Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1904 | Seite |
Der Mensch und der Sohn des Menschen | 1 |
Betrachtungen über das erste Buch Samuel | 12, 42, 67, 99, 137, 158, 180, 204, 225, 258, 281, 309 |
158, 180, 204, 225, 253. 281. 909 | |
Eine Unmöglichkeit | 23 |
Wenn dein Bruder wider dich sündigt | 27 |
Ihr seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders | 29 |
Gottes Geist in euch wohnt." | |
Seid heilig | 54 |
„Eines weiß ich, daß ich blind war und jetzt sehe." | 57 |
Petrus auf dem Gewässer | 78 |
Drei bedeutungsvolle Tatsachen | 85, 126 |
Das Kreuz | 111 |
Die Stunde des Herrn (Gedicht). | 112 |
Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt" | 113 |
Nach Kanaan! (Gedicht) | 140 |
Die erste und die zweite Auferstehung. | 141 |
Das Gesetz der Freiheit | 167 |
Geheiligt für den Herrn (Gedicht) | 168 |
Der große weiße Thron und der ewige Zustand | 169 |
Was soll ich tun?. | 169, 198 |
Anbetung | 220 |
Stromaufwärts (Gedicht) | 224 |
Wer ist wie Jehova, unser Gott?" | 239 |
Das Blut, welches redet. | 248 |
Entschiedenheit für Christum | 269, 295 |
Des Herrn Tag. | 279 |
Sieg | 308 |
So sind wir nun allezeit gutes Mutes." (Gedicht) | 308 |
Dem Herrn geheiligt | 334 |
Der Mensch und der Sohn des Menschen
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 1ff
„Ihr müsset von neuem geboren werden'', so lautet ein Ausspruch des Herrn, der ebenso unbedingt wie allgemein in seiner Anwendung ist.
Als solche, die gesündigt haben, bedürfen wir eines Heilandes, und in Jesu finden wir einen solchen. Sein Opfer hat Sühnung getan für alle Sünden der Seinigen, und es genügt für jeden, für die ganze Welt. Aber das Wort Gottes spricht nicht nur von Sündenvergebung; es redet auch von unserer, verderbten Natur, dem Fleische, welches unverbesserlich ist. Eine Natur kann erzogen und in Schranken gehalten werden, aber man kann sie nicht verändern. Der Mensch hat gesündigt; aber nicht nur das, er ist auch ein Sünder seiner Natur nach. Der ganze Baum ist faul, die ganze Quelle verderbt. Für seine Sünden muss Sühnung getan werden, und er muss eine neue Natur empfangen. Er muss von neuem geboren werden, wie der Herr zu Nikodemus sagt. Das ist eine unbedingte Notwendigkeit, denn durch Geburt, und nur durch Geburt, empfängt man eine Natur. Durch unsere natürliche Abstammung von Adam erhalten wir eine gefallene Natur; durch die geistliche Geburt aus Wasser und Geist erhalten wir eine neue Natur, die unveränderlich in ihrem Charakter, sündlos und unfähig ist zu sündigen. „ Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch; und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist.“ (Joh. 3.6.)
Es gibt wohl nicht viele Menschen in der Christenheit, welche nicht zugeben werden, dass sie gesündigt haben, so unwichtig die Sünde auch in ihren Augen erscheinen mag; aber wie wenige sind sich darüber klar geworden, dass die Natur, welche sie von Adam empfangen haben, nicht nur sündig, sondern auch völlig unverbesserlich ist! Doch diese Unterweisung gibt uns das Kreuz Christi. Weil unsere Natur jeder Verbesserung unfähig war, sandte Gott Seinen eigenen Sohn in der Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde, aus dass Er die Sünde im Fleische verurteilte. (Röm. 8, 3.) Um die Notwendigkeit einer neuen Natur zu zeigen, floss aus der durchbohrten Seite eines gestorbenen Christus ebenso wohl Wasser hervor wie Blut. Christus kam in diese Welt, um Sühnung zu tun für unsere Sünden, aber Er kam auch, damit wir durch Ihn leben möchten. (Vgl. 1. Joh. 4, 9. 10.) Um dem Nikodemus eine so überaus wichtige, aber so vielfach übersehene Wahrheit tief einzuprägen, richtete der Herr in jener Nacht scheinbar ganz unvermittelt die Worte an ihn: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen''. Und die nachher nochmals wiederholte Erklärung des Herrn: „Ihr müsset von neuem geboren werden“, hat eine treffende Erläuterung gesunden in den Ereignissen Seiner letzten Reise nach Jerusalem, wie sie uns in Matthäus 20, 17 — 28 berichtet werden. Hier treten die Früchte der beiden Naturen deutlich ans Licht.
Auf der einen Seite erblicken wir die Früchte des alten Menschen in dem Verhalten der Juden, der Heiden und der beiden Jünger Jakobus und Johannes. Aus der anderen Seite begegnen wir den Früchten des neuen Menschen (d. h. neu, wenn wir von uns sprechen; selbstverständlich aber nicht neu, wenn von Christo die Rede ist, dem vom Heiligen Geiste empfangenen Weibessamen,) in dem Verhalten des Sohnes des Menschen. Hass und Selbstsucht kennzeichnen die eine, Liebe und Selbstverleugnung die andere Natur. Die Örtlichkeit, das Volk, die Zeit — alles ist in dieser Erzählung der Beachtung wert.
I. Die Örtlichkeit. — „Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem.“ In der Stadt des großen Königs, da wo Gott Seine Gegenwart geoffenbart, wo die Lade ihren Ruheplatz in den Tagen Salomos gefunden hatte, wo sich der Tempel befand und die Wohnung des Hohenpriesters, dort musste der Sohn des Menschen überliefert werden. Kein anderer Fleck in der ganzen Welt würde zu dieser Tat des Menschen so passend gewesen sein; denn Jerusalem wurde als der Mittelpunkt der religiösen Erkenntnis betrachtet, als das Hauptquartier des Judentums. Wäre Christus anderswo verraten worden, so hätte gesagt werden können: In Jerusalem würde man nicht so gehandelt haben. Aber um zu zeigen, was der Mensch ist als ein Nachkomme Adams, musste Christus in Jerusalem gekreuzigt werden.
II. Das Volk. —— Wie konnte die Tat ausgeführt werden? „Der Sohn des Menschen wird . . . überliefert werden“, lautet die Ankündigung des Herrn. Er übergab sich selbst freiwillig, um Gottes Willen zu tun, aber Er wurde den Juden durch einen Seiner Jünger überliefert. Judas hatte Seine Worte gehört, Seine Taten gesehen, hatte mit den übrigen Jüngern Macht empfangen, Teufel auszutreiben in Seinem Namen; und doch war er selbst ein Teufel. Wir dürfen wohl annehmen, dass er sich bis zu einem gewissen Grade an dem Umgang mit dem Herrn, an der Gemeinschaft mit Ihm, erfreut hatte, und doch ließ er sich zu dieser Sünde bereit finden um den elenden Preis von dreißig Silberlingen. Vorzüge, und selbst solche, wie nur die zwölf Apostel sie besaßen, können also genossen werden, und doch mag sich schließlich der Einzelne als Verräter erweisen, es sei denn dass er von neuem geboren und so einer neuen, der göttlichen, Natur teilhaftig werde. Nichts Geringeres als das kann von irgendwelchem Nutzen sein.
Einmal den Hohenpriestern und Schriftgelehrten „überliefert“, wird der Herr von ihnen zum Tode verurteilt. Das Urteil zu vollstrecken, lag freilich nicht in ihrer Macht. Aber was sie tun konnten, das taten sie; eher hielten sie nicht ein. Was sie wollten, trat klar aus Licht; es fehlte ihnen nur die Macht, ihren Willen auszuführen. „Er muss sterben“, so lautete ihr Urteil. So lange Er lebte, konnte ihr Hass nicht befriedigt werden. Und wer waren sie, die in dieser Suche die leitende Rolle spielten? Etwa ungelehrte Galiläer, oder die Volksmenge, der große Haufe, welcher das Gesetz nicht kannte und verflucht war? (Joh. 7, 49.) Ach nein, es waren die erklärten Bewahrer und Ausleger des Wortes Gottes. Sie, die das Gesetz und die Propheten wohl kannten, verurteilten Ihn zum Tode. Die höchsten Autoritäten in Israel, die Haupt-Priester und die Schriftgelehrten von Jerusalem mussten in besonderer Weise dieser Sünde schuldig werden. Weder persönliche Bekanntschaft mit dem Herrn, wie Judas sie genoss, noch Vertrautheit mit dem Buchstaben der Schrift, woraus die Priester und Schriftgelehrten Anspruch erhoben, bewahrte die Betreffenden davor, ihre Hände mit dem Blute ihres Königs, des Herrn der Herrlichkeit, zu besudeln.
Den Herrn hinzurichten lag, wie bereite bemerkt, außer dem Bereiche ihrer Macht. So mussten sie Ihn „den Nationen überliefern, um Ihn zu verspotten und zu geißeln und zu kreuzigen''. Von Pilatus verhört, wurde Er für unschuldig erklärt. Vor Herodes gestellt, wurde Er von diesem an Pilatus zurückgeschickt als Einer, der den Tod nicht verdient hatte. Als römischer Landpfleger hatte Pilatus über die richtige Beobachtung und Handhabung des Gesetzes zu wachen. In der Regel hatten die Römer Achtung vor dem Gesetz. Ein ungerechter Landpfleger konnte zur Verantwortung gezogen und bestraft werden. Paulusversetzte die Behörden zu Philippi in die größte Bestürzung, als er sie darauf aufmerksam machte, dass sie zwei römische Bürger unverurteilt geschlagen hätten. Er entging zu Jerusalem der Geißelung, weil der Oberste durch das römische Gesetz davon zurückgehalten wurde. Er konnte sich auf den Kaiser berufen, und war von dem Augenblick an durch dass Gesetz vor der Wut und dem Fanatismus des jüdischen Pöbels geschützt. Der Herr wurde also keineswegs einer barbarischen Macht überliefert. Aber um völlig zu zeigen, was der Mensch ist, wurde Er verhöhnt und geschlagen, ehe Er dem römischen Landpfleger zur gerichtlichen Untersuchung überantwortet wurde.
Von dem Richter für unschuldig erklärt, wurde Er der Bosheit der rohen Kriegsknechte überlassen, und diente dem Herodes und seinen Kriegsleuten zur Unterhaltung. Obwohl sich keine Schuld an Ihm fand, befahl Pilatus, Ihn zu geißeln, und gab schließlich dem Geschrei der Juden nach und verurteilte Ihn zum Kreuzestode. Überall wo die Natur des Menschen als Nachkomme Adams zum Vorschein kommt, erweist sie sich als ganz und gar böse. Von dem verdorbenen Baum ist nur verdorbene Frucht zu erwarten.
III. Die Zeit. —— Hätte die Kreuzigung in den Anfängen der Welt stattgefunden, so möchte vielleicht der eine oder andere sie zu entschuldigen gesucht haben. Man hätte einwenden können: Die Erziehung hatte noch nicht Zeit gehabt, ihre Wirkung auszuüben. Die geistige Veredlung war noch nicht völlig zur Entwicklung gelangt, die sittliche Bildung hatte noch nicht in angemessener Weise ihre Einflüsse erproben können. Aber alle solche Entschuldigungen werden null und nichtig durch die Tatsache, dass der Herr Jesus während der Regierung des römischen Kaisers Tiberius gekreuzigt wurde. Schon fünfzehn Jahrhunderte waren die Juden im Besitz des Wortes Gottes gewesen, das jeden Sabbat in ihren Synagogen vorgelesen wurde. Waren aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten in ihren Herzen dadurch verändert worden? Seit Jahrhunderten besaßen die heidnischen Völker eine Literatur, welche eine große geistige Entwickelung bekundete. Viele der noch heute gelesenen und geschätzten klassischen Schriftsteller, Dichter Je. waren zu jener Zeit wohlbekannt. Das goldene Zeitalter römischer Literatur war noch nicht zu Ende. Aber wir fragen: Hatten Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kunst irgendwie die Natur des Menschen zu ändern vermocht? Nein! Als die Zeit der Probe kam, fand sie den Menschen geradeso bereit, den bösen Eingebungen seiner gefallenen Natur gemäß zu handeln, wie je zuvor. Weder Zeit, noch Bildung, noch der Besitz einer göttlichen Offenbarung hielten Juden oder Heiden zurück, ihren Hass gegen das Gute und ihre Feindschaft gegen Gott in ihren Handlungen mit Seinem Sohne an den Tag zu legen. Von Judas verraten, verurteilten die Juden Ihn zum Tode und übergaben Ihn den Nationen; diese verhörten Ihn und, obwohl sie keine Schuld an Ihm fanden, schlugen sie Ihn ans Kreuz. Das ist die Geschichte des Menschen in Verbindung mit dem Kreuze Christi.
Wie erquickend ist es, uns für einen Augenblick von diesem traurigen Gegenstande, dem unveränderlichen Charakter unserer gefallenen Natur, zu der Unveränderlichkeit des Wortes Gottes hinwenden zu können! Der Herr Jesus schließt Seine Mitteilungen an die Jünger mit den Worten: „und am dritten Tage wird Er auferstehen''. Wenn auch der Mensch zeigte, was er war, so konnte er doch in keiner Weise Gottes Ratschluss ungültig machen. Durch den Tod des Herrn wurde der Beweis erbracht, wie schlecht und verbesserungsunfähig die Natur des Menschen ist. Die Auferweckung des Herrn erwies, dass die Ratschlüsse Gottes über Seinen Sohn unumstößlich und einer Änderung unfähig waren. Alles, was der Mensch, von Satan getrieben, auch unternehmen mochte, lenkte für keinen Augenblick Gott von Seinen Gnadenabsichten ab.
Doch wie ist es mit dem Charakter der gefallenen Natur des Menschen in solchen, welche durch Gottes Gnade errettet sind? Hat sie in ihnen keine Veränderung, keine Verbesserung erfahren? Unser Kapitel beantwortet auch diese Frage. Ach! wir bemerken das unveränderte Wirken jener Natur auch in denen, welche bekehrt waren und Jesum liebten. Diese Tatsache ist von großer Wichtigkeit, weil sie Ausschluss gibt über eine Frage, welche gottesfürchtige, aber unwissende Seelen oft in Verwirrung setzt. Diese haben zu ihrem tiefen Schmerz erfahren, was der Mensch in seinem unbekehrten Zustande ist, und indem sie erwarten, dass mit der Bekehrung ihre alte Natur sich ändere, werden sie unglücklich und beginnen an der Wirklichkeit ihrer neuen Geburt zu zweifeln, weil sie bemerken, dass der alte Mensch, sobald er in ihnen in Tätigkeit tritt, noch genau derselbe ist wie früher. Eine Natur kann sich, wie gesagt, eben niemals ändern. Dies beweist der weitere Verlauf unseres Kapitels.
Die Mutter der Söhne des Zebedäus tritt mit ihren beiden Söhnen zu dem Herrn, huldigt Ihm und bittet Ihn um eine besondere Gunst. „Sie sagt zu Ihm: Sprich, das; diese meine zwei Söhne einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen mögen in deinem Reiche''. Die beiden Jünger wünschten also einen Platz zu erhalten, der über den der Anderen hervorragte. Für Petrus oder Andreas oder irgend einen der anderen Jünger gab es keinen Raum in ihren Herzen. Sie waren für sich selbst besorgt, aber nicht für Andere; denn obwohl die Mutter hier die Sprecherin ist, geht doch klar aus dem weiteren Verlauf der Geschichte hervor, und Markus erzählt es auch, dass die Söhne mit dem Gesuch ihrer Mutter völlig einverstanden waren. Beide waren bekehrt, ja, sie waren sogar bei besonderen Gelegenheiten mit Petrus die einzigen Begleiter des Herrn gewesen (Vgl. Matthäus 17,1; Mark. 5, 37); aber die ihnen von Adam her anhaftende Natur war ihnen geblieben und gab auch, wenn sie ihr zu wirken erlaubten, keine Anzeichen irgendwelcher Veränderung. Der Mensch von Natur ist selbstsüchtig. Dies mag in tausend verschiedenen Formen an den Tag treten; aber wenn man die Sache bis zur Wurzel hin verfolgt, so bleiben schließlich nur Selbstgefälligkeit und Selbstsucht übrig.
So war und ist die Natur des Menschen. Aber wie hat sich demgegenüber der Sohn des Menschen geoffenbart? Wie das Licht zur Finsternis, so verhält sich Sein Tun zu dem des Menschen. Jakobus und Johannes sorgen für sich; Er denkt nur an Andere. Der Mensch offenbart den tiefsten Hass; Er zeigt die innigste Liebe. Seine Antwort auf das Gesuch der beiden Söhne des Zebedäus und den nachfolgenden Unwillen der übrigen Jünger lautet:
„Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen.“ Welch eine gänzliche Verleugnung des eigenen Ichs sehen wir hier! „Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden.'' Wer ist der Sohn des Menschen? Psalm 8 liefert uns die Antwort. Was ist Seine Stellung in dem Weltall? Daniel 7 möge darauf antworten. Der Sohn des Menschen ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Er ist „der Alte an Tagen“ selbst. (Dan. 7, 13. 22.) Die Großen der Erde üben Gewalt über ihre Untertanen, aber der Sohn des Menschen kam, um Seine Geschöpfe zu bedienen. Er konnte die Huldigung aller beanspruchen und den Dienst der himmlischen Heerscharen fordern. Aber Er erschien in niedrigster Gestalt, um die Menschenkinder zu bedienen. Die Blinden von Jericho, die Syro-Phönizierin, der Hauptmann von Kapernaum, der Kranke am Teiche Bethesda, der Blindgeborene, die Witwe von Rain, die Schwestern des Lazarus, sie alle berichten uns in ergreifender Sprache, wie wahrhaft Er von Seiner Höhe herabstieg, um zu dienen. Er trat in das Krankenzimmer der Schwiegermutter des Petrus und ging zu dem Hause des Synagogenvorstehers Jairus, allezeit bereit, zu helfen und zu dienen. Die Menge folgte Ihm und umlagerte Ihn, so dass Er nicht einmal Zeit zum Essen fand; aber niemals sandte Er einen Bittenden ungehört fort. Die Wüste und der mit Anbetern gefüllte Tempel bezeugen gleich sehr Seine Bereitwilligkeit, die Menge zu speisen und zu erquicken, wie der Brunnen zu Sichar und der Maulbeer-Feigenbaum zu Jericho Seine Bereitwilligkeit, den Einzelnen zu dienen.
Und das ist keineswegs alles. Nein, während Juden und Heiden nur ihre Feindschaft wider Ihn an den Tag legten, während Seine so hoch bevorzugten Jünger nur Selbstsucht und Eigennutz verrieten, offenbarte Er eine unergründliche, unbegreifliche Liebe zu ihnen: Er war gekommen, um „Sein Leben zu geben als Lösegeld für viele''. Dieses Lösegeld sollte Seinen eigenen schwachen Jüngern, den Juden, welche Ihn verurteilten, den Nationen, welche Ihn kreuzigten, zu gute kommen. Er „gab sich selbst zum Lösegeld für alle'', lesen wir in 1. Tim. 2, 6; „als Lösegeld für viele“, sagt Er hier. Warum dieser Unterschied? War Er, als Er sich aus Erden befand, weniger geneigt, Sünder zu erretten, als Er es jetzt ist? Wollte Er das Maß einschränken, in welchem der Wert Seines Todes Anwendung finden sollte? Keines von beiden. Die Wahrheit ist: Das Lösegeld ist da für alle; es ist da für jeden, der Gebrauch davon machen will. Gott will nicht, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen. (2. Petr. 3, 9.) Aber nicht alle machen Gebrauch von der ihnen angebotenen Gnade; sie verhärten ihre Herzen und wenden sich ab auf ihre Wege der Sünde. Wenn der Herr deshalb hier von „vielen“ spricht, so redet er nicht von der Ausdehnung Seiner Gnadenabsichten, sondern von der Einschränkung, welche der Mensch in seiner Torheit und Feindschaft diesen Absichten entgegenstellt. Nicht alle werden errettet, weil sie nicht errettet werden wollen.
Das also sind die Kennzeichen der göttlichen Natur, wie sie hienieden in dem Sohne des Menschen dargestellt waren. Sollen wir nun einfach über diese Dinge sinnen als schöne Gegenstände der Betrachtung, die uns jedoch weiter nichts angehen? O nein; sie sind zu unserer Belehrung und uns zum Vorbilde geschrieben. Die Worte: „Gleichwie der Sohn des Menschen'' (Vers 28) belehren uns, dass wir gerade so handeln sollten, wie Er gehandelt hat. Wenn es sich um das Versöhnungswerk handelt, so war das selbstverständlich Sein Werk, und nur Sein Werk; aber die Liebe, welche Ihn trieb, ein solches Opfer zu bringen, sollte sich auch in Seinen Jüngern offenbaren. „Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass Er für uns Sein Leben dargelegt hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben darzulegen.“ (1. Joh. 3, 16). Aber um so zu handeln, wie Er gehandelt hat, müssen wir der göttlichen Natur teilhastig sein. Solche Charakterzüge und Beweggründe, wie wir sie eben betrachtet haben, werden in den unbekehrten Kindern Adams nicht gefunden. So ist denn Matthäus 20, 17—28 eine ernste und schöne Illustration zu den Worten des Herrn in Joh. 3, 6: „Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch; und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist“, und lässt uns den Ernst des am Eingang unserer Betrachtung erwähnten Ausspruchs erkennen: „Ihr müsst von neuem geboren werden“.
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Eine Unmöglichkeit
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 23ff
„Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott wohlzugefallen“, schreibt der Apostel an die Hebräer. (Kap. 11, 6.) Ein ernstes Wort, nicht wahr, mein lieber Leser? EH steht nicht da: ohne Gefühle, ohne Erfahrungen oder ohne Werke; nein, ohne Glauben kann ein Mensch unmöglich Gott wohlgefallen.
Es gibt gar Viele, die sich bemühen, durch fromme Gefühle oder Erfahrungen ihr Gewissen zu beruhigen; aber auf Gefühlen und Erfahrungen ruhen, heißt, sich aus sich selbst verlassen und Christum und Gott beiseite stellen. Andere suchen Gott durch ihre Werke zu gefallen. Aber Gott hat gesagt: „Dem, der nicht wirkt, sondern an Den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet''. (Röm. 4, 5.) Der Glaube traut nicht dem eigenen Ich; er „vertraut nicht auf Fleisch“, sondern ruht in Gott, welcher den Glaubenden rechtfertigt. Wer irgend im Lichte des Wortes Gottes in sein Herz hineingeschaut hat, vertraut weder auf Gefühle, noch Erfahrungen, noch Werke; er hat die Schlechtigkeit seines eigenen Ichs erkannt und setzt sein Vertrauen nicht mehr aus Fleisch. Tausende haben versucht, das ewige Glück zu erringen, indem sie sich dem wurmstichigen, gebrechlichen Schiff, „Fleisch“ genannt, anvertrauten; aber noch keiner hat auf diesem Schiffe den Hafen des Friedens erreicht. Geliebter Leser! solltest du auch meinen, die Reise zur Ewigkeit im Vertrauen auf deine Gefühle oder deine Werke unternehmen zu können, so tust du es auf deine eigene Gefahr hin und angesichts des Wortes: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Ihm wohlzugefallen“. Und da es, wie wir an anderen Stellen lesen, unmöglich ist, dass Gott lügen sollte, „Er kann sich selbst nicht verleugnen“ so könntest du all deine Habe zur Speisung der Armen austeilen und selbst deinen Leib hingeben, auf dass er verbrannt werde, und doch wäre ohne Glauben all dein Tun wertlos, es könnte dir nichts nützen.
Kain war ein Mann der Werke, Abel ein Mann des Glaubens. Kain war religiös, gerade so gut wie sein Bruder. Er bearbeitete den Erdboden und wollte von dessen Früchten Gott ein Opfer darbringen. Er war kein Gottesverächter. Aber Abel brachte ein Lamm als Opfer dar. Das was Kain brachte, wurde durch Leben gekennzeichnet, Abels Opfer durch den Tod. Jehova hatte kein Wohlgefallen an Kains Opfergabe. Es war kein Glaube dabei, wohl aber viel eigenes Tun. Dagegen gefiel Ihm Abels Opfer wohl, denn in ihm war viel Glaube, aber kein eigenes Wirken zu erblicken. Abel glaubte, was Gott gesagt hatte bezüglich des Nahens eines Sünders zu Ihm; er erkannte demütig an, dass er den Tod verdient habe, und dass Gottes Gerechtigkeit nur durch den Tod eines reinen Opfers befriedigt werden könne; und Gott bekannte sich zu seinen Gaben. Er nahm nicht nur Adels Opfer, sondern auch den Opfernden selbst an.
Gerade so steht es jetzt mit dem Sünder, der sein Vertrauen auf das Lamm Gottes setzt. Er ist von Gott nicht weniger angenommen, wie das vor neunzehnhundert Jahren geopferte Lamm in der Herrlichkeit in der Höhe angenommen worden ist. Und zwar ist der Gläubige genau in demselben Maße angenommen, wie seiner Zeit Christus selbst. Denn „wir sind begnadigt in dem Geliebten''. (Eph. 1,6)
Christus nahm den Platz unserer Entfernung von Gott aus dem Kreuze ein, und jetzt haben wir einen Platz so nahe bei Gott, wie der Auferstandene und Verherrlichte ihn nicht näher hat auf dem Throne der Herrlichkeit zur Rechten Gottes. Gott hat das Opfer Seines eigenen Sohnes als die Befriedigung Seiner Gerechtigkeit gegenüber der Sünde und als die Ruhe für unsere Gewissen vor unsere Seele gestellt; und der einzige Weg, auf welchem der Sünder Ihm wohlzugefallen vermag, ist: dieses Opfer im Glauben anzunehmen.
Als jenes arme kranke Weib, das alle ihre Habe an die Ärzte verwandt, aber keinen Nutzen davon gehabt hatte, sondern vielmehr schlimmer geworden war, zu sich sagte: „Wenn ich nur Seine Kleider anrühre, so werden ich geheilt werden“, da gefiel. sie Gott wohl; denn das war Glaube an die Person des Herrn Jesu, Glaube an Seine Macht zu heilen. Von der Macht Seiner Liebe kannte sie noch gar wenig; aber es war Glaube an Ihn selbst bei ihr vorhanden, und kaum war ihr der Gedanke gekommen, so drängte sie sich durch die Volksmenge zu Jesu hin und berührte die Quaste Seines Kleides. Und siehe da, sie war geheilt! Mancher hat, gleich ihr, in geistlichem Sinne all sein Hab und Gut an die Ärzte verwandt, er ist, um seine Seele zu retten, von einem Mittel aufs andere verfallen, hat eine Menge verschiedener Wege eingeschlagen, hat zahllose Vorsätze und Entschlüsse gefasst, aber auch mit ihm ist es eher schlimmer als besser geworden. Endlich hat ein schwaches Licht zu dämmern begonnen. Die Finsternis des Selbstvertrauens ist langsam gewichen, wie das nächtliche Dunkel vor dem Morgenlicht, und er hat endlich zu dem einzigen, sicher wirkenden Mittel seine Zuflucht genommen: im Glauben Jesum anzurühren; und - er hat alsbald Heilung gefunden.
Wir lesen auch von zwei Blinden, welche Jesu nachfolgten, getrieben von dem Wunsche, ihr Augenlicht wieder e zu erhalten. Das Gerücht von Ihm hatte sich weithin verbreitet; es war überall bekannt geworden, dass der große Arzt und Helfer in der Nähe sei. Der Herr tritt in ein Haus. Doch die Blinden lassen sich dadurch nicht abschrecken, sie tasten sich bis zu Ihm hin. Sie hatten Christum nötig. Was machte es aus, ob sie strauchelnd und stolpernd ihren Weg in das Haus fanden, oder ob sie hinein geführt wurden? Wenn sie nur Ihn fanden! Ihr Glaube gefiel Gott wohl, und er erfreute das Herz des Herrn Jesu, der sie fragte: „Glaubet ihr, dass ich dieses tun kann?'' So spricht Er auch heute noch. Er fragt den zitternden, heilsverlangenden Sünder: Schenkst du meiner Macht das nötige Vertrauen? Glaubst du, dass ich fähig bin, dir das Gesicht zu geben, dich zu heilen und zu erretten? Die Antwort der Blinden bestand in zwei kurzen Worten; sie sagten: „Ja, Herr''.
Was ist deine Antwort, teurer Leser, aus Seine Frage: „Glaubst du, dass ich dieses tun kann?“? Auch der Gläubige kommt oft in Lagen, wo diese Frage an ihn herantritt. Antwortest du wie die Blinden: „Ja, Herr''? Ihre schlichte, aber deutliche Antwort war eine Erquickung für das Herz des Heilandes. Er sagte zu ihnen: „Euch geschehe nach eurem Glauben''; damit rührte Er ihre Augen an, und - „ihre Augen wurden aufgetan''.
Darum lass uns nicht vergessen: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass Er ist, und denen, die Ihn suchen, ein Belohner ist''.
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Wenn dein Bruder wider dich sündigt
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 27ff
„Wenn aber dein Bruder wider dich sündigt, so gehe hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen.'' (Matthäus 18, 15.)
Ein Grundsatz von der größten Wichtigkeit ist in diesen Worten unseres Herrn niedergelegt. Wenn er mehr Beachtung und Befolgung fände, so würde manche Schwierigkeit im Keime erstickt, manche Wurzel der Bitterkeit ausgerottet werden, ehe sie Zeit hätte, viele Herzen zu verunreinigen. „Wenn dein Bruder wider dich sündigt.'' Es handelt sich um ein persönliches Vergehen, um eine Beleidigung vielleicht, ein böses, scharfes Wort, ein Unrecht oder dergleichen. Es ist nicht eine Sache, die allgemein bekannt ist, oder die (wenigstens zunächst nicht) Schmach auf den Namen des Herrn bringt. ES ist eine Angelegenheit zwischen mir und meinem Bruder. Wie soll ich da handeln?
Was hat Gott getan, als wir, fern von Ihm, auf unseren Sündenwegen dahingingen? Hat Er gewartet, bis wir zu Ihm kamen und Ihm unsere Sünden bekannten? Nein, Er sandte Seinen eingeborenen Sohn, um uns, Seine Feinde, zu suchen und zu erretten. Nach demselben Grundsatz soll ich handeln. Ich soll nicht den Beleidigten spielen, auch nicht die Sünde auf meinem Bruder dulden und, wie einst Kain, sagen: „Bin ich meines Bruders Hüter?“; ich soll auch nicht zu Anderen hingehen und ihnen mitteilen, wie hässlich mein Bruder an mir gehandelt hat. Nichts von alledem! Ich soll —— so mächtig sich mein altes Ich auch dagegen sträuben mag —— zu ihm hingehen, d. h. den ersten Schritt tun. Ich soll in dem Geiste der Gnade, in der Gesinnung Jesu Christi, den niedrigsten Platz einnehmen und meinem Bruder die Füße zu waschen suchen.
„Überführe ihn zwischen dir und ihm allein.“ Und wenn er dir noch so sehr unrecht getan hat, rede zunächst mit ihm allein, und zwar in Demut und Liebe, nicht um deinetwillen, — wann dächte die Liebe je an sich? — sondern um den Bruders willen, dessen Herz unmöglich glücklich sein kann, so lange seine Sünde ungerichtet bleibt. Nicht der Beleidiger steht vor der Seele, sondern der Bruder, das geliebte Kind Gottes, der, für welchen Christus gestorben ist.
„Und wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen''. Welch ein kostbarer Preis! Die Sünde wird bekannt, vor Gottes Augen weggetan, und die irrende Seele wird wiederhergestellt; Kein Zweiter oder Dritter braucht von der Sache je zu hören. Sie ist in göttlicher Weise und im Segen geordnet.
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Ihr seid nicht im Fleische sondern im Geiste wenn anders Gottes Geist in euch wohnt
Bibelstelle: Römer 8,9
Botschafter des Heils 1904 S. 29ff
„Ihr seid nicht im Fleische, sondern im Geiste.'' Das Verständnis dieser Worte ist für den Gläubigen, der zur Ehre Gottes zu wandeln begehrt, von der größten Wichtigkeit, weil sie das eigentliche Wesen seiner Befreiung ausdrücken. Jede Wahrheit Gottes erfordert indes nicht nur ein geistliches Verständnis, sondern auch Glauben. Beide Dinge sind, so lange wir hienieden pilgern, nötig und können nicht ohne ernsten Schaden voneinander getrennt werden.
Der Glaube ruht aus dem Worte Gottes und aus dem vollbrachten Werke Christi. Er ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. (Hebr. 11, 1.) Er beurteilt alles nach den Gedanken Gottes, und nicht nach den Gedanken der Menschen oder nach dem Sichtbaren. Ist der Glaube nicht wirksam, so machen wir stets uns selbst oder die Dinge um uns her zum Gegenstand unserer Betrachtung, und urteilen und handeln danach, und dann ist es kein Wunder, wenn unsere Herzen mit Furcht und Unruhe erfüllt werden; denn da ist nichts, was uns befriedigen oder Ruhe geben könnte. Alles was uns umgibt, ist eitel und nichtig, und wenn wir uns selbst betrachten, so finden wir erst recht keine Ursache befriedigt zu sein. Das Fleisch ist auch nach unserer Belehrung unverändert geblieben, es wohnt nichts Gutes in ihm; und das Werk des Heiligen Geistes in uns schreitet notwendigerweise immer fort und kommt nie zu einer Vollendung. Deshalb können wir auch in diesem Werke vor Gott nicht ruhen; der einzige Ruhepunkt ist in einem Werke außer uns, in dem für uns vollbrachten und ewig vollkommenen Werke Christi. In diesem Werke ruht Gott im Blick auf unsere Sünden, und darum können auch wir da allein wahre Ruhe finden. Doch ehe wir weitergehen, wollen wir einen kurzen Blick auf den Zustand des Menschen von Natur werfen.
„Ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen“, sagt der Herr Jesus. Der Mensch ist ein Sünder und nichts anderes. Er ist durch und durch verderbt und zu allem Guten untüchtig. Sowohl seine Vergangenheit, als auch sein ganzes Wesen bezeugen, was er ist; nicht nur ist sein Tun verwerflich, sondern sein ganzes Sein, sein Denken und Sinnen ist böse. Sein Herz ist eine unreine Quelle, die fortwährend Böses aussprudelt. Das Gute mangelt ihm völlig. Er befindet sich in einem Zustande, von dem nichts zu hoffen, nichts zu erwarten ist; und es ist auch keine Kraft in ihm, um je aus demselben herauszukommen. Er ist verloren, für immer verloren; er ist tot in Sünden und Übertretungen, geistlich tot, tot für Gott.
Der Zustand des natürlichen Menschen ist also hoffnungslos. Doch Gott in Seiner großen Barmherzigkeit und Liebe hat für den Verlorenen und Verdammungswürdigen in der Hingabe Seines eingeborenen Sohnes einen Ausweg bereitet. Das Kreuz Christi offenbart uns eine vollkommene Errettung, eine Errettung, die den Sünder nach allen Seiten hin sicher zu stellen vermag, auch nach unserer Belehrung unverändert geblieben, es wohnt nichts Gutes in ihm; und das Werk des Heiligen Geistes in uns schreitet notwendigerweise immer fort und kommt nie zu einer Vollendung. Deshalb können wir auch in diesem Werke vor Gott nicht ruhen; der einzige Ruhepunkt ist in einem Werke außer uns, in dem für uns vollbrachten und ewig vollkommenen Werke Christi. In diesem Werke ruht Gott im Blick auf unsere Sünden, und darum können auch wir da allein wahre Ruhe finden. Doch ehe wir weitergehen, wollen wir einen kurzen Blick auf den Zustand des Menschen von Natur werfen. „Ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen“, sagt der Herr Jesus. Der Mensch ist ein Sünder und nichts anderes. Er ist durch und durch verderbt und zu allem Guten untüchtig. Sowohl seine Vergangenheit, als auch sein ganzes Wesen bezeugen, was er ist; nicht nur ist sein Tun verwerflich, sondern sein ganzes Sein, sein Denken und Sinnen ist böse. Sein Herz ist eine unreine Quelle, die fortwährend Böses aussprudelt. Das Gute mangelt ihm völlig. Er befindet sich in einem Zustande, von dem nichts zu hoffen, nichts zu erwarten ist; und es ist auch keine Kraft in ihm, um je aus demselben herauszukommen. Er ist verloren, für immer verloren; er ist tot in Sünden und Übertretungen, geistlich tot, tot für Gott. Der Zustand des natürlichen Menschen ist also hoffnungslos. Doch Gott in Seiner großen Barmherzigkeit und Liebe hat für den Verlorenen und Verdammungswürdigen in der Hingabe Seines eingeborenen Sohnes einen Ausweg bereitet. Das Kreuz Christi offenbart uns eine vollkommene Errettung, eine Errettung, die den Sünder nach allen Seiten hin sicher zu stellen vermag, die aber nur durch den Glauben erfasst werden kann. Mag es sich um unsere Rechtfertigung oder um unsere Befreiung handeln, beides finden wir in dem Werke Christi; darum kann auch nur dieses Werk den Gegenstand unserer Betrachtung bilden. Sobald wir in der einen oder anderen Sache aus uns selbst blicken, sobald wir unser Auge von dem Gegenstand des Glaubens - d. i. von dem Werke Christi, abwenden und es anderswohin richten, sangen wir an uns zu fürchten und zu seufzen. Es gibt dann keinen Ruhepunkt mehr für uns.
Wir haben bereits gesagt, dass wir durch das Werk Christi nicht nur gerechtfertigt, sondern auch befreit sind, und durch den Glauben verstehen wir, dass beides unser gesegnetes Teil ist. Viele Gläubige betrachten nur die eine Seite des Werkes Christi, unsere Rechtfertigung, und auch diese zuweilen nur höchst mangelhaft. Das Bewusstsein ihrer Schuld hat sie zu Jesu, dem Heilande der Sünder, geführt; aber es wird ihnen so schwer, das, was der Heiland für Sünder getan hat, als ein für sie vollbrachtes, ein für allemal geschehenes und ewig gültiges Werk zu betrachten. Sie finden nicht eine stete und völlige Beruhigung in demselben. Auch vertrauen sie bei ihrem Hinzunahen oft mehr aus ihr Bitten und Flehen, als aus das Blut Jesu; ja, viele ihrer Gebete bezeugen, dass ihnen das einfältige Vertrauen aus das untrügliche Wort Gottes und das vollendete Werk Christi fehlt. Sie sind bemüht, Gott durch ihr Flehen sich günstig zu stimmen, und vergessen ganz, dass Seine Liebe zu verlorenen Sündern und Seine Bereitwilligkeit, sie zu erretten, nicht auf ihre Gebete gewartet hat. Gott hat an den Sünder gedacht, lange bevor dieser Ihn bittet. „Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt und Seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden.“ (1. Joh. 4, 10.)
Das Erste, womit ein verlorener Sünder Gott verherrlichen kann, besteht darin, dass er seinen Zustand in Wahrheit anerkennt und an das glaubt, was Gott in Christo für verlorene Sünder getan hat. Jeder Glaubende hat teil, ja, völlig teil an der ganzen Fülle und Tragweite dieses Werkes. Es gefällt Gott nicht, wenn wir uns mit einer bedingten Gnade, mit einer unvollkommenen Errettung begnügen. Das tun wir aber, sobald wir aus Mangel an Verständnis oder Glauben nicht einzig und allein auf dem vollbrachten Werke Christi ruhen. Mancher, der seinen verlorenen Zustand erkannt hat, will nicht eher glauben, bis er seiner Errettung gewiss ist. Er will erst fühlen, dass er errettet ist, und dann glauben. Was man aber fühlt, braucht man nicht mehr zu glauben, und die durch Christum vollbrachte Errettung wird nur dem Glaub enden zu teil. Gott antwortet dem einfältigen Glauben, und Er antwortet ih1n sehr bereitwillig und schnell. Die große Sünderin, die im Hause des Pharisäers Simon zu Jesu Füßen lag und Seine Füße mit ihren Tränen benetzte, wurde, obwohl sie kein Wort sprach, von Jesu mit den Worten entlassen: „Deine Sünden sind vergeben. . . Dein Glaube hat dich errettet; gehe hin in Frieden.'' So auch der verlorene Sohn: „Als er aber noch ferne war, sah ihn sein Vater und ward innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn sehr“. Der Vater wartete nicht einmal, bis der Sohn sein Bekenntnis vollendet hatte. Und so bezeugen unzählige Beispiele der Vergangenheit und Gegenwart, dass Gott dem Glauben bereitwillig und schnell antwortet. Wer aber aus etwas anderes vertraut, seien es nun seine Bitten oder seine Tränen, seine reumütigen Gefühle und dergleichen; wer auf ein bestimmtes Zeichen oder aus ein freudiges Gefühl wartet, der muss oft lange hingehen, wenngleich das Erbarmen Gottes ihn nicht lassen kann. So war es z. B. bei Thomas. Der Herr konnte ihn erst acht Tage später, als die übrigen Jünger, von Seiner Auferstehung überzeugen, und er musste die (für uns allerdings so gesegneten) Worte vernehmen: „Glückselig, die nicht gesehen und geglaubt haben!''
