Botschafter des Heils in Christo 1907

01/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1907 Seite
Betrachtungen über das erste Buch der Könige 1. 29. 57. 1
85. 118. 141. 169. 197. 225. 258. 281. 309
Freiheit 17
Fürchten wir uns nun!" 24
Gedanken 25, 108, 224
Ermunterung (Gedicht) 28
Stehet fest im Glauben! 46
Ruhe in Gott 53
Die Wolkensäule 69
Bist du deiner Errettung gewiß? 78, 100
Mein Element (Gedicht) 112
Die Entrückung durch den Bräutigam zc. 127, 158, 158
Friede und Fortschritt 138
Ruhe in Jesu (Gedicht) 140
Welt- und Geldliebe 196
Der Mantel des Apostels Paulus 213
Die zwei Schuldner 240
Aus einem Briefe 250
Unterm Schatten Seiner Flügel (Gedicht) 252
Kurze Gedanken über 3. Mose 4 und 6, 18-23 273
Befreiung 277
Männer von Einsicht. 294
Seid nicht gleichförmig dieser Welt 304
Ich trau' auf dich! (Gedicht) 308
In den letzten Tagen 315
Das Evangelium der Herrlichkeit 324
Der Christ, ein Brief Christi 335

Botschafter des Heils in Christo

Fünfundünfzigster Jahrgang

Elberfeld – Verlag von R. Brockhaus

1907
Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 1ff

(Aus dem Französischen von H. R.) 

Einleitung 1. Könige

Das zweite Buch Samuel schildert die Errichtung des israelitischen Reiches durch David; der Anfang des ersten Buches der Könige zeigt uns dieses Reich endgültig errichtet durch Salomo. Es ist zu beachten, dass die Regierung Salomos mit der Regierung Davids ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Der Tod des alten Königs bringt nicht einmal eine augenblickliche Unterbrechung hervor, da Salomo sich schon bei Lebzeiten Davids auf den Thron seines Vaters setzte. Es handelt sich nämlich, vorbildlich, um eine einzige zusammenhängende Regierung, die zwar, entsprechend dem einen oder dem anderen ihrer Abschnitte, scharf getrennte Charakterzüge darbietet, aber doch beide zu einer unzertrennlichen und völligen Einheit verbindet.


Will man diese Regierung in ihrer Gesamtheit betrachten, so beginnt sie mit der Verwerfung des wahren Königs Israels (1. Buch Samuel); sie festigt sich, nach dem Siege, inmitten der Streitigkeiten des Volkes und der Kämpfe mit äußeren Feinden (2. Buch Samuel) und besteht in Frieden, Gerechtigkeit und Herrlichkeit im Anfang des Buches, das uns jetzt beschäftigt. Dieser Bericht, wie ja überhaupt das ganze Wort Gottes, richtet unsere Blicke auf Christum und stellt uns Seine Regierung in allen ihren unterschiedlichen Abschnitten dar.

Als Messias verworfen, betritt Er zur Zeit des Endes aufs neue den Schauplatz, sammelt nach und nach Juda und die Stämme Israels unter Sein Zepter und dehnt durch Gerichte, aber auch in Gnade, Seine Herrschaft über die Völker aus bis zur schliesslichen Errichtung Seines allumfassenden tausendjährigen Königtums. Er genießt dann in Frieden und Gerechtigkeit Seinen Triumph und lässt Sein irdisches Volk daran teilnehmen.
So finden wir in diesen Büchern die Darstellung der ganzen Ratschlüsse Gottes über das irdische Erbe des Messias, des Gesalbten Jehovas, des wahren David und wahren Salomo. 

Mit Ausnahme des Abschnittes über die Drangsale Davids haben diese Ratschlüsse ihre Erfüllung noch nicht gefunden; sie werden jedoch im Tausendjährigen Reiche verwirklicht werden, wenn der Herr auf Seinem Throne sitzen wird als König Israels und der Nationen, als König der Gerechtigkeit und des Friedens, als der wahre Melchisedek, der Priester in Ewigkeit.
Indes stellen diese Bücher noch einen anderen, sehr wichtigen Charakterzug dar, dessen Außerachtlassung uns beständig in die Gefahr bringen würde, die Vorbilder, denen wir in ihnen begegnen, falsch anzuwenden. Wir haben auf diesen Charakterzug schon bei der Betrachtung des zweiten Buches Samuel hingewiesen: der von Gott eingesetzte König ist ein verantwortlicher Mensch. Diese Verantwortlichkeit, die auf Christo ruhen wird mit all ihren herrlichen und gesegneten Folgen, führt notwendigerweise zum Verfall, sobald sie den Händen fehlbarer und sündiger Menschen anvertraut wird. Daher zeigen uns die beiden Bücher der Könige den Verfall des Königtums in den Händen des Menschen und sein schliessliches Gericht.
Gott hält einerseits die Gewissheit Seiner Gnadenratschlüsse aufrecht, aber andererseits auch ebenso sicher die Gewissheit seiner Gerichte, falls der König den Forderungen Seiner Heiligkeit nicht entsprechen sollte. Diese beiden Ströme, die Gnade und die Verantwortlichkeit, laufen nebeneinander her, ohne sich jemals zu vermischen. 

Die Worte Jehovas an David über Salomo (2. Sam. 7, 13-16) stellen diese Wahrheit in sehr bemerkenswerter Weise ans Licht. Wir sehen dort einerseits die Gnadenwahl und andererseits die Verantwortlichkeit des Königs und ihre Folgen und schließlich, n a c h diesen beiden Grundsätzen, die Zusicherung, dass die Ratschlüsse Gottes nichtsdestoweniger in Erfüllung gehen werden.
Alles dieses ist um so eindrucksvoller, da die beiden Bücher der Chronika uns das Königtum von einer anderen Seite vorstellen. Sie erzählen die Geschichte des Hauses Davids vom Gesichtspunkt der Gnade aus. Wenn der Herr uns erlaubt, demnächst auch diese Bücher zu betrachten, werden wir reichlich Gelegenheit haben, das festzustellen. Heute genüge der kurze Hinweis, dass diesem Grundsatz entsprechend die Bücher der Chronika uns nicht die Geschichte der Könige Israels, sondern die der Könige Judas mitteilen, welche viel länger treu blieben als jene und denen das Zeugnis Gottes anvertraut war. Der Geist Gottes lässt bei ihnen das Werk der Gnade und alles, was Jehova anerkennen konnte, ans Licht treten, indem Er oft, um Seinen Zweck zu zeigen, ihre Fehler mit stillschweigen übergeht, keineswegs aber ihre Schwächen zu verbergen sucht.
Die beiden Bücher der Könige dagegen schildern uns die Geschichte der Könige von Israel und führen die Könige von Juda nur als Richtpunkte für die Erzählung, oder zur Hervorhebung der gegenseitigen Beziehungen der beiden Königshäuser ein.
Stellen wir hierzu noch eine andere wichtige Tatsache fest. In den Büchern der Könige bleiben die Grundsätze, nach denen Gott Sein Volk regiert, dieselben wie in dem ganzen Alten Testament. Israel und auch seine Könige sind unter die Herrschaft des Gesetzes gestellt. Freilich handelt es sich hier nicht um das Gesetz in seinem ersten Charakter der absoluten und unvermischten Gerechtigkeit, wie Moses es im Anfang empfing. Die Tafeln, auf denen dieses Gesetz geschrieben stand, wurden von Mose am Fuße des Berges zerbrochen und gelangten nie zu dem Volke, welches schon vorher das goldene Kalb gemacht hatte. Dieses erste Gesetz würde das Volk von dem Augenblick seiner Verkündigung an unter dem Gericht zermalmt haben. Es handelt sich vielmehr in der ganzen Geschichte, die wir betrachten wollen, um das Gesetz, wie Gott es zum zweiten Male dem Mose gab und wie wir es im 34. Kapitel des 2. Buches Mose finden. 

Es war ein gemildertes Gesetz, welches dem Menschen gegeben wurde, damit er es erfülle, vorausgesetzt dass sein Fleisch dazu fähig war, und wäre das Ergebnis auch nur ein relativ gutes. Es verkündete zu allererst die Barmherzigkeit und die Gnade Jehovas, welche das reine Gesetz niemals offenbaren konnte. „Jehova, Jehova, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit, der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt." Es verkündete zweitens die Gerechtigkeit: "Keineswegs hält er für schuldlos den Schuldigen". Drittens verkündigte es d i e Vergeltung nach der Regierung Gottes hienieden: „Der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, am dritten und am vierten Gliede" (V. 68). Im Laufe der Geschichte, die uns beschäftigen wird, werden wir Gelegenheit haben, die eben besprochenen Grundsätze angewandt zu sehen, sei es hinsichtlich der Könige oder des Volkes.
Die vorliegenden Bücher stellen schließlich noch eine dritte allgemeine Wahrheit ans Licht. Das Priestertum hatte seit seinem Verfall aufgehört, das öffentliche Verbindungsmittel zwischen dem Volke und Gott zu sein. Der König, der Gesalbte Jehovas, war an die Stelle des Priesters getreten, um diesen Dienst zu erfüllen (siehe den Anfang des i. Buches Samuel). Die ganze Segnung Israels, wie auch sein Gericht, hingen von da an von dem Wandel des Königs ab. Wenn der König seiner Verantwortlichkeit nicht entsprach so war es, streng genommen, um die Beziehungen des Volkes zu Gott geschehen.

 Aber dann zeigt sich eine Erscheinung, die während der ganzen Dauer des Königtums und darüber hinaus besteht: der Prophet tritt auf den Schauplatz. Sein Auftreten beweist, dass die Gnade und Barmherzigkeit Gottes nicht aufgehoben werden können, selbst wenn alles in Verfall geraten ist.
Ohne Zweifel bestand die Prophezeiung schon vor der Zeit, von der wir reden. Der Fall des Menschen gab zu dem ersten prophetischen Wort Anlass. Abraham war ein Prophet (1. Mose 20, 7); Jakob prophezeite; Moses war ein Prophet (5. Mose 18, 15; 34, 10). Doch erst Samuel eröffnet die Reihe der Propheten, welche wir in den Büchern, die uns jetzt beschäftigen, in Tätigkeit sehen (Apgsch. 3,24). In jenen dunklen Tagen wird, in Ermangelung des Königs, der Prophet das Band zwischen dem Volke und Gott. Er ist der Träger des Wortes ; ihm wird die Offenbarung der Gedanken Gottes anvertraut. Welch große Gnade! Allerdings kündigt der Prophet die schrecklichen Gerichte an, welche das Volk und die Nationen treffen werden; aber er stellt zugleich dem Glauben die Gnade vor als das Mittel, dem Gericht zu entrinnen. Er legt Zeugnis ab gegen die Ungerechtigkeit, befreit selbst, wie Elias, das Volk durch machtvolle Handlungen, um es wenn möglich wieder dahin zu bringen, dass es in den Wegen Gottes wandle. Er unterweist das Volk; er gibt ihm, wie jemand es ausgedrückt hat, den Schlüssel zu den Wegen Gottes, die ohne diesen Schlüssel unbegreiflich sein würden. Er tröstet auch, indem er die Blicke auf eine Zukunft voller Segnung richtet, auf „die Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge" auf „ein unerschütterliches Reich", auf die Zeit, in der die Verantwortlichkeit des Hauses Davids von Christo, dem Sohne Davids, übernommen werden wird zur völligen Genugtuung Gottes. Indem er die Augen des Glaubens auf die herrliche Person des Gesalbten Jehovas hinlenkt, verkündet er die Leiden des Messias und die darauf folgenden Herrlichkeiten. Er fühlt zugleich die Kluft, welche die damalige Zeit von der zukünftigen "Wiedergeburt" trennt. Er demütigt sich für das Volk, wenn dieses es nicht tun kann noch will. 

Ohne ihn würde dem armen, schuldigen und gezüchtigten Volke in den finsteren Tagen des Königtums kein einziger Lichtstrahl bleiben. Der Prophet belebt die Hoffnung und lässt sie wieder neu entstehen.
Doch kraft der unter der Herrschaft des Gesetzes angekündigten Grundsätze erkennt die Barmherzigkeit Gottes sofort den König an, wenn er im Glauben handelt und treu ist. Wie unvollkommen diese Treue auch sein mag, Gott schätzt sie und sie führt selbst dann zur Segnung des Volkes, wenn das Band offensichtlich gebrochen ist. Daher sehen wir während des Auftretens der Propheten, dass lichtvolle und finstere Tage abwechseln und dass trotz des angekündigten Gerichts oft ein Aufschub gewährt wird, weil der König seinen Blick auf Jehova richtet. Diese Treue des Königs findet man im allgemeinen in Juda, wo Gott noch für einige Zeit „Seinem Gesalbten eine Leuchte" gab, während Israel und seine Könige auf dem im Götzendienst begonnenen Wege verharrten und bald die Beute der Dämonen wurden, die sie nicht hatten beseitigen wollen.

KAPITEL 1-11 SALOMO 

KAPITEL 1 - Die Empörung Adonijas

Zu der Zeit, in der unser Bericht beginnt, war der König David ungefähr siebzig Jahre alt. Er hatte noch keineswegs das höchste Greisenalter erreicht; aber ein Leben voll Leiden, Kämpfe und Kümmernisse verzehrt die Kräfte des stärksten Mannes, so dass der König „alt, wohlbetagt" war. Mit dreiunddreißig Jahren schien der Herr Selbst nicht weit von fünfzig zu sein (Joh. 8, 57); doch Seine Kraft war ungebrochen. Er war nicht wie David von Gram verzehrt; aber als der Mann der Schmerzen war „sein Aussehen entstellt, mehr als irgendeines Mannes". Die Liebe drückte Seinen Zügen diesen Stempel auf; denn Er trug in Seinem Mitgefühl all die Leiden, welche die Sünde über unser unglückliches Geschlecht gebracht hat.
Die Knechte des Königs ersannen ein Mittel, ihn wieder zu beleben, indem sie dem Beispiel der Könige der Völker ringsum folgten. Es scheint, dass es David an der nötigen Willenskraft gemangelt hat, sich dem Plan seiner Umgebung zu widersetzen. Die Sunamitin *1) wird zu ihm gebracht; sie pflegt und bedient ihn. 
Diese „überaus schöne" israelitische Jungfrau wird später von Salomo als einer der kostbarsten Edelsteine seiner Krone betrachtet. Sie soll ihm gehören, und jeder, der wagen wird, seine Augen zu ihr zu erheben, um sie zu begehren, wird die Strafe dafür tragen. Doch wir wollen den Ereignissen nicht vorauseilen. Was das Wort uns hier sagt, ist, dass sie nicht die Gemahlin Davids, des Königs der Gnade, wird. So ist es jetzt mit Christo.

 Obwohl Er Seine Augen auf Israel gerichtet hält, hat Er jetzt eine andere Braut, die aus den Heiden genommen ist. Er wird sie für Sich als König der Herrlichkeit aufbewahren doch wird Er, als solcher, auch Seine Beziehungen zu dem Überrest Israels, den Herrlichen Seines Volkes, wieder aufnehmen
Bevor Salomo den Schauplatz betritt, sucht Adonija, der Sohn Haggiths, sich des Thrones seines Vaters David zu bemächtigen (V. 58). Gleich nach Absalom, obwohl von einer anderen Mutter, geboren (V. 6; 2. Sam. 3, 3), meinte er ohne Zweifel, dieselben Rechte wie dieser auf den Thron zu haben. "Er erhob sich und sprach: ich will König werden." Stolz, ein ungezügelter Wille, der wohl nie gebrochen worden war, und eine hohe Meinung von sich selbst leiteten ihn  er war "sehr schön von Gestalt". Diese Fehler waren ohne Zweifel durch die Schwäche des Vaters genährt worden, welche in den Missgeschicken des Lebens Davids eine so große Rolle gespielt hatte. David war, wie die Geschichte Absaloms zeigt, nicht ohne Empfindungen gegenüber dem Äußeren seiner Kinder. Vielleicht hatte er aus diesem Grunde auch bei Adonija die Rute gespart. Wir lesen: "Sein Vater hatte ihn, so lange er lebte, nicht betrübt, dass er gesagt hätte: Warum tust du also?" So wird das Zeugnis gläubiger Familien sehr oft durch die Schwäche der Eltern zerstört. Indem sie die Rute bei ihren Kindern sparen, bereiten sie diese für sich selbst, ja, sogar zur Verunehrung Christi. Gott handelt niemals so. Er beweist Seine Liebe zu uns gerade durch die Züchtigung. Die Schwäche der Eltern ist kein Beweis von ihrer Liebe, wohl aber von ihrer Selbstsucht, die sich selbst schonen will, indem sie die Kinder schont (Spr. 13, 24).
Adonija schlägt denselben Weg ein wie Absalom (2.Sam.15,1), vielleicht mit weniger Hinterlist; denn er gibt seine Ansprüche offen zu erkennen und schafft sich wie ein Herrscher Wagen, Läufer und Hofleute an. Joab und Abjathar schließen sich ihm an.

 Joab ist stets derselbe. Er sucht nur seinen eigenen Vorteil und wendet sich in der Meinung, David sei dem Ende nahe, Adonija zu, wie er es einst, ganz im Anfang, auch bei Absalom getan hatte. Wie hätte er sich auch auf die Seite des Königs der Gerechtigkeit stellen können? Die bösen Taten seines vergangenen Lebens mussten ihm eine zu nahe Berührung mit Salomo bedenklich erscheinen lassen. Überdies gibt es in dem wahren König nichts, was ein Anziehungspunkt für das Fleisch sein könnte. Der natürliche Mensch wendet sich ohne Zögern dem Empörer und dem falschen König zu. So war es, und so wird es bleiben. Am Ende der Tage wird die ganze Erde sich über das Tier verwundern und es anbeten (Offbg. 13, 3. 4). Adonija ist das Bild des Menschen, welcher sich zu erheben suchen wird bis zum Throne Gottes (Dan. 11, 36). Joab und Abjathar sind die, welche daraus Nutzen ziehen werden (Dan. 11, 39), während die Umgebung Adonijas aus denen besteht, welche durch seinen Einfluss fortgerissen werden (Offbg. 13, 4).

In Joab sehen wir, dass das Fleisch, so geschickt es auch sein mag, sich früher oder später unverhüllt offenbaren und seinen wahren Charakter zeigen muss. Joab hatte sich lange in der Gesellschaft Davids, des Gesalbten Jehovas, erhalten und über die Beweggründe, welche sein Herz leiteten und beherrschten, andere irreführen können; doch es kommt immer eine Gelegenheit, wo das natürliche Herz sich feindlich und empörerisch zeigt und beweist, dass es sich dem Gesetz Gottes nicht unterwirft, noch unterwerfen kann.  
Abjathar, der Vertreter der Religion, welche schon vorher, seit dem über Eli *2) ausgesprochenen Gericht, verurteilt war, ist auch von der Partei Adonijas. Es ist nun nicht zu verwundern, dass der letztere, von so schönem äußerem Schein umgeben, für die große Menge ein Mittelpunkt wurde, um den man sich sammelte. Für den Glauben war er es nicht. Was könnte der Glaube finden in der Gesellschaft des Empörers? Zadok, Nathan, Benaja und die Helden Davids sind nicht mit Adonija. Was hat der wahre Priester, was der Prophet, der Träger des Wortes Gottes, was der wahre Knecht  Benaja, der in den Fußstapfen seines Herrn wandelte,*3)  mit ihm zu schaffen? Der Priester hat acht auf Gott, der Prophet auf den Geist Gottes, der Knecht auf David, auf Christum. Benötigen sie etwas anderes? Werden die Helden, die Männer, welche ihre Kraft in David gefunden haben, mit Adonija gehen, der ihnen eine solche nicht mitteilen kann?
Benaja interessiert uns in besonderer Weise. Schon zur Zeit Davids nahm er einen hervorragenden Platz des Dienstes ein (1. Chron. 27, 5. 6). War er, der gleichsam Schritt für Schritt in allem den Fußstapfen seines Herrn gefolgt war, nicht würdig, später zum Anführer des ganzen Heeres gemacht zu werden? Benaja besaß keinen anderen Ehrgeiz, als seinem König treu zu bleiben und ihm nachzufolgen. Er war nicht wie Joab, der die Burg Zion einnahm, um den ersten Rang zu bekleiden; nein, er war demütig, weil er nur den einen Zweck kannte, David in seinem Verhalten darzustellen.
Adonija gibt der Zusammenkunft in En=Rogel, ein falsches Aussehen, als ob es sich um ein Dankopfer handle. Er wandelt in den Fußstapfen seines Bruders Absalom, welcher sagte, er wolle Jehova ein Gelübde erfüllen (2. Sam. 15, 7). Er lädt seine Brüder, die Söhne des Königs, ein, ja, sogar d i e Knechte des Königs. Die genannten gehen zu seinem Feste; der Empörer befürchtet nicht, dass sie ausbleiben werden. Man weiß, was der Titel „Knechte des Königs" wert ist, wenn das Herz nicht wirklich an David hängt, oder "Knechte Gottes", wenn Christus nicht der Gegenstand der Zuneigungen ist. Wie viele dieser "Knechte des Königs" sieht man nicht auch in unseren Tagen denen zulaufen, welche unter dem Schein der Frömmigkeit den Krieg verbergen, den sie gegen Christum führen? Indes ist Adonija zu gut unterrichtet, um diejenigen einzuladen, welche durch ihren Glauben und ihr Zeugnis in inniger Verbindung mit David blieben. Er lädt alle seine Brüder ein, ausgenommen einen, und dieser eine war der, welcher nach dem Willen Gottes und seines Vaters Anspruch auf den Thron hatte, Salomo, der im Begriff stand, der König der Herrlichkeit zu werden. Es ist klar, dass er den von seinem Feste ausschließen musste, dessen Anwesenheit ihn nur verurteilen und verdammen konnte, und alle seine Pläne und ehrgeizigen Absichten zunichte machte. 

Christus ist der Letzte, den die Welt einladet; sie hat vielmehr einen Schrecken davor, Ihn einzuladen. Aber gab es denn gar nichts bei diesem Feste, woran Salomo sich hätte beteiligen können? Nein, wenn er dort erschienen wäre, so würde es nur dazu gedient haben, die Empörer ihrer verdienten Strafe zuzuführen.
An dem Tage, da dem Volke Israel diese große Gefahr drohte, war keine Maßregel getroffen worden, um ihr zu begegnen. Der König, durch das Alter geschwächt und in seinem Palast zurückgehalten, „wusste nicht" was vorging. Glücklicherweise wachte Gott über ihn. Gott, der die Verherrlichung Seines Sohnes und Sein Reich im Auge hat, lässt die Absichten des Empörers nicht gelingen. Er sendet den Propheten Nathan, um Bathseba ein weises Wort zu überbringen. Lasst uns überzeugt sein, dass wir in dem Worte Gottes stets das Mittel finden werden, durch welches Christus verherrlicht werden kann und wir selbst vor den listigen Nachstellungen des Feindes bewahrt bleiben. Welch ein Gegensatz zwischen dem Eingreifen Nathans und demjenigen Joabs bei David durch das tekoitische Weib (2. Sam. 14)! Dort war alles List und Lüge, um auf den Geist des Königs einzuwirken, indem man seinen geheimen Neigungen schmeichelte, und um schließlich einen arglistigen und gewalttätigen Mann als König über Israel an Davids Stelle zu setzen. Hier lehrt zwar die Klugheit was zu tun ist, aber sie weicht in keiner Weise von der Wahrheit ab. 

Es war nötig, dass der König sich der dringenden Gefahr bewusst wurde; er musste dahin gebracht werden, entschieden für Gott zu handeln. Die Gedanken Jehovas bezüglich Salomos waren David geoffenbart worden; er kannte sie sehr gut. Nicht ohne Grund hatte der Herr dem Sohne Davids den Namen Jedidjah, Geliebter Jahs, gegeben (2. Sam. 12, 25). David kannte die Gedanken Gottes in dieser Beziehung so gut, dass er Bathseba „bei Jehova geschworen hatte, indem er sprach: „Dein Sohn Salomo soll nach mir König sein, und e r soll auf meinem Throne sitzen an meiner Statt" (V. 17 u. 30). Es genügte, diesen Mann des Glaubens an seinen Schwur zu erinnern, um ihn den Weg erkennen zu lassen, den er zu gehen hatte.
Adonija hatte ohne Zweifel auf die Abnahme der Kräfte seines Vaters gerechnet, um das Königtum an sich zu reißen; aber er hatte seine Rechnung gemacht ohne Gott, ohne den Propheten und ohne die Wahrhaftigkeit im Herzen des Königs. Bathseba spricht mit Ehrerbietung und Kühnheit. Sie zeigt David, dass er von der Gefahr nichts weiß (V. 18), dass seine bestimmte Absicht war, einen König nach dem Herzen Gottes zum Nachfolger zu haben (V. 17); sie erinnert ihn auch an seine Verantwortlichkeit ihr, ihrem Sohne und dem Volke gegenüber, "denn die Augen von ganz Israel waren auf David gerichtet, dass er ihnen kundtue, wer nach ihm auf seinem Throne sitzen solle. Wahrhaftigkeit ist im Herzen dieser Frau, gerade so wie in dem des Propheten, ein schönes Beispiel dafür, in welchem Geiste wir gegeneinander handeln sollen. Sodann erscheint Nathan und hebt in einer geheimen Unterredung mit dem König hervor, dass Adonija nicht nur keinen der treuen Knechte Jehovas geladen habe, sondern vor allem, dass Salomo absichtlich unbeachtet gelassen worden sei. Was kann man von jemandem erwarten, der dem Herrn, dem wahren König, keinen Platz in seinen Plänen oder in seinem Leben einräumt? 
Auch weist Nathan darauf hin, dass die wahren Knechte des Königs seine Pläne nicht kennen.*4) Das ist mit uns nicht so. Gott "hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan" (Eph. 1), nämlich, dass Er alle Dinge unter Christo vereinigen will. Doch der alte König muss an sein Geheimnis erinnert werden; und sogleich ist sein Entschluss gefasst. Wenn es sich um den Geliebten handelt, so wacht seine ganze Energie wieder auf. „Also", sagt er, „werde ich an diesem Tage tun" (V. 30).
Wir haben gesehen, dass das Eingreifen Nathans in diesem Kapitel Gott gemäß war und der Achtung entsprach, die er dem König schuldete. Es handelt sich hier nicht um einen menschlichen Rat wie damals, als derselbe Nathan zu David sagte: "Gehe hin, tue alles, was du im Herzen hast" (2. Sam. 7, 3), sondern um göttliche Weisheit, welche bezweckte, David, den König=Propheten, vor einem Fall zu bewahren und Salomo, den Gesalbten Jehovas nach seinem Vater, zu der ihm gebührenden Ehre zu bringen. Es handelt sich vor allem darum, das Banner Gottes zu entfalten, als Satan das seinige aufgerichtet hatte. Zwei Lager bilden sich: in dem ersten befindet sich die große Masse, die für den Empörer ist, in dem zweiten, und hier ist die kleinere Zahl, sind die Anhänger Davids und Salomos versammelt.
Sicher hatte die Energie Davids, als des Trägers und Vertreters der Macht, nachgelassen. Dasselbe ist mit der Kirche Christi der Fall gewesen. Doch die Treue Gottes besteht und wird immer dieselbe bleiben; das Wort, dessen Vertreter Nathan ist, bleibt; Christus, von welchem Salomo ein Vorbild ist, bleibt; auf dieser Seite gibt es keine Schwäche. Man redet heute oft so, als ob die Zeit des Wortes Gottes und des Christus des Wortes vorüber sei. Man spricht viel von einer allmählichen Entwicklung der Wahrheit, die nur relativ sei, von einem Christentum, welches veraltet sei und bald sein Ende erreichen werde. Allerdings, das Christentum ist veraltet; die Kirche, die Vertreterin Gottes hienieden, ist schwach geworden. Aber das Wort, welches die Wahrheit ist, ist dasselbe geblieben; Christus hat sich nicht verändert, und das ist es, was die Christen vergessen. Anstatt durch das Bewusstsein des Verfalls, den sie selbst hervorgerufen haben, enger mit Christo verbunden zu werden, verwerfen sie einen Salomo, um auf Adonijas und deren Umgebung zu achten. 

Der falsche König zieht ihre Blicke auf sich. Adonija war sehr schön . Vergessen wir nicht, dass dieses Äußere dem Verführer, welcher die Menschen hinter sich herzieht, als Zeichen dient. Sie ziehen die Herrschaft des Menschen im Fleische Christo vor, und für die Christenheit wird dieses Vorziehen in völligem Abfall enden.
Adonija, Joab und Abjathar dachten kaum daran, dass sie in dem alten König ein Hindernis für die Ausführung ihrer so geschickt angelegten Verschwörung finden würden. Dieses Hindernis war, ungeachtet des Alters des Königs, eine Gewalt, die Gott in Davids Hände gelegt hatte und die Er trotz dessen Schwachheit zur Anwendung bringen wollte. Das war es, was in jenem Augenblick das Überhandnehmen des Bösen zurückhielt, und das ist es auch, was heute die verfrühte Offenbarung des Menschen der Sünde verhindert (2. Thess. 2, 6).
Fußnoten:
*1) Das Wort Gottes gibt uns keine Unterlage für den zuweilen ausgesprochenen Gedanken, dass diese Sunamitin die im Hohenliede gefeierte Sulamith sei (Hohelied 6, 13).
*2) Vergl. die Betrachtungen über das 1. Buch Samuel
*3) Vergl. die Betrachtungen über das 2. Buch Samuel.
*4) So nach der französischen Übersetzung des 27. Verses. Man vergleiche an der betreffenden Stelle die Anmerkung unter dem Text. (Der Übersetzer)
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Freiheit

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 17ff
Der Christ ist zur Freiheit berufen (Gal. 5, 11),  zwar zu der heiligen Freiheit der neuen Natur, aber  doch zur Freiheit. Es gibt für ihn kein Gesetz, das  seine Natur zwingt, oder besser gesagt, vergebens zu  zwingen sucht, die Verpflichtungen zu erfüllen, welche  das Verhältnis mit sich bringt, in das er durch den  "Willen Gottes gebracht ist; kein Gesetz, das einer Natur,"  die das Böse liebt, das Böse verbietet, und einer  Natur, deren Wurzel die Selbstsucht ist, die Liebe zu  Gott und dem Nächsten zur Pflicht macht. 
Die Speise Christi war, den Willen Seines Vaters  zu tun. (Vgl. Joh. 4.) Als ein vollkommener Mensch  lebte Er von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes ausging. Er wollte lieber sterben, lieber den bitteren  Kelch des Zornes Gottes wider die Sünde trinken und  so Gott verherrlichen, als dem Vater nicht gehorchen.  So ist auch das Christentum die Freiheit einer neuen  Natur, deren Freude es ist, zu gehorchen und den Willen  Gottes zu tun. Freilich kann und wird das Fleisch,  wenn es nicht in Knechtschaft gehalten wird, diese Freiheit dazu benutzen, seine eigenen Wünsche zu befriedigen; gerade so wie es das Gesetz, welches einst gegeben"  wurde, um von der Sünde zu überführen, dazu benutzen  will, eine eigene Gerechtigkeit zu erwirken. Aber die  wahre Freiheit des neuen Menschen, dessen Leben Christus  ist, ist die Freiheit eines geheiligten Willens, die Frucht  der Befreiung des Herzens aus der Gewalt der Sünde,  sowie die Freiheit, anderen in Liebe zu dienen. Denn  das ganze Gesetz wird erfüllt in dem einen Worte: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. 

Ja, der Christ kann noch weiter gehen; er kann sich selbst"  für andere dahingeben. Allerdings, wenn Christen es  machen wie die Galater, die einander bissen und fraßen  wegen allerlei Fragen über das Gesetz, dann mag man  wohl mit dem Apostel ihnen zurufen müssen: ,,Sehet  zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet“.  
Der Apostel stellt in dem 5. Kapitel des Galaterbriefes die Grundsätze der Heiligkeit und des christlichen  Wandels aus und führt den Heiligen Geist ein an Stelle  des Gesetzes. In dem vorhergehenden Teil des Briefes  hat er von der Rechtfertigung aus Glauben geredet, im  Gegensatz zu den Werken des Gesetzes. Hier zeigt er,  dass Gott Heiligkeit darreicht. Anstatt sie zu fordern, wie  das Gesetz eine menschliche Gerechtigkeit von einer Natur verlangt, welche die Sünde liebt, bringt Er sie in dem  menschlichen Herzen durch den Geist hervor. Als Christus  gen Himmel gefahren war und sich zur Rechten Gottes  gesetzt hatte, sandte Er den Heiligen Geist herab, damit  Er in allen. denen Wohnung mache, die an Ihn glauben  würden. Sie waren bereits Kinder Gottes durch den  Glauben an Ihn, und weil sie das waren, gab Gott  den Geist Seines Sohnes in ihre Herzen (Kap. 4, 6). Aus Gott geboren, durch das Blut Christi gereinigt,  angenommen in dem Geliebten, wurden sie jetzt von  Gott als die Seinigen versiegelt durch die Gabe des  Geistes, und zwar „auf den Tag der Erlösung“, das  ist bis zum Tage der Herrlichkeit (Vgl. Eph. 1, 13.  14; 4, 30). Und indem sie nun im Besitze des neuen Lebens stehen, weil Christus ihr Leben ist, sind sie verpflichtet, so zu wandeln, wie Christus gewandelt hat,  das Leben Christi hienieden an ihrem sterblichen Fleische  offenbar werden zu lassen. 
 Dieses Leben, das die Wirksamkeit des Heiligen  Geistes mittelst des Wortes in uns hervorruft, wird  „auch durch den Geist geleitet; seine Richtschnur ist"  wiederum das Wort. Seine Früchte sind die Früchte  des Geistes. Der christliche Wandel ist also die Offenbarung dieses neuen Lebens in der Welt. Wenn wir  aus diesem Pfade wandeln und den Fußstapfen Christi  nachfolgen, so werden wir die Lust des Fleisches nicht  vollbringen. Die Sünde wird auf diese Weise vermieden. Man wandelt im Geiste, in der seligen Freiheit eines Kindes Gottes. Man ist- nicht unter Gesetz,  sondern steht unter der Leitung des Geistes.

