer Mitte und sondert euch ab, 
spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde 
euch aufnehmen, und ich werde euch zum Vater sein; und ihr 
werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, 
der Allmächtige." (2. Kor 6, 17.) 
6. Der Heilige Geist ist der Regierer in der Kirche. Es ist der 
hervorstehendste Zug des Abfalls, daß der Mensch sich in der 
Kirche die Herrschaft anmaßt. Er zeigt darin den Geist des 
Antichristen, der in seinem Hochmut und Eigenwillen den 
Platz Gottes einnimmt. Die Kirche steht ganz und gar unter 
der Herrschaft des Heiligen Geistes; Er allein ordnet ihre 
Angelegenheiten durch Personen, die Er dazu beauftragt und 
begabt hat. (Hebr 13, 7. 17; 1. Tim 5, 17; Apg 20, 28.) Es 
sind aber verschiedene Gnadengaben, der Heilige Geist teilt 
sie aus, wie Er will. (1. Kor 12, 4—31.) Alle Kraft zum Dienen 
ist von Gott, sowohl das Predigen des Wortes und das Ermahnen, als auch jede andere Art des Dienstes, sogar das Darreichen eines Bechers Wasser. Einen Menschen in einen solchen 
Dienst einführen und ihn gar als den Inhaber aller Gaben 
betrachten, findet in dem Worte Gottes keine Anwendung; 
denn „dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit 
gegeben, und einem anderen aber das Wort der Erkenntnis 
nach demselben Geiste". (1. Kor 12, 8.) Und wiederum: „Da 
wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade; es sei Weissagung, so laßt uns weissagen 
nach dem Maße des Glaubens." (Röm 12, 6—9.) 
7. Menschliche Gelehrsamkeit oder nur natürliche Talente befähigen nicht zum Dienst. Ach] in diesen gefahrvollen Zeiten, 
wo man in der augenscheinlichsten Weise den Platz Gottes an 
sich reißt, wird der Mensch auf Hochschulen durch Menschen 
für diesen Dienst herangebildet und, gleichviel, ob begabt oder 
nicht, durch Menschen als Pastor gewählt und eingesetzt. Man 
fordert, hinsichtlich der Kenntnisse, ein Zeugnis der Reife und 
einen moralischen Lebenswandel; und niemand kann die 
Wahlfähigkeit eines in dieser Beziehung genügenden Men138 
sehen streitig machen, bei dem man alle Gaben, wie die eines 
Hirten, eines Lehrers, eines Evangelisten usw. voraussetzt. 
Aber wo lesen wir im Worte Gottes, daß die Herde sich einen 
Hirten wählt? Sorgt Gott allein nicht für dies alles? Sich selbst 
Lehrer aufhäufen, ist das Zeichen der letzten Tage. (Siehe 
2. Tim 4, 3. 5.) Natürlich muß ein so eingesetzter Diener, ob 
von Gott begabt oder nicht, durch ein festgesetztes Jahrgehalt 
für die Ausübung der Gaben bezahlt werden. Im Fall nun 
eine Gabe von Gott vorhanden wäre, ist es dann nicht traurig, 
sie für eine jährliche Summe in Tätigkeit zu setzen? Ist die 
Gabe aber nicht von Gott, was soll man dann sagen? Geliebte 
Brüder! der Herr befähigt uns, jedes Ding auf der Waage des 
Heiligtums abzuwiegen. Wenn die Kinder dieser Welt eingeladen werden, um für Geld das Evangelium zu hören, so steht 
dies ganz im Widerspruch mit jener Gnade, welche sagt: 
„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebet." (Matthl0,8.) 
Ach! auch solche Erscheinungen sind die bitteren Früchte des 
faulen Baumes! 
8. Der Dienst in Gnade und das Vorrecht derer, die bedient 
werden. Aber was soll geschehen, wenn jemand für das Werk 
eines Pastors begabt ist, oder für das eines Lehrers, oder 
eines Evangelisten? Woher soll er seinen Unterhalt nehmen? 
Zunächst und vor allen Dingen hat ein solcher das Beispiel 
des Apostels Paulus zu betrachten, den wir sagen hören: „Ich 
habe niemandes Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. Ihr 
selbst wisset, daß meinen Bedürfnissen und denen, die bei 
mir waren, diese Hände gedient haben." (Apg 20, 33. 34.) 
Er arbeitete nicht nur selbst als Zeltmacher, (Apg 18, 3.) 
sondern forderte auch die Ältesten von Ephesus zur Arbeit 
ihrer Hände auf. (Apg 20, 35.) Wie wenig stimmt dies 
mit den Erscheinungen in unseren Tagen überein! Andererseits aber steht auch geschrieben: „Du sollst dem Ochsen, 
der da drischt, nicht das Maul verbinden." „Also hat 
auch der Herr denen, die das Evangelium verkündigen 
verordnet, vom Evangelium zu leben." (1. Kor. 9, 9. 14.) 
Überhaupt wird es nützlich sein, unter Gebet das 9. Kapitel 
des 1. Korintherbriefes in Verbindung mit Apg 20, 17—35 
und 2. Thess 3, 8, 9 zu lesen, wo der Apostel, wiewohl er das 
139 
Recht des Arbeiters im Werke des Herrn hervorhebt, sich 
selbst dieses Rechtes nicht bedient, „auf daß wir dem Evangelium des Christus kein Hindernis bereiten." „Nicht daß wir 
nicht das Recht dazu haben", — sagt er — „sondern auf daß 
wir uns selbst euch zum Vorbild gäben, damit ihr uns nachahmet." — Andererseits fühlte er sich sehr erquickt durch die 
Beweise der Liebe seitens der Philipper, indem er an sie 
schreibt: „Ihr habt wohlgetan, daß ihr an meiner Drangsal 
teilgenommen habt. . . Denn auch in Thessalonich habt ihr 
mir einmal und zweimal für meine Notdurft gesandt. Nicht 
daß ich die Gabe suche, sondern ich suche die Frucht, die 
überströmend sei für eure Rechnung." (Phil 4, 14.—17.) Es 
mag ein geringer Grad von Liebe unter den Heiligen sein, 
wenn sie einen arbeitenden Bruder Mangel leiden sehen; sie 
mögen kein Ohr für die Ermahnung des Apostels haben, wenn 
er sagt: „Wer in dem Worte unterwiesen wird, teile von allerlei Gutem dem mit, der ihn unterweist", (Gal 6, 6.) und: 
„Wenn wir euch das Geistliche gesäet haben; ist es ein Großes, wenn wir euer Fleischliches ernten?" (1. Kor. 9, 11.) — 
aber für den Arbeiter selbst ist es ein Vorrecht zu sagen: 
„Ich aber habe von keinem dieser Dinge Gebrauch gemacht. 
Was ist nun mein Lohn? Daß ich, das Evangelium verkündigend, das Evangelium kostenfrei mache, daß ich mein Recht 
am Evangelium nicht gebrauche." „Ich suche nicht das Eure, 
sondern euch." (1. Kor. 9, 15.—19; 2. Kor. 12, 14.) Wie deutlich vermag dieser gesegnete Apostel die Gnade Christi darzustellen. Er kann den Ältesten der Versammlung in Ephesus 
sagen: „Geben ist seliger, als nehmen", und er kann, erquickt 
durch die Liebe der Philipper, ihre Gabe nennen: „einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig." (Phil 4, 18.) 
9. Die Predigt des Evangeliums ist nicht nur das Vorrecht, 
sondern auch die Pflicht jedes Heiligen. Und sicher wird die 
Liebe Christi, wenn sie in unseren Herzen wirksam ist, uns 
dringen, jedes Mittel und jede Gelegenheit zu benutzen, um 
Seelen zu gewinnen. Wir sehen uns von Tausenden umringt, 
die tot in Sünden und Vergehungen sind, und auf denen der 
Zorn Gottes liegt; wir sehen die Stunde herannahen, wo „der 
140 
Herr Jesus vom Himmel geoffenbart werden wird, mit den 
Engeln seiner Macht, in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem 
Evangelium unseres Herrn Jesu Christi nicht gehorchen." Und 
jeder Heilige sollte, nach dem Maße seiner Fähigkeit, Hand 
ans Werk legen, oder wenigstens durch Gebet und Flehen 
helfen. Das Werk der Evangelisation durch das Geld, das 
Ansehen und den Einfluß der Welt fördern zu wollen, ist eine 
Verzichtleistung auf die Macht Gottes. Aber wie gesegnet 
würde es sein, wenn alle Heiligen in dieser Hinsicht treu ihren 
Beruf erfüllten! 
10. Kirchliche Versammlungen sind Versammlungen der Heiligen zur gegenseitigen Auferbauung, wo die Brüder in der 
Abhängigkeit vom Heiligen Geiste mit ihren verschiedenen 
Gaben dienen. „Propheten aber laßt zwei oder drei reden." 
(1. Kor. 14, 28.) „Denn ihr könnt einer nach dem anderen 
weissagen, auf daß alle lernen und alle getröstet werden." 
(V. 31.) „Erbauet einander!" Und wie oft sind die Heiligen, 
wenn sie einfach im Namen Jesu und in der Abhängigkeit von 
dem Heiligen Geiste versammelt waren, durch irgend ein Lied 
oder durch das Lesen irgend eines Schriftabschnitts gesegnet 
worden. Mögen auch unbekehrte Menschen zugegen sein, so 
bleibt der Gottesdienst der Heiligen dennoch der einzige Zweck 
der Versammlung. 
11. Das Wort Gottes ist für die Heiligen die einzige Richtschnur, sei es in der Lehre oder im praktischen Wandel. Jedes 
für die Kirche notwendige Ding ist dort zu finden. Laßt uns 
daher, geliebte Brüder, alles in dem Lichte dieses Wortes 
prüfen; alle Dinge, die im Widerspruch mit dem Wort stehen, 
sind verwerflich. Finden wir aber, wenn wir als kleine Kinder 
das Wort unseres Vaters hören, daß diese Dinge wahr sind, 
so laßt uns demgemäß handeln. Der Herr Jesus wird bald 
zurückkehren. „Denn noch über ein gar Kleines, und der 
Kommende wird kommen und nicht verziehen." Möchten 
wir alle dann als solche erfunden werden, die Seinem Worte 
treu anhangen! Sicher werden wir dann die süße Einladung 
vernehmen: „Wohl, du guter und treuer Knecht! — gehe ein 
in die Freude deines Herrn." — 
141 
Eine gesegnete Mischung 
„Das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei 
denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben vermischt war." 
(Hebr 4, 2.) 
Wir halten es für bedeutsam, die Aufmerksamkeit unserer 
Leser auf die Autorität und den Wert des Wortes Gottes 
zu richten, und zwar verbunden mit der Wirksamkeit des 
Glaubens an dieses Wort. Hier finden menschliche Gedanken, 
Gefühle, Urteile, Überlieferungen und Aufstellungen keinen 
Platz. Wie könnten wir auch den Seelen der Menschen wirksamer dienen als dadurch, daß wir sie ermuntern, dem lauteren 
Worte Gottes einen höheren Wert beizulegen, und es zu betrachten als das, was allein ihrer Überzeugung, ihrem Charakter und Wandel eine göttliche Unerschütterlichkeit und Festigkeit verleihen kann. Es gibt in der ganzen Welt keine kostbarere und nützlichere Mixtur, als die, welche durch die Mischung des Wortes Gottes und des Glaubens entstanden ist. 
Viele scheinen ihre Gefühle an den Platz des Glaubens stellen zu wollen. Das ist ein großer Irrtum. Der Apostel spricht 
von einer solchen Mischung nicht. Das Wort Gottes ist an und 
für sich selbst genügend; wird es einfach geglaubt, so gibt es 
dem Herzen Frieden. Wenn ich ihm aber meine Gefühle beimischen müßte, um es wirksam zu machen, so würde ich es 
eitel und ungültig machen. 
Wir wollen ein Beispiel wählen. Gott hat im 1. Buch Mose, 
Kapitel 9 erklärt, daß Er die Erde nicht wieder durch eine 
Flut verderben werde. Muß ich etwa dieser Erkärung meine 
Gefühle beimischen, um mich von ihrer Wahrheit zu vergewissern? Ist sie nicht göttlich genügend, um, wenn sie im 
Glauben aufgenommen wird, mein Herz in bezug auf die 
Flut in Ruhe zu bringen? Sicherlich. Würde daher der 
Regen auch Monate lang in Strömen auf die Erde fallen, so 
würde gewiß mein Herz durch keine Befürchtung bezüglich 
einer Flut geängstigt werden. Das Wort Gottes aber, das 
mir versichert, daß die Erde nicht wieder durch die Flut des 
Wassers verderbt werden solle, erklärt mir auch, daß die 
142 
Erde für das „Feuer behalten" werde. Das eine ist so wahr 
wie das andere. Menschliche Gefühle finden dabei keinen 
Platz. Das Wort Gottes ist die Autorität für beide Ereignisse; 
und dieses Wort braucht nur mit dem „Glauben vermischt" zu 
werden, damit es der Seele „nützen" möge. 
So verhält es sich mit „jedem Worte, das durch den Mund 
Gottes ausgeht." Es muß nur „mit dem Glauben vermischt" 
sein. Es bedarf unserer Gefühle nicht, um es wahr zu machen; 
es ist| in sich selbst wahr. Jedes Wort Gottes ist wahr; und 
der Glaube empfängt es als ein wahrhaftiges Wort. Gefühle 
bilden nicht das Fundament des Glaubens. Das Wort Gottes 
ist das Fundament; und die Gefühle sind bloß die Frucht. 
Gott sagt mir, daß ich ein verlorener Sünder bin, ich glaube 
es. Gott sagt mir, daß Christus gekommen ist, einen solchen 
zu retten, ich glaube es. Gott sagt mir, daß Christus starb und 
am dritten Tage wieder auferstanden ist, ich glaube es. Gott 
sagt mir, daß jeder, der glaubt, daß Christus gestorben und 
auferstanden ist, das „ewige Leben" habe und „von allem 
gerechtfertigt" sei, (Joh 5, 24; Apg 13, 39.) ich glaube es. 
Gott sagt mir, daß ich, gerechtfertigt aus Glauben, Frieden 
mit Gott habe, (Röm 5, 1.) ich glaube es. Gott sagt mir: 
„Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung", 
(2. Kor 5, 17.) ich glaube es. Gott sagt mir, daß ich mit Christo gekreuzigt, gestorben, begraben und auferstanden bin, 
(Eph 2, 5. 6; Kol 2, 11-13; 3, 1-3.) ich glaube es. Was hätte ich 
auch anders zu tun? Soll ich in mein armes, wankendes Herz, 
auf meine flüchtigen Gefühle schauen, um etwas ausfindig zu 
machen, wodurch das Wort des lebendigen und wahrhaftigen 
Gottes bekräftigt, bestätigt und wirksam gemacht werden 
könnte? Leider schlagen Tausende diesen traurigen Weg ein; 
und darin liegt das Geheimnis des kränkelnden Zustandes, 
der bei so vielen Christen vorherrschend ist. Die in Hebr 4, 2 
angeordnete Mischung ist sehr herabgeschwächt. Einer der 
kostbaren Bestandteile, woraus diese Mischung zusammengesetzt ist, ist beiseite gesetzt, und eine falsche Zutat nimmt 
dessen Stelle ein. Das „verkündigte Wort" ist mit „Gefühlen", 
anstatt mit dem „Glauben gemischt". — Beachten wir daher 
allen Ernstes das Wort des Apostel, wenn er sagt: „Fürchten 
wir uns nur, daß nicht etwa, da eine Verheißung, in seine 
143 
Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, jemand von euch zurückgeblieben zu sein scheine. Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, gleichwie auch jenen; aber 'das 
Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, 
die es hörten, nicht mit dem Glauben vermischt war." 
Die Tätigkeiten Christi für Sein Volk 
Er gab Sich für ihre Sünden. Gal 1, 4. 
Er erweckt sie durch Seine Stimme. Joh 5, 25. 
Er versiegelt sie durch Seinen Geist. Eph 1,13. 
Er nährt sie durch Sein Fleisch und Blut. Joh 6, 56. 57. 
Er reinigt sie durch Sein Wort. Joh 13, 5. Eph 5, 26. 
Er erhält sie durch Seine Fürbitte. Röm 8, 34. Hebr. 7, 25. 
1. Joh 2,1 . 
Er nimmt sie einzeln zu Sich auf. Apg 7, 59.; Phil 1, 23. 
Er wacht über ihre verwesliche Hülle und wird sie auferwecken 
durch Seine Macht. Joh 6, 39. 40; 1. Kor 15, 52; 1. 1116554,16. 
Er wird ihnen entgegenkommen in der Luft. 1. Thess 4, 17. 
Er wird sie gleichförmig machen Seinem Bilde. Phil 3, 21 ; 
1. Joh 3, 2. 
Er wird sie mit Sich vereinigen in Seinem ewigen Reich. 
Joh 14, 3; 17, 24. 
Das sind also die Tätigkeiten Christi für Sein Volk; sie umfassen die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. 
Sie erstrecken sich wie eine goldene Linie von Ewigkeit zu 
Ewigkeit. Wohl mag gesagt werden: „Glückselig das Volk, 
dem also ist! Glückselig das Volk, dessen Gott Jehova ist!" 
(Psalm 114,15) 
144 
Ein auffallender Gegensatz 
(Man lese Apostelgeschichte 8, 5—40.) 
Das achte Kapitel der Apostelgeschichte zeigt uns einen bedeutenden und äußerst lehrreichen Gegensatz zwischen dem Zauberer von Samaria und dem Kämmerer von Aethiopien. Betrachten wir daher für einige Augenblicke die beiden Charaktere, und wir werden Gelegenheit finden, irgend eine nützliche Belehrung für uns daraus zu schöpfen. 
Das Kapitel beginnt mit einer Mitteilung betreffs der Wirksamkeit des Philippus. „Philippus aber ging hinab in eine 
Stadt von Samaria, und predigte ihnen den Christus." (V. 5.) 
In der Tat ein gesegnetes Thema! Bei einem treuen Prediger ist 
Christus der Anfang, die Mitte und das Ende seiner Predigt. 
„Und die Volksmenge achtete einmütig auf das, was von 
Philippus geredet wurde, indem sie zuhörten und die Zeichen 
sahen, die er tat. .. Und es war eine große Freude in jener 
Stadt." (V. 6—8.) So muß es stets sein. Wenn Christus gepredigt wird und die Zuhörer darauf achten und die frohe 
Botschaft aufnehmen, dann wird „große Freude" die unausbleibliche Folge sein. Die Beschäftigung des Predigers ist, 
„Christum zu predigen", und die Beschäftigung der Zuhörer 
ist, darauf zu „achten und zu glauben". Nichts kann einfacher 
sein. 
Aber ach! dieser Himmelsglanz sollte bald überzogen werden 
mit jenen dunklen Wolken, die stets hervorgerufen werden 
durch die Selbstsucht und Eigenliebe der Menschen. Alles war 
einfach und schön, heiter und frisch, so lange Christus erhoben wurde und die Seelen in der Erkenntnis des Heils ihre 
Segnungen fanden. „Ein gewisser Mann aber, mit Namen 
Simon, befand sich vorher in der Stadt, der Zauberei trieb 
und das Volk außer sich brachte, indem er von sich selbst 
sagte, daß er etwas Großes sei." (V. 9.) Hier zeigt uns der 
inspirierte Geschichtsschreiber etwas, wodurch die herrliche, 
feierliche Stille plötzlich unterbrochen wird. An den Platz 
jenes Herolds des Heils, welcher Christum erhob, tritt vor 
145 
unser Auge ein armer Wurm, der Anstrengungen macht, sich 
selbst zu erheben, und statt jener auf die Worte der Wahrheit lauschenden Volksmenge sehen wir ein durch Zauberei 
außer sich gebrachtes Volk. 
Simon gab vor, daß er etwas Großes sei; und die öffentliche 
Meinung begünstigte seine Anmaßungen. „Welchem alle, 
vom Kleinen bis zum Großen, anhingen und sagten: Dieser 
ist die Kraft Gottes, genannt die große." (V. 10.) Es ist nicht 
selten der Fall, daß die, welche die hochmütigsten Ansprüche 
erheben, auch den höchsten Platz in den Gedanken der Menschen einnehmen. Was schadet es, ob auch das Fundament, 
worauf sich diese Ansprüche stützen, noch so schwach und 
gebrechlich ist? Die Menge kümmert sich weder um das Fundament, noch um das, was hinter der Szene ist. Ihre Gedanken schwimmen stets auf der Oberfläche und sind darum leicht 
zu täuschen. Der Großtuer und Prahler bahnt sich mit leichter Mühe einen Weg zu den Herzen der Menge, während der 
Demütige, der Anspruchslose, der Bescheidene von seiten der 
Menschen dieser Welt der Vergessenheit und der Nichtachtung 
anheimgegeben ist. Darum wurde der hochgepriesene Herr, 
der Sich selbst zu nichts machte, der nicht Seine eigene Ehre 
suchte, und nichts hatte, wohin Er Sein Haupt legte, preisgegeben für einen Mörder und Räuber und zwischen zwei Missetäter an ein entehrendes Kreuz genagelt. 
Aber Simon, der Zauberer, gab vor, daß er etwas Großes sei; 
und die pomphaften Anmaßungen dieser Selbst-Überhebung 
fanden Eingang bei der ungläubigen Menge. Auf ihn richteten 
alle ihre Blicke. Warum? War es vielleicht, weil er ihnen zu 
nützen suchte durch die eifrigen Anstrengungen eines hochherzigen Wohlwollens? Keineswegs. Was war also die Ursache? „Weil er sie lange Zeit mit den Zaubereien außer sich 
gebracht hatte." (V. 11.) So ist der Mensch, so ist die Welt. 
Ja, und so sind auch die Christen. Laßt uns nur lauschen auf 
die Worte: „Denn ihr ertraget gern die Toren, da ihr weise 
seid. Denn ihr ertraget es, wenn jemand euch knechtet, 
wenn jemand euch aufzehrt, wenn jemand von euch nimmt, 
wenn jemand sich überhebt, wenn jemand euch ins Angesicht 
schlägt." (2. Kor 11, 19. 20.) Diese Worte sind an Heilige gerichtet; und wir wissen, wie sie leider auch in unseren Tagen 
146 
Anwendung finden. Die Heilige Schrift hat im voraus diese 
Dinge bezeichnet, und „es gibt nichts Neues unter der Sonne." 
Jene dünkelhaften, prahlerischen, übermütigen Apostel hatten 
dem wahren, sich selbst verleugnenden, geweihten Diener 
Christi die Zuneigung und Würdigung selbst der Heiligen 
Gottes fast gänzlich geraubt. Welch eine schreckliche Erläuterung der Worte: „Jehova kennt die Gedanken der Menschen, daß sie Eitelkeit sind." — Ja, in der Tat, es kann nichts 
Eitleres geben als die Gedanken und Überlegungen der Menschen. 
Indes hatte sich die Zeit in Samaria geändert, und zwar durch 
die Einführung des Evangeliums. „Als sie aber dem Philippus 
glaubten, der das Evangelium von dem Reiche Gottes und 
dem Namen Jesu Christi verkündigte, wurden sie getauft, 
sowohl Männer als Weiber. Aber auch Simon selbst glaubte, 
und als er getauft war, hielt er sich zu Philippus; und als 
er die Zeichen und großen Wunder sah, geriet er außer sich." 
(V. 12. 13.) 
Es ist hier nicht der Ort, die Frage zu prüfen, ob Simon wirklich ein bekehrter Mann war, oder nur ein heuchlerischer Bekenner. Wir können, ohne diese Frage zu berühren, eine höchst 
lehrreiche Unterweisung und einen praktischen Nutzen aus 
dieser Geschichte ziehen. Simon war ein selbstsüchtiger Mensch 
von Anfang bis zu Ende. Die eigene Erhebung war für ihn 
Zweck und Ziel. Zuerst machte er Gebrauch von der Zauberei, um dieses Ziel zu erreichen; und als die Zeit des christlichen Bekenntnisses ihm das Fundament, worauf er sich erhob, unter den Füßen wegrückte, da umklammerte er ein 
neues Ding. Er stellte seinen Fuß auf den Boden des Bekenntnisses, nicht wie jemand, der für sein gebrochenes Herz 
und für sein ihn verklagendes Gewissen Ruhe sucht, sondern 
wie jemand, der etwas zu sein trachtet. Aus der inspirierten 
Erzählung geht augenscheinlich hervor, daß Simon weit mehr 
beschäftigt war mit den Zeichen und Wundern, von denen 
das Evangelium begleitet war und wodurch es bestätigt wurde, 
als mit den Tröstungen, die das Evangelium darreichen will. 
Hier zeigte sich in der Tat kein Herz, das durch die Gnade 
des Evangeliums mit Frieden erfüllt war, sondern ein Gemüt, 
das über die Zeichen und Wunder staunte, die geschahen. 
147 
Denn „als er die Zeichen und großen Wunder sah, geriet er 
außer sich". Nur darauf richteten sich seine staunenden Blicke. 
Jene Erscheinungen, die bloß dazu bestimmt waren, die Aufmerksamkeit der Herzen auf Christum zu lenken, wurden von 
Simon als solche betrachtet, die ihn selbst erhöhen konnten. 
Er hoffte, in dem Christentum für seinen Ruhm einen festeren 
Boden zu finden, als er ihn bis dahin durch die Zauberei 
haben konnte. 
Alles dieses tritt klarer ins Licht, sobald der Heilige Geist 
auf den Schauplatz tritt. „Als aber die Apostel, die in Jerusalem waren, gehört hatten, daß Samaria das Wort Gottes 
angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen, 
welche, als sie hinabgekommen waren, für sie beteten, damit 
sie den Heiligen Geist empfangen möchten; denn er war noch 
nicht auf einen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein 
getauft auf den Namen des Herrn Jesu. Dann legten sie ihnen 
die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist. Als 
aber Simon sah, daß durch das Auflegen der Hände der Apostel der Heilige Geist gegeben wurde, bot er ihnen Geld an 
und sagte: Gebet auch mir diese Gewalt, auf daß, wem irgend 
ich die Hände auflege, er den Heiligen Geist empfange. Petrus 
aber sprach zu ihm: „Dein Geld fahre samt dir ins Verderben, 
weil du gemeint hast, daß die Gabe Gottes durch Geld zu 
erlangen sei! Du hast weder Teil noch Los an dieser Sache; 
denn dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott. Tue denn Buße 
über diese deine Bosheit, und bitte den Herrn, ob dir etwa 
der Anschlag deines Herzens vergeben werde; denn ich sehe, 
daß du in Galle der Bitterkeit und in Banden der Ungerechtigkeit bist." (V. 14-25.) 
Welch ein feierlich ernstes Gemälde! Welch eine heilige Unterweisung! Selbstsucht führt stets zur Bitterkeit, mag sie uns 
bei einer bekehrten oder bei einer unbekehrten Person begegnen. Jeder, der sich selbst zu erhöhen trachtet, jeder, der etwas 
sein will, der zu glänzen sucht vor dem Auge seiner Mitmenschen, wird früher oder später Bitterkeit und Galle zur 
Reife bringen. Es kann nicht anders sein. Man kann es als 
einen bestimmten Grundsatz festsetzen, daß in dem Maße, 
wie unser Ich der Gegenstand und das Ziel ist, auch die Bitter148 
keit die Folge sein wird. Hätte Simon den Gegenstand seines 
Herzens in Christo, den Philippus predigte, gefunden, so 
würde er nicht nötig gehabt haben, die erschreckenden Worte 
des Petrus zu hören. Sein Herz wäre dann „aufrichtig vor 
Gott" gewesen. Nur wenn Christus der Blickpunkt für uns 
ist, ist das Herz aufrichtig vor Gott. Allein, es stand so traurig 
um Simon, und sein Herz war so völlig entfernt von Gott, von 
Christo und von dem Heiligen Geiste, daß, als Petrus ihn aufforderte, Gott zu bitten, ob ihm vielleicht der Anschlag seines 
Herzens vergeben würde, er keine andere Antwort hat als: 
„Bittet ihr für mich den Herrn, damit nichts über mich komme 
von dem, wovon ihr gesagt habt." (V. 24.) Anstatt seine Sünden zu bekennen, forderte er andere auf, für ihn zu beten, 
damit die Folgen seiner Sünde ihn nicht treffen möchten. 
Hier endet die Geschichte des Zauberers, und Simon ist unseren Blicken entzogen. Möge die in dieser Geschichte enthaltene Lehre sich tief in unsere Herzen einprägen! Möge der 
Herr in Seiner Gnade uns völlig von Selbstsucht befreien und 
unsere Herzen erfüllen mit Liebe für Seinen Heiligen Namen! 
Wenden wir uns jetzt von diesem traurigen Ereignis ab, und 
richten wir unsere Blicke auf ein Gemälde, das von dem vorigen ganz verschieden ist. 
„Ein Engel aber des Herrn redete zu Philippus und sprach: 
Stehe auf und gehe gegen Süden, auf den Weg, der von Jerusalem nach Gaza hinabführt; derselbe ist öde. Und er stand 
auf und ging hin. Und siehe, ein Äthiopier, ein Kämmerer, 
ein Gewaltiger der Kandace, der Königin der Äthiopier, der 
über ihren ganzen Schatz gesetzt war, war gekommen, um zu 
Jerusalem anzubeten, und er war auf der Rückkehr, und saß 
auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaias." (Apg 8, 
26. 27.) 
Welch ein Kontrast tritt uns hier vor Augen! Statt eines Zauberers, der mit Hilfe der Künste seiner Zaubereien etwas Großes zu sein vorgibt, erblicken wir hier einen Mann von wirklich hohem Ansehen und Rang, einen Mann von Gewicht 
und Würde, der ganz und gar sich selbst und seine Stellung 
aus dem Auge verloren hat und beschäftigt ist, den Gegenstand seines Gottesdienstes und seiner Anbetung zu finden. 
149 
Er war einer von den Großen dieser Erde und hatte nicht nötig 
vorzugeben, daß er ein solcher sei; aber statt mit sich selbst 
oder mit seiner Größe beschäftigt zu sein, dürstete seine Seele 
nach etwas, das weit über seine Person und seine Umgebung 
hinausging. Er war von Äthiopien nach Jerusalem gegangen, 
um anzubeten, und befand sich, augenscheinlich unbefriedigt, 
auf dem Rückwege. 
Dies alles ist von außerordentlicher Bedeutung. Wir sind erfreut, den Simon, der sich selbst sucht, verlassen zu können 
und einen Kämmerer begleiten zu dürfen, der Christus suchte. 
Es ist zu sehen, wie erfrischend, dieser ernste, einsame Mann 
in den Schriften des Propheten den Gegenstand für sein Herz 
sucht. Wir werden sicher fühlen, daß dieses ein Anblick 
war, an dem der Himmel selbst seine Wonne hatte. Ein 
Engel wurde nach Samaria gesandt, den Apostel von den 
dortigen blühenden Gefilden des Dienstes abzurufen und ihn 
hinzusenden in die Einsamkeit der Wüste Gaza, um sich hier 
mit einer einzelnen Person zu beschäftigen. Wie bemerkenswert ist es, daß der inspirierte Schreiber zwei solche Männer, 
wie Simon und den Kämmerer, nebeneinanderstellt! Sie bilden ganz und gar zwei Gegensätze. Philippus fand in Simon 
einen Mann, der das Volk durch Zauberei außer sich brachte 
und etwas Großes zu sein vorgab; und in dem Kämmerer 
einen, der sich mit ganzem Ernst in das Studium des Wortes 
Gottes vertiefte. Er fand den einen mitten in dem Geräusch 
und dem Gedränge der Stadt in rastloser Tätigkeit, um vor 
den Augen der Welt eine Rolle zu spielen, und für sich selbst 
aus allem Nutzen zu ziehen; den anderen fand er in der 
Wüste, zurückkehrend von dem Orte seiner Anbetung, um 
sich wieder zu seinem Wirkungskreise in Äthiopien zu begeben. Sie bildeten in der Tat zwei entschiedene Gegensätze. 
Verfolgen wir aber ein wenig die Geschichte dieses interessanten, höchst begünstigten Äthiopiers. Es mochte dem Evangelisten seltsam erscheinen, den glänzenden Wirkungsplatz in 
Samaria, wo eine so große Menge auf ihn hörte, verlassen 
und eine Wüste betreten zu müssen, wo er kaum erwarten 
durfte, jemanden zu finden. Wem sollte er hier predigen? 
Die Natur würde sicher eine solche Frage erhoben haben; 
150 
aber wie uns hier mitgeteilt wird, blieb Philippus nicht lange 
in Unwissenheit in betreff seiner Arbeit. „Der Geist aber 
sprach zu Philippus: Tritt hinzu und schließe dich diesem 
Wagen an. Philippus aber lief hinzu." (V. 29.) Wie einfach! 
Welch ein liebliches Bild von einem Diener! Für das Herz 
eines rechtschaffenen Dieners ist es gleich, ob er in eine Stadt 
oder in eine Wüste, zu einer Menge oder zu einer einzelnen 
Person gesandt wird. Der Wille seines Herrn gibt stets den 
Ausschlag. O, möchten auch wir dieses mehr verwirklichen! 
Möchten auch wir mehr die wirkliche und tiefe Segnung genießen, unser angewiesenes Werk vor dem unmittelbaren 
Auge Jesu auszuführen, ohne uns zu kümmern um den Wirkungsplatz und den Charakter dieses Werkes! Wir mögen 
berufen sein, vor versammelten Tausenden stehen, oder im 
Verborgenen unsere Wege von Gasse zu Gasse, von Dachstübchen zu Dachstübchen machen zu müssen, wir mögen das 
Evangelium in großen vollen Räumen verkündigen oder es 
im Zimmer eines Krankenhauses dem Ohr eines Sterbenden 
nahebringen — der treue Diener tut beides mit der gleichen 
Freude. Und gewiß wird es auch bei uns so sein, wenn nur 
die wahre Gesinnung eines Dieners unsere Herzen belebt. Der 
Herr wolle uns mehr davon gewähren! 