In Röm. 5, 1 lesen wir: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum“; also nicht durch unsere Bitten, sondern durch unseren Herrn Jesum Christ um. Erkennt der verlorene Sünder in Wahrheit seinen Zustand, so gibt er alle Hoffnung aus Selbsthülse, aus eigenes Tun, auf und nimmt seine Zuflucht zu Gott. Er bekennt seine Schuld und ruft um Gnade; und was erfährt er? Dass Gott schon lange vorher an ihn, den feindseligen und gottlosen Sünder, gedacht und für ihn gesorgt hat, indem Er Seinen eingeborenen Sohn für ihn dahingab, alle seine Sünden auf Ihn legte und durch das Blut Jesu sie alle tilgte. Glaubt er nun an den Gott, der, seiner Rechtfertigung wegen, Jesum aus den Toten auferweckt hat, so ist er der Vergebung seiner Sünden völlig gewiss. Er ist gerechtfertigt und hat Frieden mit Gott. Alle seine Sünden sind für immer getilgt; Gott hat sie alle gekannt, die großen wie die kleinen, und hat sie alle aus Jesum gelegt, so dass keine mehr das Urteil des Todes über ihn bringen kann.
Welch ein Bewusstsein ist das! Wie könnte der glaubende Sünder andere-, als frohlocken und Gott preisen? Und doch, wie kurz währt oft diese Freude, dieses selige Glück! Schon nach wenigen Wochen oder gar nur Tagen kommen neue Seufzer und es entsteht neue Furcht. Die Sünde im Fleische, das Böse, das er täglich in sich wahrnimmt und das ihn so oft verleitet, beunruhigt den Neubekehrten; und es ist auch nicht anders möglich. Er hat einen Heiland für seine Sünden gefunden, aber noch nicht für seine Sünde. Das Werk Christi hat ihn betreffs dessen was er getan hat, völlig beruhigt, aber im Blick auf das was er ist, ist er noch nicht zur Ruhe gekommen. Woher kommt das? Reicht das Werk Christi wirklich nicht weiter? Ganz gewiss; aber es fehlt dem Glaubenden an Erkenntnis darüber. Er versteht noch nicht die reiche Fülle dieses Werkes. Sein Glaube ruht wohl auf demselben hinsichtlich seiner Sünden, nicht aber betreffs der Sünde. Er sieht, dass das Fleisch seine Natur nicht verändert hat, und dass das Wort des Apostels „Ich weiß, dass in mir, d. i. in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt'', stetö seine Anwendung findet. Was ist die Folge dieser schmerzlichen Entdeckung? Gewöhnlich wendet sich der Neubekehrte mit Bitten und Flehen zu Gott. Die Sünde im Fleische macht ihn elend und unglücklich. Er möchte ihrer Wirksamkeit ein für allemal ein Ende bereiten und bittet Gott, dass Er ihn von ihr befreien möge. Mag er aber auch täglich darum bitten und immer wieder dasselbe mit heißem Flehen vor Gott bringen, findet doch eine Befreiung, wie er sie wünscht, nicht statt. Er will eine Befreiung für das Auge und nicht für den Glauben. In diesem Zustande geht mancher jahrelang dahin und ist unglücklich und friedlos. Er muss immer wieder erfahren, dass nichts Gutes in ihm, d. i. in seinem Fleische, wohnt, und dass er keine Kraft hat, das Gute, das er liebt, zu tun, und das Böse, das er hasst, zu lassen. Eine solche Erfahrung ist aber sehr geeignet, das Herz mit Misstrauen gegen die Liebe, Gnade und Macht Gottes zu erfüllen; denn alle Gebete des Gläubigen in dieser Beziehung bleiben ohne Erhörung. Ist aber das Vertrauen zu Gott in ein er Sache geschwächt, so ist es auch gewöhnlich in einer anderen der Fall, und so kommt es, dass das Verhältnis zu Gott in den Herzen vieler Gläubigen geschwächt und locker ist.
Doch warum erhört Gott jene Bitten um Befreiung von der Sünde nicht? Weil Er in dem Werke Christi schon eine Befreiung von derselben bewirkt hat, eine Befreiung aber, die wir nur durch den Glauben besitzen und verstehen können.
Viele aufrichtige Seelen machen verzweifelte Anstrengungen, um über das Böse, das in ihnen wohnt, Herr zu werden. Sie schlagen allerlei Wege ein, um dieses Ziel zu erreichen; aber ach! alles ist vergeblich. Sie machen bittere Erfahrungen von der Herrschaft und Kraft der Sünde und von ihrer eigenen Ohnmacht. Sie erkennen an, dass es gut ist, die Sünde zu beherrschen, und dass Gott dies auch billigerweise fordern könne; aber statt Beherrscher sind sie Sklaven der Sünde. Sie befinden sich in einer elenden und schrecklichen Gefangenschaft, in welcher ihnen schließlich nichts weiter übrig bleibt als der traurige Ausruf: „Ich elender Mensch! wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“
Die letzte Hälfte von Röm. 7 gibt uns eine ernste Beschreibung von diesem Zustande, der sich leider bei vielen Gläubigen findet. In ihren Herzen ist, wie bereits gesagt, wenig Friede und Freude, aber desto mehr Unruhe und Niedergeschlagenheit, wenig Loben und Danken, aber viel Klagen und Seufzen. Manche ernste Seele fragt in solchem Zustande wohl: „Bin ich auch wirklich bekehrt? Habe ich mich nicht selbst getäuscht?'' Andere werden mutlos sie sehen ein, wie vergeblich alle ihre Anstrengungen sind, und lassen matt die Hände in den Schoß sinken. Ihr Leben fließt trost- und fruchtlos dahin. Und warum? Weil sie sichtbarlich suchen, was sie nur durch den Glauben finden und im Glauben besitzen können. Der Glaube sucht aber nichts in uns -, sondern alles außer uns, in Christo und Seinem Werke. In diesem Werke aber findet ei allee-, um nicht nur als ein Gerechtfertigter, sondern auch als ein von der Herrschaft der Sünde Befreiter hienieden zu wandeln. Er antwortet auf jene Frage der Mutlosigkeit und Verzweiflung: „Ich danke Gott durch Jesum Christum, unseren Herrn''.
Es gibt indes auch Seelen, denen es an Einsicht über den verderbten Zustand des Fleisches, der alten Natur, mangelt. Sie sind nicht geistlich genug, um Fleisch und Geist zu unterscheiden; und wenn eine solch mangelhafte Einsicht mit Leichtfertigkeit oder einer reichen äußeren Erkenntnis gepaart geht, so sind Hochmut und Verblendung die Folge. Solche Seelen gebrauchen die Wahrheit zu ihrer eigenen und nicht zu Gottes Verherrlichung. Ost verwechselt man auch die Sünde mit den Sünden, die Quelle mit dem Ausfluss derselben. Mancher wird z. B. leicht erregt und zornig. Er bekennt und richtet dies vor Gott; aber er erkennt nicht, dass sein Zorn nur der Ausbruch oder die Folge seiner Eigenliebe, seiner Habsucht oder anderer fleischlicher Dinge ist, unter denen er gefangen liegt. Wenn wir aber wirklich die Sünde als Sünde erkennen, und doch als Gefangene derselben seufzen, so liegt es daran, dass wir die Befreiung, die in Christo ist, nicht verstehen, bzw. nicht im Glauben aus uns anwenden. Er hat uns durch die Ausopferung Seiner selbst nicht nur von unseren Sünden, sondern auch von der Macht und Herrschaft der in uns wohnenden Sünde erlöst. Wir sind mit Christo gestorben, und wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde. Der Glaube sagt stets: „Ich danke Gott durch Jesum Christum“. Ruht unser Glaubensauge auf Ihm, so ist jede Furcht und Unruhe, sowohl betreffs unserer Sünden, als auch betreffs der im Fleische wohnenden Sünde beseitigt.
„Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind'', lautet der herrliche Schluss der Beweisführung des Apostels. (Röm. 8, 1.) Das Werk Christi hat jede Verdammnis für uns aufgehoben. Es ist sicher, dass nicht nur unsere Sünden, sondern auch die in uns wohnende Sünde uns zur Verdammnis gereichen würden, wenn wir nicht für beides im Tode Christi eine Vollgültige Antwort fänden. Doch Gott sei Dank, dass wir sie haben! Er ist um unserer Übertretungen willen dahingegeben worden (Röm. 4, 25), und zugleich hat Gott in dem Opfer Christi die Sünde im Fleische gerichtet. Dies bezeugt das Wort Gottes ganz bestimmt: „Das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem Er, Seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und (als Opfer) für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte“. (Röm. 8, 3.) Für die, welche in Christo sind, ist also die Sünde im Fleische eine gerichtete Sache. Das Dasein der Sünde in uns kann uns daher nicht mehr beunruhigen; denn wenn sie schon gerichtet ist, so haben wir kein Gericht mehr dafür zu erwarten. Was aber tun wir? Sind wir gleichgültig im Blick auf die Sünde? Das sei ferne! Nein, wir richten sie, weil Gott sie in Christo gerichtet hat; wir bestätigen das Urteil Gottes und bezeugen dadurch, dass wir mit Ihm und nicht mehr mit der Sünde eins sind. Die Tatsache ihres Vorhandenseins kann uns also nicht nur nicht beunruhigen, sondern verhindert uns auch nicht, mit Gott zu verkehren und in Seiner Gegenwart zu wandeln. Und wenn wir das tun, so sind wir glücklich und in Frieden; wir genießen als geliebte Kinder die Gemeinschaft des Vaters, ja, wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne. Wenn wir aber nach dem Fleische wandeln, wenn wir ihm zu wirken erlauben, und vergessen, dass wir der Sünde gestorben sind, so verunreinigen wir uns, und die praktische Gemeinschaft mit Gott wird unterbrochen. Diese Unterbrechung dauert so lange, bis wir aufrichtig unsere Sünden bekennen, und der treue und gerechte Gott uns wieder vergibt und uns reinigt. (1. Joh. 1, 9.) Vernachlässigen wir dieses Bekenntnis und Selbstgericht und gehen mit verunreinigtem Herzen voran, so verlieren wir nicht nur die praktische Gemeinschaft mit Gott, sondern bringen auch Seine ernste Zucht über uns, und Unehre und Schwach aus den Namen Christi. Noch einmal denn: Nicht das Vorhandensein des Fleisches oder der Sünde in uns verunreinigt uns, oder verhindert unsere Gemeinschaft mit Gott, sondern das Wandeln nach dem Fleische, der Mangel an Wachsamkeit im Blick auf die Sünde.
Unsere Stellung vor Gott wird hierdurch nicht berührt oder verändert. Wir sind in Christo, dem Auferstandenen, und darum kann uns keine Verdammnis mehr treffen. Für Ihn ist kein Gericht mehr, und darum auch nicht für alle, die in Ihm sind. „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ (Röm. 8,2.) Wir haben eine ganz neue Stellung vor Gott. Früher waren wir im Fleische, und die Sünde kennzeichnete unsere Stellung vor Gott. Wir waren also ganz und gar verwerflich und verdammlich. Jetzt aber ist unsere Stellung vor Gott völlig verändert; die Sünde im Fleische ist gerichtet, und wir sind nicht mehr „im Fleische, sondern im Geiste“, weil Gottes Geist in uns wohnt. Der Geist und nicht mehr das Fleisch ist es also, wodurch unsere Stellung vor Gott gekennzeichnet wird; wenn aber unsere Stellung vor Gott im Geiste ist, so muss sie untadelig und vollkommen sein.
Dennoch bleibt es immer wahr, dass das Fleisch in uns ist, und dass nichts Gutes in ihm wohnt; wir sehen und erfahren das täglich. Aber wir sind nicht mehr im Fleische, sondern im Geiste; wir sind in dem auferstandenen Christus und daher völlig von der Sünde geschieden. Das Kreuz Christi trennt den Glaubenden nicht nur von den Sünden, sondern auch von der Sünde. „Die aber des Christus sind, haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Lüsten.“ (Gal. 5, 24.) Nach dem alten Adam, nach dem Menschen, der unter die Sünde verkauft war, haben wir vor Gott kein Dasein mehr; „indem wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, aus dass der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“. (Röm. 6, 6.) Wir sind aber nicht nur mit Christo gekreuzigt, sondern auch mit Ihm auferstanden, und als solche sind wir von der Sünde getrennt und stehen nicht mehr unter ihrer Herrschaft.
Obgleich also das Fleisch noch in uns ist, sind wir doch, weil wir in Christo sind, so weit davon getrennt wie Christus selbst, der zur Rechten Gottes sitzt — ja, so weit, wie der Himmel von der Erde entfernt ist. Dies bezeugt das Wort Gottes wieder und wieder in bestimmtester Weise. Indes dürfen wir nicht vergessen, dass diese gesegnete Wahrheit unserer Befreiung nicht durch eine bloße, wenn auch noch so richtige, Erkenntnis bei uns verwirklicht wird, sondern durch den Glauben. Der Glaube, der ganz von dem eigenen Ich absieht und auf Christum blickt, der Glaube, der sich allein durch Gottes Wort leiten lässt, erkennt, ergreift und verwirklicht diese Wahrheit. Mancher Gläubige besitzt sie als Lehre, aber nicht als Gegenstand des Glaubens. Er redet vielleicht viel davon, aber seine geheimen Seufzer und Klagen beweisen, dass er selbst nicht glaubt und deshalb auch nicht verwirklicht, was er sagt. Und wenn auch das äußere Erkennen dieser Wahrheit eine oberflächliche Beruhigung vor Gott geben mag, so verleiht es doch keine Kraft, um als ein von der Sünde Befreiter zu wandeln. Wir sind aber nicht nur befreit, um vor Gott in Ruhe zu sein, sondern auch um wohlgefällig vor Ihm zu wandeln und Ihn durch unseren Wandel zu verherrlichen. Das bloße Wissen führt immer zur Erhebung unser selbst. „Die Erkenntnis bläht aus.“ (1.Kor. 8, 1.)
In dem Werke Christi finden wir also alles, was zu unserer Rechtfertigung und zu unserer Befreiung nötig ist. Wir sind in völliger Ruhe und Sicherheit vor Gott, weil wir in dem auferstandenen Christus sind, und sind auch fähig, in der Kraft des in uns wohnenden Geistes wohlgefällig vor Gott zu wandeln. Was könnte uns in dieser gesegneten Stellung nun noch schaden, was uns beunruhigen? Was mangelt uns vor Gott, wenn Christus selbst der wahre Ausdruck unserer Stellung ist? Die Sünde im Fleische ist gerichtet, und das Kreuz hat uns völlig von ihr geschieden. So urteilt der Glaube, und er urteilt richtig, weil er sich auf das untrügliche Wort Gottes und auf das vollendete Werk Christi stützt. Kann es also richtig sein, wenn wir Gott bitten, dass Er uns von der Sünde im Fleische befreien möge? Beweisen wir dadurch nicht, dass wir die Tragweite des Opfers Christi nicht verstehen, und dass wir im Glauben nicht darin ruhen? Und ach! wie viele Bitten dieser Art werden täglich seitens der Gläubigen vor Gott gebracht!
Schließlich möchte ich noch an die ernste und gesegnete Ermahnung des Apostels erinnern, die wir in Kol. 3 finden: „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so suchet was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnet auf das was droben ist, nicht auf das was aus der Erde ist.“ O lasst uns als Befreite durch Glauben in den Dingen wandeln, die nicht gesehen werden! Wir haben unser Teil droben, wo Christus ist, und durch den Glauben verwirklichen wir unsere Gemeinschaft mit Ihm und den himmlischen Dingen.
Das ist unser Vorrecht und unsere Berufung, so lange wir hienieden pilgern. Und nur in dem Maße, wie wir dieser Berufung treu sind, werden Friede und Freude unsere Herzen erfüllen, und werden unsere Wege Gott wohlgefallen. Sobald wir uns durch die sichtbaren Dinge, durch die Umstände um uns her, leiten lassen, wandeln wir nicht mehr im Glauben, sind beunruhigt, unsicher, und hören aus, ein Zeugnis für unseren abwesenden Herrn zu sein.
Unser Leben ist droben, Christus selbst ist unser Leben; darum können auch nur die himmlischen Dinge uns befriedigen und erfreuen, und weil wir uns dem Leibe nach noch in der Wüste befinden, wo es Versuchungen aller Art gibt, können wir nur durch Glauben die himmlischen Dinge verwirklichen und genießen. Es geht durch Kampf, aber in diesem Kampf sind wir durch den Glauben mehr als Überwinder. O möchte die Welt um uns her allezeit in uns Befreite des Herrn sehen, die sich selbst Gott darstellen als Lebende aus den Toten! (Röm. 6, 12 - 14)
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Seid heilig
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 54ff
„Seid heilig, denn ich bin heilig.'' So steht geschrieben, und es ist ein ernstes Wort. (1. Petr. 1, 16: Vgl. 3. Mose 11, 45.) Es heißt nicht: Werdet heilig, wie mancher erwarten möchte, sondern: Seid heilig, seid es in diesem Augenblick und in dem nächsten und immerdar. Seid es voll und ganz. Und was ist der Maßstab für dieses Heiligsein? Die Heiligkeit Gottes selbst, wie Gott sagt: „denn ich bin heilig“.
Wir sind in Gemeinschaft gebracht mit dem Vater und dem Sohne, und diese Gemeinschaft kann nur im Lichte genossen werden. Nun mag es sein, dass das Licht im Anfang meines Glaubenspfades mir nicht so hell scheint wie später — die Erkenntnis eines Kindes ist naturgemäß geringer als die eines jungen Mannes oder gar eines Vaters in Christo — aber der Grundsatz bleibt immer derselbe. So weit meine Erkenntnis reicht, soll ich mich fernhalten von allem Bösen. In der Morgendämmerung erkennt man noch nicht alles klar; aber je höher die Sonne steigt, desto genauer und schärfer treten die Gegenstände hervor, zeigt sich alles so wie es wirklich ist. Ähnlich ist es im geistlichen Leben: je näher ich dem Lichte komme, je heller es um mich her wird, desto mehr erkenne ich jeden, auch den geringsten, Flecken. Manches, was ich vorher nicht als unrein erkannte, erscheint mir jetzt so, und ich verurteile es und tue es hinweg. Aus diese Weise gibt es (und muss es geben) ein Wachstum in der praktischen Heiligkeit des Christen.
„Jaget dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit, ohne welche niemand den Herrn schauen wird“, schreibt der Apostel an die gläubigen Hebräer. (Kap. 12, 14.) Gott ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm; und wer Ihn schauen will, bedarf der Heiligkeit, und zwar nicht nur in abstraktem Sinne, seiner Stellung nach, sondern auch in seinem Wandel. Der Apostel bezweckt indes nicht, mit diesen Worten eine furchtsame, ängstliche Seele noch mehr einzuschüchtern, denn er fügt sofort hinzu: „darauf achtend, dass nicht jemand an der Gnade Gottes Mangel leide''. Wir stehen auf dem Boden der Gnade, und einem jeden wird, je nach Bedürfnis, die nötige Gnade dargereicht. Wohl aber will er uns daran erinnern, dass es unbedingt notwendig ist, in Heiligkeit zu wandeln, um jene beseligende Gemeinschaft mit Gott genießen zu können. Nicht Anstrengungen in eigener Kraft, um das Böse aus uns wegzuschaffen, leiten zum Ziel; sie führen im Gegenteil nur zu dem verzweifelten Ruf: „Ich elender Mensch!'' (Röm. 7.) Nein, dann wenn das Herz in Christo vollkommen zur Ruhe gebracht ist und sich aus die in Ihm und Seinem Werke geoffenbarte Gnade stützt, kann der Gläubige der Ermahnung des Apostels nachkommen. Nur die Gnade Gottes befähigt die Seele, sich selbst schonungslos zu richten und sich der heiligen Natur Gottes zu erfreuen.
Indes ist der Ausdruck „Jaget nach'' wohl zu beachten. Es ist ein ungewöhnlich starkes Wort. Es weist uns einerseits aus die Kostbarkeit des zu erjagenden Zieles hin und erinnert uns andererseits an die vielen hindernden Einflüsse, an die mannigfaltigen Hemmnisse, die es in uns und um uns hergibt. Hast du acht, geliebter Leser, aus die Gedanken, welche im Laufe des Tages in bunter Folge kommen und gehen? Wachst du über die Regungen deines Herzens, über die Worte deiner Lippen? Kommst du mit den kleinen täglichen Vorkommnissen in das untrügliche Licht der Gegenwart Gottes? Denkst du viel an das Wort unseres teuren Herrn: „Glückselig die Reinen im Herzen!''? Ach! steht es nicht zuweilen so, dass es dir unbequem wäre, wenn irgendein treuer, gottesfürchtiger Christ dich bei deiner Beschäftigung beobachten könnte, deine Worte hörte, deine Gedanken und Beweggründe kennen würde? Nicht wahr? du würdest dich unbehaglich fühlen in seiner Nähe. Du könntest ihm nicht so ganz offen und gerade ins Antlitz schauen, du müsstest deinen Blick vor seinem klaren Auge niederschlagen.
Ist das aber einem schwachen Menschen gegenüber schon so, wie viel weniger ist es dir dann möglich, Gott zu schauen! Ach, wie arm und traurig ist das Leben eines Gläubigen, wenn das Herz nicht rein und wahr ist, wenn die Lippen leichtfertig oder trüglich reden und das Tun von dem eigenen Gewissen verurteilt wird! Da ist kein Friede, keine Freude, kein vertraulicher Verkehr mit Gott, keine wahre Gemeinschaft mit anderen Gläubigen. Statt ein gesegneter Zeuge der Welt gegenüber zu sein, ist ein solcher Christ ein Anstoß und Hindernis für Andere, eine Unehre für Gott, und er wird fortwährend von seinem eigenen Gewissen verurteilt. Unglücklicher Zustand! Wie wenig gleicht der Pfad eines solchen Gläubigen dem Pfade des Gerechten, wie er in Sprüche 4, 18 beschrieben wird! Anstatt immer heller und lichter zu werden, wird er stets dunkler, und schließlich kann es dahin kommen, dass auch der Gläubige, gleich dem Gesetzlosen, nicht mehr erkennt, worüber er strauchelt. (V. 19.)
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Eines weiß ich dass ich blind war und jetzt sehe
Bibelstelle: Johannes 9
Botschafter des Heils 1904 S. 57ff
In dem 9. Kapitel des Evangeliums Johannes wird uns die bekannte Geschichte der Heilung eines Blindgeborenen mitgeteilt. Durch den Hass und die Feindschaft der Ungläubigen Juden vertrieben, verließ Jesus den Tempel und sah vorübergehend einen Menschen, der blind von Geburt war. Wie traurig war der Zustand dieses Mannes! Nie hatte er einen Strahl des von Gott gegebenen Lichtes, nie etwas von den Werken Gottes —gesehen. Alles war dunkel vor seinen Augen. Zudem hatte er keine Hoffnung, jemals aus diesem elenden Zustande befreit zu werden, und war noch obendrein ein Bettler.
Armer Mann! höre ich den einen oder anderen Leser dieser Zeilen ausrufen. Aber, mein Freund, erlaube mir die Frage: Bist du nicht vielleicht gerade so arm? Befindest du dich nicht in demselben traurigen Zustande? Gott sei Dank, nein! antwortest du; wie könnte ich sonst diese Zeilen lesen? — Ganz recht; du erfreust dich durch Gottes Gnade deines natürlichen Augenlichtes, aber das meine ich nicht. Ich möchte wissen, ob deine inneren Augen, oder, wie das Wort Gottes es ausdrückt, die Augen deines Herzens (Eph. 1, 18) geöffnet sind. Wenn das nicht der Fall ist, so mag dein Zustand schlimmer sein als derjenige des Mannes, dessen Geschichte wir zu betrachten gedenken. Höre einmal aufmerksam zu. In Offbg. 3, in dem Sendschreiben an die Gemeinde in Laodizäa, wird gesagt: „Weil du sagst: Ich bin reich . . . und bedarf nichts, und weißt nicht, dass du der Elende und der Jämmerliche und arm und blind und bloß bist. Ich rate dir, Gold von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, auf dass du reich werdest; und weiße Kleider, aus dass du bekleidet werdest, und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde; und Augensalbe, deine Augen zu salben, aus dass du sehen mögest.'' (V. 17. 18.) Es ist klar, dass hier nicht der äußere, sondern der innere Zustand jener Gemeinde oder auch eines einzelnen Menschen gemeint ist, und dass das Blindsein, wovon gesprochen wird, sich aus den Zustand der Seele bezieht. Ja, obige Worte beschreiben sehr deutlich den Zustand vieler Tausender von Menschen, und zwar nicht den Zustand unwissender Heiden, die Gottes Wort nicht kennen, sondern solcher, die in der christlichen Religion unterrichtet sind, sich nach dem Namen Christi nennen und das Wort Gottes in Händen haben. Man besucht die Kirche, nimmt teil an christlichen Versammlungen, Missionsfesten und dergleichen, bemüht sich auch das Gute zu tun und das Böse zu lassen, und hofft so das Ziel sicher zu erreichen. Man hat ja nichts besonders Böses getan, man meint es doch aufrichtig, und so wird Gott gewiss gnädig sein und, wenn einmal der Tod kommt, die Tür zum Himmel nicht verschließen.
So überlegt man; aber Gottes Wort, welches allein maßgebend ist, und dem gegenüber die Meinungen der Menschen keinen Wert haben, redet anders. Hören wir „ nur einige Aussprüche, wie z. B.: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh. 3, 3). Der Mensch ist in seinem natürlichen Zustande blind; so lange er nicht von neuem geboren ist, kann er das Reich Gottes nicht einmal sehen. Und das sagte der Herr einem Nikodemus, dem frommen und gesetzeskundigen Lehrer in Israel! In dem Briefe an die Römer finden wir die bekannten Worte: „Da ist nicht ein Gerechter, auch nicht einer; da ist nicht der verständig sei; da ist nicht der Gott suche . . . Da ist nicht der Gutes tue, da ist auch nicht einer .... Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht (d. i. reichen nicht hinan an) die Herrlichkeit Gottes“ (Röm. 3, 10 — 12. 22. 23).
So lautet das Urteil Gottes über den Zustand des Menschen, und was er zu erwarten hat ist die ewige Verdammnis. Nun mag der Mensch die Aussprüche Gottes nicht anerkennen und seiner eigenen Meinung oder der Meinung Anderer mehr Wert beilegen; aber das ist völlig wertlos, es ist nur der Beweis, dass er ganz blind ist, dass er weder sich selbst noch Gott kennt. Und beachten wir es wohl: so wie der Blindgeborene sich selbst das Augenlicht nicht zu geben vermochte, ebenso wenig vermag der Mensch sich selbst aus seinem traurigen Zustande zu befreien; er ist ohne Hoffnung. Auch Andere, Menschen seinesgleichen, können ihm nicht helfen. Sie sind ebenso arm und kraftlos wie er.
Der Blindgeborene in unserem Kapitel war völlig klar über seinen Zustand. Da war nur Einer, der ihn heilen konnte, der Macht und Liebe genug besaß, um seine blinden Augen aufzutun. Und dieser Eine kam in Gnade zu ihm, wie einst Jehova zu dem Menschen ins Paradies kam, nachdem dieser gesündigt hatte. Und siehe da, der Blinde floh nicht, wie einst Adam; er wandte sich nicht von Jesu ab, sondern vertraute sich ihm völlig an. Er bewies sein Vertrauen dadurch, dass er dem Worte Jesu glaubte und tat, was Er ihn tun hieß. Er ging und wusch sich, und - er wurde sehend.
Gerade so ist es heute noch. Jesus sieht den Sünder in seinem traurigen Zustande, und in Seiner Liebe und Macht ist Er völlig bereit, ihn aus demselben zu befreien. Erkennt der Mensch nun seinen Zustand an, vertraut dem Herrn und glaubt Seinem Worte, so wird auch er sehend; wie geschrieben steht: „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen'', —— er bleibt in seinem blinden Zustande, — „sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm'' (Joh. 3, 36).
Bemerkenswert ist das Tun des Herrn in diesem Falle. Er hätte ganz gewiss dem Blinden das Gesicht geben können, ohne besondere Mittel anzuwenden. Sein Wort hätte völlig genügt, wie wir dies bei vielen anderen Gelegenheiten sehen. (Vgl. Matthäus 9, 27 — 30; 20, 29 — 34; Mark. 10, 46 — 52.) Wenn Er deshalb hier Mittel anwendet, so tut Er das nicht ohne Zweck; es soll zu unserer Belehrung dienen. Wenn Jesus auf die Erde spützte und einen Kot aus dem Speichel machte, so dürfen wir wohl darin (wie es Andere schon erklärt haben) ein Bild von Seiner Menschwerdung erblicken. Der Sohn Gottes ist in dieser Welt geoffenbart worden. Er wurde Mensch und nahm den Leib an, welcher Ihm von Gott bereitet war, so wie der erste Adam einst aus dem Staube der Erde gebildet wurde (Siehe 1. Mose 2, 7). Er wurde geboren von einem Weibe und nahm teil an Blut und Fleisch, wie die Kinder derselben teilhaftig waren. Aber obwohl Er sich so tief erniedrigte, blieb Er in Seinem Wesen doch unveränderlich derselbe, heilig und rein, ohne Sünde und Makel, bereit, unsere Schuld zu tragen und für uns zur Sünde gemacht zu werden. Er blieb derselbe in der Macht des ewigen Lebens, wie Er von Ewigkeit her war. „In Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen'' (Joh. 1, 4).
Der Herr streicht dann den Kot wie Salbe auf die Augen des Blinden. Doch dadurch werden seine Augen nicht geöffnet. So hat auch die Offenbarung des Sohnes Gottes in Knechtsgestalt auf dieser Erde, wiewohl Er so viele Beweise von der Herrlichkeit Seiner Person gegeben hat, nicht das bewirkt, dass die Augen der Menschen geöffnet wurden; sie wurden wenn möglich noch blinder. Die Menschwerdung, so groß und herrlich die Gnade Gottes sich in ihr kundgibt, genügt an und für sich nicht für die Bedürfnisse des Menschen. „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ersaßt.'' Es musste mehr als das geschehen. Das Werk des Heiligen Geistes war nötig, wenn anders der Mensch Gott gemäß sehend werden sollte. Der Herr spricht deshalb zu dem Blinden: “Gehe hin, wasche dich in dem Teiche Siloam, (was verdolmetscht wird: Gesandt)“. Und der Mensch glaubte Seinem Worte, ging hin, wusch sich und kam sehend. (Vers 7.) Durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in der heilsverlangenden Seele erkennt diese, indem sie dem Worte Gottes glaubt, den Herrn Jesum als den vom Vater Gesandten, der das glorreiche Werk der Errettung auf Golgatha vollbracht hat, und empfängt so Vergebung aller ihrer Sünden und Befreiung aus ihrem ganzen traurigen Zustande. Das Licht des Lebens geht in ihrem Innern auf: „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen“.
Und nun, lieber Leser, lass mich nochmals fragen: Sind deine Augen geöffnet? Hast du Jesum, den vom Vater Gesandten, als deinen Heiland erkannt, der für dich am Kreuze starb? Dann kannst du jubeln und frohlocken, wie es auch der Blindgeborene getan haben wird, nachdem seine Augen geöffnet waren. Aber ich bitte dich: sei aufrichtig! Es handelt sich um das Heil deiner unsterblichen Seele, um dein Wohl und Wehe für. die Ewigkeit.
Nachdem die Augen des armen Blinden geöffnet waren, und er nun ohne Anstoß zu wandeln vermochte, richteten sich sofort die Blicke der Menschen aus ihn. Zunächst waren es die Nachbarn und die, welche ihn früher gekannt hatten. Sie nahmen mit Staunen die stattgefundene Veränderung wahr. Früher mochten sie sich wenig um ihn bekümmert haben, jetzt wurde es anders. Das was der Herr an ihm getan hatte, trat zu deutlich hervor, als dass es hätte verborgen bleiben können. Er wurde fortan ein Gegenstand eingehender Beobachtung. Gerade so ist es auch heute bei denen, an welchen der Herr Sein großes Rettungswerk getan hat, nur mit dem Unterschiede, dass die Veränderung sich manchmal nicht so deutlich vor aller Augen kundgibt wie bei dem Blindgeborenen; selbst die, mit denen wir täglich verkehren, nehmen zuweilen wenig wahr von der großen Veränderung, die bei uns stattgefunden hat. Leider, leider ist es so. Dennoch bleibt es wahr: sobald die Menschen inne werden, dass wir errettet zu sein bekennen, werden wir ein Gegenstand ihrer Beobachtung. Mögen sie sich früher auch wenig um uns bekümmert haben, jetzt beobachten sie uns scharf. Wie sollte uns dieses Bewusstsein vorsichtig machen in all unserem Wandel und Betragen den Menschen gegenüber, damit der Name unseres teuren Herrn nicht durch uns verunehrt und das Zeugnis geschwächt werde!
Der Mensch, dem der Herr die Augen geöffnet hatte, besaß zwar noch wenig Verständnis; er konnte wohl Zeugnis von dem Werke ablegen, welches Jesus getan hatte, um ihm die Augen zu öffnen, aber die Herrlichkeit der Person Dessen, der so Wunderbares an ihm getan, kannte er noch nicht. Wie viele gläubige Seelen befinden sich in einem ähnlichen Zustande: sie haben Frieden durch die Erkenntnis des Werkes Christi, aber die Erkenntnis Seiner Person ist äußerst gering. Doch wie belehrend für solche und für uns alle ist die Gesinnung, welche der Geheilte offenbarte! Er schämte sich nicht, soweit sein Verständnis reichte, in Treue und aufrichtiger Einfalt Zeugnis von dem abzulegen, was Jesus an ihm getan hatte. Auf diese Weise wuchs das Licht in seiner Seele; er wurde immer weiter geführt. Die Nachbarn brachten ihn zu den Pharisäern, den angesehenen Leitern des Volkes. Doch überall, wohin er kam, unter Hoch und Niedrig, bei Gelehrten und Ungelehrten, legte er mit aller Freimütigkeit ein treues, entschiedenes Zeugnis ab. Wie erquickend und zugleich auch beschämend ist es, diesen einfachen Mann, der einst ein Bettler gewesen war, zu betrachten! Er bekannte unerschrocken was Jesus an ihm getan hatte, trotz des Widerstandes, der ihm von allen Seiten entgegentrat. Er hatte die Gnade nicht vergeblich empfangen.
Bei den Eltern dieses Mannes begegnen wir leider einer ganz anderen Gesinnung. Sie hätten sicherlich Ursache gehabt, sich zu freuen; denn ihr armer, blindgeborener Sohn war sehend geworden! Er brauchte jetzt nicht mehr zu betteln. Aber Menschenfurcht hielt sie zurück, Zeugnis von dem abzulegen, was geschehen war. Sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr, als die Ehre bei Gott: „Denn die Juden waren schon übereingekommen, dass, wenn jemand Ihn als Christus bekennen würde, er aus der Synagoge ausgeschlossen werden sollte“. (V. 22.) Das ist ein böser Zustand, und ernst sind die Worte, welche der Herr darüber redet. Er sagt: „Wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn Er kommen wird in der Herrlichkeit Seines Vaters mit den heiligen Engeln''. (Mark. 8, 38.) Sollten, wir deshalb nicht viel den Herrn um Gnade bitten, dass Er uns in unserem Zeugnis für Ihn treu erhalten möge. inmitten dieser feindseligen Welt, die Ihn verworfen hat? Denn Menschenfurcht und Menschengefälligkeit gehören zu den Früchten, welche auf dem Baume unserer verdorbenen Natur so gut gedeihen.
Mannigfaltig und verschiedenartig sind die Listen des Feindes, denen der Gläubige hienieden ausgesetzt ist. Wir brauchen uns darüber nicht zu verwundern, denn der Herr Jesus selbst ist vom Feinde versucht worden, sei es unmittelbar oder durch Menschen. Zuweilen verstellt Satan sich gar in einen Engel des Lichts. So war es auch hier. Die Pharisäer sagen zu dem vorher Blinden: „Gib Gott die Ehre!'' Wie klang das so vertrauenswert! Es hieß mit anderen Worten: Wir suchen ja nur die Ehre Gottes. „Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist'', — wir, die Schriftgelehrten, die das Wort Gottes studiert haben und deshalb auch allein die Unwissenden und Ungelehrten richtig zu unterweisen vermögen.
Doch „Jehova bewahrt die Einfältigen''. Und wenn das Auge einfältig ist, so ist der ganze Leib, licht. (Vgl. Ps. 116, 6; Matthäus 6, 22.) Die Einfalt des Herzens bewahrte den Zeugen für Jesum vor den listigen Anläufen des Feindes. Wie schwach auch sein Verständnis sein mochte, so wusste er doch was Jesus an ihm getan hatte, und er legte Zeugnis davon ab: „Eines weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe''. (V.25.) Auch ist es bemerkenswert, dass er ein richtiges Verständnis über die Heiligkeit Gottes hatte; er wusste was Seiner würdig war. „Wir wissen'', sagt er, „dass Gott Sünder nicht hört, sondern wenn jemand gottesfürchtig ist und Seinen Willen tut, den hört Er.'' (V. 31.) Deshalb konnte das, was die Pharisäer von Jesu sagten, nicht die Wahrheit sein; es diente nur dazu, Den zu schmähen, welchem er so Großes zu verdanken hatte und den er deshalb liebte, nach dem göttlichen Grundsatz: „Wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat''. Und diese Liebe zu Jesu trieb ihn, trotz der Feindseligkeit der Pharisäer, für Ihn zu zeugen, wie er vorher Zeugnis von dem abgelegt, was Jesus an ihm getan hatte. Er sagt mit überwältigender Wahrheit: „Wenn dieser nicht von Gott wäre, so könnte Er nichts tun''. (V. 33). Doch ein solch entschiedenes Zeugnis konnte der Feind nicht ertragen; er zeigte sich deshalb in seinem Wahren Charakter, der scheinbare Engel des Lichts verwandelte sich in den brüllenden Löwen. Wuterfüllt sagen die Pharisäer: „Du bist ganz in Sünden geboren, und du lehrst uns? Und sie warfen ihn hinaus'' (V. 34).
So wurde dieser treue Zeuge von dem religiösen System verworfen, dessen Leiter sich anmaßten, Führer des Volkes Gottes zu sein, während sie in Wirklichkeit völlig blind waren. Sie kannten Den nicht, welchen der Vater als Heiland und Erretter in die Welt gesandt hatte. Doch wie wurde die Treue des Zeugen belohnt und seine Erkenntnis vermehrt! Jesus, der bereits vor ihm Verworfene, hörte, sodass sie ihn hinausgeworfen hatten, und Er ging hin, suchte ihn auf und offenbarte sich ihm als der Sohn Gottes. Welch eine Offenbarung! Der verachtete Jesus von Nazareth, der als Mensch in Niedrigkeit hienieden wandelte, den seine Augen jetzt aber sehen durften, weil Er sie ihm geöffnet hatte, war der Sohn Gottes selbst! „Jesus sprach zu ihm: Glaubst du an den Sohn Gottes? , Er antwortete und sprach: Und wer ist es, Herr, auf dass ich an Ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: Du hast Ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist es.“ (V. 35 - 37). Es ist eine Szene von majestätischer Einfachheit und unbeschreiblicher Schönheit. Das Herz des Blindgeborenen ist ganz überwältigt von der Herrlichkeit des vor ihm stehenden Herrn und der in Ihm offenbarten Gnade. Er glaubt an Ihn und bringt Ihm alsbald seine Huldigung dar. Glücklicher Mann!
Indes gab es auch eine schmerzliche Entdeckung für ihn. Der Sohn Gottes, der in Liebe und Gnade in diese“ verunreinigte Welt herabgestiegen war, um die Menschen aus dem Elend, in welchem sie sich durch die Sünde befanden, zu befreien, war verworfen! Ja, die blinde Welt, unter der Leitung ihres Fürsten, suchte sich Seiner zu entledigen; sie hasste Ihn.