 Das Gesetz  hat keine Macht, das Fleisch zum Gehorsam zu zwingen. Das Fleisch ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, vermag es auch nicht. Das neue Leben dagegen wünscht  zu gehorchen, liebt die Heiligkeit, und Christus ist seine  Stärke und Weisheit durch den Heiligen Geist. Freilich  ist das Fleisch noch da, und es gelüstet wider den Geist,  und der Geist gelüstet wider das Fleisch, um den Menschen zu verhindern, so zu wandeln, wie er möchte.  Aber wenn wir der Leitung des Geistes folgen, so sind  wir nicht unter dem Gesetz, die Sünde herrscht nicht über uns; wir gleichen dann nicht dem Manne in  Röm. 7, der das Gute tun will, aber, ein Gefangener  der Sünde, nicht Weg und Mittel findet, um das zu  vollbringen, was recht ist. Ach! das Gesetz gibt weder Kraft noch Leben; selbst wenn Leben in einer Seele"  vorhanden ist, verleiht ihr das Gesetz keine Kraft. Das  Ende ist nur der Ausruf: ,,Ich elender Mensch!“  
Wenn aber der Gläubige durch den Heiligen Geist  geleitet wird, so ist er frei und kann das Gute, das er  liebt, vollbringen. Christus ist in ihm. ,,Wenn aber  Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot der Sünde  wegen (der alte Mensch ist mit Christo gekreuzigt), der  Geist aber Leben der Gerechtigkeit wegen“ (Röm. 8, 10).  Der Heilige Geist wirkt als eine göttliche und mächtige  Person in uns, um gute Früchte hervorzubringen. Das  Fleisch und der Geist sind in ihrer Natur einander entgegengesetzt; aber wenn wir treu und wachsam sind, so"  werden wir nicht die Werke des Fleisches vollbringen,  sondern Gott setzt uns durch Seinen in uns wohnenden  Geist in den Stand, das Fleisch für tot zu halten und  in den Fußstapfen Christi zu wandeln, indem wir Ihm  wohlgefällige Früchte bringen. 
Es ist nicht schwer, die Frucht des Geistes von  den Werken des Fleisches zu unterscheiden. Der Apostel  zählt beide auf, wenigstens solche, welche charakteristisch  sind für ihre bezügliche Quelle. Im Blick auf die traurigen Werke des Fleisches erklärt er bestimmt, »dass, die  solches tun, das Reich Gottes nicht ererben werden''.  Die Frucht des Geistes aber ist: „Liebe, Freude, Friede,  Langmut usw.“ Wider solche gibt es kein Gesetz.  Wie könnte Gott die Früchte Seines eigenen Geistes  verurteilen? 
Es ist bemerkenswert, dass als Früchte des Geistes  zuerst Liebe, Freude und Friede genannt werden. Sicherlich wird der Geist auch solche Früchte hervorbringen,  welche das Leben der Christen vor den Augen der Menschen offenbaren; aber die inneren Früchte, die Früchte für Gott, kommen zuerst. Denn sie müssen da sein, ein  solcher Seelenzustand ist erforderlich, um die anderen  hervorzubringen.

 Manche Gläubige suchen bei sich nach  praktischen Früchten, um auf diese ihre Überzeugung zu  gründen, dass sie aus dem Geiste geboren und von Gott  angenommen sind. Aber vergessen wir nicht, dass Liebe,  Freude und Friede die Erstlingsfrüchte der Gegenwart des Geistes sind; wenn diese vorhanden sind, folgen die anderen von selbst. 
Wenn ich an Jesum glaube und durch Ihn an die  Liebe Gottes, wenn ich von Gott mit dem Geiste versiegelt bin, so habe ich auch die Empfindung Seiner Liebe.  Die in dem Tode Jesu erwiesene Liebe ist in mein  Herz ausgegossen durch den Heiligen Geist, durch welchen uns unsere Stellung vor Gott zu tiefem, seligem Bewusstsein gebracht wird; und ist Er nicht betrübt in uns, so herrschen Liebe, Freude und Friede in der Seele.  Die übrigen Früchte kommen nach und dienen als Beweis für andere, dass meine Gewissheit und Sicherheit  begründet sind, dass ich mich nicht geirrt habe. Für  mich selbst aber ist dass, was Gott getan hat, der  Beweis, dass Er für mich ist, und durch Glauben setze  ich mein Siegel auf dass Wort: „Gott ist treu“. Mit  der Gabe des Geistes versiegelt, frohlocke ich in Seiner  Güte, und die Früchte des neuen Lebens zeigen anderen,  dass dieses Leben wirklich in mir vorhanden ist.  
Überdies lese ich: ,,Die aber des Christus sind,  haben dass Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften  und Lüsten“. Christus litt und starb für uns, und da  Er, der starb, unser Leben ist, so halten wir uns selbst  für tot, mit Ihm gekreuzigt, als ob wir selbst auf dem  Kreuze gestorben wären. Im Besitze eines anderen,  neuen Lebens stehend, erkennen wir dass Fleisch nicht  mehr als unser „Ich“ an, sondern als ,“die in uns  wohnende Sünde“, und halten es für gekreuzigt. Der  treue Christ verwirklicht dies beständig. 

Gott erklärt  uns für gestorben mit Christo, Er sieht uns so an  (Kol. 3, 3), und der treue Gläubige, der diese Erklärung  Gottes mit Dank annimmt, hält dass Fleisch, den alten  Menschen, für tot und wendet durch den Geist dass  Kreuz praktisch auf dass Fleisch an, so dass es nicht in  Tätigkeit treten kann. (2. Kor. 4.) Zudem kommt Gott  in Seinen, Regierungswegen dem Gläubigen zu Hülse.  Er sendet dass, was nötig ist, um ihn zu prüfen und  jene Wirkung hervorzubringen. 
Der Apostel fügt seinen Belehrungen die Ermahnung  hinzu: ,“Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns  auch durch den Geist wandeln. Lasst uns nicht eitler  Ehre geizig sein, einander herausfordernd, einander  beneidend.'' Das Gesetz fördert mehr die Sucht nach  eitler Ehre, als dass es sie niederhält, denn das Gesetz  beschäftigt uns mit uns selbst und lässt uns an uns  denken. Nicht als ob das Gesetz „Sünde“ wäre. (Röm.  7, 7.) Ach nein, es ist heilig, gerecht und gut und,  wenn richtig angewandt, höchst nützlich zur Überführung  "von der Sünde; aber niemals kann es Gerechtigkeit"  bewirken. Es ist völlig kraftlos durch das Fleisch. Es  fordert Gerechtigkeit, vermag sie aber nicht zu geben.  Es kann nicht mit Christo als Mittel zur Rechtfertigung  „zusammengebracht werden; denn ,,wenn Gerechtigkeit"  durch Gesetz kommt, dann ist Christus umsonst gestorben''.  Sicherlich hätte der Mensch die Gebote Gottes halten  sollen, und weil er sie nicht gehalten hat, ist er verloren; aber nun hat Christus dem Verlorenen und Schuldigen Heil und Rettung gebracht. 
Und wenn es sich um Heiligkeit handelt, so sucht  Gott diese nicht etwa in dem Fleische durch das Gesetz  "hervorzubringen; denn, wie schon gesagt, „die Gesinnung"  des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott, denn sie ist  dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es  auch nicht''. Gott verleiht ein neues Leben und gibt  den Heiligen Geist, damit wir Ihm wohlgefällige Früchte  hervorbringen, und gegen diese Früchte gibt es sicherlich  kein Gesetz, keine Verurteilung. Die neue Schöpfung,  das neue Leben mit seinen durch den Geist hervorgebrachten Früchten, ist Gott angenehm. Diese neue  Schöpfung sucht auch Ihm zu gefallen. 
So lasst uns denn, durch den Geist gestärkt und durch Ihn unterwiesen in der im Worte enthaltenen  Weisheit, danach trachten, in den Fußstapfen Christi zu wandeln; lasst uns jenem vollkommenen Beispiel des Lebens Gottes nacheifern, das uns in einem Menschen  gegeben worden ist! 

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Fürchten wir uns nun

Bibelstelle: Hebräer 4,1

Botschafter des Heils 1907 S. 24ff

Eine Frage, die viele Herzen in unseren Tagen  beschäftigt, lautet: „Werden alle Gläubigen aufgenommen werden, wenn der Herr kommt, auch die,  welche untreu und weltförmig sind? Oder gilt die  Verheißung nur solchen, die wirklich auf ihren Herrn  warten und nach Seiner Ankunft ausschauen?''  
Was sagt Gottes Wort? Stellt es je eine solche  Frage und antwortet es auf dieselbe? Nein. Was sagt  es? Es belehrt uns unzweideutig, dass alle, die des  Herrn sind, Ihm entgegengerückt werden sollen, ob sie  nun in Christo bereits entschlafen sind oder übrigbleiben bis zu Seiner Ankunft. Die einen werden auferweckt, die anderen verwandelt werden. (Vgl. 1. Thess. 4, 14 - 17; 1. Kor. 15, 28. 51  Es macht auch  keinen Unterschied, ob sie alt oder jung im Glauben,  Väter oder Kindlein in Christo, gefördert oder wenig  gefördert sind. 
Aber was versteht die Schrift unter solchen, die  des Herrn sind? Was ist ein Christ? Ein Christ ist ein  Mensch, der nicht von der Welt ist, gleichwie sein  Herr nicht von der Welt ist, der deshalb auch nicht mit  aller Art von Weltförmigkeit in Verbindung stehen kann,  sondern sich fern hält von ihren Befleckungen. Wenn jemand nach dem Fleische lebt und wandelt, (mag sein  Bekenntnis lauten wie es will,) so hat er nach Gottes Wort gar keine Verheißung, keine Hoffnung; sein Ende ist Tod und Verderben. (Röm. 8, 13; 1. Kor. 9, 27; Gal. 6, 7. 8; Kol. 1, 23 u. a. St.) ,,Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht aus Gott, und wer nicht  seinen Bruder liebt“ (1. Joh. 3, 10).
Der Christ wird in der Schrift stets betrachtet als ein Mensch, der auf den Herrn wartet (1. Thess. 1, 10; 2, 19), der Seine Erscheinung lieb hat (2. Tim. 4, 8),  der nach der glückseligen Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit Jesu Christi aufschaut (Tit. 2, 13; Hebr. 9, 28), und der das Wort Seines Ausharrens bewahrt.  (Offb. 3, 10.) Der Geist und die Braut sagen:  Komm! (Offbg. 22,17.) Die „Braut“ wird jeden  wahren Christen einschließen, keiner wird fehlen; und der Geist bewirkt in allen den Ruf: Komm! 
So redet die Schrift, und so sollten wir reden.  Wir wissen, dass an jenem Tage viele törichte Jungfrauen, bloße Bekenner, sich finden werden, die kein Öl  in ihren Gefäßen, kein Leben aus Gott, haben. Darum  „jeder, der diese Hoffnung zu Ihm hat, reinige  sich selbst, gleichwie Er rein ist''! (1. Joh. 3, 3.)  Und: „Wenn jemand sich zurückzieht, so wird meine  Seele kein Wohlgefallen an ihm haben“ (Hebr. 10, 38).

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Gedanken

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 25ff
Die höchste Herrlichkeit eineö Heiligen besteht nicht  darin, dass er in dem Hause des großen Königs wohnt,  sondern dass er eins ist mit Ihm und daher verbunden ist mit Seiner Herrlichkeit. Wir alle betrachtendies mehr oder weniger als zukünftig; aber wir sollten mehr daran denken, dass wir jetzt schon in diesem wunderbaren Verhältnis zu Christo stehen. Wir sind „Glieder Seines Leibes, von Seinem Fleische und von „Seinen Gebeinen''; und es sollte für uns eine Sache von größerem Interesse sein, unser Einssein mit Ihm zu  verwirklichen, so lange wir uns noch da befinden, wo  Er verworfen ist und geschmäht wird.

 Wir sollten das nicht nur für die Zukunft aufbewahren, für eine Zeit, wo niemand Ihn mehr verleugnen noch Ihm Seine Rechte streitig machen wird. Ich glaube, wenn wir alle  mehr die Erhabenheit und den Ernst unserer Berufung  als Glieder des Leibes Christi fühlten, so würde vieles,  was heute noch Wert für uns hat, völlig in den Hintergrund treten, während anderes, was wir jetzt wenig  beachten, ein ernstes, tiefes Interesse gewinnen würde.  Der Herr gebe uns, alles mehr mit Seinem Auge und  im Lichte der Ewigkeit zu betrachten!
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 Als Nehemia zu seiner Zeit, getrieben durch die  Liebe zu Gott und Seinem schwachen, schwerbedrängten  Volke, die beschwerliche Reise nach Jerusalem angetreten  hatte und sich seinem Ziele näherte, da „verdross es“ die  Feinde des Volkes Gottes „gar sehr, dass ein Mensch  gekommen war, um. das Wohl der Kinder Israel zu  suchen''. So ist es stets. Der Feind kann es nicht ertragen, wenn ein Mensch den Herzensentschluss fasst, Gott  und Seinem Volke zu dienen, und er wird der Ausführung dieses Entschlusses alle nur möglichen Hindernisse  in den Weg stellen. Aber glücklich der, welcher in treuer  Liebe und mit heiliger Entschiedenheit des Glaubens den ihm von Gott gewiesenen Weg geht und in Bereitwilligkeit und Uneigennützigkeit „seinen Nacken unter den Dienst  seines Herrn beugt“! Wahrlich, Gott wird seine selbstlose Bemühung segnen und sie „ihm gedenken zum Guten''. 
In jenen Tagen gab es „Vornehme“, welche ihren  Nacken nicht beugen wollten unter den Dienst ihres  Herrn. (Kap. 3, 5.) Ach! wie viele solch vornehmer Leute gibt es auch heute! Und doch war wohl kaum eine  Zeit, die so gebieterisch nach der fleißigen, ernsten Mitarbeit aller verlangte. Gott schenke uns treue, hingebende Männer, die „das Wohl der Kinder Israel suchen“ mit ganzem Herzen und in selbstvergessender Liebe!
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Wir kennen niemals unseren Platz richtig, so lange  wir Christi Platz zur Rechten Gottes nicht verstehen.
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Die Wüste ist sehr nützlich und belehrend, aber sie  bildet, wie schon häufig betont wurde, keinen Teil der  Ratschlüsse Gottes. (Vgl. 2. Mose 3, 8; 6, 8 usw.)  Sie macht einen Teil Seiner Wege aus, aber nicht  Seines Ratschlusses. Christus konnte den sterbenden  Räuber geradeswegs mit sich nehmen ins Paradies, ohne irgendwelche Wüste; so unbedingt und vollkommen war Sein Werk in seiner Wirkung. Dennoch ist es wahr,  dass die Stunde, welche uns zu Gott bringt, uns auch  in die Wüste führt. Die Welt wird eine Wüste für uns. Doch Gott sei gepriesen! Christus ist vor uns hindurchgegangen, und Er sagt: „In der Welt habt ihr Drangsal; aber seid gutes Mutes, ich habe die Welt überwunden'' (Joh. 16, 33). 

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Ermunterung

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 28ff

Kurz nur ist der Kampf hienieden,
aber ewig währt die Ruh;
will dich hier der Weg ermüden,
ruft der Herr dir liebreich zu:
Harre aus mit stiller Seele,
harre aus, du müdes Herz,
und in Meine Hand befehle
dich mit allem Leid und Schmerz!

Harre, harre unverdrossen,
warte still in Kampf und Leid,
Trübsalsnacht ist bald verflossen:
Jesus kommt vielleicht noch heut!
Dann wird Er dein Sehnen stillen,
dann ist jeder Wunsch erfüllt,
und es fallen alle Hüllen,
du erwachst in seinem Bild.

Du erblickst in seiner Schönheit
deines Heilands Angesicht,
siehst in ungetrübter Einheit
Gottes Volk im ewigen Licht –
Heilige aus allen Landen,
jeder Sprache und Nation,
dann befreit von Erdenbanden
jubelnd laut vor Gottes Thron.

Ja, weit mehr, als wir verstehen,
ist dort unser ewig Teil:
denn, was nie ein Aug gesehen,
hat uns Gott geschenkt zum Heil.
Drum wohlan! Ein wenig Harren,
Herz, es ist der Mühe wert,
aufzuschauen und auszuharren –
dadurch wird der Herr geehrt.

Bleibt die Hoffnung nur lebendig,
wartest du auf deinen Herrn,
richtet sich dein Blick beständig
auf den nahen Morgenstern –
Glaub mir es! dieser Zeiten Leiden
sind dann nichtig dir und klein;
wirst dich an der Aussicht weiden,
ewig bei dem Herrn zu sein!      

Von einer Gläubigen, die seit Jahren krank darniederliegt
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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 29ff

Nach seiner Unterredung mit Nathan lässt der König Bathseba rufen. Er schwört ihr, Salomo zum König machen zu wollen, indem er sich auf den Charakter seines Gottes beruft, "der seine Seele aus aller Bedrängnis erlöst habe". Die Gnade hatte ihn alle Tage seines Lebens begleitet und seine Seele selbst von den Folgen seiner Fehltritte erlöst. Doch all diese Gnade sollte jetzt ihre Krönung finden; sie geht in der Tat immer bis zur Herrlichkeit. "Gnade und Herrlichkeit wird Jehova geben" (Ps. 84, 11), zwei unzertrennliche Dinge, von denen das eine notwendigerweise auf das andere folgt.
Salomo begibt sich, auf der Mauleselin seines Vaters reitend, nach Gihon, wird dort gesalbt und kehrt zurück, um sich auf den Thron des Königs zu setzen. Wie wir in der Einleitung gesehen haben, folgt seine Regierung, indem sie mit derjenigen Davids gleichsam zu einer gemacht wird, dieser ohne jede Unterbrechung: dasselbe königliche Reittier, dieselbe Salbung, derselbe Thron. Salomos Thron der Herrlichkeit ist in diesem Augenblick derselbe wie Davids Thron der Gnade. Das zeigt sich noch weit ausgeprägter, wenn wir uns von dem Vorbilde zu seinem Gegenbilde wenden; denn da findet man nicht wie hier zwei Personen, die auf demselben Thron einander folgen, sondern nur eine. Unsere Augen werden in der Person des Königs der Herrlichkeit Den erblicken, der Leiden, Angst und Not erfahren, den Heiland, der für uns gelitten hat! 
Alle, die dem König der Gnade treu geblieben sind, nehmen an der feierlichen Ausrufung des Königs der Herrlichkeit teil und bilden sein Gefolge. 

Geradeso wird es mit dem Überrest Israels sein im Beginn der tausendjährigen Regierung Christi; aber aus einem noch viel stärkeren Grunde mit den Gläubigen der jetzigen Zeit, die dem Heiland während Seiner Verwerfung gefolgt sind,  ihm, der, von den Menschen aus dieser Welt vertrieben, sich im Himmel auf einen Thron der Herrlichkeit gesetzt hat. Diesen Thron umgeben wir jetzt schon; doch er bleibt der Thron der Gnade geradeso lange, wie unser Herr verworfen ist. Wenn Er anerkannt sein wird, werden wir mit Ihm auf Seinem Throne sitzen und Seine Herrschaft und Regierung über Israel und die Nationen mit Ihm teilen.
Bis Salomo nun, wie wir später sehen werden, seinen eigenen Thron errichtet, bedarf es einer Zwischenlösung. Sein Vater findet sie: "Er setze sich auf meinen Thron! und er soll König sein an meiner Satt." Benaja, der treue Diener, schätzt diesen Wechsel höher als jeder andere; er sagt: "Amen! also spreche Jehova, der Gott meines Herrn, des Königs! So wie Jehova mit meinem Herrn, dem König, gewesen ist, also möge er mit Salomo sein, und er möge seinen Thron noch größer machen als den Thron meines Herrn, des Königs David!" (V. 36, 37). 
Salomo empfängt die königliche Salbung. "Das Ölhorn" war „in dem Zelte." Es war eine private, sozusagen geheime Salbung, welcher nur der treue Teil des Volkes beiwohnte. So ist es auch heute. Bevor der Herr in Herrlichkeit auf der ganzen Erde regiert, hat Er die Salbung des Heiligtums empfangen. Er hat das himmlische Königtum auf dem Throne des Vaters, Er ist hoch erhoben, Er hat einen Namen, der über jeden Namen ist. Das Salböl ist ein Freudenöl, das Ihn erhöht über Seine Genossen. Doch es ist zugleich eine priesterliche Salbung; denn Jehova hat geschworen, und es wird Ihn nicht gereuen: Er ist König und Priester nach der Ordnung Melchisedeks. Von Anfang an war der Herr der Gesalbte Jehovas, wie David es von seiner frühesten Jugend an gewesen war. Der Herr war "dazu geboren".

 Bei der Taufe durch Johannes war Er für Seinen Dienst mit dem Heiligen Geiste gesalbt worden (Luk. 3, 21; 4, 18; Apgsch. 10, 38; 4, 27). Nach Seiner Auferstehung ist Er gesalbt worden mit dem Öl des Heiligtums, als König und Priester, um denen, die mit Ihm vereinigt sind, geistliche Gaben mitzuteilen. Israel wird diese Segnungen zur Zeit des Endes genießen. Inzwischen sind wir die Genossen Christi; die über Sein Haupt ausgegossene Salbung hat sich auch über unser Haupt ergossen und erlaubt uns, in Erwartung Seiner Herrlichkeit an Seiner Freude teilzunehmen.
In En=Rogel konnte die Partei Adonijas das Freudengeschrei Jerusalems hören, aber was in Gihon vorging konnte die Ohren des Empörers und seiner Schar nicht erreichen. So ist es auch heute. Die Welt verfolgt ihre Pläne, um die Würde Christi an sich zu reißen; der Mensch ist auf dem Wege, sich selbst zu vergöttern, und ist unwissend über das, was in seiner nächsten Nähe vorgeht.
Doch es gibt Treue, welche den Sohn ehren, und dadurch den Vater ehren, der Ihn gesandt hat. Sie sehen diesen Jesus, den die Welt nicht zu ihrem Feste geladen hat, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Dem Festmahl Adonijas gänzlich fern, sind sie auf dem Wege, der Einsetzung des Königs der Herrlichkeit auf Seinen Thron beizuwohnen. Von dem allen weiß und versteht die Welt nichts. Gihon (zu deutsch: Quelle) mit seinen erfrischenden Wassern scheint Adonija unbekannt zu sein. 
Doch welch ein Erwachen! Welche Bestürzung überfällt die Welt bei ihrem Festmahl! Auf einmal, während der Festlichkeit, hören der falsche König, Joab und alle Geladenen den Ton der Posaune und ein solches Freudengeschrei, dass die Erde barst von dem Geschrei des Gefolges Salomos. „Weshalb dieses Geschrei der lärmenden Stadt?" fragt Joab. So wird auch die öffentliche Einsetzung der Herrschaft Christi die Welt überfallen und tiefe Bestürzung wachrufen. Dann wird in Erfüllung gehen, was wir im 2. Psalm lesen: "Der im Himmel thront lacht, der Herr spottet ihrer . . . Habe doch ich meinen König gesalbt auf Zion."  Vernimmt man nicht schon das Getöse dieser Szene in unserem Kapitel?
Heute befinden wir uns noch in Gihon. Unser König ist gesalbt worden, hat aber die Zügel Seiner Regierung noch nicht ergriffen. Unsere Freude ist noch nicht öffentlich, und diejenige Seines Volkes Israel wartet noch auf einen zukünftigen Tag. Aber wenn man das Getöse des Freudengeschreies hören wird, welch ein Schrecken wird dann die Widersacher befallen, als Vorläufer des Gerichts' das über sie kommen wird, ohne nach rechts oder links abzubiegen! 
Jonathan, der Sohn Abjathars, erscheint plötzlich unter den Tischgenossen. Einst (2. Sam. 17, 17) war er in Gesellschaft Achimaaz', des Sohnes Zadoks, von En=Rogel aufgebrochen, um auf Gefahr seines Lebens David von dem zu benachrichtigen, was man gegen ihn im Schilde führte. Jetzt kommt er wieder dahin, um Adonija den Misserfolg seines Anschlags zu berichten, obwohl er keineswegs mit den Empörern verbündet ist. 

Er kommt, voll von dem, was für ihn eine gute Botschaft ist; denn man hört an seiner Sprache, dass sein Herz David treu geblieben ist. „Bringst du gute Botschaft?" fragt Adonija. „jawohl!" antwortet er. Sie war das für ihn, aber nicht für seine Hörer. Sie war ein vernichtender Schlag für Adonija. Dies schließt keineswegs aus, dass bei Jonathan die Gefühle eines Sohnes vorhanden waren für den Vater, der durch seinen eigenen Fehler in eine Sackgasse geraten war. Diese Gefühle haben Jonathan auch wohl dazu gebracht, jener Versammlung alles Vorgefallene der Wahrheit gemäß mitzuteilen und ihnen nichts zu verbergen. Mögen sie sich in achtnehmen! Was ihn betrifft, So fühlt man, dass er seine Freude an dem Nachfolger Davids hat. Sein Dienst hat seit der Drangsalszeit seines Königs seinen Charakter nicht geändert. Er ist immer bereit, Nachrichten zu überbringen, wie sein Gefährte Achimaaz bereit ist, zu laufen. Sein Charakter bleibt derselbe. Ob er seinen Dienst an David während dessen Verwerfung ausübt, oder an der Welt am Tage des Triumphs des Sohnes Davids, Jonathan bleibt derselbe treue Bote.  Die Zeit drängt; es ist nötig, sich sogleich zu unterwerfen, indem man "den Sohn küsst". So wird es auch am Ende der Tage sein, wenn die, welche der König Seine Brüder nennen wird, ausgehen werden um weit und breit zu verkünden, wie notwendig es ist, die Herrschaft des wahren Salomo anzuerkennen
Wie einst Jakob, so hatte auch der alte König „auf seinem Lager angebetet" (V. 47). Man findet bei David die dem Alter eigene Langsamkeit, eine Entscheidung zu treffen; aber sobald das Wort Gottes durch Nathan an ihn gelangt ist, verändert sich alles. Er zögert nicht; er bestimmt und ordnet alles an und handelt in jeder Beziehung nach den Gedanken Gottes, welche das Wort ihm in Erinnerung gebracht hat. Zuerst wußte er nichts von der Verschwörung, jetzt weiß er alles; er weiß, dass die Stunde der Herrschaft seines Sohnes geschlagen hat. Es bereitet Ihm keinen Kummer, kein Missvergnügen, die Zügel der Regierung anderen Händen anzuvertrauen. Er tut es neidlos. Nur ein Gedanke erfüllt ihn mit Glück und Anbetung: „Gepriesen sei Jehova, der Gott Israels, der heute einen gegeben hat, der auf meinem Throne sitzt, während meine Augen es sehen!" 
Hier ist David nicht mehr das Vorbild von Christo, sondern ein Bild von dem Gläubigen, der sich selbst vergisst und sich in Dank und Anbetung versenkt, um allen Ruhm dem wahren König darzubringen; er ist das Vorbild von jenen Heiligen, die ihre herrlichen Kronen von ihren Häuptern nehmen, um damit die Stufen des Thrones des "Löwen aus Juda, der Wurzel Davids", zu schmücken. Doch dieser Löwe aus Juda ist das Lamm, welches geschlachtet worden ist. Davids Gnade und Salomos Herrlichkeit vereinigen sich in dieser einzigen Person. Die Freude eines Simeon, der die Gnade und das Heil Gottes, durch das Kindlein Jesus dargestellt, in seinen Armen hält, wird sich im Himmel vereinigen mit der Freude eines David, der die Herrlichkeit Gottes in der Person des Königs erglänzen sieht.
In den Versen 49-53 sehen wir, wie die Geladenen Adonijas erschrocken nach allen Richtungen hin fliehen. Sie versuchen nicht mehr, Widerstand zu leisten, wie es auch die Menschen bei der Ausrufung des Königtums Christi nicht tun werden; denn sie würden sofort zerschmettert werden. Adonija fleht die Güte des Königs an und sucht von ihm das feierliche Versprechen zu erlangen, dass er sein Leben schonen wolle. Salomo erklärt sich bereit zu vergessen, noch einmal Gnade zu üben, doch stellt er Adonija unter Verantwortlichkeit gegenüber der Herrlichkeit seiner Regierung: „Wenn er sich als ein wackerer Mann erweisen wird, so soll von seinem Haar keines auf die Erde fallen; wenn aber Böses an ihm gefunden wird, so soll er sterben". 
So wird es auch unter der zukünftigen Herrschaft des Messias sein. Er wird viele Empörer verschonen, die sich Ihm mit Zeichen der Reue nahen werden; aber sobald Böses an ihnen gefunden wird, wird Er sie aus dem Lande ausrotten (2. Sam. 22 45; Ps. 101, 8). Wenn die Gerechtigkeit herrscht, wird sie den Bösen nicht mehr ertragen. Salomo, das Bild des Königs im Tausendjährigen Reiche, kennt Adonija und mildert sein Urteil nicht, wenn er ihn auch auf seinem Angesicht vor sich sieht. Er weiß, was in diesem stolzen Herzen vorgeht, welches nur eine äußerliche Unterwerfung und Reue kennt. "Gehe in dein Haus", sagt er zu ihm. Kurze und strenge Worte! Adonija sollte darauf achten. Fortan war seine Rolle, zu schweigen als ein Mensch, der schuldig befunden ist und unter Aufsicht steht. Er genießt diese Verzeihung genau so lange, wie das Böse sich nicht bei ihm offenbaren wird.

KAPITEL 2, 1-12 Die letzten Anordnungen Davids

David gibt sterbend seinem Sohne Salomo ein Gebot und legt ihm seine Verantwortlichkeit ans Herz. Es ist sozusagen das Testament des alten Königs und die Frucht seiner langen Erfahrung. Wir haben hier nicht die letzten Worte Davids"; diese werden uns in 2. Sam. 23, 17 mitgeteilt. Die in dem vorliegenden Abschnitt enthaltene Unterredung geht der Zeit nach jenen „letzten Worten" voran. Man könnte sie vielleicht zwischen den Versen 9 und 10 einschalten. Wir haben hier nicht David vor uns, wie er sein ganzes Verhalten im Blick auf das des wahren Königs, des „gerechten Herrschers unter den Menschen", beurteilt und die Unfehlbarkeit der Gnadenratschlüsse Gottes verkündet. Nein; was ihm zunächst obliegt, ist, Salomo beim Antritt seiner Regierung vor allem zu schützen, was dieser Regierung hinderlich sein oder ihren Untergang herbeiführen könnte.
Es besteht eine große Ähnlichkeit zwischen den Worten Davids an seinen Sohn und den Worten Jehovas an Josua (Jos. 1). Der König sollte vor allem "stark und ein Mann sein". Der Gehorsam gegen Jehova und die Abhängigkeit von Ihm sind die Beweise dieser Stärke, die man gebrauchen muss, um "auf seinen Wegen zu wandeln". Der Wandel selbst wird geleitet durch Gottes Wort, wie wir hier und im 119. Psalm sehen. Dieses Wort hat verschiedene Charakterzüge, und es ist nötig, auf alle zu achten. Es heißt hier: "Indem du seine Satzungen, seine Gebote und seine Rechte und seine Zeugnisse beobachtest". 

Das ist die Gesamtheit des Wortes. Seine Satzungen sind die Anordnungen, die Er getroffen hat und mit denen Seine Autorität verbunden ist; Seine Gebote sind der Ausdruck Seines Willens, dem wir uns zu unterwerfen haben; Seine Rechte die Grundsätze, welche Er zum Ausdruck bringt und nach denen Er handelt; Seine Zeugnisse endlich die Gedanken, die Er uns mitgeteilt hat und die der Glaube aufnehmen soll. Alles das war für den Israeliten das Gesetz Moses" und sollte die göttliche Regel für den Wandel des Gläubigen bilden. Ein auf diese Weise geregeltes Leben musste ein glückliches Leben sein, von welcher Seite man es auch betrachten mochte: „Auf dass es dir gelinge in allem, was du tust, und überall, wohin du dich wendest". Das sollte das Geheimnis der Regierung Salomos und seiner Nachfolger sein. Bei diesen Grundsätzen würde es nie "an einem Manne fehlen auf dem Throne Israels". 
Geradeso ist es für uns. Unser Leben findet seine Nahrung und Kraft in dem Worte Gottes, und nur indem wir auf dieses Wort achten, können wir eine feindselige Welt ohne Furcht durchschreiten und alles, was wir tun, gelingen sehen (Ps. 1, 2.3). Es unterweist uns, auf Gottes Wegen zu wandeln. Kann es ein größeres Glück geben, als hienieden einen vollkommenen Pfad zu finden, den Pfad des Christen, auf dem das Auge Gottes mit Wohlgefallen ruht? 
Das also war die Aufgabe Salomos und seiner Nachfolger. Wenn sie auf dem Wege Gottes und vor Seinem Angesicht wandelten, sollte ihre Regierung auf immerdar bestehen bleiben (Ps. 132, 11. 12).
Die zweite Anordnung Davids für seinen Sohn bezog sich auf Gerichte, welche er ausführen sollte (V. 59). David, der die Gnade darstellt, hat Verständnis über das, was der Herrschaft der Gerechtigkeit geziemt, Wenn es keine Gerechtigkeit gäbe, so würde die Gnade selbst nur eine schuldbare Schwäche sein. Als Mensch würde David sich weniger schuldig gezeigt haben, wenn er diesen beiden Dingen den ihnen gebührenden Platz angewiesen hätte. So finden wir ihn wiederholt zu schwach, um Gerechtigkeit zu üben, wie in dem Falle Joabs, oder Gnade mit Gerechtigkeit walten zu lassen, wie in dem Falle Absaloms. Gott allein lässt die Gnade durch Gerechtigkeit herrschen. Er allein hat, in Christo, das Mittel gefunden, um diese beiden Dinge zu vereinigen: Seinen vollkommenen Hass gegen die Sünde und Seine vollkommene Liebe zu dem Sünder.
Doch diese Unterlassung des Gerichts hatte nicht einzig und allein in der Schwäche Davids seinen Grund. Es wird eine Zeit kommen, wo die Taten der Menschen gemessen und abgewogen werden nach dem Gesetz der Gerechtigkeit, welches, lange zurückgehalten, dann erst zu seiner vollen Ausübung kommen wird. Wenn die Gerechtigkeit herrschen wird, könnte sie dann den Anschein erwecken, als übersähe sie die Sünde? Man übertritt nicht ungestraft die Gesetze des Reiches; und wenn dasselbe dereinst in Macht errichtet sein wird, werden diejenigen, welche diese Gesetze unter der Herrschaft der Gnade mit Füßen getreten haben, die bitteren Folgen ihrer Empörung erfahren müssen.