„Philippus aber lief hinzu, und hörte ihn den Propheten Jesajas lesen, und sprach: Verstehst du wohl, was du liesest? Er 
aber sprach: Wie könnte ich denn, wenn nicht jemand mich 
anleitet? Und er bat den Philippus, daß er aufsteige und sich 
zu ihm setze." (V. 30.) Der Herr weiß, wie und wo sich die 
Pfade des Predigers und des Zuhörers kreuzen sollen; und 
wenn sie sich einander begegnen, dann ist eine Kette gebildet, die nicht gesprengt werden kann. In Jerusalem befanden 
sich jene, welche die frohe Botschaft dem Ohr des Kämmerers 
hätten nahebringen können; aber Gott hatte es angeordnet, 
daß Philippus das Vorrecht genießen sollte, diesen Fremdling 
zu den Füßen Jesu zu führen, und daß sie sich nach Seiner 
gnadenreichen Vorsehung in der Wüste Gaza begegnen sollten. 
Richten wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf die Schriftstelle, 
auf der das Auge des Kämmerers ruhte, als Philippus seinen 
Platz neben ihm einnahm. „Die Stelle der Schrift aber, die er 
151 
las, war diese: Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm stumm ist vor seinem Scherer, also 
tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde 
sein Gericht weggenommen; wer aber wird sein Geschlecht 
beschreiben? denn sein Leben wird von der Erde weggenommen." (Jes 53, 7. 8.) „Der Kämmerer aber antwortete dem 
Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet dieses? von sich selbst oder von einem anderen? Philippus 
aber tat seinen Mund auf, und, anfangend von dieser Schrift, 
verkündigte er ihm das Evangelium von Jesu." (V. 32—35.) 
Bei dem Kämmerer war die Frage geweckt: „Wer ist diese 
geheimnisvolle Person?" — Gesegnete Frage! Er forderte den 
Philippus nicht auf, ihm irgendeinen Text zu erklären. Ach 
nein! er verlangt etwas, was viel bedeutender war. Erwünschte, 
etwas von dieser wunderbaren Person zu erfahren, welche gleich einem Schaf zur Schlachtung geführt worden war. 
Dieses war alles, wonach er fragte. Wer konnte diese Person 
sein? Es war Jesusl Glückseliger Kämmerer! Er hatte endlich 
sein Ziel erreicht. Sein Auge hatte auf dieser kostbaren Schriftsteile geruht und hier die Erzählung von dem „Lamme Gottes" 
gefunden, das an das Fluchholz geführt und unter der gerechten Hand eines Gottes, der die Sünde haßt, zermalmt worden 
war. Und für wen? Für jeden Mühseligen und Beladenen, der 
dem Schutz Seines versöhnenden Blutes vertraut. Das war 
der herrliche Gegenstand, der dem Auge und Herzen dieses 
ernsten und aufrichtigen Kämmerers dargestellt wurde. Die 
große Fundamental-Wahrheit des Evangeliums — die Lehre 
von dem Blut eines die Sünde tragenden Christus machte sich 
mit göttlicher Kraft und Fülle in seiner Seele Bahn. Kein auffallendes Zeichen oder Wunder wurde hier der verkündigten 
Wahrheit beigefügt. Das war unnötig. Das Wort kam mit 
Macht. Der Boden war gut und für den köstlichen Samen 
herrlich zubereitet. Das ernste Suchen des Kämmerers war 
in ein glückseliges Finden umgewandelt. Der Sünder und Jesus waren zusammengetroffen, der Glaube vereinigte sie, und 
alles war in Ordnung gebracht. 
„Als sie aber auf dem Wege fortzogen, kamen sie an ein 
gewisses Wasser. Und der Kämmerer spricht: Siehe da ist 
152 
Wasser; was hindert mich, getauft zu werden? Und er hieß 
den Wagen halten, und sie stiegen beide in das Wasser hinab, 
Philippus und der Kämmerer; und er taufte ihn. Als sie aber 
aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn 
den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; denn 
er zog seinen Weg mit Freuden." 
Die schöne und bezeichnende Anordnung der Taufe stellt das 
Begräbnis des alten Menschen vor. In diesem Lichte betrachtet 
ist die Frage des Kämmerers bedeutungsvoll: „Was hindert 
mich, getauft zu werden?" Sicher nichts. Er hatte Jesum gefunden und hatte Ursache, sein Ich zu begraben. Wie einfach! 
„Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung." 
(2. Kor 5, 17.) Der alte Mensch ist nicht besser gemacht, sondern hinweggetan; und Christus ist jetzt der eine große Gegenstand vor der Seele. Wenn diese Dinge verstanden sind, 
wenn das Ich aus dem Gesichtskreis verloren ist und Christus 
die Seele erfüllt, dann können wir mit Freuden unseren Weg 
verfolgen. So war es bei dem Kämmerer. Er stieg aus seinem 
Wassergrabe hervor, um seine Reise fortzusetzen, jenen heiligen, glückseligen Pfad entlang, der von dem Kreuz aus beginnt und in der Herrlichkeit endet. — Wir sehen also, wie von 
Anfang bis zu Ende der Kämmerer von Äthiopien und der 
Zauberer von Samaria zwei entschiedene Gegensätze bilden. 
Und sicher repräsentierten diese beiden Männer zwei große 
Klassen, nämlich die, welche mit sich selbst, und die, welche 
mit Christo beschäftigt sind. Simons Gegenstand war sein 
Ich, und sein Ende „Bitterkeit"; der Gegenstand für das Herz 
des Kämmerers war Jesus, und sein Ende „Freude". 
Möge der Herr diese Unterweisungen tief in unsere Herzen 
prägen! Mögen wir befreit sein von dem Elend der Selbstsucht in allen ihren Erscheinungen und Graden, und mögen 
wir erfüllt sein mit Christo, um unseren Weg mit Freuden 
ziehen zu können! — 
153 
Die Abnahme im geistlichen Leben 
und ihre Kennzeichen 
So wie von Ephraim gesagt worden ist, daß sein Haar ergraut 
sei, ohne daß er es gemerkt habe, so tritt auch im allgemeinen 
der offenbare Rückgang oder die Abnahme im geistlichen Leben nicht so plötzlich und sichtbarlich in die Erscheinung. Im 
Gegenteil geht gewöhnlich eine lange Reihe von Symptomen 
voraus, die einen Zustand ankündigen und vorbereiten, der 
nicht entdeckt wird, bis er endlich nicht mehr verborgen bleiben kann. Daher ist es für unser geistliches Wohl von Bedeutung, daß wir diese vorausgehenden Erscheinungen frühzeitig und schnell wahrnehmen. „Wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet." Ist ein geistlicher Sinn 
vorhanden, um die ersten Spuren der Abnahme zu sehen und zu 
fühlen, so werden diese selbstverständlich verurteilt und unterdrückt. Wir werden weder billigen noch fördern, was wir als 
unrecht erkannt haben. Ist dagegen die Schärfe unseres Gewissens abgestumpft, so sehen wir das Böse nicht, oder, wenn 
wir es auch sehen, finden wir es unter den Umständen, in 
denen wir uns gerade befinden, verzeihlich und geben ihm 
immer mehr nach. „Das Licht ist es, welches alles offenbar 
macht." „Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in ihm." 
— Wir sind Licht in dem Herrn. Wenn wir im Licht wandeln, 
so befinden wir uns in der Nähe des Herrn und werden dort 
alles so sehen, wie Er es sieht. Es ist möglich, daß wir etwas 
nicht ganz klar sehen, aber wir sehen es doch; und da wir es 
in Seiner Gegenwart sehen, so werden wir uns von allem 
zurückziehen, was Seiner nicht würdig ist. Wenn wir in der 
Finsternis wandeln, so haben wir keine Gemeinschaft mit 
Ihm. Es handelt sich hier nicht bloß um ein gutes Gewissen, 
um darin vor Ihm zu wandeln, sondern um praktische Gemeinschaft mit Ihm. Die ist aber undenkbar, wenn wir nicht 
im Lichte sind; nur im Licht sind alle Dinge offenbar, wie 
Gott sie offenbar macht. Wir werden auf die Linie, die gezogen werden muß, aufmerksam gemacht, und wir nehmen sie 
an. Dies aber gibt uns einen freimütigen Zugang zu einer 
154 
engeren Gemeinschaft mit Ihm. Die Finsternis begreift das 
Licht nicht. Wenn ich im Lichte bin, so beurteile ich mich selbst, 
und klage mich alles dessen an, was Gott zuwider ist; und 
eben weil ich im Lichte, in meiner mich schirmenden Waffenrüstung stehe, werde ich nicht gerichtet. Jedoch hat dies nur 
Bezug auf den Wandel und auf die daraus entspringende 
Freude der Seele; man kann darin sehr mangelhaft sein und 
dennoch ein gewisses Maß von Frieden des Gewissens und 
von Tätigkeit im Dienste für den Herrn kundgeben. Wenn 
nun aber diese Unfähigkeit zum Selbstgericht fortdauert, so 
werden wir von dem Herrn gezüchtigt, und dieses Gericht 
wird auf mannigfache Weise ausgeübt. 
Es wird nützlich und belehrend sein, aus der Schrift die Kennzeichen der Abnahme zu sammeln. Das erste und untrüglichste 
Kennzeichen ist die Unzufriedenheit. „Begnüget euch mit dem, 
was vorhanden ist", (Hebr 13, 5.) hat eine viel weitere Anwendung, als nur auf irdische Dinge, es bildet auch eine Waffe 
gegen die Macht des Menschen. Diese Stelle deutet auf die 
folgende hin: „ .. . so daß wir kühn sagen dürfen: Der Herr ist 
mein Helfer, und ich will mich nicht fürchten; was wird mir 
ein Mensch tun?" Wegen der Hilfe des Herrn haben wir 
nichts von dem zu fürchten, was in der Macht des Menschen 
liegt. Doch wir sind es uns oft kaum bewußt, welchen unscheinbaren Anfang dieses Gefühl der Unzufriedenheit haben 
kann, während es, wenn es unentdeckt und ungerichtet bleibt, 
tödlichen Schaden anrichtet, und man es schließlich als eine 
Tugend achtet, unzufrieden zu sein. „Aber" — wird man 
vielleicht einwenden — „soll man denn selbst mit dem zufrieden sein, was nicht nach Gottes Rat und Willen vorhanden 
ist?" Darauf antworte ich, wenn dies die einzige Unzufriedenheit unseres Herzens wäre, daß sie sich in einer anderen Weise 
als in der Unzufriedenheit der Natur kundgeben würde.*) — 
Untersuchen wir daher, wie die Unzufriedenheit den Weg 
zur Abnahme des geistlichen Lebens bahnt und vorbereitet. 
Wenn mein Herz in Einfalt versichert ist, daß der Herr mich 
nicht verlassen noch versäumen wird, so denke ich nicht an 
mich. Ich ruhe in der Überzeugung, daß ein Größerer als ich 
*) Eifer für den Herrn gibt sich durch eine größere Fürsorge für die Heiligen 
und durch eine entschiedenere Trennung von der Welt kund. 
155 
sich mit mir beschäftigt. Wenn ich im Glauben Sein Wort aufnehme: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen", so 
legt mein geistliches Betragen Zeugnis davon ab, daß ich kühn 
sagen kann: „Der Herr ist mein Helfer; und ich will mich 
nicht fürchten; was wird mir ein Mensch tun?" Das aber ist 
nicht ein bloßes Zufriedensein, sondern ein energisches, glückliches und bestimmtes Vertrauen auf Gott. Sicher, die eigentümlich schlaue und sonderbare Weise, in der dieses erste 
Kennzeichen wirkt, ist kaum zu beschreiben; aber jede Seele, 
die vom Wege des Irrtums zurückgekehrt ist, wird sich bekennen müssen, daß ihre anfängliche Abweichung auf Keime 
dieser Art zurückzuführen ist. Das eigene Ich wird ein Gegenstand der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens; daher bestrebt man sich, mehr dafür zu erlangen, als Gott dafür 
bestimmt hat. Das war Achans Sünde; (Jos 7.) er eignete sich 
das Eigentum Gottes an; er war nicht zufrieden — er suchte 
sich selbst. 
Man wird zugeben müssen, daß die Kinder Israel, als sie den 
Herrn in der Wüste versuchten, durch den tödlichen Biß der 
feurigen Schlangen zu der Überzeugung hätten kommen können, daß jene Unzufriedenheit, die durch Satan ursprünglich 
in Evas Herzen erzeugt worden war, den Tod zur Folge hatte, 
und daß es gegen den Schlangenbiß kein anderes Hilfsmittel 
gibt, als in dem Leben vorhanden war, das Gott dem Glauben 
gibt. Diese Unzufriedenheit gab sich kund, weil sie das Manna, 
die göttliche Versorgung, für ungenügend hielten. Sie sagten: 
„Unserer Seele ekelt vor dieser losen Speise"; sie versuchten 
Christum. Was aber einst das Manna war, das ist jetzt für 
uns Christus und nur Christus während unseres Lebens in 
dieser Welt. Wie sehr fürchtet der Apostel in Kolosser 2 den 
Abfall von Christo; seine Ermahnungen, daran festzuhalten, 
sind nichts anderes als Ermahnungen zur Rückkehr zu der 
in die Worte gekleideten Wahrheit: „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen." Es ist klar, daß jemand, der einfältig und wahrhaft glücklich in Christo ist und in Ihm seine 
volle Befriedigung findet, durchaus nicht die Zeichen des Abfalles an sich trägt. Dagegen kann man überzeugt sein, daß 
jeder, der über seine Vermögensumstände, seine Familie, seine 
Arbeit, seine Gesundheit, über die Brüder oder irgend etwas 
156 
seufzt, vor dem Manna einen Ekel empfindet, oder daß sein 
Auge von Christo abgewandt ist und die ersten Keime der 
Abnahme seines geistlichen Lebens hervorgesprossen sind. 
Und was wird dem Murren auf dem Fuße folgen? Man wird, 
sobald die Fähigkeit und Gelegenheit dazu vorhanden ist, den 
entdeckten Mangel aus dem Wege zu räumen trachten. Man 
wird eben nicht sehr auf die Mittel und Wege achten, die man 
anwendet und einschlägt, um aus einer mißlichen Lage herauszukommen. Nur im Blick auf die Umstände läßt man sich 
leiten; und werden die Anstrengungen nicht durch einen günstigen Erfolg gekrönt, so steigert sich die Unzufriedenheit. 
Man gebärdet sich gleich einem gefangenen, umstrickten 
Wilde, weil das Auge nichts sieht, als jene Schranke, die 
unserer Natur im Wege steht. Das sind die betrübenden Folgen des Murrens. 
Wie ganz anders aber ist es, wenn ich mich Gott unterwerfe. 
Dann murre und seufze ich nicht; denn ich fühle mich in Christo völlig befriedigt und befinde mich in einer Region, zu 
welcher den eigenen, selbstsüchtigen Wünschen der Eintritt 
verwehrt ist. (Joh 4, 14.) Wenn wir mit Aufmerksamkeit die 
Geschichte einzelner Personen des Alten Testaments verfolgen, so werden wir bald den besonderen Umständen begegnen, die zu der Abnahme ihres geistlichen Lebens führten, 
weil ihr ganzes Verhalten durch jene Umstände, denen sie 
abzuhelfen trachteten, beeinflußt wurde, und das Murren 
und die Unzufriedenheit ihres Herzens offenbar machte. Lot 
brauchte Futter für sein Vieh, und die Wiesen Sodoms zogen 
ihn an. Jakob verlangte nach Ruhe nach seiner Flucht von 
Mesopotamien, und Sichern genügte ihm. Israel verlor Jehova, 
seinen Gott, aus den Augen und fand seine Befriedigung in 
einem goldenen Kalbe. Achan verlangte nach persönlicher Auszeichnung und vergriff sich an dem, was Gott angehörte. Mit 
einem Worte: Wer den Wünschen seiner Seele Raum gibt, 
tut den ersten Schritt zu der Abnahme seines geistlichen Lebens. Das Herz, anstatt in der Genügsamkeit Christi zu ruhen, 
strengt sich mit großer Mühe an, die erwachten Wünsche zu 
befriedigen. Es ist stets die Bemühung Satans, irgendein Verlangen zu erwecken und dann die Seelen zu drängen, einen 
ungeziemenden Weg einzuschlagen, um dieses Verlangen zu 
157 
stillen. Tragen wir nicht schon den Schein des Abfalles an 
uns, wenn das eigene Ich in irgendeiner Form unsere Aufmerksamkeit fesselt und uns die Hilfe und Befriedigung in 
Christo vergessen und übersehen läßt? Gerade das, woran 
wir uns wenden, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, verrät unsere wahren Gedanken über das Bedürfnis, wie überhaupt den Zustand unseres geistlichen Lebens. So deckte das 
Gesetz in Galatien und die Philosophie in Kolossä die Neigung 
der Herzen auf. Möge der Herr uns daher in Gnaden bewahren, den Wünschen unserer Herzen nachzugeben; denn dadurch verlieren wir unsere Stellung in Christo aus den Augen 
und berauben uns der Kraft zum Fortschreiten in der Gnade 
und der Erkenntnis. 
Wenn unser Gewissen noch wach ist, so müssen wir seinen 
Mahnungen unbedingt Gehör geben; im anderen Falle werden wir unsere Gefühle bezüglich dessen, was Wahrheit ist, 
immer mehr in uns abstumpfen. Wollen wir den Ansprüchen 
unseres Gewissens entsprechen, dann wird es nötig sein, daß 
wir die Stellung einnehmen, die Gott wohlgefällig und Seiner 
Offenbarung gemäß ist, die Er von Sich Selbst gemacht hat. 
Wir werden dann alles richten, was Ihm zuwider ist, und uns 
durch Seine Gnade über alle Begierden und Wünsche der Natur erheben. Wenn wir andererseits der Unzufriedenheit 
unseres Herzens nachgeben, müssen wir entweder geradezu 
gegen unser Gewissen handeln, oder wir sind genötigt, uns 
Gott in einer Weise darzustellen, die ganz ungeeignet ist, 
unseren Zustand zu verurteilen. Wie könnte ich in einem 
meiner Natur angemessenen Zustande leben, über den ich 
die Überzeugung besäße, daß Gott ihn nicht anerkennen und 
erlauben würde. Ich muß entweder ohne Gewissen, ohne Gottesfurcht sein, oder ein böses Gewissen haben; ich muß entweder im Glauben Schiffbruch gelitten haben, oder mich in 
einem unerträglichen Zustande befinden; und beide Erscheinungen bilden schon weit vorgeschrittene Stufen in der Abnahme des geistlichen Lebens. 
Und ach! wie oft geschieht es, daß die Gläubigen sich eine 
beschränkte Vorstellung von Gott machen, um das Gewissen 
nicht zu stören und zu beunruhigen. Lot stand sicher als eine 
gerechte Seele mit Gott in einiger Verbindung; denn wie hätte 
158 
er sonst mit dem Gefühl völligen Getrenntseins auch nur den 
geringsten Grad von Behaglichkeit in Sodom genießen können? Ja, sicher würde er bald in das ihn umgebende Böse 
völlig hinabgesunken sein, wenn er nicht irgendwelche Beziehungen mit Gott unterhalten hätte. Allein diese Beziehungen, wie weit standen sie unter seiner Berufung? Daher mußte 
er eine Vorstellung von Gott angenommen haben, die weit 
unter derjenigen stand, in der Gott sich ihm geoffenbart hatte. 
Das aber sind stets die ersten Folgen, wenn man der Unzufriedenheit des Herzens irgendeinen Spielraum gestattet. 
Ebenso errichtete Jakob, als er sich in Sichern niedergelassen 
hatte, einen Altar, und rief den Namen des starken Gottes 
Israels an. Solange er sich in einem Zustande befand, der 
seiner Natur angemessen war, unterhielt sein Gewissen allerdings Verbindungen mit Gott, jedoch nur solche, die seine 
Stellung, die ihm nicht von Gott angewiesen war, keineswegs 
tadelten und verurteilten. Er dachte nur an Gott in Beziehung 
auf seine eigene Person. Für Gedanken an die Verherrlichung 
Gottes gab es keinen Raum in seinem Herzen. Die Ratschlüsse 
Gottes blieben gänzlich unbeachtet und vergessen. Konnten 
unter solchen Umständen die traurigen Erscheinungen in der 
Familie Jakobs befremden? Keineswegs. Wie ganz anders war 
es, als Jakob dem Ruf Gottes folgte und im Begriff stand, nach 
Bethel aufzubrechen. Jetzt erst vernehmen wir seine ernste 
Mahnung: „Tut die fremden Götter hinweg, die in eurer Mitte 
sind, und reiniget euch und wechselt eure Kleider." 
Wie deutlich lehrt uns diese Geschichte, daß so manches, was 
wir uns außer der wahren Gemeinschaft mit Gott erlauben 
können, unmöglich geduldet werden kann, wenn wir in Seine 
heilige Nähe treten; und sicher, wenn wir das Unheilige in 
unserer Mitte dulden, zeigt das stets an, daß die Seele fern 
von Ihm ist. O, möchten unsere Herzen dies doch tief erwägen! 
Wie sehr würden wir uns fürchten, der Unzufriedenheit der 
Natur nachzugeben, wenn wir stets im Lichte Gottes die 
traurigen Folgen sähen! Liegt es doch klar am Tage, daß wir 
unsere wahre Berufung aus dem Auge verlieren, wenn wir den 
Begierden der Natur Genüge leisten. Und, um den Schlägen 
des Gewissens zu entgehen, werden wir so die Offenbarung 
Gottes auf jenes Maß beschränken, das unsere fleischliche 
159 
Stellung weder tadelt, noch mit ihr zusammenstößt. Dies ist 
ein ernstes Übel, das öfter vorkommt, als wir vielleicht meinen. 
Von unseren Vorrechten und unserer Berufung abzuweichen, 
ist an und für sich schon schlimm genug; allein wenn wir, um 
den Vorwürfen unseres Gewissens auszuweichen, die Offenbarung Gottes schmälern und beschränken, so ist das in der 
Tat schon ein erschreckender Grad der Abnahme unseres geistlichen Lebens. Aber dies wird stets der Fall sein. Man wird 
kein Beispiel anführen können, wo jemand, der auf irgendeine 
Art sich selbst sucht, und von seiner Berufung in Christo und 
seiner Befriedigung in Ihm abgewichen ist, sich nicht eine Vorstellung von dem Willen Gottes gemacht hat, die weit unter 
der Wahrheit steht und diese in den Staub zieht, damit sie 
ihm in seiner niedrigen Stellung nicht verweisend begegnen 
kann. Anders kann es nicht sein, wenn man den unerträglichen 
Vorwürfen des Gewissens entrinnen will. 
Ich zweifle nicht, daß Markus, als er sich von Paulus trennte, 
um nach Jerusalem zu gehen, auf einem niedrigeren Boden 
Erleichterung für sein Gewissen fand, die er nicht gefunden 
hätte, wenn er bei Paulus geblieben wäre. So ist es immer. Ist 
Christus als der alleinige Grund des Friedens aus den Augen 
verloren, dann muß etwas anderes eingeführt werden, um den 
Platz wieder auszufüllen; und wenn es nicht die göttliche 
Gerechtigkeit ist, so muß es die menschliche sein, oder es ist 
kein Gewissen mehr vorhanden. Gleicherweise stand Barnabas 
in dem Wortwechsel, den er mit Paulus hatte, mit Markus in 
Gemeinschaft und mithin auf derselben Grundlage; denn beide 
hatten einen fleischlichen Boden betreten. Beide gingen nach 
Zypern, dem Vaterlande des Barnabas. Und sicher, alle, die 
Paulus in Asien verlassen und die höheren Wahrheiten aufgegeben hatten, mußten, wenn sie überhaupt noch ein Gewissen hatten, der Offenbarung Gottes ein beschränktes Maß 
anweisen, um nicht wegen der Abnahme ihres geistlichen 
Lebens getadelt zu werden. Wenn die Versammlung zu Ephesus 
die erste Liebe verlassen hatte, so war dies nur die Folge 
davon, daß sie die Offenbarung Gottes ihres Stachels beraubt 
hatte, um nicht in ihrem Lichte den Gewissensbissen ausgesetzt 
zu sein, wiewohl die Epheser sicher eine Stütze in ihrem Eifer 
fanden, womit sie „prüften, welche sich Apostel nennen und 
160 
sind es nicht, und die das Böse nicht ertragen konnten usw." 
Sie blickten mit Eifer niederwärts, weil sie aufgehört hatten, 
aufwärts zu schauen. Freilich war ihre Handlungsweise gut 
und löblich; dennoch stand ihr Eifer wie bei dem fischenden 
Petrus auf einer Linie, die den Menschen und ihnen selbst 
angemessener war als Christus. Sobald das Sichtbare der 
höchste Gegenstand der Seele ist, wird das Unsichtbare, das 
Höhere, als Gegenstand des Gewissens gänzlich übersehen. In 
diesem Falle muß der wahre Platz des Vorrechtes und der 
Berufung Gottes verscherzt werden, sobald das eigene Ich den 
Schauplatz betritt. Wenn noch ein Gewissen vorhanden ist, 
wird die Offenbarung Gottes bis auf den niedrigsten Grad 
herabgezogen, um dadurch die Abnahme des geistlichen Lebens 
möglichst lange zu verhüllen. 
Man kann versichert sein, daß die Stumpfheit vieler Christen, 
höhere Wahrheiten zu begreifen, und ihre Gleichgültigkeit, sie 
zu beobachten, ihren Grund darin haben, daß sie zunächst 
wegen selbstsüchtiger Zwecke hinweggezogen wurden und 
dann sich gezwungen sahen, die Wahrheit zu beschneiden, um 
sie ihrem Zustande anzupassen, damit das Gewissen in keiner 
Weise beunruhigt wird. *) Zeigt nun aber vollends das Gewissen einen Stachel, der sich nicht beseitigen läßt, so bleibt 
nichts anders übrig, als es gänzlich beiseitezusetzen und am 
Glauben „Schiffbruch zu leiden", (1. Tim 1, 19.) oder in die 
Fußstapfen derer zu treten, die „in betreff ihres eigenen Gewissens wie mit einem Brenneisen gehärtet sind". (l.Tim 4,2.) 
Das eine ist der Fall, wo ein wirkliches Werk in der Seele ist, 
das zweite, wo ein solches nicht vorhanden ist. Wenn jemand 
einen Weg verfolgt und in Fallstricke gerät, denen ein tätiges 
Gewissen ausgewichen wäre, so ist ihm nicht zu helfen. Er 
muß Schiffbruch leiden, d. h. er muß, da er alle Selbstbeherrschung verloren hat, nutzlos zu einem Wrack herabsinken. Er 
hat sein Gewissen nicht in Verbindung mit seinem Glauben 
bewahrt. Was er glaubte, vernachlässigte er, oder er weigerte 
sich, den von Gott an ihn gerichteten Ansprüchen nachzukommen. Wie konnte es anders sein, als daß er unaufhaltsam ein 
Spiel der Winde und Wellen wurde? 
*) Wenn man z. B. festhält, daß Christus der Herr ist, aber in Ihm nicht 
zugleich das Haupt des Leibes erblickt, so liefert dieses ein Exempel, wie man 
die Wahrheit beschränken kann. 
161 
Der Mann Gottes, der von dem alten Propheten in Bethel verführt wurde, (1. Kön 13.) liefert uns in dieser Beziehung ein 
bemerkenswertes Beispiel. Hätte er sein Gewissen in Verbindung mit seinem Glauben gehalten, so hätte er sich nicht 
von dem Gebot Gottes abwendig machen lassen. Weil er aber 
mit seiner Natur, mit sich selbst beschäftigt war, so wurden 
seine anfänglichen Bedenken bald überwunden. Er achtete nicht 
auf die Stimme seines Gewissens, setzte das Bewußtsein der 
an ihn gestellten Ansprüche Gottes beiseite, lauschte auf die 
Worte des Verführers und erntete die traurigsten Folgen. 
In ähnlicher Weise war auch das Gewissen des Petrus in 
Tätigkeit, als er die einfachen Worte seines Herrn vernahm. Er 
hatte auch dafür zu leiden, wenn auch nicht in der gleichen 
Ausdehnung, weil er der Furcht erlag, während jener dem 
hervorgerufenen Verlangen nachgab. Wir können überhaupt 
bei allen moralischen Schiffbrüchen, die uns bekannt sind, eine 
beachtenswerte Entdeckung machen. Jeder, der am Glauben 
Schiffbruch leidet, hat entweder sich selbst zu gefallen gesucht, 
oder ist aus Furcht vor anderen erlegen. In vielen und verschiedenartigen Formen können diese Elemente in unserer 
Seele wirken. Bei dem einen ist der Hochmut die Ursache. Der 
Apostel sagt zu den Ephesern: „Aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her." — Bei einem anderen ist es das Verlangen, mit einflußreichen, christlichen Freunden auf gutem 
Fuß zu stehen. Bei einem dritten ist es die Liebe zur Gemächlichkeit, zur Häuslichkeit usw. Es ist selten der Fall, daß diese 
Elemente in einem fleischlichen Gewände erscheinen, obwohl 
es zuzeiten dennoch vorkommt. Aber in jedem dieser Fälle 
bahnt das Aufgeben des Gewissens den Weg zum schließlichen 
Fall und zur unausbleiblichen Schande. 
Indes verfolge ich diesen Gegenstand nicht weiter, wiewohl er 
einen der bedenklichsten Grade annimmt, wenn das Gewissen 
wie mit einem Brenneisen gehärtet ist, und jemand in betreff 
des Glaubens als unbewährt gefunden wird. Das ist dann die 
Fortsetzung der niederwärts gehenden Stufen, die wir bisher 
betrachtet haben. Wie schrecklich ist dieser Zustand, wenn die 
Seele auf diesen Stufen nicht wieder emporsteigen kann und 
das Gewissen durch die Gnade wieder befähigt wird, seine 
162 
Kraft aufs neue zu behaupten! Dies war noch bei Jakob der 
Fall, als der Herr ihn aus seiner fleischlichen Ruhe aufweckte 
und zu ihm sagte: „Mache dich auf, gehe nach Bethel!" Ebenso 
bei Petrus, als er in Kümmernis und Reue durch den Blick des 
Herrn zurückgerufen wurde. 
Der Zweck dieser Zeilen ist, die Anfänge bei der Abnahme des 
geistlichen Lebens zu bezeichnen. Ich habe versucht, die Aufmerksamkeit der Leser auf die im Herzen vorherrschenden 
Neigungen in dieser Beziehung zu lenken. Ich verfolge diesen 
Gegenstand nicht bis zum offenbaren Ausbruch des gänzlichen 
Abfalls. Mein Zweck ist erreicht, wenn es mir gelungen ist, 
das Herz der Heiligen zu einem ernsteren Selbstgericht aufzuwecken, ihre Gefühle in Tätigkeit zu setzen, um das Gute und 
das Böse zu unterscheiden, und dadurch eine größere Fähigkeit 
von ihrer Seite hervorzurufen, gegen jedes zur Abnahme des 
geistlichen Lebens führende Wirken allen Ernstes wachsam zu 
sein. Solange das Auge des Herzens auf Christum gerichtet 
ist, solange wir auf das „sinnen, was droben ist, und nicht auf 
das, was auf der Erde ist", werden wir die Zeichen der Abnahme und des Abfalls nicht tragen. Sobald aber die Dinge 
der Erde unsere Aufmerksamkeit an sich ziehen, hat die Abnahme schon begonnen. Je mehr ich daher wünsche, bewahrt 
zu bleiben, soviel mehr werde ich den wohlgefälligen und in 
Seinem Worte geoffenbarten Willen Gottes erforschen und, 
getrennt von der Welt, die Innigkeit des Verhältnisses mit 
Christo genießen. Es ändert nichts an der Sache, ob mich meine 
eigene oder die Not anderer, oder gar die Not der auf der Erde 
leidenden Kirche beschäftigt — sobald irgend etwas in Beziehung zur Erde mich beschäftigt und meine Natur in Tätigkeit 
setzt, bin ich in der Abnahme meines geistlichen Zustandes 
begriffen. Sobald ich meine ängstlichen Blicke auf die Macht 
des Menschen richte, habe ich schon das Bewußtsein von der 
Hilfe des Herrn verloren. Es ist gerade ein Beweis der Erhabenheit unserer gegenwärtigen und wahren Stellung, daß wir, bei 
dem geringsten Abweichen davon, der Gefahr ausgesetzt sind, 
Schaden zu leiden. Je reiner eine Sache ist, desto sorgfältiger 
muß sie bewahrt bleiben. Das Verlangen, die Wahrheit zu beschränken, oder das Sträuben, die höchsten Wahrheiten anzunehmen, wird nur da entdeckt werden, wo das Geistesauge 
163 
mit einem Gegenstand oder einem Zustand beschäftigt ist, der 
damit nicht im Einklang steht. In diesem Falle weigert sich das 
Herz, die Wahrheit anzunehmen, oder paßt sie seinem Zustande an, um das Gewissen in Ruhe zu erhalten. Der letzte 
Schritt, um das Gewissen gänzlich zu beseitigen, geschieht in 
dem Augenblick, wo man dem Licht der Gegenwart Gottes 
völlig ausweicht, um in ungehinderter Freiheit den Willen des 
Fleisches vollbringen zu können. 
Wie gesagt ist die Unzufriedenheit der Anfang des Abfalls. 
Bald findet sich dann ein Plätzchen für das eigene Ich unter 
irgendeinem scheinbar geistlichen Vorwande; und man hört 
auf, in Christo zu ruhen, in Ihm, der alles in allem erfüllt. 
Möge der Herr uns daher allen die Gnade schenken, gegen den 
Anfang wachsam zu sein; nur dann werden wir durch Seine 
Gnade, in einfältiger und glücklicher Abhängigkeit von Ihm, 
geleitet werden können, Seinen Willen zu tun und durch alles 
hindurch die Erfahrung zu machen, wie Er unser Stecken und 
Stab sein will, bis in alle Ewigkeit. 