Und die Welt hat sich nicht verändert. Satan, der Lügner und Mörder von Anfang, ist noch ihr Fürst. Wohl ist ihre äußere Gestalt eine andere geworden, sie hat sich in den Mantel des christlichen Bekenntnisses gehüllt; aber ihr Charakter ist derselbe geblieben: der Sohn Gottes ist auch heute noch verworfen. Und wenn die Gläubigen treu in ihrem Wandel und Bekenntnis sind, so werden sie dasselbe erfahren, was einst der Blindgeborene erfahren musste: sie müssen den Platz der Verwerfung mit Jesu teilen. Darum die Ermahnung: „Lasst uns zu Ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend; denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern wir suchen die zukünftige''. (Hebr. 13, 13. 14.) O möchten alle, denen durch Gottes Gnade die Augen geöffnet worden sind, ihren wahren Platz erkennen und einnehmen, bis der Sohn Gottes kommt und sie aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf, dem sie nicht mehr angehören, herausnimmt und einführt in Seine Herrlichkeit!
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Petrus auf dem Gewässer
Bibelstelle: Matthäus 14,22 - 23
Botschafter des Heils 1904 S. 78ff
Den oben angedeuteten, interessanten Schriftabschnitt können wir von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten; zunächst als vorbildlich für das Handeln Gottes mit Israel, und in zweiter Linie als belehrend für uns im Blick auf unseren praktischen, täglichen Wandel mit Gott.
Nachdem unser Herr die Menge gespeist und entlassen hatte, „stieg Er auf den Berg besonders, um zu beten. Als es aber Abend geworden, war Er daselbst allein.“ Dies entspricht genau Seiner gegenwärtigen Stellung in Bezug aus das Volk Israel. Er hat Israel verlassen und ist hinaufgestiegen, um droben das gesegnete Werk der Fürbitte zu tun. Mittlerweile werden die Jünger (ein Bild von dem Volke Gottes, besonders von dem frommen Überrest Israels in den letzten Tagen,) auf dem stürmischen See umhergeworfen und während der dunklen Nachtwachen tief versucht und geübt, wobei jedoch ihr abwesender Herr sie niemals auch nur für einen Augenblick aus dem Auge verliert, noch Seine Blicke von ihnen abwendet; und als sie sich schließlich sozusagen nicht mehr zu raten und zu helfen wissen, erscheint Er zu ihrer Hilfe, stillt den Wind, beruhigt den See und führt sie in den ersehnten Hafen.
Soviel über die erste Seite, die vorbildliche Bedeutung, unserer Schriftstelle. Sie ist von tiefstem Interesse, aber wir möchten heute nicht länger dabei verweilen, sondern die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Erzählung von Petrus richten, wie er aus dem Wasser wandelt. Es ist keine ausgedehnte Einbildungskraft dazu erforderlich, um in dieser Geschichte ein ausfallendes Bild von der Kirche Gottes insgesamt oder von dem Christen im einzelnen zu erkennen. Petrus verließ aus Christi Aufforderung hin das Schiff. Er ließ alles im Stich, woran das Herz sich so gern anklammert; er stieg aus dem Bot, um auf dem erregten Wasser zu wandeln, d. i. um einen Pfad zu verfolgen, der gänzlich außer dem Bereiche der Natur lag, einen Pfad, auf welchem nur ein einfältiger, nicht zweifelnder Glaube zu wandeln vermag. Wer diesen Pfad betreten will, kann es nur tun in dem Bewusstsein, dass der Herr ihn denselben gehen heißt; anders ist es unmöglich. Die einzige Quelle der Kraft liegt darin, dass das Auge des Glaubens unverrückt auf Jesum gerichtet bleibt, wie der Apostel auch in Hebr. 12 ermahnt: „hinschauend aus Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens''. In demselben Augenblick, wo das Auge sich von Christo abwendet, beginnt das Sinken.
Es handelt sich hier nicht um die Frage der Errettung oder um die Gewissheit, dass wir die Himmelsküste dereinst in Sicherheit erreichen werden. Keineswegs; wir reden vielmehr von dem Wandel des Christen, von dem praktischen Laufe eines Menschen, der berufen ist, diese Welt samt allem auszugeben, woraus die Natur sich so gern verlässt und vertraut; alle menschlichen Hilfsquellen und natürlichen Hilfsmittel fahren zu lassen, um allein mit Christo zu wandeln, erhaben über der Macht und dem Einfluss sichtbarer und zeitlicher Dinge.
Das ist die hohe Berufung des einzelnen Christen, wie der ganzen Kirche Gottes. Wir sind berufen, durch Glauben zu leben, über den Umständen dieser Welt erhaben zu wandeln und in stillem Vertrauen und heiliger Gemeinschaft mit Jesu voranzugehen. Hierauf sann, wenn auch vielleicht nicht mit vollem, klarem Bewusstsein, die Seele des Petrus, als er die Worte sprach: „Herr, wenn du es bist, so befiehl mir zu dir zu kommen auf dem Gewässer''. Das war die Sache: „Wenn du es bist''. Wenn der Herr es nicht war, von dem das Gebot ausging, so hätte Petrus keine größere Torheit begehen können, als das Schiff zu verlassen. Aber wenn Er es wirklich selbst war, der dort still und friedlich über der erregten Tiefe einherschritt, wenn Er, der Hochgelobte, Herrliche und Gnädige, ihn zu sich kommen hieß, dann konnte es sicherlich nichts Höheres, Glücklicheres und Besseres für Petrus geben, als jedes irdische und natürliche Hilfsmittel im Stiche zu lassen, um zu Jesu zu eilen und den unaussprechlichen Segen der Gemeinschaft mit Ihm zu schmecken.
Eine wunderbare Tiefe und Bedeutung liegt in diesen drei Aussprüchen: „Wenn du es bist'' —— „befiehl mir zu dir zu kommen'' — „auf dem Gewässer''. Es ist sehr bemerkenswert, dass es heißt: „zu dir, auf dem Gewässer''. Es war hier nicht Jesus, der ins Schiff zu Petrus kam, so gesegnet und köstlich das ist — sondern Petrus kommt zu Jesu auf dem Gewässer. Es ist eine Sache, Jesum zu kennen als Den, welcher in unsere Umstände eintritt, unsere Befürchtungen zerstreut, unsere Sorgen beschwichtigt und unsere Herzen beruhigt; aber es ist eine ganz andere Sache, das Schiff der Anwendungen und Anordnungen der Natur zu verlassen und im stillen Siege über den Umständen zu wandeln, um mit Jesu zu sein, da wo Er ist. Nicht als ob wir die wunderbare Gnade unterschätzten, welche aus den Worten hervortönt: „Seid gutes Mutes, ich bin’s; fürchtet euch nicht!'' Fern sei uns ein solcher Gedanke! Aber wir müssen einen Unterschied machen zwischen den beiden Dingen, die wir soeben genannt haben. Sie werden sehr oft miteinander vermengt. Wir sind so geneigt, in dem Gedanken zu ruhen, dass wir den Herrn bei uns haben, und dass Seine Barmherzigkeiten uns aus unserem täglichen Pfade umgeben; aber wir streben so wenig nach innigerer Gemeinschaft mit einem Verworfenen Christus. Ans diese Weise erleiden wir einen unendlichen Verlust. Ja, wir sagen es mit Vorbedacht: einen unendlichen Verlust. Nicht dass wir Gottes Segnungen und Barmherzigkeiten weniger wertschätzen sollten, aber der Herr selbst und die Gemeinschaft mit Ihm sollte mehr der Gegenstand unseres Verlangens werden. Wir glauben, dass Petrus viel verloren hätte, wenn er im Schiffe geblieben wäre. Der eine oder andere mag sein Tun als voreilig bezeichnen und eine Folge seiner Ruhelosigkeit nennen; unseres Erachtens war es die Frucht eines ernsten Verlangens nach seinem vielgeliebten Herrn. Es ging hervor aus dem innigen Wunsch, in Seiner Nähe zu sein, koste es was es wolle. Er sah seinen Herrn aus dem Gewässer wandeln, und er sehnte sich danach, mit Ihm zu wandeln; und sein Verlangen war richtig. Es war dem Herrn Jesu angenehm. Und außerdem, hatte er nicht die Ermächtigung von Seiten seines Herrn, das Schiss zu verlassen? Sicherlich. Das Wort „Komm!“ drang in sein Herz und zog ihn von dem Schiff hinweg, Jesu entgegen. Christi Wort gab ihm die Ermächtigung zum Betreten jenes seltsamen, geheimnisvollen Pfades, und Christi Gegenwart verlieh ihm die Kraft, ihn weiter zu verfolgen; denn Petrus ist wirklich eine Zeitlang über das Wasser hingegangen. Ohne jenes Wort hätte er nicht ausbrechen und ohne jene Gegenwart nicht vorangehen können. Es war etwas überaus Befremdliches und Übernatürliches, aus dem See zu wandeln; aber Jesus wandelte da, und der Glaube konnte mit Ihm dort wandeln. So dachte Petrus, und deswegen „stieg er aus dem Schiffe und wandelte aus dem Gewässer, um zu Jesu zu kommen“.
Mein lieber Leser, dies ist ein treffendes Bild von dem Pfade eines Christen, dem Pfade des Glaubens. Die Gewähr für jenen Pfad ist das Wort Christi: „Komm!“ - „Lasst uns zu Ihm hinausgehen!'' Die Kraft, ihn zu verfolgen, besteht darin, dass wir das Auge allezeit auf Ihn gerichtet halten. Wie steht es nun? Ist es die bestimmte Absicht deiner Seele, Jesu so nahe zu kommen wie möglich? Verlangst du nach einer tieferen, innigeren, völligeren Gemeinschaft mit Ihm? Ist Er genug für dich? Bist du bereit, alles das auszugeben, woran die Natur hängt, worauf sie sich so gern stützt? Er winkt dich zu sich heran in Seiner unendlichen, sich selbst vergessenden Liebe. Er sagt: „Komm!“ Willst du dich weigern? Willst du zögern und dich sträuben? Willst du dich an das Schiff anklammern, während die Stimme Jesu dich auffordert zu „kommen“?
Es mag vielleicht eingewandt werden, dass Petrus untersank, und dass es demzufolge doch besser, sicherer und weiser sei, im Schiffe zu bleiben, als im Wasser zu versinken; dass es ferner besser sei, keinen besonderen Platz einnehmen zu wollen, als, nachdem man ihn eingenommen hat, darin zu fehlen. Nun, es ist ganz richtig, dass Petrus fehlte; aber warum? Etwa weil er das Schiff verließ? Nein, sondern weil er aufhörte, aus Jesum zu blicken. „Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich !“ So stand es mit dem armen Petrus. Sein Fehler bestand nicht darin, dass er das Schiff verließ, sondern darin, dass er aus die Wellen und den Wind blickte, dass er seine Umgebung ins Auge fasste, anstatt nur aus Jesum hinzuschauen. Er hatte einen Pfad betreten, den nur der Glaube gehen konnte, auf welchem er, wenn er nicht Jesum hatte, überhaupt nichts besaß, weder Schiff noch Bot, ja nicht einmal einen Sparren oder eine Planke, woran er sich hätte anklammern können. Mit einem Wort, die Losung lautete: Christus oder nichts. Entweder wandelte er mit Jesu auf dem Gewässer, oder er sank ohne Ihn in die Tiefe. Nichts als der Glaube vermochte das Herz aus solcher Bahn aufrecht zu halten. Aber der Glaube war auch imstande dazu; denn der Glaube kann leben, umringt von den wildesten Wogen und unter den stürmischsten Himmelsstrichen. Der Glaube wandelt aus den erregtesten Gewässern, während der Unglaube in den ruhigsten versinkt.
Petrus ermattete also im Glauben. Das beweist aber nicht, dass er verkehrt handelte, indem er der Aufforderung, seines Herrn gehorchte. Jesus tadelt ihn dafür auch nicht. O nein; wie hätte Er Seinen armen Jünger auffordern können zu Ihm zukommen, um ihn hernach für sein Kommen zu tadeln? Das war ganz und gar unmöglich. Der Herr kannte die Schwachheit Seines Jüngers, Er fühlte mit ihm, und so lesen wir: „Alsbald aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum zweifeltest du?'' Er sagt nicht: „O du unruhiger, vorschneller Mann! warum verließest du das Schiff?“ Nein; sondern: „Warum zweifeltest du?“ Das war Sein zarter Vorwurf. Und wo befand sich Petrus, als er ihn vernahm? In den Armen seines Herrn! Welch ein Platz! Welch eine Erfahrung! War es nicht der Mühe wert, das Schiff verlassen zu haben, um eine solche Seligkeit zu genießen? Sicher und gewiss! Petrus handelte also durchaus richtig, als er das Schiff verließ; und wenn er auch auf dem Pfade, welchen er betreten hatte, versank, so brachte ihn das doch nur einerseits zu einem umso tieferen Gefühl von seiner Schwachheit und Nichtigkeit, und andererseits zu einer umso herrlicheren Erfahrung von der Gnade und Liebe seines Herrn.
Lieber, christlicher Leser! Was können wir aus dem allen lernen? Einfach dies: Jesus ruft uns hinweg von alledem, was Zeit und Verstand geschaffen haben mögen, um uns durch die Wellen der Umstände hindurch zu tragen. Er fordert uns auf, alle unsere Hoffnungen aus das Geschöpf, jedes Vertrauen aus die Stützen und Hilfsquellen, an denen unsere armen Herzen so gern hängen, fahren zu lassen und mit Ihm, mit Ihm allein, zu wandeln. Seine Stimme übertönt das Geräusch der Wogen und Stürme, und diese Stimme ruft: „Komm!“ O möchten wir ihr gehorchen! Möchten wir mit ganzem Herzen Seinem Rufe folgen und willig „zu Ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, Seine Schmach tragend''! Er wünscht uns in Seiner Nähe zu haben und will, dass wir mit Ihm wandeln, uns auf Ihn stützen, indem wir nicht auf Menschen und Umstände schauen, sondern allein und unverwandt unseren Blick auf Ihn gerichtet halten.
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Drei bedeutungsvolle Tatsachen
Bibelstelle: Hebräer 9,24 - 28
Botschafter des Heils 1904 S. 85ff
„Denn der Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen; auch nicht, auf dass Er sich selbst, oftmals opferte, wie der Hohepriester alljährlich in —das Heiligtum hineingeht mit fremdem Blut; sonst hätte Er oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt an; jetzt aber ist Er einmal in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer. Und ’ — ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, also wird auch der Christus, nachdem Er einmal geopfert worden ist, um Bieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit.“ (Hebr. 9, 24 — 28.)
Die obige Stelle aus dem neunten Kapitel des Hebräerbriefes führt uns drei wichtige Tatsachen aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor Augen, Tatsachen, die an und für sich von gleich großer Bedeutung sind, aber leider nicht alle in gleicher Weise beachtet und verstanden werden. Die Tatsachen sind folgende: 1) Der Herr Jesus ist einst in dieser Welt geoffenbart worden, um ein gewisses Werk zu vollbringen; 2) Er erscheint jetzt im Himmel, zwecks Ausübung eines gewissen Dienstes, und 3) Er wird erscheinen in Herrlichkeit, um Sein Werk zu krönen. Die erste dieser Tatsachen ist das Sühnungswerk, die zweite das Hohepriestertum, verbunden mit der Sachwalterschaft, und die dritte die Ankunft des Herrn. Lasst uns zuerst ein wenig verweilen bei dem Sühnungswerk.
Dieses Werk wird uns in unserer Stelle unter zwei großen Gesichtspunkten vorgestellt, erstens in Hinsicht darauf, was es in den Augen Gottes und für Gott ist, und zweitens in seiner Bedeutung für uns. Der Apostel erklärt, dass Christus geoffenbart worden sei „zur Abschaffung der Sünde'', und ferner, „um Vieler Sünden zu tragen''. Das ist eine Unterscheidung von der höchsten Wichtigkeit. Möchten wir sie mehr beachten! Christus hat sich selbst zum Opfer dargebracht, um die Sünde durch dieses Sein Opfer abzuschaffen. Er hat in Bezug aus die Frage der Sünde Gott im weitesten Maße verherrlicht. Hierbei handelt es sich ganz und gar nicht um Personen oder um die Vergebung der Sünden Einzelner. Selbst wenn keine einzige Seele, von den Tagen Adams an bis zum gegenwärtigen Augenblick, die angebotene Barmherzigkeit Gottes angenommen hätte, ja, wenn nie eine sie annehmen würde, würde die Tatsache doch bestehen bleiben, dass der Tod Christi die Sünde gesühnt, die Macht Satans vernichtet, Gott vollkommen verherrlicht und den ewig festen Grund gelegt hat, aus welchem die göttlichen Ratschlüsse alle zur Ausführung kommen können.
Hierher gehören auch die denkwürdigen Worte Johannes des Täufers: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt''. (Joh. 1, 29.) Das Lamm Gottes hat ein Werk vollbracht, kraft dessen jede Spur von Sünde von der Schöpfung Gottes weggewischt werden kann und soll. Es hat Gott vollkommen verherrlicht gerade aus dem Schauplatz, wo Er in so gröblicher Weise verunehrt und wo Seine Majestät so schmählich beschimpft worden war. Christus kam, um dies zutun, mochte es kosten was es wollte, ja, selbst um den Preis des Opfers Seiner selbst. Er ward gehorsam bis zum Tode am Kreuze. Er hat ein Werk vollbracht, durch welches Gott unendlich mehr verherrlicht worden ist, als wenn die Sünde nie in die Welt gekommen wäre. Es ist schon oft gesagt worden, dass Gott auf den Feldern der Erlösung eine weit reichere Ernte einsammeln wird, als es je aus den Feldern einer nicht gefallenen Schöpfung hätte geschehen können.
Der Leser wird gut tun, über diese wunderbare Seite des Sühnungstodes Christi nachzusinnen. Manche Gläubige meinen, der allerhöchste Begriff, den man von dem Kreuze haben könne, sei der, dass es die Frage der Vergebung unserer Sünden und unserer Errettung in Ordnung gebracht habe. Das ist ein großer Irrtum. Jene Frage ist, Gott sei dafür gepriesen! in göttlicher Weise am Kreuze geordnet worden; aber diese Seite des Sühnungswerkes (ich möchte sie die menschliche Seite nennen) ist die geringere, Gottes Seite ist die größere. Dass Gott verherrlicht werden sollte, war unendlich wichtiger, als dass wir —errettet würden. Beide Zwecke sind, dem Herrn sei Dank! erreicht worden, und sie sind durch ein und dasselbe Werk erreicht worden, durch das kostbare Sühnungswerk Jesu Christi. Aber wir dürfen nie vergessen, dass die Verherrlichung Gottes von unendlich größerer Wichtigkeit ist, als die Errettung des Sünders; und ferner (nach dem Grundsatz, dass das Geringere stets in dem Größeren eingeschlossen ist,) werden wir nie ein so klares Verständnis von der zweiten Sache haben, als wenn wir sie aus der ersten hervorkommen sehen. Wenn wir wirklich einmal verstanden haben, dass Gott vollkommen und für immer im Tode Christi verherrlicht worden ist, dann können wir nicht verfehlen, auch die göttliche Vollkommenheit unserer Errettung zu erkennen. Tatsächlich sind beide so innig miteinander verbunden, dass sie nimmer getrennt werden können; aber dennoch muss Gottes Teil an dem Kreuze Christi immer seinen eigenen, besonderen Vorrang behalten. Die Verherrlichung Gottes nahm zu aller Zeit den ersten Platz ein in dem ergebenen Herzen unseres Herrn Jesu Christi. Hierfür lebte, hierfür starb Er. Er kam in diese Welt zu dem ausdrücklichen Zweck, Gott zu verherrlichen; und von diesem großen und heiligen Gegenstande wich Er nie um eines Haares Breite ab. Wahr ist es, dass Er auf diesem Wege auch alles das geordnet hat, was uns betrifft; aber die Verherrlichung Gottes war und blieb von der Krippe bis zum Kreuze, im Leben und im Tode, Seine erste und höchste Richtschnur.
Auf dem Boden des durch Christum vollbrachten Sühnungswerkes, in dieser seiner höheren Beziehung betrachtet, hat Gott sich nun seit fast sechstausend Jahren in geduldiger Gnade, Barmherzigkeit und Langmut mit der Welt beschäftigt. Er sendet Seinen Regen und Seinen Sonnenschein aus Böse und Gute, aus Gerechte und Ungerechte. Der Ungläubige und der Gottesleugner leben, weben und sind kraft der durch den Sohn Gottes bewirkten Sühnung, obwohl Er von ihnen verachtet und verworfen wird; ja, den nämlichen Atemzug, mit welchem die Ungläubigen gegen die Offenbarung Gottes in Christo Einwürfe erheben und das Dasein Gottes leugnen, verdanken sie dem Sühnungstode Christi. Wir denken jetzt keineswegs an die Vergebung von Sünden oder an die Errettung der Seele. Das ist eine ganz andere Frage, auf welche wir nachher zu sprechen kommen werden. Nein, was wir meinen ist folgendes: Die Frage, wie der sündige Mensch in dieser Welt Leben und Bestehen haben könne, ja, wie die Welt selbst, in welcher erlebt, existieren könne, trotz der Sünde, welche sie befleckt, und der Heiligkeit Gottes, welche die Sünde nicht ungestraft lassen kann —— diese Frage findet ihre einzige Beantwortung in dem Kreuze Christi. Das Kreuz bildet die Grundlage, aus welcher Gott mit beiden, mit Mensch und Welt, sich in Barmherzigkeit befassen kann.
Auf demselben Boden, auf Grund des Sühnungswerkes Christi, kann der Evangelist hingehen „in die ganze Welt und das Evangelium predigen der ganzen Schöpfung''. Er kann die gesegnete Wahrheit verkündigen, dass Gott in Bezug auf die Sünde vollkommen verherrlicht worden ist, dass alle Seine Ansprüche befriedigt sind, dass Seine Majestät behauptet, Seine Wahrheit ans Licht gestellt, ja, dass alle Seine Eigenschaften miteinander in Einklang gebracht worden sind. Er kann die kostbare Botschaft bringen, dass Gott gerecht sein und den armen, gottlosen Sünder rechtfertigen kann, der an Jesum Christum glaubt. Da gibt es kein Hindernis, keine Schranken mehr. Der Prediger des Evangeliums braucht sich nicht hindern und beschränken zu lassen durch irgendwelche Lehrsätze der Theologie. Er hat es zu tun mit dem weiten, liebenden Herzen Gottes, welches, kraft des Sühnungswerkes, sich der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, frei und ungehindert öffnen kann. Er darf jedem Sünder ohne Rückhalt sagen: „Komm!“ Ja, mehr als das; er ist verpflichtet, ihn zu „bitten“ zu kommen. „Nötige sie, hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde.'' (Luk. 14, 23.) „Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!'' (2. Kor. 5, 20.) Das ist die richtige Sprache des Herolds des Kreuzes, des Gesandten Christi. Er kennt kein kleineres Feld als die weite Welt; und sein Auftrag richtet sich an die ganze Schöpfung, die unter dem Himmel ist. Und warum? Weil Christus „einmal geoffenbart worden ist zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer''. Er hat durch Seinen Tod völlig den Boden verändert, auf welchem Gott sich mit dem Menschen und mit der. Welt befassen kann. Anstatt auf dem Boden der Sünde mit ihnen verkehren zu müssen, kann Er sich mit ihnen beschäftigen auf Grund einer vollbrachten Versöhnung. Endlich wird auch durch das Sühnungswerk, von diesem erhabenen Gesichtspunkt aus betrachtet, dereinst jedes Überbleibsel der Sünde, jede Spur der Schlange, von dem weiten Weltall Gottes abgewischt werden. Dann wird die ganze Kraft der bereits angeführten Stelle erkannt werden: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt''; wie auch jene wohlbekannten Worte des Apostels: „Es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in Ihm zu wohnen und durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen —— indem Er Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes —— durch Ihn, es seien die Dinge aus der Erde oder die Dinge in den Himmeln'' (Kol. 1, 19. 20).
Soviel über das, was wir wohl den ersten Gesichtspunkt des Sühnungstodes Christi nennen dürfen. Herrschte hierüber ein klareres Verständnis, so würde manche Schwierigkeit und mancher Irrtum in Bezug aus die volle und freie Predigt des Evangeliums aus dem Wege geräumt werden. Manche Knechte des Herrn fühlen sich in der Verkündigung der frohen Botschaft des Heils dadurch behindert, dass sie nicht gelernt haben, das Sühnungswerk unter diesem weiten Gesichtspunkt zu betrachten. Sie beschränken den Tod Christi in seiner Anwendung aus die Sünden der Auserwählten Gottes, und halten es demgemäß für unrichtig, das Evangelium allen zu verkündigen und alle einzuladen, zu Jesu zu kommen.
Nun, dass Christus für die Auserwählten starb, darüber belehrt uns die Schrift deutlich an vielen Stellen. Aber sie lehrt mehr als das. Sie erklärt, dass Er „für alle gestorben sei'' (2. Kor. 5, 14), dass „Er für alles (oder jeden) den Tod geschmeckt habe“. (Hebr. 2, 9.) Und wenn Gottes Wort so redet, dann haben wir kein Recht, daran zu deuteln, etwas hinzuzufügen oder abzutun, um so die Belehrungen Gottes mit irgend einem menschlichen Lehrshstein in Übereinstimmung zu bringen. Wenn die Schrift sagt, dass Christus für alle gestorben sei, so haben wir einfach Gottes Wort so anzunehmen, wie es dasteht, und uns ehrfurchtsvoll vor seiner Belehrung zu beugen. Gottes Wort, Gottes Herz und Gottes Natur sind viel zu tief, weit und umfassend, als dass sie von irgend einem theologischen System, und sei es auch das weitherzigste und bestangeordnete, umschlossen werden könnten. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gott Liebe ist, und dass diese Liebe sich allen gegenüber, ohne Einschränkung, kundtun will. Sicherlich hat Gott Seine Ratschlüsse, Seine Absichten und Vorsätze; aber nicht diese sind es, die Er dem armen, verlorenen Sünder vorstellt. Nein, über solche Dinge will Er Seine Heiligen belehren; aber dem schuldigen, mühseligen und beladenen Sünder stellt Er Seine Liebe und Gnade vor, sowie Seine Bereitwilligkeit, zu erretten, zu vergeben und zu segnen.
Lasst uns ferner daran denken, dass der Sünder für das verantwortlich ist, was geoffenbart, nicht aber für das, was verborgen ist. Gottes Ratschluss ist ein Geheimnis: Seine Natur, Sein Charakter, Er selbst ist geoffenbart. Der Sünder wird nicht dafür gerichtet werden, dass er etwas verworfen hat, zu dessen Erkennen er nicht die nötigen Mittel besaß. „Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse“ (Joh. 3, 19).
Noch einmal denn, Gottes herrliche Gnadenbotschaft gilt allen, ist in die ganze Welt gesandt. Jeder, der sie vernimmt, ist eingeladen zu kommen. Dies gründet sich aus die Tatsache, dass das Sühnungsblut Christi geflossen und in die Gegenwart Gottes gebracht worden ist, dass die Schranke, welche durch die Sünde ausgerichtet war, niedergerissen und zerstört worden ist, und dass jetzt der mächtige Strom der göttlichen Liebe frei ausströmen kann zu jedem, auch dem allerschlechtesten Sohne der Menschen. Und wenn nun irgend jemand durch die Gnade dahin geleitet wird, sein Herz dieser Botschaft zu öffnen, so kann ihm weiter gesagt werden, dass Christus nicht nur die Frage der Sünde geordnet, sondern dass Er auch seine Sünden getragen hat, die Sünden aller derer, welche je an Seinen Namen geglaubt haben oder glauben werden.
Das ist die klare und einfache Lehre von Hebräer 9, 26 u. 28. Ein auffallendes Vorbild hiervon erblicken wir in den zwei Böcken von 3. Mose 16. Wenn der Leser für einen Augenblick seine Aufmerksamkeit diesem Kapitel zuwenden will, so wird er dort zuerst den geschlachteten Bock finden, und zweitens Asasel, den Bock der Abwendung. Das Blut des geschlachteten Bockes wurde in das Heiligtum gebracht und hier aus und vor den Deckel der Bundeslade gesprengt. In diesem Bock haben wir ein Vorbild von Christo, als „einmal geoffenbart zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer''. Dann bekannte der Hohepriester, als Vertreter der Gemeinde Israel, alle Sünden und Ungerechtigkeiten der Kinder Israel auf den Kopf des zweiten Bockes, Asasel, und sie wurden fortgetragen in ein ödes Land. Das war ein Vorbild von Christo als Dem, der die Sünden der Seinigen getragen und weggetan hat. Die beiden Böcke, zusammengenommen, geben uns ein vollständiges Bild von dem Sühnungswerk Christi, welches, gleich der Gerechtigkeit, von der in Römer 3 die Rede ist, gerichtet ist „gegen alle'', und seine Anwendung findet „aus alle, die da glauben''.
Alles das ist höchst einfach; ja, es ist so einfach und klar, wie Gott es nur machen kann. Wer irgend die Botschaft von Gottes freier Liebe vernimmt, ist gebunden, sie aufzunehmen; und das Gericht wird sicherlich alle erreichen, welche die dargebotene Barmherzigkeit zurückweisen oder „eine so große Errettung vernachlässigen''. Keine einzige Seele wird an jenem Tage sagen können: „Ich konnte nicht glauben, weil ich nicht einer von den Auserwählten war, und weil mir die Kraft versagt wurde, zu glauben''. Niemand wird dann wagen, so etwas nur zu denken. Nein, ein jeder ist verantwortlich, das ihm angebotene Heil anzunehmen, und wer es ausschlägt, wird die furchtbaren Folgen davon tragen müssen. Der Herr Jesus wird vom Himmel geoffenbart werden und „Vergeltung geben denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesu Christi nicht gehorchen'' (2. Thess. 1, 7. 8). Sollte wohl jemand dafür gestraft werden, dass er dem Evangelium nicht gehorcht hat, wenn er nicht verantwortlich wäre, jenen Gehorsam zu leisten? Sicherlich nicht. „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht recht tun?''
Aber, so wendet der Verstand ein, sendet Gott den Menschen Sein Evangelium denn nur zu dem Zweck, um sie unter Verantwortlichkeit zu stellen und ihre Schuld zu vermehren? Fern sei uns ein solch ungeheuerlicher Gedanke! Er sendet Sein Evangelium dem verlorenen Sünder, auf dass er errettet werde; denn Gott „hat kein Gefallen an dem Tode des Gesetzlosen'', Er „will nicht, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen''. Ja, der Apostel Paulus nennt Ihn den „Heiland-Gott, welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen''. (Vgl. Hesekiel 18, 23; 2. Petr. 3, 9; 1.Tim. 2, 4.) Deshalb werden alle, die verloren gehen, niemanden als sich selbst anzuklagen haben.
Der Herr wolle allen meinen Lesern ein klares Verständnis geben über das, was das Sühnungswerk Christi denen, welche einfältig auf Ihn trauen, gebracht hat! Liegt auch das volle Ergebnis dieses Werkes hinsichtlich der Abschaffung der Sünde noch in der Zukunft, zu glauben''. Niemand wird dann wagen, so etwas nur zu denken. Nein, ein jeder ist verantwortlich, das ihm angebotene Heil anzunehmen, und wer es ausschlägt, wird die furchtbaren Folgen davon tragen müssen. Der Herr Jesus wird vom Himmel geoffenbart werden und „Vergeltung geben denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesu Christi nicht gehorchen''. (2. Thess. 1, 7. 8.) Sollte wohl jemand dafür gestraft werden, dass er dem Evangelium nicht gehorcht hat, wenn er nicht verantwortlich wäre, jenen Gehorsam zu leisten? Sicherlich nicht. „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht recht tun?''
Aber, so wendet der Verstand ein, sendet Gott den Menschen Sein Evangelium denn nur zu dem Zweck, um sie unter Verantwortlichkeit zu stellen und ihre Schuld zu vermehren? Fern sei uns ein solch ungeheuerlicher Gedanke! Er sendet Sein Evangelium dem verlorenen Sünder, auf dass er errettet werde; denn Gott „hat kein Gefallen an dem Tode des Gesetzlosen'', Er „will nicht, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen''. Ja, der Apostel Paulus nennt Ihn den „Heiland-Gott, welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen'' (Vgl. Hesekiel 18, 23; 2. Petr. 3, 9; 1.Tim. 2, 4). Deshalb werden alle, die verloren gehen, niemanden als sich selbst anzuklagen haben.
Der Herr wolle allen meinen Lesern ein klares Verständnis geben über das, was das Sühnungswerk Christi denen, welche einfältig auf Ihn trauen, gebracht hat! Liegt auch das volle Ergebnis dieses Werkes hinsichtlich der Abschaffung der Sünde noch in der Zukunft, so dürfen wir doch sagen, dass für den Gläubigen die Sünde abgeschafft ist durch das Opfer Christi; ferner hat Christus an Seinem eigenen Leibe alle unsere Sünden auf dem Kreuze getragen. Unmöglich kann daher noch irgend eine Frage hinsichtlich Sünde oder Schuld je erhoben werden. Alles ist ein für allemal durch den Sühnungstod des Lammes Gottes in Ordnung gebracht. Wahr ist es, dass wir noch Sünde in uns haben; und wir müssen deshalb täglich und stündlich uns und unsere Wege richten. Ja, so lange wir in diesem Leibe wallen, wird das Wort stets von uns gelten, dass „in uns, das ist in unserem Fleische, nichts Gutes wohnt“. Aber diese Tatsache, so ernst sie ist, berührt keineswegs die Frage der völligen und ewigen Annahme unserer Seele. Wenn es anders wäre, könnte Christus nicht da sein, wo Er jetzt ist. Denn Er ist in die Gegenwart Gottes eingegangen, um dort für uns zu erscheinen. Dies führt uns zu dem zweiten Abschnitt unserer Betrachtung, zu dem Hohenpriestertum und der Sachwalterschaft Christi.
Sehr viele Seelen sind geneigt, zwei Dinge miteinander zu vermengen, welche, obwohl untrennbar verbunden, doch durchaus verschieden sind. Indem sie die göttliche Vollkommenheit des Versöhnungswerkes nicht verstehen, erwarten sie von dem Hohenpriestertum und der Sachwalterschaft Christi das, was die Sühnung bereits vollbracht hat. Wie bereits gesagt, befinden wir uns, obwohl wir unserer Stellung nach nicht im Fleische, sondern im Geiste sind, was unseren tatsächlichen Zustand angeht, noch im Leibe. Wir sind in Christo in die himmlischen Örter versetzt, befinden uns aber in Wirklichkeit noch in der Wüste, sind allen Arten von Sehwachheiten unterworfen und fähig, in tausenderlei Weise zu fehlen und zu irren.
Nun, um diesem unserem gegenwärtigen Zustande und seinen Bedürfnissen zu begegnen, ist das Priestertum und die Sachwalterschaft Christi da. Gott sei gepriesen für diese gesegnete Vorsorge! Als solche, welche im Leibe sind und sich aus dem Wege durch die Wüste befinden, bedürfen wir einen großen Hohenpriester, um uns allezeit in dem Werte Seiner Person und Seines Werkes vor Gott zu vertreten und die Verbindung zwischen uns und dem Vater aufrecht zu erhalten oder sie wiederherzustellen, wenn sie gestört ist. Einen solchen Hohenpriester besitzen wir, und Er lebt immerdar, um sich für uns zu verwenden. Ohne Ihn könnten wir nicht einen Augenblick aus- oder weiterkommen. Das Sühnungswerk wird nie wiederholt, das Werk des Hohenpriesters und Sachwalters nie unterbrochen. Wenn einmal durch die Macht des Heiligen Geistes das Blut Christi auf die Seele Anwendung gefunden hat, so geschieht das nie wieder. h An eine Wiederholung ist nicht zu denken; denn das würde heißen, die Wirksamkeit des Blutes leugnen und es aus eine Stufe stellen mit dem Blute von Stieren und Böcken. Man hört und liest oft von einer immer wiederkehrenden Anwendung des Blutes auf den Gläubigen. Wer so redet, meint vielleicht, damit dem Blute Christi Ehre zu erweisen, und der eigenen, tief gefühlten Unwürdigkeit Ausdruck zu verleihen; aber fürwahr, der beste Weg, dem Blute Christi Ehre zu erweisen, ist der, dass wir uns in dem erfreuen, was es für unsere Seelen getan hat; und die beste Weise, unsere eigene Unwürdigkeit darzutun, ist, stets dessen eingedenk zu sein, dass wir so schlecht waren, dass nichts als der Tod des heiligen, fleckenlosen Lammes Gottes uns zu erretten vermochte. Wir waren so unrein und sündig, dass nichts als Sein Blut uns reinigen konnte; aber so kostbar ist auch dieses Blut, dass nicht eine Spur von unserer Schuld zurückgeblieben ist. „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller Sünde.“
So steht es mit dem allerschwächsten Kinde Gottes. Alle Sünde ist hinweggetan. Nicht eine Spur von Schuld ist zurückgeblieben. Jesus weilt in der Gegenwart Gottes für uns. Er ist dort als unser Hoherpriester vor Gott, als unser Sachwalter bei dem Vater.*) Er hat durch Seinen Sühnungstod den Vorhang zerrissen und uns Gott nahe gebracht; und jetzt lebt Er dort, um uns durch Seine Verwendung in dem Genuss der Stellung und der Vorrechte zu erhalten, in welche Sein Blut uns eingeführt hat.
In Übereinstimmung damit sagt der Apostel: „Wenn jemand gesündigt hat - wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten''. Beachten wir es wohl. Es heißt nicht: „wir haben das Blut“, sondern: „wir haben einen Sachwalter“. Das Blut hat sein Werk getan und ist allezeit vor Gott nach dem vollen Werte, den es in Seinen Augen hat. Seine Wirksamkeit bleibt stets unveränderlich. Aber wir haben gesündigt, vielleicht nur in Gedanken; doch schon dieser Gedanke genügt, um unsere Gemeinschaft mit dem Vater zu unterbrechen. Hier nun beginnt das Wirken der Sachwalterschaft. Wenn Jesus nicht stets im Heiligtum droben für uns tätig wäre, so würde unser Glaube schwach werden in Augenblicken, wo wir der Stimme unserer sündigen Natur nachgegeben haben und nun zur Erkenntnis des Geschehenen kommen. So war es mit Petrus in jener schrecklichen Stunde seiner Versuchung und seines Falles. Der Herr hatte kurz vorher zu ihm gesagt: „Simon, Simon! siehe, der Satan hat euer begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, auf dass dein Glaube nicht aushöre; und du, bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder.“ (Luk. 22, 31. 32.)
Der Leser wolle diese Worte wohl beachten: „Ich habe für dich gebetet, auf dass dein Glaube nicht aushöre“! Der Herr bat nicht, dass Sein schwacher Jünger überhaupt nicht versucht werde, (die Versuchung war nötig, um ihn von seinem Selbstvertrauen zu heilen und für seinen späteren Dienst auszurüsten,) sondern dass, nachdem er gefallen sei, sein Glaube nicht aufhören möchte. Hätte Christus nicht für Seinen armen Knecht gebetet, so wäre es mit ihm von Schlimmem zu immer Schlimmerem gekommen; aber die Fürbitte Christi verschaffte Petrus die Gnade wahrer Buße, wahren Selbstgerichts und bitteren Schmerzes über seine schwere Sünde, sowie endlich eine völlige Wiederherstellung seines Herzens und Gewissens, so dass der Strom der Gemeinschaft, der durch die Sünde unterbrochen, aber durch — die Sachwalterschaft wiederhergestellt worden war, dahinfließen konnte wie vordem.
So ist es mit uns, wenn wir, aus Mangel an jener heiligen Wachsamkeit, deren wir uns immer befleißigen sollten, sündigen. Jesus geht für uns zum Vater. Er bittet für uns; und durch die Wirksamkeit Seiner priesterlichen Vermittlung werden wir überführt und zum Selbstgericht und zur Wiederherstellung gebracht. So gründet sich in dieser Beziehung alles auf Seinen Dienst als Sachwalter, und die Sachwalterschaft gründet sich aus das vollendete Sühnungswerk.
Fußnote:
Der Leser wird mit Interesse bemerken, dass in dem Briefe an die Hebräer nur vom Priestertum die Rede ist; in dem ersten Briefe des Johannes finden wir dagegen die Sachwalterschaft. Offenbar besteht zwischen diesen beiden Dingen ein Unterschied; wir können uns aber jetzt nicht weiter dabei aufhalten und möchten nur bemerken, dass von dem Priestertum in Bezug auf Gott gesprochen wird, von der Sachwalterschaft in Bezug auf den Vater.
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Das Kreuz
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 111
Am Kreuz wurde die Frage von gut und böse nach jeder Seite hin zum Austrag gebracht.