 Es gibt vor dem Gesetz Gottes keine Verjährung, wie vor dem der Menschen. Die gottlose Tat des Sünders wird sich wiederfinden, vielleicht „beim grauen Haar"; aber sicherlich wird ihrer wieder gedacht werden. 
Joab kommt zuerst an die Reihe. Wir haben bei der Betrachtung des zweiten Buches Samuel seine Laufbahn zur Genüge kennengelernt, so dass wir nicht mehr darauf zurückzukommen brauchen. Die Schwäche Davids (2. Sam. 3, 39) hatte den König verhindert, die Ermordung Abners und später diejenige Amasas sofort zu rächen; aber er hatte beides nicht vergessen. Was Joab diesen Männern angetan hatte, hatte er David angetan. "Du weißt, was Joab mir getan hat." *5) Vielleicht meinte dieser blutdürstige Mensch, seinem König zu dienen, während er nur seinen eigenen Interessen diente. Aber das ist unmöglich. Was man für sich selbst tut, tut man wider Gott. In Friedenszeiten waren „der Gürtel und die Schuhe" Joabs sein Dienst und sein Wandel, durch Kriegsblut befleckt worden. Das war ein Schandfleck. Der Krieg sollte auch über ihn kommen. Er musste erfahren, dass es für ihn keinen Frieden gab; denn er ist nur für die, welche Frieden stiften (Jak. 3, 18). Weder Salomos Friedensreich noch seine Regierung in Gerechtigkeit konnten solche Elemente zulassen. Joab musste ohne Aufschub und ohne Barmherzigkeit getötet werden. "Handle nach deiner Weisheit", sagt David. Ja, es gibt eine Vergeltung nach der Weisheit Christi (Offbg. 5,12). Ohne diese würde Seine Herrlichkeit nicht völlig zur Darstellung kommen. 
Doch die Gedanken Davids verweilen viel lieber bei dem, was Barsillai für ihn getan hat (2. Sam. 19, 31-40). Diesem hingebenden Greise vergilt er über seine Wünsche hinaus in seinen Söhnen. Anfangs handelte es sich nur um Kimham; jetzt haben alle Söhne Barsillais ein Recht an dem Tisch des Königs, zur Belohnung der Treue ihres Vaters. Sie genießen die Herrlichkeit des Reiches in einer Stellung hoher Ehre und besonderer Vertraulichkeit. Lasst uns daran denken im Blick auf unsere Familien! Die Hingebung der Eltern für Christum wird in ihren Kindern belohnt. „Indem ich mich erinnere", sagt der Apostel, „des ungeheuchelten Glaubens in dir, der zuerst wohnte in deiner Großmutter Lois und deiner Mutter Eunike" (2. Tim. 1, 5). 
Als dritter kommt Simei, der Benjaminiter, der David geflucht und dann bei dessen Rückkehr Zeichen von Buße gegeben hatte, indem er seine Sünde bekannte. Dieser Simei hatte sich nicht der Partei Adonijas angeschlossen; *6) er war in Verbindung mit den Helden Davids geblieben und war Salomo gefolgt. David sagt über ihn  „Siehe, bei dir ist Simei, der Sohn Geras". Er war also anscheinend wiederhergestellt; aber wenn David ihn auch in Gnaden verschont hatte, so hielt er ihn doch nicht für schuldlos. 

Alles sollte von seinem Betragen unter dem König der Gerechtigkeit abhängen. Dieses Betragen würde zeigen, ob seine Buge echt war oder nicht. Wie der Fall Joabs wird derjenige Simeis der Weisheit Salomos überlassen (V. 9).
David stirbt. Das Wort sagt hier nichts von den ersten Anfängen der Regierung Salomos, sondern hebt nur das hervor, was sie im allgemeinen und in ihrer Gesamtheit kennzeichnete: „Sein Königtum wurde sehr befestigt". Das ist der Charakter des Reiches der Gerechtigkeit im Gegensatz zu dem der Gnade, welches voll von Unruhen und Empörungen war.

KAPITEL 2, 13-46, Gerechtigkeit und Gericht sind seines Thrones Grundfeste

Kaum ist der Thron bestiegen, so offenbaren sich die dein Königtum feindlichen oder fremden Elemente; doch der Charakter der Herrschaft der Gerechtigkeit besteht darin, dass sie alles unterdrückt, was nicht mit ihr in Übereinstimmung ist. In der Gegenwart Salomos kann das Fleisch sich nicht mehr geltend machen, noch seinen Neigungen freien Lauf lassen. 
Adonija wendet sich an Bathseba, damit sie dein König, ihrem Sohne, sein Begehren vorstelle. „Ist Friede dein Kommen?" fragt diese gottesfürchtige Frau. Sie misstraut dem Sohne der Haggith. Sie weiß ganz gut, dass, wenn seine Pläne gelungen wären, sie und ihr Sohn Salomo hätten „büßen müssen" (Kap. 1, 21). Dieser Mensch scheint äußerlich gebrochen zu sein, in seinem Herzen ist er jedoch weit davon entfernt. „Du weißt", sagt er, "dass das Königtum mein war, und dass ganz Israel sein Angesicht auf mich gerichtet hatte, dass ich König sein sollte" (V. 15). Wie hätte nicht eine solche Behauptung in dem wahren König gerechte Entrüstung hervorrufen sollen? Er, Adonija, sollte alle Rechte auf die Nachfolge, auf die Krone und auf das Volk Davids haben? Seine Worte verraten an sich schon ein missmutiges Herz, eine lange unterdrückte Bitterkeit, die sich Luft macht, weil nicht das mindeste Selbstgericht bei ihm vorhanden ist. Allerdings fügt er hinzu: "Das Königtum hat sich gewandt und ist meinem Bruder geworden, denn von Jehova aus gehörte es ihm".

 Aber ist das eine wahre Erkenntnis des Willens Gottes, eine wahre Unterwerfung unter den Thron der Gerechtigkeit? Adonija nimmt es so an, weil er nicht anders kann. Sicherlich gehört er nicht zu dem „willigen Volke" am Tage der Macht des Sohnes Davids (Vergl. Psalm 110, 3). Nach seiner Meinung ist Salomo ein Eindringling, und was ist für Adonija in diesem Falle Jehova, der Salomo eingesetzt hat? 
„Und nun", sagt er, „bitte ich eine Bitte von dir; weise mich nicht ab! ... dass er mir Abischag, die Sunamitin, zum Weibe gebe." Abischag? diese Jungfrau, welche David bedient und ihn mit Sorgfalt gepflegt hatte, welche in der größten Vertraulichkeit mit dem König der Gnade gelebt hatte, sie sollte dies ein Empörer gegeben werden, den nur die Langmut Salomos bis dahin verschont hatte? Wie wenig kannte er David und Salomo! *7) Ihm Abischag geben, das würde heißen, ihm ein gewisses Anrecht auf die Nachfolge seines Vaters zuzuerkennen, eine gewisse Verbindung mit dem Königtum, welches er bei einer günstigen Gelegenheit als sein Eigentum beanspruchen könnte; es wäre die Anerkennung der Gesetzmäßigkeit seiner Behauptungen und der durch Joab und Ab­jathar geleiteten Verschwörung (V. 22). Sollte das Weib, welches David als eine reine Jungfrau bedient hatte, diesem Unheiligen gegeben werden?
Und wenn wir jetzt an die Kirche denken, wird wohl der König der Herrlichkeit jemals darin einwilligen, die Braut, welche Er Sich als König der Gnade erwählt hat, einem anderen abzutreten? Der Antichrist, der Mensch der Sünde, mag vielleicht glauben, Christo die Braut rauben zu können, indem er sich der abtrünnigen Christenheit bemächtigt, die zu dem großen Babylon der letzten Tage geworden ist; allein seine Anstrengungen, sich an die Stelle Christi zu setzen, um Dessen Braut zu besitzen und sich des Reiches zu bemächtigen, werden sowohl für die Hure wie für ihn selbst in dem Feuer und Schwefelsee endigen. Hier, bei Adonija, lässt das Gericht nicht auf sich warten: er wird noch an demselben Tage getötet. 
Nachdem das Haupt der Verschwörung, der falsche König, seinem Lose überliefert worden ist, trifft der Richterspruch Salomos den Priester, der von David lange ertragen worden war, über welchen aber Jehova schon vor den Ohren Elis das Urteil gesprochen hatte (1. Sam. 2, 35). Man findet hier den Grundsatz wieder, der in den Worten: "Ich habe Jakob geliebt, Esau aber habe ich gehasst" (Mal. 1, 2), zum Ausdruck kommt, in Worten, die dreizehnhundert Jahre später ausgesprochen wurden als die: "Der Ältere wird dem Jüngeren dienen" (1. Mose 25, 23). In den letzteren gibt sich die freie Wahl Gottes kund; das Urteil aber wird erst gesprochen, nachdem Esau sich als der unversöhnliche Feind Gottes und Seines Volkes erwiesen hatte. So ist es auch mit Abjathar. Hundertfünfunddreißig Jahre nach der Ankündigung des Gerichts wird er aus dem Priestertum gestoßen, nachdem er durch sein Bündnis mit dem Empörer eine Ursache zum Gericht gegeben hatte.
So führt sich die Herrschaft der Gerechtigkeit ein durch das Gericht über alle, welche unter die Gnade und Langmut Gottes gestellt waren, diese aber nicht dazu benutzt hatten, ihr Herz und ihre Handlungen mit jener Herrschaft in Übereinstimmung zu bringen. Abjathar war um so schuldiger, weil er „die Lade des Herrn Jehova vor David getragen" hatte; auch hatte er an dessen Trübsalen von Anfang an teilgenommen (1. Sam. 22, 20). 

Indem er so an dem Zeugnis des Gesalbten Jehovas teilgehabt hatte, hatte er auch mitgelitten. Salomo erkennt das an; aber in dem einzigen Falle, wo die Treue Abjathars auf die Probe gestellt wurde und es sich um die Ehre des Sohnes Davids gehandelt hatte, hatte er Schiffbruch gelitten und seinen Herrn verlassen. Das lange aufgeschobene Wort Jehovas geht in Erfüllung: Abjathar wird verstoßen. 
Sodann kommt Joab. Von ihm wird ausdrücklich gesagt, dass er sich „nicht nach Absalom geneigt" habe, welche Anwand­lung dazu er auch gehabt haben mag, wie wir dies im 2. Buche Samuel sahen. Aber es war ein weit schwereres Vergehen, sich von der Herrschaft der Gerechtigkeit bei ihrer Errichtung abzuwenden; denn das bewies einen gänzlichen Mangel an Furcht angesichts dessen, der dazu bestimmt war, sich als König der Herrlichkeit auf seinen Thron zu setzen.
Joab flieht in das Zelt Jehovas und erfasst die Hörner des Altars. Doch das kann ihn nicht retten. Das Wort Gottes ist gegen ihn: "So jemand wider seinen Nächsten vermessen handelt, dass er ihn umbringt mit Hinterlist  von meinem Altar sollst du ihn wegnehmen, dass er sterbe" (2. Mose 21, 14). Salomo erinnert sich dieses Wortes. Nachdem das Urteil über Joab gesprochen ist, ist es zu spät ; der Altar kann ihn nicht mehr schützen. Die Rache muss an ihm vollzogen werden, damit "David und seinem Samen und seinem Hause und seinem Throne Friede sei auf ewig von seiten Jehovas" (V. 33); denn sonst würde das Blut auf dem Hause Davids geblieben sein. Seine Ehre erforderte das Gericht. 
Schließlich kommt Simei an die Reihe. Er wird durch Salomo unter seine eigene Verantwortlichkeit gestellt und nimmt dies an. Er offenbart dadurch eine völlige Unkenntnis seines sündigen Zustandes und infolgedessen auch seiner Unfähigkeit, zu gehorchen. Hatte Israel nicht ebenso gesprochen, als das Gesetz ihm vorgelegt wurde? "Alles was Jehova geredet hat wollen wir tun" (2. Mose 19, 8). So sagt Simei: "Das Wort ist gut; so wie mein Herr, der König, geredet hat, also wird dein Knecht tun" (V. 38). Der unglückliche Mann wusste, dass Ungehorsam sein Tod war, und dass sein Blut auf seinem Kopfe sein würde  und doch war er unfähig, nicht ungehorsam zu sein. Er konnte nicht auf zwei entflohene Sklaven verzichten; und um dieses eintägige Gut wieder zu erlangen, opferte er sein Leben! Welch ein Bild von der Welt, die das Gesetz Gottes kennt, sich demselben aber weder unterwerfen will noch kann, sobald ein vorübergehender Vorteil sich zwischen sie und den Willen Gottes stellt! Simei wird nach seinem eigenen Wort verurteilt: "Das Wort ist gut, das ich gehört habe" (V. 42). Der unter Verantwortlichkeit gestellte Mensch, der diese Verantwortlichkeit annimmt und darin fehlt, kann unter der Herrschaft der Gerechtigkeit nicht geduldet werden.
Fußnoten:
*5) Wir glauben nicht, dass der König hierbei an die Ermordung Absaloms durch Joab denkt.
*6) Obwohl manche anderer Meinung sind, sehen wir doch keinen Grund, weshalb der Simei in Kap. 1, 8 eine andere Person als der Sohn Geras gewesen sein sollte.
*7) Wie wir schon bei der Betrachtung des 1. Kapitels gesagt haben, gibt uns die Schrift keinen stichhaltigen Grund, in Abischag, der Sunammitin, die von Salomo geliebte Sulamith des Hohen Liedes zu sehen. Auch ist es weise, in der Anwendung dieser Vorbilder nicht über das hinauszugehen, was das Wort uns deutlich zeigt.

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Stehet fest im Glauben

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 46ff
„Wachet, stehet fest im Glauben, seid männlich, seid stark !“(1. Kor. 16, 13). 
Kein Gläubiger wird leugnen, dass wir in einer  ernsten und wichtigen Zeit leben. Sie trägt für den  einzelnen Christen wie für die ganze Gemeinde des  Herrn das bedeutungsvolle Wort an der Stirn: Wachet!  der Herr ist nahe. Große Scharen werden errettet, das Wort des Herrn läuft und wird verherrlicht.   
Andererseits nehmen Unglaube und sittliches Verderben  mit Riesenschritten zu, trotzdem Gott durch gewaltige  Naturereignisse. Unglücksfälle, Hungersnöte und dergleichen  die Gewissen der Menschen aufzurütteln sucht. Wenn  je, so ist heute das Wort wahr: „Die Ankunft des  Herrn ist nahe gekommen . . . Siehe, der Richter steht  vor der Tür''. (Jak. 5, 8. 9.) 
Auch für den Gläubigen ist dieser Gedanke sehr  „ernst; vor ihm liegt freilich nicht die Aussicht auf das"  Gericht, sondern eine herrliche Zukunft, eine lichtvolle, selige Einigkeit im Verein mit Jesu, seinem Herrn. Seine  Berufung ist nach oben, dem Himmel zu, gerichtet. Hienieden ist er ein Pilgrim und Fremdling. 

Alle seine  Erwartungen und Hoffnungen liegen droben. Aber wenn  auf dem natürlichen Menschen eine Verantwortlichkeit  ruht, die seinige ist noch größer. Denn wir müssen alle  offenbart werden vor dem Richterstuhl Christi, um zu  empfangen nach dem wir gehandelt haben. Darum  beeifert er sich, seinem Herrn wohlgefällig zu sein. Ja, er ist nur dann glücklich, wenn er „vor Gott offenbar''  ist, wenn die himmlischen Dinge sein Herz erfüllen und  der herrliche „Kampfpreis der Berufung Gottes nach  oben in Christo Jesu“ vor seinem Glaubensauge steht.  (Phil. 3, 14.) Steht es anders, so ist er ein unglücklicher Mensch; er ermattet auf dem Wege und bleibt zurück."  
Wie ist es mit uns, teurer Leser? Wollen wir  zurückbleiben, oder auch nur den Schein erwecken, dass  „wir müde geworden seien? Nein; wir wollen vielmehr"  mit dem Apostel sagen: „Wir sind nicht von denen,  die sich zurückziehen zum Verderben“! Lasst uns „gerade  Bahn machen'' für unsere Füße! Gehören wir doch zu der Braut Jesu Christi, der Miterbin Seiner Herrlichkeit, zu dem himmlischen Volke, das dem Vaterhause zupilgert. Sind wir doch Seine Knechte und Mägde, berufen, Ihm zu dienen und von Ihm zu zeugen. Sein  Opfer hat uns ein für allemal gereinigt, geheiligt und abgesondert. Sein Geist. und Sinn ist uns geschenkt; durch Ihn können wir rufen: Abba, Vater! und Gottes  Liebe ruht völlig und für immer auf uns. 
Sollte uns das nicht anspornen, in Einfalt und  Treue vor Ihm zu wandeln, nach Gottes Wohlgefallen?  O möchte es mehr als bisher unser Begehren sein, als  lebendige Reben an dem wahren Weinstock Frucht zu  tragen zur Verherrlichung des Vaters! Wir haben keine  Gemeinschaft mehr mit der Welt und der Sünde. Wir  sind der Welt gekreuzigt, der Sünde gestorben — in  Christo, für den Glauben. Lasst uns das im Glauben  verwirklichen, auch wenn es etwas kostet! Die Welt ist  und bleibt. stets die Feindin Gottes und Seines Gesalbten.  Sie hasst deshalb auch uns, die Seinigen, und feindet  uns an. Sollte uns das Wunder nehmen oder gar  mutlos machen? Im Gegenteil, wenn es geschieht, so  ist es ein Vorrecht für uns, ein kostbares Geschenk von  oben, das wir mit Freude und Frohlocken in Empfang  nehmen sollten. (Matthäus 5, 11. 12.) Auch dürfen wir  in solchen Prüfungen und Leiden die erziehende Hand  unseres Vaters erblicken, der uns Seiner Heiligkeit teilhaftig machen möchte, und der da will, dass in diesen  Proben die Bewährung unseres Glaubens viel köstlicher  erfunden werde als die des vergänglichen Goldes und  diene zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi. (Hebr. 12, 10; 1. Petr. 1, 7).  
Geliebte Brüder! lasst uns denn „mit Ausharren  laufen den vor uns liegenden Wettlauf, hinschauend auf  Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens''!  Die Wartezeit naht ihrem Ende. Die harrende Braut  wird bald von ihrem himmlischen Bräutigam heimgeführt werden. Nicht lange mehr, und ,,die Freiheit der  Herrlichkeit der Kinder Gottes'' wird geschaut werden.  Dann werden wir ewiglich zur Seite unseres geliebten  Herrn weilen, Sein Antlitz schauen, mit Ihm alles teilen,  mit Ihm richten und herrschen. ,,Wer überwindet,  dem werde ich geben, mit mir aus meinem Throne  zu sitzen.'' (Offb. 3, 21.) 

„Wer überwindet und meine  Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben; und er wird sie  weiden mit eiserner Rute.'' (Offb. 2, 26. 27.) „Wisset  ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Wisset ihr nicht, dass wir Engel richten  werden?'' (1. Kor. 6, 2. 3.) „Glückselig und heilig,  wer teil hat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden  Priester Gottes und des Christus sein und mit Ihm  herrschen tausend Jahre.'' (Offb. 20, 6.) Das sind „große und kostbare Verheißungen'', herrliche Aussichten.  Doch über alles hinaus, weit hinaus, geht das Wort  in 1.Joh. 3, 2: ,,Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes,  und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein  werden; wir wissen, dass, wenn es offenbar werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir  werden Ihn sehen, wie Er ist''. 
 Wer könnte die Kostbarkeit einer solchen Hoffnung  beschreiben? Und o, wie teuer ist sie erkauft! Nicht    wahr, mein lieber Leser, der Gedanke an den Preis,  der dafür bezahlt worden ist, an die hohe Stellung,  die wir jetzt schon aus- Gnaden erlangt haben und bald  voll und ganz, in Herrlichkeit, zur Seite unseres Herrn  einnehmen werden, erfüllt unsere Herzen mit Lob und  Dank, aber auch mit tiefem, heiligem Ernst. „Jeder,  der diese Hoffnung zu Ihm hat (nämlich Ihm gleich  zu sein), reinigt sich selbst, gleichwie Er rein  ist.“ Nichts Geringeres als das kann und darf uns genügen. Es ist nicht die Frage, ob wir hienieden jemals  diesen Maßstab erreichen werden; aber einen niedrigeren gibt es nicht. Ein unvollkommenes Vorbild oder Muster  kann Gott uns nicht geben, könnte dem aufrichtigen  Gläubigen auch nicht genügen. Er kennt nur ein Ziel, und dieses Ziel ist Christus. Vergessend was dahinten ist, und sich austreckend nach dem was vor ihm liegt, jagt er diesem Ziele nach. Freilich gibt es viele Feinde, die ihm dieses herrliche Ziel verrücken wollen, Feinde in ihm und um ihn her. Darum ist sein Leben ein fortwährender Kampf, ein stetes Gerüstetsein, ein unaufhörliches Auf der Wache stehen, ein anhaltendes Beten.  Denn wenn es den Feinden gelingt, seinen Blick von  dem Kampfpreis abzulenken, so wird er kraftlos und  unterliegt. Diese Gefahr. war schon in jenen ersten Tagen bei den Gläubigen in Korinth vorhanden; sie ist  es heute mehr als je. Hören wir deshalb die Ermahnung: „Wachet, stehet fest im Glauben, seid männlich, seid stark''! 
Nur wer im Glauben feststeht, wird den Kampfpreis erringen, nur wer im Bewusstsein seiner eigenen  Ohnmacht Kraft und Hülfe bei dem Herrn sucht, wird  ausharren bis ans Ende. Aber vergessen wir nicht,  dass „Seine göttliche Kraft uns alles in betreff des  Lebens und der Gottseligkeit geschenkt hat'', ja, dass  wir ,,gekräftigt sind mit aller Kraft nach der Macht „Seiner Herrlichkeit''. (2. Petr. 1, 3; Kol. 1, 11). In  Christo ist alles, was wir bedürfen, und alles steht uns  zu Gebote. Die Kraft Seiner Auferstehung gibt dem  Glaubenden Kraft und Sieg. Aber es ist und bleibt, wie gesagt, ein Kampf, ein ernster Kampf. 

Ein Sichgehenlassen, ein gemächliches Ausruhen ist völlig ausgeschlossen. Wir dürfen die Waffen nicht eher niederlegen, als bis wir das Ziel erreicht haben. Ja, es  gilt, „stark zu sein in dem Herrn und in der Macht  Seiner Stärke'', „zu aller Zeit zu beten mit allem Gebet und Flehen'' und „zu wachen in allem  Anhalten und Flehen'' (Eph. 6, 10. 18). Der Herr  schenke es uns und lasse alle Seine Streiter aufwachen  zu einem tiefen Bewusstsein ihrer Verantwortlichkeit und  des Ernstes dieser Tage! 
 Die Versammlung Gottes ist berufen, in allen ihren  Gliedern Dem zu leben, der sie erkauft hat, eifrig zu  sein in guten Werken, die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste zu verleugnen und besonnen, gerecht und  ·gottselig zu leben in dem gegenwärtigen Zeitlauf (Tit.  2, 12. 14). Die Glieder sollen auseinander achthaben  zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, das Zusammenkommen nicht versäumen, sondern sich gegenseitig ermuntern, und das umso mehr, je näher „der  Tag'' kommt. (Hebr. 10, 24. 25.) Wie könnte es auch  ·anders sein? Ist es nicht die Freude der Braut, wenn  sie anders ihren himmlischen Bräutigam liebt und mit  Sehnsucht erwartet, keusch und für Ihn abgesondert zu  leben, sich unbefleckt zu erhalten von Sünde und Welt?  Wie könnte sie vergessen, um welch einen Preis sie erkauft ist? Wie könnte sie kalt und gleichgültig werden  angesichts des unausforschlichen Reichtums der Liebe  Christi Jesu, ihres Herrn? 
Fürwahr, wir fragen mit Recht so. Und doch, wenn wir an die einzelnen Gläubigen unserer Tage  denken, so finden wir so viele gebunden mit irdischen  Ketten, gefesselt durch weltliche Gewohnheiten und Neigungen, Ruhe suchend hienieden, während doch ihr einziger Ruheort der Himmel ist. Sie sind Befreite und  doch Gefangene, Erlöste und doch Gebundene, Fremdlinge und doch Bewohner des Landes. Die kindliche  Einfalt gegen Christum ist verschwunden, die himmlische  Gesinnung hat sich verloren, ihr ganzes Christentum ist verwässert und verflucht; ja, Entschiedenheit und Treue für Christum stehen in Gefahr, von ihnen für Gesetzlichkeit oder gar für Hochmut erklärt zu werden. Ach, der  „alte“ Sauerteig, der einmal ausgefegt war, hat wieder zu wirken begonnen. Man hat sich dem wieder zugewandt, was man einst um des Herrn willen aufgegeben  hatte. Das ist ernst. 

Wohl mögen wir uns deshalb  an die Worte des Apostels erinnern: „Wachet! Stehet fest im Glauben!“ „Wache auf, der du schläfst!“ Je weiter der Zeiger auf der Weltuhr rückt,  desto größer wird die Verführung, desto schwieriger der  Weg, desto heißer der Kampf. Wir bedürfen der ganzen  Waffenrüstung Gottes, des Gurtes der Wahrheit,  der Beschuhung mit der Bereitschaft des Evangeliums des  Friedens, des Brustharnisches der Gerechtigkeit,  des Schildes des Glaubens, des Helmes des Heils, des Schwertes des Geistes und, bei dem allen, des  ernsten, anhaltenden Gebets. Es ist ein böser Tag, eine böse Zeit. Um widerstehen und, nachdem wir alles  ausgerichtet haben, stehen zu können, darf kein Stück  der Rüstung fehlen.

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Ruhe in Gott

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 46ff
Es besteht ein großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis! Von der „vollen Gewissheit des Glaubens“ zu reden und eine unerschütterliche Ruhe in  Gottes heiliger Gegenwart zu genießen sind zwei verschiedene Dinge. In dem letzten Falle gibt sich das  Herz keinen Grübeleien hin über das Maß seines Glaubens oder über die Gewissheit der Fortdauer desselben,  sondern es freut sich einfältig an dem, was Gott ist  in Christo Jesu, es ruht in Ihm. Es denkt dabei  nicht so sehr daran, was Er gesagt oder getan hat,  obwohl das, was Er gesagt und getan hat, das Herz  dahin bringt, seine Ruhe und seine Quellen in Ihm zu  finden, sondern es erfreut sich daran, was Gott ist,  wie Er sich offenbart hat in Christo Jesu.  
Was uns geschenkt ist, ist nicht eine bloße Lehre,  sondern eine lebendige Person, die Person unseres  auferstandenen Herrn. Das Herz kann nie seine Ruhe in einer Lehre finden, so schön und fasslich sie sein mag; es muss die volle Gewissheit und den Genuss einer Liebe  haben, die sich nie verändern kann. Und wo ist eine  solche Liebe zu finden? In Ihm allein, in welchem  Gott sich offenbart hat. Darum ist in Christo auch der einzige Ruheplatz für das arme menschliche Herz.  Und wenn das Herz in Seiner Liebe ruht und sich an  ihr erquickt, so ist jede Furcht verschwunden. Man denkt nicht daran, dass es je wieder anders sein könnte; man fragt nicht ängstlich: Ja, werde ich auch wohl bis  ans Ende ausharren? Der eine große Gedanke, der  das ganze Herz ausfüllt, ist: Er ist mein, und ich bin  Sein. Er hat mich, als Antwort aus das liebende Verlangen Seines eigenen Herzens, zu sich gebracht und  mich für Seine Gegenwart passend gemacht. Jetzt ist  Er befriedigt, und ich bin in vollkommener Ruhe.  
Aber, höre ich fragen, sollen sich unsere Gedanken  denn gar nicht mehr mit uns beschäftigen? mit unserem Glauben, mit unseren Gefühlen, unserem Tun,  unserem Ausharren usw.? Nein, liebe Seele, nur  an Ihn solltest du denken, aus Ihn blicken, an Ihm deine Wonne haben, von Ihm und mit Ihm reden,  der die Freude Gottes ist, in welchem Er selbst mit Wonne ruht. Das ganze Christentum läuft hinaus auf die Erkenntnis, den Besitz und Genuss des Einen, der mich  geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat.

  Einen höheren Flug kann der Glaube nicht nehmen, und einen tieferen sollte er nicht nehmen; denn dann findet er, gleich der Taube Noahs, keinen Ruheplatz. Sie fand außerhalb der Arche nicht einmal einen Ort, wo  sie für einen Augenblick ihre Flügel hätte zusammenlegen können. So gibt es auch für den Glauben außerhalb Christi nirgendwo einen Ort, wo er seine Schwingen in Ruhe zusammenlegen könnte. 
Selbstverständlich ist die Erkenntnis der Wahrheit und besonders ein klares Verständnis über das vollendete Werk Christi notwendig für die Erkenntnis Seiner  Person. Aber diese Dinge sind gleichsam nur Mittel zum Zweck; das will sagen: das Herz muss den Wert Seines Werkes erkannt haben, um sich zu dem einen,  alles beherrschenden Verlangen, Ihn selbst zu kennen, erheben zu können. „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn  die Furcht hat Pein“, sagt der Apostel Johannes in  seinem 1. Briefe. Und so ist es. Die Erkenntnis der  in Christo geoffenbarten Liebe Gottes, die ihre Quelle  und ihre Kraft in Ihm selbst hat, und die über all unseren Mängeln und Versäumnissen steht, bereit die  Seele von aller Furcht und erfüllt sie mit heiliger Zuversicht inmitten der schwierigsten Umstände. Das Herz  beschäftigt sich nicht mehr mit der Frage, was ich bin  oder in Zukunft sein werde, sondern allein mit Ihm, mit dem, was Er ist. Wird Er sich je verändern? Wird  Seine Liebe je erkalten? Nimmermehr! So findet das Herz Ruhe, vollkommene Ruhe, in Seiner Gegenwart, in Ihm selbst, und empfindet dabei eine ,,unaussprechliche und verherrlichte Freude“. 
Zum Schluss möchte ich dem freundlichen Leser  noch ein kleines praktisches Beispiel von diesem Ruhen  in Gott, von dieser heiligen Zuversicht, selbst angesichts  des Todes, erzählen. 
Eine Kranke liegt auf ihrem Sterbelager. Lange  schon hat die Krankheit gedauert, und der Arzt, der  Freund der Familie, hat schon viele Besuche gemacht. Heute ist er wohl zum letzten Male da; dafür spricht das veränderte Aussehen der Kranken. Nachdem er sie  einen Augenblick prüfend angeschaut hat, wendet er sich zu einer gläubigen Freundin, die ebenfalls im Zimmer  anwesend ist, und sagt leise: „Sie liegt im Sterben“. 

Er meinte, die Sterbende habe die Worte nicht verstanden; aber so leise sie gesprochen waren, hatten sie doch ihr Ohr erreicht. Und was- geschah? Langsam  wandte sie ihren Blick dem Arzte zu, und indem ihr  Auge von himmlischer Freude glänzte, sagte sie: „Nein, Herr Doktor, ich liege nicht im Sterben; — ich gehe hin, um zu leben. — Das ist kein Sterben,  — das ist Leben! — Ich gehe zu Jesu, um bei  Ihm zu leben.'' Darauf dankte sie ihm noch einmal, für all seine Sorge um sie und schloss mit den Worten:  „Gott wolle Sie segnen, Herr Doktor! Ja, möge Er  Ihre ganze Familie segnen!“
Das war mehr, als der Arzt zu ertragen vermochte; in tiefster Gemütsbewegung verließ er dass"  Zimmer. Als er am folgenden Tage zurückkehrte, war  die Kranke in Jesu entschlafen. Ihre Arbeit war getan.  Gleich ihrem Herrn und Heilande hatte sie diesen Schauplatz verlassen mit Händen, die zum Segnen erhoben  waren. Das Gefühl von Seiner Gegenwart hatte ihre  Seele mit solchem Frieden und solcher Ruhe erfüllt.  Sie ruhte in Ihm, und darum war alles Licht und  Herrlichkeit, Leben und Frieden. Sie war weit mehr  als eine Überwinderin durch Den, der sie geliebt hatte,  so dass sie selbst in solch ernster Stunde noch anderen  dienen konnte in Liebe. 