Glaube und Demut 
(Lk 7, 7-17.) 
Die Geschichte des Hauptmann zu Kapernaum zeigt uns nicht 
nur eine Handlung der Gnade im allgemeinen, sondern eine 
Handlung der Gnade, die einem Heiden zuteil wird. Doch dies 
ist nicht alles. Wir finden hier auch eine sehr verständliche 
Erklärung jenes Grundsatzes, den uns der Apostel durch die 
Worte bezeichnet: „Darum ist es aus Glauben, auf daß es nach 
Gnade sei, damit die Verheißung dem ganzen Samen fest sei." 
(Röm 4, 15.) Hier ist der Glaube, als der einzige große Wendepunkt, eingeführt. Es ist keine bloße Lehre, es ist der lebendige 
Glaube, und zwar ein solcher Glaube, wie er in Israel noch 
nicht gesehen worden war. 
Der heidnische Mann zeigt in seinem Verhalten nicht eine 
Spur von jener Vermessenheit, die dem Stolz des menschlichen 
164 
Herzens entspringt; im Gegenteil bringt sein ganzes Wesen 
tiefe Demut seines Herzens ans Licht. Er erkennt die Vorrechte 
an, die Gott Seinem Volk geschenkt hat; er erblickt auf den 
Stirnen der Kinder Israel das sie ehrende Zeichen Gottes und 
läßt sich selbst durch ihren niedrigen, tiefgesunkenen und in 
jeder Beziehung unwürdigen Zustand nicht irremachen. Wie 
verachtet und verworfen sie auch sein mochten, so liebte er sie 
dennoch als das Volk Gottes; und um Seinetwillen erbaute er 
ihnen ihre Synogoge. Seine Demut war ungeheuchelt, wiewohl 
sein Glaube ihn weit über die stellte, die er ehrte. Er hatte eine 
weit höhere Vorstellung von der göttlichen Macht und Herrlichkeit der Person Jesu, als alle Juden zusammen. Er wandte 
sich nicht an den Herrn als den Messias, sondern erkannte in 
Ihm die Macht Gottes in Liebe. Das war jener gesegnete 
Glaube, der in der Erhöhung seines Gegenstandes sich selbst 
vergißt. Er hatte, wie es scheint, Jesum nicht gesehen; aber er 
hatte aus dem, was „er hörte", den Schluß gezogen, daß Krankheiten für Ihn nur eine Gelegenheit seien, um Seine unumschränkte Autorität und Seine grenzenlose Barmherzigkeit an 
den Tag legen zu können. Er war ein Fremdling, während die 
Kinder Israel das Volk Gottes waren; mußten nicht sie die 
passendsten Boten sein, um diese wunderbare Person in sein 
Haus zu bringen? Denn er setzte volles Vertrauen sowohl in 
Seine Macht, als auch in Seine Barmherzigkeit; und sein 
Knecht, „der ihm wert war, war krank und lag im Sterben". 
„Und Jesus ging mit ihnen. Als er aber schon nicht mehr weit 
von dem Hause entfernt war, sandte der Hauptmann Freunde 
zu ihm und ließ ihm sagen: Herr, bemühe dich nicht; denn ich 
bin nicht würdig, daß du unter mein Dach eingehest! Deshalb 
habe ich mich selbst auch nicht würdig geachtet, zu dir zu 
kommen; sondern sprich ein Wort und mein Knecht wird gesund werden." (V. 6. 7.) Das war in der Tat ein Ausdruck 
tiefer Hochachtung und Ehrerbietung. Wie unwissend er auch 
in anderen, den Ratschluß Gottes betreffenden Dingen sein 
mochte, so fühlte er doch mit voller Stärke die Vortrefflichkeit 
der Person Christi, und das verbunden mit einer Demut, die 
mit dem Maße in Übereinstimmung war, in welcher Seine 
Herrlichkeit gesehen wurde. Diese Botschaft der Freunde des 
165 
Hauptmanns schildert uns in bewundernswürdiger Weise 
seinen Charakter und seine Gefühle. Er selbst sagte Jesu nichts 
von seinem Dienst, den er den Juden geleistet hatte, er sprach 
nichts über seine eigene Person, als daß er unwürdig sei; und 
dies sagte er dazu mit einer bewundernswürdigen Bestimmtheit, so daß er sogar Jesum bat, nicht in sein Haus zu kommen, 
weil er zu unwürdig sei, Ihn zu empfangen. In dieser Seele 
findet man gerade das Gegenteil von dem, was man leider so 
oft in anderen Seelen gewahrt, die meinen, weil sie an Christum 
glauben, Ihm eine Ehre anzutun. Er war offenbar weit von der 
Anmaßung entfernt, Christum in seinem Herzen aufzunehmen, 
um sich dadurch zu erheben. Die Einfalt seines Herzens tritt 
hier ebenso hell an den Tag wie sein starker Glaube. In 
Israel wurde ein solcher Glaube nicht gefunden, und doch war 
er in einem, der Israel liebte. In der Tat, wir finden hier in 
jeder Beziehung, sowohl für die Menge, die Jesum folgte, wie 
vor allem auch für uns eine höchst lehrreiche Unterweisung 
der Gnade. 
Wenn wir unsere Betrachtung weiter verfolgen, finden wir, 
und zwar in Verbindung mit der den Heiden erwiesenen Gnade, 
den Beweis der Macht, Tote ins Leben zu rufen, ein Zeugnis 
dafür, daß Gott Sein Volk besucht hat. (V. 11—17.) Es war die 
Macht der Auferstehung, eine Macht, die sich einmal in voller 
Herrlichkeit entfalten wird und die den Menschen in Verbindung mit dem Gott bringt, der Tote auferweckt. Es war ein 
höchst wunderbares Beispiel des Charakters Seiner Wirksamkeit, indem Er umherging, außerhalb der Sphäre des Gesetzes 
und der Satzungen. „Denn das Gesetz herrscht über den 
Menschen, solange er lebt." (Röm 7, 1.) Was nützt das Gesetz 
einem Menschen, der gestorben ist? Aber „das dem Gesetz 
Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, 
indem er seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der 
Sünde und (als Opfer) für die Sünde sendend, die Sünde im 
Fleische verurteilte, auf daß das Recht des Gesetzes erfüllt 
würde in uns". (Röm 8, 3. 4.) Es war in der Tat Gnade und 
göttliche Energie, aber zugleich entfaltet in Ihm, der Mitleiden 
mit unseren Schwachheiten hatte. Und in welcher Klarheit 
wird uns dieses in seinen Einzelheiten gezeigt! „Der Tote war 
der einzige Sohn seiner Mutter, und sie war eine Witwe . . . 
166 
Und als der Herr sie sah, ward er innerlich bewegt über sie 
und sprach zu ihr: Weine nicht! .. . Und der Tote setzte sich 
auf und fing an zu reden; und er gab ihn seiner Mutter." 
(V. 12—15.) Welch eine göttliche Macht und Gabe! 
Das Buch und die Seele 
Für die Bildung des Charakters eines im Segen wirkenden 
Dieners des Wortes Gottes sind zwei Dinge von wesentlicher 
Notwendigkeit, nämlich zuerst eine genaue Bekanntschaft mit 
der Heiligen Schrift, und dann ein klares Bewußtsein des 
Wertes der Seele und ihrer Bedürfnisse. Die Verbindung dieser 
beiden Dinge ist von großer Bedeutung für jeden, der berufen 
ist, im Worte und in der Lehre zu dienen, und fehlt eines von 
ihnen, so fehlt eigentlich alles. Ich mag noch so sehr in der 
Schrift belesen sein, ich mag mit dem Inhalt dieses göttlichen 
Buches noch so vertraut sein und ein tiefes Gefühl für dessen 
moralische Schönheiten besitzen; aber wenn ich die Seele und 
ihre tiefen und mannigfaltigen Bedürfnisse nicht kenne, so 
wird mein Dienst mangelhaft sein. Trotz meiner an und für sich 
schätzenswerten Bekanntschaft mit dem Worte Gottes werde 
ich für andere von einem nur geringen Nutzen sein. Meinem 
Dienst wird die Schärfe und die Kraft fehlen, und er wird 
weder dem Verlangen des Herzens noch den Forderungen des 
Gewissens zu begegnen wissen. 
Andererseits mag ich mit der Seele und ihren Bedürfnissen 
sehr bekannt sein; ich mag die lebhaftesten Wünsche haben, 
anderen nützlich zu sein und dem Herzen und Gewissen 
meiner Zuhörer oder Leser dienen zu können; aber wenn ich 
nicht mit meiner Bibel bekannt und nicht durch das Wort des 
Lebens unterwiesen bin, so fehlt es mir selbstverständlich an 
dem erforderlichen Stoff, um ein nützlicher Diener sein zu 
können. Ich werde der Seele nichts zu geben haben, dem 
Herzen nichts darreichen können und nichts besitzen, um auf 
das Gewissen, zu wirken. Mein Dienst wird sich als fruchtlos 
und ermüdend erweisen. Ich werde die Seelen quälen, statt sie 
167 
zu belehren; ich werde sie aufregen, statt sie zu erbauen. 
Meine Ermahnungen, anstatt die Seelen auf dem steilen Wege 
der Jüngerschaft vorwärts zu führen, werden im Gegenteil eher 
Entmutigung bewirken. 
Diese Dinge verdienen, beachtet zu werden. Richte einmal 
Deinen Blick auf jemanden, der am Worte dient und im wesentlichen das Buch und seine moralischen Schönheiten vor seinem 
geistlichen Auge hat. Er ist mit ihnen beschäftigt und zuzeiten so erfüllt davon, daß er fast die Zuhörer vergißt. Er kann 
keine bestimmte und kräftige Aufforderung an das Herz richten; kein mächtiger Schlag trifft das Gewissen; und jede praktische Anwendung des göttlichen Inhalts auf die Seelen der 
Zuhörer fehlt gänzlich. Seine Worte sind schön und richtig, 
aber sie haben nicht die Wirkung, die sie haben sollten. Warum? Weil ihm die genannte Ausübung des Dienstes fehlt, ist 
er mehr ein Diener des Buches, als ein Diener für die Seele. 
Dann wirst Du vielleicht anderen begegnen, die in ihrem 
Dienst sehr eifrig mit den Seelen beschäftigt zu sein scheinen. 
Sie klagen an, sie ermahnen, sie treiben. Aber wegen Mangels 
an Bekanntschaft und regelmäßiger Beschäftigung mit der 
Schrift sind ihre Seelen bald erschöpft und abgenutzt in ihrem 
Dienst. Freilich machen sie scheinbar das göttliche Buch zur 
Grundlage ihres Dienstes; aber ihr Gebrauch des Wortes ist so 
ungeschickt und unpassend, und ihre Anwendungen verraten 
eine solche Unkenntnis, daß ihr Dienst sich ebenso uninteressant wie nutzlos erweist. 
Wenn jetzt die Frage an uns gerichtet würde, welchen von 
diesen beiden praktischen Ausübungen des Dienstes wir den 
Vorzug geben wollten, so würden wir ohne Zögern die zuerst 
genannte wählen. Wenn die moralischen Schönheiten des göttlichen Buches vor unseren Blicken entfaltet sind, dann gibt es 
immer etwas, wodurch ein aufrichtiges Herz angezogen und 
belebt wird, während im zweiten Falle nur ermüdende Anklagen und scheltende Ermahnungen da sind. 
Aber sicher kann es nicht stark genug betont werden, daß 
sowohl eine genaue Bekanntschaft mit dem göttlichen Buch 
als auch ein klares Bewußtsein des Wertes der Seele und ihrer 
Bedürfnisse bei einem jeden erforderlich ist, der das Vorrecht 
168 
genießen will, die Seelen zu bedienen. Beide Eigenschaften 
müssen vereint sein. Möge daher jeder Diener sich sowohl der 
Betrachtung des Wortes widmen, als auch unermüdlich mit 
den Bedürfnissen der Seele beschäftigt sein. Vergessen wir 
nicht, daß das Buch und die Seele zusammengehören. 
Jesus Christus, die einzige Triebfeder, 
Weisheit und Kraft 
Es dauert oft lange, bevor die Gläubigen verstehen, daß 
Christus in allen Dingen den Vorrang haben muß, und daß 
nach der Absicht Gottes die, „welche er zuvor bestimmt hat, 
dem Bilde seines Sohnes, welcher das Bild des unsichtbaren 
Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung ist — gleichförmig 
zu sein", jetzt in der Freiheit und Kraft des Heiligen Geistes 
„nach demselben Bilde von Herrlichkeit zu Herrlichkeit verwandelt werden". (Röm 8, 29; Kol 1, 15; 2. Kor 3, 18.) Und 
wie wenig wird es daher verstanden, daß, so wie der gnadenreiche Herr Jesus die Heiligen „zur Rechten der Majestät in 
der Höhe" darstellt, sie in ihrem Verhältnis Ihn auf Erden darstellen sollen! Der Apostel konnte sagen: „Das Leben ist für 
mich Christus, und das Sterben Gewinn." (Phil 1, 21.) Dachte 
er dabei bloß an den Besitz dieses Lebens? O nein, er dachte 
an die Verwirklichung des Lebens. „Wer da sagt, daß er in 
ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er 
gewandelt hat." (1. Joh 2, 6.) Jedoch müssen wir uns stets erinnern, daß der Herr Jesus ohne Sünde, ohne Befleckung wandelte, während der Gläubige, von Natur sündig und befleckt, 
alles der Gnade verdankt und, indem er die Glieder tötet, die 
auf der Erde sind, nur durch die Kraft des Geistes des lebendigen Gottes den Sieg erlangt. 
Aber wie lange, ich wiederhole es, dauert es oft, bevor die 
Gläubigen in irgendeinem Maße die Erfahrung machen, die 
der Apostel uns in Phil 3 schildert! Da er den Herrn Jesum als 
Gerechtigkeit Gottes gefunden hatte, schlug er jede andere 
Gerechtigkeit entschieden aus; er sah in betreff seiner Seele 
alles vor dem ewigen Gott geordnet; und darum war der Herr 
169 
auch der einzige anziehende Gegenstand der Zuneigungen seiner Seele, so daß er sagen konnte: „Auf daß ich Christum gewinne . . . um ihn zu erkennen, und die Kraft seiner Auferstehung, und die Gemeinschaft seiner Leiden .. . ob ich auf 
irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus 
den Toten." (Phil 3, 8—11.) Allerdings muß zunächst den Bedürfnissen des mit Sünde beladenen Menschen begegnet sein, 
sein Gewissen muß Frieden gefunden haben, er muß den unendlichen Wert des kostbaren Blutes Christi und sein göttliches 
Recht, in der Herrlichkeit Gottes zu stehen, erkannt haben. Er 
muß jener unumschränkten Gnade Gottes teilhaftig geworden 
sein, die, nachdem alle Menschen als Sünder erfunden sind, in 
Röm 5 entwickelt wird und die uns, sowohl für die Vergangenheit als auch für die Gegenwart und die Zukunft als völlig 
genügend dargestellt wird. Haben unsere Seelen diese Wahrheiten in sich aufgenommen, so dürfen wir uns einer dreifachen Vorsorge der Gnade Gottes rühmen, nämlich 1) in betreff 
der Vergangenheit: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus 
Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn 
Jesum Christum"; — 2) in betreff unseres gegenwärtigen 
Wandels durch die Wüste: „Wir haben mittels des Glaubens 
auch Zugang zu dieser Gnade, in welcher wir stehen"; — und 
dann 3) in betreff des zukünftigen Tages: „Wir rühmen uns 
in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes"'. (Röm 5, 1. 2.) Ach, 
wie unendlich sind die Reichtümer der Gnade Gottes! Wie 
barmherzig ist unser Gott und Vater! Er, der Seines eingeborenen Sohnes, der in Seinem Schöße war, nicht verschonte, 
sondern Ihn für feindselige Sünder in den Tod gab! Dennoch 
aber ist es leider in betreff vieler von uns wahr, was 
der Herr bei einer Gelegenheit sagte: „O, ihr Unverständigen 
und trägen Herzens, zu glauben" usw.; und bei manchem vergeht fast die Zeit ihres Lebens, bevor sie das erreichen, was 
eine dem Heiligen Geiste unterwürfige Seele schnell erkennen 
möchte; und so fehlt es an der Verwirklichung dessen, was 
Gott in betreff ihrer bezweckt. Sie eignen sich nicht alles an, 
was in Christo Jesu ist; sie erkennen nicht, daß Er nicht nur 
das Leben und die Gerechtigkeit, sondern auch die Kraft die 
Weisheit, die Triebfeder, kurz gesagt alles ist; und darum 
mangelt ihrer Seele der Genuß der „Gemeinschaft mit dem 
170 
Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo", eine Gemeinschaft, 
die ihrem Wandel, ihren Werken und allem, was ihre Seelen 
am meisten beschäftigt, unbedingt vorangehen muß. Nehmen' 
wir jetzt, um einige Grundsätze der Wahrheit zu beleuchten, 
die Heilige Schrift zur Hand: Ich wünsche von Herzen, daß 
sich diese Grundsätze tief in unser Gewissen einprägen möchten, damit wir die Hindernisse erkennen, die sich der Erlangung eines größeren Maßes von Kraft in den Weg stellen und 
uns unfähig machen, „allezeit das Sterben Jesu am Leibe umherzutragen, auf daß auch das Leben Jesu an unserem Leibe 
offenbar werde". (2. Kor 4, 10.) 
Wie zahlreich auch die Früchte meiner bösen Natur sein mögen, 
so habe ich nicht nur diese, sondern auch ihre Wurzel oder 
ihre Quelle zu verurteilen. Nicht die so leicht umstrickende 
Sünde, sondern ihre Ursache muß ins Gericht. Die Natur, das 
Fleisch muß verurteilt werden, und zwar im Licht der Gegenwart des Herrn, wo allein die Sünde in ihrem wahren Charakter gesehen und erkannt wird, und wo jene Wahrheit gelernt 
wird, daß in Seiner Gegenwart sich kein Fleisch rühmen kann, 
wie geschrieben steht: „Wer sich rühmt, der rühme sich des 
Herrn." Viele seufzen fortwährend über die Früchte einer 
bösen Natur; aber sie richten nie die Natur selbst in der 
heiligen Gegenwart Gottes. Wie machte es aber der Herr, als 
Er bemüht war, den gefallenen Petrus wieder herzustellen? 
Tadelte Er ihn wegen der Früchte seiner bösen Natur? Keineswegs; sondern Er zeigte auf die Quelle hin, auf das Selbstvertrauen und den Eigendünkel der Natur Seines Jüngers. Er 
verurteilte die Wurzel, die Ursache seines Falles. Und das muß 
auch bei uns stattfinden, wenn wir überhaupt uns selbst und 
die wirkliche Gnade, in der wir stehen, erkennen und verstehen wollen. Es ist der völlig untaugliche, gänzlich verderbte, 
hilflose, elende alte Mensch, der in dem heiligen Gericht des 
Glaubens ausgezogen ist; es ist das Fleisch, das angesichts der 
Herrlichkeit des Kreuzes Christi in gebührender Weise zum 
Schweigen gebracht werden muß. Doch der neue Mensch ist 
fähig gemacht, sich im Herrn, aber auch nur in Ihm allein 
rühmen zu können. Das Wort Gottes zeigt uns zur Erläuterung 
eine Menge von Beispielen, welch einen Platz der Mensch, der 
gläubige Mensch, in der Gegenwart Gottes einnimmt. Sei es 
171 
Abraham, in dessen Herz die Herrlichkeit Gottes einen solchen 
Strahl warf, daß „er gehorchte und auszog, nicht wissend, 
wohin er komme", oder sei es der arme Jakob oder Hiob. Sei 
es Jesaias, der sagte: „Wehe mir! denn ich bin verloren; denn 
ich bin ein Mann von unreinen Lippen; denn meine Augen 
haben den König, Jehova der Heerscharen, (vergl. Joh 12, 41.) 
gesehen", — oder sei es Daniel, dessen Angesicht sich in der 
Gegenwart Gottes zu Boden senkte, oder Hesekiel; sei es 
Petrus, oder Paulus, oder Johannes, der wie tot zu den Füßen 
des Herrn niederstürzte, — alle zeigen uns die Wirkung der 
Gegenwart Gottes auf den Menschen, der sich dort befindet. 
Wenn wir dies alles auf uns anwenden, dann möchte man 
wohl fragen: Warum erfahren wir nicht mehr Kraft in unseren Seelen? Warum genießen wir nicht mehr von jener Freude, 
welche der Heilige Geist denen gibt, die Ihm gehorchen, eine 
Freude, die weit tiefer ist als die, welche die Seele erfüllt, 
wenn sie bei völliger Annahme des Evangeliums den Frieden 
erlangt? Ach! wir haben uns zu viele Theorien gemacht. Wir 
haben uns mit der Lehre beschäftigt, aber sie zu sehr getrennt 
von Ihm, in dessen glorreicher Person sich alle Lehre und alle 
Wahrheit wie in einem Punkt vereinigt, von Ihm, in Dem, 
obgleich Er hienieden erniedrigt war, „die ganze Fülle der 
Gottheit leibhaftig wohnt". Viele sind mit ihrer eigenen Widmung, wie vortrefflich sie auch an sich ist, so sehr beschäftigt 
gewesen, daß die Widmung weit mehr der vor ihrer Seele 
stehende Gegenstand geworden ist, als die Person des Sohnes 
Gottes Selbst. Und wie viele Jahre mögen hinter uns liegen, 
wo unsere Handlungen, wie schön sie auch an sich sein mochten, von Beweggründen geleitet wurden, die es deutlich verrieten, daß das Auge und das Herz nicht auf Jesum allein 
gerichtet waren? Wie aber lautete das Urteil Dessen, der 
„Augen hat wie eine Feuerflamme" wider die Versammlung in 
Ephesus? Tadelte Er sie etwa, weil sie keine Werke, keine 
Mühe, kein Ausharren, keine Treue gegenüber den Bösen aufzuweisen hatten? O nein, sondern Sein Urteil lautet: „Ich 
habe wider dich, daß du deine erste Liebe verlassen hast." 
(Offb 2, 4.) Die wahre Quelle ihrer Widmung war nicht völlig 
rein. Es war nicht die drängende Macht der Liebe Christi; 
172 
es war nicht Seine Person, der ihre Abhängigkeit und ihr Gehorsam gewidmet war. Er hatte, wie Er zu der Versammlung 
in Sardes sagt, die Werke nicht völlig erfunden vor Seinem 
Gott. (Offb 3, 2.) 
In der Voraussetzung nun, daß wir, soweit wir es vermochten, ein wahres Urteil über die Natur in der Gegenwart Gottes 
gefällt haben und uns demzufolge im Genuß einiger Freiheit 
der Seele befinden, wird es zu unserer völligen Segnung nötig 
sein, daß wir uns auf dem Pfade des Gehorsams und der Abhängigkeit vorwärtsbewegen; denn der Gehorsam gegen Gott 
und Sein Wort ist die Kraft der Heiligkeit, und die Abhängigkeit ist der Weg der Stärke. Wie hart der Kampf auch sein 
mag, so muß dennoch das gesegnete Werk des Tötens durch 
den Geist fortgesetzt werden und das Gefühl der Verantwortlichkeit wach bleiben, um, weil wir den Heiligen Geist haben 
und unsere Leiber Sein Tempel sind, im Geiste zu wandeln. 
Das ist die wahre Furcht Gottes. „Das Geheimnis Jehovas 
ist für die, welche ihn fürchten." (Ps 25, 14.) Wir müssen in 
der Tat einen verborgenen Umgang mit Gott haben. Wo 
dieser fehlt, da bringt selbst der Verkehr mit anderen Heiligen, 
statt jene aus der „Gemeinschaft mit dem Vater und Seinem 
Sohne Jesus Christus" hervorströmende Kraft einzuflößen, 
nur Schwachheit und Verwirrung in die Seele. Nur der verborgene Umgang mit Gott ist zu allen Zeiten das Geheimnis 
der wahren Kraft gewesen. Nur in dieser heiligen Gegenwart 
Gottes und in der wahren Abhängigkeit von Ihm kann der 
Gläubige jene Stimme voll Majestät und Gnade hören, die 
sagt: „Meine Gnade genügt dir; denn meine Kraft wird in 
Schwachheit vollbracht. Daher will ich am allerliebsten mich 
vielmehr meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft 
des Christus über mir wohne." (2. Kor. 12, 9. 10.) 
Ich verweise hier den Leser auf Joh 14, wo der Herr über den 
Gehorsam, der die Abhängigkeit einschließt, eine wahrhaft 
praktische Belehrung gibt. Er offenbart sich hier den Jüngern nicht als Messias, sondern in Seiner völlig göttlichen 
Herrlichkeit als Sohn Gottes und als Sohn des Vaters. Er 
kündigt sich ihnen an als den Gegenstand ihres Glaubens 
(V. 1) und, wenn er sagt: „Wer mich gesehen hat, hat den 
Vater gesehen", als den Gegenstand ihrer Anbetung. (V. 9.) 
173 
Und welch eine Fülle von Liebe drücken die Worte aus: „Ich 
komme wieder und werde euch zu mir nehmen, auf daß, wo 
ich bin, auch ihr seiet." (V. 3.) Jedoch fährt Er später fort: 
„An jenem Tage (d. i. am Tage der Gegenwart des Heiligen 
Geistes) werdet ihr erkennen, daß ich in meinem Vater bin, 
und ihr in mir und ich in euch. Wer meine Gebote hat und 
sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird 
von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben 
und mich selbst ihm offenbar machen." (V. 20, 21.) Und die 
Frage des Judas (nicht des Iskariot) beantwortend, sagt Er: 
„Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten; und 
mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen 
und Wohnung bei ihm machen." (V. 23.) Zeigen uns diese 
Worte nicht in bestimmter Weise unsere Verantwortlichkeit? 
Die dem Sünder gegebene Verheißung hat eine bedingungslose, unumschränkte Gnade zur Grundlage; aber die Verheißung für den Heiligen ist an die Bedingung des Gehorsams 
geknüpft. Ich habe mithin nicht auf Kraft zum Gehorsam zu 
warten, sondern da ich Leben und Gnade, hervorströmend 
aus jener göttlichen und ewigen Fülle, besitze, so habe ich 
nur zu gehorchen, um Kraft zu erlangen. Der Mangel der 
Erkenntnis dieser Wahrheit ist das Geheimnis der Hindernisse, die sich so manchem in den Weg stellen. Nur wenn wilden geschriebenen Worten gehorchen, finden wir die nachfolgende Segnung. Die oben angeführten Worte des Herrn lassen 
keine andere Deutung zu. Für uns bleibt nichts zu tun übrig, 
als daß wir in jeder Lage auf Ihn harren; aber auch nur auf 
Ihn, bei dem alle Kraft ist. Ein Beispiel aus dem tagtäglichen 
Leben wird uns dies erläutern. Trete ich z. B. in eine Gesellschaft von bekehrten oder unbekehrten Menschen, so muß mein 
erster Schritt mich in die Gegenwart des Herrn führejn; denn 
hier allein finde ich Weisheit, um der Wahrheit gemäß reden 
und handeln zu können. Oder, begegne ich den Schwierigkeiten des Lebens, so werde ich nur, hinschauend auf Jesum, 
beim Anblick Seiner Herrlichkeit und im Genuß Seiner Liebe 
Kraft genug finden, um „abzulegen jede Bürde und die leicht 
umstrickende Sünde, und mit Ausharren zu laufen den vor uns 
liegenden Wettlauf." (Hebr 12, 1.) Es ist daher eine unumstößliche Wahrheit, daß dem Gehorsam, der die Abhängigkeit 
174 
in sich schließt, nie die nötige Kraft mangeln wird. Satan hat 
in der Tat große Macht gegenüber dem dünkelhaften Auftreten einer bloßen Erkenntnis; aber er ist machtlos gegenüber dem Gehorsam. Wir haben ungeachtet aller Schwierigkeiten zu gehorchen und unserem eigenen Willen keinen 
Raum zu gestatten. Natürlich habe ich für dieses alles das 
Bewußtsein der Gegenwart des Herrn nötig, und daß ich mich 
in dieser Gegenwart befinde und Seine Liebe genieße. Sein Tod 
hat den Vorhang zerrissen und den Glaubenden in die Gegenwart Gottes gebracht, o, möchten wir durch den ungetrübten 
Heiligen Geist die Gegenwart Gottes verwirklichen und Seine 
Liebe genießen! Der Apostel sagt: „Die Liebe des Christus 
drängt uns." In allen Fällen können wir auf diese Liebe rechnen. Er gab Sich für uns in den Tod, zahlte den höchsten Preis 
für die Kirche; und sicher, darum können wir in Ihm jede 
Quelle der Kraft und des Mitgefühls finden, und darauf Anspruch machen. Es ist Ihm, sowie Seinem und unserem Vater 
wohlgefällig, wenn wir in Seine Liebe unser völliges Vertrauen 
setzen und mit Zuversicht von ihr die Gewährung unserer Bitten erwarten. Wir dürfen kühn in die Worte des Psalmisten 
einstimmen, wenn er sagt: „Den Wunsch seines Herzens hast 
du ihm gegeben, und das Verlangen seiner Lippen nicht verweigert." (Ps. 21, 2.) 
Mögen der Leser und der Schreiber dieser Zeilen immer tiefer 
in diese gesegneten Wahrheiten eindringen! Mögen wir stets 
in Jesu allein unsere Triebfeder, Weisheit und Macht finden 
und den Glauben, der überwindet, festhalten durch die Erkenntnis der Herrlichkeit des Sohnes Gottes, Der gesagt hat: 
„Dem, der überwindet, werde ich von dem verborgenen Manna geben, und ich werde ihm einen weißen Stein geben, und 
auf den Stein einen neuen Namen geschrieben, den niemand 
kennt, als wer ihn empfängt." (Offb 2,17.) 
175 
„Madie dich auf, ziehe hinauf 
nach Bediel" 
Diese Worte fassen eine tiefe praktische Wahrheit in sich, 
auf die ich für einige Augenblicke die Aufmerksamkeit meiner 
Leser richten möchte. Sie zeigen uns in deutlicher Weise, daß 
Gott uns immer wieder in die uns ursprünglich bestimmten 
Grenzen zurückführt. Viele Christen mögen dies nicht begreifen. Viele mögen es nicht in Übereinstimmung finden mit 
der freien Gnade, in der wir stehen und die „herrscht durch 
die Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesum Christum, 
unseren Herrn"! Viele mögen jede Einschränkung dieser Art, 
als den Schein der Gesetzlichkeit an sich tragend, mit einer 
gewissen Furcht von sich abweisen, dennoch bleibt die darin 
enthaltene Wahrheit unumstößlich, und wir sollten uns wohl 
hüten, alles über Bord zu werfen, was dazu bestimmt ist, in 
göttlicher Weise auf Herz und Gewissen des Gläubigen zu 
wirken. Wenn wir wünschen, daß die Wahrheit alle ihre Seiten vor unserer Seele entfalten soll, dann dürfen wir, falls 
irgendeine auf den ersten Blick streng scheinende Forderung 
Gottes unser Ohr berührt, sie nicht als „gesetzlich" bezeichnen und verwerfen. Wir sind berufen, das „Wort der Ermahnung zu ertragen" und unsere Herzen auf alle heilsamen 
Worte zu richten, die dazu bestimmt sind, unserer praktischen Gottseligkeit und persönlichen Heiligkeit Vorschub zu 
leisten. Wir wissen, daß die reinen und kostbaren Lehren der 
Gnade, jene Lehren, die in der Person Christi ihren lebendigen 
Mittelpunkt, und in Seinem Werke ihr ewiges Fundament finden, die passenden Mittel sind, die der Heilige Geist benutzt, 
um die Heiligkeit im Leben des Christen zu fördern; aber wir 
wissen auch, daß, wenn diese Lehren bloß mit dem Verstände 
aufgefaßt sind und mit den Lippen bekannt werden, das 
Herz nichts von ihrer Kraft verspürt und das innere Leben 
in seinem Wachstum nicht gefördert werden wird. Und wir 
finden nicht selten, daß gerade diejenigen, die sich am lautesten gegen alles, was sie als gesetzlich bezeichnen, erheben, oft 
am wenigsten die heilsamen Einflüsse der Gnade kennen, wäh176 
rend die, welche wirklich die Gnade kennen und ihre reinigende und unterweisende Kraft erfahren, mit Freuden jeder 
Mahnung das Herz und das Gewissen öffnen. 
Wenn wir nun aber gesagt haben, daß Gott uns immer wieder 
in die ursprünglich bestimmten Grenzen zurückführe, so ist 
das in dem Sinne verstanden, daß, wenn Gott uns in eine 
besondere Stellung berufen hat, die wir aus Schwachheit oder 
aus Untreue verlassen haben, Er uns immer wieder in sie 
zurückrufen wird. Freilich trägt Er uns mit großer Geduld 
und wartet in langmütiger und gnadenreicher Weise; aber Er 
ruht nicht, bis wir den ursprünglichen Platz wieder eingenommen haben. 
Und haben wir nicht Ursache, Gott dafür zu preisen? Ohne 
Zweifel. Könnten wir den Gedanken ertragen, daß wir den 
uns angewiesenen Platz verlassen und uns nach dieser oder 
jener Richtung hin verirren könnten, ohne daß Er Sich um 
uns kümmern und uns wieder zurechtbringen würde? Unmöglich. Nein, sicher wünschen wir, daß Er uns in einem 
solchen Falle wieder an die „alten Grenzen" erinnern möchte. 
Und Er tut es und hat es von jeher getan. Als Petrus am See 
Genezareth bekehrt wurde, verließ er alles und folgte Jesum 
nach; und dennoch strömten von den Lippen des Herrn, der 
im Begriff war, gen Himmel aufzufahren, seinem Ohr die 
letzten Worte zu: „Folge mir nach!" Der Herr wollte Petrus 
in die ursprünglichen Grenzen zurückführen. Das Herz Jesu 
konnte sich mit nichts wenigerem begnügen; und ebenso sollte auch Sein Diener nichts anderes wollen. Am See Genezareth 
begann Petrus seinem Herrn und Meister nachzufolgen. 