Zunächst war das Kreuz die völlige Entfaltung der Feindschaft des Menschen gegen Gott, die verächtliche Verwerfung eines Gottes, der sich in Liebe geoffenbart hatte. Für Seine Liebe wurden Ihm Hass und Bitterkeit zu teil. Die Hohenpriester, die Schriftgelehrten, das Volk, Pilatus, Herodes, die Kriegsknechte, ja, selbst die Jünger bewiesen in den verschiedenen Einzelheiten des Leidensweges des Herrn, dass nur Böses im Menschen ist
Ferner hat sich am Kreuze die Macht Satans völlig geoffenbart, sowohl über die Menschen in ihren Leidenschaften, als auch, in einem Sinne wenigstens, im Tode, in dem Weh, welches die Seele Christi erfüllte.
Weiter finden wir hier den vollkommenen Menschen wie nirgendwo sonst: vollkommene Liebe zum Vater, vollkommenen, unbedingten Gehorsam, und zwar gerade an der Stätte der Sünde und im Trinken jenes schrecklichen Kelches, welchen die Sünde gefüllt hatte.
Schließlich erblicken wir Gott selbst in Seiner vollkommenen Gerechtigkeit wider die Sünde, sowie in Seiner unumschränkten, vollkommenen, unendlichen Liebe zu dem Sünder. Alles was Er ist, trat dort ans Licht. Seine Majestät und Wahrheit kamen voll und ganz zu ihrem Recht; wie Jesus sagt: „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in Ihm“ (Johannes 13,31).
Das ist das Kreuz! In der Geschichte der Ewigkeit steht es allein da. Der Mensch in Gottes Herrlichkeit ist sein wunderbares Ergebnis.
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Die Stunde des Herrn
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 112ff
Herz, das soll die Antwort sein,
wenn du ängstlich und beklommen
fragst nach Rettung aus der Pein.
Dauert es noch ein wenig an:
Ausgeharrt ist wohlgetan.
Wenn der Leiden große Menge
dich nicht ruhen lässt Tag und Nacht,
wenn du recht in das Gedränge
durch die Not und Angst gebracht –
halte dich an Jesu Wort,
und dann leide ruhig fort!
Wird dir täglich, stündlich weher,
bist des Trostes du beraubt:
Sieh, der Tröster ist dir näher,
näher als du es geglaubt.
Denn Sein mitleidvolles Herz
fühlt mit uns all unseren Schmerz.
Hat man`s doch mit keinem harten
unbarmherz`gen Herrn zu tun;
kann man in Geduld nur warten
und in stillem Glauben ruhn,
so erkennt, erfährt man dies:
Seine Stunde kommt gewiss.
Fragst du, Herz, wann kommt die Stunde?
Dann, wenn dir es am meisten frommt.
Trau dem Wort aus Seinem Munde,
dass gar bald die Stunde kommt,
wo Dein Glaube ganz erprobt
und Dein Mund Gott ewig lobt.
Spitta
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Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt
Bibelstelle: 1. Korinther 15,20
Botschafter des Heils 1904 S. 118ff
Zu allen Zeiten ist die Tatsache der Auferstehung Jesu Christi aus den Toten angezweifelt und angefochten worden, und wir brauchen uns nicht darüber zu verwundern, denn mit dieser Tatsache steht oder fällt die Auferstehung der Toten überhaupt.
Drei Dinge sind es vornehmlich, die im Kämpfe gegen diese Wahrheit miteinander gehen. Da ist zunächst der V erstand des Menschen, welcher sich gegen sie auslehnt. Es ist unmöglich, sagt er, dass Tote auferweckt werden; es kann nicht sein. Der Verstand kann sich nimmermehr mit der Auferstehungslehre einverstanden erklären, es sei denn dass er sich gefangen nehmen lässt unter den Gehorsam Christi (2.Kor. 10, 5).
Da ist zweitens das Gewissen, das Schuldbewusstsein des Menschen, welches sich mit Macht gegen die Anerkennung der genannten Wahrheit sträubt. Der Mensch war einst ohne Sünde, ohne die Erkenntnis von gut und böse; aber durch seinen Fall erhielt er ein Gewissen und trägt nun die Überzeugung in sich, dass er vor der Heiligkeit Gottes nicht bestehen kann, dass, wenn seine Gedanken, Worte und Werke vor dem göttlichen Richter zur Prüfung gelangen, er dem ewigen Gericht verfallen ist. Deshalb ist ihm, so lange er nicht durch den Glauben an das Werk Christi Frieden mit Gott gefunden hat, der Gedanke an die Auferstehung und die für ihn damit notwendig verbundene Verantwortung eine unerträgliche Sache. Es darf keine Auferstehung der Toten geben!
Aber dann gibt es drittens eine finstere Macht, oder richtiger eine Person, deren Macht durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi gebrochen wurde, welche die Kunde von dem Siege des Sohnes des Menschen mit allen Mitteln aus der Welt schaffen, den Herzen der Menschen entreißen möchte. Diese Person ist Satan, der Fürst der Finsternis, der durch die Sünde Gewalt über den Menschen bekommen hat und ihn nun durch Todesfurcht sein ganzes Leben hindurch in Knechtschaft hält. (Vgl. Hebr. 2, 15.) Der Mensch meint zwar, sein eigener Herr zu sein, aber er ist in Wirklichkeit ein Sklave Satans, des Gott es und Fürsten dieser Welt. (2. Kor. 4, 4; Joh. 14, 30.) Er vermag sich aus den Fesseln dieses Gewaltigen aus eigener Kraft nicht zu befreien, lässt sich vielmehr von ihm als Werkzeug zur Ausführung seiner Zwecke und Absichten gebrauchen.
Als Christus, der Sohn Gottes, in das Bollwerk Satans hinabstieg und durch Seinen Tod und Seine Auferstehung die Gewalt des Feindes zerstörte, brachte Er Leben und Unverweslichkeit ans Licht durch das Evangelium, so dass jetzt jeder, der im Glauben seine Zuflucht zu Jesu nimmt, der Macht Satans für immer entrissen wird. Der Tod, dieses furchtbare Schreckmittel Satans, hat keinen Stachel, keine Schrecken mehr für ihn; er ist im Gegenteil in Sieg und Triumph für ihn verwandelt.
Wir können deshalb gut verstehen, dass Satan gewaltige Anstrengungen macht, um die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, diese Heil und Leben bringende Wahrheit, welche zugleich Seine vollständige Niederlage beweist, zu beseitigen; und, wie bereits gesagt, leider fand und findet er Werkzeuge genug, die eifrig seine Arbeit tun. Doch wenden wir uns zu unserem eigentlichen Thema. „Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt'', haben wir gelesen. Es sind herrliche, sieghafte Worte, mit welchen der inspirierte Apostel eine längere Abhandlung über die Lehre von der Auferstehung schließt. „Christus ist auferstanden!“ Schon das eine Wort wäre genügend für uns. Denn wenn Gott gesprochen hat, so geziemt es dem Menschen, zu schweigen und —zu glauben. „Wer bist du, o Mensch, der du das Wort nimmst wider Gott?“ (Röm. 9, 20.) Indes hat es Gott nicht bei diesem einen Wort bewenden lassen. Es hat Ihm gefallen, die Auferstehung Christi durch eine solch überwältigende Fülle von Beweisen zu bestätigen, dass man sie entweder als unumstößliche Wahrheit annehmen, oder die ganze göttliche Offenbarung leugnen und den Apostel und die übrigen Jünger des Herrn für Lügner erklären muss. Jede andere Möglichkeit ist ausgeschlossen. Wir stehen vor einem ernsten „Entweder — oder''.
Es ist zwar oft gesagt worden, die Jünger hätten sich in einer frommen Täuschung befunden, als sie an die Auferstehung ihres Herrn und Meisters glaubten; sie hätten so fest aus Seine Siegesmacht vertraut, und ihre Herzen wären so sehr mit dem Verlangen, Ihn zu sehen, erfüllt gewesen, dass sie wirklich gemeint hätten, Jesus sei leibhaftig in ihrer Mitte erschienen; mit einem Wort, sie hätten eine Vision gehabt, ein Gesicht gesehen.
Aber, werte Freunde, gerade das Gegenteil ist der Fall. Jene Behauptung ist eine direkte Verfälschung und Verdrehung der Tatsachen. Die Jünger haben die Auferstehung Jesu gar nicht erwartet, und als sie die Kunde davon vernahmen, haben sie gar nicht daran geglaubt. Ihre Hoffnungen, die ausschließlich aus eine Wiederherstellung des Reiches Israel und auf die Befreiung des Volkes von der Herrschaft der Römer gerichtet gewesen, waren mit dem gestorbenen Messias für immer zu Grabe getragen worden. Alles war finster, hoffnungslos finster, um sie her. Was der Herr ihnen über Seine Auferstehung gesagt hatte, war ihnen so völlig unverständlich geblieben, dass die Nachricht von derselben sie „außer sich brachte''. (Luk. 24, 22. 23.) Selbst als Jesus persönlich unter sie trat, wollten sie nicht glauben, dass Er es sei. Sie meinten, sie sähen einen Geist, und der Herr musste ihnen die allerdeutlichsten, unwiderleglichsten Beweise davon geben, dass Er nicht ein Geist, sondern ein wirklicher, wesen- und körperhafter Mensch sei. „Sehet meine Hände und. meine Füße'', sagt Er, „dass ich es selbst bin; betastet mich und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, dass ich habe.“„„ Und als sie noch nicht glauben konnten, forderte Er von ihnen zu essen, und sie reichten Ihm ein Stück gebratenen Fisch und von einer Honigscheibe, und Er nahm und aß vor ihnen. (Luk. 24, 36 - 43.)
So mussten sie denn die wunderbare Tatsache annehmen, —— und sie taten es mit tiefer, seliger Freude, —— dass der Jesus, welcher für sie am Kreuze, im Gericht Gottes gewesen, aus den Toten auferweckt war, und dass nicht ein Geist, nicht eine Vision, sondern ein wahrer, leibhaftiger Mensch vor ihnen stand, ein Mensch, der vor ihren Augen aß und trank.
Aber, sagt man, der Evangelist Lukas hat diese Dinge so berichtet, wie sie ihm später mitgeteilt wurden; er war nicht selbst Augen- und Ohrenzeuge. Auch für diesen Einwurf hat Gott Vorsorge getroffen. Abgesehen von dem Bericht des Evangelisten Johannes (Kap. 20, 19 - 29), lesen wir im 10. Kapitel der Apostelgeschichte: „Und wir sind Zeugen alles dessen, was Er sowohl im Lande der Juden als auch in Jerusalem getan hat; welchen sie auch umgebracht haben, indem sie Ihn an ein Holz aufhängten. Diesen hat Gott am dritten Tage auferweckt und Ihn sichtbar werden lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern den von Gott zuvor erwählten Zeugen, uns, die wir mit Ihm gegessen und getrunken haben, nachdem Er aus den Toten auferstanden war.“ (V. 39 - 41.) Hier haben wir die Erzählung eines Augen- und Ohrenzeugen, des Apostels Petrus; und wieder müssen wir sagen? Der Bericht ist so abgefasst, dass wir entweder Petrus für einen Lügner erklären, oder seinem Bericht Glauben schenken müssen. Da bleibt kein anderer ehrlicher Ausweg!
Doch gehen wir weiter. In der ersten Hälfte unseres Kapitels stellt der Apostel Paulus nicht weniger als sieben Zeugnisse für die Wahrheit der Auferstehung Christi zusammen. Die Zahl sieben bezeichnet im Worte Gottes eine Vollkommenheit in geistlichen Dingen, meist im guten, hie und da auch im bösen Sinne. Für die Auferstehung Jesu wird also vom 3. bis zum 8. Verse unseres Kapitels ein siebenfältiges, d. h. vollkommenes Zeugnis aufgestellt.
Betrachten wir dasselbe etwas näher. Zunächst hören wir, dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften, ebenso, dass Er begraben und am dritten Tage auferweckt worden ist nach den Schriften. Ich brauche kaum zu sagen, dass die Schriften des Alten Testaments hier gemeint sind. Siech haben viele Jahrhunderte vorher mittelbar und unmittelbar von dem Tode und der Auferstehung Christi gezeugt. Schon bei Abraham finden wir ein Verständnis für die Auferstehung, ja, sogar für die Auferstehung aus denk Toten. Er glaubte dem Gott, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft als seiend''. (Röm. 4, 17.) Und als er auf göttlichen Befehl nach dem Berge Morija zog, um seinen .Sohn Isaak zu opfern, stand der Glaube an die Auferstehung so lebhaft vor seiner Seele, dass er keinen Augenblick zögerte, seinen geliebten, eingeborenen Sohn Gott darzubringen, obgleich alle Verheißungen gerade in diesem Sohne erfüllt werden sollten. Der Glaube Abrahams urteilte folgendermaßen: Wenn Gott. meinen Sohn Isaak zum Opfer fordert, dann muss Er ihn aus den Toten aufzuerwecken vermögen. (Vgl. Hebr. 11, 17 - 19.) Derselbe Glaube befähigte ihn und seine Nachkommen, als Fremdlinge im Lande der Verheißung zu wohnen, ohne einen Fußbreit Boden zu besitzen; denn Abraham schaute hin auf die Stadt, welche Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. In der Kraft desselben Glaubens gab Joseph sterbend Befehl wegen seiner Gebeine; denn er rechnete aus die Erfüllung der Verheißungen Gottes bezüglich des Landes Kanaan., Beides wäre sinnlos gewesen ohne den Glauben an eine Auferstehung.
Doch wir sind nicht nur auf solche, mehr oder weniger undeutliche Anzeichen dieses Glaubens im Alten Bunde angewiesen; wir besitzen auch ganz klare, bestimmte Aussprüche über das, was Gott mit Seinem Geliebten tun wollte. So hören wir z. B. in Psalm 16, 10: „Du wirst meine Seele dem Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe''. Diese Stelle führt Paulus in seiner Rede in Antiochien (Apostelgesch. 13) als prophetisches Zeugnis für die Auferstehung Jesu Christi an; denn unmöglich können sich die Worte aus David selbst beziehen, wie der Apostel dies aufs deutlichste beweist: „David freilich'', sagt er, „entschlief und wurde zu seinen Vätern beigesetzt und sah die Verwesung. Der aber, den Gott auferweckt hat , sah die Verwesung nicht.'' (Vgl. auch die Rede des Apostels Petrus in Apg. 2.) In Jesaja 53, 9 wird ebenfalls prophezeit, und zwar nachdem vorher gesagt ist, dass man das Grab Christi bei Gesetzlosen bestimmt habe, dass Er aber bei einem Reichen gewesen sei in Seinem Tode: „Jehova gefiel es, Ihn zu zerschlagen, Er hat Ihn leiden lassen. Wenn Seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird Er Samensehen, Er wird Seine Tage verlängern, und das Wohlgefallen Jehovas wird in Seiner Hand gedeihen.'' Es gibt noch andere Stellen und Hinweise im Alten Testament, welche dartun, nicht nur dass der Tod und die Auferstehung Jesu Christi schon lange vorher bezeugt worden sind, sondern auch dass das Bewusstsein in den Herzen der Gläubigen lebte: es gibt ein Leben nach dem Tode, es gibt eine Auferstehung des Leibes. (Vgl. z. B. auch Dan. 12, 13.) Wohl war dieses Bewusstsein nicht so klar wie im Neuen Bunde, konnte nicht so klar sein, weil Christus noch nicht gestorben und auferstanden war und das Dunkel, welches über dem Hades lag, noch nicht gelichtet hatte; aber es war da.
So liefern denn die Schriften das erste Zeugnis für die Wahrheit von dem Tode und der Auferstehung Jesu Christi. Es ist nach den Schriften.
Nunmehr folgen lebendige Zeugen. Der erste dieser Zeugen, also der zweite in der Reihe, ist Kephas (Petrus), welchem der Herr zuerst ganz allein erschien, weil er zu allermeist des Trostes bedurfte.
Als drittes Zeugnis nennt der Apostel „die Zwölfe'', denen der Herr sich am Abend des Auferstehungstages offenbarte.
Zum vierten erschien Er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal (hier ist die Annahme, es könne sich möglicherweise um eine Vision gehandelt haben, jedenfalls von vornherein ausgeschlossen), von denen die meisten zu der Zeit, als Paulus seinen ersten Brief an die Korinther schrieb, noch lebten. Die Briefe des Apostels gelangten aber nicht nur an den Ort, wohin sie zunächst gerichtet waren, sondern in Abschriften auch an die Gemeinden in Judäa und anderswo (Vgl. 2. Petr. 3, 15. 16); wenn nun die Worte des Apostels irgendwie mit der Wahrheit im Widerspruch gestanden hätten, so würde er schon von seinen eigenen Zeitgenossen der Lüge überführt worden sein.
Als fünften Zeugen nennt der Apostel Jakobus, als sechstes Zeugnis die Apostel alle.
Der siebente Zeuge ist Paulus selbst, eine unzeitige Geburt, wie er sich nennt, weil er vor der Zeit den verherrlichten Christus auf dem Wege nach Damaskus erblickt hatte. Dort hatte ihn, den rasenden, wutschnaubenden Verfolger der Jünger Jesu, vom Himmel her ein Licht umstrahlt, das den Glanz der Sonne übertraf, -und er hatte die Worte gehört: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?'' und aus seine Frage: „Wer bist du, Herr?“ war ihm die Antwort geworden: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“. Was er am allerwenigsten erwartet hätte, was ihn, den strengen, untadeligen Pharisäer, als einen Feind und Widersacher Gottes erwies, was ihn völlig zu Boden schmetterte und sein ganzes bisheriges Leben mit allen seinen Vorzügen als ein verlorenes Leben in den Staub warf, was ihm alles nahm, worauf er bis dahin vertraut hatte —— gerade das musste ihm in jener Stunde begegnen, gerade das musste er sehen. Jener verhasste Jesus von Nazareth, den er für einen Betrüger und Lästerer gehalten hatte, erschien ihm in der Herrlichkeit des Himmels, als der zur Rechten Gottes verherrlichte Menschensohn. Ich frage: War das eine Sinnestäuschung, eine Vision, erzeugt durch tiefe, innere Erregungen, durch den gewaltigen Eindruck, welchen die Person Jesu auf diesen Mann gemacht hatte? Ist Saulus ein verdächtiger Zeuge? Wahrlich, die Antwort aus diese Fragen ist nicht schwer. So ist denn der Apostel der siebente und letzte in jener herrlichen Reihe von Zeugen, welche der Heilige Geist für die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten uns vor Augen führt; und mit Freude und Dank gegen Gott sei es wiederholt: ein siebenfaches Zeugnis für diese große Wahrheit richtet sich jetzt an unsere Herzen, ein Zeugnis, unwiderleglich, göttlich vollkommen! Gott hat die Wahrheit von der leiblichen Auferstehung Seines geliebten Sohnes, unseres teuren Herrn, hier mit einer siebenfachen Schutzwehr umgeben; und, meine lieben Freunde, es ist nicht von ungefähr so. Denn die Auferstehung Jesu Christi ist die Grundlage des Evangeliums, das Fundament des Christentums. Mit ihr steht und fällt unser ewiges Heil.
Hören wir nur, was der Apostel den Korinthern zuruft: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt'', - das war es, was durch die Irrlehrer behauptet wurde; sie leugneten die Auferstehung des Leibes, — „so ist auch Christus nicht auferweckt; wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist also auch unsere Predigt vergeblich, aber auch euer Glaube vergeblich. Wir werden aber auch als falsche Zeugen Gottes erfunden'', - genau das, was ich vorhin gesagt habe, - „weil wir in Bezug aus Gott gezeugt haben, dass Er den Christus auferweckt habe, den Er nicht auferweckt hat, wenn wirklich Tote nicht auferweckt werden .... Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren Sünden. Also sind auch die, welche in Christo entschlafen sind, verloren gegangen. Wenn wir allein in diesem Leben auf Christum Hoffnung haben, so sind wir die elendsten von allen Menschen.'' (V. 13-19.) Genauso ist es. Die Beweisführung des Apostels ist von überwältigender Kraft. Entweder ist es wahr, was jene Zeugen bezeugt haben, ihre Berichte sind zuverlässig, oder sie sind Lügner und Betrüger, und das ganze Evangelium ist eine Fabel, das Christentum ein Trug. Beachte n wir wohl, was auf dem Spiele steht! Ja, Gott gebe uns Gnade, dass wir uns durch nichts und niemanden das rauben lassen, was allein dem armen Menschenherzen für Zeit und Einigkeit Ruhe und Frieden zu geben vermag! Lasst uns von Herzensgrund, kindlich einfältig, Dem glauben, der nicht lügen kann, „der Jesum, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist''. (Röm. 4, 24. 25.)
Es ist beachtenswert, dass die Weiber, welche den Herrn nach Seiner Auferstehung gesehen haben, in der Reihe der Zeugen nicht genannt werden. Es geschieht wohl, um das siebenfache, vollkommene Zeugnis von der Auferstehung Christi nicht im geringsten zu schwächen. So kommen wir denn wieder zu demselben ernsten „Entweder - oder''. Ein Ausweichen ist unmöglich. Entweder beugen wir uns vor dem unantastbaren Zeugnis von der Auferstehung Jesu Christi aus den Toten und dürfen dann im Glauben die herrlichen Resultate Seines Todes und Seiner Auferstehung ergreifen, den Sieg des Sohnes Gottes über Tod, Satan und Sünde mit all seinen gesegneten Folgen — oder wir leugnen jede göttliche Offenbarung und bleiben dann notwendigerweise in der Finsternis, unter der Gewalt Satans, des Gottes und Fürsten dieser Welt, „der den Sinn der Ungläubigen verblendet hat, damit ihnen nicht ausstrahle der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit Christi, welcher das Bild Gottes ist.'' (2. Kor. 4, 4.)
Ach, die menschliche Weisheit ist zu allen Zeiten mit der Wahrheit Gottes in Widerspruch geraten; „denn das Wort vom Kreuze ist denen, die verloren gehen, Torheit''; und umgekehrt: „Die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott''. (1. Kor. 1, 18; 3, 19.)
Der Kampf zwischen Licht und Finsternis, der von Anfang an, seit dem Sündenfalle des Menschen, nicht aufgehört hat, tobt in der gegenwärtigen Zeit mit vermehrter Kraft rund um uns her, und jedes einzelne Menschenherz wird zu der Entscheidung gedrängt, ob es der Macht der Finsternis entfliehen und sich in die Arme Jesu Christi, des gekreuzigten und auferstandenen Heilandes, im Glauben an Sein vollbrachtes Versöhnungswerk, werfen will, oder ob es der Stimme der Verführung das Ohr leihen und denen folgen will, welche, wie Gottes Wort mit solch schneidender Schärfe sagt, „verloren gehen''. Ist das Wort vom Kreuze denen, die verloren gehen, Torheit, so ist es denen, die errettet werden, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Ja, es gefällt Gott wohl, da die Welt durch ihre Weisheit Ihn nicht erkannt hat, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten. Und Er schreitet in diesem Werke ruhig voran, bringt die Ratschlüsse Seiner erlösenden Liebe, hier einen rettend, dort einen von dem drohenden Verderben zurückreißend, zur Ausführung, unbekümmert um den Menschen und seine stolzen Anmaßungen. Ja, Gott tut ein großes Werk in unseren Tagen.
Niemals hat es so viele Menschen auf der Erde gegeben, die durch den lebendigen Glauben an ihren Heiland und Erretter Frieden gesunden haben mit Gott, Vergebung ihrer Sünden und eine sichere Hoffnung für die Ewigkeit, wie heute. Auch in unserem deutschen Vaterlande ist Gottes Geist mächtig wirksam, Seelen zu erretten und aus der Finsternis in Sein wunderbares Licht zu führen, trotz aller Anstrengungen Satans, das Werk Jesu Christi, des Sohnes Gottes, zu leugnen und die Seelen unter die verblendenden Einflüsse des Unglaubens und der „fälschlich so genannten Kenntnis-“ zu bringen. Gott sei gepriesen! die törichte Predigt vom Kreuze wird weit und breit verkündigt, und Tausende haben geglaubt und rühmen jetzt Den, der am Kreuze für sie starb, der zu ihrer Rechtfertigung aus den Toten auferstand und sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe, und der nun bald wiederkehren wird, um all die Seinen zu sich zu nehmen. Tausende rühmen frohlockend die Gnade, welche ihrem beschwerten Gewissen Ruhe gegeben, ihrem friedelosen Herzen Frieden gebracht, und die trostlose Leere ihres Innern ausgefüllt hat mit Freude und seliger Befriedigung.
Noch immer ertönt die Gnadenbotschaft: „Siehe, jetzt ist die angenehme Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heils''; und: „Wen da dürstet, der komme, wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!'' Aber es gilt auch für unsere Tage das ernste Wort des Propheten: „Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und verschwindet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt''. (Apg. 13, 41.) O möchten deshalb alle, die heute hier gegenwärtig sind, ja, möchte jedes einzelne Menschenherz, das die Botschaft von der Gnade Gottes in Christo hört, sich dem Worte Gottes unterwerfen, so lange die Zeit der Gnade noch währt; möchte ein jeder seinen verlorenen Zustand im Lichte Gottes erkennen und sich zu Jesu wenden! „So sei es euch nun kund, Brüder, dass durch Diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon ihr im Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in Diesem jeder Glaubende gerechtfertigt.'' Alles eigene Tun ist ausgeschlossen, alle Veredlungsversuche des Menschen sind eitel. Er ist ein Sünder, ein verlorener, hilfloser Sünder. Das ist eine bittere, furchtbar bittere Wahrheit für das stolze, hochmütige Menschenherz; aber es ist Gottes Wahrheit, Gottes Urteil. Selig ein jeder, der sich unter dieses Urteil beugt und von Herzen fragt: „Was muss ich tun, dass ich errettet werde?“! Ihm wird heute, wie einst, die Antwort zu teil : „Glaube an den Herrn Jesum Christum“, und: „Dies ist das Wort des Glaubens, welches wir predigen, dass, wenn du mit deinem Munde Jesum als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott Ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst“ (Röm. 10, 9. 10).
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Drei bedeutungsvolle Tatsachen
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 126ff
Es mag gut sein, hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass es das Vorrecht jedes Gläubigen ist, nicht zu sündigen. Es ist keine Notwendigkeit vorhanden, dass ein Christ sündigen sollte. „Meine Kinder“, sagt der Apostel, „ich schreibe euch dieses, aus dass ihr nicht sündiget“. Das ist eine höchst kostbare Wahrheit für alle, welche die Heiligkeit lieben. Wir brauchen nicht zu sündigen. Der natürliche Mensch ist ein Sklave Satans, ein Knecht der Sünde. Der Christ ist aber aus Satans Macht und von der Herrschaft der Sünde befreit; wenn er also sündigt, so hat er keinerlei Entschuldigung. Möchten wir dessen stets eingedenk sein!
„Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.“ (1. Joh. 3, 9.) Das ist der göttliche Begriff von einem Menschen, der aus Gott geboren ist. Leider verwirklichen wir ihn nicht immer aber das ändert nichts an der kostbaren Wahrheit. Die göttliche Natur, der neue Mensch, das Leben Christi in dem Gläubigen, kann unmöglich sündigen; und es ist das Vorrecht jedes Gläubigen, so zu wandeln, dass nichts als das Leben Christi an ihm gesehen werde. Der Heilige Geist wohnt in dem Gläubigen, aus Grund der Erlösung, um den Wünschen der neuen Natur Kraft und Wirkung zu verleihen, damit das Fleisch im Tode gehalten werde und nur Christus in dem Leben des Gläubigen zu Tage trete.
Es ist von der größten Wichtigkeit, dass dieser göttliche Begriff von dem Leben eines Christen klar von uns erfasst und festgehalten werde. Man hört häufig die Frage: „Ist es für einen Christen möglich zu leben, ohne zu sündigen?'' Wir antworten in der Sprache des Apostels Johannes: „Meine Kinder, ich schreibe euch dieses, auf dass ihr nicht sündiget''. (1.Joh. 2, 1.) Oder in der u des Apostels Paulus: „Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollen wir noch in derselben leben?'' (Röm. 6, 2.) Gott betrachtet den Christen für der Sünde gestorben; und so verleugnet dieser, wenn er ihr zu wirken erlaubt, praktisch seine Stellung in einem auferstandenen Christus. Aber ach! wir sündigen; und so fügt der Apostel hinzu: „Wenn jemand gesündigt hat (es sollte eigentlich nie vorkommen, aber wenn es nun doch einmal geschieht) —— wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten. Und Er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.''
Das gibt dem Werke, auf welchem unsere Seelen ruhen, eine wunderbare Vollkommenheit. Kraft dieses Werkes haben wir einerseits einen Sachwalter bei uns, den Heiligen Geist, der in uns wohnt und wirkt, aus dass wir nicht sündigen, und andererseits haben wir einen Sachwalter bei dem Vater, Jesum Christum, den Gerechten, wenn wir sündigen. Von dem Ersteren spricht der Herr in Joh. 14, 16, wenn Er zu Seinen Jüngern sagt: „Und ich werde den Vater bitten: und Er wird euch einen anderen Sachwalter geben, dass Er bei euch sei in Ewigkeit''. So ist denn eine göttliche Person hienieden für uns tätig, und eine andere göttliche Person ist im Himmel für uns beschäftigt; und alles das aus Grund des Sühnungstodes Christi.
Aber, möchte der Leser wieder einwenden, ist es nicht gefährlich, so zu reden? Könnte das nicht zu einer gewissen Leichtfertigkeit der Sünde gegenüber führen? Das sei ferne! Wir haben bereits erklärt und bestehen durchaus daraus, dass es möglich ist, in solch ununterbrochener Gemeinschaft mit Gott zu leben, so in dem Geiste zu wandeln und so von Christo erfüllt und mit Ihm beschäftigt zu sein, dass das Fleisch oder der alte Mensch sich nicht geltend machen können. Wohl wissen wir, dass dies nicht immer der Fall ist. „Wir alle straucheln oft'', sagt Jakobus. Aber keine recht gesinnte Person, niemand, der die Heiligkeit liebt, kein geistlicher Christ wird irgendwie denen beipflichten, welche sagen, dass wir sündigen müssen. Gott sei Dank! es ist nicht so. Die Sünde herrscht nicht mehr über uns. (Vgl. Röm. 6, 14.) Aber dennoch, welche Gnade ist es, geliebter Leser, zu wissen, dass, wenn wir fehlen, Einer zur Rechten Gottes weilt, der das zerrissene Band der Gemeinschaft wiederherzustellen bemüht ist! Und wodurch tut Er dies? Dadurch dass Er durch Seinen in uns wohnenden Geist, jenen „anderen Sachwalter'', vermittelst des Wortes, das Gefühl in unseren Seelen wachrufst, dass wir gefehlt haben, und uns zu einem wahren, aufrichtigen Bekennen des Verkehrten führt, worin es auch bestehen möge.
Wir reden von einem „wahren, aufrichtigen Bekennen''; denn das wird es sein, wenn es anders dies Frucht des Werkes des Geistes in unseren Herzen ist. Es ist nicht ein leichtes, flüchtiges Sagen: „ich habe gesündigt'', worauf dann ebenso leicht und flüchtig wieder die Sünde folgt. Das ist kein Bekennen, sondern ein höchst trauriges und gefährliches Tun. Ja, wir kennen nichts, was mehr dazu angetan wäre, das Herz zu verhärten und zu verderben, als dies. Es führt unfehlbar zu den traurigsten Folgen. Wir haben Fälle gekannt, wo Personen in der Sünde lebten, von Zeit zu Zeit mit einem Lippenbekenntnis vor Gott kamen und dann hingingen und die Sünde wieder und wieder begingen; und dies ging so. voran, Monate und Jahre lang, bis Gott in Seiner Treue dafür sorgte, dass die Sache vor Anderen offenbar wurde.
Das ist eine höchst traurige, ja, schreckliche Sache. Es ist Satans Weise, das Herz zu verhärten und zu: betrügen. O dass wir dagegen auf der Hut sein und uns ein zartes Gewissen bewahren möchten! Wir dürfen versichert sein: wenn ein aufrichtiges Kind Gottes sich zur Sünde hat verleiten lassen und nun zur Einsicht kommt, so wird der Heilige Geist in ihm ein solches Gefühl über die Sünde erwecken, einen solchen Ekel vor sich selbst und einen solchen Abscheu vor dem Bösen hervorrufen, dass es nicht leichtfertig hingehen und die Sünde wieder begehen kann. Dies können wir den Worten des Apostels entnehmen, wenn er sagt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt und'' — beachten wir wohl diese wichtigen Worte! - „uns reinigt von aller Ungerechtigkeit''.
Hier haben wir die kostbare Frucht der Sachwalterschaft. Wenn jemand sündigt, so verwendet sich der hochgelobte Vermittler droben bei dem Vater, bringt als „der Gerechte'' gleichsam die vollen Verdienste Seines Sühnungswerkes in Erinnerung und bittet für den Strauchelnden auf Grund dessen, dass Er das Gericht für jene Sünde getragen hat. Andererseits wirkt der Heilige Geist, der andere Vermittler, hienieden in dem Gewissen des Gläubigen, ruft Buße und Bekenntnis hervor und bringt die Seele ins Licht zurück; hier empfängt sie dann das süße Gefühl, dass die Sünde vergeben, die Ungerechtigkeit hinweggetan und die Gemeinschaft wiederhergestellt ist.
Viele finden eine Schwierigkeit darin, den Gedanken einer fortwährenden Fürsprache mit der Tatsache in Einklang zu bringen, dass ein vollkommenes Sühnungswerk geschehen ist. „Wenn“, sagen sie, „die Sühnung vollkommen ist, was brauchen wir dann noch Fürsprache? Wenn der Gläubige durch das Blut Christi so weiß wie Schnee gemacht ist, so dass Gott, der Heilige Geist, in seinem Herzen wohnen kann, wozu hat er dann noch einen Priester nötig? Wenn Christus durch ein Opfer aus immerdar alle vollkommen gemacht hat, die geheiligt werden, wie bedürfen dann diese Vollkommenen und Geheiligten noch eines Sachwalters? Entweder muss man also an eine unvollkommene Sühnung denken, oder die Notwendigkeit eines Sachwalters in Abrede stellen.
So überlegt der menschliche Verstand; aber so urteilt nicht der Glaube. Wohl belehrt uns die Schrift darüber, dass der Gläubige so weiß wie Schnee gewaschen ist, dass er begnadigt ist in dem Geliebten, dass durch den Tod und die Auferstehung Christi nicht nur alle seine Sünden vergeben sind, sondern auch er selbst völlig gerechtfertigt ist; dass er nie ins Gericht kommen kann, dass er nicht im Fleische, sondern im Geiste, nicht ein Glied des ersten, sondern des letzten Adam ist; dass er der Sünde, der Welt und dem Gesetz gestorben ist usw. usw. Alles das ist wahr; aber dann muss noch ein anderer Gesichtspunkt in Rechnung gezogen werden. Obwohl nicht mehr im Fleische, ist der Christ doch noch im Leibe. Obwohl seiner Stellung nach in Christo, ist er tatsächlich doch. noch in der Welt; und er ist hier von allen Arten von Versuchungen und Schwierigkeiten umgeben, ist in sich selbst nur ein armes, schwaches Geschöpf, in welchem (das ist in seinem Fleische) nichts Gutes wohnt. Er ist gerettet, Gott sei Dank! und alles ist für ewig in Ordnung gebracht; aber als Erretteter muss er durch die Wüste pilgern, muss Fleiß anwenden, um in Gottes Ruhe einzugehen u. s. w. Hier ist es, wie schon weiter oben gesagt, wo das Priestertum einsetzt. Der Zweck des Priestertums ist nicht, das Sühnungswerk zu vollenden; dieses Werk ist geradeso vollkommen wie der, welcher es vollbracht hat. Aber um durch alle Gefahren der Wüste hindurch in die Ruhe gebracht zu werden, welche dem Volke - Gottes noch bleibt, haben wir einen großen Hohenpriester nötig, der durch die Himmel gegangen ist, Jesum, den. Sohn Gottes. Seine Zuneigung und Hülse sind unser, und wir könnten ohne sie nicht einen Augenblick sein. Durch Seinen Dienst im himmlischen Heiligtum hält Er uns Tag für Tag aufrecht. Er hat Mitgefühl mit uns in unseren Schwachheiten; Er bittet für uns, wenn uns Gefahren und Versuchungen drohen; Er richtet uns aus, wenn wir straucheln; Er bringt uns zurück, wenn wir - abgeirrt sind; Er stellt die Gemeinschaft wieder her, wenn sie durch unsere Nachlässigkeit unterbrochen ist. Mit einem Wort, Er erscheint allezeit in der Gegenwart Gottes für uns und verrichtet dort zu unseren Gunsten einen ununterbrochenen Dienst, wodurch wir in der Beziehung, in welche Sein Sühnungstod uns zu Gott gebracht hat, unversehrt erhalten werden.
Es bleibt uns jetzt noch der dritte Punkt unserer Betrachtung übrig: die Ankunft des Herrn. Wir fühlen tief die Armut dessen, was wir über die beiden ersten Punkte gesagt haben; besonders möchten wir den Leser daran erinnern, dass wir bei der Behandlung des Todes Christi eine wichtige Wahrheit gänzlich unberührt gelassen haben, nämlich: unser Gestorbensein in und mit Ihm. Diese Wahrheit ist unendlich wichtig, da sie uns zeigt, dass wir sowohl von der Macht der in uns wohnenden Sünde, als auch von dieser gegenwärtigen bösen Welt und von dem Gesetz befreit sind. Sie ist das Geheimnis des Sieges über das Ich und die Welt und macht uns los von jeder Form von Gesetzlichkeit und fleischlicher Frömmigkeit. Gehen wir denn jetzt zu einer kurzen Besprechung des genannten dritten Punktes unserer Betrachtung über, zu Seiner Ankunft.
Dieselbe wird uns in unmittelbarer Verbindung mit den großen Grundwahrheiten vorgestellt, welche unsere Aufmerksamkeit bereits in Anspruch genommen haben. Christus ist in dieser Welt erschienen, um die Sünde durch Sein Opfer abzuschaffen und die Sünden Vieler zu tragen. Er ist durch die Himmel gegangen und hat Seinen Sitz aus dem Throne Gottes eingenommen, um da für uns zu erscheinen. Beides ist wahr, Gott sei dafür gepriesen! Aber ebenso wahr ist es auch, dass Er wieder erscheinen wird zu unserer Seligkeit, ohne dass dann die Frage der Sünde berührt wird. „Und ebenso wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, also wird auch der Christus, nachdem Er einmal geopfert worden ist, um Vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die Ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit.“
Bestimmter könnte die Sache nicht ausgedrückt werden. So wahr Christus auf dieser Erde erschienen ist, so wahr Er umherging, Gutes tuend und heilend alle, die von dem Teufel überwältigt waren, so wahr Er an dem Fluchholze auf Golgatha hing und starb, so wahr Er in das dunkle, schweigende Grab gelegt wurde, aus dem Er am dritten Tage siegreich auferstand, um dann schließlich in die Himmel hinaufzusteigen, wo Er in der Gegenwart Gottes für uns erscheint, so wahr wird Er in kurzem in den Wolken des Himmels erscheinen, um die Seinigen zu sich zu nehmen. Wenn man eine unserer drei Tatsachen in Frage stellt, so muss man sie alle in Frage stellen. Ist eine von ihnen ungewiss, so sind sie alle ungewiss, weil alle genau auf derselben Grundlage ruhen, nämlich auf den Heiligen Schriften. Wie weiß ich, dass Jesus erschienen ist? Weil die Schrift es mir sagt. Wie weiß ich, dass Er für mich bei Gott erscheint? Weil die Schrift es mir sagt. Wie weiß ich, dass Er erscheinen wird? Wiederum weil die Schrift es mir sagt. Alle drei Tatsachen stehen oder fallen miteinander.
Wie kommt es nun, dass die Kirche Gottes, während sie die Lehren von dem Sühnungswerk und dem Hohenpriestertum Christi zu allen Zeiten festhielt und hochschätzte, die Lehre von der Ankunft des Herrn so völlig aus dem Auge verloren hat? Wie kommt es, dass man die beiden ersten Wahrheiten als wesentlich betrachtet, die letzte aber meist für ganz unwesentlich hält? Ja, wir können noch weiter gehen und fragen: Wie kommt es, dass ein Mensch, der nicht an den ersten beiden Wahrheiten festhält, als Ketzer betrachtet wird, während ein anderer, der auch die letzte hochhält, bei Vielen für ungesund im Glauben oder gar für nicht ganz verständig gilt?