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Ruhe in Gott

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 53ff
Es besteht ein großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis! Von der „vollen Gewissheit des Glaubens“ zu reden und eine unerschütterliche Ruhe in  Gottes heiliger Gegenwart zu genießen sind zwei verschiedene Dinge. In dem letzten Falle gibt sich das  Herz keinen Grübeleien hin über das Maß seines Glaubens oder über die Gewissheit der Fortdauer desselben,  sondern es freut sich einfältig an dem, was Gott ist  in Christo Jesu, es ruht in Ihm. Es denkt dabei  nicht so sehr daran, was Er gesagt oder getan hat,  obwohl das, was Er gesagt und getan hat, das Herz  dahin bringt, seine Ruhe und seine Quellen in Ihm zu  finden, sondern es erfreut sich daran, was Gott ist,  wie Er sich offenbart hat in Christo Jesu.  
Was uns geschenkt ist, ist nicht eine bloße Lehre,  sondern eine lebendige Person, die Person unseres  auferstandenen Herrn. Das Herz kann nie seine Ruhe in einer Lehre finden, so schön und fasslich sie sein mag; es muss die volle Gewissheit und den Genuss einer Liebe  haben, die sich nie verändern kann. Und wo ist eine  solche Liebe zu finden? In Ihm allein, in welchem  Gott sich offenbart hat. Darum ist in Christo auch der einzige Ruheplatz für das arme menschliche Herz.  Und wenn das Herz in Seiner Liebe ruht und sich an  ihr erquickt, so ist jede Furcht verschwunden.

 Man denkt nicht daran, dass es je wieder anders sein könnte; man fragt nicht ängstlich: Ja, werde ich auch wohl bis  ans Ende ausharren? Der eine große Gedanke, der  das ganze Herz ausfüllt, ist: Er ist mein, und ich bin  Sein. Er hat mich, als Antwort aus das liebende Verlangen Seines eigenen Herzens, zu sich gebracht und  mich für Seine Gegenwart passend gemacht. Jetzt ist  Er befriedigt, und ich bin in vollkommener Ruhe.  
Aber, höre ich fragen, sollen sich unsere Gedanken  denn gar nicht mehr mit uns beschäftigen? mit unserem Glauben, mit unseren Gefühlen, unserem Tun,  unserem Ausharren usw.? Nein, liebe Seele, nur  an Ihn solltest du denken, aus Ihn blicken, an Ihm deine Wonne haben, von Ihm und mit Ihm reden,  der die Freude Gottes ist, in welchem Er selbst mit Wonne ruht. Das ganze Christentum läuft hinaus auf die Erkenntnis, den Besitz und Genuss des Einen, der mich  geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat.  Einen höheren Flug kann der Glaube nicht nehmen, und einen tieferen sollte er nicht nehmen; denn dann findet er, gleich der Taube Noahs, keinen Ruheplatz. Sie fand außerhalb der Arche nicht einmal einen Ort, wo  sie für einen Augenblick ihre Flügel hätte zusammenlegen können. So gibt es auch für den Glauben außerhalb Christi nirgendwo einen Ort, wo er seine Schwingen in Ruhe zusammenlegen könnte. 
Selbstverständlich ist die Erkenntnis der Wahrheit und besonders ein klares Verständnis über das vollendete Werk Christi notwendig für die Erkenntnis Seiner  Person. Aber diese Dinge sind gleichsam nur Mittel zum Zweck; das will sagen: das Herz muss den Wert Seines Werkes erkannt haben, um sich zu dem einen,  alles beherrschenden Verlangen, Ihn selbst zu kennen, erheben zu können. „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn  die Furcht hat Pein“, sagt der Apostel Johannes in  seinem 1. Briefe. Und so ist es. Die Erkenntnis der  in Christo geoffenbarten Liebe Gottes, die ihre Quelle  und ihre Kraft in Ihm selbst hat, und die über all unseren Mängeln und Versäumnissen steht, bereit die  Seele von aller Furcht und erfüllt sie mit heiliger Zuversicht inmitten der schwierigsten Umstände. Das Herz  beschäftigt sich nicht mehr mit der Frage, was ich bin  oder in Zukunft sein werde, sondern allein mit Ihm, mit dem, was Er ist. 

Wird Er sich je verändern? Wird  Seine Liebe je erkalten? Nimmermehr! So findet das Herz Ruhe, vollkommene Ruhe, in Seiner Gegenwart, in Ihm selbst, und empfindet dabei eine ,,unaussprechliche und verherrlichte Freude“. 
Zum Schluss möchte ich dem freundlichen Leser  noch ein kleines praktisches Beispiel von diesem Ruhen  in Gott, von dieser heiligen Zuversicht, selbst angesichts  des Todes, erzählen. 
Eine Kranke liegt auf ihrem Sterbelager. Lange  schon hat die Krankheit gedauert, und der Arzt, der  Freund der Familie, hat schon viele Besuche gemacht. Heute ist er wohl zum letzten Male da; dafür spricht das veränderte Aussehen der Kranken. Nachdem er sie  einen Augenblick prüfend angeschaut hat, wendet er sich zu einer gläubigen Freundin, die ebenfalls im Zimmer  anwesend ist, und sagt leise: „Sie liegt im Sterben“. Er meinte, die Sterbende habe die Worte nicht verstanden; aber so leise sie gesprochen waren, hatten sie doch ihr Ohr erreicht. Und was- geschah? Langsam  wandte sie ihren Blick dem Arzte zu, und indem ihr  Auge von himmlischer Freude glänzte, sagte sie: „Nein, Herr Doktor, ich liege nicht im Sterben; — ich gehe hin, um zu leben. — Das ist kein Sterben,  — das ist Leben! — Ich gehe zu Jesu, um bei  Ihm zu leben.'' Darauf dankte sie ihm noch einmal, für all seine Sorge um sie und schloss mit den Worten:  „Gott wolle Sie segnen, Herr Doktor! Ja, möge Er  Ihre ganze Familie segnen!“
Das war mehr, als der Arzt zu ertragen vermochte; in tiefster Gemütsbewegung verließ er dass"  Zimmer. Als er am folgenden Tage zurückkehrte, war  die Kranke in Jesu entschlafen. Ihre Arbeit war getan.  Gleich ihrem Herrn und Heilande hatte sie diesen Schauplatz verlassen mit Händen, die zum Segnen erhoben  waren. Das Gefühl von Seiner Gegenwart hatte ihre  Seele mit solchem Frieden und solcher Ruhe erfüllt.  Sie ruhte in Ihm, und darum war alles Licht und  Herrlichkeit, Leben und Frieden. Sie war weit mehr  als eine Überwinderin durch Den, der sie geliebt hatte,  so dass sie selbst in solch ernster Stunde noch anderen  dienen konnte in Liebe. 

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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 57ff

KAPITEL 3, 13 Die Tochter des Pharao

„Und Salomo verschwägerte sich mit dem Pharao, dem König von Ägypten; und er nahm die Tochter des Pharao und brachte sie in die Stadt Davids, bis er den Bau seines Hauses und des Hauses Jehovas und der Mauer von Jerusalem ringsum vollendet hatte".
Auf die Erwähnung der Befestigung des Königtums in der Hand Salomos in Kap. 2, 12 folgt das Gericht, welches das Reich von allem reinigt, was sich wider David erhoben hatte. Auf die Wiederholung jener Erwähnung in Kap. 2, 46 folgt im 3. Kapitel die Verschwägerung mit dem König von Ägypten. Salomo geht eine Verbindung sogar mit der Nation ein, die einst sein Volk unterdrückt hatte, indem er eine Vereinigung der innigsten Art schafft: er nimmt seine Gemahlin in Ägypten.
Diese Vereinigung erinnert an diejenige Josephs mit einer Ägypterin, der Tochter des Priesters zu On; aber die vorbild­liche Bedeutung beider ist verschieden. Joseph, der von seinen Brüdern Verworfene, findet, ehe er sich ihnen wieder zuerkennen gegeben hat, in Ägypten, unter den Nationen, eine Gemahlin und Söhne, gemäß dem was in Jes. 49, 5 und 6 von Christo gesagt wird: „Israel ist nicht gesammelt worden; aber ... ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde". Die Verheiratung Josephs ist ein Vorbild von den Beziehungen des verworfenen Christus zu der Kirche, sowie von der Nachkommenschaft die Er außerhalb des Landes der Verheißung erworben hat bevor Er Seine Beziehungen zu Seinem irdischen Volke wieder aufnimmt.

 Die Verbindung Salomos mit der Tochter des Pharao hat, gleichwie sie unter anderen Umständen vollzogen wurde, auch eine andere Bedeutung. Das Königtum ist in der Hand des Königs befestigt; die Zeit der Verwerfung des Gesalbten Jehovas in der Person Davids ist vorüber; Salomo ist als König der Gerechtigkeit über sein Volk Israel eingesetzt, was er eben durch das Gericht bewiesen hat. Erst dann geht er eine Verbindung mit dem Pharao ein und nimmt dessen Tochter zur Gemahlin, wie es in Jes. 19, 21-25 heißt: "Und Jehova wird sich den Ägyptern kundgeben, und die Ägypter werden Jehova erkennen an jenem Tage; und sie werden dienen mit Schlachtopfern und Speisopfern, und werden Jehova Gelübde tun und bezahlen .. An jenem Tage wird Israel das dritte sein mit Ägypten und mit Assyrien, ein Segen inmitten der Erde; denn Jehova der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!"
Salomo bringt seine ägyptische Gattin in die Stadt Davids. So wird es auch im Beginn des Tausendjährigen Reiches sein: die Nationen werden zunächst unter die Beschirmung des Bundes gestellt werden, welcher mit Israel errichtet werden wird, und der hier durch die auf dem Berge Zion aufgestellte Bundeslade vorgebildet wird (2. Sam. 6, 12). Später werden sie ihren bestimmten Platz des Segens haben, So wie Salomo später für seine heidnische Frau ein Haus außerhalb der Stadt Davids erbaute, "denn er sprach: Mein Weib soll nicht in dem Hause Davids, des Königs von Israel, wohnen; denn die Orte sind heilig, in welche die Lade Jehovas gekommen ist (2. Chron. 8, 11).
Bis zu jenem Augenblick wird die Tochter des Pharao in den Genuss der Segnungen  nicht der Beziehung  gesetzt, deren Vorbild die Bundeslade ist. Überall, wo diese Lade sich befand, sei es im Hause Obed-Edoms (2. Sam. 6, 11. 18. 20), oder in der Stadt Zion, brachte sie Segen mit. Während des Tausendjährigen Reiches werden die Nationen sich dieses Vorrechts bewusst sein: viele Völker und mächtige Nationen werden kommen, um Jehova der Heerscharen in Jerusalem zu suchen und Jehova anzuflehen. ... In jenen Tagen werden zehn Männer aus allerlei Sprachen der Nationen ergreifen, ja, ergreifen werden sie den Rockzipfel eines jüdischen Mannes und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist" (Sach. 8, 22. 23).

KAPITEL 3, 4 - 15 Gibeon

Aus dem 2. und 3. Verse unseres Kapitels ersieht man deutlich, dass bei Beginn der Regierung Salomos die Dinge noch nicht endgültig geordnet waren. Die Lade Jehovas wohnte unter Teppichen; es blieb dem Sohne Davids noch übrig, das Haus Jehovas zu bauen. Zu jener Zeit befanden sich die Stiftshütte und der Altar auf der Höhe zu Gibeon, und die Bundeslade, die David zurückgeholt hatte, war in Jerusalem. Diese Bundeslade, den Thron Jehovas, das Zeichen Seiner persönlichen Gegenwart in der Mitte Seines Volkes, trug David auf seinem Herzen (Ps. 132). Aus seiner Geschichte geht nicht hervor dass er von dem Augenblick an, wo er sie nach Zion gebracht hatte, persönlich einen anderen Ort der Anbetung aufgesucht hätte, obwohl Gibeon ihm nicht gleichgültig war. 

Gleich nach der Überführung der Lade nach Jerusalem hatte er Sorge getragen, dass die Anbetung vor der Lade wieder mit den Opfern auf dem Altar zu Gibeon in Verbindung gebracht wurde (1. Chron. 16, 37-43), indem er so die Einheit des Gottesdienstes aufrechthielt. Der Dienst vor der Lade, wie der vor dem Altar zu Gibeon, geschah jeden Tag, so dass also in demselben Augenblick und „beständig" diese beiden Teile des Gottesdienstes, obwohl räumlich getrennt, zusammen ausgeübt wurden.
Später errichtete David auf Befehl Jehovas einen Altar auf der Tenne Arawnas, des Jebusiters, und brachte dort Brandopfer und Friedensopfer dar. Sein Gott ließ ihn nicht lange ohne einen Altar in Verbindung mit der Bundeslade. Gibeon verlor gerade dadurch seinen Wert und seine Bedeutung.
Der Gedanke an diese Einheit scheint dem König Salomo im Beginn seiner Regierung nicht gekommen zu sein. Gott gibt ihm gewiss ein schönes Zeugnis. „Salomo liebte Jehova, indem er in den Satzungen seines Vaters David Wandelte"; doch ist dieses Zeugnis nicht ohne eine Einschränkung: „nur", heißt es, „opferte und räucherte er auf den Höhen". Er passt sich hierin den gottesdienstlichen Gewohnheiten seines Volkes an, von welchem in V. 2 gesagt wird: „Nur opferte das Volk auf den Höhen".
Das war nicht eine bestimmte Sünde gegen Jehova, wie es später für gewisse fromme Könige von Juda zur Sünde wurde, nachdem die Erbauung des Tempels jeden Vorwand für solche Gewohnheiten weggenommen hatte. Sie erregten in jenen späteren Tagen das tiefe Missfallen Jehovas, weil sie notwendigerweise zu götzendienerischen Gebräuchen führen mussten.*8) In den Tagen des Segens und der Kraft unter dem jungen König Salomo war dies nicht so; aber „er opferte und räucherte auf den Höhen", nicht nur „zu Gibeon, welches die große Höhe war", wo sich der eherne Altar befand und die Stiftshütte mit allen ihren Geräten. Diese Gewohnheit war auf jeden Fall eine Zerteilung des Gottesdienstes in Israel. Er verlor dadurch seine Einheit; denn der Altar war (neben anderen Eigenschaften) der Ausdruck dieser Einheit, wie es der Tisch des Herrn heute für die Christen ist. Einst unter Josua, bei der Errichtung des großen Altars (Jos. 22), hatte Israel Verständnis hierfür gehabt und war mit Energie und Eifer aufgetreten gegen das Darbringen von Opfern auf einem anderen Altar, als dem der Stiftshütte.
Gott duldete diesen Stand der Dinge, solange die volle Offenbarung Seines Willens bezüglich des Gottesdienstes noch nicht durch die Einweihung des Tempels stattgefunden hatte. Dennoch war es eine Schwäche des großen Königs. 

Wie viel einsichtsvoller war dagegen der Gottesdienst Davids, selbst vor Morija! Für David war die Bundeslade alles; sie war für ihn Jehova, der Mächtige Jakobs (Ps. 132, 5), dessen Anbetung da war, wo sich die Lade befand. Salomo stand nicht auf der Höhe dieser Segnungen und besaß nicht die Innigkeit dieser Beziehungen zu Gott. Er ging nicht über den Höhepunkt der allgemeinen Religionsübung seines Volkes hinaus.
Finden wir nicht in unseren Tagen dieselbe Schwachheit, denselben Mangel an Verständnis, wenngleich der Wunsch nach Ausübung des Gottesdienstes keineswegs fehlt? jeder wählt sich seine Höhe, ohne sich weiter um die Anwesenheit der Bundeslade (Christus) zu kümmern. Jeder errichtet seinen Altar, ohne daran zu denken, dass es seit dem Kreuze, wie damals seit Morija, nur ein einziges Symbol der Einheit für das Volk Gottes geben kann.
Salomo geht nach Gibeon; doch er liebte Jehova, und Jehova zieht immer die Liebe in Betracht, die wir zu Ihm haben. Er erscheint ihm dort in einem Traum. Diese Tatsache ist von Wichtigkeit. Im Traum ist man nicht imstande, den wahren Zustand seines Herzens zu verbergen; man steht auch nicht unter dem Einfluss der Vernunft oder des Willens, um die Offenbarung dessen, was sich in ihm befindet, zu unterdrücken. In einem Traume steht die Seele sozusagen nackt vor Gott. Welche Gedanken waren nun in dem Herzen des jungen Königs, als Gott zu ihm sagte: "Bitte, was ich dir geben soll"? Was das göttliche Wort zuallererst in diesem Herzen antrifft, ist die Dankbarkeit für die große Güte Jehovas gegen David: "Du hast an deinem Knechte David, meinem Vater, große Güte erwiesen", sodann die Hochachtung, welche er für diesen hegt, weil er in Wahrheit und in Gerechtigkeit und in Geradheit des Herzens gewandelt hatte  ein Beweis, dass David Jehova fürchtete (Spr. 14, 2). Ferner zeigt sich Dankbarkeit gegenüber der Güte Gottes gegen ihn, den Sohn Davids: "Du hast ihm diese große Güte bewahrt und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Throne sitzt, wie es an diesem Tage ist". Schließlich ist das Bewusstsein seiner Jugend, seiner Unwissenheit und seiner Unfähigkeit vorhanden: "Und ich bin ein kleiner Knabe, ich weiß nicht aus und einzugehen". Ein solcher Seelenzustand lässt überströmende Segnungen voraussehen. Er lässt sich in folgende Punkte zusammenfassen: Jehova fürchten, das Bewusstsein Seiner Gnade haben, andere höher achten als sich selbst und sich für nichts halten.*9) 
Salomo stand vor Gott mit ungeteiltem Herzen; auch erbat er nur eins: dass er imstande sein möchte, dem Herrn in den Umständen zu dienen, in welche Er ihn als Führer des Volkes gestellt hatte. Er bittet Jehova um "ein verständiges Herz", oder, wie andere übersetzen, "um ein Herz, welches hört ", denn das Hören ist die Tür zum Unterscheiden und Verstehen. Um selbst weise zu sein, muss man damit beginnen, auf die Weisheit zu hören. "Glückselig der Mensch, der auf mich hört!" (Spr. 8, 34). Damit fängt jeder wahre Dienst an. Salomo wusste nicht "ein und auszugehen"; er konnte es nur lernen' indem er hörte. Wer nicht damit beginnt, sich in die Schule der Weisheit zu setzen, wird nie ein wahrer Diener werden. Das war auch der Weg für den Dienst Christi Selbst als Mensch: "Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre gleich solchen, die belehrt werden" (Jes. 50, 4). 
Beachten wir auch, dass Salomo Jehova um ein verständiges Herz bittet. Man lernt die Gedanken Gottes nur mit dem Herzen wirklich kennen, nicht mit dem Verstande. Das wahre Verständnis wird durch die Liebe zu Christo hervorgebracht. Das Herz hört, und wenn es die Unterweisungen, deren es bedarf, empfangen hat, ist es weise geworden, fähig, zu unterscheiden zwischen Gutem und Bösem und das Volk Gottes zu regieren. Dass das Herz in dem Dienst eine so wichtige Rolle spielt, rührt daher, dass kein Urteil Gott gemäß sein kann, wenn es nicht die Liebe zum Ausgangspunkt hat.

 Wir erfahren dies, wenn es sich um Zucht, um Seelenpflege, um Leitung der Heiligen und der Versammlungen handelt. 
Das Wort Salomos "war gut in den Augen des Herrn". Welche Gnade, Gottes Beifall zu haben in allem, was wir von Ihm erbitten, und das Zeugnis zu empfangen, dass wir Ihm wohlgefällig gewesen sind! Auch gewährt Jehova dem Salomo, um was er bittet, und es gefällt ihm, alles das hinzuzufügen, was Salomo nicht erbeten hatte. Er gewährt ihm den ersten Rang in der Weisheit: "so dass deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist, und deinesgleichen nach dir nicht aufstehen wird". Er gibt ihm auch "sowohl Reichtum als Ehre, so dass deinesgleichen niemand unter den Königen sein wird alle deine Tage". Die demütige Abhängigkeit Salomos bringt ihn auf den ersten Platz, wie geschrieben steht: "Wer irgend unter euch groß werden will, soll euer Diener sein; und wer irgend von euch der erste sein will, soll aller Knecht sein". So war es auch mit Christo: "Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele" (Mark. 10, 43-45). In allen Dingen gibt es niemanden, der Ihm gleich wäre. Auch werden die Weisheit, die Macht, die Reichtümer, die Ruhmes und Ehrenkrone, ja alle Dinge Ihm gehören „an dem Tage, den Gott machen wird", und die größten und herrlichsten Dinge werden nur der Schemel Seiner Füße sein. 
Im 14. Verse tritt, wie in allen Büchern, die wir betrachten, die Frage der Verantwortlichkeit des Königs hervor. „Wenn du auf meinen Wegen wandeln wirst, indem du meine Satzungen und meine Gebote beobachtest, so wie dein Vater David gewandelt hat, werde ich deine Tage verlängern." Das ist das ernste Wenn, welchem selbst Salomo nicht hat entsprechen können, und welches zum Verfall und zur Teilung seines Reiches geführt hat. 
Nach Entgegennahme dieser Segnungen verlässt Salomo Gibeon und kommt nach Jerusalem; und "er stand vor der Lade des Bundes Jehovas". Das ist das Tun eines unterwürfigen Herzens, welches das Verständnis der Gedanken Gottes besitzt, die erste Kundgebung der Weisheit, die Salomo soeben empfangen hat. 

Er verlässt die Formen, um die Wirklichkeit zu ergreifen; er verlässt den äußeren Schein seiner Religion, um die in der Bundeslade dargestellte Gegenwart Gottes (Christi in einem Bilde) aufzusuchen. Der Altar zu Gibeon genügt ihm nicht mehr; dieser Ort spielt fortan keine Rolle mehr in dem religiösen Leben Salomos. Der Herr offenbart sich ihm später noch einmal (Kap. 9, 2), aber das geschieht nicht mehr zu Gibeon.
Salomo opfert vor der Bundeslade "Brandopfer und Friedensopfer, und macht allen seinen Knechten ein Mahl". Vor der Bundeslade gibt es mehr Freude als zu Gibeon, obwohl der König an diesem Orte wahrscheinlich viel mehr Opfer dargebracht hatte (2. Chron. 1, 6) als hier; aber vor der Bundeslade finden wir Friedensopfer, die wahren Opfer der Gemeinschaft, und zugleich ein Fest für alle Knechte des Königs.

KAPITEL 3, 16 - 28 Das gerechte Urteil

Nach dem Verständnis für die Ausübung des Gottesdienstes vor der Bundeslade, der ersten Kundgebung der Weisheit, finden wir in Salomo „die Weisheit Gottes, Recht zu üben" (V. 28). Salomo kannte das gerechte Urteil. Dass es sich um Huren handelt ändert nichts an dieser Gerechtigkeit' Die Menschen lassen sich durch den Charakter derer, welche zu ihnen reden, beständig in ihrem Urteil beeinflussen; so ist es aber keineswegs bei Gott. Was Ihm wichtig ist, das ist das Herz , nicht das, was jemand äußerlich ist. Das Urteil Salomos gründet sich auf die Zuneigungen, welche das Herz an den Tag legt. Behauptungen und Verneinungen waren in diesem Falle von gleichem Wert; auf sie konnte das Urteil sich nicht gründen (V. 22). Was zur Entscheidung führen konnte, war die Kundgebung des Herzens. Ebenso wenig handelte es sich um die Frage, welche von diesen beiden Frauen die würdigere war  beide waren Huren; auch nicht darum, ob die Tat nur wahrscheinlich war, oder wirklich stattgefunden hatte  es war kein Zeuge zugegen gewesen; auch nicht darum, ob die wahre Mutter ihr Kind an äußeren Zeichen erkennen konnte  solche waren nicht vorhanden. Das einzige Zeugnis bestand darin, dass eins dieser Weiber sagte, sie könnte in dem toten Kinde ihren Sohn nicht erkennen. Es blieb also nichts anderes übrig, als nach ihrem Herzenszustand zu urteilen; und das kann man nur auf Grund der sich offen­barenden Zuneigungen. Die eine dieser Frauen besaß einen Gegenstand, den sie liebte. Aber welche von den beiden war es? Wenn wirkliche Bande vorhanden sind, möchten wir um jeden Preis den, der uns teuer ist erhalten sehen, selbst auf die Gefahr hin, ihn für uns selbst zu verlieren. So ist die Liebe; sie ist nicht selbstsüchtig; sie opfert sich auf für den geliebten Gegenstand.

 Die Liebe Christi hat dies für uns getan, und wir können es wiederum für Ihn tun: "Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag" (Röm. 8, 36). 
Als die wahre Mutter das Schwert über ihr Kind erhoben sah, „wurde ihr Innerstes erregt über ihren Sohn". Der Gegenstand unserer Liebe ist für uns mehr, als unsere Liebe zu ihm. Daran unterscheidet man die Wirklichkeit, die w a h r e M u t t e r. So ist es auch im Blick auf das christliche Bekenntnis: wer nicht einen Gegenstand für sein Herz und sein Inneres gefunden hat, verrät sich sehr schnell. „Zerteilet es", sagt die, welche nicht die Mutter des Kindes ist, indem sie ihrem Groll gehorcht. Man hat schnell Christum geopfert, wenn es sich darum handelt seine Leidenschaften zu befriedigen. Die göttliche Weisheit allein ist imstande, die Wirklichkeit des Bekenntnisses vermittelst des Herzenszustandes zu unterscheiden. Wie oft ist dieses Bekenntnis ohne Wirklichkeit! Wo sind die innerlichen Gefühle für Christum? Wo ist die Hingebung, welche bereit ist, für Ihn auch die rechtmäßigsten Vorteile und die bestbegründeten Rechte aufzugeben? Es handelt sich an dieser Stelle weder um natürliche Gutherzigkeit, noch um einen edlen Sinn; wir haben es, wie bereits gesagt, mit Huren zu tun. Es handelt sich um von Gott geschaffene Bande, um einen Gegenstand, der von Ihm gegeben ist und den die Seele schätzt. Niemals wird Gott ihn uns nehmen; im Gegenteil, in der Prüfung empfangen wir ihn gleichsam aufs neue aus Seiner Hand. „Gebet jener das lebendige Kind und tötet es ja nicht! sie ist seine Mutter."
Fußnoten:
*8) Siehe 1. Kön. 14, 23. In 1.Kön. 15, 14; 22, 44; 2. Kön. 12, 3; 2. Chron. 20,33 scheint das Volk nichts anderes getan zu haben, als was auch im Anfang der Regierung Salomos geschah. Aber dass der Götzendienst mit den Höhen verbunden wurde, ersehen wir aus der erstgenannten Stelle, wie auch aus 2.Kön.18,4; 2. Chron. 31, 1 usw. Der gottlose Manasse baute die Höhen wieder auf und errichtete dem Baal Altäre (2. Kön. 21, 3). Als er zur Buße kam, "opferte das Volk noch auf den Höhen, wiewohl Jehova, ihrem Gott" (2. Chron. 33, 17). Das beweist das oben Gesagte, nämlich dass die Höhen zu gewissen Zeiten in der Geschichte Israels nicht notwendigerweise mit dem Götzendienst verbunden waren, obwohl sie dahin führten. Von dem Augenblick an, wo der Gottesdienst nicht mehr Christum zum Mittelpunkt hat, gleich der Bundeslade in Zion, und nur noch Raum hat für empfangene Segnungen, (und seien es auch die des Heils), weicht er aus der rechten Bahn ab, und wird ein Werkzeug in der Hand Satans, um schließlich die falschen Götter an die Stelle Christi zu setzen. Josia zerstörte die Höhen gänzlich mit all ihrem Götzendienst in Juda und Israel (2. Kön. 23, 8).
*9) Das alles kommt später wieder zum Vorschein in den Sprüchen, den Unterweisungen der Weisheit des Königs. Siehe zum Beispiel Spr. 3, 7; 4, 7 usw.

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Die Wolkensäule

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 69ff
In geradezu wunderbarer Weise hatte Israel  während seines Aufenthalts in Ägypten erfahren dürfen,  was Gott für sie war. Plage auf Plage hatte das Land und seine Bewohner heimgesucht — sie waren vor  allem Unheil bewahrt geblieben; und in der Nacht, in welcher der Würgengel durch das ganze Land ging, hatte  das Blut an der Türschwelle sie völlig beschützt. Hernach hatte die Wolkensäule sich an ihre Spitze gestellt,  um sie aus ihrem Wege zu leiten. Und dennoch, als  sie nach all diesen Erfahrungen sich eingeschlossen sahen  von dem Heere der Ägypter auf der einen Seite und  dem Roten Meere auf der anderen, war alles vergessen.  Sie fürchteten sich und murrten. 
Wie schwerfällig sind wir doch, zu lernen, wie  trägen Herzens, an die Geheimnisse der Gnade und  der Treue Gottes zu glauben! Wir können diese Beobachtung zu allen Zeiten machen. Ob Israel sich am  Anfang seiner Wüstenreise in Gegenwart der Wolkensäule befindet, oder ob die Jünger in der Gegenwart  Jesu am Grabe des Lazarus stehen — die Erscheinung  ist die gleiche. (Vgl. 2. Mose 14 mit Joh. 11.)  Aber wieder und wieder lässt der Herr uns sehen,  dass wir nicht in Ihm, sondern in unserem eigenen  Innern verengt sind. 
Jene geheimnisvolle Wolkensäule begleitete das  Lager auf seinem ganzen Wege von Ägypten bis an die Grenzen des Landes Kanaan; mit anderen Worten: von dem Augenblick an, wo sie nötig war, bis zu der  Zeit, da man ihrer nicht mehr bedurfte.

 Auch wissen  wir, dass sie viele und verschiedenartige Kräfte besaß,  die alle den mannigfaltigen Bedürfnissen des Volkes  entsprachen, wie sie während der Reise hervortraten.  Sie machte den ganzen Weg nur um Israels willen.  Sie war da, weil Israel da war, und deshalb war sie  dass, wozu Israel sie nötig hatte. Die Umstände des Lagers, mochten sie sein, welche sie wollten, brachten  ihre geheimen Herrlichkeiten und Kräfte zur Wirkung.  Das war ihr Charakter. So lesen wir ihre Geschichte.  
Sobald Israel durch das Blut an der Türschwelle  errettet ist und sich auf die Reise gemacht hat, begegnet  ihm diese Säule und setzt sich als Führerin an seine  Spitze. Das Volk steht im Begriff, eine pfadlose Wüste  zu betreten. Kein Mensch wohnte da, wo Israel bald  seines Weges ziehen sollte. Es gab dort weder Wegweiser noch Grenzpfähle. Die Unfruchtbarkeit der  Wüste würde Brot vom Himmel nötig machen, ihre  Dürre Wasser aus dem Felsen; aber ihre Pfadlosigkeit würde ebenso sicher einen Führer erheischen. So ließ  denn der Herr, der Seinem Volke die Vorratskammern  der Engel auftun und Wasserbäche aus dem Felsen  erschließen wollte, eine Säule für sie erstehen, eine  Wolkensäule bei Tage und eine Feuersäule beider Nacht,  damit sie ruhig ihres Weges ziehen möchten, sei es bei  Tage oder bei Nacht. Sie waren deshalb in der  pfadlosen Wüste ebenso unabhängig von Landstraßen  und Wegweisern, wie in der unfruchtbaren Wüste  von Getreidefeldern und Weinbergen. 
Aber die Säule war noch viel mehr als das für  Israel. War sie einerseits abwechselnd Wolke und Feuer,  gleichwie Tag und Nacht aufeinander folgten, so war sie  andrerseits in demselben Augenblick Licht und Finsternis,  wenn es so für Israel nötig war. Die Heeresmacht  Ägyptens hatte sich aufgemacht und war den Kindern  Israel hart auf den Fersen. Da stellte sich die Säule  zwischen die beiden Heere. Und anstatt hell und leuchtend  nach allen Seiten hin zu sein, wurde sie auf der den  Ägyptern zugekehrten Seite Finsternis, während sie nach  dem Volke Israel hin Licht war. So kam es, dass der  Verfolger sich dem Verfolgten nicht zu nähern vermochte  die ganze Nacht. Die Wolkensäule wurde zu einem  Schilde, wie sie vorher eine Führerin gewesen war.  Sie war in allen Fällen gerade das, was das Volk  bedurfte. Das ist der einzig passende Bericht, den man  von ihr geben kann. So war ihr Weg, ihre Weise. Sie  brachte die Gnade Dessen zur Darstellung, der Israel gerettet hatte. Abwechselnd ist sie Wolke und Feuer,  wenn das Lager das nötig hat, und zu derselben Zeit  ist sie Licht und Finsternis, wenn das am Platze ist.   
Aber mehr noch. Da ist Einer, der diese Wolke  zu Seiner Wohnung gemacht hat, dessen Blick den  Untergang aller derer besiegelt, welche Böses wider  das Lager im Schilde führen. Die Blüte Ägyptens  welkt unter diesem Blick dahin, die Rosse und Wagen  des Pharao gehen vor ihm in den Wogen des Roten Meeres zu Grunde. „Jehova schaute in der Feuer und Wolkensäule auf das Heer der Ägypter und  verwirrte das Heer der Ägypter. Und Er stieß die  Räder von seinen Wagen und ließ es fahren mit  Beschwerde“ (2. Mose 14, 24. 25).
Welche Herrlichkeiten erfüllen doch jene wunderbare Stätte, welche Kräfte und heilbringende Eigenschaften zu Nutz und Frommen des Volkes Israel!  Und in welcher Weise entfalten sie sich, sobald Israel  ihrer bedarf! 
Und weiter. Die Säule kann auch Tadel und Zorn ausdrücken, wenn dies sich zur heilsamen Zucht für  Israel als nötig erweist. In den Tagen, da sie wieder  und wieder murren, gibt die in der Wolke erscheinende  Herrlichkeit Jehovas ihnen zu erkennen, dass ihre Ruhe  gestört ist. So am Tage vor dem ersten Manna, am  Tage der Rückkehr der Kundschafter, oder der Empörung  Korahs und seiner Rotte. Und das Volk schaut sie in  dem Bewusstsein, dass ein göttlicher und gerechter Zorn  über sie entbrannt ist. 