Was aber nun? Jahre schwanden dahin; Petrus tat manchen 
Fehltritt; er verleugnete seinen Herrn; er kehrte zu seinen 
Booten und Netzen zurück. Und was folgte nun? Petrus wurde 
völlig wiederhergestellt; und als er in diesem Zustande am 
See Tiberias in der Nähe seines liebenden Herrn stand, war 
er genötigt, auf das kurze, bestimmte Wort: „Folge mir nach!" 
zu lauschen, ein Wort, das in seinem umfassenden Bereich 
alle Einzelheiten eines im Dienst tätigen und in der Trübsal 
ausharrenden Lebens in sich vereinigt. Mit einem Wort, Petrus wurde in die ursprünglichen Grenzen zurückgeführt, in 
177 
jene Grenzen, die Christum und seine eigene Seele umschlossen. Er wurde dahin geführt zu lernen, daß das Herz Jesu 
keinen Wechsel erlitten habe und Seine Liebe unauslöschlich, 
unveränderlich sei, und daß Er, weil dieses so war, darum auch 
keinen Wechsel in dem Herzen des Jüngers, keine Entfernung 
aus den ursprünglich bestimmten Grenzen dulden könne. 
Die gleiche Sache finden wir in der Geschichte des Patriarchen 
Jakob. Wenden wir ihm etliche Augenblicke unsere Aufmerksamkeit zu. In der letzten Hälfte des 28. Kapitels des 1. Buches 
Mose wird uns die Stätte bezeichnet, die der Herr und Jakob 
einnahmen. Da lesen wir: „Und Jakob zog aus von Beerseba 
und ging nach Haran. Und er gelangte an einen Ort und 
übernachtete daselbst; denn die Sonne war untergegangen. 
Und er nahm einen von den Steinen des Ortes und legte ihn 
zu seinen Häupten und legte sich nieder an selbigen Orte. 
Und er träumte: und siehe, eine Leiter war auf die Erde gestellt, und ihre Spitze rührte an den Himmel; und siehe, 
Engel Gottes stiegen auf und nieder an ihr. Und siehe, Jehova 
stand über ihr und sprach: Ich bin Jehova, der Gott Abrahams, deines Vaters und der Gott Isaaks; das Land, auf welchem du liegst, dir will ich es geben und deinem Samen. Und 
dein Same soll werden wie der Staub der Erde, und du wirst 
dich ausbreiten nach Westen und nach Osten und nach Norden 
und nach Süden hin; und in dir und in deinem Samen sollen 
gesegnet werden alle Geschlechter der Erde. Und siehe, ich bin 
mit dir, und ich will dich behüten überall, wohin du gehst, 
und dich zurückbringen in dieses Land; denn ich werde dich 
nicht verlassen, bis ich getan, was ich zu dir geredet habe." 
(1. Mo 28, 10-15.) 
Hier also war die gesegnete Stätte, an der der Gott Abrahams, 
Isaaks und Jakobs dem armen Flüchtling verhieß, sich seiner 
und seines Samens anzunehmen, jene Stätte, an der die denkwürdigen Worte vernommen wurden: „Ich werde dich nicht 
verlassen, bis daß ich getan, was ich zu dir geredet habe." 
Das waren die Ausdrücke, durch die Er Sich dem Jakob gegenüber verpflichtete, und die Er, gepriesen sei Sein Name!, 
buchstäblich erfüllt hat und erfüllen wird, wie sehr auch Erde 
und Hölle sich dagegen auflehnen mögen. Der Same Jakobs 
178 
wird einmal das ganze Land Kanaan als sein ewiges Erbteil 
in Besitz nehmen; denn wer könnte den Herrn, Gott den 
Allmächtigen, an der Erfüllung Seiner Verheißung hindern? 
Richten wir jetzt unsere Blicke auf Jakob. „Und Jakob erwachte von seinem Schlafe und sprach: Fürwahr, Jehova ist an 
diesem Orte, und ich wußte es nicht! Und er fürchtete sich 
und sprach: Wie furchtbar ist dieser Ort! dies ist nichts anderes als Gottes Haus, und dies die Pforte des Himmels. Und 
Jakob stand des Morgens früh auf und nahm den Stein, den 
er zu seinen Häupten gelegt hatte, und stellte ihn auf als 
Denkmal und goß ö l auf seine Spitze. Und er gab selbigem 
Orte den Namen Bethel, aber im Anfang war Lus der Name 
der Stadt. Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: Wenn Gott 
mit mir ist und mich behütet auf diesem Wege, den ich gehe, 
und mir Brot zu essen gibt und Kleider anzuziehen, und ich 
in Frieden zurückkehre zum Hause meines Vaters, so soll Jehova mein Gott sein. Und dieser Stein, den ich als Denkmal 
aufgestellt habe, soll ein Haus Gottes sein; und von allem, 
was du mir geben wirst, werde ich dir gewißlich den Zehnten 
geben." (1. Mo 28, 16-22.) 
Gott verpfändet sich innerhalb der Grenzen Bethels dem Jakob; und dieses Pfand muß, mag auch Himmel und Erde 
vergehen, einmal in seiner ganzen Vollständigkeit eingelöst 
werden. Er offenbart Sich nicht nur dem einsamen Flüchtling, 
während dieser auf seinem steinernen Kopfkissen eingeschlummert liegt, sondern verbindet sich sogar mit ihm durch 
ein Band, das durch keine Macht der Erde und der Hölle je 
zerrissen werden kann. Und was tut Jakob? Er widmet sich 
diesem Gott und legt das Gelübde ab, daß die Stätte, auf der 
er sich einer solchen Offenbarung erfreuen konnte, und wo er 
auf solche unendlich großen und kostbaren Verheißungen 
lauschen durfte, zum Gotteshause werden solle. Dies alles 
war mit Bedacht vor dem Herrn ausgesprochen und feierlich 
von Gott aufgezeichnet worden; und dann setzte Jakob seine 
Reise fort. Jahre schwanden, zwanzig lange und ereignisvolle 
Jahre, Jahre voller Trübsale und Prüfungen, Jahre, in denen 
Jakob die trostlosen Erfahrungen einer unbefreiten Seele 
machte; aber der Gott von Bethel wachte über seinen armen 
179 
Diener und erschien ihm inmitten seiner Drangsale, indem Er 
zu ihm sagte: „Ich bin der Gott zu Bethel, wo du ein Denkmal gesalbt, wo du mir ein Gelübde getan hast. Nun mache 
dich auf, ziehe aus diesem Lande, und kehre zurück in das 
Land deiner Verwandtschaft." (1. Mo 31, 13.) Gott hatte die 
ursprünglichen Grenzen nicht aus dem Auge verloren; und 
darum durfte auch sein Diener sie nicht vergessen. Ist dies 
etwa der Geist der Gesetzlichkeit? Keineswegs. Es ist nichts 
anderes, als die einfache Entfaltung der göttlichen Liebe und 
Treue. Gott liebte Jakob, und darum konnte Er nicht dulden, 
daß Jakob den alten Grenzen fern bleibe. Er wachte mit einer 
eifersüchtigen Liebe über den Zustand des Herzens Seines 
Dieners; und damit dieser nicht länger jenseits der Grenzen 
Bethels bleiben möchte, ermahnte Er ihn so zärtlich durch die 
rührenden und bezeichnenden Worte: „Ich bin der Gott von 
Bethel, wo du ein Denkmal gesalbt, wo du mir ein Gelübde 
getan hast." Das war der liebliche Ausdruck der unwandelbaren Liebe Gottes, die darauf rechnete, daß auch Jakob sich 
an die Szenen Bethels erinnern möchte. 
Wie bewundernswürdig! Welch einen Wert legt der Allmächtige, Er, der von Ewigkeit her die Himmel bewohnt, auf die 
Liebe und auf die Erinnerungen eines armen Erdenwurms! 
Und dieses köstliche Bewußtsein sollte mehr in unserer Seele 
leben. Leider ist es so wenig der Fall. Wir sind allerdings 
bereit genug, die Gnadenerweisungen und Segnungen aus der 
Hand Gottes zu nehmen; und sicher ist Er noch mehr bereit, 
sie uns darzureichen. Aber wir sollten uns auch erinnern, daß 
er der Widmung unserer Herzen für Ihn entgegensieht. Wenn 
wir, von Liebe getrieben, beginnen, Christo zu folgen, Ihm 
zu leben, alles um Seinetwillen preiszugeben, könnte dann 
wohl während eines einzigen Augenblicks der Gedanke in 
unserer Seele Raum finden, daß Er kalt und gleichgültig auf 
Seine Ansprüche betreffs der Zuneigungen unserer Herzen Verzicht leisten würde? Könnten wir überhaupt den Gedanken 
ertragen, daß es für Ihn eine Sache der Gleichgültigkeit sei, 
ob wir Ihn lieben oder nicht? Gewiß nicht. Vielmehr wird 
es für unser Herz eine ermunternde Freude sein, zu denken, 
daß sich unser hochgepriesener Herr nach einer Widmung 
unserer Seelen für Ihn sehnt. Nichts Geringeres genügt Ihm; 
180 
und wenn wir in unserer Schwachheit uns hierher und dorthin wenden, dann führt Er uns in Seiner zärtlichen, freundlichen Weise zurück. Ja, das Banner Seiner Liebe flattert uns 
stets entgegen und trägt eine Inschrift, die unsere umherschweifenden Herzen zur Rückkehr zu den alten Grenzen 
ermahnt. Er sagt zu uns in der einen oder anderen Weise, 
wie Er einst zu Jakob sagte: „Ich bin der Gott von Bethel, 
wo du ein Denkmal gesalbt und wo du mir ein Gelübde getan hast." So handelt er mit uns, während wir hinkend und 
stolpernd umherirren. Er läßt uns erkennen, daß wir nichts 
ohne Seine Liebe tun können, und daß Er auch für Sein 
Tun unsere Liebe fordert. Sein Wirken und Handeln zu unseren Gunsten ist wunderbar; Seine Bemühung, uns in unseren 
alten Grenzen zu erhalten, läßt sich durch keinen Widerstand 
aufhalten. O möchten doch auch die Gläubigen unserer Tage 
auf den zärtlichen Ruf des Geistes Christi achten, wenn Er 
sagt: „Ich habe wider dich, daß du deine erste Liebe verlassen 
hast. Gedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße, 
und tue die ersten Werke." (Offb 2, 4. 5.) „Gedenket aber 
der vorigen Tage!" (Hebr 10, 32.) „Was war denn eure Glückseligkeit?" (Gal 4,15.) 
Was anderes ist dies alles, als daß der Herr zurückruft in die 
alten Grenzen, von denen man sich entfernt hat? Freilich sollte 
das nicht nötig sein. Die Heiligen hätten nie ihre ursprünglichen Grenzen verlassen sollen. Aber sie haben es getan, und 
darum hören wir das gnadenreiche Zurückrufen von den 
Lippen unseres Herrn und Heilandes. Man könnte einwenden, 
daß eine geprüfte Liebe besser sei als die erste Liebe. Wir 
räumen dies ein; aber ist es nicht eine unleugbare Tatsache, 
daß der erste Gang in der Nachfolge Jesu von einer Einfalt, 
einem Ernst, einer Frische, einer Inbrunst, kurz von einer Tiefe 
begleitet ist, wovon es uns aus verschiedenen Ursachen in späteren Tagen fehlt? Wir werden kalt und gleichgültig, die Welt 
beeinflußt unsere Herzen und erstickt unsere Geistlichkeit; 
die Natur gewinnt in der einen oder in der anderen Weise die 
Oberhand und tötet unser geistliches Gefühl, dämpft unseren 
Eifer und trübt unser Auge. Sollte keiner unserer Leser sich in 
dieser Beziehung anklagen müssen? Und würde es in solchem 
Falle nicht eine ganz besondere Barmherzigkeit sein, wenn er 
181 
in diesem Augenblick in die alten Granzen zurückgerufen 
würde? Ohne Zweifel. Wohlan denn, seien wir versichert, daß 
das Herz Jesu stets auf unsere Rückkehr wartet und bereit ist, 
uns wieder aufzunehmen. Seine Liebe ist unveränderlich; und 
nicht allein das, sondern Er erinnert uns auch stets daran, daß 
es für Sein Herz ein Bedürfnis ist, daß Seine Liebe von unserer 
Seite erwidert wird. Daher, geliebte Brüder, was auch das Maß 
Eurer früheren Zuneigung gemindert und Euch aus den alten 
Grenzen der Übergabe Eures Herzens an Ihn herausgelockt 
haben mag, erhebt Euch und kehrt zu Ihm zurück. Säumet 
nicht! zögert nicht! Werft Euch zu den Füßen des Euch so sehr 
liebenden Herrn und schüttet Euer Herz vor Ihm aus. Nur in 
Seiner Gegenwart findet Ihr die verborgen sprudelnde Quelle 
jedes wahren Dienstes. Besitzt Christus nicht die Liebe Eurer 
Herzen, so verlangt Er auch nicht die Werke Eurer Hände. Er 
sagt nicht: „Mein Sohn! Gib mir dein Geld, deine Zeit, deine 
Talente, deine Willenskraft, deine Feder, deine Zunge, deinen 
Kopf"; alle diese Dinge sind äußerst unnütz und können Ihn 
nicht befriedigen. Aber Er sagt: „Gib mir, mein Sohn, dein 
Herz!" Sobald das Herz Jesum geschenkt ist, wird alles im 
richtigen Gleise gehen. Aus dem Herzen kommen alle Ausflüsse des Lebens; und wenn nur Christus Seinen rechten 
Platz im Herzen hat, so werden auch die Werke und Wege, 
der Wandel und die Gesinnung am rechten Platze sein. 
Kehren wir indes zurück zu Jakob, und wir werden Gelegenheit haben zu sehen, wie klar der Gegenstand unserer Betrachtung in dieser lehrreichen Geschichte erläutert ist. Am 
Ende des 33. Kapitels begegnen wir ihm in der Nähe der 
Stadt Sichen, wo er allen Arten von Trübsal und Verwirrung 
in die Arme fällt. Sein Haus wird entehrt, und seine Söhne, 
die an dem Ehrenschänder Rache üben, bringen sein Leben in 
die äußerste Gefahr. Dies alles fühlt Jakob in seiner ganzen 
Bitterkeit; und darum sagt er zu seinen beiden Söhnen Simeon 
und Levi: „Ihr habt mich in Trübsal gebracht, indem ihr mich 
stinkend machet unter den Bewohnern des Landes, unter den 
Kanaanitern und unter den Perisitern. Ich aber bin ein zählbares Häuflein, und sie werden sich wider mich versammeln 
und mich schlagen, und ich werde vertilgt werden, ich und 
mein Haus." (1. Mo 34, 30.) 
182 
Gewiß waren diese Erscheinungen höchst beklagenswert; und 
dennoch findet man nicht, daß sich das Herz Jakobs erinnert, 
nicht am rechten Platze zu sein. Wie groß die Entehrung und 
Verwirrung in der Stadt Sichern auch sein mochte, so war sein 
Auge dennoch zu trübe, um sehen zu können, daß er sich nicht 
innerhalb der alten Grenzen befand. Und ach! wie oft zeigt 
sich dieser Fall! Wir verlassen so oft das aufgepflanzte Banner 
des Herrn in unserem tagtäglichen Wandel; wir versäumen es 
so oft, die Höhen göttlicher Offenbarungen zu ersteigen; und 
obwohl die mannigfaltigen Früchte unserer Fehltritte auf allen 
Seiten hervorsprießen, so hat die uns umringende Atmosphäre 
unser Auge oft doch so sehr getrübt, und unsere Verbindungen 
mit der Welt haben unsere geistlichen Empfindungen oft so 
sehr abgestumpt, daß wir nicht zu unterscheiden vermögen, 
wie tief wir gesunken sind und wie weit wir uns aus den uns 
angewiesenen Schranken entfernt haben. 
Aber in welcher Deutlichkeit treten uns in der uns vorliegenden Geschichte die göttlichen Grundsätze vor Augen! Und 
Gott sprach zu Jakob: „Mache dich auf, ziehe hinauf nach 
Bethel, und wohne daselbst, und mache daselbst einen Altar 
dem Gott, der dir erschienen ist, als du vor deinem Bruder 
Esau flohest." (1. Mo 35, 1.) 
Teurer Leser! Laßt uns hier einen Augenblick verweilen. Hier 
zeigt sich unseren Blicken ein vortrefflicher Zug in der Weise 
Gottes bezüglich seines Handelns mit unseren Seelen. Die 
Stadt Sichern mit all ihren Greueln und Verwüstungen wird 
hier durchaus nicht erwähnt. Kein Wort des Tadels trifft Jakob, 
daß er sich niedergelassen hat, in dieser Gegend. Nein, das 
ist nicht die Art und Weise Gottes. Er wendet eine weit 
vortrefflichere Methode an. Hätten wir uns mit Jakob beschäftigen müssen, sicher würde eine harte Zurechtweisung 
von unserer Seite ihm begegnet sein; wir würden ihm eine 
strenge Predigt über seine Torheit, sich in der Gegend von 
Sichern niederzulassen, gehalten, und sein persönliches und 
häusliches Betragen allen Ernstes gerügt haben. Doch wie gut 
ist es, daß Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken sind und 
seine Wege nicht unsere Wege! Statt zu Jakob zu sagen: 
„Warum hast du dich in Sichern niedergelassen?" sagt er ein183 
fach: „Mache dich auf, ziehe hinauf nach Bethel!" Aber eben 
mit diesem zärtlichen Ton der Liebe dringt ein Lichtstrahl in 
die Seele Jakobs, der ihn in den Stand setzt, sich selbst und 
das was in seinem Hause ist zu verurteilen. Denn kaum ist er 
aufgefordert, nach Bethel zu gehen, so hören wir ihn zu 
seinem Hause und zu allen, die bei ihm waren, die Worte 
sagen: „Tut die fremden Götter hinweg, die in eurer Mitte 
sind, und reiniget euch, und wechselt eure Kleider; und wir 
wollen uns aufmachen und nach Bethel hinaufziehen, und ich 
werde daselbst einen Altar machen dem Gott, der mir geantwortet hat am Tage meiner Drangsal und mit mir gewesen ist 
auf dem Wege, den ich gewandelt bin." (1. Mo 35, 2—3.) 
Das ist augenscheinlich, daß er in die ursprünglichen Grenzen, 
die Gott ihm angewiesen hatte, zurückkehrt. Eine Seele wird 
wiederhergestellt und auf die Pfade der Gerechtigkeit geleitet. 
Jakob fühlte, daß er keine falschen Götter und keine besudelten Kleider in Bethel einführen durfte. Solche Dinge mochten 
für Sichern passend sein, aber nicht für Bethel. Und was war 
die Antwort auf seine Aufforderung? „Und sie gaben Jakob 
alle fremden Götter, die in ihrer Hand, und die Ringe, die in 
ihren Ohren waren, und Jakob vergrub sie unter der Terebinthe, die bei Sichern ist. . . Und Jakob kam nach Lus, welches im 
Lande Kanaan liegt, das ist Bethel, er und alles Volk, das bei 
ihm war. Und er baute daselbst einen Altar und nannte den 
Ort El-Bethel; denn Gott hatte sich ihm daselbst geoffenbart, 
als er vor seinem Bruder floh." (1. Mo 35, 4—7.) 
„El-Bethel" Welch ein kostbarer Name! In Sichern nannte 
Jakob seinen Altar: „El-elohe-Israel!" d. h. Gott, der Gott 
Israels; aber in Bethel nannte er ihn: „El-Bethel!" d. h. Gott, 
das Haus Gottes. Das war in der Tat eine wirkliche Wiederherstellung. Jakob war von all seinen Irrwegen zurückgekehrt, 
und zwar bis zu der Stätte, die er verlassen hatte. Nichts 
weniger hätte Gott in betreff Seines Dieners befriedigen können. Er konnte mit großer Geduld auf ihn warten, Er konnte 
ihn mit göttlicher Langmut tragen, Er konnte ihm dienen, 
konnte für ihn sorgen und Sich in der mannigfaltigsten Weise 
mit ihm beschäftigen; aber nichts anderes konnte das Herz 
Gottes zufriedenstellen, als die pünktliche Ausführung des 
Befehls: „Mache dich auf, ziehe hinauf nach Bethel!" 
184 
Mein christlicher Leser! Es wird nützlich sein, hier ein wenig 
haltzumachen. Ich möchte gern an Dich einige ernste Fragen 
richten. Sagt dir etwa dein Gewissen, daß du die Gegenwart 
Jesu verlassen und von Ihm abgeirrt bist? Verspürst du in 
deinem Heerzen eine zunehmende Kälte und Abneigung gegen 
Ihn? Hast du jene Frische verloren, die in früheren Tagen den 
Ton deiner Seele zu heiligen Lobliedern stimmte? Bist du, was 
dein moralischer Zustand betrifft, bis zu den Gegenden Sichems 
hinabgestiegen? Ist dein Herz den fremden Göttern nachgegangen, und sind deine Kleider besudelt worden? — Nun, dann 
laß dich daran erinnern, daß der Herr deine Rückkehr dringend 
wünscht. Ja, Er wünscht sie, Er sehnt Sich, daß du noch heute 
kommen möchtest. Er sagt gerade in diesem Aubenblick zu 
dir: „Mache dich auf, ziehe hinauf nach Bethel!" Du wirst 
nicht glücklich sein, du wirst keine sicheren Schritte tun, solange du diesem gesegneten, aufmunternden Ruf nicht völlig 
entsprochen hast. Darum laß dich bitten und kehre noch heute 
zurück. Mache dich auf und wirf jede Bürde und jedes Hindernis beiseite; wirf alle deine falschen Götter weg und wechsle 
deine Kleider; wende dich eilig zurück zu den Füßen deines 
Herrn, der dich liebt mit einer Liebe, von der dich keine Macht 
der Erde und der Hölle zu scheiden vermag und der nicht eher 
befriedigt ist, als bis Er dich in Seiner Nähe innerhalb der dir 
angewiesenen Grenzen erblickt. Nenne dieses nicht Gesetzlichkeit; gewiß, es ist nichts dieser Art. Es ist die Liebe Jesu, Seine 
ernste, brennende, tiefe Liebe, eine Liebe, die eifersüchtig ist 
auf jede nebenbuhlerische Zuneigung, eine Liebe, die das 
ganze Herz gibt und darum auch das ganze Herz zurückverlangt. Möge daher Gott der Heilige Geist jedes irrende Herz 
in die richtigen Grenzen zurückführen! Möge Er mit erneuerter 
Kraft jede Seele heimsuchen, welche hinabgestiegen ist zu den 
Ebenen Sichems und ihr nicht eher Ruhe geben, als bis sie 
völlig der Mahnung gefolgt ist: „Mache dich auf, ziehe hinauf 
nach Bethel!" 
185 
Der Hauptmann Kornelius und 
der sterbende Räuber 
(Apg 10 und Lk 23, 39-43) 
Es ist sehr nützlich und belehrend, unsere Aufmerksamkeit den 
beiden völlig verschiedenen Klassen von Personen zuzuwenden, die uns im Neuen Testament als Gegenstände der göttlichen Gnade dargestellt werden. Nach menschlichem Urteil 
würden wir die eine Klasse als sehr gut und die andere als sehr 
böse bezeichnen. Für die gute Klasse wollen wir den Hauptmann Kornelius von Cäsarea, und für die böse Klasse den 
Räuber am Kreuze wählen. Einen bestimmteren Gegensatz 
als den, der uns in diesen beiden Männern entgegentritt, 
wird man kaum finden; und dennoch bedurfte der eine wie 
der andere des Heils, das in Christo Jesu ist. Sowohl der 
gottesfürchtige Hauptmann als auch der sterbende Räuber, 
beide mußten durch das versöhnende Blut Christi abgewaschen werden, um für die Gegenwart Gottes passend zu sein. 
Der eine hatte nichts weniger nötig und der andere nichts 
mehr, als dieses kostbare Opfer. 
Es ist nun bedeutsam und lehrreich, den Zustand dieser beiden 
Männer in jenem Augenblick zu beobachten, als zuerst das 
Heil Gottes in ihre Seele strahlte. Horchen wir, wie der Heilige 
Geist den Hauptmann Kornelius schildert. „Ein gewisser Mann 
aber in Cäsarea, mit Namen Kornelius, ein Hauptmann von 
der Schar, genannt die Italische; fromm und gottesfürchtig mit 
seinem ganzen Hause, der dem Volke viele Almosen gab und 
allezeit zu Gott betete." (Apg 10, 1. 7.) Welch ein Charakter! 
Man könnte mit allem Recht fragen: „Was kann ein solcher 
Mann über das hinaus, was er bereits besitzt, noch begehren? 
Ist er nicht ein frommer, gottesfürchtiger, gebetseifriger Mann? 
Was fehlt ihm noch?" Wir würden in der Tat schwerlich 
jemanden finden, dessen Betragen zu größeren Hoffnungen 
berechtigte und dessen ganze Erscheinung mehr das Gepräge 
eines erleuchteten, gottesfürchtigen Christen trüge. Und dennoch fehlte ihm eine Sache, die unerläßlich nötig ist. In der 
Erzählung, die wir über seine Person hören, finden wir nichts 
186 
von Jesu und Seinem versöhnenden Blut. Das dürfen wir 
nicht aus dem Auge verlieren. Vielleicht fallen diese Blätter in 
die Hände von jemanden, der die Notwendigkeit des Opfers 
Christi leugnet und die Erziehung und Veredlung der menschlichen Natur bis zu einem Grade für möglich hält, so daß dadurch der Opfertod des Sohnes Gottes überflüssig sei. Möge 
ein solcher an Kornelius denken. Trotz all seiner Frömmigkeit und Mildtätigkeit, verlangte er, nach Petrus zu senden, um 
von ihm Worte zu hören, wodurch er und sein ganzes Haus 
gerettet werden würde. (Vergl. Apg 10, 22 mit Kap. 11, 14.) 
Wir hören die zu Petrus gesandten Boten sagen: „Kornelius . . . 
ist von einem heiligen Engel göttlich gewiesen worden, dich in 
sein Haus holen zu lassen und Worte von dir zu hören." 
(V. 22.) Dies ist das wichtigste Ereignis. Ein Mann, der sich 
beständig in der Ausübung guter Werke befand, die an und 
für sich höchst wertvoll waren, wurde berufen, auf Worte zu 
horchen und in diesen Worten das Heil zu finden. Nicht als ob 
die Werke, so weit sie reichten, nicht kostbar gewesen wären. 
Vielmehr gibt der Geist Gottes selbst Zeugnis von ihrem 
Wert; denn der Engel sagt zu Kornelius: „Deine Gebete und 
deine Almosen sind hinaufgestiegen zum Gedächtnis vor Gott!" 
(V. 4.) Sie lieferten ein treues Bild von der Aufrichtigkeit und 
dem Ernst seiner Seele; und darum waren sie von Gott anerkannt. Dies wird stets der Fall sein; und es ist nützlich, 
uns daran zu erinnern. Jede ernste Seele, die aufrichtig ihrem 
Lichte gemäß lebt, wird sicher von Gott erkannt werden und 
mehr Licht empfangen. Dennoch, und das ist bemerkenswert, 
ist Kornelius genötigt, auf Worte zu horchen, um gerettet zu 
werden. Auf welche Worte? Auf Worte betreffs des Jesus von 
Nazareth, betreffs Seines heiligen, fleckenlosen, liebevollen 
Lebens, Seines versöhnenden Todes und Seiner siegreichen 
Auferstehung. Das waren die Worte, die vom Himmel gesandt 
über die Lippen Petri drangen und in Ohr und Herz des 
ernsten und gottesfürchtigen Hauptmanns von Cäsarea fielen. 
Diese Worte erschlossen eine neue Welt und stellten einen 
gänzlich neuen Gegenstand vor das Herz des Kornelius. Almosen und Gebete waren gut; aber ein gekreuzigter und auferstandener Jesus, ein Jesus, der einst ans Holz genagelt wurde, 
187 
jetzt aber verherrlicht im Himmel ist, war weit besser. Gebete 
und Almosen mochten als ein Gedächtnis zum Himmel emporgestiegen sein; aber nur das Blut Christi vermochte den 
Kornelius selbst dorthin zu bringen. Weder alle die Gebete, 
die aus einem ernsten Herzen hervorquellen, noch alle Almosen, die eine Hand der Mildtätigkeit spendet, können einen 
schuldigen Sünder in die Gegenwart eines heiligen Gottes 
leiten. Das Blut Christi und nur dieses Blut allein kann einen 
Sünder zu Gott führen, sei er ein Hauptmann oder ein Räuber. 
Der beste Mensch hat nicht weniger, und der schlechteste 
nicht mehr nötig als dieses kostbare Blut, das von allen Sünden reinigt. Das ist eine wichtige Wahrheit und kann nicht 
tief genug dem Herzen des Lesers eingeprägt werden. Wenn 
ein Mann wie Kornelius von all seinen Werken wegblicken 
und auf „Worte" horchen mußte, wenn er berufen war, 
von sich selbst abzusehen und in einem gekreuzigten und 
auferstandenen Erlöser alles, was er bedurfte, zu finden, wenn, 
mit einem Worte, dieser Mann, der durch Frömmigkeit und 
Mildtätigkeit sich einen guten Namen erworben hatte, genötigt war, auf den Tod und die Auferstehung des Jesus von 
Nazareth, als auf den einzigen Grund der Annahme eines 
Sünders vor Gott zu horchen, dann ist es doch jedenfalls 
augenscheinlich, daß ein Mensch, was er auch an Frömmigkeit 
und Mildtätigkeit aufzuweisen haben mag, ohne Hoffnung der 
Errettung ist, wenn er Christum nicht besitzt. Wenn sich 
zwischen die Seele und Christum nur etwas, dünn wie feinstes 
Blattgold, gedrängt hat, dann ist sicher kein Leben in der 
Seele. Das kann in unseren Tagen, wo die Religiosität in den 
verschiedenartigsten Gewändern umhergeht, nicht genug hervorgehoben werden. Der Teufel ist stets beschäftigt, Christum 
durch allerlei Satzungen und Zeremonien zu verdrängen und 
den hochgelobten Herrn hinter die finstere Wolke religiöser 
Formen und Übungen zu verbergen. Er ist immer bemüht, den 
gefährlichen und seelenverderbenden Irrtum zu verbreiten, als 
ob der Mensch in seiner Natur etwas besitze, das durch Erziehung, Aufklärung und Philosophie entwickelt werden 
könnte. Das Kreuz Christi wird auf mancherleich Art beiseite 
gesetzt. Die Menschen werden belehrt, daß sie das Kreuz nicht 
brauchen, daß jeder gewisse Kräfte in sich trage, die nur einer 
188 
geeigneten Entwicklung bedürfen, um ihn zu einer solchen 
Tugendhöhe und zu einer solch sittlichen Vollkommenheit zu 
erheben, die ihm die Erlangung ewiger Glückseligkeit sicher 
mache. Trauriger Irrtum! 
Wir warnen den Leser mit feierlichem Ernst gegen solchen 
Betrug. Wir behaupten es kühn, daß jeder Gedanke dieser Art 
eine Lüge Satans ist, eine Lüge, die er mit Eifer in der anziehendsten Weise zu vergolden und zu zieren sucht, um jeden 
Gedanken an Jesus und an Sein heiliges Versöhnungswerk 
aus dem Herzen zu verdrängen. Wenn dabei noch in etwa der 
Name Jesu genannt wird, so geschieht es nur, um Ihn als 
jemanden zu bezeichnen, der durch Sein Leben und Sterben 
ein Beispiel der erhabensten Tugend hinterließ und daß der 
Mensch durch Ausübung der ihm angeborenen Kraft fähig sei, 
das nachzuahmen. Der Sündenfall des Menschen wird geleugnet, seine gänzliche Verdorbenheit bestritten und seine Vernunft vergöttert. Die Lehre ist, daß zu seiner Errettung der 
Tod Christi nicht nötig war, weil der Mensch sich selbst retten 
kann; und daß er die Leitung des Wortes und des Heiligen 
Geistes nicht braucht, weil er sich selbst leiten kann durch seine 
eigene Vernunft und durch sein moralisches Gefühl. 
Wie wichtig ist angesichts dieses Irrtums die Unterweisung des 
10. Kapitels der Apostelgeschichte. Dort finden wir einen 
Mann, bei dem wir eine erhabene Tugend und eine seltene 
Gottesfurcht sehen, einen Mann, der auf seinen familienaltar 
das beständige Opfer des Gebets niederlegt und dessen freigebige Hand stets geöffnet ist, um der Notdurft seiner Mitmenschen zu begegnen.*) Und dennoch ist dieser Mann genötigt, auf „Worte" zu lauschen; und in diesen Worten findet 
er das Heil und einen Heiland. Wenden wir uns zu der 
Anrede des Petrus in dem Hause des Hauptmanns. Sie hier 
ausführlich niederzuschreiben, ist nicht nötig. Wir fragen 
bloß: Wer ist der einzige Gegenstand dieser Predigt? Wer 
bildet hier den Anfang, die Mitte und das Ende? Wer anders 
als Jesus? Ja, Jesus, der Gegenstand göttlicher Wonne, Jesus, 
der Grund der Zuversicht und der ewigen Errettung des Sün-
*) Wir zweifeln keineswegs daran, daß Komelius eine erweckte Seele war 
und nach dem Licht, das er hatte, treu wandelte; aber er erkannte die Erlösung 
nicht, und daher erklärt sein Zustand in bestimmter Weise die unabweisbare 
Notwendigkeit des Todes und der Auferstehung Jesu. 