Ach, die Antwort auf diese Fragen lautet traurig genug. Die Kirche hat aufgehört, nach dem Herrn auszuschauen. An Sühnung und Hohepriestertum hat man festgehalten, weil sie uns unmittelbar angehen und sich mit unseren Bedürfnissen beschäftigen; aber die Ankunft des Herrn hat man aus dem Auge verloren, weil sie mehr Ihn als uns berührt. Es gebührt Ihm, der aus dieser Erde litt und starb, dass Er über alles regiere; Ihm, der s eine Dornenkrone trug, dass Er eine Krone der Herrlichkeit trage; Ihm, der sich bis in den Staub des Todes niederbeugte, dass Er erhöht werde, und dass jedes Knie sich vor Ihm beuge. Wahrlich, alles das gebührt Ihm, und der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi wird dafür Sorge tragen, dass es zu Seiner Zeit zustande komme. „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße!“ heißt es in Ps. 110. (Vgl. Hebr. 10.) Der Augenblick naht schnell heran, wo der hochgelobte Herr, welcher jetzt vor den Augen der Menschen verborgen ist, erscheinen wird in Herrlichkeit. Jedes Auge wird Ihn dann schauen. So gewiss wie Er einst an dem Kreuze hing und jetzt aus dem Throne Gottes sitzt, so gewiss wird Er bald in Herrlichkeit erscheinen.
Teurer Leser, gehörst du zu denen, welche „Ihn erwarten“? Das ist eine ernste Frage. Da sind solche, die Ihn erwarten, und andere, welche es nicht tun. Nun, den ersten wird Er zur Seligkeit erscheinen, den zweiten nicht. Er wird kommen und die Seinigen zu sich nehmen, damit sie da seien, wo Er ist. (Vgl. Joh. 14.) So lauten Seine eigenen, freundlichen Worte, und Er sprach sie einst zum Trost und zur Erquickung Seiner trauernden Jünger, als Er im Begriff stand, von ihnen wegzugehen. Er wusste und rechnete daraus, dass Sie durch Sein Weggehen betrübt sein würden, und Er suchte sie deshalb durch die Versicherung Seiner Rückkehr zu trösten. Er sagte nicht: „Euer Herz werde nicht bestürzt, denn ihr werdet mir bald folgen'', sondern: „denn ich komme wieder''.
Das ist die Hoffnung des Christen: Christus kommt wieder. Sind wir bereit? Erwarten wir Ihn? Entbehren wir Ihn jetzt? Trauern wir über Seine Abwesenheit? Wir können uns unmöglich in der richtigen Stellung befinden, was unser Warten auf Ihn betrifft, wenn wir Seine Abwesenheit nicht fühlen. Er wird kommen. Wann? Möglicherweise heute Abend noch. Ehe die Sonne wieder aufgeht, ertönt vielleicht die Stimme des Erzengels und der Schall der Posaune. Und was wird dann geschehen? Nun, wir wissen es ja; dann werden alle entschlafenen Heiligen, alle die im Glauben an Christum aus diesem Leben geschieden sind, alle Erlösten des Herrn, deren Leiber in den Gräbern um uns her oder in den unergründlichen Tiefen des Ozeans ruhen —— sie alle werden auferstehen. Die lebenden Heiligen werden in einem Nu, in einem Augenblick verwandelt werden, und alle miteinander werden entrückt werden dem Herrn entgegen in die Lust. (Vgl. 1. Kor. 15, 51 - 54; 1. Thess. 4,13 - 5, 11.) Doch was wird werden aus den Unbekehrten, den Ungläubigen, den Unbußfertigen und den Unvorbereiteten? Was wird ihr Ende sein? Das ist eine Frage von furchtbarem Ernst. Das Herz zitiert bei dem Gedanken an das Los derer, welche noch in ihren Sünden sind, welche den Bitten und Warnungen, wodurch Gott sie in Seiner langmütigen Barmherzigkeit von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr, zur Umkehr aufgefordert hat, ein taubes Ohr entgegengebracht haben. Wie schrecklich wird das Los aller solcher sein, wenn der Herr kommt, um die Seinigen zu sich zu nehmen! Sie werden zurückbleiben und dem finstern Geist des Irrtums zum Opfer fallen, welchen Gott allen denen senden wird, die das Evangelium gehört, aber die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben (Vgl. 2. Thess. 2, 10 - 12). Und was wird auf dieses schreckliche Gericht Gottes folgen? Die noch viel schrecklichere Verdammnis, der See, der mit Feuer und Schwefel brennt, das ewige Verlassensein von Gott.
O sollten wir nicht, angesichts solch furchtbarer Tatsachen, einen lauten Alarmruf an die Ohren unserer Mitmenschen gelangen lassen? Sollten wir sie nicht dringender und ernster, als bisher, auffordern, dem kommenden Zorn zu entfliehen? Sollten wir nicht suchen, ihnen durch Wort und Tat, durch das Zeugnis der Lippen und des Lebens, die so wichtige Tatsache vorzustellen, dass „der Herr nahe ist''? Jeder treue, aufrichtige Gläubige wird antworten: „Ja“; und es wird nicht nur bei einem Worte der Lippen bleiben, sondern wir werden alle die Notwendigkeit fühlen, mehr in dieser Wahrheit zu leben und sie mit größerer Treue im Wandel darzustellen. Es liegt eine gewaltige moralische Kraft in der Wahrheit von dem Kommen des Herrn, wenn sie wirklich mit dem Herzen, und nicht bloß mit dem Kopfe, festgehalten wird. Ach, wenn die Christen nur mehr in der beständigen Erwartung dieser Ankunft lebten! Es würde aus die Unbekehrten um sie her einen erstaunlichen Eindruck machen. Ja, möchte Gott in den Herzen aller Seiner Kinder die gesegnete Hoffnung von der Rückkehr Seines Sohnes wiederaufleben lassen, damit sie Menschen gleich seien, die aus ihren Herrn warten, auf dass, wenn Er kommt und anklopft, sie Ihm alsbald aufmachen!
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Nach Kanaan!
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 140ff
Nach Kanaan! – Wohlan, ich bin bereit,
es harrt der Stab, gegürtet ist das Kleid.
Mich fesselt nichts. - Im Lande Pharaos
ist Schmach mein Los.
Das Sühnungsblut, der Rettung Unterpfand,
von meiner Schwelle hält der Tod gebannt.
So lausch ich Dem, der mir Befreiung schuf,
und Seinem Ruf
Klara Becker
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Die erste und die zweite Auferstehung
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 141ff
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass die Stunde kommt und ist jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben. Denn gleichwie der Vater Leben in sich selbst hat, also hat Er auch dem Sohne gegeben, Leben zu haben in sich selbst; und Er hat Ihm Gewalt gegeben, auch Gericht zu halten, weil Er des Menschen Sohn ist. Wundert euch darüber nicht, denn es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber dass Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts.“ (Joh. 5, 25—29.) .
„Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig, wer teil hat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus?. sein und mit Ihm herrschen tausend Jahre.“ (Offbg. 20,5. 6.) Wir haben uns das vorige Mal (s. Seite 113ff.) mit der Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi beschäftigt. Heute möchte ich, im Anschluss an die beiden verlesenen Schriftabschnitte, ein Wort reden über die Auferstehung der Toten überhaupt.
Es ist eine althergebrachte und weit verbreitete Meinung, dass die Auferstehung eine allgemeine sein werde, d. h. dass alle Toten, ob sie nun im Glauben entschlafen oder im Unglauben gestorben sind, zu ein und derselben Zeit aus ihren Gräbern hervorgerufen werden würden, um dann miteinander vor den Richterstuhl Christi gestellt zu werden und dort zu empfangen, was sie während ihres Lebens getan haben, es sei Gutes oder Böses. Diese Meinung, so alt und allgemein angenommen sie sein mag, ist irrig. Sie widerspricht den klaren Belehrungen des Wortes Gottes. Nach diesen gibt es zwei Auferstehungen, und zwar eine erste und eine zweite; oder, wie der Herr in Joh. 5 sagt, eine Auferstehung des Lebens und eine Auferstehung des Gerichts; oder endlich, wie wir an verschiedenen Stellen der Schrift lesen, eine Auferstehung aus den Toten und eine Auferstehung der Toten. Alle, welche an der ersten Auferstehung teilhaben, werden glückselig und heilig gepriesen, denn über sie hat der zweite Tod keine Gewalt.
Was ist denn das, „der zweite Tod''? höre ich fragen. Die Antwort ist ernst. Wir finden sie in dem Buche der Offenbarung, am Ende des 20. Kapitels. Der zweite Tod ist „der Feuersee'', oder „der See, der mit Feuer und Schwefel brennt''. (Kap. 21, 8.) Über alle diejenigen, welche teilhaben an der ersten Auferstehung, hat der zweite Tod keine Gewalt. Über ihren Namen und ihrer Geschichte steht das kostbare Wort „Leben''. Alle aber, die der zweiten Auferstehung angehören, deren Namen nicht geschrieben gefunden werden in dem Buche des Lebens, alle, die im Unglauben aus dieser Welt geschieden sind, werden dem zweiten Tode anheimfallen. Sie kennzeichnet das ernste Wort „Tod“.
Ehe wir indes auf diese beiden Perioden der Auferstehung näher eingehen, möchte ich noch einmal auf den Abschnitt zurückgreifen, den wir das vorige Mal lasen, und von welchem wir nur den ersten Satz eingehender behandeln konnten; denn gerade in jenem Abschnitt (1. Kor. 15, 20 — 28) wird uns eine kurze, gedrängte Zusammenstellung der letzten Ereignisse gegeben. In Verbindung mit den Worten: „Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt'', wird der Herr der Erstling der Entschlafenen genannt. Unser geliebter Herr hat viele Titel, solche, die Ihm von jeher eigen sind, und solche, die Er erworben hat. Zu der ersten Klasse gehören alle jene Namen und Titel, welche bezeichnen, was Er in Seiner Person ist und von Einigkeit her war; wie z. B. Jehova, das ewige Wort, der Sohn Gottes, der Allmächtige, der Schöpfer aller Dinge usw. Zu der zweiten Klasse gehören alle die Titel, welche Er sich durch Seine Menschwerdung, durch Seinen Wandel in Gehorsam als Mensch hienieden, durch Sein vollbrachtes Werk, durch Seinen Tod und Seine Auferstehung erworben hat. Da ist Er z.B. der Sohn des Menschen, der Diener Gottes, das Lamm Gottes, der Hohepriester, das Haupt Seines Leibes, der Versammlung, und vieles andere. Zu diesen erworbenen Titeln gehört auch der hier genannte: der Erstling der Entschlafenen.
Unser Herr und Heiland ist gestorben, wahrhaftig gestorben, nicht etwa nur zum Scheine. Er war während jener schrecklichen drei Stunden der Finsternis unserer Sünden wegen unter dem Zorne Gottes; Er trank den Kelch dieses Zornes, indem Er den Tod als der Sünde Sold erlitt. Er, der Heilige und Gerechte, der Fürst des Lebens, wurde in den Staub des Todes gelegt. (Vgl. Psalm 22, 15.) Aber als sich Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit völlig an Ihm befriedigt hatten, als Gott im Blick aus die Sünde verherrlicht und Satans Macht gebrochen war, stand Er als der Erstling der Entschlafenen aus den Toten auf. Obgleich nun die gestorbenen Gläubigen des Alten Testamentes selbstverständlich auch zu den Entschlafenen gehören, wird diese Bezeichnung doch eigentlich erst mit dem Tode und der Auferstehung des Herrn aus die abgeschiedenen Gläubigen angewandt. So lesen wir von Stephanus, dem ersten Blutzeugen der Kirche, dass er, dem Beispiel seines Meisters folgend, seine Seele dem Herrn befahl, für seine Feinde betete, und —— entschlief. Auch in 1. Thess. 4, 13 und 14 heißt es: „Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid'', und: „also wird auch Gott die durch Jesum Entschlafenen mit Ihm bringen''. Und in dem Kapitel, welches uns augenblicklich beschäftigt, lesen wir im 18. Verse: „Also sind auch die, welche in Christo entschlafen sind'', und im 51. Verse: „Wir werden zwar nicht alle entschlafen'' usw.
So ist denn Christus der Erstling der Entschlafenen, nicht der Gestorbenen. Er ist der Erstling, denn Er muss in allen Dingen den Vorrang haben. Er ist der Überwinder Satans, nicht nur in Seinem Leben auf dieser Erde, sondern auch in Seinem Tode. Er ist siegreich aus dem Grabe hervorgegangen, aus den Toten auferstanden, und hat so bewiesen, dass der Tod keine Gewalt über Ihn hat, und ferner, dass alle, die Ihm angehören, dieser finstern Macht für immer entrückt sind. Wer an Ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen, glaubt und aus dieser Welt abgerufen wird, stirbt nicht in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern entschläft, geht heim zu Jesu, seinem Herrn. Christus hat den Zorn Gottes wider die Sünde für ihn getragen und den zunichte gemacht, welcher die Gewalt des Todes hatte; der Glaubende ist ein Erlöster des Herrn und hat mit Ihm teil an der Auferstehung aus den Toten. Der zweite Tod hat keine Gewalt über ihn.
Christus ist der Erstling, gleichsam die Erstlingsfrucht der ersten Auferstehung. Wohl hören wir, dass in dem Augenblick als Jesus rief: „Es ist vollbracht!“ die Grüfte sich auftaten und viele Leiber der entschlafenen Heiligen auferweckt wurden. Aber diese Auferweckung war nur eine Folge des vollbrachten Werkes Christi, und es ist beachtenswert, dass diese Heiligen erst nach Seiner Auferstehung aus den Grüften gingen und Vielen in Jerusalem erschienen. (Matth. 27, 50 - 53.) Aber mehr noch. Die Auferstehung der Toten überhaupt steht in Verbindung mit dem Menschen, mit Christo. „Denn sintemal durch einen Menschen der Tod kam, so auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.“ (V. 21.) Durch den ersten Adam kam die Sünde in die Welt, und durch die Sünde der Tod, und der Tod ist zu allen Menschen hindurch gedrungen, weil sie alle gesündigt haben. (Röm. 5, 12.) Die ganze Nachkommenschaft Adams ist durch die Sünde unter die Macht dessen gefallen, der die Gewalt des Todes hat. Keiner ist ausgeschlossen. Aber dann ist der letzte Adam gekommen und hat Gott da vollkommen verherrlicht, wo der erste Mensch gefallen war. Er hat das Werk vollbracht, welches der Vater Ihm gegeben hatte, dass Er es tun sollte. Kraft dessen und kraft Seiner Auferstehung hat Er nun das Recht und die Macht, die Herrschaft des Todes über den Menschen zu zerstören und ihn aufzuerwecken. Der Vater hat Ihm Gewalt gegeben über alles Fleisch, und Er hat die Schlüssel des Todes und des Hades. (Joh. 17, 2; Offbg. 1, 18.) So sind denn beide, Tod und Auferstehung, durch einen Menschen gekommen. Das berührt natürlich in keiner Weise die Machtvollkommenheit Gottes, zu jeder Zeit aufzuerwecken wen Er will.
„Denn gleichwie in dem Adam alle sterben, also werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden.'' (V. 22.) Hier geht der Apostel auf diejenigen über, welche Christo angehören. Er redet gleichsam von zwei Familien und deren Häuptern. Die Familie Adams besteht aus dem ganzen Menschengeschlecht: sie alle sterben. Die Familie Christi besteht aus allen, die Christo angehören, und diese werden alle in der Auferstehung lebendig gemacht werden. Denn es handelt sich hier ausschließlich um den Leib, nicht um die Seele, so wichtig die letztere an ihrem Platze auch ist.
Mit Christo, dem Erstling, hat die erste Auferstehung, die Auferstehung aus den Toten, begonnen. Die übrigen Toten blieben in ihren Gräbern zurück. Ein jeder wird auferweckt in seiner eigenen Ordnung: „Der Erstling, Christus; sodann die, welche des Christus sind bei Seiner Ankunft''. (V. 23.) Bei Seiner Ankunft? Was will das sagen? Als der Herr Jesus im Begriff stand, diese Welt zu verlassen und zum letzten Mal mit Seinen Jüngern zusammen war, sagte Er zu ihnen: „Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubet an Gott, glaubet auch an mich. In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen'', und: „ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, aus dass, wo ich bin, auch ihr seiet''. (Joh. 14, 1 - 3.)
Wenn diese Verheißung in Erfüllung geht, „bei Seiner Ankunft'' oder „Wiederkunft“, wird sich auch das Wort unseres Apostels erfüllen. Alle, die in Ihm entschlafen sind, werden dann aus ihren Gräbern hervorgerufen werden. Nicht „alles Fleisch'' wird Ihn dann schauen, sondern nur die Seinigen. Kein Weltkind hat Ihn nach Seiner Auferstehung gesehen, nur die, welche Ihn liebten und an Ihn glaubten. Die Welt hat Ihn zuletzt aus dem Kreuze erblickt; sie wird Ihn nicht eher wiedersehen, bis Er kommt auf den Wolken des Himmels, in flammendem Feuer, um Vergeltung zu geben denen, die Gott nicht kennen und dem Evangelium nicht gehorchen. (2. Thess. 1, 7-10.)
Aber ehe das geschieht, kommt Er für die Seinigen zurück. Sie sind Ihm über alles teuer, und Er kommt wieder, um sie in den ewigen Genuss all jener Segnungen und Herrlichkeiten einzuführen, die Er für sie erworben und bereitet hat. Der Bräutigam holt die Braut heim ins Vaterhaus. Sein liebendes Herz verlangt danach, ihr alles zu geben, was Er selbst besitzt; und sobald die Braut vollzählig und das letzte Glied eingesammelt ist, kommt Er wieder, um Sein Werk zu krönen. Dann wird Seine Stimme in die Gräber der Erlösten dringen, und sie werden sie hören und hervorkommen zur Auferstehung des Lebens. „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel, und die Toten. in Christo werden zuerst auferstehen.“ (1. Thess. 4, 16.) Die übrigen Toten werden nicht lebendig werden; sie werden erst auferstehen, nachdem die tausend Jahre des Reiches Christi auf dieser Erde vorüber sind. Alle, welche außer Christo sterben, „die übrigen, die keine Hoffnung haben'' (1. Thess.4, 13), werden erst am En d e, wenn Himmel und Erde vergehen, aus ihren Gräbern hervorkommen zur Auferstehung des Gerichts.
Hier möchte ich noch einmal aus das Bestimmteste betonen, dass die Auferstehung nach den unzweideutigen Belehrungen der Schrift eine leibliche sein wird, genau wie bei dem Herrn Jesu selbst. Es hat Gott gefallen, das in Seinem Worte so klar und bestimmt festzustellen, dass kein Irrtum, kein Ausweichen möglich ist. Als Jesus starb, wurden viele Leiber der entschlafenen Heiligen auferweckt. An die Römer schreibt der Apostel Paulus: „Wenn aber der Geist Dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird Er, der Christum' aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen Seines in „euch wohnenden Geistes''. (Kap. 8, 11.) In unserem Kapitel (1. Kor. 15) heißt es: „Es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistiger Leib. Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistigen.'' (V. 44.) In Phil. 3, 20 und 21 lesen wir, dass wir den Herrn Jesum Christum als Heiland aus dem Himmel erwarten, „der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit''; und in 1. Thess. 5, 23 gibt der Apostel der gewissen Zuversicht Ausdruck, dass Gott unseren „ganzen Leib und Seele und Geist (also den ganzen Menschen) tadellos bewahren werde bei der Ankunft unseres Herrn Jesu Christi''.
Dies sind nur einige Stellen von vielen. Eine Leugnung der leiblichen Auferstehung ist daher nichts mehr und nichts weniger als eine Leugnung der Glaubwürdigkeit der göttlichen Urkunde, ja, dieser Urkunde selbst. Die Auferstehung des Leibes ist der Grund- und Eckpfeiler der christlichen Wahrheit; mit ihrem Fall stürzt das ganze Gebäude. Es bleibt uns deshalb keine andere Wahl: wir müssen entweder die Wahrheit von der Auferstehung des Leibes annehmen, oder das Christentum aufgeben, und zwar endgültig ausgeben.
Was wollen wir tun? Dem Zeugnis Gottes glauben und uns aus den unerschütterlichen Fels der Zeitalter stellen? oder dem Unglauben unser Ohr leihen und uns dem Triebsand menschlicher Meinungen und Behauptungen anvertrauen? Die Entscheidung bleibt keinem von uns erspart. Entweder — oder! O möchten wir alle auf die Seite des ewig treuen Gottes treten und Sein lebendiges, bleibendes Wort annehmen als unseres Fußes Leuchte und als das Licht aus unserem Pfade! In diesem Licht ist alles hell und gewiss, außer ihm ist alles finster und trostlos.
Was ich hinsichtlich der Auferstehung des Leibes gesagt habe, bezieht sich selbstverständlich auf beide Auferstehungen, die erste und die zweite. So ernst das ist für den Ungläubigen, so herrlich ist es für den Gläubigen. Des Herrn Ankunft ist nahe. Er sagt: „Ich komme bald!'' Alles drängt dem Ende, der letzten Entscheidung, zu. Nicht lange mehr, und der völlige Abfall wird kommen, und der Antichrist, der Mensch der Sünde, geoffenbart werden. Aber Gott sei gepriesen! Vorher kommt Jesus zurück. Glückselig ein jeder, der Sein ist, wenn Er kommt! Er wird Seinen Ruf hören und Ihm von dieser Erde entgegengerückt werden in die Luft, um für immer bei Ihm zu sein. Die in Christo Entschlafenen werden aus ihren Gräbern hervorgehen, und die noch lebenden Gläubigen werden verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick. (1. Thess.4, 16. 17; 1. Kor. 15, 51.52.) - Werte Freunde! Besitzen wir alle diese Hoffnung? Würde Jesus einen jeden von uns bereitfinden, wenn Er in dieser Nacht käme?
Es erübrigt noch, ein Wort zu sagen über die Reihenfolge der verschiedenen Perioden der ersten Auferstehung. Wir haben bereits gehört: „Ein jeder in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; sodann die, welche des Christus sind bei Seiner Ankunft“. In dem 20. Kapitel der Offenbarung, aus welchem wir zu Anfang einen Vers lasen, ist noch von anderen Heiligen die Rede, als denen, die der Braut Christi angehören. Wenn Christus Seine himmlische Braut in die Herrlichkeit eingeführt hat, beginnt für diese Erde die Zeit der Gerichte. Das Buch der Offenbarung berichtet von sieben Siegeln, sieben Posaunen und sieben Schalen des Grimmes Gottes. Furchtbare, in ihrer Wirkung und Ausdehnung stets sich steigernde Gerichte werden über diese Erde und ihre schuldigen Bewohner hereinbrechen. Während dieser Drangsalszeit, in welcher die Gottlosigkeit überhand nehmen wird, wird Gott noch einmal ein Zeugnis Seiner Gnade erwecken; von neuem werden Boten ausgehen und das Evangelium des Reich es, dessen Predigt einst unterbrochen wurde, überallhin tragen. Diese Boten werden um ihres Zeugnisses willen getötet werden; ja, alle, welche das Tier und sein Bild nicht anbeten wollen, müssen ihre Treue mit dem Leben bezahlen. Diese alle werden aber am Ende der Drangsalszeit, wenn Christus in Herrlichkeit erscheint, um Sein Reich aus dieser Erde auszurichten, aus den Toten auferweckt werden. Sie gehören also noch zu der ersten Auferstehung; sie bilden den Schluss, den letzten Abschnitt, derselben. „Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren.'' Nach Beendigung des tausendjährigen Reiches wird das Endgericht kommen - „dann das Ende''. Alle Toten, alle, die noch in den Gräbern sind, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und, auferweckt, vor den großen weißen Thron gestellt werden, um dort gerichtet zu werden nach ihren Werken. Das ist die zweite Auferstehung, die Auferstehung der Toten oder des Gerichts. Zwischen ihr und dem letzten Abschnitt der ersten Auferstehung liegt also ein Zeitraum von mindestens tausend Jahren.
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass das in Matthäus 25, 31 ff. beschriebene Gericht nicht mit dem Endgericht vor dem großen weißen Throne verwechselt werden darf. Dieses ist das Gericht der Toten, jenes das Gericht der Lebendigen, welches stattfinden wird, wenn der Herr in Macht und Herrlichkeit aus dieser Erde erscheint. Dann werden die Völker der Erde vor Seinem Throne versammelt werden, „und Er wird sie voneinander scheiden, gleichwie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet''. Die dann einzig entscheidende Frage ist, ob die Versammelten jene Boten des Evangeliums, von welchen wir soeben redeten, aufgenommen haben oder nicht. Im ersten Falle sind sie Gesegnete, welche in das Reich eingehen, das ihnen bereitet ist von Grundlegung der Welt an, (das schon mehrfach genannte tausendjährige Reich); im zweiten Falle sind sie Verfluchte, welche in das Feuer geworfen werden, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. In beiden Fällen ist das Urteil von ewiger Wirkung. (Vgl. Vers 46.)
Ich kann nicht umhin, noch eine Frage kurz zu beleuchten, welche von jeher den Geist des Menschen viel beschäftigt hat und gerade in unseren Tagen wieder brennender zu werden beginnt. Es ist diese: Wie steht es mit den Seelen der Abgeschiedenen bis zu dem Augenblick, da die Leiber wieder auferweckt werden? Auch über diese Frage gibt das Wort Gottes klaren Ausschluss. Man hat vielfach behauptet, und diese Lehre wird heute wieder eifrig kolportiert, dass die Seele, wenn sie sich von dem Körper des Menschen trenne, einschlafe und in diesem bewusstlosen Schlafzustande verbleibe bis zur Auferstehung. Diese Lehre, die sich hauptsächlich auf einige missverstandene Aussprüche des Alten Testamentes stützt, ist ganz und gar falsch. Die Seelen der Abgeschiedenen schlafen nicht, sondern gehen in den Hades. (Leider hat Luther zwei ganz verschiedene griechische Wörter: hades und gehenna, durch dasselbe deutsche Wort „Hölle“ wiedergegeben.) Die Seelen des reichen Mannes und des armen Lazarus sind beide im Hades, und zwar in dem vollen Bewusstsein ihrer Lage und in deutlicher Erinnerung an das auf der Erde Geschehene; die eine ist in Frieden und Ruhe, die andere in Pein und Qual. So gibt es im Hades Freude und Pein; in der Hölle ist nur Pein. Dennoch ist der Hades nicht der Endzustand, weder für die Gerechten noch für die Ungerechten. Er bezeichnet den Zwischenzustand, in welchem sich die Seelen der Abgeschiedenen befinden.
Als Jesus starb, ging auch Seine Seele in den Hades (Vgl. Apg. 2, 27), aber der Hades war für Ihn das Paradies Gottes. „Heute“, sagt Er zu dem Schächer an Seiner Seite, „wirst du mit mir im Paradiese sein''. Nicht wahr? das ist etwas ganz anderes, als: „Heute wirst du einschlafen und nichts mehr von dir und mir wissen“. Das wäre kein großer Trost für den armen Schächer gewesen. So sagt auch Paulus: „Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, NT denn es ist weit besser''. (Phil. 1,23.) Hätte er ein Einschlafen seiner Seele erwartet, so würde er wahrlich lieber am Leben geblieben sein; denn ein bewusstes Leben mit Christo, wenn auch unter vielen äußeren Drangsalen, war für einen Mann, für den Christus alles war, unendlich wertvoller, als ein bewusstloses Schlafen, ein freudeleeres Hindämmern ohne Christum. Nein, meine lieben Freunde, wenn ein Mensch stirbt, so schläft seine Seele nicht ein, sondern sie geht hinüber in die Ewigkeit, zwar noch nicht an den Ort ihrer ewigen Bestimmung, aber in den Hades, in jenen Zwischenzustand, der für die in Christo Entschlafenen tiefe Ruhe und selige Freude bedeutet,—— sie sind bei Jesu, — und für die in ihren Sünden Sterbenden ein Zustand hoffnungsloser Qual ist; „denn“, sagt Abraham, „zwischen uns und euch ist eine große Kluft befestigt, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, nicht können, noch die, welche von dort zu uns herüberkommen wollen''. (Luk. 16, 16.) Das Los beider Klassen ist für ewig entschieden. O was wird es für die Verlorenen sein, sich dort so vieler Gelegenheiten zu erinnern, wo Gottes Gnadenbotschaft ihnen verkündigt wurde, wo aber der Hang zur Bequemlichkeit, Menschenfurcht, Liebe zu der Welt und ihren Dingen, Vergnügungssucht u. dergl. das Herz erfüllten und alle ernsten Regungen unterdrückten.
Auch heute Abend hat die Stimme des Sohnes Gottes zu uns geredet. Wir haben gelesen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass die Stunde kommt und ist i jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben''. Damals war diese Stunde der Gnade, in welcher die Stimme des Sohnes Gottes zu den geistlich Toten redet, bereits angebrochen, und sie währt immer noch fort; wer diese Stimme vernimmt, wer auf sie hört, wird leben, wer nicht auf sie hört, bleibt im Tode. Gottes Wort ist ernst, ja, es ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es schneidet haarscharf durch und gibt jedem Menschen seinen Platz, ohne Ansehen der Person. Alle heute Abend hier Versammelten stehen entweder aus der einen oder auf der anderen Seite, sie sind entweder errettet oder verloren, entweder lebendig gemacht oder noch tot. Hier gibt es keinen Mittelweg, keinen neutralen Boden. Aber noch redet die Stimme des Sohnes Gottes in Gnade. „Komm her zu mir'', sagt Jesus, „komm, du müde und beladene Seele, ich will dir Ruhe geben!'' „Wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.'' (Joh. 6, 35.) Sehnst du dich nach Frieden? Er hat Frieden gemacht durch das Blut Seines Kreuzes. Verlangst du nach Erlösung und Vergebung? In Ihm haben wir die Erlösung, die Vergebung der Vergehungen. Nach Wahrheit? Er ist die Wahrheit. Dürstest du nach Erkenntnis und Wissen? In Ihm findest du alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
Darum höre auf die Stimme des Sohnes Gottes! Freilich kann ein Mensch heute sein Herz verhärten und sein Ohr verschließen. Aber er ist verantwortlich für das, was er hört, und muss die ewigen Folgen seines Tuns tragen. „Wenn du weise bist, so bist du weise für dich; und spottest du, so wirst du allein es tragen.'' (Spr. 9,12.) Und bedenke: In der Zeit des Gerichts wird es nicht mehr heißen: Wer da will, der komme! Nein, in jener Stunde werden alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören. Ob sie wollen oder nicht, sie werden hören und dem mächtigen Rufe folgen müssen. Mag ihr Staub längst verweht, in alle Winde verstreut sein, mag für das menschliche Auge jede Spur von dem einstigen Leibe verschwunden sein - sei überzeugt, Gott wird ihn zu finden wissen! Für Ihn ist er nicht verloren. Auch das Meer wird gezwungen werden, seine Toten wiederzugeben.
Ich weiß wohl, dass der Unglaube hierüber spottet; wie könnte er anders? Er macht alle seine Schlüsse von sich aus und lässt in seinen Berechnungen Gott außer Betracht, oder er macht sich einen Gott, wie er Ihn gern hat. So war es schon zur Zeit des Herrn Jesu. Da kamen einst die Sadduzäer, die Rationalisten jener Tage, zu Ihm mit der bekannten Geschichte von dem Weihe, welches sieben Männer gehabt hatte. Was sollte das werden in der Auferstehung? Wessen Weib würde sie sein? Ach, die klugen Leute meinten Jesum in ihrer Schlinge gefangen zu haben. Ihre spöttische Frage sollte die Ungereimtheit des Glaubens an eine Auferstehung dartun. Aber die Schlinge legte sich um ihre eigenen Füße. „Ihr irret“, sagt Jesus, „indem ihr die Schriften nicht kennet, noch die Kraft Gottes.'' (Matth. 22,23 - 32.) So ist es immer. Die Ungläubigen kennen die Schriften nicht; so vertraut sie auch mit dem Buchstaben derselben sein mögen, ihr Geist ist ihnen völlig unbekannt, sie können sie nicht beurteilen. Zum anderen kennen sie die Kraft Gottes nicht. Diese beiden Faktoren fehlen in ihrer Rechnung vollständig; wir brauchen uns deshalb nicht über das Ergebnis derselben zu verwundern. Aber die Reihe des Verwunderns, ja, des Entsetzens wird an die Ungläubigen kommen, wenn sich das Wort des Sohnes Gottes erfüllen wird. Mögen sie es annehmen wollen oder nicht, da steht es geschrieben, und es wird nicht vergehen: „Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, Seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts''.
Die das Gute getan haben? —— Ah, denkt da mancher, das ist ein Wort für mich. Wenn es darauf ankommt, wird es mir nicht fehlen. Ich habe mich stets bemüht, meine Pflicht als Mensch und Christ zu tun; niemand kann mich einer schlechten Tat zeihen. Freund! Wenn du so denkst, so hast du falsch gerechnet. Es geht dir wie einst den Sadduzäern: Du. kennst die Schriften nicht. Der Maßstab, mit welchem du“ misst, ist ungültig vor Gott. Die Juden fragten einmal den Herrn Jesum: „Was sollen wir tun, auf dass wir die Werke Gottes wirken?'' Er antwortete ihnen: „Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an Den glaubet, den Er gesandt hat''. (Joh. 6, 28. 29.) Hast du das getan? Wenn nicht, so hast du das erste Werk, mit welchem ein Mensch Gott gefallen kann, noch nicht getan. Deine Schuld mag nicht so groß sein, wie die deiner Nachbarn und Freunde; aber Schuld ist da, und du kannst sie nicht bezahlen. Der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt; auf ihm ist nicht nur Raum für den Lästerer und Spötter, den Trunkenbold und Sittenlosen, sondern auch für den Religiösen und Ehrbaren, für den Mäßigkeitsfreund und Sittenstrengen. Die Einen wollen beileibe nichts mit den Anderen zu tun haben; nein, nur nicht! Jeder geht seinen besonderen Pfad, aber alle wandeln aus einer Straße, dem Verderben entgegen. Alle sind sündig, unrein, verloren. Allen kann nur geholfen werden durch das eine Opfer des Leibes Jesu Christi, durch den Sohn Gottes, der einst Sein Haupt beugte unter die vernichtenden Schläge des göttlichen Gerichts. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, als nur durch Ihn. „Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“ (1. Joh. 5, 12.) „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“ (Joh. 3, 36.)
Das ist die einfache, allen verständliche Sprache des Wortes Gottes. O höre und glaube sie, und lerne dann mit einstimmen in den Ruf: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.''
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Gedanke
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 166
Ich habe ein gutes Gewissen, wenn ich nach dem Lichte wandle, das ich besitze. Nicht das Vorhandensein des Fleisches in mir gibt mir ein schlechtes Gewissen, sondern die Tätigkeit desselben.
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Das Gesetz der Freiheit
Bibelstelle: Jakobus 1,25
Botschafter des Heils 1904 S. 167ff
„Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf täglich und folge mir nach. Denn wer irgend sein Leben erretten will, wird es verlieren; wer aber irgend sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erretten." - „ Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig." - „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist."
Diese und ähnliche Worte des Herrn Jesus kennzeichnen die Hauptgrundsätze des christlichen Lebens: Selbstverleugnung und völlige Übergabe an Gott. Von Natur ist ein Mensch unfähig, nach diesen Grundsätzen zu wandeln. Er ist ein Untertan des Fürsten der Finsternis, ein Sklave Satans, ein Knecht der Lüste und Begierden seines Fleisches. Er meint, frei zu sein, aber die Sünde hat Gewalt und Herrschaft über ihn; er will unabhängig sein von Gott und ist abhängig von der Sünde. Um zur Ehre Gottes und frei von der Macht der Sünde wandeln zu können, bedarf er einer völligen Umwandlung, der Wiedergeburt. Er braucht Erlösung und Befreiung. Und der Erlöser und Befreier ist der Sohn Gottes!
Gott sei gepriesen! Der Herr Jesus, der Sohn Gottes, hat durch Sein Sterben und Auferstehen die Ketten der Sünde und die Macht Satans über uns beseitigt. Durch Ihn sind wir von der Sünde freigemacht und Sklaven der Gerechtigkeit geworden (Römer 6,18). Jetzt sind wir frei, Gott zu dienen. Alles was uns hinderte, ist für immer beseitigt. Wir sind jetzt von Gott abhängig und freuen uns, es zu sein. Nicht aus Zwang, sondern mit einem dankbaren, fröhlichen Herzen weihen wir Ihm unser Leben, unsere Kraft, unser Alles. Willig verleugnen wir uns selbst. Das neue Leben, das wir besitzen, will das, was Gott will, denn es ist aus Ihm. Die Worte unseres Herrn Jesus, die Ermahnungen der Apostel -alles ist in Übereinstimmung mit diesem neuen Leben, das wir in Christus besitzen. Alles steht im Einklang mit den Wünschen und dem Willen der neuen Natur. Das ist das vollkommene Gesetz, das der Freiheit (Jak 1,25), zu dem wir gebracht sind. So wie ein Kind gern und freudig (nicht nur im Gehorsam) das Gebot seines Vaters ausführt, wenn dieses mit seinem eigenen Willen übereinstimmt, so gehorcht der Christ willig und freudig dem Gebot Gottes, weil dieses stets der Ausdruck dessen ist, was der neue Mensch will. Was der Ausführung des Willens Gottes in uns so oft entgegensteht, ist der Wille des alten Menschen, der Wille des Fleisches.
Hast du in das vollkommene Gesetz, das der Freiheit, nahe hineingeschaut, und bleibst du darin? Nur dann bist du ein Täter des Wortes (nicht nur ein Hörer) und bist glückselig in deinem Tun. Dann ist dir das Joch Christi sanft und Seine Last leicht.
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Geheiligt für den Herrn
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 168
und meines Wirkens Kern,
die Losung jeden Strebens:
Geheiligt für den Herrn.
Dass nie mein Knie sich beuge
um ungerechten Lohn,
wie Daniel ein Zeuge
im Schloss zu Babylon!
Vereinsamt im Gedränge,
geschmückt mit Christi Ruhm,
gesondert von der Menge
im Nasiräertum.
Dem, was die Welt sich bündet,
und ihrem Wesen fern,
auf dass mein Wandel kündet:
Geheiligt für den Herrn!
K.B.
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Der große weiße Thron und der ewige Zustand
Bibelstelle: Offenbarung 20,11 – 21,8
Botschafter des Heils 1904 S. 169ff
Die Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi und die Auferstehung der Toten waren die Gegenstände, welche bisher unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Wie von selbst entsteht jetzt die Frage: Hat Gott uns noch etwas über den Tod und die Auferstehung Hinausgehendes geoffenbart? Hat Er uns Mitteilungen gemacht über den Zustand nach dem Tode und nach dem Verlassen des Grabes? Oder sind wir im Blick aus die ewigen Dinge bloßen Mutmaßungen überlassen?
Wenn solche oder ähnliche Fragen aufgeworfen werden, hört man immer wieder sagen: Ach was! kein Mensch weiß, was nach dem Tode sein wird. Niemand ist aus dem Jenseits zurückgekehrt, um uns zu sagen, wie es drüben aussieht und was unser wartet.
Beides ist eine direkte Unwahrheit. Wir wissen freilich etwas über das Jenseits, und es ist allerdings jemand gekommen, um uns Mitteilungen über die jenseitige, unsichtbare Welt zu machen. Schon im Alten Testament, aber mehr noch im Neuen, in jenem dunkel, in diesem klar und allgemein verständlich, hat Gott über diese Dinge zu uns geredet; und weiter, der Sohn Gottes selbst ist aus der Herrlichkeit auf unsere Erde herabgestiegen, um uns Gottes ewige Ratschlüsse und Gedanken kundzutun und uns zu sagen, was das ewige Los des Menschen sein wird, sowohl dessen, der des Glaubens an Jesum ist, als auch dessen, der sich weigert, Christum als seinen Heiland anzunehmen. Ja, in dem eben verlesenen Abschnitt lüftet der göttlich inspirierte Seher den Schleier so weit, dass uns ein tiefer Blick in die endlosen Zeitalter der Ewigkeit hinein gestattet wird; wir sehen alles ganz klar und deutlich, es gewinnt Leben und Gestalt vor unseren Augen.
In 1. Kor. 15, 24, nach Feststellung der Ordnung, in welcher die Auferstehung stattfinden wird, lasen wir: „dann das Ende“. Dieses Ende wird hier, in dem Buche der Offenbarung, des Näheren beschrieben, sowohl das Ende aller geschaffenen Dinge, des Himmels und der Erde, als auch das Ende der Menschen, das ernste Ende der „Toten“, und das herrliche Ende der mit Christo ewiglich Lebenden; sowie endlich das Ende aller Wege Gottes mit dieser Erde, die Übergabe des Reiches seitens des Herrn Jesu an Seinen Gott und Vater. Es hat Gott gefallen, Seine Gnade gegen uns überströmen zu lassen in aller Weisheit und Einsicht (Eph. 1, 8), und Er redet zu uns mit einer Deutlichkeit, dass Seine Unterweisungen nicht missverstanden werden können. Sein Name sei dafür gepriesen! Es bedarf nicht eines durchdringenden Verstandes oder einer reichen wissenschaftlichen Bildung, um die Sprache Gottes zu verstehen. Nein, der einfachste, ungebildetste Leser vermag zu fassen, was Gott ihm sagen lässt; und es ist sehr beachtenswert, dass gerade in diesem Buche der Offenbarung von vornherein die glückselig gepriesen werden, welche die Worte der Weissagung hören und bewahren. (Kap. 1, 3.) Gott schenke uns denn allen, dass wir solche glückselige Menschen sein oder werden möchten!