Es ist gleich dem Missfallen  des betrübten Heiligen Geistes, das dem Gläubigen heute  zum inneren Bewusstsein kommt. Und alles dieses zeigt  uns, dass die Wolke nicht einfach die Begleiterin des  Lagers war, sondern dass sie auch an allem innigen  Anteil nahm, was das Lager betraf. Sie fühlte mit den Umständen und Zuständen desselben wie auch für sie. 
Doch wenn die Wolke einerseits tadelte und strafte,  falls Züchtigung notwendig wurden, finden wir andererseits doch auch, dass sie mit aller Bereitwilligkeit bereit  war, die Annäherungen des Glaubens willkommen zu  heißen und zu beantworten. Betrachten wir sie zur  Zeit, da die Stiftshütte durch das willige und gehorsame Volk ausgerichtet worden war und der Glaube die  Verordnungen angenommen hatte, welche der Herr durch  Mose verkündigen ließ betreffs der Ordnung, der Geräte  und des Dienstes in und an Seinem Hause. Wie schnell  und mit welch offenbarer Freude erfüllte die Herrlichkeit  das Haus und blieb die Wolke darauf ruhen! (Vgl.  2. Mose 40.) Wie nahm der Herr gleichsam mit Herz  und Seele den Platz ein, wo der Glaube den reichen  Vorkehrungen Seiner Gnade begegnet war! 
Welch eine Mannigfaltigkeit von Herrlichkeit und  Kraft tritt so in dieser geheimnisvollen Begleiterin des  Heerlagers Israels zu Tage! Sie ist Licht zur Führung  des Volkes, Schrecken für seine Feinde, ein Schild, so  "undurchdringlich wie die schwärzeste Nacht; sie hat Tadel"  für die Wegmüden, die reichsten Ermunterungen und  Tröstungen für den Glauben, und sie ist unermüdlich  bis zum Ende und übt ihren Dienst an Israel aus, bis  es desselben nicht mehr bedarf. 
Dies sehen wir in 5. Mose 31. Dort wird die  gnädige, geduldige, treue Säule, wenn ich sie so nennen  darf, wieder erblickt, gerade wenn die Wüstenreise ihrem  Ende zugeht. 
Das Volk selbst hatte eine vierzigjährige Pilgrimschaft über sich gebracht, als es nur eine Reise von  etlichen Monaten hätte zu machen brauchen. Von  Kades-Barnea müssen sie bis ans Rote Meer zurück  wegen ihrer Sünde und Reizung Gottes; aber die Säule geht mit ihnen zurück. Von Berg zu Berg, von Wüste zu Wüste zieht sie geduldig mit, wenn Israel sich diese  Wüstenwanderungen durch eigene Schuld zugezogen hat.  Und sie ist, wie bereits gesagt, unermüdlich. Wir erblicken  sie am Ende, in 5. Mose 31, gerade so wie wir sie am  Anfang, in 2. Mose 13, sahen. 
Und nun, geliebter Leser, die Anwendung von allem  diesem für uns. Sie ergibt sich leicht. 
Wie wir in den herrlichen Berichten der Evangelisten lesen, sahen die Jünger die Taten des Herrn Tag  für Tag, und doch, trotz allem, wussten sie sich wieder  und wieder nicht zu raten noch zu helfen, wenn neue  Schwierigkeiten entstanden. Der Hunger der Volksmenge  am Seeufer war zu viel für sie, gerade so wie die Winde  und die Wogen des Sees selbst. Immer wieder musste  der Herr, wie einst die Säule in der Wüste, die geheimen Kräfte offenbaren, die in Ihm waren zu ihrer  Zurechtweisung und Erleuchtung. Seine Herrlichkeiten  in Gnade und Macht, Seine unumschränkte Gewalt über  die Kräfte der Natur, Seine unerschöpflichen Hilfsquellen  angesichts der Unfruchtbarkeit der Natur — sie alle  fanden je nach dem Bedürfnis des Augenblicks ihre  Entfaltung. 
Und, gleich der Säule, war Er unermüdlich. Vom  Anfang bis zum Ende seines öffentlichen Auftretens ging  Er mit den Jüngern in wahrhaft geduldiger, leidender  Unermüdlichkeit. Als unwissende Fischer beschied Er sie zu sich an den Ufern des Galiläischen Meeres, und auf  dem ganzen Wege ließ Er sie nicht, obwohl sie am Ende  so ziemlich dieselben unwissenden Fischer waren wie am  Anfang. ,,So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast  mich nicht erkannt, Philippus?'' musste Er einem Seiner  Jünger unmittelbar vor der Beendigung Seiner Laufbahn zurufen. Aber als Antwort aus diese Frage erhalten wir dann eine neue Enthüllung Seiner selbst.  Ein neuer Strahl Seiner Herrlichkeit bricht glänzend  hervor, indem Er sagt: ,,Wer mich gesehen hat, hat den  Vater gesehen''. 
In derselben Art und Weise sehen wir den Herrn  handeln bei der wunderbaren Begebenheit von Joh. 11.  Er lässt die Krankheit des Lazarus mit dem Tode enden. Er bleibt an dem Orte, wo Er war, bis Er sagen konnte: „Lazarus ist eingeschlafen''; denn erst dann konnte Er Seine göttliche Herrlichkeit in der Form offenbaren, wie Er es beabsichtigte und mit den Worten aussprach: „Ich gehe hin, aus dass ich ihn aufwecke''. Am  Grabe, und nicht nur am Krankenbett, sollte Er verherrlicht werden. An der Stätte der Vollfrucht und des  offenbaren, zeitlichen Triumphes der Sünde sollte die  „Herrlichkeit Gottes'' geschaut werden. 

Keine geringere  Stätte konnte zu der Offenbarung jener Herrlichkeit in ihrer strahlendsten Form Gelegenheit geben. Und auch  hier mussten die Jünger wiederum die unerschöpflichen  Vorräte kennen lernen, die Er in sich barg, um allen  ihren Bedürfnissen zu entsprechen und ihre Segnung voll zu machen. 
Vieles von der göttlichen Herrlichkeit in der Person  und den Werken Christi war der Familie in Bethanien    und den Jüngern, die um das Grab des Lazarus versammelt standen, bereits offenbart worden. Lange vor  diesem waren Andreas und Philippus aus der Gegenwart des Lammes Gottes gekommen, tiefbefriedigt und  glücklich (Joh. 1). Petrus hatte Ihn als Den erkannt, der  Worte ewigen Lebens hatte. (Joh. 6.) Johannes und Jakobus hatten mit Petrus die Verklärung auf dem Berge  geschaut (Matth. 17). Der stille Haushalt in Bethanien hatte Ihn aufgenommen und beherbergt und Ihm mit dem Besten aufgewartet, was er in sich barg; hatte dafür aber auch mit Entzücken Seinen Worten lauschen  dürfen. (Luk. 10.) Diese Beispiele sind nur ein kleiner  Teil der vielen Kundgebungen, welche bereits stattgefunden und in ihrer verschiedenen Art Zeugnis davon abgelegt hatten, wer und was Er war; und alles war geschehen in der Gegenwart jener Leute, die sich jetzt um  das Grab des Lazarus drängten. Und dennoch, ach!  verrieten sie dort alle, der eine wie der andere, nur  ihre Unbekanntschaft mit der Herrlichkeit, die Ihm eigen  war, und mit den göttlichen Kräften, die ihre Quellen  in Ihm hatten und bereit waren, ganz wie es Ihm  gefiel in Ausübung zu treten. Keiner von ihnen hatte  bis dahin gewusst, dass Er von sich sagen konnte: ,,Ich  bin die Auferstehung und das Leben''. Sie redeten alle  vom Tode.

 Wohl vermochten sie anzuerkennen, dass  „am letzten Tage'' eine Wunderkraft in Tätigkeit treten  werde (vgl. V. 24), aber keiner von ihnen kannte  das Geheimnis von der „ersten Auferstehung''. Sie  hatten Ihn als den Christus erkannt und waren als  Sünder zu Ihm gekommen, indem sie (wenn ich mich  so ausdrücken darf) Seine Herrlichkeit am Grabe ihrer Seelen angeschaut hatten; aber sie hatten bis jetzt noch nicht darauf gerechnet, sie auch am Grabe ihrer  Leiber zu sehen, wann irgend es Ihm gefiel, diese  Herrlichkeit zu offenbaren. 
Noch ein weiterer Schatz war in Ihm, und zwar für  sie in Ihm, den sie bis dahin noch nicht entdeckt hatten.  Die Wolkensäule, in welcher die Herrlichkeit wohnte, barg  Kräfte in sich zum Wohle Israels. Gerade so war es  mit Jesu. Auch in Ihm waren Kräfte, auf welche jene  neutestamentlichen Israeliten, gleich ihren Brüdern vor  alters, nicht gerechnet hatten. Wir befinden uns eben alle  in weit reicheren Verhältnissen, als wir uns bewusst sind.  Der gnädige, geduldige Herr und Meister lässt uns nicht.  Er geht mit uns, wie einst die Wolkensäule, selbst bis  an die Ufer des Jordan, des Flusses des Todes. Petrus  hatte in der Erkenntnis seines Zustandes, welcher ohne  den Sohn des lebendigen Gottes nur Tod war, zu  Jesu gesagt: „Zu wem sollen wir gehen? Du hast  Worte ewigen Lebens“. Trotzdem aber muss er noch  das Geheimnis des leeren Grabes im Garten Josephs  von Arimathia (Joh. 20) kennen lernen, und er muss  erfahren, dass auch das Grab in Bethanien binnen kurzem leer sein wird. Denn bis ans Ende darf er in der Gesellschaft seines göttlichen Herrn und Meisters  weilen, obwohl er bis dahin noch so wenig und so  unvollkommen die Herrlichkeiten und Kräfte kennen  gelernt hatte, die in jener Säule inmitten dieser öden,  ruinierten Welt verborgen lagen. 

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Bist du deiner Errettung gewiss

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 78ff
Noch vor wenigen Jahrzehnten galt es- unter den  Christen allgemein für ein gutes Zeichen, wenn ein  Mensch über seine Errettung ungewiss war. Wer von  einer klaren, gegründeten Heilsgewissheit sprach, kam in  Gefahr, für hochmütig gehalten zu werden. Das ist,  Gott sei dafür gepriesen! anders geworden. Die Erkenntnis der Wahrheit hat zugenommen. Dennoch ist  auch heute noch viel mehr Unklarheit und Ungewissheit  bezüglich des Heils in Christo vorhanden, als man  gewöhnlich annimmt. Wer sich etwas eingehender mit  Seelenpflege beschäftigt, weiß davon zu erzählen.  
Und doch findet sich im Neuen Testament gar keine  Grundlage für eine solche Ungewissheit. Im Gegenteil,  hier ist alles klar, bestimmt und gewiss. Die Briefe  der Apostel (mit Ausnahme des Jakobusbriefes, der an  die zwölf Stämme Israels geschrieben wurde) sind sämtlich an Leute gerichtet, die da wussten, dass sie Christen und als solche Erlöste, Gerettete waren, nicht die es  erst werden wollten. Sie sind in der Absicht geschrieben worden, die Empfänger in der Gewissheit ihrer  Errettung zu befestigen, sie mit ihrem herrlichen Teil in Christo näher bekannt zu machen; und die in ihnen  enthaltenen Tröstungen, Warnungen und Ermahnungen  setzen stets diese Gewissheit voraus.

 Selbst die wenigen  Schriftstellen, welche eine Unsicherheit der damaligen  Christen durchblicken zu lassen scheinen, und die mancher so gern zur Unterstützung seiner vorgefassten Meinungen  gebraucht, beweisen, im Zusammenhang gelesen, gerade das Gegenteil dessen, was man behaupten möchte. 
Diese Gewissheit des Heils ist auch von der allergrößten Bedeutung für den Wandel und das Wachstums  des Gläubigen. Ohne sie gibt es keinen beständigen  Frieden, keine Macht über die Sünde, keine Kraft zur  Verherrlichung Gottes, keine Freude bei dem Gedanken  an die nahe Ankunft des Herrn. Das Herz ist in Unruhe, die Freudigkeit, für den Herrn zu zeugen, ist gering, der Wandel zaghaft und unbeständig, und die Aussicht, den Herrn  zuschauen wie Er ist, erschreckt mehr, als dass er die  Seele mit Glück und Seligkeit erfüllt. Ja, obwohl manche  es heute noch für gefährlich halten, von einer wohlgegründeten Gewissheit der Errettung zu reden, steht es fest,  dass gerade dem Mangel an Heilsgewissheit zum großen  Teil der Verfall des Christentums und der gegenwärtig  so traurige Zustand der Kirche Gottes zuzuschreiben ist.  
Untersuchen wir denn in dem Nachstehenden ein  wenig, was die Schrift über die Gewissheit der Errettung eines an Christum Glaubenden sagt. Wir wenden  uns zunächst zu den Evangelien. Kaum hat der Herr  Jesus eine Jüngerschar um sich gesammelt, die, von  Gott gelehrt, in Ihm den Christus, den Sohn des  lebendigen Gottes, erkannte, als Er auch schon beginnt,  ihren Herzen Licht, Freude und Trost darzureichen. „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es hat eurem Vater wohl gefallen, euch das Reich zu geben“ (Luk. 12, 32). — „Darüber freuet euch nicht, dass euch die Geister untertan sind; freuet euch aber, dass eure Namen in den Himmelns angeschrieben sind“ (Luk. 10, 20). — „Wahrlich,  wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt  Dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben  und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tode in das Leben hinübergegangen“ (Joh.  5, 24). — So sprach unser hochgelobter Herr, nicht lange nachdem Er Seinen Dienst begonnen hatte; und  je näher Sein Ende heranrückte, desto deutlicher wurden  Seine Worte. In Verbindung mit der Verheißung des Heiligen Geistes sagt Er: „An jenem Tage werdet  ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr  in mir und ich in euch“ (Joh. 14, 20). Das  Kommen des Heiligen Geistes sollte also in den Jüngern  das Bewusstsein wecken, nicht allein dass Christus in  dem Vater war, sondern auch dass sie in Christo  waren und Er in ihnen. 

Wie innig ist also ihre  Vereinigung mit Ihm, dem Auferstandenen! Und da  sollte noch irgendwelche Ungewissheit am Platze sein?  Was sagt der auferstandene Herr zu Maria von Magdala? „Gehe hin zu meinen Brüdern und sprich zu  ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem  Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“  (Joh. 20, 17). Sollten die Empfänger dieser Botschaft  wohl noch den geringsten Zweifel betreffs ihrer Errettung gehabt haben? Wie wäre es möglich gewesen? Ihr auferstandener Erlöser schämte sich ja nicht, sie Brüder zu nennen und Seinen Vater als ihren Vater, Seinen Gott als ihren Gott zu bezeichnen; und am Abend jenes wunderbaren ersten Wochentages  erschien Er in ihrer Mitte mit den Worten: Friede  euch! ,,Und als Er dies gesagt hatte, zeigte Er  ihnen Seine Hände und Seine Seite.“ 
Da wir selbstverständlich nur einige wenige Stellen  anführen können, gehen wir jetzt zu den Briefen der  Apostel über. Wie schon bemerkt, sind dieselben an Leute gerichtet, welche Christen waren und das Bewusstsein davon hatten. Im Anfang des Römerbriefes, der  mit Recht der ganzen Sammlung der Briefe voransteht, spricht der Apostel von sich selber als von jemandem, der Gnade und Apostelamt empfangen habe für den  Namen Christi zum Glaubensgehorsam unter allen  Nationen, und fährt dann fort: „unter welchen auch  ihr seid, Berufene Jesu Christi“. Gleich danach  nennt er die Gläubigen in Rom: „Geliebte Gottes, berufene Heilige“. Ebenso ist der erste Brief an die Korinther gerichtet „an die Versammlung Gottes, die in Korinth ist, die Geheiligten in Christo Jesu, die berufenen Heiligen, samt allen, die  an jedem Orte den Namen unseres Herrn Jesu Christi anrufen“. Und die Aufschrift des zweiten Briefes lautet: „Der Versammlung Gottes, die in Korinth ist, samt allen Heiligen, die in ganz Achaja sind''. 

Ohne  Zweifel waren die Empfänger dieser Briefe sich bewusst, dass sie zu der Zahl der Geliebten Gottes, zu den  berufenen Heiligen oder den Geheiligten in Christo Jesu gehörten und die Versammlung Gottes an dem betreffenden Orte, Korinth oder Rom, ausmachten. Und  wenn einige unter ihnen daran gezweifelt hätten, so  würden die Worte des Apostels doch alle ihre Zweifel  endgültig zerstört haben. Die Briefe waren an sie  gerichtet, und sie waren die Leute, welchen der Apostel  solch herrliche Titel beilegen konnte. 
In den übrigen Briefen Pauli ist es ähnlich. Der  Brief an die Epheser ist gerichtet an die „Heiligen und Treuen in Christo Jesu, die in Ephesus sind''; der Brief an die Philipper gilt „allen Heiligen in Christo Jesu, die in Philippi sind“, der Kolosserbrief „den heiligen und treuen Brüdern in Christo, die in Kolossä sind“, die beiden  Thessalonicherbriefe „der Versammlung der Thessalonicher  in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesu Christo“. Diese Adressen zeigen klar und deutlich, was die Empfänger derselben nach Gottes Gedanken  waren, und weiter, dass sie wussten, wer unter den angeführten Bezeichnungen gemeint war. Mit anderen Worten; die Gewissheit ihrer Errettung, ihrer Annahme bei Gott, ihres Geheiligtseins in Christo usw. war für sie über jeden Zweifel erhaben. Sie waren Gläubige, Heilige und Geliebte, und sie wussten es. 
Dass diese Briefe nicht gerichtet sind an menschlich geordnete Christengemeinden, wie die Gegenwart  sie uns zeigt, in denen ein jeder, ob seiner Errettung  gewiss oder nicht, sich das Recht anmaßen könnte, die  Aufschrift als an sich gerichtet zu betrachten, zeigt der Inhalt derselben in der unzweideutigsten Weise. Aus vielen Stellen geht klar hervor, dass Schreiber wie Empfänger der Briefe ihrer; Errettung völlig gewiss waren." Wir führen einige Stellen als Beispiele an: „Da wir  nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum“. 

— „Die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere  Herzen — durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist.“ (Röm. 5, 1. 5). „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo  Jesu sind.“ – „Denn ihr habt nicht einen Geist der  Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht, sondern  einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir Rufen: Abba, Vater! Der Geist  selbst zeugt mit unserem Geiste, dass wir Kinder  Gottes sind“ (Röm. 8, 1. 15. 16). Beweisen nicht  schon diese wenigen Stellen, dass die Gläubigen in Rom  die bestimmteste Gewissheit ihrer Annahme besaßen?
Auch die beiden Korintherbriese liefern ähnliche Beweise in Menge. Paulus schreibt in 1. Kor. 2, 12:  ,,Wir haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, auf dass wir die Dinge  kennen, die uns von Gott geschenkt sind''. Und was  für Menschen waren es, an welche der Apostel diese  Worte richtete? Solche, die einst Hurer, Götzendiener,  Trunkenbolde, Räuber und dergleichen gewesen waren.  Allein er konnte ihnen das Zeugnis geben: „Aber ihr  seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt,  aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem  Namen des Herrn Jesu und durch den Geist unseres  Gottes“ (Kap. 6, 11). Würde der Apostel diejenigen,  an welche er schrieb, wohl also bezeichnet haben, wenn sie  nicht gewusst hätten, dass sie zu der Zahl dieser Abgewaschenen und Geheiligten gehörten? Ja, er geht in  demselben Kapitel noch weiter und fragt: „Wisset ihr  nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes  ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt, und dass  ihr nicht euer selbst seid?'' 
Im zweiten Briefe lesen wir schon im 1. Kapitel: „Der uns aber mit euch befestigt in Christum und  uns gesalbt hat, ist Gott, der uns auch versiegelt  hat und hat das Pfand des Geistes in unsere Herzen  gegeben''. Befestigt worden zu sein durch Gott in  Christum hinein, versiegelt zu sein und so das Merkmal  zu besitzen, dass man Gottes Eigentum ist, ja, den Geist  nicht nur als Salbung und Siegel, sondern auch  als „Unterpfand unseres Erbes, zur Erlösung des  erworbenen Besitzes'', zu haben (vgl. Eph. 1, 14) -  wie könnte bei jemandem alles das vorhanden sein, ohne  dass er in Betreff seiner Errettung völlige Gewissheit  hätte? Der Apostel denkt auch so wenig an eine solche  Möglichkeit, dass er sagt: „Der uns mit euch befestigt“. Und im Anfang des 5. Kapitels schreibt er: „Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus,  die Hütte, zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben“. Wie verschieden ist diese Sprache von derjenigen, die man heutzutage nicht selten hört! Während  so manche Christen unserer Tage sagen: „Ich hoffe,  dass es einmal gut mit mir werden wird'', zeigt sich bei  dem Apostel nicht eine Spur von Ungewissheit, sondern  er bekennt frei und kühn: „Wir wissen, dass wir einen  Bau von Gott haben“. 
In Gal. 4, 6 finden wir die Worte: „Weil ihr  aber Söhne seid, so hat Gott den Geist Seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater!'' und in Eph. 1, 7, nach einem innigen Dankgebet dafür, dass Gott uns vor Grundlegung der Welt  auserwählt, zur Sohnschaft zuvor bestimmt und uns begnadigt hat in dem Geliebten, heißt es: „in  welchem wir die Erlösung haben durch Sein Blut,  die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum Seiner Gnade''. Beide Stellen beweisen  wiederum aufs deutlichste, dass die Leute, an welche der  Apostel schrieb, ihrer Errettung gewiss waren. 

Weiter  lesen, wir in Kol. 1, 12 - 14: „Danksagend dem Vater,  der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe  der Heiligen in dem Lichte, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis; und versetzt in das  Reich des Sohnes Seiner Liebe, in welchem wir die  Erlösung haben, die Vergebung der Sünden“. Und mit welchem Vertrauen drückt sich der Apostel in den vorhergehenden Versen über die Gewissheit der Erkenntnis der Gnade Gottes bei den Kolossern aus! Wie strömt sein Herz über! Da ist kein Schwanken; da ist kein „Wenn und Aber“, nein, nur eine bestimmte, unumstößliche Gewissheit begegnet uns. Ein über das andere Mal  heißt es: Er hat uns fähig gemacht, hat uns errettet, hat uns versetzt. O selige, süße Gewissheit! Möchte  sie nie umdüstert werden in dem Herzen irgend eines geliebten Kindes Gottes! 

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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 85ff

KAPITEL 4: Die Herrlichkeit des Reiches

Dieses Kapitel redet von der inneren Ordnung und dem Glanze des Reiches Salomos, aber auch von seiner moralischen Herrlichkeit, die durch die Weisheit des Königs dar­gestellt wird.
Ganz Israel war unter seinem Zepter vereinigt und bildete so eine friedliche Einheit, welche der Regierung seines Vaters fremd war, wie dies die sieben Jahre in Hebron, der Aufstand Absaloms, derjenige Schebas, des Sohnes Bikris und endlich der Aufstand Adonijas beweisen. Jetzt ist alles in Ordnung und dieser herrlichen Regierung würdig; doch findet man nur elf Oberste (V. 26). Die vollkommene Ordnung in Bezug auf die Regierung der Erde, welche durch die Zahl zwölf dargestellt wird, war noch nicht erreicht, und soll auch erst erreicht werden bei der Erscheinung eines Größeren als Salomo.
Asarja, der Sohn Zadoks, ist an die Spitze der Obersten gestellt. "Dieser ist es, der den Priesterdienst ausübte in dem Hause, welches Salomo zu Jerusalem gebaut hatte" (1. Chron. 6, 10).*10) Der höchste Dienst ist ihm zugefallen. Der Tempel wird der Mittelpunkt der ganzen Ordnung des Salomonischen Reiches, wie er es auf der Erde sein wird, sobald das Tausendjährige Reich Christi errichtet ist (Hesekiel 40-48). Abjathar selbst, der aus dem Priestertum verstoßen worden war, wird unter den Obersten neben Zadok aufgezählt. Er hatte die Bundeslade getragen und an den Trübsalen Davids teilgenommen, und obwohl sein Amt ihm genommen ist, will sein Herr ihm doch nicht die Würde rauben, welche er allen denen verleiht, die mit dem verworfenen König gelitten haben.
Unter den zwölf Aufsehern Salomos (V. 7-19) finden wir zwei, welche Töchter Salomos geheiratet hatten, eine besondere Ehre, die dem Sohne jenes Abinadab zuteil wurde, welcher die Bundeslade bei sich aufgenommen und sie zwanzig Jahre lang in dem Hause auf dem Hügel behütet hatte. In den Augen des Königs war es ein Ehrentitel, zu der Familie zu gehören, die gewissenhaft über die Bundeslade Jehovas gewacht hatte.
Eine gleiche Ehre wird Achimaaz, dem Sohne Zadoks,*11) zuteil, der mit Gefahr seines Lebens David treu ergeben war und dem der alte König das Zeugnis gegeben hatte: "Das ist ein guter Mann, und er kommt zu guter Botschaft". Er hatte als erster David den Sieg gemeldet, der ihm seinen Thron zurückgab und ihn dem von Gott bestimmten Erben sicherte. 
Die Verse 20 - 28 beschreiben uns die Lage des Volkes unter der Regierung Salomos und den Charakter dieser Regierung. „Juda und Israel waren zahlreich, wie der Sand, der am Meere ist, an Menge." Die Verheißung, die einst Abraham gegeben worden war, nachdem er seinen Sohn auf dem Altar dargebracht hatte, ging jetzt, wenigstens teilweise, in Erfüllung; denn Gott hatte gesagt, dass sein Same sein solle „wie die Sterne des Himmels und wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist" (1. Mose 22, 17). Die Verheißung wird erst völlig erfüllt werden, wenn das Tausendjährige Reich Christi da ist, wo, was Israel betrifft, die beiden Teile des Reiches, der himmlische und der irdische, in vollkommenem Einklang auf immerdar errichtet sein werden. Hier ist das Volk zahlreich wie der Sand des Meeres; es umfasst zu gleicher Zeit die umliegenden Völker und hält sie in ihren Grenzen. Die Untertanen Salomos „aßen, tranken und waren fröhlich". Sie hatten Überfluss an allen irdischen Gütern; unbefriedigte Bedürfnisse gab es nicht mehr. Freude er­füllte die Herzen; überall herrschte Sicherheit.

 Jeder hatte sein Besitztum und wohnte unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum. Was die Menschen vergeblich suchen in dieser ungerechten Welt, aus welcher Christus hinausge­worfen worden ist wird sich völlig verwirklicht finden, wenn der Herr, von allen anerkannt, herrschen wird über alle Königreiche der Erde (V. 21 und 24). überdies wird diese mächtige Herrschaft eine Herrschaft allgemeinen Friedens sein: „Er hatte Frieden auf allen Seiten ringsum". Das ganze Gedeihen des Reiches und alle seine Hilfsquellen müssen dazu dienen, den König zu erhöhen; sie vereinigen sich, um seine Herrlichkeit erglänzen zu lassen (V. 22. 23; 26-28).
Doch was vor allem jene zukünftige allgemeine Herrschaft kennzeichnete, war das sittliche Bild, welches Salomos Regierung darbot; dies war noch viel herrlicher als die materielle Seite. „Gott gab Salomo Weisheit und sehr große Einsicht und Weite des Herzens, wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist." Weisheit ist das sittliche Unter­scheidungsvermögen bezüglich aller Dinge, des Guten, des Bösen, der verschiedenen Umstände des Menschen usw., sowie die Kenntnis des hinsichtlich dieser Dinge zu beobachtenden Verhaltens. Dieses sittliche Unterscheidungsvermögen findet sich nur da, wo die Furcht Jehovas vorhanden ist; und diese kennzeichnete, wie wir gesehen haben, Salomo im Beginn seiner Laufbahn. Das Wort Gottes ist das Mittel, durch welches uns diese Weisheit mitgeteilt wird; darum erbat Salomo von Gott "ein verständiges (oder hörendes) Herz". Diese Weisheit hat ihren Ausdruck in den Sprüchen Salomos gefunden, die selbst Gottes Wort geworden sind. 
Ferner hatte Gott Salomo „sehr große Einsicht" gegeben. Die Einsicht Salomos war ebenso groß wie seine Weisheit und innig mit ihr verbunden. Einsicht ist die Fähigkeit, die Gedanken Gottes zu verstehen und sich so anzueignen, dass man sie anderen mitteilen kann. Außerdem „Weite des Herzens wie der Sand, der am Ufer des Meeres ist",  ein Herz, welches fähig war, das ganze Volk zu umfassen. Salomo machte Israel mit sich eins, trug nach seiner Liebe Sorge für alle Bedürfnisse, widmete sich allen Angelegenheiten des Volkes, indem er sie zu den seinigen machte. Redet das nicht zu uns von Christo, von dem, was Er völlig offenbaren wird, wenn Er uns dereinst in die herrliche Ruhe Seiner Gegenwart eingeführt haben wird? wenn Sein Herz in Seiner göttlichen Weite uns alle umfassen wird, wenn Er „schweigen wird in seiner Liebe" (Zeph. 3, 17)?
Die Größe der Einsicht Salomos wird uns in den Versen 33 und 34 beschrieben. Es gab in seinem Reiche weit mehr als nur eine Herrschaft über äußere Dinge; seine Einsicht beherrschte alles. „Er redete über die Bäume, von der Zeder, die auf dem Libanon ist, bis zum Ysop, der an der Mauer herauswächst; und er redete über das Vieh und über die Vögel und über das Gewürm und über die Fische." Adam hatte äußerlich geherrscht "über die Fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt" (1. Mose 1, 26).

 So hatte Gott auch "alles Getier der Erde und alles Gevögel des Himmels, alles, was sich auf dem Erdboden regt und alle Fische des Meeres" in Noahs Hände gegeben (i. Mose 9, 2). Später gab der Gott des Himmels die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels in die Hände des Königs der Nationen und bestellte diesen zum Herrscher über sie und über die Menschen (Dan. 2, 38). Alles das wird nicht von Salomo gesagt; aber seine Weisheit beherrschte alle diese Dinge, von der Zeder bis zum Ysop, von den Tieren der Erde bis zu den Fischen. Er kannte ihr Leben, die Ursache ihres Seins, ihre Beziehungen zueinander und zu der Gesamtheit der Schöpfung, die Beispiele, welche Gott durch sie für das sittliche Leben der Menschen gegeben hat, und er redete über das alles. Die moderne Wissenschaft mit ihren stolzen Behauptungen ist nur ein Haufen Finsternis gegenüber diesen Gewissheiten. Jedoch besaß Salomo, wie gesagt, nicht die allgemeine Herrschaft unter ihren beiden Gesichtspunkten. Diese ist einem Größeren als Salomo, dem letzten Adam, aufbewahrt: "Mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt; du hast ihn zum Herrscher gemacht über die Werke deiner Hände; alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert" (Ps. 8, 58). Und von Ihm wird auch gesagt: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung" (Offbg. 5, 12).
Die Herrschaft Salomos war nur ein schwaches Vorbild von derjenigen Christi, der „die Enden der Erde zum Besitztum ­haben wird" (Ps. 2, 8). 

Der König Israels „herrschte über das ganze Diesseits des Stromes"  „bis zu dem Lande der Philister und bis zu der Grenze Ägyptens". Das war, mit einem Wort, das Gebiet, welches Jehova in Josua 1, 4 Israel zugewiesen hatte; wenn es sich indes um die Weisheit Salomos handelte, so wurden diese Grenzen weit überschritten: alle Völker kamen, um ihn zu hören; alle Könige der Erde wünschten, ihn zu befragen, und man sah im Vorbilde verwirklicht, was von Christo gesagt wird: „Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde" (Jes. 49, 6).
„Die Weisheit Salomos war größer als die Weisheit aller Söhne des Ostens und als alle Weisheit Ägyptens. Und er war weiser als alle Menschen, als Ethan, der Esrachiter, und Heman und Kalkol und Darda, die Söhne Machols" (V. 30 und 31). Die beiden letztgenannten Männer werden nur in 1. Chron. 2,6 erwähnt; dagegen enthält das Wort eine Mitteilung über die Weisheit Ethans und Hemans. Heman, der Esrachiter, ist der inspirierte Dichter des 88., und Ethan, der Esrachiter, der des 89. Psalms. Und worin besteht die in diesen beiden Psalmen enthaltene Weisheit? Psalm 88 trägt einen ganz besonderen Charakter, den kein anderer Psalm bis zu diesem Grade an den Tag legt. Er zeigt uns Israel überzeugt, das Gesetzesübertretern zu haben, und wie es unter den Folgen dieses Ungehorsams liegt. Etwas Schrecklicheres gibt es nicht! Tod, Grab, Verwerfung und Finsternis sind das Teil des Redenden. Noch mehr, der Grimm Jehovas liegt schwer auf ihm; Er hat ihn niedergedrückt mit allen Seinen Wellen.