189 
ders. „Diesem geben alle Propheten Zeugnis, daß jeder, der 
an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt, durch seinen 
Namen." (V. 43.) Merken wir uns die Worte: „Der an ihn 
glaubt". Es ist nicht ein Glaube an etwas, was ihn betrifft 
oder was Er getan hat, sondern der Glaube an Ihn. Es ist der 
Glaube an seine Person, die dem gottlosen und verlorenen 
Sünder Leben und Rettung gibt. „Es ist in keinem anderen 
das Heil; denn auch kein anderer Name ist unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in welchem wir 
errettet werden müssen." (Apg 4, 12.) 
Wenn wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf den sterbenden 
Räuber richten, sehen wir in seinem Fall die Macht und den 
Wert des Blutes Jesu. Der Gegensatz zwischen ihm und Kornelius ist wichtig und lehrreich. Wir finden hier zwei Arten, 
durch die Satan die Seelen zu verderben sucht. Er flüstert dem 
einen ins Ohr: „Du bist nicht so schlecht, daß du die Erlösung 
nötig hast"; — und dem anderen: „Du bist zu schlecht, als daß 
du Anspruch darauf machen kannst." Der Hauptmann von 
Cäsarea gibt auf das erste Antwort, und der Räuber am Kreuz 
auf das zweite. Wenn jemand durch die blendende Macht des 
Betrügers und Verwüsters der Seelen so weit irregeführt ist, 
daß er meint, den versöhnenden Tod Jesu zu seiner Rettung 
nicht nötig zu haben, wenn er sich auf richtigem Pfade und 
außer Gefahr erblickt, weil er nie irgend etwas sehr Böses 
getan oder in seinem Herzen genährt hat, und weil er seine 
Pflichten als Ehemann, als Vater, als Herr, als Diener, als 
Nachbar, als Freund erfüllt und seine Religion beobachtet hat, 
worauf setzt er dann, vorausgesetzt, daß alles dieses wahr ist, 
seine Hoffnung? Wir wissen, daß der Engel zu Kornelius 
sagte: „Deine Gebete und deine Almosen sind hinaufgestiegen 
zum Gedächtnis vor Gott." Aber war er deshalb gerettet? 
Keineswegs. Wohl verriet sein Betragen, daß er nach dem 
Licht, das er hatte, Gott zu dienen trachtete, und daß er mit 
Ängstlichkeit die Wahrheit suchte; und Gott sei Dank! er fand 
sie in dem gekreuzigten, begrabenen und auferstandenen Jesus 
von Nazareth. Aber aus seiner Geschichte lernen wir, daß, wie 
vortefflich seine Werke auch waren, nichts als der Versöhnungstod des Sohnes Gottes selbst den besten Menschen zu retten 
vermag. 
190 
Wenn dagegen jemand sagt: „Ich bin zu schlecht, zu gottlos, 
zu verderbt, um errettet werden und auf Gnade hoffen zu 
können", dann möge ein solcher seinen Blick auf den sterbenden Räuber richten. Man würde wohl schwer jemand auf einer 
niedrigeren Stufe finden, als worauf er stand. Er war durch 
das Gesetz seines Landes verurteilt, für seine Verbrechen eines 
schmachvollen Todes zu sterben. Und nicht nur dies, sondern, 
obwohl er am Kreuze hing und an der Pforte der Ewigkeit 
stand, konnte er dennoch mit anderen die Lippen öffnen, um 
den Sohn Gottes zu lästern. Freilich wußte er nicht, daß der, 
welcher an seiner Seite hing, der Sohn Gottes war; aber verriet nicht sein Spott die tiefe Finsternis, in die seine schuldbeladene Seele versunken war? 
Es ist wichtig, zu sehen, daß beide Missetäter den sterbenden 
Heiland lästerten und verspotteten. Wie glänzend tritt die 
Gnade hier bei der Rettung des Bußfertigen hervor! Matthäus 
sagt in seiner Erzählung: „Auf dieselbe Weise schmähten ihn 
auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren." (Mth 27, 44.) 
und ebenso lesen wir in Markus: „Auch die mit ihm gekreuzigt 
waren, schmähten ihn." (Mk 15, 32.) 
So steht also der sterbende Räuber hier vor uns als ein Muster 
der schlechtesten Form der gefallenen Menschheit. Er war ein 
verurteilter Missetäter und, obgleich er im tiefsten Elend war, 
ein Lästerer des Sohnes Gottes. Aber er stand nicht außer dem 
Bereich der göttlichen Liebe; nein, sondern er war gerade ein 
solches Geschöpf, an dem diese Liebe ihren Triumph entfalten 
konnte. Jesus kam zu suchen und zu erretten, was verloren ist. 
Und dieses Wörtchen „verloren" beschreibt den Zustand aller 
Menschen, ohne Ausnahme. Der Räuber war verloren, der 
Hauptmann war verloren; und obwohl der eine uns auf der 
niedrigsten Stufe der Strafbarkeit und Entwürdigung gezeigt 
wird, und der andere auf der Höhe der Gottesfurcht und der 
Mildtätigkeit, so sind beide doch nichts als schuldige, verlorene 
Sünder, indem sowohl der eine wie der andere zu seiner 
Waschung das versöhnende Blut des Lammes Gottes nötig hat. 
Doch betrachten wir die Geschichte des sterbenden Räubers ein 
wenig näher. In Lukas beschäftigt sich der Heilige Geist in 
dem Augenblick mit ihm, als der erste Strahl des göttlichen 
191 
Lichts und göttlicher Gnade in seine verfinsterte Seele drang, 
während Matthäus und Markus uns ihn in seiner Schuld darstellen. Beides mußte uns gezeigt werden, um von einem bußfertigen Räuber eine richtige Vorstellung zu haben. Die göttliche Mitteilung betreffs der großen Schuld erhöht den Wert 
der göttlichen Gnade. Es wird dadurch ans Licht gestellt, daß 
unser Heiland Gott bis in die tiefste Tiefe des menschlichen 
Zustandes hinabgestiegen ist, daß es eine völlige, freie und 
ewige Errettung selbst für den versunkensten Menschen gibt 
und daß sich niemand außer dem Bereich der unumschränkten 
Gnade und Barmherzigkeit Gottes befindet. Dies zeigt uns die 
Geschichte des Räubers. Sowohl er wie auch der Hauptmann, 
beide hatten dasselbe Mittel zu ihrer Errettung nötig. Der eine 
hatte nichts mehr und der andere nichts weniger nötig; beide 
bedurften des Opfers des Herrn und Heilandes Jesu Christi. 
Das Verbrechen des Räubers wurde durch das Blut des Kreuzes 
ausgelöscht; und die Almosen und Gebete desKornelius waren 
ungenügend ohne dieses Blut. O, möchten doch alle, die sich 
für zu schlecht halten, um gerettet werden zu können, ihren 
Blick auf den sterbenden Räuber am Kreuze richten; und 
möchten alle, die meinen, dieses Heil nicht nötig zu haben, 
auf den Hauptmann zu Cäsarea sehen! Wenn aber der Hauptmann dieses Blut nötig hatte, wer könnte es dann entbehren? 
Und wenn der Räuber durch dieses Blut gerettet worden ist, 
wer könnte dann noch verzweifeln? Diese beiden Fälle zusammengenommen zeigen uns in klarer Weise die Unzulänglichkeit der besten Anstrengungen des Menschen und die vollkommene Wirksamkeit und Hinlänglichkeit des Versöhnungswerkes Christi. 
Welches sind nun die Fortschritte des Gnadenwerkes in der 
Seele des sterbenden Missetäters? Sicher war er in jeder Beziehung ein passender Gegenstand für die Handlungen dieser 
Gnade. Von dem Augenblick an, da der Pfeil der Überführung 
in seine Seele drang, begann er seinen Lauf von dem Punkte 
an, den die Schrift als den Anfang der Weisheit bezeichnet. Er 
ruft seinem Gefährten zu: „Auch du fürchtest Gott nicht?" 
(Lk 23, 40.) Welch ein Wechsel! Wodurch er hervorgerufen 
worden war, wird uns nicht erzählt. Aber wir wissen, daß nach 
der Darstellung des Matthäus und Markus einerseits und der192 
jenigen des Lukas andererseits ein sichtlicher Wechsel stattgefunden hat. Ein göttlicher Lichtstrahl ist in seine Seele 
gefallen, und da wir voraussetzen dürfen, daß nie ein Lichtstrahl ohne die Vermittlung Jesu in diese finstere Welt geschienen hat, so ist auch sicher das Auge des sterbenden 
Räubers geöffnet worden, um etwas von der göttlichen Herrlichkeit Dessen zu sehen, der neben ihm am Fluchholze hing. 
„Auch du", sagte er, „fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts 
Ungeziemendes getan." (V. 40. 41.) Er sagt nicht: „Fürchtest 
du nicht die Rache, das Gericht oder die zukünftige Strafe?" 
Nein, die „Furcht Gottes" ist vor seinen Augen; und das ist 
bemerkenswert. Mancher wird durch die Furcht vor der zukünftigen Strafe gequält; und sicher übt der Heilige Geist 
öfters diesen Druck aus. Es ist gewiß am Platze, die Menschen 
an die zukünftige Rache zu erinnern und ihnen die Folgen 
ihrer Sünden vorzustellen; aber wir dürfen nicht vergessen, 
daß die „Furcht Gottes der Weisheit Anfang" ist. Der Heilige 
Geist wird in der Seele das Bewußtsein wecken, daß sie es mit 
Gott zu tun hat; und dann handelt es sich nicht mehr um die 
Folgen der Sünde, sondern um deren Häßlichkeit im Angesichte Gottes. Wenn Gott einen Platz im Herzen findet, dann 
wird alles andere folgen. Wir werden dann im Lichte dessen, 
was Gott ist, uns selbst, unsere Wege, unser Betragen, unsere 
Sünden, den Zustand unserer Herzen, unsere Natur und alle 
ihre Früchte erkennen. Wohl mag jemand tief erschüttert werden bei dem Gedanken an den Zorn und die ewige Verdammnis. Wohl mag der Gedanke an die Hölle, an den Feuer- und 
Schwefelsee und an den nimmer sterbenden Wurm das Herz 
für einen Augenblick mit Schaudern und Entsetzen erfüllen. 
Wenn aber nicht ein Teilchen der wahren Furcht Gottes vorhanden ist, dann wird sicher, wenn der erste Schrecken vorüber ist, die Lust der Sünde mit vermehrter Kraft zurückkehren und alle guten Entschlüsse verdrängen. 
Wie ganz anders ist es, wenn die Seele durch den Heiligen 
Geist das Bewußtsein erlangt, daß sie es mit Gott zu tun hat! 
Dann wird die Sünde nicht gemessen nach den Folgen, son193 
dem nach dem, wie Gott sie betrachtet. Nein, nicht die Folgen, 
wie schrecklich sie auch sein werden, werden uns dann 
beschäftigen, sondern die Häßlichkeit und Schlechtigkeit der 
Sünde selbst. Wir werden die Sünde hassen, weil Gott sie 
haßt. Wir werden die gerechte Verdammnis der Sünde anerkennen; aber wir werden im Lichte der Heiligkeit Gottes die 
Sünde in ihrer wahren Natur und in ihrem wahren Charakter 
sehen. 
Indes ist es höchst bewundernswürdig, die Art und Weise zu 
sehen, in der dieser sterbende Räuber durch göttliche Unterweisung weitergeführt wird. Er eilt, indem er große Fundamental-Wahrheiten der Offenbarung ergreift, mit staunenswerter Schnelligkeit von Stufe zu Stufe fort. Er nimmt als ein 
mit Recht verurteilter Sünder seinen wahren Platz ein. „Wir 
empfangen, was unsere Taten wert sind", sagt er. Anstatt mit 
seinem Gefährten spöttisch zu sagen: „Wenn du der Christus 
bist, so rette dich selbst und uns", erkennt er unter dem Einfluß der Furcht Gottes an, daß er mit Recht verurteilt ist, legt 
Zeugnis gegen den anderen Missetäter ab und tadelt dessen 
Lästerungen, in die er selbst noch vor kurzem mit eingestimmt 
hat. Dann wendet er sich zu Jesu, indem er Seine fleckenlose 
Menschheit, diese große Fundamental-Wahrheit des Christentums, durch die Worte bezeugt: „Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan." Hier bildet er einen entschiedenen Gegensatz zu den Hohenpriestern, den Ältesten, den Schriftgelehrten 
sowie dem Volke Israel und der Welt im allgemeinen. Alle 
waren übereingekommen, Ihn als einen Übeltäter zu überliefern; aber dieser sterbende Räuber bezeugte von Ihm, daß 
Er nichts Ungeziemendes getan habe; und obgleich man einwenden könnte, sein Zeugnis erstrecke sich nur bis zu der 
Erklärung, daß Jesus um keines Verbrechens willen zum Tode 
verurteilt sei, so hebt dies doch die große Tatsache nicht auf, 
daß der Räuber in betreff Jesu die Welt Lügen straft. Die 
Welt hatte Ihn verurteilt und ausgestoßen; sie hatte Ihn ans 
Kreuz genagelt und mithin die schändlichste Todesart über 
Ihn verhängt; aber inmitten der dunklen Schatten dieses 
häßlichen Kreuzes drang über die Lippen eines überführten 
und bußfertigen Missetäters das klare und rückhaltlose Zeugnis: „Dieser hat nichts Ungeziemendes getan." 
194 
Welch ein kostbares und herrliches Zeugnis! Wie wird es das 
Herz des sterbenden Heilandes erquickt haben, inmitten all 
der Vorwürfe und Lästerungen, inmitten der Empörung und 
des Hasses der Menschen und der Teufel ein solches Zeugnis 
von den Lippen dieses armen Räubers zu hören! Alle Seine 
Jünger hatten Ihn verlassen. Sie flohen von Ihm in der finsteren, bösen Stunde. Wie sehr gleicht dies dem Menschen! Die 
ganze Welt, die Juden, die Heiden, die weltlichen und geistlichen Mächte, die Kriegsheere der Hölle, alle standen in 
Schlachtordnung wider den Sohn Gottes; aber inmitten dieser 
unbeschreiblichen und undenkbaren Schreckensszene brach sich 
eine einsame Stimme in klaren, offenen Tönen Bahn und 
legte das Zeugnis ab: „Dieser hat nichts Ungeziemendes getan." 
Es ist mitunter gesagt worden, daß dieser sterbende Räuber 
keine Gelegenheit gehabt habe, gute Werke tun zu können. 
Wenn darunter verstanden wird, daß er keine Liebeshandlungen ausübte, keine Almosen gab, keine Früchte tätigen Wohlwollens hervorbrachte, so ist diese Bemerkung am Platze; und 
wenn solche Dinge zur Errettung durchaus notwendig waren, 
dann war sicher der Räuber unrettbar verloren. Seine Hände 
waren an das Kreuz genagelt und konnten mithin nicht zu 
Handlungen der Liebe in Tätigkeit gesetzt werden. Seine Füße 
befanden sich in gleicher Lage und konnten daher den Pfad 
des dienenden Wohltuns nicht betreten. Dies alles ist klar 
genug. Solange er sich seiner Hände hatte bedienen können, 
hatte er sie zu bösen Taten gebraucht, und solange er seine 
Füße hatte bewegen können, waren sie auf der Landstraße 
der Sünde vorwärtsgeschritten. Jetzt, wo die einen wie die 
andern ans Kreuz genagelt waren, war es mit seinen Taten 
und Gängen zu Ende. Er hatte seine Hände und seine Füße 
für den Teufel gebraucht; aber es bot sich ihm jetzt keine 
Gelegenheit mehr dar, sie für Gott zu gebrauchen. Daher, 
wenn die Errettung in irgendeiner Weise an Werke geknüpft 
war, so befand sich der arme Räuber sicher in einem hoffnungslosen Zustande. 
Überdies wußte der Räuber nichts von dem Vorrecht christlicher Anordnungen. Insoweit uns die göttliche Erzählung darüber Aufschluß gibt, war er weder getauft, noch hatte er am 
Abendmahl teilgenommen. Auch das ist wichtig. Wir schätzen 
195 
diese beiden kostbaren Einsetzungen an ihrem wahren Platze 
sehr hoch. Sowohl sie, als auch die guten Werke haben in 
unseren Augen einen hohen Wert. Gott hat einen Pfad guter 
Werke bereitet, auf welchem Sein Volk beständig wandeln 
soll; und wenn daher jemand bekennt, ein Christ zu sein und 
nicht auf dem göttlich bezeichneten und bereiteten Pfade guter 
Werke wandelt, so ist sicher sein Bekenntnis hohl und wertlos. 
Ein bloßes Lippenbekenntnis aber ist nutzlos vor Gott und 
Menschen; denn wo göttliches Leben in der Seele ist, da wird 
sich dieses Leben auch in Früchten der Gerechtigkeit erweisen, 
welche durch Jesum Christum sind zur Herrlichkeit und zum 
Preise Gottes. 
Ebenso belehrt uns die Heilige Schrift hinsichtlich der christlichen Anordnungen über deren wahren Platz, über ihre Natur, 
ihren Chrakter und ihren Zweck. Sie belehrt uns, daß die 
Taufe, diese einweihende Anordnung des Christentums, in 
nachdrücklicher und bestimmter Weise unseren Tod darstellt 
gegenüber der Sünde und allem, worin wir von Natur oder als 
Kinder des ersten Adam uns befanden. Sie belehrt uns, daß 
die Anordnung des Abendmahls den Tod des Herrn, das 
Brechen Seines Leibes und das Vergießen Seines Blutes darstellt. Wer könnte eine Zeile niederschreiben, um Anordnungen dieser Art anzutasten oder ihren Wert verringern zu 
wollen? Gewiß niemand, der irgendwie Christum liebt und 
sich unter die unumschränkte Autorität Seines Wortes beugt, 
wird sich dessen schuldig machen. Es wird daher wohl keiner 
unserer Leser der Vermutung Raum geben, als ob wir den 
Wert der guten Werke und der Anordnungen unterschätzen, 
wenn wir behaupten, daß der Räuber am Kreuz weder gute 
Werke aufzuweisen hatte, noch an den christlichen Anordnungen teilgenommen hat. Aber welch eine Kraft liegt in dieser 
Tatsache! Es ist von großer Bedeutung, daß die Seele eines 
versöhnten Menschen, der weder getauft ist, noch an des 
Herrn Abendmahl teilgenommen hat noch irgendein gutes 
Werk aufzuweisen hat, sich bei dem Herrn in dem glänzenden 
Paradiese droben befindet. Man könnte sagen, daß dies, wenn 
er am Leben geblieben wäre, anders geworden wäre. Wir 
zweifeln nicht daran; aber jetzt konnte er sich nicht auf diese 
Dinge berufen; und das sollten sich alle merken, die ihr Ver196 
trauen auf Anordnungen und gute Werke setzen. Es wird immer wahr bleiben: „Er errettete uns, nicht aus Werken, die, 
in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach 
seiner Barmherzigkeit." (Tit 3, 5.) Die Taufe hat ihren Platz 
und ihren Wert; aber wenn jemand zu uns sagen würde: 
„Wenn ihr nicht getauft seid, so könnt ihr auch nicht gerettet 
sein"; so würden wir ihn auf den Räuber am Kreuz hinweisen und sagen: „Dort ist jemand ins Paradies gegangen, 
ohne durch das Wasser der Taufe gegangen zu sein." Und 
ebenso verhält es sich mit des Herrn Abendmahl, wie auch 
mit den guten Werken. Der Räuber wurde gerettet ohne dies 
alles. Er wurde gerettet durch Gnade, durch Blut, durch Glauben. Dieses kann den Seelen in unseren Tagen nicht tief genug 
eingeprägt werden, wo die Religiosität sich so tätig zeigt, und 
wo man ein so großes Vertrauen in die kirchlichen Anordnungen setzt. Die Geschichte des sterbenden Räubers ist von 
hoher Bedeutung. Sie bildet gleichsam einen mächtigen Damm, 
um die Flut der gesetzlichen Religiosität zu hemmen, die 
Millionen durch ihre Strömung mit fortreißt, um sie hinabzustürzen in den See, der mit Feuer und Schwefel brennt. Der 
Räuber wurde gerettet ohne kirchliche Anordnungen, und wir 
schließen daraus, daß sie zur Rettung nicht notwendig sind; 
sie haben ihren Wert auf der Erde; aber sie bringen niemanden in den Himmel. 
Doch gehen wir noch etwas näher ein in die Geschichte des 
sterbenden Räubers! Verrichtete er nicht dennoch gute Werke? 
Ja, in der Tat. Er verrichtete eines der größten Werke, die je 
ein geretteter Sünder verrichten kann. Und welches gute Werk? 
Er legte Zeugnis für die Wahrheit ab. Freilich waren seine 
Hände und seine Füße ans Kreuz genagelt und darum machtlos; aber sein Auge, sein Herz und seine Zunge waren frei. 
Sein Auge war frei, um auf den Sohn Gottes schauen, sein 
Herz war frei, um an dessen gesegnete Person glauben zu 
können, und seine Zunge war frei, um Seinen Namen in einer 
feindseligen Welt bekennen zu können. Der Glaube an den 
Sohn Gottes und das Bekenntnis Seines Namens macht die 
Summe des Christentums aus. Als der Herr Jesus in den Tagen 
Seines Fleisches durch etliche gefragt wurde: „Was sollen wir 
tun, auf daß wir die Werke Gottes wirken?" gab Er zur 
197 
Antwort: „Dies ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubet, 
den er gesandt hat." (Joh 6, 28. 29,) Und der Apostel erklärt, 
„daß, wenn du mit deinem Munde den Herrn Jesum bekennen 
und in deinem Herzen glauben wirst, daß Gott ihn aus den 
Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst. Denn mit dem 
Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Munde 
wird bekannt zum Heil". (Röm 10, 9. 10.) 
Dies alles tat der sterbende Räuber; und hätte er vom Kreuze 
herabsteigen dürfen und das Alter Methusalahs erreichen 
können, so würde er nichts vermocht haben zu vollbringen, 
was vor Gott herrlicher und kostbarer gewesen wäre, als das, 
was er während der kurzen Dauer seines christlichen Lebens 
vollbracht hatte, eines Lebens, das am Kreuze begonnen, fortgesetzt und, was diese Welt betrifft, beendet, aber in jener 
glorreichen Welt wieder zurückempfangen wurde, wo der 
Tod nicht eintreten kann. Er hatte für die Wahrheit Zeugnis 
abgelegt. Dies ist der große Zweck des christlichen Lebens. 
Es mag jemand getauft worden sein und zu hundert Malen 
das Brot und den Wein des heiligen Abendmahls empfangen 
haben; es mag jemand Tausende für sogenannte Liebeszwecke 
ausgeben, er mag in betreff der Moralität und Religiosität sich 
unter seinesgleichen eines hohen Rufes erfreuen, und ein 
eifriger Förderer und Ausführer menschenfreundlicher Pläne 
sein; jemand mag alles dieses sein und haben und sich dennoch auf dem Wege der Verdammnis befinden, indem er nie 
den Herrn Jesum mit dem Munde bekannt und nie von Herzen geglaubt hat, daß Gott Ihn von den Toten auferweckt hat. 
Dies ist beachtenswert, besonders in unseren Tagen, in denen 
man so viel Lärm macht über kirchliche Anordnungen, Gebräuche, Zeremonien, wo man einen so großen Wert auf die 
Formen und Amter der Religion legt und so viel Vertrauen auf 
menschliche Autorität setzt. Wo, möchten wir fragen, finden 
wir in all diesem das edle Bekenntnis des sterbenden Räubers? 
Er bekannte „Jesum den Herrn". Das ist es, worauf das Auge 
Gottes gerichtet ist. Das ist es, was für Ihn einen Wert hat. 
Er fordert von uns, daß wir die Herrschaft Seines Sohnes anerkennen. Zu allen, die auf kirchliche Anordnungen und gute 
Werke ihr Vertrauen setzen, wendet sich der göttliche Ausspruch: „Wenn mich hungert, ich würde es dir nicht sagen." 
198 
(Ps 50, 12.) Er fordert von unserer Seite ein Bekenntnis in 
betreff Seines Sohnes; und dieses Bekenntnis des Mundes 
muß aus dem Glauben des Herzens hervorfließen. Wenn Jesus 
als der Herr anerkannt ist, dann nimmt jedes Ding seinen 
rechten Platz ein. Es mag große Schwachheit und große Unwissenheit vorhanden sein; aber wenn das Gewissen sich 
unter Ihn, als den Herrn beugt, dann tritt alles in sein richtiges 
Gleis. Ich mag so schwach sein, daß ich nur fähig bin „Gemüse" zu essen (Röm 14, 2.), und so unwissend, daß ich „einen 
Tag vor dem anderen" halte (Röm 14, 5.); oder andererseits 
mag ich so stark sein in dem Gefühl meiner Freiheit, daß ich 
fähig bin, „Fleisch" zu essen, und so aufgeklärt, daß ich 
„jeden Tag gleich" halte; aber der große moralische Perpendikel ist das Bekenntnis der Herrschaft Jesu. Dieses Bekenntnis legte der Räuber ab. Er sagte zu Jesu: „Herr". Er erkannte 
nicht nur Seine fleckenlose, Seine vollkommene Menschheit an, 
sondern bekannte Ihn auch als den Herrn. Es ist äußerst interessant, den Weg zu betrachten, auf dem diese kostbare Seele 
weitergeführt wurde. Nachdem er die Sünde getadelt und den 
Sünder in der Person seines Unglücksgefährten gewarnt hatte, 
nachdem er die Wahrheit in betreff seiner selbst und seines 
Betragens, als gänzlich im Widerspruch mit der fleckenlosen 
Person stehend, die neben ihm am Kreuze hing, anerkannt 
hatte, wandte er sich an Jesum; und seine ganze Seele schien 
von dieser unvergleichlichen Person erfüllt zu sein. Er scheint 
gleichsam mit bewundernswürdiger Schnelligkeit alle die Stufen des „großen Geheimnisses der Gottseligkeit" zu durchschreiten, deren Grundlage die Offenbarung Gottes auf Erden 
ist, und deren Gipfel die Verherrlichung des Menschen im 
Himmel ist; denn wir lesen in 1. Tim 3, 16: „Und anerkannt 
groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart 
worden im Fleische, gerechtfertigt im Geiste, gesehen von den 
Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, 
aufgenommen in Herrlichkeit." Welch ein kostbares Geheimnis! O, möchten wir doch mehr in dessen Tiefe eindringen! 
Allerdings vermögen wir nicht zu ergründen, inwieweit der 
sterbende Räuber diese ganze kostbare Wahrheit zu begreifen 
vermochte; aber eins war gewiß: er war unterwiesen worden, 
in Jesum den „im Fleisch geoffenbarten Gott" zu erkennen. 
199 
Und ebenso war er fähig gemacht, durch die finsteren Wolken, 
die sich um das schreckliche Kreuz zusammengezogen hatten, 
hindurchzuschauen und die glänzenden Strahlen der zukünftigen Herrlichkeit zu erblicken. Und er sprach zu Jesu: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reiche kommst!" Das 
ist die bewundernswürdige Frucht der Unterweisung Gottes. 
Noch wenige Augenblicke vorher hatte er den Hochgelobten 
geschmäht, und jetzt beugt er sich im Geiste vor Ihm, nennt 
Ihn „Herr", sieht in Ihm den Gott-Menschen, spricht mit Zuversicht von einem kommenden Königreich und wirft sich in 
die Arme jener allmächtigen Gnade, die in den Worten hervorleuchtet: „Rufe mich an am Tage der Bedrängnis; ich will 
dich erretten, und du wirst mich verherrlichen." (Ps 50, 15.) 
„Gedenke meiner, Herr!" das ist der Weg der Rettung. In 
dem Augenblick, wo irgendein armer, schuldiger und bußfertiger Sünder mit dem an das Holz genagelten Menschen 
verbunden wird, ist die Errettung eine ewig vollendete Tatsache. Es tut nichts zur Sache, wer oder was er ist. Seine 
Sünden mögen sein wie Karmesin oder Scharlach, sie mögen 
so schwarz sein wie die Nacht; aber von dem Augenblick an, 
wo er mit dem Gott-Heiland in Verbindung tritt, ist er errettet in der Macht einer ewigen Errettung. Seine Sünden und 
Vergehungen sind völlig ausgelöscht, und er ist in der ganzen 
Kraft und Würdigkeit des Namens Jesu zu Gott gebracht. 
Also verhielt es sich mit dem sterbenden Räuber. Er fand 
augenblicklich eine völlige, freie und ewige Errettung. Der Herr 
Jesus ging weit über alle seine Gedanken und alle seine 
Wünsche. Der Räuber sagte: „Gedenke meiner, Herr, wenn 
du in deinem Reiche kommst." Der Herr Jesus aber sagt ihm, 
daß Er weit mehr für ihn tun wolle. „Wahrlich, ich sage dir, 
heute wirst du mit mir im Paradiese sein." In diesen Worten 
haben wir die drei großen in dem Evangelium geoffenbarten 
Züge der Erlösung, nämlich eine gegenwärtige, eine persönliche und eine vollkommene Erlösung „Heute" — „wirst du" 
— „mit mir sein." Wir wollen bei diesen Punkten nicht verweilen; sie sind den meisten unserer Leser bekannt. Jedoch 
möchten wir noch gerne einige kurze Bemerkungen über die 
Verfahrungsweise unseres Herrn in dieser Szene hervorheben. 
Es ist bemerkenswert, daß wir hier kein tadelndes Wort, keine 
200 
Erinnerung an das Vergangene, keine Anspielung auf die alten 
Gewohnheiten oder auf die neueren Schmähungen und Lästerungen des Räubers vernehmen. Nein, nichts der Art. Es 
wäre auch nicht dem gnadenreichen Dienst unseres Herrn Jesu 
Christi angemessen gewesen. Er rettete alle, die zu Ihm kamen 
oder Ihn anblickten, weil Er nach dem Willen des Vaters kam 
und weil alle, die zu Ihm kamen, durch den Vater gezogen 
waren. Wir wollen in die wichtige Frage von allem, was dieses 
Ziehen durch den Vater in sich schließt, nicht näher eingehen, 
sondern wünschen nur dem Leser ans Herz zu legen, daß es 
eine freie, unumschränkte Gnade war, mit welcher der Herr 
den sterbenden Räuber empfing. 
Und so ist es in jedem Falle. „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken." Wir mögen uns 
ihrer erinnern, wir mögen uns mit zerknirschtem Herzen und 
durch ihre Erinnerung in den Staub gebeugt von ihnen abwenden; aber von dem Augenblick an, wo wir zu Jesu kommen, ist alles ausgelöscht, alles vergeben, alles vergessen. Das 
ist Seine Gnade, das ist die göttliche Vollkommenheit Seines 
Werkes, das ist die Art und Weise Seines Handelns. Der arme, 
sich selbst verurteilende Räuber ist ohne Anstand aufgenommen worden. Er warf sich in einfältigem Vertrauen auf Jesum; und unmittelbar folgte die Antwort: „Heute". Es ist, 
als hätte der Herr zu ihm gesagt: „Du hast nicht nötig, auf 
das Reich zu warten, sondern du sollst die Freude genießen, 
bei mir zu sein, ehe noch die Herrlichkeiten des Reiches auf 
diese Erde herniederkommen. Noch an diesem Tage werde ich 
dich bei mir haben in dem glänzenden Paradies, wohin ich zu 
gehen im Begriffe bin." — Das war in der Tat Gnade und 
Rettung durch Gnade. Der sterbende Heiland und der sterbende Räuber waren durch eine wunderbare Gnadenkette miteinander verbunden; an demselben Tage waren sie beisammen im Paradiese. Das Wort: „Mit mir" brachte alles in Ordnung. Da gab es keinen Aufschub. Alles war geschehen. Kirchliche Anordnungen waren nicht mehr nötig. Was hätte auch 
noch dem Versöhnungswerk Christi beigefügt werden können? 
Der Herr Jesus war für den Räuber am Kreuze, und darum 
war der Räuber mit Jesu im Paradiese. Was kann einfacher 
sein? Der Räuber hatte keinen Rechtsgrund, keinen Anspruch, 
201 
keinen Titel. Während er seine Freiheit besaß, lebte er in 
Sünden, und selbst als er ans Kreuz genagelt war, lästerte 
und schmähte er den Sohn Gottes. Aber der Pfeil war in seine 
Seele gedrungen, seine Augen waren geöffnet worden, um 
die herrliche Person Jesu, den Gott-Menschen, zu schauen und 
die Herrlichkeiten des Reiches zu unterscheiden von dem Nebel der Schande und der Herabwürdigung; er erkannte in 
dem Einen, den die Welt ausgeworfen und gekreuzigt hatte, 
einen fleckenlosen Menschen, seinen Herrn, und den Besitzer 
des kommenden Reiches. Er sah, er glaubte, er zeugte; und 
als schließlich die römischen Kriegsknechte kamen, um ihre 
entsetzlichen Pflichten zu erfüllen, da hätte dieser glückliche, 
gerettete Mann sagen können: „Ach! diese Menschen sind 
gekommen, um mich geradeswegs zu Jesu, meinem Herrn und 
Heiland, zu senden. Ich bin bereit. Mein Herr ist vorausgegangen, und ich habe ihm nur zu folgen. Abzuscheiden, um 
bei Christo zu sein, ist weit besser." 
Gewiß möchten wir noch länger bei dieser herrlichen Szene 
verweilen, aber wir müssen schließen und richten nur noch 
die eine Frage an den Leser: „Bist du gerettet?" Das ist eine 
klare, bestimmte Frage. Gib eine klare und bestimmte Antwort darauf! Kannst du nicht mit einem vollen „Ja" darauf 
antworten, dann bitte ich dich mit allem Nachdruck, diese 
ernste Sache nicht länger zu verschieben, sondern wirf dich 
jetzt, gerade jetzt, gleich dem sterbenden Räuber, zu den 
Füßen Jesu, — und eine völlige, ewige Errettung wird sogleich 
dein Teil sein. — Wenn du aber durch die Gnade schon sagen 
kannst: „Ja, Gott sei Dank, ich bin gerettet und erfreue mich 
dessen", — dann erinnere Dich, daß wir berufen sind, Jesum 
nicht nur als unseren Erretter, sondern auch als unseren Herrn 
anzuerkennen. Mögen wir nie diese beiden Dinge trennen! 