„Ich sah'', sagt Johannes, „einen großen weißen Thron und Den, der darauf saß.'' (V.11.) Wer es ist, der auf dem Throne sitzt, bedarf keiner näheren Erklärung. Es ist Gott; aber Johannes sagt nicht: „ich sah Gott auf dem Throne sitzen'', weil Gott ein unzugängliches Licht bewohnt und keiner der Menschen Ihn je gesehen hat noch sehen kann. (1. Tim. 6, 16.) Zudem wissen wir, dass Gott alles Gericht dem Sohne übergeben hat, so dass wir auch sagen können: Es ist Christus, der auf dem Throne sitzt; aber Christus ist Gott.
Schon im 4. Kapitel unseres Buches erblickt Johannes einen herrlichen Thron, „und aus dem Throne saß Einer''. Auch hier wird nicht gesagt, wer dieser „Eine“ war. Johannes beschreibt nur Sein Aussehen: „Er war von Ansehen gleich einem Jaspisstein und einem Sardis; und ein Regenbogen war rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd.'' (V. 2. 3.) Dieser, in lieblicher, smaragdgrüner Farbe strahlende Regenbogen fehlt im 20. Kapitel. Warum wohl? Weil in der Zeit des 4. Kapitels der auf dem Throne Sitzende noch Seines Bundes mit der Erde gedenkt. Der Regenbogen ist das wohlbekannte Zeichen dieses Bundes. (Vgl. 1. Mose 9, 11 - 17.) Das Ende ist noch nicht da. Wohl kommen schreckliche Gerichte über die Erde, - „aus dem Throne gehen hervor Blitze und Stimmen und Donner'', — aber Gott ist Seines Bundes, den Er einst mit Noah machte, noch eingedenk. Hier aber (Kap. 20) stehen wir am Ende aller Wege Gottes mit dieser Schöpfung. Die Zeit der Gnade und der Langmut Gottes ist vorüber, die Stunde der Abrechnung ist gekommen, und zwar einer Abrechnung ohne Erbarmen, eines Gerichts ohne Gnade.
Ein großer weißer Thron ist ausgerichtet. Die weiße Farbe erinnert an die Reinheit und Heiligkeit dieses Thrones und Dessen, der daraus sitzt, sowie an den Ernst und die unbestechliche Gerechtigkeit des Gerichts, das von ihm ausgehen soll. Vor dem Angesicht des heiligen Richters entfliehen Himmel und Erde, und keine Stätte wird für sie gefunden.*) Das Ende alles Sichtbaren, Erschaffenen, ist gekommen, das Ende des gegenwärtigen Systems, sowie Gott es ins Dasein gerufen hat. Diese Schöpfung ist zeitlich und vergänglich; sie hat einen Anfang und ein Ende, und zwar ein Ende im Gericht, der Sünde wegen, durch welche sie verunreinigt und verdorben worden ist. Es heißt im 2. Petrusbrief: „Die jetzigen Himmel und die Erde sind durch Sein Wort aufbewahrt, für das Feuer behalten aus den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen .... Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb, an welchem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch, die Elemente aber im Brande werden ausgelöst und die Erde und die Werke aus ihr verbrannt werden.'' (2. Petr. 3, 7. 10.)
Es sind ernste Dinge, von denen wir durch den Mund dieser Zeugen Gottes hören, ernste Dinge, welche Johannes sieht. Vor dem Throne erscheinen „die Toten'', die Großen und die Kleinen, d. h. die Vornehmen und die Geringen, die Angesehenen und die Verachteten; denn hier gelten keine Standesunterschiede mehr. Himmel und Erde werden ausgelöst werden in gewaltigem Brande, aber die Toten, die Menschen, vergehen nicht; sie bleiben, sie erscheinen wieder. Der Ungläubige möchte so gern, dass auch er verginge; und tim sich hinwegzutäuschen über den Ernst dessen, was ihm bevorsteht, und um die lästigen, in seinem Innern doch immer wieder laut werdenden Mahnstimmen zum Schweigen zu bringen, gibt er sich dem Wahne hin, er könne sich dem allsehenden Auge des heiligen Richters entziehen. Damit Gott kein Stäublein mehr finde, lässt er gar seinen Leib zu Asche verbrennen. Ja, meine lieben Freunde, der Ungläubige fürchtet sieh! Er fürchtet sich, wenn auch das Lächeln stolzen Erhabenseins über all diesem „törichten Gerede von Auferstehung und Vergeltung'' aus seinen Lippen liegt. Und er hat recht; seine Furcht ist begründet. Der Gott, der einst den Menschen aus Staub von der Erde bildete und in seine Nase den Odem des Lebens blies, wird ihn auch wieder aus dem Staube erstehen lassen. Alle, die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören; nicht einer wird vor dem großen weißen Throne fehlen, nicht einer wird vergessen sein.
„Ich sah die Toten.“ Es sind alle diejenigen, welche unter diesem Namen eingereiht sind, deren Leben und ganze Geschichte diesen Titel trägt; die nicht nur dem natürlichen Tode verfallen, sondern auch tot sind in Sünden und Vergehungen, gleichsam zweimal gestorben, doppelt tot. Welch ein Gegensatz zwischen ihnen und allen denen, die der ersten Auferstehung angehören! Diese werden glückselig und heilig gepriesen, über sie hat der zweite Tod keine Gewalt, für sie gibt es kein Gericht, sie sind aus dem Tode in das Leben hinübergegangen (Joh. 5, 24), und sie werden mit Christo leben von Einigkeit zu Ewigkeit. Aber die Toten, die, welche das Böse verübt haben — ihr Los ist das Gericht, der zweite Tod, der Feuersee mit allen seinen Schrecken. Wie deutlich und klar redet die Schrift! Wie weist sie mit wenigen Worten einem jeden seinen Platz an! Wer Christo angehört, hat teil an der ersten Auferstehung, Leben und Seligkeit sind sein auf ewig; wer Jesum nicht hat, wird das Leben nicht sehen, sein Los ist die zweite Auferstehung. der zweite Tod. .
Der Mensch kann vor der ernsten Sprache der Schrift sein Ohr verschließen, er kann ihre Mitteilungen und Belehrungen von sich weisen. Aber was tut’s? Die göttliche Wahrheit bleibt dieselbe, bleibt bestehen, mag der Mensch sie annehmen oder nicht. „Schreibe!“ wird dem Propheten zugerufen, „schreibe“, damit es feststehe für alle Zeiten, damit alle es lesen können; „schreibe“, zum Trost und zur Ermunterung für die Gläubigen, zur Warnung und Mahnung für die Ungläubigen; „schreibe“, damit niemand eine Entschuldigung habe, „denn diese Worte sind gewiss und wahrhaftig“. Mögen Himmel und Erde vergehen, Gottes Worte vergehen nicht. Nicht ein Jota, nicht ein Strichlein wird unerfüllt bleiben.
„Und ich sah die Toten vor dem Throne stehen. . ., und Bücher wurden aufgetan.“ - Wie? gibt es denn Bücher im Himmel? Ich weiß es nicht. Es ist wohl nur ein Bild, wie es ja viele Bilder in der Offenbarung gibt; aber ein Bild, das uns anzeigen soll, wie ernst und eingehend das Gericht sein wird. Gott bedarf keiner Bücher, um Seinem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen, wie wir; aber Er redet von Büchern, um uns vergesslichen Menschen in verständlicher Sprache kundzutun, dass dort alles ans Licht kommen wird. Welch eine Abrechnung wird das sein! Welche Überraschungen wird es dort geben! Ich benutze zur Erläuterung ein schwaches Bild. Mancher unter uns holt vielleicht beim Kaufmann Waren aus Borg. Der Kaufmann trägt alles genau in seine Bücher ein, und nach Verlauf einer Zeit stellt er seine Rechnung aus. Man wirst einen Blick hinein und ist ganz erstaunt über die Höhe derselben. Aber wenn man die einzelnen Posten durchsieht, so findet man, dass alles stimmt; man ist die ganze Summe schuldig. So wird auch dort jeder Einzelne seine Schuld ausgezeichnet finden, und das Gewissen wird bezeugen: die Rechnung stimmt! Hier übersieht und vergisst man vieles; hier sucht man zu beschönigen, zu entschuldigen, zu bemänteln. Dort wird alles in seinem wahren Licht erscheinen, so wie Gott es gesehen und gehört hat, und wie Er es beurteilt; und ein jeder wird gerichtet werden nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach seinen Werken, so wie diese es verdienen. Die Stunde des Gerichts ist angebrochen, die Zeit der Gnade ist für ewig vorüber; und der aus dem Throne sitzt, richtet nach Seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Gibt es denn keinen mildernden Zug in diesem ernsten Gemälde? Nein; kein Strahl lieblichen, tröstlichen Lichtes durchbricht das Dunkel. Wohl wird neben den Büchern des Gerichts noch ein anderes Buch aufgetan, „welches das des Lebens ist''. Aber vergebens werden die Namen der vor dem Throne stehenden „Toten“ darin gesucht. Alle, die in diesem Buche stehen, sind längst in Sicherheit gebracht; sie gehören der Auferstehung des Leb en s an. Das Buch des Lebens wird hier nur geöffnet, um einem jeden zu zeigen, dass sein Name nicht darin zu finden ist; dass wohl die Möglichkeit für ihn vorhanden war, in dieses Buch eingeschrieben zu werden, dass er aber die Zeit der Gnade versäumt und die große Errettung Gottes „verachtet“ oder doch „vernachlässigt“ hat.
Meine lieben Freunde! Wir befinden uns noch diesseits der ernsten Wirklichkeiten der Ewigkeit. Vielleicht sind unsere Namen eingetragen in das Kirchenbuch oder das Mitgliederverzeichnis irgend einer religiösen Gemeinschaft auf dieser Erde; aber ich frage: stehen sie auch droben angeschrieben in den Himmeln? Als einmal die Jünger zu ihrem Herrn zurückkehrten und ihrer Freude darüber Ausdruck gaben, dass selbst die bösen Geister ihnen untertan seien, antwortete Jesus: „Darüber freuet euch nicht, dass euch die Geister untertan sind; freuet euch aber, dass eure Namen in den Himmeln angeschrieben sind''. (Luk. 10, 20.) Darum noch einmal: Sind unsere Namen alle in den Himmeln angeschrieben? Wer diese Frage für seine Person noch nicht mit Ja beantworten kann, der eile und errette seine Seele! „Heute, wenn du Seine Stimme hörst, verhärte dein Herz nicht!'' Bedenke: „Wenn jemand nicht geschrieben gesunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen''. (V. 15.)
Zu welchem Zweck? Um dort vernichtet zu werden? Nein, „der Rauch ihrer Qual steigt aus in die Zeitalter der Zeitalter, und sie haben keine Ruhe Tag und Nacht''. (Offbg. 14, 11.) Ihr Wurm stirbt nicht, und das Feuer erlischt nicht. Es ist eine Lüge Satans, dass die Gottlosen der Vernichtung anheim fallen würden. Wenn der Mensch stirbt, so geht seine Seele in die Ewigkeit, und wenn bei der Auferstehung Leib und Seele wieder miteinander vereinigt werden, so geschieht es, um den Menschen in einem Zustande darzustellen, der nicht mehr dem Sterben und Vergehen unterworfen ist.
Aber, wirst man ein, ist das in Übereinstimmung mit der Liebe Gottes und dem Gott der Liebe? Kann Gott das wollen? Kann Er so handeln? Die Zeit reicht heute nicht hin, um auf diese Frage näher einzugehen; nur das Eine sei gesagt: Gottes Liebe ist vollkommen, Sein Erbarmen göttlich groß, weit, weit größer als wir es uns nur vorzustellen vermögen; aber so vollkommen Seine Liebe und so groß Sein Erbarmen ist, ebenso vollkommen und groß sind Seine Gerechtigkeit und Heiligkeit. Gott kann nicht handeln aus Kosten irgend einer Eigenschaft Seines Wesens. Er ist in jeder Beziehung vollkommen, und jeder Seite Seines Wesens muss Rechenschaft getragen werden. Willst du sehen, wer Er ist, so schaue hin aufs Kreuz. Dort erblickst du den Gott der Liebe und des Erbarmens, der den höchsten Beweis Seiner Liebe gab in der Aufopferung Seines eingeborenen Sohnes für verlorene Sünder, für Feinde und Gottlose. Dort erkennst du aber zugleich auch den heiligen und gerechten Gott, der nicht einmal Seinen geliebten Sohn verschonen konnte, ja, der Seinen ganzen Zorn über Ihn ausschütten musste, wenn Er für den Sünder in den Riss trat.
Diesem Gott muss jeder Mensch begegnen. Heil ihm, wenn es heute geschieht in der Zeit der Gnade! Wehe ihm, wenn er dort vor Ihm stehen muss, wo es keine Gnade mehr gibt! Nicht Vernichtung wird sein Teil sein, nein, er wird in den Feuersee geworfen werden, um dort aus ewig getrennt zu sein von Gott und in Gemeinschaft mit dem Teufel und seinen Engeln; aus ewig in Pein und Qual! „Das sind Phantastereien'', sagt der Ungläubige, „Ammenmärchen, gut genug für alte Weiber und Kinder, aber nicht für verständige, aufgeklärte Männer.'' Nein, es sind Wirklichkeiten, es ist Gottes Wort! „Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer.“* (Ps. 2, 4.) Werte Freunde! es gibt eine ewige Herrlichkeit, und es gibt eine ewige Verdammnis. Wir alle, die wir hier versammelt sind, werden entweder in der einen oder in der anderen sein. O möchten wir uns dereinst alle in der Herrlichkeit wieder sehen! Gott bewahre in Gnaden einen jeden von uns vor dem über alle Beschreibung schrecklichen Schicksal der Verdammten! Nicht umsonst steht geschrieben: „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen'' (Hebr. 10, 31).
Doch gehen wir weiter. „Und das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken. Und der Tod und der Hades wurden in den Feuersee geworfen'' (V. 13. 14). Manchem unter uns mag dieser letzte Ausspruch: „Der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren'', und: „der Tod und der Hades wurden in den Feuersee geworfen“, schwerverständlich erscheinen. Gottes Wort ist tief bedeutungsvoll und gar genau. Oft enthalten einzelne kurze Aussprüche eine große, herrliche Wahrheit wie in einer Nussschale. So ist es hier. Der erste Satz lehrt mit wenigen Worten nicht nur die Auferstehung, sondern auch die Auferstehung des Leibes.
Tod und Hades werden hier gleichsam personifiziert, als zwei, Gott und dem Menschen feindliche Mächte dargestellt. Der Tod ist die Macht, welche den Leib des Menschen gefangen hält, der Hades die Macht, welche seine Seele aufnimmt, wenn Leib und Seele sich scheiden. Tod und Hades, die Folgen der Sünde, hören mit dieser Schöpfung auf, sie werden in den Feuersee geworfen. „Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod.“ (1. Kor. 15, 26.) Beide Mächte müssen ihre Beute, die sie so lange festgehalten haben, wieder herausgeben; mit anderen Worten: Leib und Seele werden wieder miteinander vereinigt, der eine aus dem Tode, der Verwesung, die andere aus dem Hades, dem Aufbewahrungsort der Seelen der Verstorbenen, kommend. Jesus hat „die Schlüssel des Todes und des Hades-“; beide müssen sich beugen vor Seiner allgewaltigen Macht und herausgeben, was sie verschlossen hielten. So werden denn die „Toten“ vor den großen weißen Thron gestellt werden, angetan mit Auferstehungs-, mit Ewigkeitsleibern, wahrhaftige Menschen, nicht Geister oder Schatten, nein, Menschen mit Fleisch und Bein. Sie werden stehen in dem überwältigenden Lichte jenes Richterstuhls, mit ihren Sünden, ohne Hoffnung, ohne irgend eine Möglichkeit zu entrinnen. Nichts schirmt und deckt sie vor den Flammenaugen Dessen, der auf dem Throne sitzt; nicht einmal der Verzweiflungsruf: „Ihr Berge, fallet aus uns, und ihr Hügel, bedecket uns-!“ wird ihnen übrig bleiben, denn Himmel und Erde sind vergangen, keine Stätte ward für sie gefunden. Nichts bleibt als ein schonungsloses Gericht, aus welchem es kein Entrinnen gibt, eine Qual ohne Linderung, ein Schrecken ohne Ende. — Sünder, bedenke es! O bedenke, was zu deinem Frieden dient! Heute noch ist Gottes Erbarmen groß. Er will nicht deinen Tod, sondern dass du dich bekehrest und lebest. Heute noch lässt Er dir sagen: „Erlöse ihn, dass er nicht in die Grube hinabfahre; ich habe eine Sühnung gesunden!“ (Hiob 33, 24.)
Fußnote:
*) In Matth. 25, 31ff. steht der Thron auf der Erde, (auf welche Christus in Herrlichkeit herabgestiegen ist) und alle Völker der Erde werden vor ihm versammelt, um gerichtet zu werden. Hier (Offbg. 20) vergehen Himmel und Erde. Schon aus diesem einen Punkte geht hervor, wie verschieden, sowohl inhaltlich wie zeitlich, diese beiden Gerichte voneinander sind.
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Was soll ich tun?
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 193ff
Vor einiger Zeit vernahm ich von den Lippen eines jungen Mannes dessen Bekehrungsgeschichte. Da ich glaube, dass sie von allgemeinem Interesse ist und sowohl für Bekehrte wie Unbekehrte nicht ohne Belehrung sein dürfte, so will ich sie den Lesern des „Botschafter“ kurz erzählen.
Mein junger Freund war von seiner frühesten Jugend an in strenger Sittlichkeit, aber ohne jede Belehrung über Jesum und das durch Ihn gewirkte Heil erzogen worden. Er war religiös, wie so viele so genannte „Christen“, aber seine Religion war kalt und traurig. Er hatte nichts, womit er die Bedürfnisse seiner Unsterblichen Seele hätte stillen können. Seine Umgebung war durchaus weltlich. Geld verdienen, das war der große Lebenszweck seiner Verwandten und Freunde. Indes gefiel es dem Herrn, ihn durch die Gnadenwirkungen Seines Heiligen Geistes von seinem verlorenen Zustande zu überführen. Er begann ernstlich besorgt zu werden betreffs seiner ewigen Interessen; die Besorgnis wurde zur Angst, und als diese Angst immer höher stieg, beschloss er, sich Rats zu erholen bei einem Freunde, der, wie er wusste, ein gläubiger Mann war. Er ging hin und schüttete ihm. sein ganzes Herz aus. Er erzählte ihm von seinen Seelenübungen und Leiden und fragte ihn endlich, was er tun solle.
„Hm“, antwortete sein Freund, „du kannst nichts tun. Alle deine Anstrengungen sind nutzlos. Du musst einfach warten, bis Gottes Zeit gekommen ist. Dann, aber auch nicht vorher, wird dir zu teil werden, was du suchst.''
Der junge Mann, durch diese Antwort wenig ermutigt, erkundigte sich darauf, wie lange er dann wohl noch zu warten haben werde. Auf diese Frage konnte ihm sein Ratgeber natürlich keinen Bescheid geben. Wer hätte das auch gekonnt?
„Trostlos ging er von dannen. Was die Antwort des Freundes betrifft, so kann man ihr ein gewisses Maß von Wahrheit nicht absprechen, aber sicher ist, dass sie in diesem Falle ganz und gar nicht am Platze war. Um ein Bild zu gebrauchen: das Rezept war an und für sich —gut, aber es eignete sich nicht für den Kranken, und deshalb brachte es ihm auch keine Erleichterung. Der Arzt war nicht imstande, die Krankheit richtig zu beurteilen. Er verschrieb Theologie, anstatt der geängstigten, heilsverlangenden Seele Christum vorzustellen. Das geschieht leider nur zu oft.
Unser armer junger Freund war unglücklicher als je zuvor. Er entschloss sich nach einiger Zeit, einen anderen Arzt um Rat zu fragen. Er ging zu einem zweiten Christen, klagte ihm sein Leid und fragte ihn, was er tun müsse, um errettet zu werden.
„O“, antwortete dieser, „Sie müssen anklopfen. Es steht geschrieben: „Klopfet an, und es wird euch aufgetan werden“.“
„Wie lange muss ich denn klopfen?“ fragte mein Freund.
„Ja, das kann natürlich niemand sagen. Sie müssen nur nicht müde werden, anzuklopfen. Zur rechten Zeit wird Ihnen dann schon aufgetan werden.“
So sprach der zweite Arzt. Seine Heilmethode war eine andere, aber sie war gerade so verkehrt wie die erste. Wieder sehen wir die Wahrheit falsch angewandt. Ohne Zweifel ist es ganz richtig, dass alle, die einzutreten wünschen, anklopfen müssen. Aber gibt man diesen Rat einer Seele, welche ängstlich nach dem Heilswege fragt, die längst begonnen hat, anzuklopfen? Sagt man einer solchen, sie solle entweder w arten in dunkler Ungewissheit, oder anklopfen in hoffnungsloser, eigener Anstrengung? Gibt es keine frohe Botschaft für eine solch arme, geängstigte Seele ? Ist der Sohn Gottes am Kreuze gestorben, hat Er darum das Werk der Erlösung vollbracht, um eine mühselige, beladene Seele warten oder anklopfen zu lassen, wer weiß wie lange? Hat Jesus nicht das Werk ein für allemal vollbracht? Und genügt es nicht für den überführten, schuldigen Sünder? Ja, gepriesen sei Sein Name! alles ist getan und vollendet, und deshalb war der Rat jener beiden Männer durchaus mangelhaft; sie ließen ihren Freund und Bekannten genau da, wo sie ihn fanden, elend und arm. Er versicherte mir, er habe drei Jahre lang angeklopft und keine Antwort erhalten.
Endlich wandte er sich in seiner Not an einen dritten Bekannten, erzählte ihm, wie es ihm bisher ergangen sei, und richtete dieselbe bedeutungsvolle Frage an ihn: „Was soll ich tun?“ Und wie lautete jetzt die Antwort? „Du bist ganz und gar auf dem falschen Wege'', sagte der dritte Arzt. „Du brauchst weder zu warten noch anzuklopfen, sondern du hast einfach zu Jesu zu kommen mit all deinem Elend, mit deiner ganzen Schuld, genau so wie du bist, als ein verlorener, verdammungswürdiger Sünder. Für solche ist Jesus gestorben; und wenn du an Sein vollbrachtes Werk glaubst, so bist du errettet, auf der Stelle errettet, errettet für alle Ewigkeit. Wer an Ihn glaubt, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht.''
Hoch horchte der junge Mann auf. Das war eine herrliche Nachricht, eine kostbare, willkommene Botschaft für eine arme, geplagte Seele! Sie siel in sein Herz, wie die warme, befruchtende Regenschauer auf das dürre Land. Wie jubelte er, als er vernahm, dass nach dem Worte des lebendigen Gottes selbst alles geschehen ist, was der Sünder für Zeit und Ewigkeit bedarf: die Sünde hinweggetan, die Errettung geschehen und so frei wie die Lust, welche die Lungen einatmen, so frei wie die Sonnenstrahlen, die auf die Erde herabfallen, so frei wie die Tautropfen, welche am Morgen die dürstende Flur erquicken. Warten und Anklopfen machten jetzt einem fröhlichen Glauben Platz. Mein lieber junger Freund wurde befreit —aus den Ketten Satans und der Sünde und fand Frieden in Christo Jesu, „der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung“ (1. Kor. 1, .30). Ja, im Glauben an Ihn fand er alles, wonach er sich so lange vergeblich gesehnt hatte.
Der Herr gebe allen, welche mit ängstlich fragenden Seelen zu tun haben, ein klares Verständnis darüber, auf welche Weise sie ihnen am besten dienen können! Lasst uns alle solche auf Jesum hinweisen, nicht aber sie durch unsere theologische Weisheit in Verwirrung bringen!
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Der große weiße Thron und der ewige Zustand
Bibelstelle: Offenbarung 20, 11 – 21,8
Botschafter des Heils 1904 S. 169ff
Wir kommen jetzt zu der anderen Seite unseres Gegenstandes: was wird das Ende, die Ewigkeit derer sein, welche durch Gottes Gnade aus dem Verderben herausgerissen, den Ketten der Sünde entronnen sind? Das Ende des Menschen ohne Gott haben wir gesehen; es ist schrecklich und kann nicht anders als schrecklich sein. Es entspricht den Werken des Menschen, der Feindschaft seines Herzens gegen Gott. Aber so schrecklich das Los ist, welches der Mensch sich selbst bereitet, so herrlich, ja, über alle Beschreibung herrlich ist das, was Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben. In beiden Fällen entspricht das Ergebnis dem Werk und dem Wirkenden.
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer ist nicht mehr.“ (Kap. 21, 1.) Staunend lauschen wir diesem Bericht. Von neuem werden uns in wenigen Worten gewaltige Dinge mitgeteilt. Eine ganz neue Schöpfung entsteht, zweifellos hervorgehend aus der alten, wie der Auferstehungsleib aus dem gegenwärtigen Leibe der Niedrigkeit gebildet werden wird, —— eine Schöpfung, deren Daseins-Bedingungen ganz andere sind als die der gegenwärtigen; denn „das Meer ist nicht mehr“. Daraus folgt, dass auch keine Atmosphäre, kein tierisches
und pflanzliches Leben dort sein kann. Alle, welche dieser neuen Schöpfung angehören, die Bewohner des neuen Himmels und der neuen Erde, bedürfen dessen aber auch nicht mehr; was der Mensch heute zu seinem Bestehen und Wohlbefinden nötig hat, werden sie völlig entbehren können. Sie sind neue Geschöpfe mit verherrlichten, geistigen Leibern; Menschen, wahrhastige Menschen, aber nicht mehr gebunden an die gegenwärtig geltenden Naturgesetze.
Aber nicht genug damit. Johannes berichtet weiter: „Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel herniederkommen von Gott, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme sagen: Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen. Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott.'' (V. 2. 3.) In die neue, ewige Ordnung der Dinge, wie Gott sie dereinst schaffen wird, die so ganz verschieden ist von der alten, ja, selbst von allem, was die Herrschaft des Messias im tausendjährigen Reiche kennzeichnen wird, — kommt die heilige Stadt, das neue Jerusalem, herab. Sie gleicht einer für ihren Mann geschmückten Braut. Gott selbst hat sie so herrlich bereitet, denn sie ist die Braut, das Weib des Lammes. (Vgl. V. 9 ff.) Sie wird die Hütte Gottes bei den Menschen genannt. Heute „die Behausung Gottes im Geiste“ (Eph. 2, 22), wird sie diesen bevorzugten Platz in Ewigkeit behalten.
Es war von jeher das Verlangen, der Ratschluss des Herzens Gottes, bei den Menschen zu wohnen. Aber die Sünde ließ Ihn nicht lange ruhen in der ersten Schöpfung; sie brachte eine unübersteigliche Kluft zwischen Ihn und den Menschen. Wo Gott wohnen soll, darf es keine Sünde geben. Darum musste Er sich im Alten Bunde, wo Seine Herrlichkeit inmitten des Volkes Israel ihre Wohnung nahm, mit einer ganzen Reihe von Opfern umgeben, durch welche die Sünde, wenn auch nur vorbildlich (Gott blickte immer voraus, auf das eine Opfer des Leibes Jesu Christi hin), gesühnt wurde. Jahr für Jahr musste der Hohepriester am großen Versöhnungstage mit Blut ins Heiligtum treten, und in ununterbrochener Folge mussten Schuld- und Sündopfer, Friedensopfer, Speis- und Brandopfer dargebracht werden. Nur so, aus Grund einer vollbrachten Versöhnung, vermochte Gott unter Seinem irdischen Volke zu weilen.
Nachdem Christus gekommen ist und sich selbst zur Abschaffung der Sünde als Opfer dargebracht hat, ist die Kluft für den an Jesum Glaubenden so völlig entfernt, dass er selbst einerseits zu einem Tempel des Heiligen Geistes wird und andererseits als ein lebendiger Stein eingefügt wird in das Haus Gottes. Der Herr Jesus baut heute Seine Versammlung oder Gemeinde; wer von Herzen an Ihn, den Sohn des lebendigen Gottes, glaubt, gehört zu dieser Gemeinde, zu diesem göttlichen Bau, in welchem Gott durch Seinen Geist wohnt. Nun, dieses Haus Gottes, jetzt die Braut Christi, dann das Weib des Lammes genannt, sieht Johannes aus dem Himmel herniederkommen von Gott, und zwar unter dem Bilde einer Stadt, als „das neue Jerusalem“. Sie bildet den Mittelpunkt des ganzen neuen Systems, so wie einst das alte Jerusalem nach Gottes Gedanken den Mittelpunkt dieser Erde bildete. Dort wohnte Gott in Seinem Tempel; in nächster Nähe, in den vielen Wohnungen des Hauses Gottes, wohnten die Priester, und im weiteren Umkreise das Volk. So wird Gott dereinst, in dem ewigen Zustande, in Seiner Hütte bei den Menschen der neuen Erde wohnen. Die himmlischen Heiligen bilden diese Hütte oder Wohnung Gottes, während die übrigen Erlösten, welche sich auf der neuen Erde befinden werden, einfach „Menschen“ heißen. ES gibt nicht länger Juden und Heiden, wie jetzt oder auch noch im tausendjährigen Reiche, sondern nur Menschen; auch nicht Völker oder Nationen, sondern nur ein Volk, das Volk Gottes. Alle Unterschiede, welche mit dieser Schöpfung und mit der Zeit in Verbindung stehen, sind dann verschwunden.
Aber mehr noch. Im Garten Eden betrachtete Gott gleichsam aus einer gewissen Entfernung Sein Werk; Er besuchte den Menschen. Im ewigen Zustande aber wird Gott den neuen Schauplatz, welchen Seine Hand für den Menschen geschaffen hat, nicht nur von Zeit zu Zeit besuchen, sondern Er wird ewiglich in der Mitte der Menschen wohnen. Die Sabbatruhe Gottes ist angebrochen, die nie mehr gestört werden wird. Gottes Ratschluss ist erfüllt. „E-3 ist geschehen!“ sagt Er. „Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende.“ (V. 6.) Er macht alles neu. „Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen.“ (V. 3. 4.)
Ähnliche Ausdrücke finden wir im Propheten Jesaja in Bezug auf den Segen, der im tausendjährigen Reiche auf dieser Erde herrschen wird; aber bei einer genauen Vergleichung werden wir dennoch große Unterschiede finden. Jesaja kündigt einen herrlichen, aber irdischen und zeitlichen Zustand an, der im Blick auf die Gerechten sich erfüllen wird. Segen, wunderbarer Segen, Friede und Freude werden da herrschen, wo so lange Unfriede, Unsegen, Eigenwille und Gewalttat das Zepter führten; aber doch wird die Segnung nicht unvermischt sein. Der Tod ist noch nicht abgeschafft, die Sünde ist noch da, und infolge dessen auch noch Schmerz und Trauer. Aber wenn einmal das Vollkommene, der ewige Zustand, gekommen sein wird, so wird nichts mehr an die erste Erde erinnern. „Das Erste ist vergangen.''
Es ist beachtenswert, dass in diesem ganzen Abschnitt das Lamm nicht erwähnt wird. Es ist Gott, der im Vordergrunde steht. Das „Ende“ ist gekommen, wann Christus das Reich Seinem Gott und Vater übergibt. (1. Kor. 15, .24.) Nicht als ob Christus je aufhören würde zu regieren, aber Seine besondere Regierung als der auferstandene Sohn des Menschen, d. i. Seine Regierung für einen gegebenen Zeitabschnitt über ein irdisches Volk und über die Welt im Allgemeinen, wird zu einem Ende kommen. Diese Herrschaft oder dieses Reich, an welchem die Heiligen teilnehmen werden, wird Er Seinem Gott und Vater übergeben, (während Er selbst als Mensch den Platz der Unterwerfung in Herrlichkeit einnehmen wird, wie Er es einst in Gnade auf der Erde getan hat,) auf dass Gott —— Vater, Sohn und Heiliger Geist, — Gott als solcher, alles in allem sei.
So erblicken wir hier denn die Herrlichkeit Gottes in ihrem vollsten, weitesten Sinne, und wir mögen wohl mit dem Apostel ausrufen: „Was sollen wir hierzu sagen?“ Dieser große, mächtige, wunderbare Gott will selbst jede Träne abwischen, so wie eine Mutter mit sanfter Hand ihrem weinenden Kinde die Tränen trocknet! Wahrlich, Er ist der Gott der Liebe. Darum kann Er auch diese herrlichen und doch zugleich so ernsten Mitteilungen nicht beschließen, ohne noch einmal eine freundliche Einladung an den Durstigen, und eine geradezu erschütternde Warnung an die zu richten, welche in der Trägheit oder Bosheit ihrer Herzen fern von Ihm bleiben. „Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst .... Den Feigen aber und Ungläubigen und mit Gräueln Befleckten und Mördern und Hurern und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern —— ihr Teil ist in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches ist der zweite Tod.“ (V. 6. 8.)
Die letzten Worte sind gerade an dieser Stelle von ernstester Bedeutung und Kraft; denn vergessen wir nicht, dass das, was uns vorgestellt wird, der ewige Zustand ist. Wenn Gott alles in allem sein wird, wenn Er in Liebe herabkommt, um bei den Menschen zu wohnen, wenn Er jede Träne abgewischt hat und die Segnungen einer seligen Ewigkeit von den Erlösten genossen werden, dann, ja, dann ist das Teil der Verlorenen in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, und nicht ein einziges Wort deutet an, dass die Schrecken dieses Ortes je vergehen, je aufhören werden. Das Herz zitiert bei dem Gedanken daran, und nochmals möchte ich warnend rufen: Niemand lasse sich betrügen durch den Wahn, Gott sei Liebe und könne so etwas nicht zugeben! Ja, Gott ist Liebe, aber Er ist nicht nur Liebe, Er ist auch Licht.
Und lasst uns auch dies noch beachten: Die finstere Liste derer, welche in dem Feuersee ihren Platz finden werden, nennt als Erste in der Reihe: Feige und Ungläubige; als Letzte: Lügner. Zwischen diesen beiden Endpunkten stehen Mörder, Hurer, Zauberer usw. Ist das nicht ernst? Man sollte meinen, es sei unmöglich, Feige und Ungläubige (aber sonst vielleicht ganz ehrenwerte Menschen) mit Mördern und Hurern auf einen Boden zu stellen. Und doch geschieht es hier, und Gott macht keinen Fehler. Er urteilt und misst nach dem Maßstabe Seiner Gerechtigkeit. Was sind denn das: „Feige“? Es sind jene, welche wohl wissen, dass es anders mit ihnen werden muss, die in ihrem Gewissen überführt sind und manch guten Vorsatz fassen, dabei es aber von Tag zu Tage aufschieben, Ernst zu machen, weil sie sich vor den Folgen eines solchen Schrittes fürchten. Sie lieben die Ehre bei den Menschen mehr, als die Ehre bei Gott. Sie fürchten ein spöttisches Lächeln, ein mitleidiges Achselzucken, die Pfeile höhnender Bemerkungen, Verluste an Ansehen und Einkommen, und ich weiß nicht, was alles. Sie sind feige.
Und Ungläubige? Ach, man denkt gar wenig daran, was man tut, wenn man dem Worte Gottes und Seinem Zeugnis über Christum nicht glaubt; man macht Gott zum Lügner. Was ist die Folge? Sein Zorn bleibt aus dem, der solches tut; denn ist er weniger schuldig als der, welcher sich an Eigentum, Ehre oder Leben seines Mitmenschen vergreift? — Und Lügner endlich? Sie offenbaren durch ihr Lügen ihre Zugehörigkeit zu Satan, dem Lügner von Anfang und dem Vater der Lügner. Darum ist auch mit Recht ihr Teil in dem Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.
So haben wir denn das „Ende“ in dem vollsten und bestimmtesten Sinne des Wortes erreicht. Der ewige Zustand, sowohl der Erlösten als auch der Verlorenen, steht vor unseren Blicken. Gott hat uns über alles Auskunft gegeben, und, gepriesen sei Sein Name! Seine Worte sind „gewiss und wahrhaftig“. Niemand sage daher, man könne nichts wissen über den Zustand nach dem Tode und wie es in der Ewigkeit sein werde! Gott hat Seine Mitteilungen darüber niederschreiben lassen, und jeder kann sie lesen. In dem tiefen Bewusstsein des Ernstes dieser Dinge schließe ich deshalb mit den Worten, welche einst Mose, der treue Mann Gottes, an das Volk Israel richtete: „Ich nehme heute den Himmel und die Erde zu Zeugen gegen euch: das Leben und den Tod habe ich euch vorgelegt, den Segen und den Fluch! So wähle das Leben, aus dass du lebest!“ (5. Mose 30, 19).
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Anbetung
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 220ff
Was ist Anbetung? Um eine kurze Antwort auf diese Frage zu geben, möchte ich sagen: Anbetung ist das Wiederaufsteigen (sei es aus dem Herzen eines Einzelnen oder aus der Mitte einer ganzen Versammlung) der Gedanken, welche Gott selbst über die Person und das Werk Christi hat und in uns durch die Kraft Seines Geistes wachruft. Im Alten Testament konnte deshalb niemals eine Anbetung stattfinden, wie sie dem Herzen Gottes wirklich entsprach; denn Christus war noch nicht geoffenbart, Gott war noch hinter dem Vorhang verborgen, alles war unbestimmt und dunkel. Und auch heute vermag niemand im wahren Sinne des Wortes anzubeten, der nicht in die Gemeinschaft des Vaters gebracht und so fähig gemacht ist, in die Gedanken und Gefühle des Vaters über den Sohn einzugehen. Ferner ist es offenbar, dass niemand anzubeten vermag, selbst wenn er ein Gläubiger, ein Kind Gottes, ist, der nicht in dem Lichte dieser Gemeinschaft wandelt und sich von der Welt und ihren verfinsternden und verunreinigenden Einflüssen frei erhält.
Gebet und Flehen, Fürbitte und Danksagung ist nicht Anbetung; Bekenntnis ebenso wenig. Selbstgericht und Bekenntnis sollten stets der Anbetung voran gehen; denn wenn nur ein Flecken von bewusster Sünde aus dem Gewissen liegt, „ sind wir außerstande, in einer Gott wohlgefälligen Weise anzubeten. Wir fühlen uns gehindert, ein Bann liegt auf uns; wir können nicht mit Freimütigkeit ins Heiligtum eintreten. Der Strom der Anbetung kann nicht fließen; ja, mehr noch: unser persönlicher Zustand übt auch Einfluss aus Andere aus, wir werden ein Hindernis für die, welche mit uns anbeten möchten. Wie sollte uns diese Erkenntnis ernst stimmen und uns dahin bringen, es genau mit uns zu nehmen, uns-*) zu prüfen, wie der Apostel uns ermahnt! (1. Kor. 11, 28.) Wir verwundern und beklagen uns oft darüber, dass die Stunden unseres gemeinschaftlichen Gottesdienstes vielfach nicht das sind, was sie sein sollten. Ich glaube, wenn wir hineinschauen könnten in die Herzen der Versammelten, so würden wir uns nicht mehr so sehr verwundern, wohl aber Ursache finden, uns zu demütigen. Wie mag es da in den Herzen oft aussehen, während äußerlich alles in bester Ordnung zu sein scheint! Und Lasst uns nicht vergessen, dass Gottes Auge tief hineinblickt in das Innerste unserer Seele, und dass eine nur scheinbare Inbrunst, ein Erfülltsein mit allerlei zerstreuenden Gedanken, während der Mund die kostbarsten Worte singt, oder gar eine Anbetung mit verunreinigtem Herzen vor Ihm ein Gräuel ist. Er ist und bleibt „der Heilige und der Wahrhaftige“, Er kann sich selbst nicht verleugnen. Nur dann, wenn ich in praktischer Absonderung von dem Bösen stehe, wenn mein Herz einfältig ist und mich nicht verurteilt, habe ich Freimütigkeit zu Gott, nur dann genieße ich Seine Gemeinschaft, so dass der Geist Gottes mich ungehindert einführen kann in Gottes Gedanken über Seinen Sohn, über Christi Erniedrigung, über Seine Leiden bis in den Tod, über Seine Demut, Seinen Gehorsam, Seine Hingebung, Seine Holdseligkeit usw...