 Er ist verlassen von den Menschen und hat keinen Ausweg. Er schreit; doch er schreit vergebens. Er ist verworfen; Gott verbirgt Sein Angesicht vor ihm. Die Zornesgluten Jehovas sind über ihn hingegangen; er ist vernichtet durch Seine Schrecknisse. Alle, welche Mitgefühl mit ihm haben könnten, hat Gott von ihm entfernt. Und was ist das Ergebnis von dem allen? Gar nichts! Nicht e i n Hoffnungsstrahl zeigt sich. Da ist ein Seele, die schreit, und Gott, der nicht antwortet! *12) 
Doch beachten wir, dass dieser Psalm das einzige Zeugnis ist, welches uns von der Weisheit Hemans gegeben wird. Es ist in der Tat eine große, außerordentliche Weisheit, welche bei der Betrachtung der Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber den Forderungen der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes feststellt, dass die Lage aussichtslos ist und dass das Gesetz (der Maßstab für diese Verantwortlichkeit) den Menschen in die Finsternis des Todes werfen muss, auf immer fern von dem Angesicht Gottes.
Heman gelangte durch seine Weisheit zu demselben Ergebnis, welches Gott den Menschen durch das Gesetz Moses lehren wollte. War nicht der Geist dieses Mannes Gottes schon von dem überzeugt, was die schließliche Erfahrung der jahrhundertelangen Geschichte des Menschen sein sollte und was die Grundlage des Evangeliums bildet? Meint man nicht beim Lesen dieses Psalmes die Beschreibung des Gesetzes, welches den Sünder tötet, im Römerbrief zu lesen?
Im 89. Psalm unterweist uns die Weisheit Ethans. Wovon redet dieser andere Weise? Von der Gnade! Dieser Psalm beschreibt die unveränderlichen Verheißungen Gottes und die gewissen Gnaden Davids. Die Beziehungen des Volkes Israel zu Gott auf dem Boden des Gesetzes können nur in das Dunkel des Gerichts und des Todes führen; diese Beziehungen, auf dem Boden des mit David gemachten Gnadenbundes, führen zu dem Schluss: Auf ewig wird die Güte gebaut werden; die Himmel, in ihnen wirst du feststellen deine Treue" (V. 2) in den Himmeln, wo niemals etwas ihn antasten kann.

 Dieser herrliche Psalm ist das Lied von der Gnade und von der ganzen Herrlichkeit Gottes, welche durch diese Gnade begründet und ans Licht gestellt wird. Die Gerechtigkeit, das Gericht, die Güte, die Wahrheit, die Treue und die Macht Gottes werden verherrlicht, als in einer Person geoffenbart, welche selbst der Mittelpunkt und Schlüssel des Psalmes ist; in dem wahren David nämlich, der als ein Auserwählter aus dem Volke erhöht ist, dem Gesalbten Jehovas (V. 19 und 20), in dem, der zum Erstgeborenen gemacht wird, zum Höchsten der Könige der Erde (V. 27), von welchem Er Seine Güte nicht weichen lassen und dem Er Seine Treue nicht verleugnen wird (V. 33), dessen Same ewig, dessen Thron wie die Sonne sein wird vor Jehova (V. 36)!
Es ist klar, dass in diesem wunderbaren Gemälde der Gnade, die in dem wahren David und in Seinem herrlichen Throne erblickt wird, die Frage der Verantwortlichkeit der Söhne Davids (V. 30-32) nicht fehlen kann, noch auch die Folgen, die daraus für das Volk, welches gefehlt hat, hervorgehen (V.38-51); aber selbst diese dunkle Szene schließt mit dem Segen: "Gepriesen sei Jehova ewiglich! Amen, ja, Amen!"
Das sind die Unterweisungen der Weisheit durch den Mund dieser beiden Männer Gottes: der eine beschreibt die Herrschaft des Gesetzes, welche zum Fluch und der Finsternis des Todes führt, der andere die Herrschaft der Gnade, die auf die Person des wahren David gegründet ist und zur ewigen Herrlichkeit leitet. Der erste verkündigt das Ende des alten Menschen, der zweite die nie endende Herrschaft des neuen Menschen.
Wie groß musste also die Weisheit Salomos sein, wenn sie diejenige dieser beiden Weisen noch übertraf!

KAPITEL 5: Hiram. Vorbereitungen für den Tempel

Nachdem der Heilige Geist die innere Ordnung des Salomonischen Reiches und die ganze Weisheit, welche den Vorsitz darin führte, beschrieben hat, bringt Er uns jetzt zu dem, was in ganz besonderer Weise diese Regierungszeit kennzeichnen sollte: zu dem Tempel Jehovas . David hatte dieses Haus nicht bauen können; denn sollte Jehova Seine Wohnung endgültig in der Mitte Seines Volkes aufschlagen können, so musste zunächst der Friede fest gegründet sein. Solange das Volk in der Wüste umhergewandert war, hatte Jehova Sich durch die Stiftshütte seiner Stellung als Pilgrim und Wanderer angepasst. Dann waren die Kriege in Kanaan unter Josua und den Richtern gekommen, und sie hatten erst mit der Regierungszeit Davids ihren Abschluss gefunden.

 Da wo Krieg ist, kann Gott nicht in Ruhe wohnen. Die erste Bedingung für Sein endgültiges *13) Wohnen bei Seinem Volke in Kanaan war der Abschluss des Friedens. Geistlicherweise ist es mit der Kirche ebenso. Seitdem das "Evangelium des Friedens" verkündigt wird, wird das Haus Gottes, der heilige Tempel im Herrn, gebaut, und dieses Werk geht voran bis zur völligen Ruhe der Herrlichkeit. 
Unter Salomo war dieser Friede äußerlich, gleichsam materiell. Jehova hatte ihm ringsum Ruhe geschafft (V. 4). Die Segnungen, mit denen seine Regierungszeit angefüllt war, trugen denselben Charakter. Alles Begehrenswerte der Erde wurde zu ihm gebracht, und er benutzte es zur Verherrlichung Jehovas, welcher ihn auf seinen Thron gesetzt hatte.
Der König von Tyrus wird als erster erwähnt, der dem entstehenden Reiche seine Dienste anbietet. Tyrus ist im Worte Gottes ein Bild der Welt mit all ihren Reichtümern und begehrenswerten Dingen. Man sieht in Hes. 27, was Tyrus im Altertum war. Sein Handel erstreckte sich über die ganze Erde, und von allen Seiten flossen ihm die Hilfsquellen der ganzen Welt zu. Wertvolles Holz, das die Zidonier ausgezeichnet zu bearbeiten verstanden, Elfenbein und Ebenholz, feines Leinen, weiße Wolle, Stickereien, blauer und roter Purpur; Silber, Eisen, Zinn, Blei und Erz; Karfunkel, Korallen, Rubinen und andere kostbare Steine; Gold in ungeheurer Menge; wohlriechender Balsam, Öl und Getreide; unermeßliche Herden; zahlreiche Krieger, um das alles zu verteidigen, Steuerleute und Matrosen zur Bemannung der gewaltigen Flotten, Weise, um seine Hilfsquellen in die richtigen Bahnen zu lenken und nutzbar zu machen  das war in kurzen Worten der Reichtum von Tyrus. Alles was das menschliche Herz auf Erden begehren mochte, stand ihm zu Gebote.
Zur Zeit Salomos hatte Tyrus noch nicht den stolzen Charakter angenommen, der durch Jesajas und namentlich durch Hesekiel verurteilt wird, und der sich bis zur Vergötterung der Einsicht des Menschen verstieg.

 Hiram, der Freund Davids, regierte noch über dieses Volk. Er war früher aus freiem Antrieb gekommen, um dem Vater Salomos seine Dienste anzubieten, und seine Arbeiter hatten diesem ein Haus gebaut (2. Sam. 5, 11). Derselbe freie Wille veranlasste ihn jetzt, seine Knechte zu dem Sohne Davids zu senden, weil er allezeit ein Freund des Vaters gewesen war. Wie sollte man nicht von dem König der Herrlichkeit freundlich empfangen werden, wenn man allezeit den König der Gnade geliebt hat? 
Salomo teilt Hiram seine Pläne mit, die keineswegs die Frucht seines eigenen Willens waren. Er hatte beschlossen, das Haus Jehovas zu bauen, weil Gott es so bestimmt hatte, indem Er Seinen Willen vorher David mitgeteilt hatte (V. 5). Das ist es, was den Entschließungen des Glaubens ihren wahren Charakter verleiht. Der Glaube entschließt sich, weil Gott beschlossen hat. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir kennen oft im voraus den Willen Gottes und, anstatt zu sagen: Ich bin entschlossen, ihn zu tun, suchen wir nach Vorwänden und guten Gründen, ihm auszuweichen, oder wenigstens nicht unser ganzes Herz auf seine Erfüllung zu richten. Zu anderen Zeiten haben unsere Entschlüsse den eigenen Willen zum Beweggrund und führen dann notwendigerweise zu bitteren Enttäuschungen. 
Die Regierungszeit Salomos wird also durch eine irdische Herrlichkeit gekennzeichnet, zu der alle natürlichen Hilfsquellen, welche die Welt bieten kann, beitragen. Doch sollte diese Herrlichkeit zur Verherrlichung Gottes sein und Ihm in der  Mitte Seines Volke seinen Tempel geben, der Seine Heiligkeit und Seine Größe pries. So wird es auch dereinst bei der herrlichen Regierung des Messias sein. Leider werden wir sehen, dass Salomo, der verantwortliche König, sich nicht mit dem begnügt hat, was ihm von Jehova zugeteilt worden war, sondern dass er später gesucht hat, sich durch und für sich selbst zu vergrößern, und dass er die Folge­ davon tragen musste. 
Hiram freut sich sehr, als er die Worte Salomos hört; er fühlt sich geehrt, dass er durch seinen Dienst zur Verherrlichung des Gottes Israels beitragen kann. Dieser König der Nationen sagt: "Gepriesen sei heute Jehova! Er betrachtet Jehova, den Gott Salomos, als seinen Gott und preist Ihn dafür, dass Er David einen Sohn gegeben hat, um über Sein Volk zu herrschen. Die Zuneigung zu David, dem verworfenen König, führt die Seele zur Wertschätzung des Königs der Herrlichkeit, ja, zur Wertschätzung Gottes Selbst, zur Liebe zu dem Volke Gottes. 
Die Frucht eines glücklichen Herzens ist gänzliche Widmung für den Dienst Christi. „Ich will all dein Begehr tun" (V. 8). Und was ist schließlich der Dienst Hirams im Vergleich zu dem, was Salomo für ihn tut? Zuweilen hat das, was wir für den Herrn tun, einen gewissen Schein. Die Zedern des Libanon und die ganze Mühe des Transports waren nichts Geringes; nur benutzte Salomo noch viele andere Dinge zu dem Bau des Tempels, außer den Zedern und Zypressen Hirams. Die großen wertvollen Steine, sowie das Gold, mit dem alles überzogen wurde, waren für die Grundlegung und Herrlichkeit des Gebäudes wichtiger als die Bäume des Libanon. Nichtsdestoweniger erfüllt Salomo das Begehr Hirams, weil dieser dasjenige Salomos erfüllt hatte; und das Begehr Hirams ist der Unterhalt seines Hauses. Der Herr könnte ohne uns fertig werden; doch das will Er nicht. 

Er weiß, was es ist, unsere Herzen zu erfreuen und ihnen den Segen, sie in Seinem Dienst zu benutzen, zu schenken  aber wir können nicht ohne Ihn fertig werden. Er ist es, der uns Leben, Nahrung, Kraft und Wachstum gibt. Die Nahrung des Landes Hirams, das Getreide, mit dem seine Kaufleute Handel trieben, kam für sie aus Palästina (Hesekiel 27, 17). Das Land Jehovas liefert das, was zu unserem Bestehen notwendig ist. Auch Hiram ist darin von Salomo abhängig: "Du sollst den Speisebedarf meines Hauses geben", sagt er (V. 9). Und welcher Überfluss herrscht von da ab unter den Knechten des Königs von Tyrus! Ungefähr fünf Millionen Liter Weizen jährlich! Man kann Zedern und Zypressen besitzen und doch Hungers sterben. Aber sicherlich stirbt man nicht an Hunger, wenn man sie in den Dienst Salomos stellt! 
Der Friede kennzeichnet diese ganze Szene: Hiram und Salomo machten einen Friedensbund.
„Und Jehova gab Salomo Weisheit, so wie er zu ihm geredet hatte." Salomo hatte sie erhalten zur Reinigung seines Reiches durch das Gericht (Kap. 2, 6); dann, um richtige Entscheidungen zu treffen im Blick auf die Regierung seines Volkes (Kap. 3, 12); ferner hinsichtlich der Behandlung und Unterweisung der Nationen, der Völker und Könige der Erde (Kap. 4, 29); er empfängt sie schließlich im Blick auf die Erbauung des Tempels, des großen Werkes, welches seine glorreiche Regierung kennzeichnen sollte.
Die Verse 13-18 geben uns Bericht über die Einrichtung der Vorarbeiten für den Tempel. Dabei wird jeder nach seiner eigenen Fähigkeit angestellt. Die Weisheit Salomos ordnet alles an. Seine Arbeiter kommen denen des Königs Hiram bei dem Bauholz zu Hilfe, sie tragen Lasten, brechen die Steine im Gebirge. Auch die Gibliter nehmen daran teil. Sie werden von Hesekiel (Kap. 27, 9) erwähnt als geschickte Leute, um die Lecke von Tyrus auszubessern, welches unter dem Bilde eines auf den Meeren fahrenden Prachtschiffes dargestellt wird.*14) 
Das erste, was Salomo tut, ist, dass er „große Steine, wertvolle Steine, um den Grund des Hauses zu legen, behauene Steine", herbeischaffen lässt. Es handelt sich vor allem darum, dem Tempel Gottes ein Fundament von großem Wert und von einer Festigkeit zu geben, die jeder Probe standhält. 

Das ist es, was Gott auch für Sein geistliches Haus getan hat. Der Grund ist Christus, der Eckstein; die Grundlagen sind alle Wahrheiten, die auf Christum und Sein Werk Bezug haben, so wie Er sie durch Seine Apostel und Propheten kundgetan hat. Das sind große Steine, wertvolle Steine. Man kann keinen einzigen von ihnen wegnehmen, ohne das ganze Gebäude in Gefahr zu bringen oder zu erschüttern. Das hatte die Weisheit Salomos gut verstanden, indem er behauene Steine herstellen ließ, auf welchen das Haus Gottes errichtet werden sollte.

Fußnoten:
*10) Wahrscheinlich war dieser Asarja der Sohn des Achimaaz und der Enkel Zadoks. Der Ausdruck „Sohn" für einen Nachkommen findet sich immer wieder In den jüdischen Geschlechtsverzeichnissen. Die etwas unklare Stelle in 1. Chron. 6, 9 und 10 könnte den Gedanken erwecken, als ob das Priestertum Asarja, dem Urenkel des Achimaaz, übertragen worden sei. eine andere Person.
*11) Die Kritiker machen, augenscheinlich ohne Grund, aus diesem Achimaaz
*12) Wir finden dieselben Gefühle in dem Gebet Moses, im 90. Psalm, ausgedrückt, Vers 16 wegen der Sünde, Vers 712 wegen der Übertretung des Gesetzes, jedoch nicht ohne Hoffnung.
*13) Wir sagen "endgültig", weil die erste Bedingung für das Wohnen Gottes bei Seinem Volke die Erlösung ist, vorbildlich dargestellt durch das Passah und das Rote Meer.
*14) Die Gibliter werden in Josua 13, 5 erwähnt in Verbindung mit dem Libanon und als noch nicht von Israel unterworfen, Gebal, ein Seehafen am Fuße der nördlichen Abhänge des Libanon (vergl. Hesekiel 27, 9), war wahr­scheinlich ihre Stadt. In dieser glorreichen Regierungszeit Salomos waren sie tributpflichtig, da sie zu dem unterworfenen Geschlecht Kanaans gehörten.

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Bist du deiner Errettung gewiss

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 100ff 
Ebenso deutlich und bestimmt spricht der Apostel  in dem ersten Brief an die Thessalonicher. Er sagt:  „Denn sie selbst verkündigen von uns, welchen Eingang  wir bei euch hatten, und wie ihr euch von den Götzenbildern zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen und wahren  Gott zu dienen und Seinen Sohn aus den Himmeln zu  erwarten, — Jesum, der uns errettet von dem  kommenden Zorn“. Und weiter: „Denn Gott hat uns  nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der  Seligkeit durch unseren Herrn Jesum Christum“ (1. Thess. 1, 9. 10; 5, 9). Auch im zweiten Briefe hören wir den Apostel sagen: „Wir sind schuldig, Gott  allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder,  dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Seligkeit in Heiligung des Geistes und im Glauben  an die Wahrheit, wozu Er euch berufen hat durch unser Evangelium, zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesu Christi.“ Und nachher: „Er selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns geliebt und  uns ewigen Trost und gute Hoffnung gegeben  hat durch die Gnade, tröste eure Herzen“ (2. Thess. 2, 13. 14. 16). Der Apostel sagt also von sich und allen  seinen Mitgläubigen, dass Jesus sie vom kommenden Zorn  errette, dass sie nicht zum Zorn, sondern zur Erlangung  der Seligkeit gesetzt seien, und dass der Herr Jesus  Christus und Gott, der Vater, sie geliebt und ihnen  einen ewigen Trost und eine gute Hoffnung gegeben  habe.

 Gibt es hier wohl irgend einen Anlass oder Vorwand für die mancherlei Zweifel und Bedenken, welche  bei so vielen Seelen vorherrschend sind, und die leider  immer noch hie und da als Beweise von Demut und  als gute Zeichen des Werkes der Gnade in einem  Menschen bezeichnet werden? 
Wenn wir die Briefe weiter verfolgen, so finden  wir, dass Paulus mit Vertrauen den Timotheus sein  „echtes Kind im Glauben“ nennt; und nachdem er von sich als einem ehemaligen Lästerer und Gewalttäter  gesprochen und sich den „ersten Sünder“ genannt hat,  fügt er hinsichtlich seiner eigenen Bekehrung hinzu: „Aber  darum ist mir Barmherzigkeit zu teil geworden, auf  dass an mir, dem ersten, Jesus Christus die ganze  Langmut erzeige, zum Vorbilde für die, welche an Ihn glauben werden zum ewigen Leben“. Auch ermahnt er Timotheus, Trübsal zu leiden mit  dem Evangelium nach der Kraft Gottes, „der uns  errettet hat und berufen mit heiligem Rufe“ (1. Tim. 1, 16; 2. Tim. 1, 8. 9). Der Apostel denkt keinen Augenblick daran, dass Timotheus nicht, gleich ihm, die völlige Überzeugung von seiner  Errettung habe. In demselben Vertrauen schreibt er an Titus: „Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres  Heiland-Gottes erschien, errettete Er uns, nicht  aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit  durch die Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung  des Heiligen Geistes, welchen Er reichlich über uns  ausgegossen hat durch Jesum Christum, unseren Heiland, auf dass wir, gerechtfertigt durch Seine Gnade, Erben würden nach der Hoffnung des ewigen Lebens“ (Tit. 3, 4 - 7). 
Indem wir uns jetzt zu den Schriften der anderen  Apostel wenden, begegnen wir denselben Zeugnissen.  Der erste Brief Petri beginnt mit Worten des Dankes  und der Freude. Sie lassen keinen Zweifel darüber, dass die Leute, an welche sie gerichtet wurden, ihrer Errettung  völlig gewiss waren.

 Wir lesen: „Gepriesen sei der Gott  und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der nach Seiner  großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu  einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, welches in den Himmeln aufbewahrt ist für euch''. So fest und triumphierend war die Gewissheit jener Gläubigen trotz mannigfacher Leiden und  Versuchungen, dass der Apostel im Blick auf Christum  von ihnen sagen konnte: „welchen ihr, obgleich ihr Ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr Ihn jetzt nicht sehet, ihr mit  unaussprechlicher und verherrlichter Freude  frohlocket, indem ihr das Ende eures Glaubens, die Errettung der Seelen, davontraget«. (1. Petr. 1, 3-5. 8. 9). Im 2. Kapitel fügt der Apostel, nachdem er  von der Kostbarkeit des in Zion gelegten Ecksteins gesprochen hat, die Worte hinzu: „Wer an Ihn glaubt, wird nicht zu Schanden werden. Euch nun, die ihr  glaubet, ist die Kostbarkeit.“  - Meinst du wohl,  geliebter Leser, dass die Menschen, an welche dieser Brief  gerichtet war, von ihrer Errettung nicht überzeugt gewesen seien? 
Wir kommen jetzt zu dem Apostel, den „der Herr  liebte“. Seine Briefe setzen der Menge von Beweisen  gleichsam die Krone auf. Freilich war es weniger seine  Absicht, den Gläubigen Versicherungen betreffs der Gewissheit ihrer Errettung zu geben, als vielmehr von  einem erhabeneren Gegenstand, von Jesu selbst und von Seiner Offenbarung unter den Menschen, zu reden; aber seine Ausführungen zeugen unzweideutig von dem eigenen  vollen Genuss der Erlösung. Er beginnt mit den Worten: „Was von Anfang war, was wir gehört, was wir  mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut  und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens; und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen  euch das ewige Leben, welches bei dem Vater war und  uns offenbart worden ist“. 
 Das sind wunderbare Worte, nicht wahr, mein  Leser? „Ja“, sagst du, „aber - - „Nun, was „aber“?  - „Ja, ich meine folgendes: Dass ein Apostel, und namentlich einer, der an der Brust Jesu gelegen, also  schreiben konnte, begreife ich; auch das bewährte Christen eine solche Gewissheit erlangen können, will ich einräumen; aber dass dies ein allgemeines Vorrecht der Christen sein soll, das bezweifle ich. „Nun, mein Freund, höre, was der Apostel weiter sagt. Er selbst gibt  Antwort auf deinen Einwand. Er sagt: „Was wir  gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch“.  Und warum geschah das? Etwa darum, dass man ihn und seine Mitapostel anstaunen sollte wegen eines Vorrechts, dessen ein gewöhnlicher Christ sich nicht erfreuen durfte? O nein; ganz im Gegenteil. 

Er fügt hinzu: auf dass auch ihr mit uns Gemeinschaft habet“. Und um den kostbaren Charakter dieser Gemeinschaft zu zeigen, lässt er die Worte folgen: „und  zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und  mit Seinem Sohne Jesu Christo“. Wahrlich, das ist mehr, weit mehr als die Gewissheit der  Errettung. Diese könnte man haben, ohne gerade die  Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne zu kennen.  Aber Johannes und die übrigen Apostel standen in  dieser Gemeinschaft, und was sie gesehen und gehört  haben, das haben sie uns verkündigt, auf dass auch  wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem  Sohne Jesu Christo haben möchten. Und als wolle  Johannes jeden Zweifel beseitigen, den wir in dieser  Beziehung haben könnten, fügt er zum Schluss noch  hinzu: „Und dies schreiben wir euch, aus dass eure  Freude völlig sei“ (1. Joh. 1, 1 - 4).
Wenn Johannes nachher, im zweiten Kapitel seines  Briefes, der Frage der Heilsgewissheit näher tritt,   welche Christen werden uns dann als im Genuss dieser  Gewissheit stehend vorgeführt? Etwa die Bejahrten  und Geförderten, welche der Apostel mit dem Namen „Väter“ bezeichnet? Nein. Oder die eifrigen Christen, die in der Kraft des Lebens stehen und in der Hitze  des Streites sich befinden — die „Jünglinge“?  Auch nicht. Sicherlich waren diese beiden Klassen von Christen in dem Genuss der Heilsgewissheit; aber der Apostel schreibt nicht in diesem besonderen Sinne an sie.  Im Gegenteil, wenn er von der Gewissheit der Vergebung der Sünden spricht, wendet er sich ganz allgemein an die Gläubigen: „Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um Seines Namens  willen“ (Kap. 2, 12). Diese Wahrheit gilt allen, ob Väter, Jünglinge oder Kindlein, in gleicher Weise.  
Das 3. Kapitel beginnt mit dem Ausruf: „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir  Kinder Gottes heißen sollen!“ Und dann folgt: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es  ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden;" wir wissen, dass, wenn es offenbar werden wird, wir  Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn  sehen, wie Er ist“. - Wäre es möglich, sich deutlicher  und bestimmter über die Gewissheit der Errettung und  der Annahme bei Gott auszudrücken? 
In dem letzten Kapitel gibt es noch eine Stelle,  die wir nicht unerwähnt lassen dürfen. Sie lautet:  ,,Dies habe ich euch geschrieben, auf dass ihr wisset,  dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an  den Namen des Sohnes Gottes“ (V. 13). 
Es war also die Absicht des Heiligen Geistes, die Glaubensgewissheit derer zu stärken, welche an den  Namen des Sohnes Gottes geglaubt hatten, und ihnen  das felsenfeste Bewusstsein zu geben, dass sie ewiges  Leben besaßen. Der Apostel hatte nicht an sie geschrieben, damit sie glauben möchten, auch nicht weil  ihnen die Gewissheit der Errettung mangelte, sondern  um sie in dieser Gewissheit zu befestigen.

 Sie hatten  dieselbe auf dem Wege einer anderen göttlichen Mitteilung,  wohl durch den mündlichen Dienst eines der Boten  Gottes, erlangt, und nun empfingen sie zu ihrer Befestigung das geschriebene Wort. Welch eine unerschütterliche Grundlage für ihre Errettung und den  Besitz des ewigen Lebens! 
Die Schlussworte des Apostels in seinem ersten  Briefe sind wohl geeignet, auch den Schluss dieses  Teiles unserer Betrachtung zu bilden. Sie lauten: „Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen. Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns  ein Verständnis gegeben hat, aus dass wir den Wahrhaftigen kennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in Seinem Sohne Jesu Christo. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“ 
2. 
Nach dem bisher Gesagten wird wohl kein Gläubiger  mehr in Abrede stellen, dass es nicht nur überaus  wichtig, sondern auch möglich ist, die Gewissheit der  Errettung zu erlangen, ja, dass ein jeder sich ihrer rühmen  darf, der in Wahrheit und Einfalt geglaubt hat an den  Namen des Sohnes Gottes. Vielleicht aber fallen diese Blätter auch solchen Lesern in die Hände, welche sich dieser unschätzbaren Gnade noch nicht erfreuen; und ihnen seien deshalb noch einige Zeilen gewidmet. Der  Herr aber segne dieselben an ihren Herzen für Zeit  und Ewigkeit! 
Teurer Leser! Ich setze voraus, dass du an das  Dasein Gottes glaubst, dass du die Bibel für das Wort  Gottes hältst und deshalb auch davon überzeugt bist,  dass es ein künftiges Gericht, eine gerechte Vergeltung  gibt, einen Zorn, welchem du entrinnen möchtest. Ich  setze weiter voraus, dass du jener großen Zahl von  Menschen angehörst, die den Wahrheiten des Christentums im allgemeinen ihre Zustimmung geben, die sich auch zuweilen oder selbst oft mit den ewigen Dingen  beschäftigen, für welche aber die ihr ewiges Los bestimmende Frage noch nicht entschieden ist. -  Heute hoffst  du, ein Christ zu sein, und morgen ist wieder alles dunkel um dich her; und wird einmal geradezu die Frage an dich gerichtet: „Bist du ein Christ? Bist du  deiner Errettung gewiss?“ so fühlst du plötzlich, dass  das noch eine ungelöste Frage für dein Herz ist.  
Ist das dein Zustand, mein Freund? Nun, so kann  ich nicht umhin, dich zu fragen: Wie ist es möglich, dass  du in solcher Ungewissheit fortleben kannst? Wärest du in des Wortes eigentlicher Bedeutung ein Ungläubiger,  verachtetest du, gleich vielen, den Namen Jesu und die  Gebote Gottes, triebest du Spott mit dem Gedanken an  eine Ewigkeit und ein kommendes Gericht — dann würde  ich, so beklagenswert dein Zustand auch wäre, deine  Sorglosigkeit in etwa begreifen können. Glaubt jemand  nicht an Gott, kein Wunder, wenn er die Gunst dieses Gottes nicht zu erlangen sucht. Erwartet ein Mensch  nichts von der Ewigkeit, kein Wunder, wenn er sich nicht  um sie kümmert. Und selbst wenn du, obwohl nicht  gerade ungläubig, in den Banden irdischer Beschäftigungen  oder in den Schlingen weltlicher Vergnügungen gefangen  lägest, so dass kein Gedanke an Gott und Ewigkeit in deiner Seele Raum fände — auch dann würde ich mich, so ernst und bedauerlich deine Lage wäre, über deine Sorglosigkeit nicht allzu sehr verwundern können. Wenn  du aber an die ewigen und göttlichen Dinge zu glauben.  bekennst, ja, selbst ein Verlangen nach Heil und Errettung  zur Schau trägst, wie ist es dann möglich, von  Woche zu Woche, von Monat zu Monat, von Jahr zu  Jahr in solcher Ungewissheit weiter zu leben?  
In anderen Dingen ist Ungewissheit dir unerträglich.  Hast du schon einmal am Sterbebett eines geliebten  Menschen, deines Kindes, deiner Gattin, deiner Mutter,  gestanden? Nicht wahr? wie hingen da mit ängstlicher  Spannung deine Blicke an den Lippen des Arztes, um  dessen Ausspruch zu hören und so dem unerträglichen Zustand des Schwedens zwischen Hoffen und Bangen enthoben  zu werden! Oder hast du einmal den Verhandlungen  eines Gerichtshofs in einer wichtigen Angelegenheit beigewohnt und warst zugegen, als der Richter sich erhob,  um den Urteilsspruch, vielleicht das Todesurteil, über  einen Gefangenen auszusprechen? Wie stockte da fast der  Atem den dem Urteil entgegenharrenden Zuhörern!  Wie klopften die von Furcht und Hoffnung gefolterten  Herzen derer, die dem Gefangenen im Leben nahe gestanden! Starr und stumm hingen ihre Blicke an den  Gesichtszügen des Richters, als wollten sie das Urteil herauslesen, noch bevor der Mund es ausgesprochen  hatte. Und wer kann sich eine Vorstellung machen von  den Gefühlen, die das Herz des unglücklichen Gefangenen durchwogten!“ 
Solche Augenblicke und Auftritte sind ergreifend, ihre Eindrücke tief und nachhaltig; aber doch stehen sie in gar keinem Vergleich mit dem erschütternden Ernst der  Ewigkeitsfragen. Ach! wenn du wirklich glaubst an einen  Gott, einen Himmel, eine Hölle, an einen Erlöser, der  zum Heile verlorener Sünder starb, wie kannst du dann  noch einen Augenblick Ruhe haben ohne die Gewissheit,  dass dieser Erlöser auch dein Erlöser, und dass die Hölle  für dich verschlossen und der Himmel deine selige Wohnung  ist für alle Ewigkeit? Wie kannst du essen, trinken,  schlafen, deinen Geschäften nachgehen, so lange die Frage  deiner ewigen Zukunft nicht in befriedigender Weise entschieden ist? 
O bedenke es, mein lieber, unbekehrter Freund,  dass Gott in diesem Augenblick nur mit zürnendem Blick?  auf dich herniederschauen kann, und dass der Pfad, auf dem dein eilender Fuß sich vorwärtsbewegt, unausbleiblich  der Hölle entgegenführt! 
Aber vielleicht wendest du ein: „Ob das wirklich  so ist, weiß ich nicht. Ich bin zwar ungewiss über das  Ziel. meines Weges, aber ich hoffe doch, den Himmel zu erreichen.“ Ändert das etwas an der Sache? Denke dir,  du wärest in Köln und stiegest in einen Eisenbahnzug.  Der Zug setzt sich in Bewegung, und ein Mitreisender  fragt dich: „Wohin geht die Reise, mein Freund?“ – „Ich denke, nach Düsseldorf.“ — „Wie, nach Düsseldorf?  Das muss ein Irrtum sein; dieser Zug fährt nach Mainz.'' — „Das will ich nicht hoffen“, wendest du ein, „dann hätte man mich ja falsch berichtet; ich erwarte ganz bestimmt in Düsseldorf anzukommen.“ — „Nimmermehr“, entgegnet der Fremde. „Düsseldorf liegt hinter Ihnen; jede Minute bringt Sie weiter von Ihrem Ziele ab und näher nach Mainz hin. Ich kann Ihnen nur  raten, an der nächsten Haltestelle auszusteigen.“  
Das Beispiel ist so einfach, dass es keiner Erklärung  bedarf. Wenn du in verkehrter Richtung reisest, so wird  die Sache nicht dadurch geändert, dass du über deinen  Weg im Ungewissen bist. Und dennoch kannst du sorglos  vorangehen, unbekümmert um deine Ungewissheit, ob du  dich auf dem Wege zum Leben oder zum Tode befindest?  Ach! mit viel größerer Schnelligkeit, als die Dampfkraft  dich fortzubewegen vermag, eilst du der ewigen Seligkeit oder der ewigen Qual entgegen. Und aus die Frage:  „Wohin geht die Reise, mein Freund?'' antwortest du: „Ich denke, zum Himmel“. Und macht man dich darauf  aufmerksam, dass du, ohne es zu wissen, auf dem Wege  zum ewigen Verderben bist, erwiderst du: „Das will ich  nicht hoffen. Ich denke bestimmt, das gute Ziel zu  erreichen.“ 
Lieber Leser, lass dich dringend bitten, lass dich bewegen, betreffs deiner Errettung nicht länger in Ungewissheit voranzugehen! Der Gedanke an die Ewigkeit  ist zu ernst, als dass du es wagen könntest, dich noch  weiter mit der armseligen, aber so gebräuchlichen Ausrede zu täuschen: ,,Ich hoffe, selig zu werden. Ich  denke, dass ich auf dem richtigen Wege bin.'' —  Nein, entweder haben wir Vergebung, oder wir haben  sie nicht. Entweder sind wir Kinder Gottes durch den Glauben an Jesum Christum, oder wir sind noch Kinder des Zorns wie die übrigen. Die Möglichkeit, deinen Zustand mit Gewissheit zu erkennen,  ist da.