Hat Er uns erlöst, so ist Er auch unser Herr und Meister. 
Seine Ansprüche an uns, an alles, was wir sind und haben, 
sind gestützt auf den soliden Boden der Erlösung. Das Fundament unserer Erlösung in Ihm und durch Ihn, und das Fundament für Seine absolute Autorität über uns ist eins, nämlich Sein Tod. Er gab Sich für uns. Welch ein Preis! Welch 
ein Rechtsgrund für unsere gänzliche Unterwerfung unter 
Seine heilige Autorität! 
202 
„Seid niemandem irgend etwas schuldig" 
(Röm 13, 8.) 
Es dürfte in der Heiligen Schrift kaum eine Vorschrift geben, 
die klarer und bestimmter wäre, als die in der oben angeführten Stelle. Das griechische Wort, welches hier durch „schuldig 
sein" übersetzt ist, läßt keine zweifache Deutung zu. Die 
Stelle ist daher ebenso einfach und die Vorschrift ebenso bestimmt, wie die im nächstfolgenden Vers: „Du sollst nicht 
stehlen!" Jeder Leser, der das geschriebene Wort ehrt und es 
nicht nach seinen Wünschen oder Ansichten zu deuten trachtet, wird verstehen, daß es in dieser Stelle förmlich verboten 
ist, Schulden zu machen. 
Wenn nun jemand einwendet, daß der Schluß des angeführten 
Verses den Sinn der oben angeführten Worte ein wenig verändere, so gebe ich das zu, jedoch nur in dem Sinn, daß die 
wahre Bedeutung der Stelle dadurch noch verschärft wird. 
„Seid niemandem irgend etwas schuldig, als nur einander zu 
lieben; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt." 
Wie könnte man dies anders umschreiben, als durch die Worte: „Jede Schuld ist euch verboten, mit Ausnahme einer einzigen, von der ihr euch nie befreien könnt, nämlich der Schuld 
der Bruderliebe und der damit verbundenen Pflichten." Es ist 
klar: solange wir hier sind, werden wir nie sagen können, 
daß wir unseren Brüdern nichts mehr schulden, und daß unsererseits keine der Bruderliebe entspringenden Pflichten mehr 
zu erfüllen da seien. Außer dieser Ausnahme ist uns aber 
jede andere Schuld ausdrücklich verboten, so daß wir keine 
machen können, ohne eins der bestimmtesten Verbote des 
Wortes Gottes zu übertreten. 
Es bedarf indes einiger Erläuterungen in betreff dessen, was 
unter die Rubrik des verbotenen Schuldenmachens zu bringen 
ist. Ein Christ, selbst ein treuer Christ, kann durch widerwärtige Umstände in Schulden geraten, durch Umstände, die, obwohl sie nicht ohne die Zulassung Gottes gekommen sind, 
dennoch unabhängig von dem Willen dessen sind, der darunter leidet. Dies war z. B. der Fall bei der Witwe eines der 
203 
Söhne der Propheten, welcher, obwohl er gottesfürchtig war, 
bei seinem Tode sein armes Weib in den Händen eines grausamen und geldgierigen Schuldherrn zurückließ, der ihr drohte, 
ihr alles zu nehmen, selbst ihre beiden Kinder. Doch sie nahm 
ihre Zuflucht zu Gott, der verheißen hat, der Witwen Mann 
zu sein, und wurde auf wunderbare Weise befreit. Möchten 
wir ihr in ähnlichen Umständen gleichen! In einer solchen 
Lage, wo wir des Herrn Hand sehen, können wir uns völlig 
Ihm anvertrauen und in völligem Glauben um Errettung bitten, die nur Er bewirken kann und bewirken will; denn in 
diesem Falle ist diese Lage für uns eine Prüfung und nicht ein 
Zustand der Sünde. 
Wenn ferner ein Christ irgendwelche Wertsachen besitzt, die 
seine Schuld mehr als decken, und wenn das gemachte Anleihen durch entsprechende Pfandverschreibungen mehr als 
gesichert ist, so kann man nicht sagen, daß er sich in Schulden 
befinde, weil er im schlimmsten Falle sein Eigentum selbst 
unter Preis abgeben und die Schuld decken kann. Das beste 
und sicherste wäre allerdings für ihn, sich so bald wie möglich freizumachen. Doch außer diesen und etlichen ähnlichen 
Fällen darf ein Christ keine Schulden machen, ohne sich zu 
versündigen: denn, ich wiederhole es, das Gebot Gottes ist 
in dieser Beziehung sehr bestimmt und unzweideutig. Die 
Größe des Übels eines solchen Betragens aber wird sich um so 
besser herausstellen, wenn wir die Ursache erforschen und 
die Folgen ein wenig beleuchten. 
Die Triebfedern oder Motive, zufolge deren ein Kind Gottes 
auf solchem Pfade wandelt, sind denen, durch die es sich 
hätte lassen sollen leiten, stets entgegengesetzt. Meistens sind 
Hochmut, Ehrgeiz, Habsucht und Weltförmigkeit die Ursachen solcher betrübenden Erscheinungen. In der Tat, mancher 
Christ, der unter Schulden seufzt, hat vielleicht nie recht seine 
Augen gerichtet auf die Stelle: „Der Wandel sei ohne Geldliebe, begnüget euch mit dem, was vorhanden ist; denn er hat 
gesagt: Ich werde dich nicht versäumen, noch dich verlassen, 
so daß wir kühn sagen dürfen: Der Herr ist mein Helfer ... " 
(Hebr 13, 5. 6.) Wenn Ihr nun durch Anleihen in Schulden 
geratet, beweist Ihr dadurch, daß Ihr Euch mit dem begnügt, 
was vorhanden ist, und daß Ihr an die Verheißung glaubt: 
204 
Ich werde dich nicht versäumen . . ."? Zeigt Ihr, daß Ihr 
kühn sagen dürft, daß der Herr Euer Helfer ist, und daß 
Euer Herz in dieser köstlichen Wahrheit lebt? Ist Euer Betragen nicht im Gegenteil ein Beweis, daß Ihr Gott nicht vertraut und daß sich Euer Herz in dem Maße von Ihm abwendet, wie es sich auf den Arm des Fleisches stützt und dem 
Menschen vertraut? 
Warum werden überhaupt so oft Anleihen oder Schulden gemacht? Weil man mit der Lage, in der man sich befindet, 
nicht zufrieden ist, und weil man bemüht ist, herauszukommen, und in bessere Verhältnisse zu gelangen, indem man 
auf hohe Dinge sinnt, anstatt sich zu dem Niedrigen zu 
halten. Ist das die Gesinnung, die den Jünger Dessen ziert, 
der Sich Selbst zu Nichts machte und Sich bis zum Tode am 
Kreuze erniedrigt hat, und der sanftmütig und von Herzen 
demütig war? Heißt das in den Fußstapfen des Jesus wandeln, der auf dieser Erde arm und verachtet war, der nur eine 
Krippe und ein Kreuz auf Erden besaß, und der uns auffordert, zu leben und zu wandeln, wie Er Selbst gelebt und gewandelt hat? Ach, für viele Christen würde jetzt noch das 
Wort passen, welches Jehova einst zu Baruch redete: „Und du, 
du trachtest nach großen Dingen für dich? Trachte nicht danach! Denn siehe, ich bringe Unglück über alles Fleisch, spricht 
Jehova; aber ich gebe dir deine Seele zur Beute an allen Orten, wohin du ziehen wirst." (Jer 45, 5.) Und ebenso passend 
würden die an den ehrgeizigen, geldgierigen Gehasi gerichteten Worte des Propheten Elisa sein, der sagte: „Ist es Zeit, 
Silber zu nehmen und Kleider zu nehmen, und Olivenbäume 
und Weinberge, und Kleinvieh und Rinder, und Knechte und 
Mägde?" (2. Kön 5, 26.) O, wie selten findet man es bewahrheitet, was einmal jemand durch die Worte ausdrückte: „Lieber wollte ich eine Bildsäule von Marmor im Wege des Gehorsams sein, als die größten Taten auf Kosten des kleinsten 
Teiles des Wortes Gottes tun." 
Wenn man einwendet, daß man doch etwas zum eigenen und 
zum Unterhalte der Seinigen unternehmen müsse, so räume 
ich dieses gerne ein. Denn Gott Selbst gebietet uns allen, zu 
arbeiten und mit unseren eigenen Händen zu tun, was gut 
ist — und dieses nicht allein, um für unseren Unterhalt zu 
205 
sorgen, sondern auch damit wir imstande sind, dem Dürftigen 
mitzuteilen. (Eph 4, 28.) Handelt es sich um gemeinschaftliche 
oder private Unternehmungen, seien sie zur Verbreitung des 
Evangeliums oder zu Wohltätigkeitszwecken, oder handelt es 
sich um persönliche Pläne, die nur unser zeitliches Wohl zum 
Zweck haben, so laßt uns wohl daran denken, daß, wenn wir 
solches tun sollen, Gott auch die Mittel dazu darreichen wird.*) 
In dieser Hinsicht sagt Er zu uns, wie einst zu Gideon: „Gehe 
hin in dieser deiner Kraft." (Ri 6, 14.) Mit der Kraft, mit den 
von Ihm dargereichten Mitteln, und mit nichts anderem dürfen wir vorwärtsgehen. Weitergehen heißt sich in Schulden 
begeben, mithin in die Sünde einlassen, indem man das Wohlergehen auf einem Wege sucht, auf dem Gott nicht mit uns 
sein kann und wo wir Seinen Segen weder erlangen noch 
erwarten können, einen Segen, der reich machen kann, ohne 
irgendwelches Tun von unserer Seite. (Spr 10, 22.) Brüder, 
ehe Ihr daher ein Haus oder einen Garten kauft, ehe Ihr 
irgendein Unternehmen, ob groß oder klein, beginnt, richten 
wir an Euch die Bitte, daß Ihr Euch hinsetzen und vor Gott 
die Ausgaben überschlagen möchtet, um zu sehen, ob Ihr 
imstande seid, das Unternehmen ausführen zu können, und 
ob Euch Gott Erlaubnis dazu gegeben hat. Den Kindern dieser Welt mag es wohl auf einem entgegengesetzten Wege gelingen, sich Reichtümer und Schätze zu erwerben; sie kennen 
Gott nicht; sie haben ihre Güter in dieser Welt und leben in 
Ungewißheit und Unglauben in betreff des Willens Gottes; 
und sie stehen daher in dieser Beziehung nicht auf gleichem 
Boden der Verantwortlichkeit mit den Kindern des Lichts. 
Aber ach, wie viele Christen machen auf diesem Wege der 
Untreue die traurigen Erfahrungen, die das Wort Gottes bezeichnet: „Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung 
und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Lüste, 
welche die Menschen versenken in Verderben und Untergang!" 
(1. Tim 6, 9.) Wie viele, die Reichtümer suchten, sind vom 
Glauben abgeirrt und haben sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt! (V 10.) 
Geliebte Brüder! möchte es Euch in Gnaden geschenkt wer-
*) Der Christ sollte stets verstehen, daß alles, was in Sachen dieses Lebens 
nicht möglich ist, auch nicht nötig ist. 
206 
den, diesen Fallstricken auszuweichen; sie enden nur zu oft 
mit schmählichem Ruin, durch den der Name des Herrn der 
Verachtung preisgegeben und das Evangelium von vielen verlästert wird, welche, weil sie größere oder kleinere Verluste 
erlitten, sich um solcher Skandale willen von der Wahrheit 
abwenden, während ein reiner und treuer Wandel die Lehre 
unseres Heilandes Gottes geziert haben würde. Darum, mögt 
Ihr Arbeiter, Diener, Angestellte sein, bleibt in Eurer wenn 
auch noch so bescheidenen Lage, in die Gott Euch gestellt hat, 
und verlaßt sie nicht eher, als bis Gott Euch die Tür öffnet, 
um heraustreten zu können. Wenn Euch andererseits Eure 
Stellung nötigt, Schulden zu machen, so ist das wohl ein 
sicheres Zeichen, daß diese Stellung nicht Gott gemäß ist, und 
daß Ihr so bald wie möglich herausgehen sollt. Denn es kann 
nicht der Wille Gottes sein, in einer Lage zu verharren, die 
Euch einen Anlaß zur Sünde bietet. Nur wenn jemand mit 
Gott in seiner Stellung ist, soll er darin ausharren. (1. Kor 
7, 24.) Sobald das Gewissen die Gefahr erkennt, ist es nötig 
auszugehen, so wie Petrus weinend aus dem Hof des Hohenpriesters trat. Und sollte trotz dieser Umstände Eure Stellung, 
Euer Geschäft ein Gegenstand sein, an dem in hohem Maße 
Euer Herz hängt, so ist das ein Grund mehr, diesem für Eure 
Seele so gefährlichen Fallstrick zu entfliehen und ohne Rückhalt dem Gebote des Herrn zu gehorchen: „Wenn dein Auge 
dich ärgert, so wirf es weg. Es ist dir besser, einäugig in das 
Reich Gottes einzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle 
des Feuers geworfen zu werden." (Luk 10, 47.) Sagt Ihr aber: 
„Ich muß warten, bis Gott mir zeigt, was ich zu tun habe", — 
so antworte ich Euch: „Ihr seid auf einem Wege der Sünde; 
Ihr braucht kein Zeichen des Willens Gottes; denn sein Wille, 
den ihr kennen solltet, ist, daß ihr nicht mehr sündigt." 
„Aber", bemerkt jemand, „wenn ich meine Stellung aufgebe, 
so weiß ich nicht, was ich anfangen soll." Ich antworte: „Fange 
damit an, das Böse zu lassen. Das ist es, was der Herr zu 
allererst von dir fordert; und hast du diesen unvermeidlichen 
Schritt getan, so wird er dir sicher beistehen, den folgenden 
tun zu können. Vertraue ihm, wandele im Glauben, d. h. ohne 
zu wissen, wohin du gehst. Auf diese Weise wirst du, von dir 
selbst befreit, von oben geführt und geleitet werden." 
207 
Überdies begnügt Euch mit Eurer irdischen Lage, wenn sie, 
wie sie sonst auch sein mag, Euch das tägliche Brot verschafft. 
Vielleicht könnte Euer Geschäft durch Verbesserungen und 
Vergrößerungen, durch den Ankauf eines Gebäudes, eines geeigneten Instruments oder durch den Anbau einer Maschine 
mit größerem Vorteil und Gewinn betrieben werden. Und 
sicher steht Euch, wenn Ihr die Mittel zur Beschaffung und 
Einrichtung dieser Dinge besitzt, nichts im Wege, frei zu 
handeln. Wenn Ihr aber zu diesem Zweck Geld aufnehmen, 
d. h. eine Schuld machen müßt, so seid versichert, daß Euer 
Handeln in dieser Weise nicht nach Gottes Willen ist. Lernt 
es vielmehr, diese Dinge zu entbehren, stille zu sein und zu 
warten. Laßt Euch durch die trostreichen Wahrheiten der folgenden Stellen leiten: „Vertraue auf Jehova und tue Gutes; 
wohne im Lande und weide dich an Treue; und ergötze dich 
an Jehova: so wird er dir geben die Bitten deines Herzens. 
Befiehl Jehova deinen Weg und vertraue auf ihn! und er wird 
handeln. . . Besser das Wenige des Gerechten, als der Überfluß vieler Gesetzlosen. . . Ich war jung und bin auch alt 
geworden, und nie sah ich den Gerechten verlassen, noch 
seinen Samen nach Brot gehen. . . Achte auf den Unsträflichen und sieh auf den Aufrichtigen; denn für den Mann des 
Friedens gibt es eine Zukunft." (Ps 37, 3—5. 16. 25. 37.) 
„Die Gottseligkeit aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so 
ist es offenbar, daß wir auch nichts hinausbringen können. 
Wenn wir aber Nahrung und Kleidung haben, so wollen wir 
uns daran genügen lassen." (1. Tim 6, 6—8.) „Die leibliche 
Übung ist zu wenigem nütze; die Gottseligkeit aber ist zu 
allen Dingen nütze, indem sie die Verheißung hat des jetzigen 
und des zukünftigen Lebens." (1. Tim 4. 8.) „Vertraue 
auf Jehova mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich 
nicht auf deinen Verstand. Erkenne ihn auf allen deinen 
Wegen, und er wird gerade machen deine Pfade. — Sei nicht 
weise in deinen Augen, fürchte Jehova und weiche vom Bösen." 
(Spr 3, 5-7.) 
Ja, glückselig der, welcher sich so seinem Gott und Vater anvertraut, und dem es am Herzen liegt, Ihm wohlgefällig zu 
sein und Seinen Willen zu tun. Wie viele Mühen, Sorgen, 
208 
Prüfungen und Schmerzen erspart er sich, wenn er mit Gott, 
Gott gemäß und in Seiner Nähe wandelt, wenn er sich in den 
Schwierigkeiten nur auf Ihn stützt und in der Not seine Zuflucht nur zu Ihm nimmt. Er mag arm, von allem entblößt, 
krank und traurig sein, gewiß, das ist das Los, das der Herr 
auf dieser Erde den Treuen verheißen hat; aber in dieser Lage 
und trotz ihrer kann er im Herrn glücklich sein, Seinen unaussprechlichen Frieden genießen und ohne Sorge sein, weil er das 
Bewußtsein hat, daß sein himmlischer Vater alle seine Bedürfnisse besser kennt, als er selbst, und daß er mächtig und 
barmherzig ist, um ihnen nach dem Reichtum Seiner Gnade 
zu begegnen. Der, welcher Seinen eigenen Sohn für ihn gegeben hat, wird ihm sicher auch das darreichen, was er in dieser Wüste braucht. Er unterwirft sich daher ohne Zögern dem 
Gebot des Herrn: „Seid nicht besorgt für das Leben, was ihr 
essen, noch für den Leib, was ihr anziehen sollt. . . . euer 
Vater aber weiß, daß ihr dieses bedürfet. Trachtet jedoch 
nach seinem Reiche, und dieses wird euch hinzugefügt werden." (Luk 12, 22. 30.) Es gibt in der Tat in den schwierigsten Verhältnissen, denen der wahrhaft treue Christ begegnet, 
gar nichts, das seine Gemeinschaft mit dem Vater und dem 
Sohn trüben oder unterbrechen könnte, nichts, was ihn hindern kann, sich mit völliger Zuversicht an Gott zu wenden 
und alle Sorge auf Ihn zu werfen. O, welch ein Glück, vvenn 
das Wort zur praktischen Wahrheit wird: „Daher sollen auch 
die, welche nach dem Willen Gottes leiden, einem treuen 
Schöpfer ihre Seelen befehlen im Gutestun." (1. Petr 4, 19.) 
Darum glückselig alle, die den Weg des Glaubens und des 
Gehorsams wandeln, einen Weg, der, was auch geschehen 
mag, stets mit Segen erfüllt ist! Welche Freude für ihr Herz, 
wenn sie, nachdem sie ihr Anliegen vor den Vater gebracht 
haben, Seine Durchhilfe zur Zeit der Not erfahren und in 
praktischer Weise mit Jesu sagen lernen: „Jehova ist mein 
Hirte, mir wird nichts mangeln!" (Ps 23,1.) 
Doch sicher kann dieses nicht von denen gesagt werden, die 
sich durch Unglauben, Ehrgeiz, Verweltlichung zur Sünde des 
Schuldenmachens, des Handeltreibens und des Wohllebens 
mit dem Gelde anderer verleiten lassen. Solche sind vielmehr 
vom Wege des Glaubens und des Gehorsams abgewichen und 
209 
können mithin nicht auf Gott rechnen und sich Ihm nicht anvertrauen, um aus einer Not herauszukommen, in die sie sich 
durch das Tun ihres eigenen Willens, ohne den Rat des Herrn 
gesucht zu haben und im Widerspruch mit Seinem Willen, 
hineingestürzt haben. Jeder aufrichtige Christ, dessen aufgewecktes Gewissen ihm zeigt, daß er auf einem Wege der 
Sünde ist, wo er nicht im Lichte mit Gott wandeln kann, wird, 
wie demütigend und mit welchen Verlusten es auch begleitet 
sein mag, ohne Zögern eine Stellung verlassen, die für seine 
Seele ein Fallstrick ist. Wenn er diesen Entschluß nicht faßt 
und bald zur Ausführung bringt, so werden die traurigsten 
Folgen unausbleiblich sein. Folgt er nicht den Mahnungen 
seines Gewissens, so stumpft er sich allmählich ab und wird 
schließlich so verhärtet sein, daß sein Gewissen alle Empfindlichkeit verliert. Ach! leider kommt es oft so weit, daß man 
Christen sieht, die in der eitlen Hoffnung, sich aus ihren 
Verlegenheiten herauszuziehen, und ohne in Wirklichkeit 
ihrem bösen Wege entsagen zu wollen, nicht selten zu eben 
nicht ehrbaren Mitteln greifen, zu denen selbst Weltmenschen 
sich scheuen würden, ihre Zuflucht zu nehmen. So z. B. bildet 
sich vielleicht mancher ein, daß, wenn er Brüder zu Gläubigern 
habe, es nicht nötig sei, seine Schulden zu bezahlen; man 
verspricht und hält nicht Wort; man sucht sich und andere 
über seinen Zustand dadurch zu täuschen, daß man die Ausgaben, anstatt zu beschränken, nur noch vermehrt; man macht 
am Vorabend eines Bankerotts noch Einkäufe, oder man 
nimmt Geld auf mit der Verpflichtung, es in kurzem zurückzuzahlen. So ruft eine Schlechtigkeit die andere hervor. Aber 
welch ein Leben voll Schande und Abscheu! — ein Leben, 
dem oft erst die menschliche Gerechtigkeit ein Ziel setzen 
muß. 
So weit, ach! kann der Gläubige auf diesem schlüpfrigen Abhang vorwärtsgleiten, sobald er sich ohne Gewissensskrupel 
erlaubt, Schulden zu machen und sein Geschäft größer zu 
betreiben, als Gott ihm dazu Mittel darreicht. Manche mögen 
sagen: „Diese Worte sind hart!" Aber Gott ist unser Zeuge, 
daß wir sie in einem Geiste aufrichtiger Liebe zu den Brüdern 
niedergeschrieben haben, und zwar mit dem aufrichtigen 
Wunsche, daß das Gewissen etlicher überführt, und daß die 
210 
ehrgeizigen Neigungen des Sichhervortuns in dieser Welt, 
das Verlangen nach Reichtum, der Geist der Unzufriedenheit 
und der Ungenügsamkeit, sowie das leichtsinnige Überschreiten der Grenzen der Wahrheit und der Rechtschaffenheit 
aus unserer Mitte entfernt werden möchten. Würden diese 
Zeilen einen einzigen Bruder, der etwa aus Unwissenheit und 
in guter Absicht auf diesen gefährlichen Weg geraten ist, in 
seinem Laufe aufhalten und ihn, ehe das Übel den höchsten 
Grad einnimmt, zur Umkehr bestimmen, so werden wir den 
Herrn dafür preisen, so wie wir jetzt den Segen von Ihm zu 
diesen Ermahnungen erbitten. 
Es gibt oft wohlhabende, ja reiche Christen, die es aus Gleichgültigkeit und Vergeßlichkeit versäumen, die kleinen Forderungen ihrer Lieferanten oder Arbeiter sogleich zu bezahlen. 
Wir finden dieses höchst tadelnswert. Dies ist der wahren 
Liebe völlig zuwider und zeugt von einem Mangel an Teilnahme für die, welche berufen sind, von ihrer Hände Arbeit 
zu leben. Diese Handlungsweise, ich scheue es nicht, sie barbarisch zu nennen, findet man leider oft bei sonst sehr freigebigen Leuten, die für wohltätige Zwecke ihren Beutel weit 
zu öffnen wissen. Wir würden ihnen sagen: „Das eine sollte 
getan und das andere nicht unterlassen werden"; — oder: 
Bevor Ihr schenktet, solltet Ihr bezahlen, was Ihr schuldig 
seid; denn da Ihr Euch nie in die Verhältnisse des armen 
Arbeiters hineingelebt habt, so wißt Ihr nicht, wie viele Arbeit, wie viele Sorge, wie manches Murren vielleicht durch 
Eure Nachlässigkeit im Bezahlen in sein Haus gebracht wird. 
Wenn er für das Brot der Seinigen darauf gerechnet hatte, 
wenn er dadurch genötigt worden wäre, selbst eine Schuld zu 
machen, hättet Ihr dann nicht grausam gehandelt? Könnte 
es nicht eine Ursache sein, sich gegen Den zu erbittern, der 
nur in seine Tasche zu greifen oder einen Wechsel zu schreiben braucht, um ihm das zu verschaffen, was ihm von Rechts 
wegen zukommt? Wäre unter unseren Lesern nur ein einziger Bruder, der diese gottlose Gewohnheit etlicher der Reichen dieser Welt beibehalten hätte, so erinnern wir ihn daran, daß Gott, der von den Umständen der Armen Kenntnis 
nimmt, einst Seinem Volke die Vorschrift gab: „Du sollst nicht 
bedrücken den dürftigen und armen Mietling von deinen 
211 
Brüdern oder von deinen Fremdlingen, die in deinem Lande, 
in deinen Toren sind. An seinem Tage sollst du ihm seinen 
Lohn geben, und die Sonne soll nicht darüber untergehen, 
denn er ist dürftig, und er sehnt sich danach: damit er nicht 
über dich zu Jehova schreie, und Sünde an dir sei." (5. Mo 
24, 14—15.) Und wiederum: „Sage nicht zu deinem Nächsten: 
Gehe hin und komme wieder, und morgen will ich dir geben, 
da es doch bei dir ist." (Spr 3, 28.) Die Jünger, die Befreiten 
des Herrn Jesu, sollten sie weniger barmherzig sein, als die 
Knechte unter dem Gesetz? 
Man erlaube uns, hier noch die Worte eines teuren englischen 
Bruders anzuführen — Worte, die er in betreff der Schuldenfrage an zwei seiner Freunde schreibt: 
„Meine Meinung ist" — sagt er — „daß in der Regel die 
Christen gar keine Schulden machen sollten. Die Worte: 
„Seid niemanden irgend etwas schuldig" enthalten eine so 
klare Vorschrift, daß selbst ein Tor sich nicht darüber täuschen 
könnte. Wir wollen hier nicht untersuchen, inwieweit die Geschäftsleute dieser heiligen Regel nachkommen können. Es 
gibt Termine, an denen der Fabrikant dem Großhändler und 
dieser dem Kleinhändler verkauft und ihm einen Kredit von 
bestimmten Monaten bewilligt. Solange diese Termine gewissenhaft beobachtet werden, ist es schwer zu beurteilen, 
ob und in welchem Grade jemand zu einer bestimmten Zeit 
in Schulden ist. Jedoch wäre es nach unserer Meinung für 
den Geschäftsmann weit besser und sicherer, wenn er bar 
bezahlen würde. Jedenfalls aber liegt es außer jedem Zweifel, 
daß der in Schulden ist, dessen Handelsfonds und das, was 
man ihm schuldet, nicht genügen, um die eingegangenen Verbindlichkeiten hinreichend decken zu können. Es ist ein elendes, falsches, sittenloses und verabscheuungswürdiges Ding, 
mit einem scheinbaren Kapital Handel zu treiben, nach allen 
möglichen Auskunftsmitteln zu haschen und auf Unkosten 
seiner Gläubiger groß zu fahren." 
„Dagegen haben Personen, die sich nicht mit dem Handel 
beschäftigen, keinerlei Ausrede, um ihre Schulden zu rechtfertigen. Habe ich vor Gott und Menschen das Recht, einen 
Rock oder einen Hut zu tragen, den ich nicht bezahlen kann? 
212 
Habe ich das Recht, einen Klafter Holz, einen Scheffel Kohlen, ein Pfund Kaffee oder Tee, oder ein Stück Fleisch zu 
bestellen, wenn ich nicht imstande bin zu bezahlen? Man 
fragt vielleicht: „Was dann machen?" Für einen geraden Sinn 
und ein zartes Gewissen ist die Antwort einfach. Es ist viel 
besser, zu entbehren, als Schulden zu machen. Es ist viel 
besser, ein Stück trockenes Brot, das mein Eigentum ist, als 
einen Braten, den ich schuldig bin, zum Mahl zu haben. Aber 
ach! wie wenig Gewissenhaftigkeit und welch einen Mangel 
an gesunden Grundsätzen findet man in dieser Beziehung! 
Wie viele gehen von Woche zu Woche ihren Weg, nehmen 
Platz am Tische des Herrn, legen mit ihren Lippen ein lautes 
Bekenntnis von ihrem Christentum ab, prahlen mit schönen 
und heiligen Grundsätzen und sind dabei bis über ihre Ohren 
in Schulden, machen Einkäufe, die ihr Einkommen weit übersteigen, kaufen Nahrung und Kleidung auf Kredit bei Leuten, die Zutrauen zu ihnen haben, und dies alles, obwohl sie 
sehr gut wissen, daß sie keine begründete Hoffnung haben, 
ihre Schulden früher oder später abtragen zu können. Ist solch 
ein Leben nicht schändlich und strafbar? In der Tat, wir 
nehmen keinen Anstand, ein solches Betragen für eine praktische Gottlosigkeit zu erklären. Wir warnen daher unsere 
christlichen Leser vor einem nachlässigen Wandel in dieser 
Beziehung, dessen Folgen viel Schmach auf das Evangelium 
bringen." 
„Der Mangel an Gewissenhaftigkeit in bezug auf diesen ernsten Gegenstand ist in der Tat verabscheuungswürdig; ohne 
Zweifel muß dadurch der Geist Gottes betrübt und in der 
Seele Schwachheit, Furchtlosigkeit und Siechtum hervorgerufen werden. Wir glauben nicht, daß das Wort des Christus in 
jemand wohne, der sich über seine Schulden kein Gewissen 
macht, und wir würden uns berufen fühlen, einen solchen 
anzuzeichnen und keinen Umgang mit ihm zu haben. (2. Thess 
3, 14.) Nach unserer Meinung würde in solchen Fällen eine 
treue, persönliche Zucht gute Wirkung haben. Alle, die in 
Konkurs geraten sind, oder mit ihren Gläubigern akkordiert 
haben, halten wir für moralisch verpflichtet, die ganze Summe 
ihrer Schuld zurückzuzahlen; nach unserer Meinung haben 
sie Schulden, bis alles gedeckt ist. Keinerlei gerichtliche Aus_-
213 
nähme kann je einen wirklich rechtlichen Mann von der gerechten Verantwortlichkeit, alles zu bezahlen, entbinden. Wir 
fühlen uns gedrungen, uns so bestimmt über diesen Punkt auszusprechen, wegen der bedauernswerten Nachlässigkeit, die 
in dieser Beziehung unter vielen bekennenden Christen 
herrscht. Wir wünschen daher, daß der Herr all den Seinen 
ein waches Gewissen verleihen möge. Allerdings kann jemand 
ohne seine Schuld in Schulden geraten; hat er aber einen 
geraden Sinn und ein gesundes, geübtes Gewissen, so wird 
er sich sicher anstrengen, um herauszukommen; er wird so 
viel wie möglich seine Ausgaben beschränken und sich allerlei 
Entbehrungen auferlegen, um seine Schuld bis auf den letzten 
Heller zurückzahlen zu können, indem er alles, was er dazu 
ersparen kann, und wäre es auch nur ein Zehngroschen stück 
per Woche, beiseitelegt." 
„Der Herr gebe uns Gnade, diese wichtige Frage mit allem 
Ernst, den sie verdient, zu betrachten. Sicher wird die Sache 
Christi auf eine bedauernswürdige Weise verunehrt, und das 
Zeugnis der Christen geschwächt durch einen so scharf hervortretenden Mangel an Gewissenhaftigkeit und Rechtlichkeitsgefühl bezüglich des leichtfertigen Schuldenmachens und des 
Verharrens auf diesem Wege. Wie sehr ist es zu wünschen, 
daß wir alle ein gutes Gewissen haben." 

So lauten die Worte jenes Bruders. Bevor wir jedoch unseren 
Gegenstand verlassen, möchten wir noch gern einige Worte 
an eine andere Klasse von Christen richten. Man wird sagen 
und man hat auch schon gesagt: „Wenn es aber einem Bruder 
untersagt ist, Geld aufzunehmen oder zu entlehnen, wird es 
aus diesem Grunde nicht auch anderen Brüdern untersagt sein, 
an jene Gelder auszuleihen?" Dieser Einwurf, obwohl der 
menschlichen Logik völlig entsprechend, ist nichtsdestoweniger, 
wie dies gewöhnlich der Fall ist, im Widerspruch mit den 
deutlichsten Belehrungen des Wortes Gottes. Selbst die uns 
vorliegende Stelle: „Seid niemandem irgend etwas schuldig", 
— enthält die Beifügung: „als nur, daß ihr einander liebet." 
214 
Diese Schuld der Liebe nun, von der wir uns nie freimachen 
können, besteht offenbar auch darin, daß wir unseren Brüdern in der Not mit dem Unsrigen Handreichung tun sollen, 
sei es durch Geschenktes oder durch Geliehenes. Dies bestätigen 
eine Menge biblischer Unterweisungen, von denen wir hier 
etliche anführen werden. Wir lesen ausdrücklich: „Der Gesetzlose borgt und erstattet nicht wieder; der Gerechte aber ist 
gnädig und gibt. . . . Den ganzen Tag ist er gnädig und 
leiht, und sein Samen wird gesegnet sein." (Ps 37, 21. 26.) 
„Wohl dem Manne, der gnädig ist und leiht! Er wird seine 
Sachen durchführen im Gericht." (Ps 112, 5.) Und was sagt 
der Herr Jesus Selbst in bezug auf diesen speziellen Punkt 
der brüderlichen Liebe? Wir lesen: „Gib dem, der dich bittet, 
und weise den nicht ab, der von dir borgen will." (Mt 5, 42.) 