Anbetung ist auch nicht ein Beschäftigtsein mit meinen Sünden oder mit mir selbst, sondern mit dem Jesus, der diese Sünden hinweggetan und mich mit Gott versöhnt hat. Anbetung heißt: sich selbst ganz vergessen, sich ganz aus dem Auge verlieren und erfüllt sein mit Gottes Gedanken über Jesum. Gott ist jetzt nicht mit dem beschäftigt, was ich bin, sondern mit dem, was Christus ist. Je mehr Jesus alles für die Seele wird, desto mehr wird sich auch die Kraft des Lebens offenbaren, das uns geschenkt ist und sich bald droben in seiner ganzen Herrlichkeit und Schönheit entfalten wird.
Gott will, dass Seine Kinder wissen, dass sie nicht nur einen Platz in Seinem Hause, sondern auch an Seinem Herzen haben. Er wünscht sie ganz glücklich und in Frieden in Seiner Gegenwart zu sehen. Und wenn nun ihre Herzen mit dem süßen Bewusstsein Seiner Liebe erfüllt sind, wenn sie mit Bewunderung und Freude Seinen Gesalbten betrachten, wenn sie, mit einem Wort, da ruhen, wo Gott mit Wonne ruht, so steigen ganz von selbst die Opfer des Lobes zu Ihm empor, die Ihm so wohlgefällig sind durch Jesum Christum. Das ist Anbetung. Das Herz verliert sich sozusagen in der staunenden Betrachtung dessen, was es in Gott und in Christo findet. Aber um das zu können, muss es sich frei fühlen, muss das Gewissen gut und ohne Anstoß sein.
Selbstverständlich bleibt eine solche Anbetung nicht ohne gesegnete Rückwirkung aus den Gläubigen. Es vollzieht sich unbewusst das, was wir in 2. Kor. 3, 18 lesen: „Mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden wir verwandelt nach demselben Bilde, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist''. Da ist eine lebendige, umwandelnde Kraft in Christo; und wenn wir mit Ihm und dem Vater in Gemeinschaft sind, so erweist sich diese Kraft in uns wirksam und bringt Wunder hervor zu Seinem Preise.
Sollte man es für möglich halten, dass ein Mensch, der einmal die reinigende Kraft des Blutes Christi an sich erfahren, und geschmeckt hat, was es heißt, des Vaters Umarmung und Kuss zu empfangen, wieder umwenden könnte zu den Träbern, welche die Schweine fressen? Sollte man meinen, dass jemand, der die Süßigkeit des himmlischen Mannas erprobt und von den erfrischenden Wassern des geistlichen Felsen getrunken hat, sich wieder gelüsten lassen könnte nach den Töpfen und Krügen Ägyptens? Ach, die Erfahrung lehrt, dass es möglich ist. Wie viel weltliche Gesinnung und Trachten nach den Dingen dieser Erde ist in unserer Mitte! Wie wenig zeigt sich das liebliche Bild Christi in so vielen der Seinigen! Tiefe Sorge beschleicht das Herz im Blick auf so manche, welche allsonntäglich am Tische des Herrn bekennen, dieser Welt entflohen und mit Christo eine Pflanze, ein Leib geworden zu sein. Eine wahrhaft erschreckende Oberflächlichkeit und Gefühllosigkeit gibt sich vielfach kund, und man fragt sich unwillkürlich: Wie oft mag wohl auch heute das ernste Wort des Apostels in Erfüllung gehen: „Wer unwürdig isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet“? Und weiter; „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank und ein gut Teil entschlafen“. (1. Kor. 11, 29. 30.) Der Herr schenke uns ein allgemeines Aufwachen, ein Sich-Ermannen, damit der Schlaf nicht tiefer und tiefer werde und dem Herrn schließlich nichts anderes übrig bleibe als ernste Züchtigung! Hören wir, was der Heilige Geist vor alters den Ephesern zurief: „ Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber Licht in dem Herrn; wandelt als Kinder des Lichts . .. indem ihr prüfet, was dem Herrn wohlgefällig ist. Und habet nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr aber strafet sie auch . . . Denn das Licht ist es, welches alles offenbar macht. Deshalb sagt er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten! Sehet nun zu, wie ihr sorgfältig wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise, die gelegene Zeit auskaufend, denn die Tage sind böse.'' (Vgl. Eph. 5, 8 — 21.)
Fußnote:
*) nicht nur unser Verhalten, unser Tun und Lassen, sondern uns selbst, unseren geistlichen Zustand vor Gott.
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Stromaufwärts
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 224ff
Der Strom der Welt eilt sonder Ruh
in raschem Lauf dem Abgrund zu
durch seiner Ufer Bahn;
Er schäumt und wirbelt voller Hast,
er lockt und schmeichelt ohne Rast
und zerrt an meinem Kahn.
Doch ob er werbend um mich treibt,
und ob sein Schwall das Ohr betäubt,
umbrandend Bug und Kiel –
Ich rud`re still mit fester Hand,
das Auge gradeaus gewandt,
stromaufwärts, hin zum Ziel!
K. B.
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Wer ist wie Jehova unser Gott?
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 239ff
In dem Nachstehenden findet der freundliche Leser einige glaubensstärkende Tatsachen zusammengestellt, zum Beweise der treuen Sorgfalt, mit welcher Gott über Sein Volk wacht, wenn es in Not und Gefahr ist, von seinen listigen und verschlagenen Feinden überwältigt zu werden.
Saul, der Feind Davids, war seiner Beute beinahe sicher. Da die Syphiter ihm gesagt hatten, wo David sich aushielt, und ihm als Führer dienten, gelang es ihm, ihn mit seinen Leuten zu umringen. Gleich einem edlen Wilde von allen Seiten von der Meute umstellt, zeigte sich für David nirgendwo eine Lücke, durch welche er hätte entschlüpfen können. Da, in diesem ernsten Augenblick, kam ein Bote zu Saul und sprach: „Eile und komm, denn die Philister sind ins Land eingefallen! - Da kehrte Saul um von der Verfolgung Davids und zog den Philistern entgegen.“ (1. Sam. 23, 27. 28.) Was blieb David übrig? Nur Lob und Dank gegen den Gott, der ihn aus aller Bedrängnis errettet hatte. „Opfern will ich dir mit Freiwilligkeit; deinen Namen will ich preisen, Jehova, denn er ist gut.“ (Vgl. Psalm 54.) - Dieser Gott ist unser Gott, dein Gott, mein Gott, was für Gefahren uns auch umgeben mögen.
Zur Zeit Esthers war bekanntlich das ganze Volk Gottes in Gefahr vertilgt zu werden. Briefe, mit dem Ringe des Königs Ahasveros untersiegelt, wurden in alle Landschaften des großen persischen Reiches geschickt, Abschriften des königlichen Befehls, in die Sprachen der einzelnen Völker übertragen, durch berittene Eilboten überallhin gebracht. Der Tag war bestimmt, die ernste Stunde kam immer näher; der Baum, an welchem der treue Mordokai aufgehängt werden sollte, war ausgerichtet, und der Feind frohlockte in der Gewissheit, dass sein böser Anschlag gelingen werde. — Aber dann lesen wir: „In jener Nacht floh den König der Schlaf, und er befahl, das Gedächtnisbuch der Chroniken zu bringen, usw.“ (Kap. 6). Gott benutzte jene schlaflose Nacht, um alles mit einem Schlage zu verändern. „Wenn die Stunden sich gesunden, bricht die Hilf', mit Macht herein.'' Hamans verschmitzter Rat wurde vereitelt, Gotte-,3 Volk vom Tode errettet, und der böse Widersacher Israels an demselben Baume aufgehängt, den er für Mordokai hatte herrichten lassen.
„Am Abend kehrt Weinen ein, und am Morgen ist Jubel da.'' (Ps. 30, 5.) Die Furcht und Todesangst wandelten sich in Jauchzen und Frohlocken, und die erwarteten Schreckenstage in Tage des Gastmahls und der Freude. (Kap. 8 u. 9.) „Gepriesen sei Jehova, Gott, der Gott Israels, der Wunder tut, Er allein!'' (Ps. 72,18.)
Der Pharao glaubte seiner Zeit klug zu handeln gegen Gottes Volk, indem er gebot, dass alle Knäblein in den Nilstrom geworfen werden sollten; aber die Vorsehung Gottes benutzte seine eigene Tochter dazu, Mose aus dem Wasser zu retten und den zu erziehen, der Israels Erlöser werden sollte. Und schließlich wurde sein Nachfolger von Gott ins Schilfmeer gestürzt, und alle seine Pläne gingen zu Grunde. (Ps. 146.)
Die böse Athalja suchte zu ihrer Zeit allen königlichen Samen umzubringen, um so Alleinherrscherin zu werden und sich den Thron zu sichern. Aber sie verrechnete sich. Gott bediente sich des Weibes des Priesters Jojada, um Joas, den jüngsten Sohn des Königs, mit seiner Amme zu verstecken und so am Leben zu erhalten. Und als Joas dann später rechtmäßiger König wurde, traf die Mörderin das gerechte Gericht Gottes; denn „wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden''. (1. Mose 9, 6; Vgl. 2. Kön. 11 u. 2. Chron. 22.)
Herodes ließ in seinen Tagen alle Knäblein in Bethlehem von zwei Jahren und darunter ermorden. Er -glaubte nun ganz gewiss sein zu dürfen, dass der neugeborene König der Juden getötet sei. Aber „der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer''. (Ps. 2, 4.) Gott hatte über das Kindlein gewacht. Die Magier aus dem fernen Osten mussten Josef mit Reisegeld versehen; dann erhielt er im Traume den Befehl: „Stehe aus, nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir und fliehe nach Ägypten''. (Matth. 2.) So wurden die listigen Anschläge des Herodes vereitelt. Nach der Geschichte soll er eines qualvollen Todes gestorben sein. Wie wahr sind die Worte in Spr. 21, 30): „Da ist keine Weisheit und keine Einsicht und kein Rat gegenüber Jehova''! Er leitet alles nach dem Rate Seines Willens und zur Erfüllung Seines 'Vorsatzes, trotz aller gegenteiligen Absichten und Überlegungen der Menschen.
Die Juden glaubten ihren Zweck erreicht zu haben, als sie Christum gekreuzigt hatten. Es schien auch so, als wenn jetzt alle Hoffnungen für die Jünger verloren seien. Das Grab war der Wache übergeben und der große Stein versiegelt. Gott aber weckte Jesum aus den Toten aus. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden; von dem Herrn ist dies geschehen und ist wunderbar in unseren Augen.'' (Matthäus 21, 42).
Und als die Juden nicht lange danach die Hände. aus die Apostel legten und sie in öffentlichen Gewahrsam setzten,. wurden sie als Widerstreiter Gottes erfunden, denn ein Engel des Herrn öffnete des Nachts die Türen des Gefängnisses, führte die Apostel heraus und gebot ihnen, die Worte des—Lebens zu allem Volke zu reden. (Apg. 5.). Später entstand eine große Verfolgung wider die Versammlung. Satan erwies sich als ein brüllender Löwe. Die Gläubigen wurden zerstreut. Aber die Zerstreuten wurden nun alle Missionare, gingen umher und. verkündigten die gute Botschaft; und der Herr war mit ihnen, „und eine große Zahl glaubte und bekehrte sich zu dem Herrn'' (Apg. 8 u. 11). Es ging so, wie Asaph sagt: „Der Grimm des Menschen wird dich preisen'' (Ps. 76, 10).
Wenn wir auf den Feind sehen und sein Tun, so sagen wir mit Luther: „Groß Macht und viel List seins grausam Rüstung ist“. Aber blicken wir auf Gott, so müssen wir anbetend in das Lied einstimmen: „Wo ist ein solcher Gott wie du, so treu in jeder Lage?''
Als die Amalekiter Ziklag verbrannt hatten, befanden sich David und seine Männer in großem Herzeleid, da ihre Weiber und Kinder samt all ihrer Habe gefangen weggeführt worden waren. „Aber David stärkte sich in Jehova, seinem Gott'', welcher ihn den Feinden nachjagen hieß und dann einen ägyptischen Knecht zur Ausführung Seiner Absichten benutzte. Derselbe war krank von seinem— Herrn zurückgelassen worden und lag ermattet und hilflos auf dem Felde. Von den Männern Davids gestärkt, erklärte er sich bereit, ihnen den Weg zu den Amalekitern zu zeigen; und so wurde nicht nur alles Geraubte wieder errettet, sondern David konnte auch von der großen Beute der Feinde Jehovas Geschenke machen (1. Sam. 30).
Joram, der König von Israel, schrieb seiner Zeit dem Herrn Böses zu, indem er sagte: „Jehova hat diese drei Könige gerufen, um sie in die Hand Moabs zu geben''. So hatte auch Israel einst in der Wüste gesprochen. Aber Elisa besaß das Wort des Gottes, der allein Wunder tut, und er hob an: „So spricht Jehova: Machet in diesem Tale Grube an Grube. Denn so spricht Jehova: Ihr werdet keinen Wind sehen und keinen Regen sehen, und doch wird sich dieses Tal mit Wasser füllen, so dass ihr trinken werdet 2c.“ Und so geschah es. Israel wurde errettet, der Feind getäuscht und besiegt (2. Kön. 3). Und als Elisa später in Lebensgefahr war, bediente sich Gott eines Heeres „feuriger Rosse und Wagen'', um Seinen Knecht zu beschützen und die Hoffnung des Feindes zu vereiteln (2. Kön. 6, 17). Ein anderes Mal ließ Gott „ein Getöse von Wagen und ein Getöse von Rossen, das Getöse einer großen Heeresmacht'', kommen, um das Heerlager der Syrer in die Flucht zu treiben, zum Wohle Samarias und zur Errettung seiner Bewohner aus einer schrecklichen Hungersnot.
„Weg' hat Er allerwegen, an Mitteln fehlt’s Ihm nicht.'' Er benutzt einen Hinterhalt (2. Chron. 20, 22), eine schlaflose Nacht, einen Traum, einen Engel, ein Erdbeben, ein Licht vom Himmel, einen schwülen Ostwind, einen Wurm, einen Schwestersohn des Paulus etc. etc., um Seine Absichten und Pläne zur Ausführung zu bringen. Er bedient sich der unscheinbarsten, wie der gewaltigsten Mittel, ganz wie es Ihm gefällt. Wie wahr sind doch die Worte in Hiob 5, 12. 135 „Er macht zunichte die Anschläge der Listigen, und ihre Hände führen den Plan nicht aus; Er erhascht die Weisen in ihrer List, und der Verschmitzten Rat überstürzt sich''! Mochten auch in dem vorhin zuletzt genannten Falle mehr als vierzig Männer sich verflucht und verschworen haben, nicht eher zu essen und zu trinken, bis sie Paulus umgebracht hätten, mochten sie ihr Netz noch so fein und listig gewoben haben —-— Gott machte alle ihre Anschläge zunichte. Wohl kam Gottes auserwähltes Rüstzeug nach Rom ins Gefängnis, aber er tat dort einen Dienst für die Versammlung Gottes, der ihr zugute kommt, so lange sie auf Erden ist.
Im Jahre 361 n. Chr. war die Kirche in großer Not; aber „wenn der Menschen Hilf' zu Ende, bleiben mächtig Seine Hände''. Kaiser Julian, „der Abtrünnige'' genannt, kam in jener Zeit auf den Thron und wollte dem Heidentum wieder zur Herrschaft verhelfen. In seiner Feindschaft wider Christum gedachte er den zerstörten Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen, um die Prophezeiung des Herrn (Luk. 21, 24) zunichte zu machen. In einer Schlacht gegen die Perser wurde er jedoch tödlich verwundet, und es wird erzählt, dass er sterbend eine Handvoll Blut gen Himmel geworfen habe mit dem Ausruf: „So hast du doch gesiegt, Nazaräer!'' Ja, der Nazaräer hatte gesiegt; Julians Plan wurde vereitelt, er regierte nur zwanzig Monate. Und der Nazaräer wird siegen. Alle Knie werden sich vor Ihm beugen und alle Zungen bekennen müssen, dass Er Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters. (Phil. 2.)
Als im Jahre 1521 Viele nach dem Blute Luthers dürsteten und er meuchelmörderisch umgebracht werden sollte, wurde auf seiner Reise nach Sachsen der schmähliche Plan vereitelt. Gott war Seines Knechtes „Zuflucht und Stärke, eine Hülse, reichlich gesunden in Drangsalen''. Diesmal bediente Er sich eines Zuges verkleideter Reiter, welche Luther auf die Feste Wartburg brachten, wo er ruhig an der Übersetzung der Bibel fortarbeiten konnte, während sich draußen das Werk des Herrn nach allen Richtungen hin ausbreitete, trotz Satan und seinen Helfershelfern. Ale im Jahre 1588 die spanische Riesenflotte, die so genannte „unüberwindliche Armada'', nach England kam, in der sicheren Erwartung, die Reformation dort auszurotten (der Großinquisitor samt einer großen Schar Dominikaner war mit an Bord), sandte Gott gewaltiges Stürme, welche die stolzen Schiffe zertrümmerten, so dass nur ein ganz armseliger Rest nach Spanien zurückkehrte. Im Süden von England ist zur Erinnerung daran ein Denkmal. ausgerichtet, welches die Inschrift trägt: „Er blies sie an mit Seinem Odem und zerstreute sie''. Ja, „wenn der Bedränger kommen wird wie ein Strom, so wird der Hauch Jehovas ihn in die Flucht schlagen“. (Jes. 59, 19.)
„Tobet, ihr Völker, und werdet zerschmettert! Und nehmet es zu Ohren, alle ihr Fernen der Erde! Gürtel: euch und werdet zerschmettert, gürtet euch und werdet zerschmettert! Beschließet einen Ratschlag, und er soll vereitelt werden; redet ein Wort, und es soll nicht zustande kommen; denn Gott ist mit uns.'' (Jes. 8, 9. 10.) Welch ein Trost für alle Zeiten: Gott mit uns und Gott für uns, besonders im Blick aus die unsichtbaren Feinde und Gefahren!
Israel hatte in den Ebenen Moabs keine Ahnung von dem, was sich aus den Höhen der Berge zutrug; und wenn es Kenntnis davon gehabt hätte, so hätte es sich doch nicht helfen können. Aber Gott wusste alles, und Er begegnete dem Feinde und vereitelte seine Absicht. (4. Mose 22—24.) Balak hatte den Zauberer Bileam gedungen, um Gottes Volk zu verfluchen; aber Gott bediente sich Bileams, um es zu segnen O wie treu ist Er! Wie ist Er mit uns hier in der Wüste, im Tränental, wo wir mit allerlei Schwachheiten und Fehlern umgeben, voller Mängel und Gebrechen sind, und wo die leicht umstrickende Sünde mächtig wirksam ist! Gott ist für uns, und Christus ist zur Rechten Gottes allezeit beschäftigt für uns; Er kennt „die Listen des Teufels'', und Er begegnet den „geistlichen Mächten der Bosheit in den himmlischen Örtern''. Gott „erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel''; ja, Bileam muss ausrufen: „Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel!'' So erblickt Gott nicht nur keine Ungerechtigkeit in Seinem Volke, sondern Er sieht sogar Schönheit. Welch ein Trost für uns und welch eine Enttäuschung für den Feind!
Wenn der Kläger mich verklagt,
Christus hat mich schon vertreten;
Wenn er gar zu sichten wagt,
Christus hat für mich gebeten.
Dass mein Mittler für mich spricht,
Das ist meine Zuversicht.
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Das Blut welches redet
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 248ff
Von keinem menschlichen Auge gesehen, sank Abel zu Boden; die Erde wurde getränkt mit Menschenblut, und die einzige Person, welche als Zeuge wider Kain, den Brudermörder, hätte austreten können, lag stumm und regungslos zu seinen Füßen. Der Tod, der durch die Sünde in die Welt gekommen war, fand hier, soweit uns bekannt ist, sein erstes Opfer.
Hat Abel um sein Leben gebeten? Das wird aus dieser Seite des Grabes wohl nie jemand zu wissen bekommen. Kein menschliches Ohr hat vernommen, was zwischen den beiden Brüdern vorgegangen ist; aber nachdem der Mord vollbracht war, lag die Furcht einflößende Stille des Todes über der blutigen Stätte. Abels Stimme unterbrach sie nie wieder. Augenscheinlich meinte Kain, dass sein Werk einen Erfolg für ihn bedeute, denn als Gott ihn fragte: „Wo ist Abel, dein Bruder ?“ da leugnete er frech jede Kenntnis dessen ab, was gerade stattgefunden hatte. Allein die zweite Frage muss augenblicklich jede Hoffnung auf ein Entrinnen und Straflosbleiben zerstört haben. Die Worte: „Was hast du getan?“ bewiesen, dass Gott von der furchtbaren Tat wusste, und die Ankündigung: „Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Erdboden her'', zeigte dem Mörder, dass ein Zeuge wider ihn vorhanden war, von dessen Dasein er sich nie hätte träumen lassen.
Das Blut, welches Kain vergossen hatte, besaß eine Stimme; Gott vernahm diese Stimme und deutete sie ihm. Das Blut redete, und alles lag offen vor Gott da. Abel hatte seinen Bruder nicht verklagt, noch hatte er zu Gott um Rache geschrien ; aber sein Blut, das die Erde getrunken hatte, redete in Ausdrücken, welche Abels Schöpfer wohl verstand. Ein Mensch, geschaffen im Bilde Gottes, wenn auch in der Gleichheit Adams, war als ein Opfer der Eifersucht und des Hasses gefallen; und während Kain alles ruhig erschien, hörte Gott laut und deutlich die Stimme des Blutes und tat sogleich hierauf bezügliche Schritte. Sein Urteil über den Mörder ließ nicht auf sich warten, und dieses Urteil, welches für das Leben Kains aus der Erde galt, bot keine Hoffnung, dass es je zurückgenommen oder auch nur gemildert werden könne; denn—Gott handelte nicht nach dem, was Kain über die Sache dachte, sondern nach dem, was jenes Blut in Seinen Augen war, so wie Er die Stimme des Blutes des Bruders vernahm, als für das taube Ohr Kains ewige Stille sich über die Todesstätte gebreitet hatte.
Hätte der gerechte Gott anders handeln können? Kain hatte gesündigt, und dafür musste er büßen. Das Blut schrie zu Gott, das Blut eines Gerechten. Über Abels Gerechtigkeit konnte kein Zweifel bestehen. Die Annahme seines Opfers von Seiten Gottes bezeugte sie, und der Herr Jesus hat sie hernach bestätigt. (Vgl. Hebr. 11, 4; Matthäus 23, 35.) Aber, könnte vielleicht gefragt werden, war es nicht möglich, dass jenes Blut, obgleich es von Kain vergossen war, ihm doch in sühnender Weise wiederum zugutekommen konnte? Nein. Abel war zwar gerecht, aber er bedurfte, wie sein Opfern beweist, für sich selbst ein Opfer; niemals konnte er durch seine Verdienste für die Sünde seines Bruders Sühnung tun, er selbst war von Natur ein Sünder und bedurfte der Versöhnung. „Keineswegs vermag jemand seinen Bruder zu erlösen, nicht kann er Gott sein Lösegeld geben'', sagt der Psalmist. (Ps. 49, 7.) Wenn irgend ein Heiliger durch seine Verdienste einem Sünder auf Erden hätte helfen können, so wäre hier die Gelegenheit dazu geboten gewesen. Es war die erste Sünde, welche nach dem göttlichen Bericht gegen ein Mitgeschöpf begangen wurde, und Gott (nicht nur der Mensch) erkannte an, dass Abel gerecht war. Aber alle Gerechtigkeit Abels nützte Kain nichts. Gott konnte nicht nach den Verdiensten Abels handeln, sondern nach dem, was das Blut sprach. Und unverbrüchlich war das Urteil, unmittelbar das Gericht. Gott wusste ja von jeher, was Kain tun würde, aber erst als das Blut Abels vergossen war und zu Gott geschrien hatte, konnte Er aus dessen Stimme antworten; aber dann geschah es auch unverzüglich. Kain sollte unstet und flüchtig sein aus der Erde, und der Boden, den er so erfolgreich bebaut hatte, sollte ihm hinfort seine Kraft nicht geben. Täglich und stündlich sollte er an den Zustand erinnert werden, in den er durch die Vergießung des Blutes Abels gebracht worden war; und dieser Zustand sollte sich nie verändern, er war die Folge dessen, was stattgefunden hatte.
Doch Gott sei gepriesen! neben dem Blute Adels, welches um Rache schrie zu Gott, lesen wir von dem Blute eines Anderen. Beide, das erste wie das letzte, reden, und in dieser Beziehung haben sie eine Ähnlichkeit; aber der Umstand, dass das letzte besser redet als Abel, zeigt, dass ein Unterschied zwischen ihnen besteht. Das letzte wird in dem Briefe an die Hebräer (Kap. 12, 24) „das Blut der Besprengung'' genannt, ein Ausdruck, welchen die gläubigen Hebräer verstehen mussten. Ihre Väter waren mit Blut besprengt worden in Gemeinschaft mit dem Buche des Bundes, ein Zeichen, dass sie die Verantwortlichkeit der Bundesbedingungen auf sich nahmen und sich der Strafe unterwerfen wollten, wenn sie dieselben brachen. Nun, dieses Blut der Besprengung redet. Es hat, wie das Blut Abels, eine Stimme, und Gott hat diese Stimme gedeutet. Ach, dass doch alle auf sie merken wollten! denn dieses Blut redet besser als Abel. Vergebung, Friede, Erlösung, Einführung in das Allerheiligste vor Gottes Angesicht, — das ist etwas von dem Besseren, wovon es Zeugnis ablegt. „Dieses ist mein Blut, das des neuen Bundes, welches für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden'', sagte der Herr zu Seinen Jüngern in der letzten Nacht vor Seinem Leiden. So vernahmen sie von Seinen eigenen Lippen etwas über Sein Blut; und der Apostel Paulus schreibt unter der Leitung und durch die Eingebung des Heiligen Geistes: „. . . zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade, worin Er uns begnadigt hat in dem Geliebten, in welchem wir die Erlösung haben durch Sein Blut, die Vergebung der Vergehungen'', (Eph. 1, 6. 7) und an einer anderen Stelle: „Es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in Ihm zu wohnen und durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen, indem Er Frieden gemacht hat durch das Blut Seines Kreuzes-“. (Kol. 1, 19. 20.) Endlich wird im Hebräerbrief gesprochen von unserer Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum „durch das Blut Jesu“. (Hebr. 10, 19.)
Adels Blut redete, und das Gericht folgte. Das Blut der Besprengung redet, und Friede und Freude ist die Folge für jeden, der im Glauben seine Stimme vernimmt. Es redet nicht von dem, was der Mensch verdient, sondern von der überströmenden Güte Gottes. Wohl zeugt es laut von der Schuld des Menschen, welcher nach dem mörderischen Geiste Kains gehandelt hat; aber zugleich erfahren wir vonseiten Gottes selbst, dass es ausreicht, um alle unsere Sünden wegzutun. Es ist das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, welches uns reinigt von aller Sünde. (1. Joh. 1, 7.) Der Gegensatz zwischen dem Blute Abels und dem Blute Christi ist unermesslich groß. Gott sei Lob und Dank, dass es so ist! Aber doch ist der Grundsatz des Handelns Gottes in beiden Fällen ein ähnlicher. Er zögerte nicht, zu reden und zu handeln, als das Blut Abels zu Ihm schrie; und Er zögert heute nicht, in Übereinstimmung mit dem zu handeln, was das Blut Seines Sohnes erklärt. Abels Blut schrie zu Gott; das Blut der Besprengung redet zu Gott und hat zugleich eine Stimme für uns. Jenes schrie um Rache; dieses spricht von Gnade und zeugt davon, dass das Gericht Gottes über die Sünde getragen worden ist, so dass Er jetzt gerecht sein und den rechtfertigen kann, der des Glaubens an Jesum ist. Dem Zustande Kains, nachdem Gott das Urteil über ihn gesprochen hatte, war in keiner Weise abzuhelfen; ebenso sind die Segnungen derer, welche an den Sohn glauben, unwiderruflich. Unmittelbar trafen für Kain die Folgen ein; das Gleiche ist der Fall bei denen, welche zu dem Blute Jesu ihre Zuflucht nehmen. Seine Wirkung ist unverzüglich und kann sich niemals verändern. Es ist das Blut des ewigen Bundes, durch welches seine ewige Erlösung zuwege gebracht worden ist (Vgl. Hebr. 9, 12; 13, 20).
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Entschiedenheit für Christum
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 269ff
I.
Zwei Dinge, kann man sagen, liegen jeder wahren Entschiedenheit für Christum zu Grunde, nämlich ein durch das Blut Jesu gereinigtes Gewissen und ein Herz, welches Christum liebt und sich in ehrerbietiger Unterwürfigkeit unter die Autorität Seines Wortes beugt. So lange mein Gewissen beunruhigt ist, so lange ich irgendwie im Zweifel bin betreffs meiner Errettung und mich ängstlich frage, ob ich ein Kind Gottes sei oder nicht, kann von Entschiedenheit für Christum nicht die Rede sein. Ich muss wissen, dass Christus für mich starb, dass Gott für mich ist; eher kann ich nicht mit Verständnis und mit einem glücklichen Herzen für Ihn leben. Andererseits muss, wenn es in meinem Herzen noch irgend einen Rückhalt gibt betreffs meiner Unterwerfung unter die Autorität Christi als meines Herrn und Meisters, wenn ich irgend eine Kammer desselben, sei sie auch noch so entlegen und klein, vor dem Lichte Seines Wortes verschlossen halte, dies notwendigerweise meine Entschiedenheit für Ihn beeinträchtigen. Mit einem Wort: ich muss wissen, dass Christus mein ist und ich Sein bin, bevor mein Lauf klar, zielbewusst. und entschieden sein kann.
Nur da, wo Christus den Ihm gebührenden Platz im Herzen einnimmt, wird alles richtig stehen. Wo das nicht der Fall ist, mögen Rechtgläubigkeit, ein schönes Bekenntnis, reiche Einsicht und dergl., vorhanden sein; aber das Herz steht nicht richtig, und darum ist alles in Unordnung. Eine bloß äußere Erkenntnis, verbunden mit den schönsten religiösen Formen ist in dem gegenwärtigen furchtbaren Kampf aber nichts nütze. Es handelt sich einfach um die Frage, ob Christus unser Leben ist, und ob wir Ihn als unseren Gegenstand haben. Die Beantwortung dieser Frage entscheidet alles.
Wir tun gut, uns immer wieder daran zu erinnern, welchen Platz das Wort Gottes für den Gläubigen hat, was Gott selbst von ihm sagt. Es ist die Leuchte für seinen Fuß, der untrügliche Führer für seinen Pfad, der Beurteiler all seiner Gedanken, die erste und letzte Instanz bei der Entscheidung aller Fragen bezüglich seines Wandels und Zeugnisses hienieden. Und dieses Wort ist unveränderlich, ewig bleibend. „In Ewigkeit, Jehova, steht dein Wort fest in den Himmeln.'' (Ps. 119, 89.) Nichte kann die ewige Wahrheit Gottes antasten, ummodeln. Zu allen Zeiten, unter allen Umständen und Verhältnissen bleibt sie dieselbe. Was wir bedürfen, ist deshalb, diesem Worte Gottes seinen richtigen Platz in unseren Herzen einzuräumen, die göttliche Wahrheit aus unser Gewissen einwirken, unseren Charakter bilden und unseren Weg gestalten zu lassen. „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, auf dass ich nicht wider dich sündige“ (Psalm 119, 11). „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht.“ (Matthäus 4, 4.) Das ist wahre Sicherheit. Hier liegt auch das Geheimnis des festen, entschiedenen Wandelns in den Wegen Gottes. Nicht Ansichten und Meinungen, nicht Gefühle und Überlegungen, nein, ein „So spricht der Herr!“ muss uns in allem leiten, sonst kann von unserem Pfade sicherlich nicht gesagt werden, dass er sich durch klare Entschiedenheit auszeichne.
Doch anstatt noch weiter darüber zu reden, was Entschiedenheit für Christum ist, wollen wir lieber ein oder zwei Beispiele aus den Berichten des inspirierten Wortes herausgreifen, Beispiele von Männern, welche zu ihrer Zeit, unter den widrigsten Umständen, treu und entschieden für ihren Gott einstanden und Seinem Worte folgten. Sie werden mehr dazu beitragen, unser Thema zu beleuchten, als irgendetwas, das wir noch sagen könnten. Wir bitten. daher den Leser, zuerst seine Aufmerksamkeit dem Buches Esther zuzuwenden und mit uns ein wenig zu verweilen bei der Geschichte eines Mannes, der dort eingeführt wird unter dem Namen:
Mordokai, der Jude.
Dieser merkwürdige Mann lebte zu einer Zeit, da das jüdische Volk infolge seiner Untreue und seines Ungehorsams als selbständige Nation zu bestehen aufgehört hatte. Die Macht lag in den Händen der Heiden. Der Thron. Jehovas war von Jerusalem entfernt, und die Beziehungen zwischen Jehova und Israel konnten nicht länger öffentlich anerkannt werden. Ein treuer Jude konnte nichts anderes tun, als seine Harfe an die Weiden hängen und klagen. über die dahingeschwundene Herrlichkeit früherer Tage. Der auserwählte Same befand sich in der Verbannung; nur ein kleiner, schwacher Überrest war in den Tagen Esras und Nehemias zurückgekehrt zu der Stadt und dem Tempel, wo ihre Väter einst angebetet hatten. Das war der äußere Zustand der Dinge in den Tagen, in welche das Los Mordokais gefallen war.
Mit ihm lebte ein anderer Mann in der Residenz und am Hofe des Fürsten, in dessen Hände Gott Macht und Herrschaft gegeben hatte. Diesem Manne war der arme, verbannte Jude ein Dorn im Auge. Warum wohl? Hatte Mordokai ihm Böses erwiesen? Nein, die Ursache lag anderswo. Haman, so hieß jener Mann, stand dem Throne sehr nahe, er war der anerkannte Günstling des Königs Ahasveros, hatte den zweiten Platz im Reiche, besaß einen fürstlichen Reichtum und schier grenzenlosen Einfluss. Und diesem gewaltigen Manne, vor dem alles zitterte, den alle ehrerbietigst grüßten, wo irgend er sich blicken ließ, verweigerte Mordokai die Ehrerbietung. Trotzdem der König geboten hatte, dass alle seine Untertanen sich vor Haman verbeugen und niederwerfen sollten, blieb Mordokai ruhig an seiner Stelle sitzen, wenn Human vorüber schritt. Wie seltsam! Mordokai rettet dem König Ahasveros das Leben (Vgl. Kap. 6, 1. 2), aber vor seinem Günstling bückt er sich nicht! War es ein Wunder, dass der stolze Haman ergrimmte und den armen Juden grenzenlos hasste?.
Doch warum, wird der Leser fragen, handelte Mordokai so? Tat er es aus Hartnäckigkeit, törichtem Stolz oder vielleicht gar aus Neid? In diesem Falle wäre sein Verhalten sicher aufs Entschiedenste zu verurteilen gewesen, und Gott würde sich keineswegs zu ihm bekannt haben. Geschah es aber aus Gehorsam gegen ein Gebot Gottes, aus der Entschiedenheit eines Herzens heraus, das entschlossen war, koste es was es wolle, den Willen Gottes zu tun, so müssen wir Mordokais Tun als die kostbare Frucht seiner Liebe zu Gott und seiner Ehrfurcht vor dem Worte Gottes betrachten, und dann kann es uns nicht Wunder nehmen, dass Gott für Seinen Knecht eintrat.
In der Tat, dies macht den ganzen Unterschied aus-. Und wenn wir nun fragen: Wo fand denn Mordokai eine Grundlage für sein Verhalten diesem stolzen Amalekiter gegenüber? Gab es wirklich ein Gebot des Herrn für ihn, in solch auffallender Weise zu handeln? - so finden wir wohl die Antwort in 2. Mose 17, 14-16, wo wir lesen: „Und Jehova sprach zu Mose: Schreibe dieses zum Gedächtnis in ein Buch, und lege in die Ohren Josuas, dass ich das Gedächtnis Amaleks gänzlich unter dem Himmel austilgen werde. Und Mose baute einen Altar und nannte seinen Namen: Jehova, mein Panier! Und er sprach: Denn die Hand ist am Throne Jahs: Krieg hat Jehova wider Amalek von Geschlecht zu Geschlecht!“ Vgl. auch 5. Mose 25, 17 -19.
In diesen beiden Abschnitten finden wir die genügende Vollmacht für Mordokai, sich nicht vor Haman, dem Agagiter, niederzuwerfen. Wie hätte ein treuer Jude jemandem Ehrerbietung erweisen können, mit dem Jehova von Geschlecht zu Geschlecht Krieg führte? Wohl hätte das Fleisch tausend Entschuldigungen und Einwürfe Vorbringen und einen leichten Pfad für sich ausfindig machen können. War nicht das jüdische Volk in tiefster Bedrängnis -, zerstreut, zu Grunde gerichtet, nur noch ein Schatten seines einstigen Seins? Besaß nicht der Amalekiter Ansehen und Macht, und war es deswegen nicht nutzlos, ja, geradezu töricht für einen einzelnen, in der Verbannung lebenden Juden, einen solch erhabenen Boden betreten zu wollen? War nicht die Herrlichkeit Israels auf immer dahin? Was kann es nützen, so hätte das arme, schwache Herz einwenden können, das Panier noch hochhalten zu wollen, nachdem doch einmal alles zertrümmert ist? Du lenkst durch die hartnäckige Weigerung, dein Haupt zu beugen, nur die Aufmerksamkeit der Feinde auf dich und machst den niedrigen Zustand, in welchem du dich befindest, nur umso bemerkbarer. Wäre es nicht besser, dich ins Unvermeidliche zu schicken und dich., so schwer es dir wird, vor dem Manne zu verneigen? Das würde die Sache in Ordnung bringen. Haman würde befriedigt, und du und dein Volk, ihr würdet in Sicherheit sein. Sei nicht halsstarrig. Bestehe doch nicht in solch hartköpfiger Weise aus einer offenbar so unwesentlichen Sache. Was weiß Human, was wissen die heidnischen Perser um dich her von jenem Befehl Jehovas? Und wer sagt dir,. dass er nicht nur für die Ohren Josuas bestimmt war? In jenen glänzenden und siegreichen Tagen, ja, da war er sicherlich am Platze; aber wie könnte er vonseiten eines. Verbannten, in den Tagen von Israels Verwüstung, zur Ausführung gebracht werden?
Alles das und noch manches andere hätte das Fleisch gegen das Verhalten Mordokais Vorbringen können; aber auf alle diese Fragen und Bedenken gab es für den Glaubensgehorsam nur eine Antwort, und diese lautete: „Gott hat gesprochen. Das genügt. Wir sind ja freilich ein elendes, zerstreutes Volk, das wegen seiner Sünden unter dem Strafgericht Gottes liegt. Aber Gott hat Seins einmal ausgesprochenes Wort über Amalek nicht umgestoßen, noch einen Friedensvertrag mit ihm gemacht; und Amalek steht vor mir in der Person dieses hochmütigen Agagiters. Wie darf ich einem Menschen Ehrfurcht erweisen, dessen Vorfahr der treue Samuel vor Jehova in Stücke gehauen hat?“
„Aber“, konnte das kleingläubige Herz wieder antworten— wann hat die Natur keine „Aber“ mehr gegenüber den heiligen Entschlüssen des Glaubens? —— „aber dann ist es mit dir aus. Entweder musst du nachgeben, oder du gehst zu Grunde.''
Die Entgegnung des Glaubens ist wiederum höchst einfach. Sie lautet: „Ich habe mit den Folgen nichts zu tun; die liegen in Gottes Hand. Meine Losung ist: Gehorsam; die Ergebnisse stehen bei Gott. Besser, mit einem guten Gewissen zu sterben, als mit einem schlechten zu leben. Besser, diese Erde zu verlassen mit einem Herzen, das mich nicht verurteilt, als hier zu bleiben mit einem Herzen, das einen Feigling aus mir macht.''