 Ruhe nicht, bevor du ihn kennst! Mache keine eitlen Ausflüchte mehr! Stände dein Haus in  Flammen, so würdest du keinen Augenblick zögern, die  Brandwache zu Hilfe zu rufen. Brächte die Post dir  einen Brief, der dich, bis ein zweiter käme, in Ungewissheit  ließe, ob du dich für bankrott erklären und dann mit  Weib und Kindern den Bettelstab ergreifen müsstest, wahrlich, du würdest in der Zwischenzeit keine Minute Ruhe haben. Vernähmest du, dass das Schiff, auf welchem dein einziges Kind sich befand, untergegangen und nur wenige Personen gerettet seien, du würdest  sicherlich mit verzehrender Sorge Erkundigungen einziehen.  
Was aber ist dies alles im Vergleich mit dem, worüber du bis jetzt keine Gewissheit gesucht hast! An  Gott zu denken, ohne zu wissen, ob Er dein Vater in Christo ist, — zum Himmel emporzublicken, ohne zu  wissen, ob dort ein Erbteil für dich bereit liegt, — zur  Hölle hinabzuschauen mit dem Bewusstsein, sie verdient zu haben, ohne zu wissen, ob du der Verdammnis  entronnen bist, — an die Nähe des Todes oder an die  baldige Wiederkunft Christi zu denken, ohne zu wissen,  ob Er dich angenommen hat, oder ob Er dich für ewig  aus Seinen Augen verbannen wird, — am Abend dich  zur Ruhe niederzulegen, ohne zu wissen, ob du am  nächsten Morgen deine Augen wieder aufschlagen oder  in der ewigen Qual erwachen wirst, — sage, mein  lieber Leser, wie ist es möglich?! O möchtest  du nicht länger so vorangehen! Wache auf, wache auf!  Lass es dir doch endlich ernst werden! O wie glücklich  würdest du sein, wenn auch du die Schriftstellen, die wir  im ersten Teil unserer Abhandlung betrachtet haben, im  Glauben auf dich anwenden könntest! Welch eine Gewissheit  genossen jene Christen, an welche die Apostel schrieben, und welch eine Gewissheit genießen heute alle, die dem  Evangelium einfältig glauben! Auch du kannst sie haben,  umsonst haben. „Wer an den Sohn glaubt, hat  ewiges Leben.“

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Mein Element

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 112ff

Mein Element sei Gottes Vaterwille,
darin ich leben, wirken kann und ruhn;
in Seiner Gegenwart glücksel`ger Stille
erkenne ich Sein väterliches Tun.
Ob Er dem Kind mit Züchtigung begegnet,
ob große Wohltat Er ihm zugewandt;
Ob Er ihm vorenthält – es ist gesegnet;
In allem waltet Seine Vaterhand.

Wie sollte ich noch einen Willen haben,
da Du, mein Vater, einen für mich hast;
der Du gedenkst der Sperlinge und Raben
und meine Haare all gezählet hast?
Nein, kindlich dankbar lass mich Dir vertrauen,
Dein Wille sei mir Trank und Speise nur;
Als Jesu Jünger lehr mich aufwärts schauen,
und stille folgen Seiner Füße Spur.

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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 113ff

KAPITEL 6 Der Tempel

Vierhundertundachtzig Jahre waren seit dem Auszug aus Ägypten verflossen; der Zweck Jehovas in der Erlösung Seines Volkes war erreicht. Was Israel am Ufer des Roten Meeres gesungen hatte, wird endlich zur Wirklichkeit: "Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils, die Stätte, die du, Jehova, zu deiner Wohnung gemacht, das Heiligtum, Herr, das deine Hände bereitet haben" (2. Mose 15,17). Die beiden Dinge, von welchen in dieser Stelle gesprochen wird, sind vorbildlich durch David und Salomo verwirklicht worden. David hatte für den Bau des Tempels alles vorbereitet (1. Chron. 22, 14). Weiter waren ihm die Pläne des Gebäudes und seines ganzen Inhalts „durch Schrift' mitgeteilt worden (Vergl. 1. Chron. 28, 11-19). Diese Pläne übergibt David dem Salomo, und der baut das Haus. Der Retter bereitet vor; die Hände des Herrn bauen. Das von Gott für Seine Wohnung bei den Menschen und zur Erfüllung aller Seiner Ratschlüsse vorbereitete Material ist die Frucht der Leiden und der Verwerfung des wahren David; Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, errichtet das Gebäude und sagt: „Auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen".
Bevor wir auf den Bau des Tempels näher eingehen, ist es nötig, mit einigen Worten der Bedeutung dieses Gebäudes zu gedenken.
Der Tempel (wie auch die Stiftshütte) war die Wohnung Gottes in der Mitte Seines Volkes, das sichtbare Zeichen Seiner Gegenwart. Hier befand sich Sein Thron, die Bundeslade, wo Er Sich zwischen den Cherubim niedergelassen hatte. 

Die Lade enthielt die Gesetzestafeln, das Zeugnis des Bundes zwischen Jehova und Seinem Volke. Dieser Bund war von seiten Gottes mit gewissenhafter und unveränderlicher Treue beobachtet worden, aber er war auf Bedingungen gegründet. Solange Israel diese Bedingungen erfüllte, blieb Gott in der Mitte Seines Volkes. Wenn es ungehorsam wurde, war Jehova gezwungen es zu verlassen, Seinen Thron und Sein Haus in Israel aufzugeben. 
Der Tempel war der Mittelpunkt des Gottesdienstes. Man nahte Gott in Seinem Tempel vermittelst der Opfer und des Priestertums. Dennoch blieb Gott tatsächlich unnahbar, weil der Mensch im Fleische Ihm nicht nahen konnte. Der Weg ins Heiligtum, obwohl im Vorbilde enthüllt, war noch nicht geoffenbart . Das Werk Christi allein konnte ihn einweihen.
Der Tempel, der Ort des Gottesdienstes, war auch der Mittelpunkt der Regierung Israels. Gott war der Regierende. Der König war nur der verantwortliche Vertreter des Volkes vor Gott und der Ausführer der Willensäußerungen Jehovas in Seiner Regierung.
Von dem Augenblick an, da Gott Sich ein irdisches Volk erworben hatte, war eine Hütte oder ein Tempel unentbehrlich und wurde der Mittelpunkt ihres ganzen politischen und religiösen Lebens. Sobald das Volk "LoAmmi" (Nicht=mein=Volk) genannt wird, verlässt die Herrlichkeit Gottes den Tempel, welcher schließlich, nachdem er einige Male zerstört und wieder aufgebaut worden ist, verschwindet. Doch wenn dereinst die unfehlbaren Beziehungen Jehovas zu Seinem Volke unter dem neuen Bunde der Gnade wiederhergestellt sein werden, wird der Tempel wiedererscheinen, und zwar herrlicher als er jemals gewesen ist. 
Der Tempel hat, gleich der Stiftshütte, auch eine vorbildliche Bedeutung. Er stellt den Himmel, das Haus des Vaters, dar, und wir können deshalb die verschiedenen Symbole auf die Beziehungen anwenden, in welchen wir heute als Christen zu Gott stehen. Alles was sich in dem Tempel befand, war nur ein Abbild der geistlichen Dinge, welche das Teil der Christen sind, wie wir zu sehen reichlich Gelegenheit haben werden.*15) 
Da der Tempel die Wohnung Gottes ist, so ist er notwendigerweise auch die Wohnung derer, welche Ihm angehören (Joh. 14, 2; 4, 21-24). Darum sehen wir, dass bei dem Tempel Salomos die Zimmer der Priester mit dem Hause ein Ganzes bildeten. Dies führt uns dahin, auf einen beachtenswerten Unterschied in der Art der Beschreibung des Tempels in 1. Kön. 6 und 2. Chron. 3 hinzuweisen.

 Im 1. Buch der Könige bilden die Wohnungen der Priester einen Teil des Hauses; 2. Chron. 3, 9 erwähnt sie nur nebenbei und ohne auf ihre Verbindung mit dem Hause aufmerksam zu machen. Ferner fehlen im 1. Buch der Könige die beiden wichtigsten Teile des jüdischen Systems, der Altar und der Vorhang, vollständig, während die Chroniken sie erwähnen. Ohne sie konnte man Gott nicht nahen. Nach diesen Tatsachen können wir im Voraus schließen, dass die Bücher der Könige uns den Tempel mehr als Wohnort darstellen, die Chroniken dagegen als Ort des Hinzunahens. Wir werden diesen Charakter bei der Betrachtung dieser Kapitel im Auge behalten müssen. 
Der Tempel, als Ganzes betrachtet, ist auch das Bild der christlichen Gemeinde, der Kirche, des geistlichen Hauses, des heiligen Tempels, der Behausung Gottes im Geiste.*16)
Schließlich ist der Tempel Christus. Brechet diesen Tempel ab", sagte Er, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten." Er war hienieden der Tempel, in welchem der Vater wohnte (Joh. 14, 10). Doch wenn der Tempel im allgemeinen Christus ist, so stellen auch alle seine Teile unter ebenso vielen verschiedenen Charakterzügen Ihn dar. Die Bundeslade mit dem Gesetz in ihrem Inneren, der Sühndeckel auf der Lade, der Vorhang, alle Gegenstände im Heiligtum und im Vorhof, bis zu den Wänden und den Grundlagen des Gebäudes  alles, durchaus alles, redet (wie in der Stiftshütte in der Wüste) zu uns von Ihm. Alles stellt uns Seine Herrlichkeiten dar, die Wirksamkeit Seines Werkes, das Licht Seines Geistes, den Wohlgeruch Seines Namens, den Wert Seines Blutes, die Reinheit, die Heiligkeit, die Herrlichkeit Seiner Person. Nach welcher Seite wir uns wenden mögen, auf welchen Gegenstand in diesem wunderbaren Gebäude unser Auge fallen mag, überall finden wir die Vollkommenheiten Dessen wieder, an dem der Vater Sein völliges Wohlgefallen findet und in welchem Er Sich uns geoffenbart hat. Wenn wir in das Haus des Vaters eintreten, so geschieht es, um dort die vollkommene Offenbarung von allem, was Er ist, in der Person Seines Sohnes zu finden. 
Lasst uns nun im einzelnen die Unterweisungen unseres Kapitels betrachten.
„Und das Haus, das der König Salomo Jehova baute: sechzig Ellen war seine Länge, und zwanzig Ellen seine Breite, und dreißig Ellen seine Höhe." Auf den ersten Blick könnten die Größenverhältnisse des Tempels in Erstaunen setzen, denn sie sind nichts weniger als gewaltig. Diese Tatsache hat sogar die Ungläubigen befremdet. Die Abmessungen des Tempels Salomos bleiben weit hinter denen der riesenhaften Heiligtümer Ägyptens zurück. Es ist eben nicht die Größe, welche das Haus Gottes kennzeichnet, sondern die Heiligkeit, die vollkommene Ordnung, die Gerechtigkeit, die Herrlichkeit, das heißt die gleichmäßige Verteilung und Harmonie aller Vollkommenheiten Gottes. 

Die Abmessungen des Tempels waren in Länge, Breite und Höhe genau das Doppelte derjenigen der Stiftshütte, aber das Verhältnis der verschiedenen Teile zueinander blieb dasselbe. Die Stiftshütte konnte während des Zuges durch die Wüste als etwas verhältnismäßig Unwichtiges erscheinen im Vergleich mit dem, was das Haus Gottes in Herrlichkeit sein sollte; aber der ganze Plan Gottes, die ganze Ordnung Seines Hauses fand sich schon in diesem Übergangsgebäude und musste darin geoffenbart sein. So verhält es sich auch mit der Kirche; darum wird dem Timotheus gesagt: "Dieses schreibe ich dir in der Hoffnung, bald zu dir zu kommen; wenn ich aber zögere, auf dass du wissest, wie man sich verhalten soll im Hause Gottes, welches die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit" (1.Tim. 3, 14. 15). In der Herrlichkeit wird die Ordnung der Regierung des Hauses völlig geoffenbart werden, wie wir dies in der Beschreibung des neuen Jerusalem in Verbindung mit dem Reiche sehen (Vergl. Offbg. 21).
Wenn man ferner die Weise, in welcher der Tempel gebaut wurde, sorgfältig betrachtet, So kann man, abgesehen von der erstaunlichen Übereinstimmung seiner Abmessungen mit denen der Stiftshütte, feststellen, dass der Tempel nach keinem anderen Modell gebaut worden ist, als jene. Wir betonen diesen Punkt nachdrücklich, weil die Menschen (deren Herz, oft ohne dass sie es meinen, von Unglauben gegen die Offenbarung Gottes erfüllt ist,) sich viel Mühe geben, zu ergründen, ob nicht die syrischen, assyrischen, ägyptischen oder babylonischen Tempel mehr oder weniger als Modell für den Tempel Salomos gedient haben, während er sich selbst als Modell gedient hat. Wäre das nicht des wahren Baumeisters dieses Tempels würdig, der alle Einzelheiten dem David geoffenbart hatte (1. Chron. 28), wie einst dem Mose diejenigen der Stiftshütte? Doch, was bei keinem menschlichen Werke möglich wäre, hier hatte jede dieser Einzelheiten eine göttliche Bedeutung, welche die Gedanken des Glaubens auf die Person und das Werk Christi hinlenkte.
Die Halle des Tempels und dessen einziger Zugang unterschied sich, was seine Abmessungen betrifft, von dem, was wir bei der Stiftshütte sehen. 2. Chron. 3, 4 sagt uns, dass ihre Höhe hundertundzwanzig Ellen betragen habe. Danach war sie also viermal so hoch wie das Haus selbst.
Rings um den Tempel  sein Eingang ausgenommen  befanden sich die Seitenzimmer, die Wohnung der Priester. Es gab nichts dergleichen bei der Stiftshütte in der Wüste. Damals konnte Gott ohne Zweifel herabsteigen, um in der Mitte eines Volkes nach dem Fleische unter der Bedingung zu wohnen, dass Er Sich in einem tiefen Dunkel verbarg. Er konnte aber nicht dem Menschen erlauben, zukommen und bei Ihm zu wohnen. Das letztere wird hier zur Wirklichkeit unter der herrlichen Regierung Salomos, wie es sich für uns verwirklichen wird, wenn der Herr uns ins Vaterhaus einführen wird.

 Wir Kinder Gottes gehören alle zu dieser Familie von Priestern, die ihren Wohnplatz rings um ihr Überhaupt haben wird, obwohl das Vaterhaus schon jetzt für unseren Glauben offensteht und wir dort wohnen können, während wir uns noch in dieser Welt befinden.
Die Wohnungen der Priester waren nicht von dem Hause zu trennen und bildeten ein Ganzes mit ihm, jedoch ohne einen seiner Teile in seiner Würde zu beeinträchtigen. Die Mauern des Tempels hatten Absätze, welche ein Auflegen des Gebälks gestatteten, ohne dass die Balkenköpfe in die Wände eingriffen. Auf diese Weise erhielt man ein völliges Anpassen der priesterlichen Zimmer an das Haus, ohne die Unversehrtheit des Gebäudes irgendwie preiszugeben. So werden wir in der Herrlichkeit wohnen. Die Tatsache unseres Dortseins, weit entfernt davon, die Vollkommenheit des Hauses Gottes abzuschwächen, wird nur dazu dienen, sie zu erhöhen. „Siehe, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott" (Offbg. 21, 3).
„Und das Haus wurde bei seiner Erbauung aus vollständig behauenen Steinen *17) erbaut; und Hammer und Meißel, irgendein eisernes Werkzeug, wurde nicht am Hause gehört, als es erbaut wurde." Man sah während der Errichtung des Tempels keine Spur von einem menschlichen Werkzeug. Er wurde in der Stille erbaut; man hörte weder Hammer noch Meißel. Es war das Werk Gottes; alles war vorher zubereitet. Die Steine, aus denen das Haus bestand, trugen denselben Charakter wie die Fundamentsteine, die ebenso wertvoll und vorher bearbeitet waren (Kap. 7, 9-12). So ist es auch mit der Versammlung (1. Petr. 2, 4. 5), insoweit ihre Erbauung nicht der Verantwortlichkeit des Menschen anvertraut ist (1. Kor. 3, 10-15). 
Doch diese Verantwortlichkeit ruhte auch auf Salomo in Verbindung mit der Erbauung des Hauses. Wie so viele andere hat auch er in seiner Verantwortlichkeit gefehlt und dadurch den Untergang seines Reiches herbeigeführt. „Und das Wort Jehovas geschah zu Salomo, indem er sprach: Dieses Haus, das du bauest, wenn du in meinen Satzungen wandeln wirst ... , so werde ich inmitten der Kinder Israel wohnen und werde mein Volk Israel nicht verlassen" (V. 11-13). Die Treue des Königs war die einzige Bedingung, welche Gott dafür stellte, dass Er Sein Volk nicht verlassen würde; die ganze Segnung des Volkes hing von der Erfüllung dieser Bedingung ab. 
Der Sprachort, das Allerheiligste, wie auch das Heiligtum (der Teil des Tempels vor dem Sprachort) waren mit Zedernholz bekleidet. Die Zeder ist im Worte das Bild der Majestät, der Höhe, der Dauerhaftigkeit und der Stärke. Es gab an den Mauern innerhalb keine einzige Stelle, die nicht damit bekleidet gewesen wäre. Der Stein kam nirgends zum Vorschein. Doch das Zedernholz selbst, sowie der Fußboden aus Zypressenholz, alles wurde vollständig mit Gold überzogen. Das Gold stellt in dem Worte stets die göttliche Gerechtigkeit und Herrlichkeit dar.
Das Haus bestand also aus wertvollen, vorher bearbeiteten Steinen und war errichtet auf den großen, wertvollen Steinen, welche die Grundlage bildeten.

 Das gab dem Tempel seinen Wert in Gottes Augen. Aber im Innern war alles fest, dauerhaft, daher unverderblich, der Größe und Majestät Jehovas würdig. Und diejenigen, welche in den Tempel eintraten, um bei Gott zu verweilen, erblickten um sich her nur göttliche Gerechtigkeit. ja, bis zu dem Boden, über den der Fuß hinschritt, war alles damit bekleidet. Zudem waren alle Geräte des Heiligtums entweder von Gold oder doch mit geläutertem Golde überzogen, wie der Räucheraltar, die Cherubim und die Türflügel des Allerheiligsten. 
Wie in der Stiftshütte in der Wüste, bildete das Allerheiligste einen vollkommenen Würfel: „Das Innere des Sprachortes: zwanzig Ellen die Länge, und zwanzig Ellen die Breite, und zwanzig Ellen seine Höhe".*18)
So wird es auch bei dem neuen Jerusalem sein: „Die Länge und die Breite und die Höhe der Stadt sind gleich " (Offbg. 21, 16). Das Ergebnis des Werkes Gottes ist vollkommen; es ist ihm nichts hinzuzufügen, noch etwas davon wegzunehmen. Alles ist geordnet nach den Gedanken des göttlichen Baummeisters. Das neue Jerusalem ist sozusagen ein ungeheures Allerheiligstes, wo Gott, wie in dem Sprachort des Tempels, wohnen kann, weil dort alles Seiner Heiligkeit und Seiner Gerechtigkeit entspricht. Man findet keinen Tempel in ihr. „Gott, der Allmächtige, ist ihr Tempel, und das Lamm"; aber sie entspricht selbst alledem, was es an Allerheiligstem in dem Tempel Gottes gibt. Das Heiligtum Gottes ist die Kirche in der Herrlichkeit. 
Wie wir bereits gesagt haben, wird der Vorhang hier nicht erwähnt. An seine Stelle tritt eine Tür von Ölbaumholz (V. 31), aus zwei mit Gold überzogenen Türflügeln, ein freier und weiter Zugang, welcher dem Blick erlaubt, in das Allerheiligste einzudringen, obwohl, der Herrschaft des Gesetzes entsprechend, noch goldene Ketten vor dem Sprachort ausgespannt sind (V. 21). 
Die Cherubim spielen eine große Rolle im Tempel. Die Cherubim auf der Bundeslade waren aus einem Stück mit dem Deckel und überschatteten diesen. Sie blickten hin auf das, was in der Lade verborgen war, auf den Bund des Gesetzes, der, auf steinerne Tafeln geschrieben, dort niedergelegt war. Die Cherubim, zwei an der Zahl, waren die Zeugen von dem, was die Lade enthielt (Matth. 18, 16). 

Sie waren zugleich die Merkmale der richterlichen Macht Gottes. Diese Merkmale sicherten den Bund. Von Seiner Seite beobachtete Gott ihn treu durch alles, was Ihn in Seiner Regierung kennzeichnete.*19) Die Bundeslade und die Cherubim der Stiftshütte waren in den Tempel gebracht worden. Unter der Bedingung, dass der König seinerseits treu war, blieb Gott auf Seinem Thron zwischen den Cherubim sitzen und beobachtete, an Seinem Teile treu, den mit Seinem Volke geschlossenen Bund. 
Der Tempel enthielt aber noch zwei andere Cherubim, jeder zehn Ellen hoch, welche mit ihren ausgebreiteten Flügeln an der einen Seite einander, und an der anderen Seite die Wand des Heiligtums berührten. "Ihre Angesichter waren dem Hause zugewandt" (2. Chron. 3,13), d. h. sie blickten aus dem Heiligtum hinaus.

 Sie schauten nach außen, weil unter der Regierung der Herrlichkeit diese richterlichen Merkmale Gottes, die für den sündigen Menschen erschreckend sind, in Segen auf ihn blicken können. In unserem Kapitel, in welchem es sich um das Wohnen bei Gott handelt, werden uns die Cherubim nicht als nach außen blickend dargestellt. 
Noch einige andere Einzelheiten der Ausschmückung erfordern unsere Aufmerksamkeit. Die Wände waren innerhalb und außerhalb mit Cherubim und Palmen und aufbrechenden Blumen geschmückt. Die Cherubim sind, wie wir gesehen haben, die Merkmale des gerechten Gerichts Gottes. Die „lebendigen Wesen" der Offenbarung (Kap. 4, 6) sind Cherubim und stellen dar: der Löwe  die Kraft, das Kalb (oder Stier)  die Festigkeit oder Beharrlichkeit, der Mensch  die Einsicht der Adler  die Schnelligkeit der Gerichte und der Regierungswege Gottes (Offbg. 4 und 5). In den Kapiteln, die uns beschäftigen, haben die Cherubim wohl mehr den Platz von einsichtsvollen Wesen. Wir lesen nichts von den Merkmalen der Kraft (Löwe) oder der zähen Beharrlichkeit (Stier); es sind einfach "die Cherubim". 

Der Adler wird gar nicht erwähnt, weder bei der Ausschmückung des Tempels noch der Becken des Vorhofs, weil der Adler die Schnelligkeit der Gerichte darstellt und sich nicht auf eine befestigte und friedliche Regierung anwenden lässt. Kap. 7, 29 liefert den Beweis hierfür: "Auf den Feldern ... waren Löwen, Rinder und Cherubim". Einsicht in die Regierung Gottes schmückt also das Haus Gottes. Die Hinzunahenden können sie sehen in allen Einzelheiten des göttlichen Gebäudes. Alle Wege Gottes in Seiner Regierung geben Zeugnis von dieser Einsicht, von dieser unendlich verschiedenartigen Weisheit. 
Die Palmen oder Palmenzweige haben in dem Wort auch ihre Bedeutung. Wenn der Herr als König des Friedens in Jerusalem einzieht, tragen die jünger Palmzweige vor Ihm her. Das ist das Zeichen des friedlichen Triumphs einer Herrschaft, die errichtet werden soll. Ebenso trägt die unzählbare Menge in Offenbarung 7 Palmen in den Händen, indem sie den Triumph des Lammes feiert. Die Palmbäume von Elim sind das Zeichen der friedlichen Beschirmung in der Wüste; der Palmzweig in Jes. 9, 14 eine Beschirmung, unter der man Schutz sucht; Palmzweige wurden benutzt am Laubhüttenfest, dem Sinnbild der tausendjährigen Festfeier, wo das Volk unter Zweigen von Palmen und anderen grünen Bäumen an der allgemeinen Ruhe des Reiches teilnehmen wird, jedoch nicht ohne sich der Prüfungsjahre der Wüste zu erinnern. Die Palmzweige waren also Sinnbilder des Friedens, der Sicherheit und des Triumphes der Herrschaft der Gerechtigkeit. 
Die aufbrechenden Blumen sind das Bild einer neuen Jahreszeit, des beginnenden Frühlings (Hohel. 2, 12). In Psalm 92, 12 und 13 sehen wir, dass „der Gerechte sprossen wird wie der Palmbaum . . . . Die gepflanzt sind in dem Hause Jehovas, werden blühen in den Vorhöfen unseres Gottes." Diese Symbole sind also einerseits Sinnbilder der Regierung und andererseits Bilder von denen, die zu ihr gehören. Es wird eine völlige Übereinstimmung bestehen zwischen den Herrlichkeiten der Regierung und denen, die daran teilnehmen werden, zwischen dem Hause des Vaters und denen, die darin wohnen.
Und das alles wird in völligem Einklang sein mit Christo, dem wahren Salomo. Denn „auf ihm wird ruhen der Geist Jehovas, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und Furcht Jehovas" (Jes. 11, 2). Er ist „der Wunderbare, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst“. (Jes. 9, 6). Er ist der wahre Sohn Davids, und auf Ihm wird Seine Krone blühen (Ps. 132, 18). 
Göttliche Einsicht, völliger Friede, Schönheit, Frische und Freude kennzeichnen also diesen ganzen Schauplatz, und auch wir werden, Christo ähnlich und mit Ihm, dem Träger all dieser Herrlichkeiten, vereinigt, daran teilnehmen.
Die Cherubim finden wir wieder mit den Palmen und Blumen auf den Türflügeln des Sprachortes (V.32). Wie der Vorhang, an dessen Stelle sie treten, stellen uns auch die Türflügel Christum dar, welcher durch die Hingabe Seiner Selbst uns den Zugang zu Gott geöffnet hat. Christus auf dem Kreuze ist Gottes Weisheit; durch Sein Kreuz treten wir in vollem Frieden, in völliger Freude ins Heiligtum ein, und können dort mit Verständnis das Lamm preisen, das geschlachtet worden ist.
In den aufbrechenden Blumen und Koloquinthen (V. 18) erblickt man die Darstellung eines fortwährenden Blühens, eines Lenzes voller Frische und Schönheit, in Beziehung zu der Ruhe Gottes das Bild einer ewigen Freudenzeit, bedeckt und beschützt von der göttlichen Herrlichkeit in dem Tempel Gottes, der für uns das Vaterhaus ist!
Fußnoten:
*15) Noch manche andere, ins einzelne gehende Betrachtungen werden sich uns im Laufe dieses und des folgenden Kapitels von selbst darbieten.
*16) Die folgenden Seiten werden daher notwendigerweise eine beständige Vermengung des jüdischen und christlichen Elements darstellen.
*17) Wörtlich aus vollständigen Steinen des Steinbruchs, das heißt aus Steinen, die im Bruch gleich fertig zugerichtet wurden. (Anmerkung des Übersetzers.)
*17) Das Haus selbst war dreißig Ellen hoch (V. 2). Es ist eine bemerkens­werte Tatsache, dass der von Hesekiel beschriebene Tempel des Tausendjährigen Reiches trotz der ungeheuren Ausdehnung seines äußeren und inneren Vorhofs und der äußeren Maße des Gebäudes, welches mit seinen Zimmern eine Länge und Breite von hundert Ellen erreichen wird (Hesekiel 41, 13 und 14), in Bezug auf das Heilige und das Allerheiligste die Maße des Tempels Salomos nicht überschreiten wird. Das sind unveränder­liche Maße. Was von Anfang an im Plane Gottes lag, das muss sich ohne Änderung und Entwicklung im Zeitalter der Herrlichkeit Christi verwirklichen. Die Maße des Ganzen können sich der zukünftigen Größe dieser Herrschaft anpassen; aber das Heiligtum bleibt dasselbe.
*19) Wir werden bei der Betrachtung der Ausschmückung des Tempels und des Vorhofs auf diese Merkmale zurückkommen.

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Die Entrückung durch den Bräutigam und das Kommen mit dem König.

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 127ff 
Der Herr Jesus Christus kommt wieder! Bist du dir dessen bewusst, teurer Leser? 
Tausende in Stadt und Land, unter hoch und niedrig, sind aufgewacht zur Erkenntnis dieser ernsten und doch so gesegneten Tatsache. Und mögen auch die „Spötter“ der letzten Tage fragen: „Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft“ (2. Petr. 3, 4) und der „böse Knecht in seinem Herzen sagen: Mein Herr verzieht zu kommen“ (Matth. 24, 48), wird doch „der Kommende kommen und nicht verziehen“ (Hebr. 10, 37). „In der Stunde, in welcher ihr es nicht meiner, kommt der Sohn des Menschen“ (Matth. 24, 44). 
Mehr und mehr bricht sich in unverkennbarer Weise in den Herzen des Volkes Gottes die Überzeugung Bahn, gegründet auf die Wahrheiten des göttlichen Wortes, dass die Geschichte der Kirche hienieden ihrem Ende nahe ist, und dass der Herr Jesus bald erscheinen wird, um Seine Braut in das Vaterhaus droben einzuführen. 
Mein Leser, ist auch für dich diese wichtige und ernste Sache, mit allem, was sie in sich schließt, eine lebendige Wirklichkeit geworden? Wenn nicht, so möge der Herr durch die Macht Seines Heiligen Geistes diese wenigen Zeilen dazu benutzen, deine Seele aufzuwecken, ,,damit Er nicht, plötzlich kommend, dich schlafend finde“ (Mark. 13, 36). Es gibt in Verbindung mit diesem Gegenstande vier Dinge, die ich in dem Nachstehenden kurz erläutern möchte: 
1. Die Verheißung Seines Kommens.
 2. Die Person, welche kommt. 
3. Der Zweck Seines Kommens. 
4. Die Vorbereitungen für Sein Kommen. 
1. Die Verheißung Seines Kommens. 
Es hat eine Zeit gegeben, wo das Kommen des Herrn in diese Welt als der demütige Dulder noch eine unerfüllte Prophezeiung bildete. Viele Geschlechter waren gekommen und gegangen; mächtige Reiche waren erstanden und wieder in den Staub gesunken; Israel und Juda waren „zerstreut“ oder in die Gefangenschaft geführt worden; ein Überrest des Volkes war in sein Land zurückgekehrt; aber der Verheißene Messias war nicht erschienen. Die Mehrzahl jenes aus der babylonischen Gefangenschaft heimgekehrten Überrestes hatte sich, nach vielen Stürmen, im Lande behaglich eingerichtet und die Verheißung von Ihm, der in die Welt kommen sollte, nahezu vergessen. Da, siehe, entstand eines Morgens große Aufregung in Jerusalem. Besucher aus fernem Lande waren gekommen und hatten die wunderbare Kunde gebracht, dass der langverheißene König geboren sei. Das war eine Neuigkeit! Von dem Palaste des Herodes bis zu den Priestern im Tempel, und von den Priestern bis zu dem Volke auf den Straßen und Plätzen der Stadt muss sie sich mit blitzartiger Schnelligkeit verbreitet haben. 
Aber wie wurde diese Kunde aufgenommen? Stimmten nicht die Söhne Zions einen gemeinsamen, gewaltigen Lobgesang an zur Ehre Gottes, weil Er nun endlich Sein Wort erfüllt und den Messias gesandt hatte? Strahlte nicht jedes Antlitz vor Entzücken, und hüpften nicht die Herzen vor Freude? Ach nein! Das Gegenteil war der Fall. Traurigkeit erfüllte die Stadt. „Der König Herodes ward bestürzt, und ganz Jerusalem mit ihm“ (Matth. 2, 3). 
Aber warum war das so? Nun, wenn die Juden jener Tage überhaupt etwas aus den Schriften über die Angelegenheit wussten, dann müssen sie die Vorhersagung des Jesaias gekannt haben, dass der kommende König in Gerechtigkeit regieren werde (Jes. 32, 1). Das war aber eine ernste Sache. Denn obwohl zu jener Zeit in Jerusalem viel Selbstgerechtigkeit zu finden war, trugen doch ohne Zweifel die meisten das Bewusstsein in der Brust, dass sie für die Gegenwart des Gerechten nicht bereit waren. Deshalb rief die Kunde, welche jedes Herz in Jerusalem von Dankbarkeit und Freude hatte schwellen machen sollen, nur Furcht und Bestürzung wach. 
Immerhin, Er war gekommen, mochten sie zu Seinem Willkommen bereit sein oder nicht. Er war gekommen, um den Vater zu offenbaren. Er war gekommen, nicht nur als der Messias Israels, sondern auch als der „Heiland der Welt“. Der Leser kennt den Verlauf Seiner irdischen Geschichte. Gottes „Geliebter“ wurde gehasst und verworfen, und Sein wunderbarer Pfad hienieden fand seinen Abschluss auf Golgatha, wo Er „durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geheftet und umgebracht“ wurde. 
So hatte Gott insoweit die den Vätern gegebene Verheißung erfüllt, indem Er Jesum sandte; und sie hatten die prophetischen Schriften erfüllt, indem sie Ihn richteten. (Apstgsch, 13, 27. 32. 33.) Kurz vor Seinem Tode jedoch wurde der Verheißene selbst ein Verheißer. 
Die geliebten Jünger waren noch einmal um ihren Herrn versammelt. Judas, der Verräter, hatte sich eben entfernt. Das Kreuz warf seine finsteren Schatten voraus, bis in den Obersaal, wo die Jünger mit Jesu zu Tische lagen. Er hatte ihnen gerade eine Andeutung darüber gemacht, dass die Stunde Seines Leidens und Sterbens ganz nahe sei. Welch ein Augenblick war das! 130
Suchen wir uns die traurigen, bestürzten Gesichter vorzustellen, wie sie mit dem Ausdruck begieriger Spannung dem geliebten Herrn und Meister zugewandt sind, um sich keines Seiner Abschiedsworte entgehen zu lassen!“ „Euer Herz werde nicht bestürzt“, beginnt Er. „Ihr glaubet an Gott, glaubet auch an mich“. Es ist, als ob Er hätte sagen wollen: „Ihr habt auf Gott vertraut, ohne Ihn zu sehen, und so setzet jetzt, da ich von euch gehe, dasselbe Vertrauen auf mich. Gott hat euch durch die Propheten eine Verheißung gegeben, und Er hat sie treu erfüllt, indem Er mich sandte; jetzt stehe auch ich im Begriff, euch eine Verheißung zu geben, und nun müsst ihr, bezüglich der Erfüllung derselben, auch mir vertrauen. 
Doch worin bestand diese neue Verheißung? 
Lies Joh. 14, 2 u. 3, und du wirst es sehen. Es heißt dort: „In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben; denn ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet.“ 
Wie ist dieses „Wiederkommen“ zu verstehen? Man könnte sicherlich keinen gröberen Irrtum begehen, als anzunehmen, dass mit diesem Seinem zweiten „Kommen“ der „Tod“ gemeint sei. Ich möchte ein Bild gebrauchen, um den Unterschied klar zu machen. 