Und wiederum: „Und wenn ihr denen leihet, von welchen ihr 
wieder zu empfangen hofft, was für Dank ist es euch? Denn 
auch die Sünder leihen Sündern, auf daß sie das Gleiche wieder 
empfangen. Doch liebet eure Feinde, und tut Gutes und leihet, 
ohne etwas wieder zu hoffen, und euer Lohn wird groß sein, 
und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen 
die Undankbaren und Bösen. Seid also barmherzig, wie auch 
euer Vater barmherzig ist." (Lk 6, 34—36.) Dieses alles bedarf 
wohl keiner Erklärung, um es dem Gewissen eines aufrichtigen Jüngers nahezubringen. 
Und wir können noch auf einen mächtigeren Beweggrund zur 
christlichen Freigebigkeit hinweisen, nämlich auf den, welchen 
Paulus den Gläubigen in Korinth vor Augen stellt, und zwar 
bei Anlaß einer Kollekte für die Heiligen in Jerusalem, für 
die nach Vermögen und über Vermögen beigesteuert worden 
war. Er sagt: „Denn ihr kennet die Gnadeunseres Herrn Jesu 
Christi, daß er^ da er reich waj^jjm euretwillen arm wurde, 
auf daß ihr durch seine Armut reich würdet." (2. Kor 8, 9.) 
Der Herr gebe uns allen ein zartes Gewissen und einen geraden Sinn! — 
Messager evangelique. 
215 
Welches sind die Kinder der Weisheit? 
Es gibt einen Zug, woran man die Kinder der Weisheit er 
kennt, nämlich, daß sie die Weisheit rechtfertigen. So sagt 
uns der Herr Jesus im siebten Kapitel des Lukas: „Und die 
Weisheit ist gerechtfertigt worden von allen ihren Kindern." 
(V 35.) In demselben Kapitel wird uns gesagt: „Und das 
ganze Volk, das zuhörte, und die Zöllner rechtfertigten Gott, 
indem sie mit der Taufe des Johannes getauft worden waren. 
Die Pharisäer aber und die Gesetzgelehrten machten in bezug 
auf sich selbst den Ratschluß Gottes wirkungslos, indem sie 
nicht von ihm getauft worden waren." (V 29. 30.) 
Hieraus lernen wir eine sehr einfache und kostbare Wahrheit, 
nämlich, daß alle Kinder der Weisheit Gott rechtfertigen und 
sich selbst verdammen. Dies ist der wahre Boden für jeden 
Sünder. Auf diesem Boden stand Abel, als er Gott ein „besseres Opfer" darbrachte. Noah hatte ihn betreten, als er „eine 
Arche bereitete zur Rettung seines Hauses." Hiob stand dort, 
als er ausrief: „Siehe, bin ich zu gering." „Nun hat mein 
Auge dich gesehen, darum verabscheue ich mich und bereue 
in Staub und Asche." — Auf diesem Boden befand sich Jesaias, als er sagte: „Wehe mir! denn ich bin verloren; denn 
ich bin ein Mann von unreinen Lippen." Es war die Stellung 
Petri, als er ausrief: „Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin 
ein sündiger Mensch!" 
„Und was sage ich noch? Die Zeit würde mir fehlen", wenn 
ich aufzählen wollte alle die Kinder der Weisheit, alle die 
Glieder jener höchst gesegneten Generation, die freiwillig und 
völlig den Ratschluß Gottes wider sich angenommen und sich 
selbst als arme, schuldige, verdammungswürdige Sünder bezeichnet haben, die geleitet worden sind, um mit David zu 
sagen: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt, und 
ich habe getan, was böse ist in deinen Augen, damit du gerechtfertigt werdest, wenn du redest, rein erfunden, wenn du 
richtest/' (Ps 51, 4; Röm 3, 4.) 
Dieses ist die unveränderliche Sprache der Kinder der Weisheit. Sie verdammen sich selbst und rechtfertigen Gott. Sie 
216 
treten nicht mit Entschuldigungen auf; sie suchen sich weder 
zu zieren, noch zu verbergen. „Nein, ich will bekennen", ist 
der erste große Ausruf jedes wahren Kindes der Weisheit. 
Und bevor diese Sprache aus dem Herzen dringt, kann da 
nichts in Ordnung sein; bevor die Seele wirklich auf diesem 
Boden steht, erhebt sich zwischen ihr und Gott eine unübersteigliche Schranke. Dieses erkannte David in seinen Tagen; 
denn er sagt uns: „Da ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag. Denn Tag und 
Nacht lastete auf mir deine Hand; verwandelt ward mein 
Saft in Sommerdürre." (Ps 32, 3. 4.) 
Und so wird es immer sein. Es wird kein Trost, keine Ruhe, 
keine Segnung, kein Bewußtsein von Vergebung, kein Friede 
und keine heilige Gemeinschaft mit Gott vorhanden sein können, wenn nicht vorher das Herz geöffnet ist und der Geist 
wahrer Buße einen freien Lauf gefunden hat. 
Was aber dann? Wie handelt Gott mit denen, die Ihn rechtfertigen und sich selbst verdammen? Sein Name sei gepriesen! 
Er rechtfertigt sie und verdammt ihre Sünden. Wunderbare 
Gnade! In dem Augenblick, da ich meinen Platz als ein mich 
selbst anklagender Sünder einnehme, leitet Gott mich auf den 
Platz eines gerechtfertigten Heiligen. Das Selbstgericht ist der 
sichere Vorbote der göttlichen Rechtfertigung. Ich habe mich 
nur als ein verdammungswürdiger Sünder anzuklagen; dann 
kann ich alles übrige Gott überlassen. Die Kinder der Weisheit rechtfertigen Gott, und Gott rechtfertigt sie; sie verdammen sich selbst und Er vergibt ihnen. 
Wie aber kann dieses stattfinden? Das Kreuz gibt die Antwort darauf. Dort verdammte Gott die Sünde. Dort wurde 
Sein gerechter Zorn über die Sünde ausgeschüttet auf Den, 
der zur Sünde gemacht war, damit Seine Gerechtigkeit dem 
Sünder zugerechnet werde, der einfach an Jesum glaubt. Hier 
ist es, wo die Kinder der Weisheit ihren Standpunkt einnehmen. Hier ist ihr gesegneter Ruheplatz — der unerschütterliche 
und ewige Grund ihres Friedens. 
Mein teurer Leser! Sage mir: Bist auch Du ein Kind der 
Weisheit? Bist Du durch die Gnade geführt worden, Deine 
Schuld zu sehen und sie vor Gott anzuerkennen? Hast Du 
217 
den Ratschluß Gottes wider Dich angenommen? Ist .dies der 
Fall, dann kannst Du in demselben Augenblick Frieden finden in dem vollendeten Werk Christi und in der darauf gegründeten Gerechtigkeit Gottes. Das ist das gesegnete Teil 
aller Kinder der Weisheit. — 
Frieden durch Glauben 
Ein Briefwechsel mit einer nach Frieden ringenden Seele 
1. Der friede durch das Blut Jesu. 
Meine teure Freundin! 
Unsere gestrige Unterhaltung hat mir so recht die Schwierigkeit aufgedeckt, unter der Du Dich abmühst, Frieden zu erlangen. Du sagst: „Ohne Gott kann ich keinen Frieden haben; und Er muß wider mich sein, weil Er meiner Seele den 
Frieden nicht zusagt." — Willst Du Deine Aufmerksamkeit 
auf einige Bemerkungen richten, die ich Dir bezüglich dieses 
Gegenstandes zu machen gedenke? Es ist völlig wahr, daß Gott 
allein dem Gewissen Frieden zusagen kann; und ebenso wahr 
ist es, daß die Abneigung unserer Herzen, dem Zeugnis Gottes zu glauben, so groß ist, daß nur Seine Macht und Gnade 
dahin leitet oder fähig macht zu glauben. Aber schließe nicht 
daraus, daß Gott mit einer hörbaren Stimme zu Dir reden, 
oder Seinem Wort noch irgendeine neue Offenbarung beifügen werde, um durch solche unmittelbaren Eindrücke auf 
Deine Gefühle Dich zum Glauben zu bringen. Nein, das ist 
nicht der Weg Gottes. Er hat bereits zuvor, und zwar aufs 
vollkommenste in Seinem Worte geredet; und „der Glaube 
ist aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes 
Wort". (Kön 10, 17.) Horche daher auf das, was Gott in 
Seinem Wort sagt und vertraue Ihm dabei völlig, daß Er Dich 
auch fähig machen wird, dieses Wort zu verstehen und anzunehmen. 
218 
In Apostgesch. 10, 36 liesest Du, daß Gott durch Jesum Christum Frieden verkündigt. Heißt das nicht „Frieden zusagen" 
durch Sein gesegnetes Wort? Wenn Er Selbst den Frieden 
verkündigt, kann da noch ein Zweifel obwalten, daß Er den 
Frieden zusagt? Aber was heißt Frieden haben? Ich bin nicht 
gewiß, ob wir uns hierin verstehen. Wenn Du darüber klagst, 
daß Dir der Frieden fehlt so meinst Du das Gefühl des 
inneren Friedens oder die Versicherung Deiner Vergebung und 
Deiner Versöhnung mit Gott. So wünschenswert und wichtig 
aber dieses Gefühl auch sein mag, so ist es doch nur eine 
Wirkung des Friedens mit Gott durch unseren Herr Jesum 
Christum, aber keineswegs der Friede selbst. Zunächst ist nun 
für Dich nur das zu wissen nötig, was Gott in betreff dieses 
Friedens selbst erklärt hat. Der Herr befähige mich, dieses 
Deiner Seele so klar vorzustellen, daß die so sehnlich gewünschte Wirkung, das innere Gefühl des Friedens und der 
Versöhnung mit Gott, dadurch hervorgerufen werde. 
Du und ich, meine Freundin, wir beide haben gegen Gott 
gesündigt. Von Natur sind wir Sünder; und hinter uns liegt 
ein Leben der Sünde und der Empörung wider Gott. Jetzt 
räumst Du dies ein, ja, Du fühlst und weißt es, daß es wirklich so ist, während Du es früher nicht erkanntest. Und hat 
Gott nicht Ursache gehabt, über uns wegen unserer Sünde 
zu zürnen? In der Tat, Er zürnt über die Sünde und haßt 
sie mit vollkommenem Hasse. Aber wiewohl Er mit Recht 
über unsere Sünde zürnt, so hat dennoch Seine Liebe uns 
gesucht und Sein unendliches Erbarmen hat uns angesehen. 
Er wollte nicht, daß wir die gerechten Folgen unserer Sünde 
tragen sollten. Aber wie war dies möglich? Wie konnte der 
gerechte Gott uns annehmen, solange wir noch in unseren 
Sünden waren? Was konnten wir tun, um von der Sünde 
loszuwerden oder Gottes gerechten Unwillen über sie abzuwenden? Nichts. All unser Tun war mit Sünde befleckt und 
würde die Sache nur noch ärger gemacht haben. Als Du begannst, den Herrn ernstlich zu suchen, wirst Du dies selbst 
erfahren haben. Irrten Deine Gedanken beim Lesen Seines 
Wortes nicht unstet umher? Und hast Du nicht noch gestern 
darüber geklagt, daß Du in Deinen Gebeten kaum Deinen 
Geist fest auf das zu richten vermöchtest, was Gott in Seinem 
219 
Wort sagt? Kurz, wir vermögen nichts zu tun, was vor Gott 
gebracht werden könnte; und wäre dies sogar von jetzt an 
möglich, so würden dadurch unsere vergangenen Sünden nicht 
beseitigt werden. Soweit also die Sache von uns abhängt, ist 
sie hoffnungslos. Doch Gott liebte und suchte uns, um uns 
Seines Heiles teilhaftig zu machen. Und da unsere Sünden 
weder ungestraft bleiben konnten, noch wir uns von ihnen 
zu befreien vermochten, so sandte Gott Seinen eingeborenen 
Sohn als eine Sühnung für unsere Sünden, legte auf dem 
Kreuz unsere ganze Schuld auf Ihn, und nachdem dieses 
Werk vollbracht war, konnten die Ströme Seiner Gnade und 
Liebe sich frei und ungehindert nach allen Seiten hin ergießen. 
Gott mußte einen gerechten und heiligen Grund haben, auf 
dem Er uns vergeben, uns erretten und uns ungeachtet unserer 
Sünden in den Himmel aufnehmen konnte; und diesen Grund 
fand Er in dem Tode Jesu, im Vergießen Seines Blutes für 
die Sünde. Auf diese Weise hat Jesus „Frieden gemacht" 
durch das Blut Seines Kreuzes. Das aber ist nicht etwas, was 
noch geschehen soll; es ist eine vollendete Tatsache. So wahr 
wie Gott wahrhaftig ist, so wahr hat der Herr Jesus Christus 
„Frieden gemacht durch das Blut Seines Kreuzes"; (Kol 1, 26.) 
und auf diese Weise verkündigt Gott „Frieden durch Jesum 
Christum". — 
Erzogen von gottesfürchtigen Eltern, hast Du frühe die Bibel 
gelesen und das Evangelium gehört; und Du standest daher 
äußerlich weit näher, als viele offenbar gottlose Menschen. 
Aber wie nahe Du äußerlich gewesen sein magst, so bist Du 
doch jetzt völlig überzeugt, daß Du wirklich innerlich von Gott 
getrennt warst. Dir nun verkündigt Christus Frieden, den 
Frieden mit Gott durch das Vergießen Seines kostbaren Blutes. Gott erklärt, durch dieses Blut befriedigt und völlig gerechtfertigt zu sein, wenn Er Dich und mich in Gnaden annimmt. 
Ist das nicht genug? Was Gott rechtfertigt, um uns zu rechtfertigen, reicht sicherlich hin, unsere Herzen zu befriedigen 
und unsere Gewissen vor Gott zu stillen. Allerdings braucht 
die Seele einen festen Grund zu ihrem Ruhepunkt; aber was 
könnte fester sein, als das Wort Gottes? So wahr wie Gott 
wahrhaftig ist, so wahr ist es, daß wir Sünder sind, und daß 
Er die Sünde haßt und sie bestrafen muß; aber ebenso wahr 
220 
ist es auch, daß Er uns liebte, da wir nodi Sünder und Feinde 
waren. Er liebte uns; und um uns zu Seinen Kindern zu haben, die ewig bei Ihm wohnen sollten, gab Er Christum hin, 
daß Er an unserer Statt für unsere Sünden sterbe. Gott ist 
durch das völlig zufriedengestellt, was Christus um Deinetund meinetwillen am Kreuz erduldet hat. Und dieses bestätigt 
Er in Seinem Wort und ladet Dich ein, Dich in Seine erbarmenden Arme zu werfen, um ewiglich zu leben. Darum eile 
zu Ihm! Sage Ihm, daß Du nicht länger an Seinem Worte 
zweifeln und Seine Liebe in Frage stellen wollest! Erinnere 
Ihn daran, daß, obwohl Du nichts als die Hölle verdient habest, Er durch das Werk Jesu befriedigt zu sein versichere, 
und daß auch Du zufrieden sein wollest mit demselben seligen Platz der Begegnung zwischen Gott und Dir. Anstatt noch 
länger zu zweifeln, zu fürchten oder zu fragen, siehe, wie Gott 
befriedigt ist durch das, was Christus um Deinetwillen am 
Kreuze erduldet hat. Bedenke doch, wie schrecklich es ist, zu 
zweifeln, daß dieses völlig genüge, und rufe Ihm zu: „Herr, 
es ist genug! Ich bin eine Sünderin; aber Christus ist für 
Sünder gestorben!" — 
Und darin verharre, meine teure Freundin. Fühlst Du auch 
nicht sofort eine Veränderung, so halte dennoch fest an dem 
Grunde. Gott Selbst sagt in Seinem Worte, daß das Blut Christi allgenügend ist und Frieden mit Ihm für den Sünder gemacht hat. Nur auf diesem Grunde findet die Seele Ruhe. Oder 
sollte Er es als ein Unrecht bezeichnen, wenn Du Seinem eigenen Worte und dem Blute Christi Vertrauen schenkst? „Und 
in diesem wird jeder Glaubende von allem gerechtfertigt." 
(Apg 13, 39.) Also in Jesu ruhen, Ihm vertrauen, befriedigt 
sein durch Sein Blut, das heißt glauben. 
Dein aufrichtiger Freund. 
2. Laß den Zweig fahren! 
Meine teure Freundin! 
Dein Brief war mir sehr willkommen und ich danke Gott von 
Herzen für jeden Strahl des Trostes, den Er Deinem gedrückten und beunruhigten Geist zuteil werden läßt. Ich glaube 
Dich zu verstehen, wenn Du über die „Hartherzigkeit" und 
221 
über jenes Gefühl klagst, wovon Du sagst: „Mir ist es oft, 
als wollte mir das Herz brechen; und sicher nur die, die es 
durchgemacht haben, können begreifen, wie elend es ist zu 
fühlen, daß es eine offene Quelle gibt, aus der man nach 
Belieben schöpfen könnte, daß aber noch etwas im Wege ist, 
das die Seele zurückhält." — Aber ich rate Dir zu bedenken, 
daß diese unglücklichen Gefühle nichts wert sind, daß der 
Unglaube ihre Quelle ist, und daß sie daher nicht allein bitter 
und schmerzlich, sondern ihrer Natur nach wirklich sündhaft 
sind. Gott will, daß wir Seinem Wort glauben, worin Er 
erklärt, daß Seine Liebe zu uns so groß war, daß Er Seines 
eingeborenen Sohnes nicht geschont hat, sondern Ihn dahingab, damit wir durch den Glauben an das kostbare Blut Jesu 
der Vergebung zum ewigen Leben und der Kindschaft teilhaftig würden. Er sagt Dir in Seinem Wort, daß, sobald der 
verlorene Sohn sein Angesicht und seine Schritte zum Vaterhause wandte und noch ferne war, sein Vater ihn sah und 
innerlich bewegt wurde, und daß er ihm entgegenlief, ihm 
um den Hals fiel und ihn sehr küßte. Und war der Vater 
in diesem Gleichnis etwa freundlicher und gütiger, als es der 
Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi ist? Erzählt denn 
nicht der Herr Jesus Selbst dieses Gleichnis in der Absicht, 
uns zu zeigen, welch einen Vater Er hat, und mit welcher 
Freude der Vater jeden Sünder aufnimmt, der zu Ihm kommt? 
Zweifle daher nicht einen Augenblick länger, sondern glaube 
doch dem Zeugnis Gottes über Seinen Sohn. 
Ich wünschte, ich könnte Dir einen Bericht von einer Dame in 
Schottland treu wiedergeben, um Dir zu zeigen, auf welche 
Weise ihre Unruhe und ihr Zweifel von ihr genommen wurden. Es war zur Zeit einer Erweckung, als mehrere Bekannte 
dieser Dame zu Christo bekehrt wurden. Unter anderen war 
auch eine ihrer besten Freundinnen bekehrt worden. Da sie 
sich selbst um ihr Seelenheil bekümmert fühlte, ging sie zu 
einem Diener Christi, der gerade dort wirkte, und teilte ihm 
mit, daß sie sehr unglücklich sei. Er erwiderte, daß er sich sehr 
freue, dies zu hören. Erstaunt darüber und einigermaßen beleidigt, teilte sie ihm mit, welche Versuche sie gemacht habe, 
um die Seligkeit zu erlangen, wie sie gelesen und gebetet habe; 
und dennoch fühle sie sich vom Frieden mehr entfernt als je. 
222 
Er sagte ihr, daß sie nicht durch irgendein Werk von ihrer 
Seite errettet werden könnte, sondern nur durch das Werk, 
das Christus schon lange am Kreuz vollbracht habe. Doch alles 
erschien ihr dunkel und unverständlich; und traurig ging sie 
zu ihrer Freundin, die erst vor kurzem bekehrt worden war. 
„Was hast Du getan, um Frieden zu erlangen?" fragte sie. 
„Getan? Ich habe nichts getan", war die Antwort, „sondern 
ich habe Frieden gefunden in dem, was Christus getan hat." — 
Die Dame erwiderte, daß der Prediger ihr gerade dasselbe 
gesagt habe, daß sie es aber nicht verstehen könne. Noch 
trauriger als vorher kehrte sie nach Hause zurück, schloß sich 
in ihr Zimmer ein, fiel auf die Kniee und nahm sich vor, nicht 
eher wieder aufzustehen, als bis ihre Seele Ruhe und Frieden 
gefunden habe. Wie lange ihre Angst gewährt hat, weiß ich 
nicht; aber die Natur war erschöpft, und sie sank in Schlummer. Während sie so schlief, träumte sie, daß sie in einen 
schrecklichen Abgrund gefallen sei, jedoch sich noch an einem 
einzigen Zweig festhalte, der gerade über dem Abgrunde 
hing. Darin hing sie nun, schrie laut um Hilfe, als eine Stimme 
von unten, in der sie die Stimme Jesu zu erkennen glaubte, 
sie laut aufforderte, den Zweig fahren zu lassen, wenn Er sie 
retten solle. „Herr, rette mich!" schrie sie; aber die Stimme 
wiederholte: „Laß den Zweig fahren!" Das aber schien ihr 
unmöglich und lauter schrie sie um Hilfe. Und wieder hörte 
sie von unten in zärtlichem Tone sagen: „Ich kann Dich nicht 
erretten, wenn Du nicht zuvor den Zweig fahren läßt." An sich 
selbst verzweifelnd ließ sie jetzt den Zweig los, fiel in Jesu 
Arme; und in ihrer Freude darüber erwachte sie. Die Lehre, 
die ihr durch ihren Traum gegeben war, ging nicht an ihr 
verloren. Sie erkannte, daß Jesus ihr ganzes Vertrauen wert 
sei; und daß sie nicht nur keinen Zweig von Selbstvertrauen 
mehr brauchte, sondern daß, um zu Jesu zu kommen, es gerade 
ein Hindernis sei, wenn sie den Zweig des Selbstvertrauens 
noch festhielte. Sie ließ alles fahren und fand Jesum allgenügend. 
Indem ich von Dir bald zu erfahren hoffe, daß auch Du jede 
andere Hoffnung verlassen hast und in Seine Arme gefallen 
bist, die für Dich am Kreuze ausgestreckt gewesen sind, verbleibe ich Dein ... . 
223 
3. Errette Deine Seele! 
Meine teure Freundin! 
Ich sehe aus Deinem gestrigen Brief, daß der Herr noch immer 
Deine Aufmerksamkeit auf den überaus wichtigen Gegenstand 
der Seligkeit Deiner Seele wach erhält. Leider ist Dir der 
Friede des Evangeliums noch fremd; aber es ist eine gewisse 
Gnade, vor einem falschen Frieden, wodurch Satan so gern die 
Seelen betrügt und ins Verderben zieht, bewahrt zu bleiben. 
Doch darfst Du in diesem Zustande nicht bleiben. „Gedenke 
an Lots Weib!" Sie verließ Sodom mit ihrem Mann, um dem 
schrecklichen Gericht zu entgehen, das Gott über diese gottlose 
Stadt hereinbrechen ließ. Doch ihr Herz war noch dort, sie 
hing mit großer Neigung an Sodom und den Schätzen darin 
und wurde, zurückschauend, in eine Salzsäule verwandelt. Sie 
ist ein bleibendes Denkmal der schrecklichen Folgen eines 
Rückfalls aus einem erweckten in einen sorglosen Zustand. 
O, möchte Gott die Warnung, die Er Lot und seiner Familie 
gab, Deinem Herzen tief einprägen: „Rette dich um deines 
Lebens willen; sieh nicht hinter dich, und bleibe nicht stehen 
in der ganzen Ebene; rette dich auf das Gebirge, damit du 
nicht weggerafft werdest." (1. Mo 19, 17.) 
Du sagst in Deinem Brief: „Ich glaube nicht, daß ich ohne den 
Herrn sterben werde." — Ich hoffe es mit Dir von ganzem 
Herzen. Aber es ist gefährlich, solchen Hoffnungen zu vertrauen. In dem Augenblick, wo Du diesen Brief liest, bist 
Du entweder ein Kind Gottes, oder ein Kind des Zorns. Einen 
Mittelstand gibt es nicht. „Wer den Sohn hat, hat das Leben; 
wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht." (1. Joh 
5, 12.) Nun hast Du entweder den Sohn Gottes, oder Du hast 
Ihn nicht. Wie steht es, meine Freundin? Wenn Du durch 
Glauben den Sohn Gottes hast, so hast Du das Leben. In 
diesem Fall hat die Frage, ob Du hoffst oder vertraust, daß Du 
nicht ohne den Herrn sterben werdest, keine Bedeutung; denn 
wenn Du den Sohn hast, so hast Du schon das Leben. Aber 
wenn Du den Sohn nicht hast, wenn Jesus nicht Deine einzige Hoffnung und Zuflucht ist, so hast Du das Leben nicht. 
Und in diesem Zustande fortlebend, gibt es nirgends eine 
Verheißung, daß Du, bevor Du stirbst, das Leben erhalten 
224 
wirst. Alle Verheißungen vereinigen sich in Christo und beziehen sich auf den gegenwärtigen Augenblick. „Jetzt ist die 
angenehme Zeit, siehe! jetzt ist der Tag des Heils." — 
Wie ungewiß ist das menschliche Leben! Als ich vor etlichen 
Wochen verreiste, mußte eine Freundin von mir wegen Unwohlseins das Zimmer hüten. Bei meiner Rückkehr wurde mir 
mitgeteilt, daß die Kranke beinahe wiederhergestellt sei, das 
war ungefähr 4 Uhr nachmittags. Um 8 Uhr desselben Abends 
saß sie an ihrem Tische und ließ sich durch ihre Schwester ein 
Kapitel aus dem Neuen Testament vorlesen. Um 9 Uhr war 
sie eine Leiche. Welch plötzliche Veränderung! Wir haben 
allen Grund zu glauben, daß die Dahingeschiedene schon seit 
Jahren bekehrt war und darum jetzt bei dem Herrn ist. Aber 
wäre dies nicht der Fall gewesen, welche Möglichkeit wäre 
vorhanden gewesen, zu Ihm zu fliehen, als sie so plötzlich vom 
Tode übereilt wurde? Ruhe daher nicht eine Stunde, teure 
Freundin, ohne Christum gefunden zu haben. Gott Selbst 
bietet Ihn Dir an, und das ganze Verdienst Seines kostbaren 
Versöhnungsblutes. Du bist Ihm jetzt schon willkommen. 
„Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen." Aber 
es heißt: „Wer zu mir kommt." Darum komme zu Jesu; 
komme noch heute; zögere keine Stunde länger! Nur in Ihm 
wirst Du die Gewißheit der Liebe Gottes und Dein ewiges 
Heil finden. 
Es ist mir immer eine Freude gewesen, von Dir zu hören! Aber 
setze Dein Vertrauen auf keinen Menschen, oder darauf, was 
ein Freund Dir raten oder für Dich tun könnte. Sieh nur auf 
den Herrn Jesum und auf das Blut, das Er auf Golgatha vergossen hat. Das allein ist es, was uns von aller Sünde reinigt. 
Alles, was irgend jemand tun kann, ist, Dich auf Jesum und 
Sein Blut hinzuweisen. Möge der Herr Dich erleuchten und 
mir die Freude gewähren, bald von Dir zu hören, daß Jesus 
Dir in der Tat teuer und wert ist. Der Deinige. 
4. Kann ich aus mir selber glauben? 
Meine teure Freundin! 
Wie schenll vergeht die Zeit! Daran erinnert mich Deine Mitteilung, daß Dein Geburtstag nahe sei. Ich bin fast zweimal 
225 
so alt wie Du; und Du kannst Dir vorstellen, wie viel schneller 
die letzte Hälfte der Jahre vergangen ist, als die erste. Mit 
einem Leben in Christo, das nie endet, und dem Kommen des 
Herrn vor uns, wo die Sterblichkeit vom Leben verschlungen 
werden wird, hört die Flüchtigkeit der Zeit auf, ein Gegenstand des Bedauerns zu sein. O, möchte Dich daher Dein Geburtstag im Genuß dieses neuen Lebens finden; gewiß, dann 
würde er der glücklichste sein, den Du je erlebt hast. Schon 
ungefähr einen Monat ist es her, als Du erweckt wurdest; und 
ich kann Dir meine Unruhe darüber nicht verhehlen, daß Dein 
gegenwärtiger Gemütszustand schon so lange ununterbrochen 
fortdauert. Solange man nicht Christum wirklich erkannt hat, 
kann man nie gewiß sein, welchen Ausgang Angst und Not 
nehmen wird. Ich habe die herzzerreißendsten Beispiele von 
Angst und Unruhe gesehen, welche mit einem Rückfall in 
einen gleichgültigen und sündigen Lebenslauf endeten. O, 
möchte doch bei Dir nicht ein solcher Fall eintreten! Wie in 
meinem vorigen Brief, so rufe ich Dir auch jetzt die Worte des 
Engels zu: „Rette dich um deines Lebens willen; sieh nicht 
hinter dich, und bleibe nicht stehen in der ganzen Ebene; 
rette dich auf das Gebirge, damit du nicht weggerafft werdest." 
(1. Mo 19, 17.) 
Du schreibst, Du habest versucht, Dich in Jesu Arme zu werfen; aber Du wagest nicht, Ihm zu vertrauen, daß Er Dich 
aufnehme. Du fragst ferner: „Kann ich etwas aus mir selber 
glauben und es mir aneignen, daß ich Frieden mit Gott habe, 
und daß meine Sünden vergeben seien?" Du führst aus einem 
der Traktate die Stelle an, daß „durch göttliche Kraft des 
Menschen Herz geöffnet werde, um das Evangelium anzunehmen, und daß die Wahrheit durch den Geist Gottes empfangen werden müsse." Ohne Zweifel; denn ohne dieses würde 
die Aufnahme der Wahrheit uns nichts nützen. Die Wahrheit 
ohne den Geist würde uns kein neues Leben geben. Wir 
könnten nicht „wiedergeboren" sein ohne den Geist. Und 
welchen Wert hätte irgendeine Veränderung, wenn sie nicht 
„Wiedergeburt" wäre? Du sagst: „Ist es nicht unnütz, daß ich 
versuche, aus mir selber zu glauben?" — Allerdings, wenn Du 
aus eigener Kraft zu glauben versuchst, so wird es sicher vergeblich sein. Aber setze den Fall, ein Freund sagte Dir etwas, 
226 
würdest Du dann bloß versuchen, Ihm zu glauben? Nein, Du 
würdest ihm glauben; und wenn Du zu Gott dasselbe Vertrauen hättest wie zu ihm, so würdest Du Gott ebenso einfach 
wie jenem glauben. Aber ach! Gott kann Dir zu wiederholten 
Malen dasselbe sagen, und doch antwortest Du: „Ist es nicht 
ganz unnütz, wenn ich zu glauben versuche?" In welchem 
traurigen Zustande befindet sich der Mensch, wenn er erst 
versuchen muß, dem Gott der Wahrheit zu glauben, der doch 
nicht lügen kann! 
Du sagst: „Sollte ich nicht lieber Gott bitten, daß Er mein 
Herz öffne, um Seinem Worte verhauen zu können, und daß 
Er das Wort mit Kraft und Leben meiner Seele nahebringen 
möge?" — Ich werde Dich nicht entmutigen, etwas von Gott 
zu erbitten, was Du nötig hast, auch weiß ich, daß Gottes 
Wege der Barmherzigkeit so mannigfaltig sind, daß eine Seele 
so geführt werden kann, wie Du es beschreibst, bis das Licht 
sie völlig erleuchtet und Christus ihr so lieblich und Sein Blut 
ihr so köstlich erscheint, daß das Herz nicht länger zweifeln 
kann. Ich selbst lag auf den Knien in meinem Zimmer, als 
meine Seele die Wahrheit annahm und frei wurde. Aber ich 
könnte keinem raten, den Weg einzuschlagen, den Du vorschreibst, und zwar aus folgenden Gründen. 
Erstens, ich finde einen solchen Rat nirgends in der Heiligen 
Schrift. 
Zweitens, jemand könnte bitten, wie Du es für gut findest, 
ohne das Heil zu empfangen; und ich würde zittern, wenn 
jemand zu mir sagen könnte: „Ich tat, was du mir geraten hast, 
und bin doch nicht gerettet." 
Drittens, die Anleitung der Schrift ist: „Glaube an den Herrn 
Jesum, und du wirst errettet werden", — und niemand kann 
sagen: „Ich bin dieser Anleitung gefolgt und bin doch nicht 
gerettet." Auch Du kannst nicht sagen, daß Du an den Herrn 
Jesum geglaubt hast, ohne die Seligkeit gefunden zu haben. 
Du hast nur versucht zu glauben; und das ist nicht die Meinung der Heiligen Schrift. Sie fordert uns auf zu sehen, zu 
kommen, Zuflucht zu nehmen, Christi Fleisch zu essen und 
Sein Blut zu trinken. Aber auf Jesum sehen heißt, an Ihn 
glauben; zu Jesu kommen heißt, an Ihn glauben; seine Zu227 
flucht zu Christo nehmen heißt, an Ihn glauben; und wenn der 
Herr Jesus vom Essen Seines Fleisches und vom Trinken 
Seines Blutes spricht, dann fügt Er hinzu: „Wer zu mir kommt, 
wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten." (Joh '6, 35.) Aber dann ist es Christus, der 
selig macht — nicht das Kommen, das Sehen oder Glauben, 
wenn es in irgendeinem Sinne von Ihm getrennt betrachtet 
wird. Das Brot nährt einen hungrigen Menschen, jedoch muß 
er es essen, wenn es ihn nähren soll. Würde er aber auch noch 
so lange seine Zähne bewegen und tun, als ob er esse, so 
würde er dennoch keine Nahrung erhalten, wenn kein Brot in 
seinem Munde wäre. Das Brot stillt den Hunger, wie unumgänglich nötig es auch ist, daß er es ißt. Aber ein hungriger 
Mensch wird nicht sitzen und noch erst darüber streiten, ob er 
essen kann oder nicht. Wenn ihm Brot mit einem herzlichen 
Willkommen vorgesetzt wird und er wirklich hungrig ist, wie 
bereit und wie gern wird er essen! Tue Du nun auch so, meine 
Freundin: Nimm Christum, das Brot des Lebens, in Deiner 
Seele auf. Gott heißt Dich willkommen. Glaube Seinem Worte, 
iß und lebe ewig! 