O wie gut können wir es verstehen, in welch listiger Weise dieser treue Jude vom Feinde angegriffen worden sein wird! Satan war damals kein anderer als heute, und auch das Fleisch war in jenen Tagen genau dasselbe wie heute. Nur die Gnade Gottes kann ein Herz fähig machen, eine unbeugsame Entschiedenheit an den Tag zu legen zu einer Zeit, wo alles gegen uns ist. Freilich wissen wir wohl, dass es besser ist, alles zu erdulden, als unseren Herrn zu verleugnen oder zu fliehen angesichts Seiner Gebote; aber doch, wie wenig sind manche von uns bereit, um Christi willen auch nur eine Verhöhnung, einen spöttischen Blick, ein verächtliches Achselzucken zu ertragen! Wie gern möchten manche den Schein wahren, dass sie doch auch Menschen von gesundem Urteil, freiem Blick und aufgeklärter Gesinnung seien! Ach, wie leicht wird oft die Wahrheit aus dem Altar der Höflichkeit geopfert! Wie schwer scheint es manchen zu werden, den Namen Jesu vor den Ohren unbekehrter Menschen über die Lippen zu. bringen! Wie viele Zugeständnisse werden gemacht, wo eine rücksichtslose Entschiedenheit am Platze wäre! Wie manche Freiheiten erlaubt man sich aus Kosten unseres hochgelobten Herrn und Meisters! Wie ängstlich werden auch die möglichen Folgen eines entschiedenen Schrittes abgewogen, und mit welcher Feigheit weicht man oft vor vielleicht nur eingebildeten Schwierigkeiten zurück! O mein lieber gläubiger Leser, bedenke was du tust! Der Herr schaut auf dich herab, die Blicke der Engel ruhen auf dir, die Menschen beobachten dich; und alle erwarten von dir Entschiedenheit und Treue. Darum sei entschieden, sei streu, und der Herr wird mit dir sein!
Mit Mordokai war es so. Er stand da wie ein Fels und ließ die ganze Flut der Schwierigkeiten und des Widerstandes über sich ergehen. Er wollte sich nicht vor dem Amalekiter beugen, mochten die Folgen seines Verhaltens sein, welche sie wollten. Und nun. betrachten wir die Ergebnisse! Mit Staunen müssen wir sehen, wie in einem Augenblick die Flut abgewandt wurde. Der stolze Amalekiter sank von seiner Höhe herab, und der verbannte Jude wurde aus Sack und Asche emporgehoben und fand seinen Platz neben dem Throne. Haman vertauschte Reichtum und Würden mit einem Galgen, und Mordokai Sack und Asche mit einem königlichen Gewande und königlicher Ehre.
Nun, nicht immer wird die Belohnung des einfältigen Gehorsams so schnell da sein und so herrlich ausfallen, wie bei Mordokai. Auch können wir hinzufügen, dass wir keine Mordokais sind und auch —wohl kaum Aussicht haben, jemals zu einer der seinen entsprechenden Stellung erhoben zu werden. Aber das tut nichts zur Sache; der Grundsatz gilt, wer wir auch sein und wo wir auch stehen mögen. Da ist keiner von uns, so unbekannt oder unbedeutend er auch sei, der nicht einen Kreis hätte, innerhalb dessen sein Einfluss zum Guten oder Bösen fühlbar wäre. Zudem sind wir, ganz abgesehen von unseren besonderen Umständen oder den sichtbaren Ergebnissen unseres Verhaltens, alle berufen, dem Willen des Herrn zu gehorchen, Sein Wort in unseren Herzen zu haben, und uns mit stets gleicher Entschiedenheit zu weigern, irgend etwas zu tun oder zu sagen, das dem Worte und Willen des lebendigen Gottes zuwider ist. „Wie sollte ich dieses große Übel tun und wider Gott sündigen?“ Das sollte allezeit unsere Sprache sein, gleichviel ob es sich handelt um die Versuchung eines Kindes, ein Stück Zucker zu naschen, oder um den folgenschwersten Schritt im Bösen, zu welchem ein Erwachsener je versucht werden könnte. Die Stärke der Stellung Mordokais lag in der Tatsache, dass er Gott fürchtete und vor Seinem Worte zitterte.
Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit! Die göttlichen Zeugnisse vergehen oder verändern sich nicht. Himmel und Erde werden vergehen, aber von dem, was unser Gott gesprochen hat, wird in alle Ewigkeit nicht ein Jota noch ein Strichlein vergehen. Das was einst den Ohren Josuas eröffnet worden war, als er siegreich unter dem Panier Jehovas einherschritt, musste daher das Verhalten Mordokais bestimmen,. obwohl er, in Sacktuch gekleidet, als ein Verbannter in der Stadt Susan weilte. Zeiten und Geschlechter waren dahingeschwunden, die Tage der Richter und die Jahre der Könige waren vorüber, aber das Gebot Jehovas hinsichtlich Amaleks hatte nichts von seiner Kraft verloren, konnte nichts von seiner Kraft verlieren. „Denn'', so haben wir gelesen, „die Hand ist am Throne Jahs (d. h. zum Schwur) : Krieg hat Jehova wider Amalek'', — nicht nur in den Tagen Josuas, oder in den Tagen der Richter und der Könige, sondern: „von Geschlecht zu Geschlecht''. So lautete der göttliche Bericht, und er bildete die einfache, aber unerschütterliche Grundlage für das Verhalten Mordokais.
Wie außerordentlich wichtig ist doch eine bedingungslose Unterwerfung unter das Wort Gottes! Wir leben in einer Zeit des ausgeprägten Eigenwillens einerseits, und der Gleichgültigkeit und des Sich-Gehenlassens andererseits. Die Vernunft, der Wille und der Eigennutz des Menschen wirken zusammen, um die Autorität der Heiligen Schrift beiseite zu schieben, oder die Schärfe des zweischneidigen Schwertes abzustumpfen. Man kann oft Stelle auf Stelle des inspirierten Buches anführen, aber alles prallt ab, dem Regen gleich, der an die Fensterscheiben schlägt. Wie ernst ist das schon, wenn es sich um jene vielen Millionen handelt, die den Namen Christi mit ihrem Munde bekennen und darum auch die Verantwortlichkeit für ihr Bekenntnis tragen! Was aber soll man sagen, wenn wahre Gläubige, Kinder Gottes, Jünger und Jüngerinnen Jesu, Gleichgültigkeit dem offenbarten Willen Gottes gegenüber offenbaren, träge sind im Kampf dem Feinde gegenüber, die bösen Neigungen des Fleisches nicht im Tode halten und so Anlass zu Ärgernis und Anstoß geben! Wir kennen in der Tat wenig Dinge, die gefährlicher sind als ein äußeres Vertrau-Sein mit dem Buchstaben der Schrift, während das Gewissen nicht von ihm beherrscht, der ganze Weg nicht von ihm geleitet, noch das ganze Verhalten durch seine heiligen Vorschriften bestimmt wird. Der Herr mache uns alle treuer und entschiedener im Bekenntnis und Wandel! Ja, möchte Er viele entschiedene und aufrichtige Zeugen erwecken in diesen letzten Tagen, Männer gleich dem treuen Mordokai, der lieber einen Galgen besteigen als sich vor einem Amalekiter beugen wollte!
Fußnote:
*) Haman wird in Kap. 3, 1 der Agagiter genannt; er stammte also wohl vom königlichen Geschlecht der Amalekiter. Agag war der Titel der amalekitischen Könige. (Vgl. 4. Mose 24, 7; 1. Sam. 15, 8.)
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Des Herrn Tag
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 279ff
Des Herrn Tag! - Kennst du die Bedeutung dieses Wortes, mein lieber Leser? Es ist nur ein Tag, der so genannt wird, der erste Tag der Woche, der Auferstehungstag unseres geliebten Herrn und Heilandes, ein Tag, der in ganz besonderer Weise Ihm gehört, an dem die Seinigen zusammenkommen, um Seinen Tod zu verkündigen, um ein Fest zu feiern zu Seinem Gedächtnis, ein Tag der Ruhe von irdischer Arbeit, aber der Tätigkeit für Ihn, den abwesenden, aber bald wiederkehrenden Herrn.
Wie begehst du diesen Tag? Betrachtest und behandelst du ihn wirklich als einen Tag, der nicht dir (auch nicht für einige Stunden) und deiner Arbeit*), deinem Erwerb, deiner Erholung oder gar deinem Vergnügen gehört?
Wie die sogenannte christliche Welt ihn feiert, das wissen wir; aber wie feierst du ihn? Wie wenig sie ihn behandelt als des Herrn Tag, ist uns zur Genüge bekannt; aber wie behandelst du ihn? Bist du darauf bedacht, die kostbaren Stunden dieses Tages auszunutzen in Seinem Dienst, in der Beschäftigung mit Seinem Wort, in der Bemühung der Liebe für die Seinigen, für Arme, Schwache, Kranke, Einsame usw., die so ganz besonders Gegenstände Seiner Liebe und Sorge sind? Denkst du an solche, die Ihn noch nicht kennen, denen Er in Seiner erbarmenden Liebe Sich aber so gern kundgeben und für deren ewiges Wohl Er dich benutzen möchte? Bemühst du dich ernstlich, denen, die dir anvertraut sind und deren Seelenheil dir am Herzen liegen sollte, deinen Familiengliedern, Dienstboten, Angestellten usw., die Möglichkeit zu bieten, ja, sie dazu anzuhalten, diesen Tag so zu verleben, wie es dem Herrn gefällt?
Ich möchte diese Fragen meinen lieben Lesern und Leserinnen zu ernster Erwägung dringend ans Herz legen. Ich fürchte, dass in dieser Beziehung vieles bei uns ist, wie es nicht sein sollte, zum Unsegen für uns und unsere Umgebung, zum Schaden für unsere Seelen und vielleicht auch zum Ärger für die Welt und zum Anstoß für andere Christen. Ich kenne wohl die Schwierigkeiten, die es für manche Gläubige in dieser Hinsicht gibt, auch die Einwendungen, die das arme, kleingläubige Herz macht, und die Ansprüche, welche die Natur erhebt. Aber sind jene Schwierigkeiten wirklich unüberwindlich? Halten jene Einwendungen und Ansprüche stand gegenüber dem Herrn, Der alles weiß und kennt, Dem wir angehören mit allem, was wir sind und haben, Dessen treue Verwalter wir sein sollen?
Wir sind auf dem Wege zu Ihm, und Seine Ankunft ist ganz nahe gerückt. Möchten wir im Lichte Seines Richterstuhls, vor dem wir bald alle offenbar werden müssen, als solche dastehen, die Seinen Tag in irgendeiner Weise geringgeschätzt haben?
Vielleicht wird man einwenden: Wir stehen doch nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Allerdings; und Gott sei gepriesen, dass es so ist! Aber vergessen wir nicht, dass die Gnade weit höhere Anforderungen an uns stellt als das Gesetz. Das Gesetz sagt: „Du sollst deinen Nächsten lieben"; unter der Gnade heißt es: „Liebet eure Feinde!" Hüten wir uns, nicht die Gnade zu missbrauchen und sie „zu einem Anlass für das Fleisch" zu benutzen!
Fußnote:
*) Ich denke selbstverständlich nicht an Arbeiten, die an diesem Tage getan werden müssen.
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Entschiedenheit für Christum
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 295ff
II.
Wir bitten den Leser, mit uns das sechste Kapitel des Propheten Daniel zu lesen. Dort finden wir in Daniel ein zweites passendes Beispiel zur Beleuchtung unseres Themas. Bevor wir jedoch näher in die Besprechung des Kapitels eintreten, möchten wir noch einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken.
Es liegt ein besonderer Reiz in der Betrachtung solcher lebendigen Beispiele wie Mordokai und Daniel. Sie erzählen uns in anschaulicher, ja ergreifender Weise, welches Ansehen das Wort Gottes in früheren Tagen genoss bei Menschen von gleichen Empfindungen und geringerem Verständnis als wir; sie zeigen uns, dass es zu allen Zeiten Männer gegeben hat, die das Wort des lebendigen Gottes so hoch schätzten, dass sie lieber den Tod in seiner erschreckendsten Gestalt erdulden, als um eines Haares Breite von dem schmalen Pfade abweichen wollten, den das Wort ihnen bezeichnete. Mit solchen Männern in Berührung zu kommen ist heilsam, besonders in Tagen wie den gegenwärtigen, wo so viel Lauheit und oberflächliches Bekenntnis zu finden ist und wo die Gebote Gottes so wenig Gewicht, so wenig Macht über Herz und Gewissen zu haben scheinen.
Was sind alle Meinungen und Gebote der Menschen, verglichen mit einer einzigen Zeile der Heiligen Schrift? O möchten wir uns doch in unbedingter Unterwerfung unter die Gebote unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi beugen. Ohne Zweifel gibt es Schwierigkeiten, Steine des Anstoßes und feindliche Einflüsse zu überwinden. Aber wann hat es solche nicht gegeben? Die einzige Frage ist, wie es um unser Herz und Gewissen Gott gegenüber steht, und wie unser Auge beschaffen ist. Der Herr sagt: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein". Ein einfältiges Auge ruht auf dem Herrn und Seinem Wort, und dann ist alles einfach und licht. Man hat dann nichts mit den widerstreitenden Meinungen der Menschen noch mit eigenen Gedanken und Überlegungen zu tun, sondern einfältig auf die Stimme des Herrn zu lauschen. Sein Wort ist unser Licht und unsere Autorität, unser Lendengurt bei der Arbeit, die Stärke unserer Herzen im Dienst, die feste Grundlage für unseren ganzen Wandel. Gott hat alles so klar für uns gemacht, dass auch der Einfältige auf dem Wege nicht irre zu gehen braucht. Alles, was wir nötig haben, ist ein einfältiges Auge, ein unterwürfiger Wille und ein gelehriger Geist. Mein Leser, denke wohl über diese Dinge nach! Sie sind es wert, von dir beachtet zu werden. Wünschest du wirklich, deinem Herrn zu folgen? Möchtest du in Wahrheit und mit Eifer Ihm dienen? Dann lass Christum der einzige Gegenstand deines Herzens, Sein Wort deine Richtschnur, Seine Verherrlichung dein Ziel sein! Wie viel in dieser Hinsicht versäumt wird, weiß Gott allein. Aber Er ist auch bereit, zu vergeben und wiederherzustellen, und Er kann und will uns mehr Gnade darreichen, damit Sein Werk in uns sich wieder belebe und unser Wandel in innigerer Verbindung mit Ihm stehe, als bisher. - Wenden wir uns jetzt zu einem interessanten Ausschnitt aus der Geschichte
Daniels, des Propheten.
„Es gefiel Darius, über das Königreich hundertundzwanzig Satrapen zu bestellen, die im ganzen Königreiche sein sollten, und über diese drei Vorsteher, von welchen Daniel einer war: damit jene Satrapen ihnen Rechenschaft gäben und der König keinen Schaden erlitte. Da übertraf dieser Daniel die Vorsteher und die Satrapen, weil ein außergewöhnlicher Geist in ihm war; und der König gedachte ihn über das ganze Königreich zu bestellen. Da suchten die Vorsteher und die Satrapen einen Anklagegrund gegen Daniel von Seiten der Verwaltung zu finden; aber sie konnten keinen Anklagegrund und keine schlechte Handlung finden, weil er treu war und kein Vergehen und keine schlechte Handlung an ihm gefunden wurden" (Daniel 6,2-5).
Welch ein Zeugnis, wie erquickend für das Herz! „Kein Vergehen und keine schlechte Handlung wurden an Daniel gefunden." Selbst seine bittersten Feinde vermochten nicht, einen Makel in seinem Charakter oder einen Flecken in seinem privaten Leben ausfindig zu machen. Das war in Wahrheit ein seltener und bewunderungswürdiger Beweis von Treue, ein klares Zeugnis für den Gott Israels und selbst in jenen dunklen Tagen der babylonischen Gefangenschaft; es ist ein unbestreitbarer Beleg für die Tatsache, dass es unser glückseliges Vorrecht ist, wie ungünstig unsere Stellung und wie widerwärtig unsere Umstände auch sein mögen, uns allezeit und überall so zu führen, dass wir dem Feinde keinen Anlass zum Tadel geben.
Wie traurig ist es, wenn sich das Gegenteil zeigt! Wenn solche, die ein hohes Bekenntnis im Munde führen, sich immer wieder in den einfachsten Umständen des häuslichen oder geschäftlichen Lebens als auf sehr niedrigem Boden stehend erweisen! Wie entmutigt es das Heiz, wenn man hören muss, dass die Christen vielfach Leute seien, mit denen sich schwer auskommen lasse: unfreundliche Herrschaften, schlechte Dienstboten, träge Arbeiter, oder unzuverlässige Geschäftsleute, die ihr Geschäft nachlässig führen und gar höhere Preise verlangen und minderwertigere Waren liefern als andere, weltliche Geschäftsleute. Ist es nicht höchst beklagenswert, wenn derartige Aussagen auch nur in irgendeinem Maße begründet sind? Sollte nicht von allen Christen gerade das Entgegengesetzte gesagt werden können?
Sicherlich ist die Welt nur zu bereit, einen Anklagegrund gegen die, die den Namen Jesu bekennen, zu suchen und zu finden; ferner müssen wir in Betracht ziehen, dass jede Sache ihre zwei Seiten hat, und dass sehr häufig Missverständnisse, Übertreibungen und dergleichen vorkommen. Immerhin aber müssen wir zugestehen, dass sich manche Beschuldigung bei näherer Untersuchung als wahr erweist; und das ist tief beschämend, denn es ist die Pflicht des Christen, in jeder Stellung, in jedem Lebensverhältnis so zu wandeln, dass „kein Vergehen und keine schlechte Handlung" an ihm gefunden werden kann. Entschuldigungen sollten wir für uns niemals gelten lassen.
Was sich auch immer ereignen mag, ein Christ sollte stets die mit seiner Stellung verbundenen Pflichten treu und gewissenhaft erfüllen. Nachlässige Gewohnheiten, sorgloses, leichtfertiges Handeln, Pflichtversäumnisse und dergleichen auf Seiten eines Christen sind stets ein ernster Schaden für die Sache Christi und eine Unehre für Seinen heiligen Namen, während Fleiß, Eifer, Pünktlichkeit und Treue jenen Namen verherrlichen. Und dies gerade, die Verherrlichung des Namens seines Herrn, sollte das erste, ja, einzige Ziel des Christen sein.
Nicht in seinem Interesse, zu seiner Ehre oder zu seinem Vorteil ist ein Christ bestrebt, seiner Aufgabe im Familienkreise oder in seinem Berufe gerecht zu werden. Sicher werden Fleiß, Aufrichtigkeit und Treue seinen Interessen dienen, seinen guten Ruf erhalten bzw. erhöhen und zu seinem Fortkommen behilflich sein; aber keines dieser Dinge ist sein eigentlicher Beweggrund. Was ihn leitet und beherrscht, ist das Verlangen, seinem Herrn und Meister zu gefallen und Ihn zu ehren.
Kennst du die Losung, mein Leser, welche der Heilige Geist betreffs aller dieser Dinge für uns gegeben hat? Sie lautet: „ ... auf dass ihr tadellos und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter welchem ihr scheinet wie Lichter in der Welt" (*8). Mit weniger sollten wir nicht zufrieden sein. „Sie konnten keinen Anklagegrund und keine schlechte Handlung finden, weil er treu war und kein Vergehen und keine schlechte Handling an ihm gefunden wurden". Ein erhabenes Zeugnis! Gebe Gott, dass das Verhalten, die Gewohnheiten und der Wandel aller, die sich wahre Christen nennen, stets derartig seien, dass ein solches Zeugnis auch in unseren Tagen mehr ausgestellt werden könnte!
Dennoch gab es einen Punkt, wo die Feinde Daniels ihn anzugreifen vermochten. „Da sprachen diese Männer: Wir werden gegen diesen Daniel keinen Anklagegrund finden, es sei denn dass wir in dem Gesetz seines Gottes einen gegen ihn finden". Hier allein gab es einen Angriffspunkt, um diesen treuen Diener Gottes ins Verderben zu stürzen. Wie aus dem Schluss des 11. Verses hervorgeht, hatte Daniel die Gewohnheit, täglich dreimal zu beten, und zwar in einem Raum, der nach Jerusalem hin offene Fenster hatte. Diese Tatsache war wohlbekannt, und jene Männer beschlossen, sie sich zunutze zu machen. Eiligst liefen sie zu dem König und sprachen zu ihm: „König Darius lebe ewiglich! Alle Vorsteher des Königreichs, die Statthalter und Satrapen, die Räte und Landpfleger sind Rats geworden, dass der König eine Verordnung und ein Verbot erlasse, dass ein jeder, der binnen dreißig Tagen von irgendeinem Gott oder Menschen etwas erbittet, außer von dir, o König, in die Löwengrube geworfen werden soll. Nun, o König, erlass das Verbot und lass eine Schrift aufzeichnen, die nach dem Gesetz der Meder und Perser, welches unwiderruflich ist, nicht abgeändert werden darf. - Deshalb ließ der König Darius die Schrift und das Verbot aufzeichnen".
So war denn der Anschlag fertig und eine schlaue Schlinge für den harmlosen Daniel gelegt. Wie wird er jetzt handeln? Wird er es nun doch nicht für richtiger halten, das Banner sinken zu lassen? Ja, wenn es sein eigenes gewesen wäre, so hätte er das vielleicht tun können. Aber wenn es sich um Gottes Banner handelte, wenn sein Verhalten sich auf die Wahrheit Gottes gründete, dann musste er es zweifellos so hoch halten wie je, ungeachtet aller menschlichen Beschlüsse und Schreiben, möchten diese selbst von dem König unterzeichnet und von seinen Ministern gegengezeichnet sein. Gerade so wie bei Mordokai drehte sich alles um den einen Punkt, ob er eine göttliche Vollmacht für sein Verhalten besaß oder nicht.
Die Gewohnheit, nach Jerusalem hin zu beten, mochte manchem seltsam und wunderlich erscheinen, und wie in dem Fall Mordokais hätten auch hier allerlei Fragen erhoben werden können, wie z. B.: Was hast du nötig, in solch öffentlicher Weise nach Jerusalem hin zu beten? Schließe wenigstens die Fenster! Oberhaupt, warum kannst du nicht warten, bis die Nacht ihren Schleier um dich gezogen, und die Tür deines Kämmerleins sich hinter dir geschlossen hat? Es ist doch ganz gleich, wann du dein Herz vor deinem Gott ausschüttest. Gott sieht nicht auf Zeit, Ort oder äußere Haltung.
Und weiter: Ist es weise, unter solchen Umständen an. einer hergebrachten Gewohnheit festzuhalten? Früher mag es ja ganz recht so gewesen sein, als du beten konntest, wann und wie es dir beliebte; aber nach Erlass des königlichen Befehls erscheint es doch geradezu wie strafbar Hartnäckigkeit, deiner alten Gewohnheit zu folgen. Es sieht ja geradeso aus, als wenn du dir mit Gewalt die Märtyrer» kröne erringen wolltest.
Allen diesen Fragen und Einwürfen gegenüber gab es für Daniel nur eine Antwort; und diese lautete: „Was sagt die Schrift?" Besaß er einen stichhaltigen, schriftgemäßen Grund, nach Jerusalem hin zu beten? War dies der Fall, so mussten alle anderen Bedenken schweigen. Und diesen Grund besaß er tatsächlich. Zunächst hatte Jehova in Bezug auf den Tempel in Jerusalem zu Salomo gesagt: „Meine Augen und mein Herz sollen daselbst sein alle Tage". Jerusalem war Gottes Mittelpunkt. Allerdings war die Stadt zerstört, der Tempel lag in Trümmern, aber Gottes Wort war nicht zerstört, und darin lag für den Glauben Daniels die einfache, aber gültige Vollmacht.
Ferner hatte König Salomo, Hunderte von Jahren vor Daniels Zeit, gelegentlich der Einweihung des Tempels zu Jehova, dem Gott Israels, gebetet: „Wenn sie wider dien sündigen ... und du über sie erzürnst und sie vor dein Feinde dahingibst, ... und sie nehmen es zu Herzen in dem Lande, wohin sie gefangen weggeführt sind, und kehren um und flehen zu dir in dem Lande ihrer Gefangenschaft, und sprechen: Wir haben gesündigt, wir haben verkehrt gehandelt und haben gesetzlos gehandelt; und sie kehren zu dir um mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele ... und sie beten nach ihrem Lande hin, das du ihren Vätern gegeben, und der Stadt, die du erwählt hast, und nach dem Hause hin, das ich deinem Namen gebaut habe: so höre vom Himmel, von der Stätte deiner Wohnung, ihr Gebet und ihr Flehen, und führe ihr Recht aus; und vergib deinem Volke was sie gegen dich gesündigt haben" (2. Chronika 6,36-39).
Sieh, mein lieber Leser, in diesen Worten lag der Grund, für Daniels Verhalten. Freilich war er ein gefangener Verbannter, aber sein Herz weilte in Jerusalem, und seine Augen folgten seinem Herzen. Konnte er auch nicht auf fremder Erde Zions Lieder singen, so konnte er doch seine Gebete gegen den Berg Zion hin richten. Hing auch seine Harfe einsam, klanglos an den Weiden Babylons, so wandten sich seine Zuneigungen doch der Stadt Gottes zu, die zwar augenblicklich nur einen einzigen großen Trümmerhaufen bildete, die aber „in Ewigkeit befestigt" werden sollte, „eine Freude der ganzen Erde" (Ps 48). Mochte auch der größte Monarch jener Tage einen Befehl erlassen haben, der ihm verbot, zu dem Gott seiner Väter zu beten; mochte die Löwengrube seiner harren und die Zähne der hungrigen Bestien bereit sein, seine Gebeine zu zermalmen - gleich seinem Bruder Mordokai, hatte er mit den Folgen seiner Handlungsweise nichts zu tun. Die standen bei dem Gott, der mit Wohlgefallen auf Seine beiden Knechte herniederblickte, von denen der eine lieber den Galgen besteigen, als sich vor Haman bücken wollte, und der andere lieber in die Löwengrube geworfen werden, als aufhören wollte, zu Jehova zu beten.
Ja, mein Leser, das waren Glaubensmänner früherer Tage, wahr, gerade, glaubensmutig, - Männer, deren Herzen und Gewissen durch das Wort Gottes geleitet wurden. Die Welt mochte sie Frömmler und Narren nennen; aber wie verlangt das gläubige Herz nach solchen Frömmlern und Narren in unseren Tagen falscher Freiheit und eingebildeter Weisheit!
Vielleicht wird der eine oder andere denken, Mordokai und Daniel hätten doch eigentlich um Kleinigkeiten, um ganz unwesentliche Dinge gekämpft. Derselbe Einwand wird auch heutzutage oft treuen Christen gegenüber erhoben. Aber ein solcher Einwand kann ein aufrichtiges und ergebenes Herz nur betrüben. Gibt es denn, wenn es sich um die Aufrechterhaltung des Banners der Wahrheit, des göttlichen Paniers, handelt, Wesentliches und Unwesentliches? Viele sind so geneigt, alles, was ihre Errettung angeht, als wesentlich zu betrachten, während sie, wenn es sich um die Verherrlichung Christi handelt, sei es in Wandel oder Lehre, so gern von „unwesentlich" reden. Wie schrecklich ist ein solcher Grundsatz! Sollten wir die Errettung als die Frucht des Todes unseres Herrn entgegennehmen, und irgend etwas, was Ihn angeht, was Ihn betrübt oder verunehrt, als unwesentlich bezeichnen? Das sei ferne! Nein, dann lasst uns lieber das Ding umkehren und sagen: Alles, was die Ehre und Verherrlichung des Namens Jesu betrifft, was Seine Person, Sein Werk und Seine Sache angeht, ist bedeutungsvoll und wesentlich, während alles, was uns betrifft, erst in zweiter Linie kommt. Möchte Gott in uns allen diese Gesinnung erwecken, damit wir nichts für unbedeutend halten, was Er uns in Seinem Wort gebietet, sondern „die Lehre unseres Heiland-Gottes zieren in allem!" (Titus 2,10).
So war es mit jenen beiden treuen Männern, deren Geschichte uns Gott aufbewahrt hat. Sie wollten beide lieber ihr Leben lassen, als auch nur um eines Haares Breite von der Wahrheit Gottes abweichen. Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit, und der Glaube nimmt seinen Standpunkt auf dieser unvergänglichen Grundlage. Jedes Wort, das aus dem Munde des Herrn ausgegangen ist, bleibt ewig jung und frisch; es verliert nie seine Kraft, büßt nie etwas ein von seiner Lieblichkeit, aber auch nie etwas von seinem Ernst und seiner Schärfe.
Werfen wir am Schluss noch einen kurzen Blick auf das Ergebnis der Treue Daniels. Der König war sehr bekümmert, als er seinen Missgriff entdeckte. „Er wurde sehr betrübt". Er hatte Ursache dazu, denn er war in eine fein gelegte Schlinge geraten; aber Daniel befand sich in guter Hut. „Der Name Jehovas ist ein starker Turm; der Gerechte läuft dahin und ist in Sicherheit" (Sprüche 18,10). Es kommt nicht darauf an, ob es eine Löwengrube zu Babylon oder ein Gefängnis zu Philippi ist - der Glaube und ein gutes Gewissen können einen Menschen an jedem Orte glücklich machen.
Ob Daniel wohl je eine glücklichere Nacht auf dieser Erde verlebt hat, als die, die er in der Löwengrube zubrachte? Ich möchte es bezweifeln. Er war dort für Gott, und Gott war bei ihm. Er konnte von dem Boden der Grube geradewegs in den Himmel emporblicken. Wer wollte nicht lieber ein Daniel in der Löwengrube sein, als ein Darius in seinem Palast? Der eine war glücklich in Gott, der andere war „sehr betrübt". Darius wollte, dass alle Menschen ihre Bitten an ihn, den armen, schwachen Menschen richteten, Daniel wollte zu niemandem anders beten, als zu dem lebendigen Gott. Darius war durch sein unüberlegtes Verbot gebunden, Daniel war durch nichts gebunden, als nur durch das Wort des lebendigen Gottes. Wer war der wahrhaft Freie?
Und am Ende, welch hohe Ehre für Daniel! Sein Name wurde öffentlich mit dem einen lebendigen und wahren Gott in Verbindung gebracht. „Daniel", rief der König, „Knecht des lebendigen Gottes!" Ja, fürwahr, er hatte diesen Titel verdient. Er war ein treuer und entschiedener Knecht seines Gottes. Er hatte gesehen, wie seine drei Freunde in den glühenden Feuerofen geworfen wurden, weil sie nur dem wahren Gott dienen wollten; und ihm selbst war aus dem gleichen Grund der Platz in der Löwengrube gegeben worden. Aber ihnen wie ihm war der Herr erschienen und hatte ihnen einen glänzenden Triumph bereitet. Sie waren die Sieger, ihre Feinde die Besiegten. Gott hatte ihnen die Ehre geschenkt, die Verheißung für sich zu verwirklichen, die den Vätern vor alters gemacht war, nämlich, dass Israel das Haupt und ihre Feinde der Schwanz, dass sie oben und ihre Feinde unten sein sollten. Nichts könnte klarer beweisen, wie viel Wert Gott auf eine von Herzen kommende Ergebenheit, auf entschiedene Treue legt, wo und wann sie sich auch zeigen möge.
O dass doch diese Ergebenheit und Treue mehr bei uns gefunden werden möchte in diesen „letzten schweren Zeiten"! - Ja, Herr, belebe dein Werk in den Herzen all der Deinigen!
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Sieg
Bibelstelle:
Botschafter des Heils 1904 S. 306ff
„Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesum Christum!“ (1. Kor. 15, 57). Es ist beachtenswert, dass es in dieser Stelle nicht heißt: „der uns den Sieg geben wird“, als handle es sich um etwas durchaus Zukünftiges, sondern: „der uns den Sieg gibt''. Ohne Zweifel wird der Sieg nicht eher vollständig sein, als bis wir auferstanden oder verwandelt sind. Aber der Sieg wurde für uns erstritten, als Jesus für uns starb und auferstand. Und das ist das gegenwärtige Teil des Glaubens, dessen er sich heute schon erfreut. Warum sollte der Gläubige warten, bis er die Auferstehung tatsächlich sieht? Freilich warten und hoffen wir jetzt auf den vollständigen, ewigen Sieg über alles, was wider Gott und darum auch gegen uns ist. Aber zugleich ist der auferstandene Christus heute schon unser, und in Ihm besitzen wir das Wesen von allein. Wir sehen noch nicht das volle Ergebnis, die allumfassende Anwendung des Sieges Christi, aber wir besitzen in Ihm das, was alles sicherstellt; und „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“. Und Er ist uns so von dem Gott geschenkt, der „nicht ein Mensch ist, dass Er lüge, noch ein Menschensohn, dass Er bereue“. (4. Mose 23, 19.) Ist es deshalb zu verwundern, dass der Apostel die Gläubigen ermuntert, stark, mutig und von Herzen dankbar zu sein? Geliebter Leser! Ist dir wohl schon einmal der Gedanke gekommen, dass Gott je an dem Siege zweifeln könnte, den Sein geliebter Sohn errungen hat? Oder dass Er in Bezug auf das Ergebnis dieses Sieges irgendwie in Ungewissheit geraten könnte? Noch nie, nicht wahr? Nun, der Glaube betrachtet die Dinge so, wie Gott sie sieht. Das ist das Geheimnis aller Kraft und alles Mutes. Gott hat uns Sein Wort gegeben, dass wir in unserem Maße dieselben Gedanken und Gefühle haben möchten, wie Er sie hat. Alles, was aus unseren eigenen Herzen, aus unserer alten Natur hervorkommt, ist verkehrt und böse. Aber wir haben eine neue Natur empfangen, die fähig ist, Gottes. Gedanken aufzunehmen und zu genießen; und das ist die Ursache, weshalb wir so glücklich sind und nie etwas anderes sein sollten. Ich meine nicht, dass wir stets nur freudige Gefühle haben sollten; denn es gefällt Gott, uns zuweilen durch schwierige und schmerzliche Umstände zu führen. Aber wie schwer auch der Druck der äußeren. Umstände werden mag, wir sollten niemals unser Vertrauen zu der Liebe Gottes verlieren, noch je aufhören, Ihn zu genießen; und wenn das der Fall ist, werden wir uns immer in Ihm freuen.
Wir wissen aus Erfahrung, welch einen Unterschied es ausmacht, ob unsere Herzen glücklich im Herrn sind oder nicht. Sind sie glücklich und frei, so bekommt alles um uns her ein anderes Aussehen; selbst das Schwerste wird verhältnismäßig leicht. Ist aber das Gegenteil der Fall, so wird alles unerträglich und finster; sogar der liebliche Sonnenschein erweckt Unbehagen. Gott will aber, dass wir glücklich seien und dankbar den Sieg genießen, welchen. ein Anderer für uns errungen hat. Ja, Er will, dass wir mit anbetendem Herzen in Seinem geliebten Sohne ruhen, in der Gemeinschaft Seiner eigenen Liebe, indem wir wissen, dass der Gott, der uns jetzt den Sieg gibt, uns in Zukunft nimmer etwas geben wird, das dieses Sieges unwürdig wäre. Er hat gegeben, Er gibt, und Er wird geben, wie es auch in 2. Kor. 1, 10 heißt: „welcher uns von so großem Tode errettet hat und errettet, aus welchen wir unsere Hoffnung gesetzt haben, dass Er uns auch ferner erretten werde''.
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So sind wir nun allezeit guten Mutes
Bibelstelle: 2. Korinther 5,6
Botschafter des Heils 1904 S. 308ff
Mit Sehnsucht blicke ich hin zum Ziele,
wo meiner Hoffnung Anker ruht;
gibt es manchmal auch der Mühen viele,
und geht es wider Fleisch und Blut –
die Hoffnung ruhet tief im Herzen,
bald dort bei meinem Herrn zu sein,
versüßt mir hier schon alle Schmerzen,
lässt mich getrost und stille sein.
Und will einmal der Mut mir sinken,
ist schwer das Leiden, tief der Schmerz,
scheint gar kein Hoffnungsstern zu winken,
füllt Sorge nur das arme Herz –
dann ruft mir liebevoll und freundlich
mein Jesus zu: O fürchte dich nicht!
Sei guten Mutes, Ich führe dich weislich;
drum glaube nur und zage nicht!
So nehme ich denn aus Seinen Händen
was mir begegnet, gerne an;
Er wird es doch zum Guten wenden,
dass ich am Ende nur danken kann.
Aus allem Segensströme fließen
mir zu von meinem guten Herrn,
und gnädig lässt Er mich genießen
der bitteren Schale süßen Kern.
Dem Herrn geheiligt
Bibelstelle: 2. Mose 13,1
Botschafter des Heils 1904 S. 334ff
„ Heilige, mir alles Erstgeborene …. es ist mein.“ (2. Mose 13,1).
Als Gott einst in Ägypten die Erstgeborenen der Bewohner des Landes, die Vertreter des ganzen ägyptischen Volkes, durch das Schwert des Würgengels dahinraffte, verschonte Er die Erstgeburt der Kinder Israel, indem Er einen Unterschied machte zwischen den Ägyptern und den Israeliten. (2. Mose 12, 7.) Nicht als ob ihrem natürlichen Zustande nach ein Unterschied zwischen den beiden Völkern bestanden hätte; nein, da war keiner, sie waren beide gleich verderbt, gleich fündig vor Gott. Es war die Gnade Gottes, welche den Unterschied machte, und zwar die Gnade, die durch Gerechtigkeit herrscht.
(Röm. 5, 21.) Gott kann nicht gnädig sein auf Kosten Seiner Gerechtigkeit. Darum traf Er Vorsorge für ein Opfer, ein fehlloses Lamm, das an Stelle der Erstgeborenen Israels geschlachtet und dessen Blut an die Türpfosten eines jeden israelitischen Hauses gestrichen werden musste. Wo dieses .Blut war, hatte das Gericht (in vorbildlicher Weise) sein Werk getan; ein reines, stellvertretendes Opfers war gestorben, das Urteil wider die Sünde war vollzogen, und so konnte Gott, indem Er das Blut sah, vorübergehen. Dieser göttliche Grundsatz, dass nur die Gnade einen Unterschied machen konnte, und zwar aus Grund des Sühnungsblutes des Lammes, wurde auch in der späteren Verordnung festgehalten: „Jedes Erstgeborene des Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen''. (Kap. 13, 13.) Die Erstgeborenen der Kinder Israel standen in dieser Beziehung aus demselben Boden wie das Erstgeborene eines Esels, eines nach dem Gesetz unreinen Tieres. Eine tief demütigende Tatsache, die aber zugleich die ganze Größe der Gnade Gottes zeigte! Von Natur unrein, verderbt, ganz und gar verloren, wurden die erstgeborenen Israeliten durch das Blut des Lammes für Gott beiseite gestellt, Ihm geweiht. Sie waren Sein.
In unmittelbarer Verbindung mit dem Schlachten des Passahlammes stand das Fest der ungesäuerten Brote. Sieben Tage lang durfte in allen Grenzen Israels kein: Sauerteig und nichts Gesäuertes gesehen werden. (Kap. 13, 7.) Sauerteig, das bekannte Vorbild des Bösen, der wirkenden Sünde, darf von dem erlösten Volke des Herrn nicht geduldet werden. Ein Erlöster des Herrn, ein dem Herrn Geweihter, und Sünde können unmöglich miteinander— gehen. Sieben Tage lang, („sieben“ ist die Zahl, welche einer Vollkommenheit in geistlichen Dingen ausdrückt,) oder mit anderen Worten, mein ganzes Leben hindurch soll ich in. Absonderung von allem bewussten Bösen wandeln, indem ich Wurzel und Zweig, Quelle und Ausfluss („Sauerteig, und Gesäuertes'') ernstlich vor Gott richte.
„Und du sollst deinem Sohne an selbigem Tage kund ·tun und sprechen: Es ist um dessentwillen, was Jehova mir getan hat, als ich aus Ägypten zog..“ (V. 8; Vgl. V. 14-—16; Kap. 10, 2; 5. Mose 6, 22 ff.) Lieblich und ernst ist diese Verordnung; sie redet von einem hohen Vorrecht und von einer heiligen Verantwortlichkeit. Der Gläubige ist eine neue Schöpfung geworden, und er gehört nicht mehr sich selbst an, sondern Dem, der ihn um einen so teuren Preis erworben hat Das sollten zu allernächst die Seinigen sehen, dann seine weitere Umgebung. Sein Verhalten sollte seine Angehörigen zu ernstem Fragen und Forschen veranlassen; es sollte ihnen die Tatsache zum Bewusstsein bringen, dass er etwas besitzt, was sie noch nicht haben.
Besonders ernst ist die Verantwortlichkeit gläubiger Eltern ihren Kindern gegenüber. Wie machen wir’H? Belehren wir sie mit Ernst und Fleiß über die großen Dinge, welche Gott an un-3 getan hat? Sehen sie ferner die Zeichen an unserer Hand und das Denkmal zwischen unseren Augen? (V. 9.) Mit anderen Worten: Sind die Ziele, die wir verfolgen, die Wege, die wir gehen, ist das Sehen unserer Augen und das Tun unserer Hände in Übereinstimmung mit unserem Bekenntnis? Ist unser ganzes Leben ein Wandel in Absonderung von dem Bösen und in stiller Widmung für Ihn, der uns für sich geheiligt hat? Wir wissen, welch einen Einfluss unser Verhalten auf unsere Kinder ausübt. Ist ein Vater nachlässig, oberflächlich, weltförmig, so darf er sich nicht darüber wundern, wenn seine Kinder dem Herrn den Rücken wenden und in :die Welt gehen.