Ich überhöre keineswegs Deine Frage: „Kann ich aus mir selber glauben?" — oder die aus einem Traktat angeführte Stelle, 
daß man „nur durch den Geist die Wahrheit" aufnehmen 
könne. Aber bedenke, daß wir, Du und ich, es sind, die glauben, obwohl der Geist dieses bewirkt. Der Geist glaubt nicht 
für uns oder an unserer Statt. Er leitet uns zu glauben, indem 
Er uns Christum vorstellt in der Herrlichkeit Seiner Person, 
in der Zärtlichkeit Seine Liebe, im Wert Seines Blutes, in der 
Kraft Seiner Auferstehung. Aber für uns kam Christum vom 
Himmel, für uns lebte und starb Er, für uns ist Er auferstanden, und wir sind es, die Ihm zu vertrauen, Ihn aufzunehmen 
haben, wiewohl es wahr ist, daß niemand Ihn annimmt und 
Ihm vertraut, als nur durch den Geist Gottes. Betrachten wir 
indes diesen Gegenstand etwas genauer: 
1. Die Bibel ist voll der feierlichsten Zusicherungen, daß Gott 
niemandem die Seligkeit vorenthält, sondern daß Er sie jedem 
anbietet. „So wahr als ich lebe, spricht der Herr Jehova, ich 
habe kein Gefallen an dem Tode des Gesetzlosen, sondern daß 
228 
der Gesetzlose von seinem Wege umkehre und lebe." (Hes 
33, 11.) „Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle ihr 
Enden der Erde, denn ich bin Gott und keiner sonst." (Jes 
45, 22.) „He! ihr Durstigen alle, kommet zu den Wassern, und 
die ihr kein Geld habt, kommet kaufet und esset; ja kommet kaufet ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und 
Milch." (Jes 55, 1.) Johannes „kam zum Zeugnis, daß er 
zeugte von dem Lichte, damit alle durch ihn glaubten". (Joh 
1, 7.) „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, auf daß 
er die Welt richte, sondern auf daß die Welt durch ihn errettet 
werde." (Joh 3, 17.) „Dies sage ich, auf daß ihr errettet werdet." (Joh 5, 34.) „Diese aber sind geschrieben, auf daß ihr 
glaubet, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und auf 
daß ihr glaubend Leben habet in seinem Namen." (Joh 20, 31.) 
„Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches 
ich geben werde für das Leben der Welt." (Joh 6, 51.) „Gehet 
hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium der ganzen 
Schöpfung." (Mk 16, 15.) „Gott war in Christo, die Welt mit 
sich selbst versöhnend/' (2. Kor 5, 19.) „Gott, unser Heiland, 
welcher will, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen." (1. Tim 2, 3. 4.) „Der Herr 
ist langmütig gegen euch, da er nicht will, daß irgendwelche 
verloren werden, sondern daß alle zur Buße kommen." 
(2. Petr 3, 9.) „Der Geist und die Braut sagen: Komm! . . . und 
wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst." 
(Offb 22, 17.) — Kann jemand diese und viele andere Stellen 
lesen und noch zweifeln, daß Gott wahrhaftig will, daß allen 
Menschen geholfen werde? Das Hindernis Deines Kommens 
zu Christo, meine Freundin, ist nicht auf Gottes Seite. Er ist 
bereit, dich aufzunehmen; ja, Er bittet Dich, zu kommen und 
Dich versöhnen zu lassen. 
2. Und dennoch sagst Du: „Ich wage nicht, ihm zu vertrauen, 
daß er mich annehmen werde. Kann ich aus mir selber glauben?" Nein, Du kannst es nicht. Christus sagt: „Niemand 
kann zu mir kommen, es sei denn, daß der Vater, der mich 
gesandt hat, ihn ziehe." (Joh 6, 44.) Von Natur sind wir nicht 
nur gottlos, sonder auch „schwach". (R öm 5, 6.) Doch wenn 
Du von Deinem Vater sagen würdest: „Ich wage nicht, ihm 
229 
zu vertrauen", würde eine solche Sprache nicht anzeigen, daß 
Du eine sehr schlechte Meinung von seinem Charakter hast? 
Du würdest zittern, ein solches Urteil über Deinen Vater zu 
fällen. Und dennoch wagst Du es Gott gegenüber. Das ist das 
eigentümliche Wesen der Sünde. Gott hindert uns sicher nicht, 
an Christum zu glauben; Menschen könnten uns nicht hindern, wenn wir wirklich geneigt wären, an Ihn zu glauben; 
auch Satan könnte es nicht. „Ihr wollt nicht zu mir kommen, 
auf daß ihr Leben habet." Wir könnten es, wenn wir wollten; 
aber wir wollen es nicht. Seit einem Monat hat nun das Gefühl der Schuld, des Elends und der Verdammung Deine 
Seele belastet; und dennoch sagst Du: „Ich habe es versucht, 
mich in Jesu Arme zu werfen, aber ich wage nicht, Ihm zu 
vertrauen, daß er mich annehme." 
3. Sicher kann nur Gott dieses Widerstreben bezwingen. Er 
ist aber keineswegs dazu verpflichtet. Er ist bereit, Dich durch 
Christum anzunehmen, wenn Du an Christum glaubst. Aber 
Du ziehst Dich von Ihm zurück, und würdest es stets tun, 
wenn nicht Seine allmächtige Gnade Dir in den Weg träte. 
Und Du hast kein Anrecht an diese Gnade, sonst wäre es nicht 
Gnade. Du bist ganz in Gottes Händen; er kann mit Dir 
machen, was Ihm gut dünkt. Überließe Er Dich Dir selbst, so 
würdest Du bald alle Eindrücke verlieren und nicht zu Jesu 
kommen. Meine ganze Hoffnung ruht nur darauf, daß Gott 
Dir in den Weg trete und Dich leiten möge, Ihm zu vertrauen 
und an Christum zu glauben. Doch erwarte nicht, daß, wenn 
Er Dich zu Christo führen sollte, dieses durch eine neue Offenbarung geschehe oder durch irgendeinen gewaltigen Eindruck. 
Sobald Du an Christum glaubst, wirst Du sehen, daß Er der 
Christus ist, von dem Du soviel gehört und gelesen hast, der 
Christus, der auch jetzt mit offenen Armen wartet, um Dich 
zu empfangen. Gottlos und kraftlos sind wir; aber Christus 
ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. (Röm 5, 6.) Wagst Du es nicht, dies zu glauben? Kannst Du noch schlechter als gottlos sein? Christus ist 
für Gottlose und Kraftlose gestorben. O, daß Du sagen könntest: „Ja, für mich, der ich gottlos und kraftlos war, vergoß er 
sein Blut." — Nicht für die Gerechten, oder für die, welche 
230 
fühlen, wie sie fühlen wollen, oder für solche, die aus eigener 
Kraft glauben, ist Christus gestorben. Nein, sondern für die 
Verlorenen, für Sünder, für solche, die, wenn sie sich selbst 
überlassen blieben, Christum verwerfen und in der Sünde beharren würden. Für solche kam und starb Er. O, möchtest Du 
es doch glauben! Gott selbst sagt es. Schaue weg von Deinem 
undankbaren, sündigen, ungläubigen Ich, schaue hin auf Jesum, 
der vom Himmel auf die Erde kam, der seufzte und weinte 
und litt und blutete für elende Sünder. Gott selbst fordert 
Dich auf, Dich an Jesum zu wenden. Jesus selbst ladet Dich 
ein, Dich an Ihn zu wenden. Der Geist treibt Dich, Dich an 
Jesum zu wenden. Darum eile unverweilt zu Ihm! O, wie sehr 
wünsche ich, daß Du diese Zeilen nicht durchlesen möchtest, 
ohne durch Gottes Segen dahin geleitet worden zu sein, zu den 
Füßen Jesu zu eilen. Gott selbst erklärt sich mit dem Opfer 
Jesu zufrieden; sollten wir nicht zufrieden sein mit dem, was 
Ihn befriedigt? „Welchen Gott hat dargestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben an sein Blut,. . . daß er gerecht 
sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesum ist." 
(Röm 3, 25.) „Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den 
glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur 
Gerechtigkeit gerechnet." Der Deinige. 
5. Woher kommt das Verlangen, an Jesum zu glauben? 
Meine teure Freundin! 
Bei wiederholtem Durchlesen Deiner letzten Zeilen sind mir 
einige Stellen besonders aufgefallen. Du schreibst, Du wünschest, mir bald sagen zu können, daß Du Frieden durch das 
Blut Christi gefunden habest, und bist zugleich sehr bekümmert darüber, daß Dein Gewissen bereits seit einem Monat 
erwacht sei, ohne Frieden gefunden zu haben. Nun, woher 
kommt diese Besorgnis? Woher das Verlangen, Frieden durch 
das Blut Christi zu erlangen? Woher das Bewußtsein, daß nur 
in dem Blute Jesu der Frieden zu finden ist? Sollten nicht alle 
diese Dinge Zeichen der Arbeit des Heiligen Geistes sein? 
Und solltest Du nicht dankbar sein für das, was der Geist 
Dich schon gelehrt hat? Solltest Du nicht trachten nach einem 
größeren Maße von Licht? Und sollte Gott nicht ein Verlangen befriedigen wollen, das Er selbst gewirkt hat? 
231 
„O, wenn ich Ihm doch vertrauen könnte!" rufst Du aus. Aber 
warum vertraust Du Ihm nicht ganz und von ganzem Herzen? 
Er ist derselbe liebende, zartfühlende Jesus, der allmächtige 
Heiland, der einst jenes arme Weib heilte, das 18 Jahre lang 
eine Krankheit hatte. Er ist dem Auge zwar verborgen; doch 
es war der Glaube, nicht das Schauen, das eine heilsame Kraft 
aus Ihm zog; der Glaube kann, ohne zu sehen, Ihm dennoch 
vertrauen. 
Aber vertraust Du Ihm nicht schon? Hast Du denn gar kein 
Vertrauen zu Seiner Liebe? Vertraust Du denn nicht schon in 
irgendeinem Grade Seinem Blute? Woher kommt denn das 
Verlangen, durch das Blut Jesu Frieden zu finden? Du mußt 
doch überzeugt sein, daß irgendein Wert, eine Frieden bringende Kraft in dem Blute Christi ist; denn sonst würdest Du 
darin keinen Frieden suchen. Aber ist diese Oberzeugung nicht 
schon ein Grad von Vertrauen? Es mag schwach sein, aber es 
ist doch Vertrauen, und die Schrift knüpft das Heil nicht an 
einen besonderen Grad von Vertrauen oder Glauben, sondern 
selbst an das geringste Maß davon, das durch den Geist Gottes 
hervorgebracht worden ist. Was sagte jenes arme Weib im 
Evangelium: „Wenn ich nur sein Kleid anrühre, so werde ich 
geheilt werden." 
Du sagt zu wiederholten Malen, daß Du kürzlich beim Lesen 
des Evangeliums oft gedacht hast: „O, jetzt sehe ich ganz klar; 
ich muß auf Jesum vertrauen; dann aber erscheint mir wieder 
alles dunkel und verworren." — Nun, meine Freundin, woher 
kommt es, daß Du Dir in jenen Zeiten bewußt bist, daß Du 
auf Jesum vertraust. Daß Dir hernach alles wieder dunkel erscheint, ist erklärlich; denn Du wagst nicht, geleitet durch das 
erwachte Vertrauen, Dich niederzusetzen, um aus der Schrift 
zu lernen, was Dir zum Segen gereicht, sondern Du wendest 
Dich wieder zurück, um Dein eigenes Herz zu untersuchen und 
dort die Beweise Deines Vertrauens zu suchen. Ach, wende 
Dich doch zu Jesu! Du bist Ihm willkommen. Sein Blut ist 
vergossen für die größten Sünder und reinigt von aller Sünde. 
Zur Bestätigung dieser Wahrheit will ich Dir einen Bericht aus 
einem Briefe mitteilen, den ich soeben von meinem geliebten 
Bruder in Christo erhalten habe. Er schreibt: 
232 
„Wir hatten hier vor einigen Tagen ein sehr liebliches Beispiel 
von der Gnade Gottes. Eine dem Trunk ergebene Frau lag auf 
dem Sterbebett. Sie wollte es nicht dulden, daß jemand sie besuchte. Doch endlich fand ich Eingang bei ihr und entdeckte, 
daß das Wort die Kraft hatte, ihr ihr sündhaftes Leben vor die 
Seele zu stellen. Jetzt kam ich öfters und fand sie erweicht und 
zuletzt ganz begierig, von der Gnade in Jesu zu hören. Das gab 
mir Hoffnung. Aber erst nach mehren Wochen brach das Licht 
herein, und sogleich wurde der Schatten des Todes in Morgenlicht umgewandelt. Ihre Leiden stiegen aufs höchste; und 
zwischen den Schmerzensanfällen lehrte ich sie den 14. und 
15. Vers aus Offenbarung 7, nachdem ich ihr vorher den letzten Teil des Kapitels vorgelesen hatte, damit sie während der 
schweren Nacht daran denken möchte. Sie lernte die Worte 
wie ein Kind, und ich überließ es dem Herrn, ihr zu zeigen, 
warum jene Schar, mit weißen Kleidern angetan, vor dem 
Throne war. Bei meinem nächsten Besuche fand ich zu meiner 
großen Freude, daß auch sie in dem Blute des Lammes rein 
geworden war. „O, ist es nicht schön", rief sie; „so weiß wie 
Schnee durch das Blut des Lammes!" — Ich suchte sie dann auf 
die Liebe hinzuweisen, die uns eine solche Quelle verschafft 
hat, und las ihr 1. Joh 4. vor. Ach, wie begierig lauschte die 
arme Frau. Als ich sie das nächstemal wiedersah, war ich nicht 
wenig erstaunt über ihr völlig verändertes Wesen, Ein himmlisches Verständnis belebte ihre Züge, und eine Sanftmut, die 
von einem Verkehr mit Christo zeugte, bezeichnete ihre 
Worte und ihr ganzes Benehmen. Ich war eine Stunde vor 
ihrem Tode bei ihr, und das Lächeln auf ihrem Antlitz war 
wirklich himmlisch. Eine Verwandte von ihr, die ebenfalls anwesend war, fragte sie, ob sie glücklich sei. „Sehr, sehr glücklich!" — war ihre Antwort. Der Freudenstrahl, der ihr Gesicht 
erglänzte, bestätigte ihre Worte. Eine halbe Stunde später 
starb sie in großem Frieden." 
Nun, meine teure Freundin, möchtest doch auch Du zu dem 
gnadenreichen Herrn völliges Vertrauen fassen; gewiß auch 
Du würdest die Kraft Seines kostbaren Blutes erfahren. 
Der Deinige. 
233 
6. Setze Dein Vertrauen nur auf Jesum 
Meine teure Freundin! 
Du bist also, wie Du mir schreibst, noch immer nicht im Frieden 
mit Gott und fühlst Dich dabei in einem höchst verwirrten 
Gemütszustande. Das ist kein ungewöhnlicher Fall. Bevor die 
Liebe klar verstanden und das Herz in der Gnade befestigt 
ist, ist die Verworrenheit im Gemüt eine ganz natürliche Erscheinung. Selbst nach der Bekehrung, wenn der Blick von 
Jesu abgewandt ist, wird das Herz beunruhigt und verwirrt 
sein. Du sagst: „Ich zweifle nicht an der reinigenden Kraft 
des Blutes Christi; aber — ist auch meine Seele mit diesem 
Blute besprengt?" — Keine Antwort von meiner Seite auf 
diese Frage wird imstande sein, Dein Gewissen zu überzeugen; 
könntest Du aber selbst die Antwort im Worte Gottes sehen, 
so würde sie Dir vollkommene Ruhe geben. Aber findest Du 
denn in Apg 13, 38. 39. nicht eine solche Antwort? Du wagst 
nicht, an der reinigenden Kraft des Blutes Christi zu zweifeln. 
Was ist dies anders, als an Jesum glauben? „Von allem wird 
in diesem (Jesum) jeder Glaubende gerechtfertigt." Du wünschest Ruhe und Frieden in Christo, und Du weißt, daß Du 
sonst nirgends Frieden finden kannst. Was sagt Gottes Wort? 
„So sei es euch denn kund, daß durch diesen euch Vergebung 
der Sünden verkündigt wird." Nur in Jesu ist der Frieden zu 
finden; und wer besitzt Frieden, Ruhe und Vergebung? „In 
ihm wird jeder Glaubende gerechtfertigt." 
Aber Du sagst: „Ich fühle nicht, daß ich teil an diesem kostbaren Blute habe." — Soll denn Dein Fühlen diese ernste 
Frage entscheiden? Wenn Du an der Kraft des Blutes Christi 
nicht zweifelst, so glaubst Du ja daran; und Gott sagt, daß, 
wie auch Deine Gefühle sein mögen, jeder Glaubende gerechtfertigt sei. Woher weißt Du denn, daß eine Kraft in diesem 
Blute ist? Aus welchem Grunde glaubst Du dies? Ist es nicht 
deshalb, weil es Gott in Seinem Worte kundtut? Gewiß. Du 
glaubst es nicht, weil Du es fühlst, denn Du bekennst es selbst, 
daß Du es nicht fühlst. Mithin glaubst Du es ohne jedes Gefühl, weil Gott es in Seinem Wort gesagt hat. Ist nun aber 
Sein Wort, welches erklärt, daß jeder Glaubende gerechtfertigt ist, nicht ebenso wert, daran zu glauben, als wenn 
234 
dasselbe Wort Christum verkündigt, an den Du nach Deiner 
Versicherung glaubst? Du sagst: „Ich glaube; aber ich möchte 
fühlen, daß ich teil daran habe." Gott sagt: „Jeder Glaubende 
hat teil daran." In dieser Weise löst Er die Frage. Mir scheint 
es, als ob Du, wie viele andere, aus Deinem Glauben einen 
Heiland machen möchtest. Du wendest Dich hinweg von Jesu, 
dem hochgelobten Gegenstand unseres Glaubens, um Dich 
mit Deinem Glauben zu beschäftigen. Ich habe einen Freund, 
der den gleichen schweren Seelenkampf durchmachte, jetzt 
aber gnädiglich befreit ist. In den Tagen seiner Unruhe und 
Angst teilte ich ihm mit, daß auch Du in ähnlicher Weise 
littest. Der Erfolg davon ist ein kleiner Brief, den er mir 
soeben schrieb, worin ich folgende Worte finde: 
„Sage Deiner Freundin, sie solle alles Jesu überlassen. Bei Ihm 
wird man sicher sein. Werden wir Ihn anschauen, müssen wir 
Ihm vertrauen. In Jesu liegt alle Kraft; und Er ist es, der uns 
auffordert, Ihm alles zu überlassen. Wie sehr wünsche ich, 
Deine Freundin zu sehen und ihr zu sagen, was Gott in Seiner 
unendlichen Gnade mir gezeigt hat, daß ich nichts anderes tun 
kann, als alles Ihm zu überlassen. Meine Seele ist wohl aufgehoben in Jesu Händen; und ich vertraue mich Ihm wirklich 
ganz an, wiewohl mit großem Zagen. Das einzige, was ich zu 
tun wage, ist, daß ich Ihm vertraue und mich an Ihn klammere. 
Jeder von Ihm abgewandte Blick bringt all meinen Kummer 
zurück; und wenn Er es nicht wäre, Er selbst, ich wäre gleich 
wieder auf offenem, stürmischem Meer." 
So schreibt mein Freund. Er führt die Sprache des Vertrauens 
und der Liebe zu Jesu, wiewohl der Schreiber es nicht erkennt. 
Und ebenso fühlst auch Du nicht, daß Du Jesum liebst. Würdest Du aber darüber beunruhigt sein, wenn Er keinen Raum 
in Deinem Herzen hätte? Doch ich wünsche, daß Du weder 
Deiner Liebe, noch Deinem Glauben vertraust, sondern Jesu 
selbst, der unseres Vertrauens und unserer Liebe völlig würdig 
ist. Möchte der Herr Dich in Gnaden ermutigen, alle Deine 
Zweifel und Fragen aufzugeben und Dein Auge, Dein Ohr 
und Dein Herz auf Jesum, auf Ihn selbst zu richten, auf Seine 
Liebe, auf Sein versöhnendes Blut, das Blut, das von aller 
Sünde reinigt. 
235 
Es interessiert mich ungemein, was Du mir von Deiner 
Schwester und jener Sonntags-Abendunterhaltung schreibst, 
wodurch sie so sehr erquickt worden ist. Grüße sie und die 
ganze Familie! — Nochmals empfehle ich Dich dem hochgepriesenen Jesus, dem allgütigen und alleinigen Heiland, dessen 
Liebe jeden aufnimmt, der zu Ihm kommt. Der Deinige. 
y. Beantwortung etlicher Fragen 
Teure Freundin! 
Zwei Deiner Briefe sind noch unbeantwortet; der erste, der 
mir das Glück Deiner Schwester mitteilte; und der zweite, der 
den Brief, in dem sie die erfreuliche Botschaft selbst bestätigt, 
begleitete. Das freimütige Bekenntnis Deiner Schwester hat 
mir große Freude gemacht und ist ein treffliches Zeugnis von 
der erbarmenden Liebe Gottes. 
Was Deine eigenen zwei Briefe betrifft, so möchte ich gern, 
wenn der Herr mir dazu Seinen Beistand verleiht, den zweiten 
beantworten. Ich wünsche, daß meine Antworten soviel wie 
möglich aus den Worten bestehen möchten, die Er uns gegeben 
hat. 
1. Frage: „Liebt Gott uns erst dann, wenn wir glauben?" — 
Antwort: „Hierin ist die Liebe: nicht, daß wir Gott geliebt 
haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn gesandt 
hat als eine Sühnung für unsere Sünden." (1. Joh 4, 10.) „Gott 
aber erweist seine Liebe gegen uns darin, daß Christus, da 
wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist." (Röm 5, 8.) 
„Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner 
vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, als auch wir in den 
Vergehungen tot waren, hat uns mit dem Christus lebendig 
gemacht, durch Gnade seid ihr errettet." (Eph 2, 4. 5.) 
2. Frage: „Kann ich schon Glauben haben an das Blut Jesu, 
ehe ich versichert bin, von allen meinen Sünden darin abgewaschen zu sein?" Antwort: Hatte nicht der sterbende Räuber 
Glauben an Jesum und Sein Blut, als er sagte: „Herr gedenke 
meiner, wenn du in deinem Reiche kommst"? Konnte er wohl 
zu derselben Zeit sagen, daß er gewaschen sei in dem Blute 
Jesu? Haben wir nicht schon Vertrauen zu einem Arzt, wo236 
durch wir angetrieben werden, seine Hilfe zu suchen, bevor 
wir durch seine Arzneien von unserer Krankheit geheilt sind? 
In Wahrheit sagen zu können: „Das Blut Christi hat mich 
gewaschen von meiner Sünde", ist Zuversicht. Diesem Blute 
zu vertrauen, als Gottes gnädigem und wirksamem Mittel zur 
Tilgung der Sünde, ist „Glaube". Wenn ich das eine habe, 
bin ich zu dem anderen berechtigt. Wenn ich mich wirklich an 
Jesu, meine einzige Hoffnung und Zuflucht, klammere und 
Seinem Blute vertraue, daß es die hinreichende Kraft hat, 
meine Sünden zu tilgen, so sagt Gott, daß das Blut meine 
Sünden getilgt hat; und es ist sicher mein gesegnetes Vorrecht, 
dasselbe zu sagen. 
3. Frage: „Also rettet uns nicht das ,Glauben', sondern Jesus; 
und unsere Sache ist — Ihn anzunehmen. Nicht wahr?" Antwort: Ganz gewiß. Das Glauben an und für sich ist ohne 
Wirkung. Wenn das, was man glaubt, nicht wahr wäre, was 
nützte dann der Glaube daran. Nur in Ihm, an den wir glauben, in Jesu, wohnt die erlösende Kraft. Glauben heißt, Ihn 
annehmen; und ist es nicht seltsam, daß wir so schwer zu 
bewegen sind, Ihn anzunehmen? „Das Wort ist gewiß und 
aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten." (1. Tim 1, 15.) 
4. Frage: „Ist nicht Jesus immer vor dem Throne Gottes?" — 
Antwort: Er hat, „nachdem er durch sich selbst die Reinigung 
unserer Sünden gemacht hat, sich gesetzt zur Rechten der 
Majestät in der Höhe". (Hebr 1, 3.) 
5. Frage: „Ist nicht Sein Blut dort als ein Opfer für die 
Sünde?" — Antwort: „Auch nicht mit Blut von Böcken und 
Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blute ist er ein für alle 
Mal in das Heiligtum eingegangen, als er eine ewige Erlösung 
erfunden hatte." (Hebr 9, 12.) „Welchen Gott dargestellt hat 
zu einem Gnadenstuhl, durch den Glauben an sein Blut." 
(Röm 3, 25.) 
6. Frage: „Wenn ich als eine arme Sünderin durch dieses Opfer 
zu Ihm komme, wird Gott mich nicht annehmen?" Antwort: 
„Darum vermag er auch völlig zu erretten, die durch ihn Gott 
nahen, indem er immerdar lebt, um sich für sie zu verwen237 
den." (Hebr. 7, 25.) „Wird Gott mich nicht annehmen?" fragst 
Du. Gott hat Dich gebeten und bittet Dich noch, an Seine 
Liebe zu glauben und Jesum als Deinen Heiland anzunehmen, 
um vollkommen in Ruhe und Frieden zu sein. „So sind wir 
nun Gesandte für Christum, als ob Gott durch uns ermahnte: 
Wir bitten an Chrsti Statt: Laßt euch versöhnen mit Gott!" 
(2. Kor 5, 20.) Kann da noch ein Zweifel an Seinem Wollen 
sein, wenn Er eine solche Friedensbotschaft sendet und die 
Versöhnung anbietet? 
Du sagst ferner: „Ich kann auch nicht ein einziges Verdienst 
anführen; denn je mehr ich mich selbst betrachte, um so 
schlechter komme ich mir vor." — Gewiß; aber wenn Du nicht 
ein einziges Verdienst hast, dann hast Du alle Ursache, Dich 
des unendlichen Verdienstes Jesu und Seines versöhnendes 
Blutes zu erfreuen. Er bietet Dir aus freier Gnade alles an, 
ja Sich Selbst, als die beste und reinste Gabe und als den 
höchsten Beweis Seiner Liebe. Gib Dich völlig auf. Laß das 
gute Ich und das böse Ich aus dem Auge, indem Du verweilst 
bei der Vortrefflichkeit Jesu, an dem Gott ein solches Wohlgefallen hat, daß Er selbst den Strafwürdigsten, der sich auf 
Seinen Namen, auf Sein Blut und auf Sein Verdienst stützt, 
freundlich ansieht. 
Doch ich muß schließen. Glaube nicht, daß die Menge der 
Fragen über einen so heiligen Gegenstand mich ermüden oder 
langweilen würde. Möchte Gott nur die Antworten für den 
Frieden Deiner Seile segnen, so würde ich es für keine Mühe 
achten, wenn mir die Beantwortung noch so viel Zeit raubte! 
Grüße mir Deine Schwester, mit der ich micht aufrichtig freue. 
Der Herr erhalte sie in Gnaden einfältig ruhend in Jesu und, 
von Seiner Liebe gedrungen, ernstlich und fleißig, Ihm zu 
folgen. O, möchtest Du auch bald ihre Freude teilen. 
Der Deinige. 
8. Jesu anhangen 
Teurer Freund! 
Ich weiß, daß Sie sich mit mir freuen werden, wenn ich Ihnen 
mitteile, daß ich, die ich so lange tot in Sünden und Ver238 
gehungen war, endlich vom Tode zum Leben in Jesu gelangt 
bin. Gott hat mir geholfen, meine Seele Jesu zu übergeben und 
Ihn als meinen Heiland zu ergreifen, obwohl mit großer Furcht 
und großem Zagen. O, welche Freude, welche Glückseligkeit, 
Ihn als meinen Erlöser, und Gott als meinen Vater zu kennen! 
Ich kann Ihnen kaum sagen, wie das Licht zuerst in meine 
Seele drang. Ich las Ihren Brief mit einem christlichen Freunde, 
und dieser sagte: „Nun, das ist doch sehr klar! Und Sie 
zweifeln noch? Sie sind nicht damit befriedigt, daß Christus 
allein erlösen kann? Sie glauben an die Kraft seines Blutes, 
und Sie zweifeln an Ihrer Erlösung?" 
Ich fühlte und erkannte die Widersprüche, in denen ich mich 
befand; ich übergab mich Jesu. Doch selbst dann war ich nicht 
ganz glücklich. Doch Gott segnete Ihren Brief, sowie auch den 
Ihres Freundes, meine Zweifel aufzuhellen und meine Augen 
zu öffnen, um Seine reiche, volle und freie Erlösung zu 
schauen. 
Jetzt glaubte ich, daß alle meine Zweifel und Befürchtungen 
ein Ende hätten, weil ich ja schon in einem gewissen Grade 
vertrauen konnte. Aber, mein teurer Freund, während der 
ganzen vorigen Woche wurde ich von Zweifeln, Befürchtungen, Ungewißheiten und Sünde umhergeworfen, bis ich zu 
denken begann, daß ich mich in betreff meiner Annahme getäuscht habe. Jedoch finde ich, daß Ihr Freund, der mir so 
freundlich schrieb, und dessen Brief mir so dienlich war, in 
einer ähnlichen Weise beunruhigt gewesen ist. Mit diesem 
Freunde kann ich jetzt sagen: „Meine Ruhe besteht darin, daß 
ich trotz aller meiner Zweifel auf Jesum blicke." Selbst jetzt 
noch fühle ich mich kaum geborgen; aber wenn ich auf Jesum 
sehe, kann ich nicht zweifeln. Beten Sie für mich, daß ich 
darin ruhen möge, was Gott sagt, weil Er es sagt, und nicht, 
weil ich es fühle. Mein Glaube ist sehr schwach, und mein 
Unglaube sehr groß. Oft lese ich Ihre Briefe durch; und jedesmal wundere ich mich, daß ich damals die Dinge nicht so 
ansah wie jetzt. — Meine Schwester ist immer noch ganz glücklich: sie läßt grüßen und dankt Ihnen für Ihren Brief. Sie 
scheint durch keine Zweifel beunruhigt zu sein. 
Die Ihrige. 
239 
g. Halte fest! 
Meine teure Freundin! 
Der Herr sei gepriesen, daß Er dich fähig macht, wenn auch 
zagend, dennoch Jesu anzuhangen und Seinem Blute zu vertrauen. Ich begreife Deine Unruhe, als Du zuerst Deine Sache 
Jesu übergabst. Niemand aber, der Ihm vertraute, wurde je 
getäuscht. Das Rettungsboot ist wegen der Zweifel und Bedenken der darin aufgenommenen Schiffbrüchigen nicht weniger seetüchtig. Der Felsen unter Deinen Füßen ist darum nicht 
weniger fest, weil mitunter Dein Kopf schwindelt und es Dir 
ist, als ob der Boden sänke. Gottes vollkommene Schätzung 
des vollkommenen Werkes Christi ist die vollkommene Sicherheit für alle, die sich, ob auch schüchtern und zagend, dem 
Werk Christi anvertrauen. „Sehe ich das Blut, so werde ich 
an euch vorübergehen." (2. Mo 12,13.) 
Der Herr sei gepriesen für den fortdauernden und ununterbrochenen Frieden und die Freude Deiner Schwester. Sie hat 
guten Grund in Jesu, der unsere Sünden hinweggetan hat, und 
in dem wir angenommen sind als eins mit Ihm. Dulde nicht, 
daß der Feind Dich dadurch beunruhigt, daß er Dir die ununterbrochene Freudigkeit Deiner Schwester vorhält. Statt 
dessen vertraue lieber selber Christo ganz. In Ihm ist auch 
für Dich Ursache genug. Dich allewege zu freuen. Der Herr 
verleihe, daß noch viele aus dem Kreise Deiner Familie herzugebracht werden mögen! Laßt uns vereint darum bitten! Er 
liebt es, so von uns um die Offenbarung Seiner erlösenden 
Macht angegangen zu werden. In Ihm der Deinige. 
IO. Am Morgen Jubel 
(Ps 30, 8.) 
Teurer Freund! 
Ich weiß nicht, wie ich Ihnen genug danken soll für Ihren 
Brief, der mir durch Gottes Hilfe zu so großem Trost geworden ist. Niemals erkannte ich früher das Einssein mit Christo 
und den Gläubigen so klar. Wie lange habe ich in mir etwas 
gesucht; aber wie ganz anders ist es jetzt? Jesus und nur Jesus 
hat mich froh gemacht. Jetzt kann ich es kaum begreifen, 
240 
wie ich so lange mein Vertrauen von solch einem Heiland zurückhalten konnte, der nicht wartete, bis wir selbst etwas getan hatten, sondern der, als wir ganz verloren, zugrunde 
gerichtet, hilflos und ohne Hoffnung waren, zu unserer Rettung ins Mittel trat. Ist es nicht zum Erstaunen? Und welch 
einen Vater haben wir, der uns als eins mit Christo ansieht 
und uns mit derselben Liebe liebt! Wie sehr kann ich mich 
jetzt hierin freuen! Zuweilen, wenn ich nichts mehr als „Vater" 
sagen kann, erfüllt es mich schon mit Freude. Wahrlich, ich 
vergesse meine Zweifel und Befürchtungen im Aufsehen auf 
Jesum. 
Beten Sie für mich, daß nichts die Stelle Jesu in meinem Herzen einnehmen und ich stets mit Ihm erfüllt sein möge. 
Die Ihr