Ein liebender Vater hat sein Söhnchen in ein Knabeninstitut gebracht, das weit von dem Heimatort entfernt liegt. Es ist das erste Mal, dass der Kleine für längere Zeit von Hause getrennt sein soll. Beim Abschied bemerkt der Vater, welch ein Kampf in dem Herzen des armen, kleinen Burschen entbrennt, wie er seine ganze Kraft zusammennehmen muss, um dies Tränen zurückzuhalten. Um ihn zu trösten, sagt er: „Komm, mein Junge, fass dir ein Herz! Sieh, jetzt muss ich dich verlassen und nach Hause zurückkehren; aber sobald die Schulzeit zu Ende ist und die Ferien beginnen, werde ich selbst wiederkommen und dich nach Hause holen.“ 
Könnte wohl irgend ein Zweifel darüber bestehen, was der Vater seinem betrübten Söhnchen durch diese Worte mitteilen will? Sicherlich nicht. Nun, die Sprache des Herrn an Seine trauernden Jünger bei dem bedeutungsvollen Wendepunkt, von dem wir reden, ist nicht weniger klar und über jeden Zweifel erhaben.
 Er sagt nicht: „Ich gehe jetzt in den Himmel; aber ihr werdet sterben und dann zu mir dorthin kommen“, sondern: „Wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen“. 
Von den Christen, welche durch den Tod abgerufen werden, spricht die Schrift in 2. Kor. 5, 8 als „ausheimisch von dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn“. Bei dem Kommen des Herrn aber werden die Gläubigen nicht „ausheimisch von dem Leibe“ sein, oder, wie Vers 4 es ausdrückt, „entkleidet« werden; ihre Leiber werden vielmehr umgestaltet werden „zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit“ (Phil. 3, 21; 1.Kor. 15, 52). In einem Nu, in einem Augenblick, werden „die Toten in Christo“ auferweckt und die Lebenden „verwandelt“ werden. So wird denn das Kommen des Herrn, anstatt den Tod zu bedeuten, gerade das ungeschehen machen, was der Tod seit beinahe sechstausend Jahren den Leibern des Volkes Gottes angetan hat. Welch ein Morgen des Sieges wird das sein, sowohl für Jesum, als auch für alle, die Ihn kennen! 
2. Die Person, welche kommt. 
Manche Seelen, welche die Lehre von dem Kommen des Herrn ein wenig kennen, beschäftigen sich mehr mit Ereignissen, die damit in Verbindung stehen und ihrer Meinung nach schon erfüllt sind oder noch erfüllt werden müssen, als mit der hochgelobten Person des Kommenden. Wie verkehrt das ist, möchte ich wieder an einem kleinen Beispiel nachzuweisen suchen. Eine Mutter steht auf der Mole eines Hafens und späht ängstlich auf die weite See hinaus. Sie hat vernommen, dass einige Transportschiffe, welche die Truppen des Königs von fernem Kriegsschauplatz zurückbringen, in Bälde ankommen müssen, und sie hofft sehnlichst, unter den zurückkehrenden Soldaten auch ihren vielgeliebten Sohn zu finden. Es sind umfassende Vorbereitungen für den Empfang der tapferen Krieger getroffen worden, und unmittelbar nach der Landung soll eine glänzende Truppenschau stattfinden. Aber diese Dinge haben für die Mutter sehr wenig Anziehungskraft.

 Militärmusik, wehende Fahnen, Ehrenpforten und dergleichen mögen einen bloßen Zuschauer wohl befriedigen; aber sie wartet auf ihren lieben Jungen. Seit seiner Ausfahrt hat sie Tag und Nacht nach ihm verlangt und um eine glückliche Heimkehr für ihn gebetet, und was könnte ihr so viel Freude machen, wie der Gedanke, ihn gesund zurück zu empfangen? Nicht als ob sie etwas dagegen einzuwenden hätte, ihn bei der kommenden Truppenschau geehrt zu sehen, durchaus nicht; sie hält ihn all der Ehren, die man ihm vielleicht antun wird, wert. Aber alles das wird erst stattfinden, nachdem er an Land getreten ist. Darum ist jetzt der alles beherrschende Gedanke ihres Herzensader: „Er kommt“. 
Nun, mein lieber Leser, wohl mögen heute gewisse Ereignisse stattfinden, welche anzuzeigen scheinen, dass die Zeit nicht mehr fern sein kann, wo die „Sonne der Gerechtigkeit“ aufgehen wird, und zwar aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln für den Überrest Israels, der den Namen Jehovas fürchtet, und mit verzehrendem Gericht für die Gottlosen. (In dem letzten Kapitel des Propheten Maleachi kannst du von jenem „großen und furchtbaren Tage Jehovas“ lesen, der „brennen wird wie ein Ofen“. Aber die unmittelbare· Hoffnung des Christen ist die Rückkehr Christi selbst, als des „glänzenden Morgensterns“, wie Er sich in Offbg. 22, 16 nennt. Unter Benutzung Seines stets kostbaren Namens sagt Er an jener Stelle: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch diese Dinge zu bezeugen in den Versammlungen. Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern“. 
Bekanntlich erscheint der Morgenstern vor dem Aufgehen der Sonne am Himmel, ja, zuweilen eine beträchtliche Zeit vorher. Nun, zwischen der Zeit, wo Jesus als der „Morgenstern“ kommt, und der Stunde, da Er als die „Sonne der Gerechtigkeit“ erscheinen wird, werden die schrecklichen Gerichte, von denen das Buch der Offenbarung berichtet, die Erde heimsuchen. Dann wird jene schreckliche Vollendung der Bosheit und Gesetzlosigkeit, der „Mensch der Sünde“, wie die Schrift ihn nennt, der Antichrist, auf dem Schauplatz erscheinen (vergl. 2. Thess. 2), und die „Zeit der Drangsal für Jakob“ (Jer. 30, 7) die ,,große Drangsal« (Matth. 24, 21. 22), wird kommen; aber auch ein gläubiger Überrest wird inmitten all dieses Furchtbaren bewahrt bleiben, gerade so wie einst die drei hebräischen Jünglinge in dem Feuerofen Nebukadnezars. Andererseits werden diejenigen aus der bekennenden Christenheit, welche „die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden“, von Gott selbst „einer Kraft des Irrtums“ hingegeben werden, „dass sie der Lüge glauben, aus dass alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“ (2. Thess. 2, 11. 12). 
In jenen Tagen werden freilich zahllose Zeichen geschaut werden, Zeichen von höchst erschreckendem Charakter; eine Fülle von herzbrechenden Kümmernissen, von Gesichten und Stimmen wird das härteste Herz verzagt machen, so das; die Menschen »den Tod suchen und ihn nicht finden werden, und zu sterben begehren werden, und der Tod flieht vor ihnen“ (Offbg. 9, 6). Aber vergessen wir nicht, das; alles das erst zu erwarten steht, nachdem der „Morgenstern“ aufgegangen ist, und nicht vorher; das will sagen, nachdem die Kirche, Seine himmlische Braut, von der Erde entrückt worden ist, um dem Herrn in der Luft zu begegnen. 
O lasst es uns nie vergessen, dass Er selbst es ist, der so bald wiederkommen wird, um Seine teure, erlöste Schar heimzuholen! Auf „Ereignisse« zu warten, anstatt auf Ihn, nimmt dem Herzen sehr viel von der Frische und dem Trost, welche im Blick auf diese himmlische Hoffnung das wahre Teil des Gläubigen sind. 

Leider ist es dem Feinde nur zu gut gelungen, bei vielen Gläubigen die gnädige Verheißung der Wiederkunft des Herrn zu einer Art von richterlicher Drohung werden zu lassen, während sie doch, wie wir in Joh. 14 sahen, seitens des Herrn als kostbarstes Labsal für die schwachen Herzen der zitternden Jüngers bestimmt war. Auch wenn der inspirierte Apostel in späteren Jahren seinen ersten Brief an die bedrängten und verfolgten Neubekehrten in Thessalonich schreibt, fügt er seinen Mitteilungen über das Kommen des Herrn den kurzen, aber bezeichnenden Satz hinzu: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten“. Folgen wir denn dieser Aufforderung und untersuchen wir ein wenig die Worte des Trostes, welche wir in 1. Thess. 4, 16 und 17 finden: „Der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und also werden wir allezeit bei dem Herrn sein.“ 
Beachten wir hier, dass es ein wirklicher, lebendiger Mensch, der Herr selbst, ist, welcher vom Himmel herniederkommen will. Ihm, dem Herrn selbst, sollten die gläubigen Thessalonicher in die Luft: entgegengerückt werden. Bei ihrer Bekehrung waren sie dahin belehrt worden, dass „derselbe Jesus“, der sie durch Seinen Tod und Seine Auferstehung „von dem kommenden Zorn“ errettet hatte, wiederkommen würde; und sie hatten sich daraufhin „von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und Seinen Sohn“ (nicht etwa die Erfüllung gewisser prophetischer Ereignisse) „aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thess. 1, 9. 10). Auch in seinem Briefe an die Philipper sagt Paulus: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesum Christum als Heiland erwarten“; das will sagen, die gläubigen Philipper standen auf der Warte nach einer Person, und diese Person war der wohlbekannte und geliebte Sohn Gottes, der Gegenstand ihres Vertrauens. 
Freilich, wo man diesen hochgelobten Heiland nicht kennt, wo man nicht auf Sein vollbrachtes Werk vertraut oder sich vor Seiner Autorität nicht beugt, da ist es kein Wunder, wenn die Kunde von Seinem baldigen Kommen das Gewissen mit Schreck und Bestürzung erfüllt, gerade so wie seiner Zeit in dem religiösen Jerusalem die Nachricht von Seiner Geburt das größte Unbehagen hervorrief. 
Aber bei dir, mein lieber Mitgläubiger, sollte es nicht so sein. Ganz gewiss sollten wir es uns eifrig angelegen sein lassen, unseren Wandel und unsere Wege Ihm, dem Kommenden, gegenüber angemessen zu gestalten, und wenn wir uns die Verheißung Seiner baldigen Rückkehr zu Herzen nehmen, so wird dies auch sicherlich der Fall sein. „Jeder, der diese Hoffnung zu. Ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie Er rein ist“ (1. Joh. 3, 3). Auch sollten wir nie vergessen, dass wir alle vor Seinem Richterstuhl offenbar werden müssen; dort wird unser ganzer Dienst für den Herrn offen daliegen, und „ein jeder wird seinen eigenen Lohn empfangen nach seiner eigenen Arbeit“. 

Aber dies wird, gleich dem Tage der „Truppenschau« in unserer kleinen Geschichte, ein späteres Ereignis sein. Wie überdies bei einer militärischen Parade die Soldaten alle in ihren besten Uniformen erscheinen, so werden auch wir vor Seinem Richterstuhl in Herrlichkeitsleibern stehen, Ihm gleichgestaltet, „verwandelt“ oder „auferweckt in Herrlichkeit“ (1.Kor.15, 43). Aberich wiederhole: Zuerst kommt Jesus für uns, um als ein liebender Bräutigam die Braut heimzuholen; in Verbindung damit gibt es für den wahren Gläubigen nichts zu fürchten, wenngleich der Hingebendste unter uns immer Ursache genug zur Demütigung und Herzensübung finden wird. 
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Friede und Fortschritt

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 138ff

Es gibt zwei Fragen, die für jeden Gläubigen von unberechenbarer Bedeutung sind. Sie lauten: Was ist die Grundlage des Friedens des Gläubigen, und worin besteht das Geheimnis seines Fortschritts?
Die Antwort auf die erste Frage ist die Annahme eines ganzen Christus (d. h. eines Christus in Seiner ganzen Fülle) für das Herz. Es ist unmöglich, beständigen Frieden zu genießen, ohne Christum in der Fülle Seiner Person und Seines Werkes im Glauben ergriffen zu haben; und umgekehrt ist es unmöglich, Christum so angenommen zu haben, ohne jenen Frieden zu besitzen. „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum" (Römer 5,1). Er ist unser Friede (Epheser 2,14).
Verstehst du das, teurer Leser? Hast du Christum in Seiner ganzen Fülle angenommen? Hast du all dein Genüge in Ihm gefunden, ohne eigenes Tun und Wirken, ohne dich auf eigene Gedanken und Gefühle zu stützen? Ruhst du in Christo allein? Wenn es der Fall ist, so kennst du die Grundlage des Friedens. Du hast die Erlösung durch das Blut Christi, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum der Gnade Gottes (Epheser 1,7).
Doch worin besteht das Geheimnis des Fortschritts eines Christen? Ohne Zweifel kann von einem Fortschritt oder Wachstum keine Rede sein, so lange eine Seele den Frieden, von dem wir soeben gesprochen haben, nicht genießt.

 So lange ich von Befürchtungen, Zweifeln und Fragen gequält werde, gleiche ich einer Meereswoge, die vom Winde hin und her bewegt wird, und von einem Zunehmen oder Wachsen kann keine Rede sein.
Aber wenn jene erste Frage bezgl. der Grundlage des Friedens geordnet ist, was ist dann das Geheimnis des Fortschritts? Es ist die Übergabe des ganzen Herzens an Christum. Wenn mein Herz ungeteilt für den Herrn schlägt, wenn ich bereit bin, Seinetwegen alles aufzugeben: meine Aussichten und mein Ansehen in dieser Welt, meinen Namen, meinen religiösen Charakter, meine Pläne und Wünsche, kurz alles, was mit mir und meinem Ich in Verbindung steht, so werde ich an meinem inneren Leben zunehmen. Der Äußere Mensch mag auf diesem Wege vielleicht verfallen, aber der innere wird erneuert von Tag zu Tag.
Aber hier ist der Punkt, wo es bei so vielen Gläubigen fehlt. Es mangelt an der heiligen Entschiedenheit für Christum, und darum die völlige, rückhaltlose Absonderung von der Welt; es fehlt der Herzensentschluss, bei Christo zu verharren, und darum der ernste Bruch mit allem, was dem Herrn nicht gefällt. Trifft das bei dir zu, lieber Leser? Wundere dich dann nicht, wenn es mit deinem inneren Wachstum nicht voran will.
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Ruhe in Jesu

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1907 S. 140ff

Mein Ruhplatz ist in Jesu Armen,
ich lehne mich an seine Brust;
oh, wer geschmeckt hat sein Erbarmen,
dem ist dies Plätzchen wohl bewusst,
wo unter seiner Flügel Schatten
man geht auf Gottes Blumenmatten.

Dort ruh ich aus an seinem Herzen,
o welch ein Glück – denn Ihm bekannt
sind alle Kämpfe, alle Schmerzen,
noch eh mein Mund sie Ihm genannt;
Er wägt sie ab mit rechter Waage,
drum dank ich Ihm auch für die Plage.

Wie lieblich tönen doch die Worte:
Mein Joch ist sanft, die Last ist leicht!
Und nicht mehr lang, dann ist die Pforte
der Himmelsheimat auch erreicht;
dann wird ich den Herrn Jesus sehen,
verklärt zu seiner rechten stehen.

Mein Sehnen ist, Ihn dort zu schauen,
ich habe Lust, bei Ihm zu sein;
doch will ich gerne Ihm vertrauen,
bis Er mich führt zur Heimat ein,
weil ich schon jetzt zu allen Stunden
in Ihm die wahre Ruh gefunden.

J.H.

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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 141ff

KAPITEL 7, 1-12 Die Häuser Salomos

"Und an seinem Hause baute Salomo dreizehn Jahre, und er vollendete sein ganzes Haus. „Salomo hatte sieben Jahre gebraucht, um das Haus Jehovas zu bauen. Man erkennt daraus den Eifer, den er diesem Werke zuwandte. Zum Bau des herodianischen Tempels waren sechsundvierzig Jahre nötig (Joh. 2, 20). Der Dienst Jehovas ging im Herzen des Königs im Beginn seiner Laufbahn allem anderen voran. Sein eigenes Haus, das sicher weniger wichtig war als der Tempel, kostete ihn eine dreizehnjährige Arbeit.
In dem vorliegenden Abschnitt ist die Rede von drei verschiedenen Häusern. Das erste wird „sein Haus" genannt. Es war das Haus, in welchem Salomo wohnte, seine Privatwohnung. Es wird uns wenig darüber gesagt, nur dass an Stelle der „Thronhalle", welche „das Haus des Waldes Libanon" kennzeichnete (V. 7), das Haus des Königs innerhalb der Eingangshalle (V. 6) "einen anderen Hof" hatte, welcher in derselben Weise ausgeführt war (V. 8). 

In diesem Hause richtete Salomo nicht; er wohnte darin. Es wird uns einigermaßen geheimnisvoll dargestellt; es ist ein Haus inniger Vertraulichkeit. Doch wird es unmittelbar nach dem Tempel erwähnt und bildet das Gegenstück zu diesem. Gott wohnte in dem Tempel, und hier gab es "viele Wohnungen" für die Seinigen. Der Tempel war ein Bild des Vaterhauses. Das Haus, welches wir hier vor uns haben, war das Haus des Sohnes (1. Chron. 17, 13). Wenn wir das Gegenbild davon im Neuen Testament suchen, so wenden sich unsere Gedanken sofort jener Kirche zu, hinsichtlich welcher der Herr gesagt hat: „Auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen".
Die Kirche war, wie wir wissen, im Alten Testament nicht geoffenbart. Sie bildete ein Geheimnis, welches erst nach der Auferstehung des Herrn gekannt werden konnte. Doch spricht im Alten Testament nichts gegen diese zukünftige Offenbarung. Im Gegenteil scheint zuweilen ihr Platz dort im Voraus angedeutet zu sein, um sie selbst im gewollten Augenblick einzuführen. Gewisse Vorbilder gehen über die jüdischen Beziehungen hinaus und lassen innigere ahnen. Denken wir nur an die Geschichte von Adam und Eva, von Rebekka und Isaak, von Abigail und David. Denken wir namentlich an die „Versammlung" im 22. Psalm und die Anführung der Stelle in Hebr. 2, 12. Betrachten wir schließlich dieses Haus Salomos, dessen herrlichen Bau uns das Neue Testament beschreibt. 
Die Herrschaft Christi im Tausendjährigen Reiche wird nicht nur durch Seine Beziehungen zu Seinem irdischen Volke und zu den Nationen gekennzeichnet sein, sondern auch durch die herrliche, innige Verbindung der Kirche mit Ihm. Sie wird als die Braut das Weib des Lammes, gesehen werden. Doch wir wiederholen, dass die vorliegende Stelle keineswegs so weit geht; sie zeigt uns diese Dinge nur in dunklen und geheimnisvollen Umrissen. 
Anders ist es mit dem „Hause des Waldes Libanon". Der Name erinnert zunächst an die Bauart des Hauses, vielleicht auch an seine äußere bauliche Erscheinung. Es war von Zedernholz erbaut. Überall, von innen und außen, zeigte es Zedernsäulen, welche, in langen Reihen angeordnet, ihm das Aussehen eines großen Waldes verleihen konnten. Andererseits kann man in dieser Benennung ein schönes Bild der glorreichen Regierungszeit sehen, von welcher wir soeben sprachen. Der Libanon blickte nach Tyrus und Phönizien hin und gehörte ihm sogar. Es bestand daher eine Beziehung zwischen diesem Hause und den Nationen, welche dem großen König untertan waren. Hier war es, wo Salomo als Beherrscher und Richter seines Volkes sowohl wie der Nationen seinen Sitz hatte. 
Das Haus des Waldes Libanon hatte eine Länge von hundert Ellen (vierzig mehr als der Tempel), eine Breite von fünfzig und eine Höhe von dreißig Ellen. Es ruhte auf vier Säulen­reihen. Auf jeder der beiden Seiten des Hauses erhoben sich auf drei Lagen von Balken drei Reihen von je fünfzehn, allem Anschein nach übereinander liegenden Zimmern in drei Stockwerken wie die des Tempels.*20) Ihre Fenster wurden gegenüberliegend angeordnet, d. h. wahrscheinlich gingen die einen nach außen hin, die anderen nach dem Inneren des Gebäudes, der Säulenhalle hin. Über diesen Zimmern befand sich eine Zederndecke, welche das Dach bildete und zugleich den mittleren Teil des Gebäudes bedeckte, der diese Bedeckung durch vier Säulenreihen stützte. 

Dieser mittlere Teil selbst bestand aus zwei Hallen. Da war zunächst die Säulenhalle, mit Recht so genannt wegen der sechs seitlichen Säulenreihen und der vier Säulenreihen, die sich in der Mitte der Halle erhoben; sodann die Thronhalle oder Gerichtshalle , die hinter der ersten lag und den Abschluss des Gebäudes bildete.*21) Im Hintergrund dieser Halle erhob sich der wundervolle Thron, auf den wir weiterhin noch zurückkommen müssen. 
Vor der Säulenhalle befand sich eine Eingangshalle, deren Maße uns nicht angegeben sind. Sie war ebenfalls mit Säulen geschmückt und hatte einen Aufgang oder eine Freitreppe, über welche man in das Haus gelangte. Man kann sich leicht das Majestätische dieses Bauwerkes vorstellen. Wenn man das Auge durch den Wald von Zedernsäulen in dem mittleren Teil bis in die zweite Halle schweifen ließ, in deren Hintergrund sich der kunstvoll gebildete goldene und elfenbeinene Thron erhob, so konnte man auf diesem Thron den glorreichen König betrachten, Salomo, den Friedlichen, Jedidjah, den Geliebten Jahs, dessen Weisheit niemals übertroffen wurde, ihn, den gerechten und Recht übenden König. 
Diese Thronhalle war die „Halle des Gerichts ". Hier befand sich der Sitz der Regierung über die Nationen, der Ort, wo Gerechtigkeit geübt wurde. Das Haus des Waldes Libanon verband sozusagen die Regierung über Israel mit der über die Nationen. Dieses Haus, in welchem man überall auf Säulen traf, bildete einen Gegensatz zu dem Tempel, wo es keine Säulen gab, ausgenommen die beiden am Eingang des Hauses stehenden, Jakin und Boas; wenigstens wird keine Säule erwähnt weder im Heiligen noch im Sprachort. Das Haus Gottes wird durch sich selbst gestützt und bedarf bei seiner vollkommenen Festigkeit keinerlei Stütze. Die Herrlichkeit Gottes genügt Sich Selbst, abgesehen davon, dass Gott der Vater Seine Kinder mit ihr verbindet und ihnen eine Wohnung in ihr gibt. Mit der Herrschaft Christi über die Nationen wird es anders sein. Die Heiligen sind berufen, daran teilzunehmen, mit Christo die Welt zu richten (Vergl. 1. Kor. 6, 2; Ps. 2, 9; Offbg. 2, 26. 27). Der Herr wird an Seiner Regierung Teilnehmer haben, die immer bei dem König wohnen werden, wie einst die Gefährten Salomos im Hause des Waldes Libanon wohnten. So hatte Jehova auch Priester, die bei Ihm in Seinem Tempel wohnten.
Das dritte Haus ist das der heidnischen Gemahlin, der Tochter des Pharao. Über dieses wird kaum mehr gesagt, als über das Haus, in welchem der König wohnte. Wir wissen nur, dass es nach dem Plan der Halle (wahrscheinlich der Säulenhalle) des Libanonhauses gebaut war. Wir haben weiter oben gesagt, dass die Vereinigung Salomos mit der Tochter des Pharao nicht die Beziehungen des Herrn zu der Kirche vorbildlich darstellt, sondern diejenigen der Nationen, der ehemaligen Bedrücker des Volkes Gottes, zu dem Messias. Diese ohne Zweifel herrliche Vereinigung trägt nicht dieselbe Innigkeit zur Schau, wie diejenige des Messias mit Israel, noch viel weniger wie diejenige Jesu mit der Kirche.*22) 
Die Verse 9-12 verbinden die Herrlichkeit dieser Häuser mit derjenigen des Tempels und seines inneren und äußeren Vorhofs. Die nämlichen wertvollen Steine wurden für alle diese Gebäude verwandt. Ihre Grundlagen waren die gleichen. Kein Material kam zur Verwendung, welches mit dem Charakter Jehovas und Salomos nicht in Übereinstimmung gewesen wäre.
Diese drei Häuser geben uns mit dem Tempel eine kurzgefasste Darstellung von dem, was die glorreiche Herrschaft des Sohnes Gottes, des Sohnes des Menschen und des Sohnes Davids kennzeichnen wird. 

Es wird dort einen himmlischen Bereich geben, das Haus des Vaters, wo ein Volk von Priestern bei Ihm wohnen wird  eine herrliche Versammlung, das Haus des Sohnes, Seine besondere Wohnung und Seine Braut. Man wird ferner einen irdischen Bereich finden, gewissermaßen eine heidnische Braut, die an den Segnungen des Bundes teilnehmen wird  eine Regierung über alle Nationen, die dem Zepter des großen Königs unterworfen sind, ohne von Israel zu reden, welches seiner Untreue wegen so lange beiseitegesetzt war, dann aber dem neuen Bunde gemäß in Gnade angenommen sein wird als die jüdische, geliebte Braut, der Mittelpunkt der irdischen Regierung des Messias.

KAPITEL 7, 13 – 51: Hiram und der Vorhof

Salomo ließ Hiram von Tyrus holen, damit er ihm die Gegenstände aus Erz bereite, die für den Vorhof des Tempels bestimmt waren. „Hiram war der Sohn einer Witwe aus dem Stamme Naphtali, (sein Vater aber war ein Tyrer) ein Arbeiter in Erz." 
In der Wüste hatte Jehova für das Werk der Stiftshütte Bezaleel aus Juda und Oholiab aus Dan erwählt (2. Mose 35, 30-35). Damals lag die Herstellung der Stiftshütte allein den Söhnen Israels ob. Das Volk war von den Nationen völlig getrennt und konnte daher mit ihnen keine gemeinsame Arbeit haben. Unter Salomo veränderte sich das Bild; die Nationen werden mit Seinem Volke zum Dienst Gottes verwandt. Der Gesalbte Jehovas herrscht über die Nationen und über das Volk Israel. Hiram gehört durch seine Geburt beiden an; das Bündnis Israels mit den Heiden bildet gleichsam seine Herkunft, eine beachtenswerte Tatsache, die der Szene, die wir vor uns haben, völlig angepasst ist. 
Hiram "war voll Weisheit und Einsicht und Kenntnis, um allerlei Werk in Erz zu machen". Er ist gleichsam der Vertreter des Geistes Gottes (Jes. 11, 2) für diese Arbeit.
Zwei Metalle, Gold und Erz, spielen bei der Errichtung des Tempels eine hervorragende Rolle. Das Gold ist immer das Sinnbild der göttlichen Gerechtigkeit, welche uns den Zutritt in die Gegenwart Gottes gibt; durch sie können wir uns vor Gott aufhalten. Wir besitzen sie in Christo in dem Himmel. Das Erz ist das Sinnbild der Gerechtigkeit Gottes, welche auf der Erde das entfaltet, was Er für den sündigen Menschen ist. Die Geräte des Tempels waren von Gold, die Geräte des Vorhofs waren von Erz und standen in Beziehung zur Erde. Hiram beschäftigt sich nur mit dem Erz. 
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass das 1. Buch der Könige nicht von dem ehernen Altar redet, dessen Verfertiger doch Hiram ist (Vergl. 2. Chron. 4, 1). Dieser Altar stellt die Gerechtigkeit Gottes dar, der Sich zugunsten des sündigen Menschen offenbaren will, da wo dieser sich befindet, und in einer Weise, die ihm gestattet, Gott zu nahen kraft des auf dem Altar dargebrachten Opfers. Das Buch der Könige enthüllt diesen Gesichtspunkt nicht, es redet zu uns von einem Wohnen bei Gott in Seinem Tempel, und wenn es das Erz erwähnt, so stellt es dieses nicht als Bild der göttlichen Gerechtigkeit dar, durch welche wir Gott nahen, sondern als die Offenbarung dieser Gerechtigkeit vor den Augen der Welt, einer Gerechtigkeit, die das Reich und die Regierung Salomos und Christi kennzeichnet.

 Mit einem Wort, es ist die Gerechtigkeit Gottes, aber in der Regierung nach außen hin geoffenbart. Die in unserem Kapitel erwähnten Geräte des Vorhofs zeigen uns, was nötig ist, damit diese Offenbarung nicht verhindert werde. Der Geist Gottes, vertreten durch Hiram, beschäftigt sich hiermit. Wir finden also in den vorliegenden Kapiteln, wie Gott uns Sein Haus öffnet, damit wir dort bei Ihm wohnen sollen, indem Christus uns die hierzu erforderliche göttliche Gerechtigkeit (das Gold) darreicht; ferner wie der Sohn, als König der Gerechtigkeit, die Herrlichkeit Seines Reiches offenbart, und wie der Heilige Geist tätig ist, damit diese Gerechtigkeit den Augen aller Menschen auf der Erde ohne Hindernis dargestellt werde.
Betrachten wir jetzt die Gegenstände, welche Hiram für Salomo in der Jordanebene gegossen hat. Sie gehören alle, wie schon gesagt, zum Vorhof des Tempels, d. h. zur äußeren Offenbarung der glorreichen Regierung Christi.

Die Säulen (Verse 15 - 22)

Die vor der Halle des Tempels aufgestellten ehernen Säulen zogen den Blick des Beschauers zuerst auf sich. Sie brachten die Grundsätze des Reiches nach außen hin zur Darstellung. Wir haben schon gesagt, dass außer ihnen in dem Tempel von keiner Säule geredet wird. Sie wurden Jakin ( er wird befestigen) und Boas (in ihm ist Stärke) genannt. Das waren die beiden großen Wahrheiten, welche sinnbildlich einem jeden vor Augen geführt wurden, der an der gesegneten Herrschaft Salomos teil hatte. Alles kommt von Ihm: die Stärke ist in Ihm, in Ihm persönlich. Er stützt Sich durch Sich Selbst und bedarf keiner äußeren Hilfe irgendwelcher Art. Seine Stärke wird zum Befestigen gebraucht; sie hat nicht nötig, befestigt zu werden. Die Segnung im Tausendjährigen Reich stützt sich auf diese beiden Grundsätze, geradeso wie unsere Segnung gegenwärtig sich darauf stützt. 
Der Thron Salomos, seine Regierung, die Beziehung seines Volkes zu Gott, sein Gottesdienst, alles war bildlich auf das gegründet, was Gott getan hatte: Er hatte Salomos Herrschaft befestigt. Doch unter Salomo selbst redet die Säule Jakin (er wird befestigen, nicht: er hat befestigt) von einer zukünftigen Befestigung, von welcher die Regierungszeit Salomos' nur ein schwaches Vorbild war. Die Säule Boas: in ihm ist Stärke, redet von Vergangenem, Gegenwärtigem, Zukünftigem und Ewigem.

 Die Stärke ist in Ihm. Salomo, wie jeder gottesfürchtige König in Israel, musste das verstehen. Von dem Augenblick an, da das Band mit Gott sich zu lockern begann, hatten König und Reich keine Kraft mehr.
Wir machen heute dieselbe Erfahrung. Philadelphia hatte „eine kleine Kraft"; aber seine Kraft war in Christo, denn Er hat den Schlüssel des David. Und der Herr sagt zu dieser Versammlung: "Ich werde dich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes"; mit anderen Worten: du sollst ein Jakin und ein Boas sein. In künftigen Tagen wird der arme, kraftlose Überrest öffentlich anerkannt werden. Christus mit Seiner unermeßlichen Kraft wird bewundert werden in allen denen, die geglaubt haben.
Wir brauchen indes nicht eine zukünftige Zeit abzuwarten, um dies zu erfahren; denn Er ist unsere Kraft heute ebenso, wie Er es stets sein wird. Doch die Zeit wird kommen, wo die Zeugen Christi befestigt sein und in herrlicher Weise alles zur Schau fragen werden, was in Ewigkeit ihr Teil sein wird. „Ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen" (Offbg. 3, 12). 
Die Säulen liefen oben in Lilien aus: ein Bild, denke ich, von der Herrlichkeit dieses Reiches bei seinem Entstehen (Matth. 6, 28. 29). Eine andere bezeichnende Einzelheit war, dass sie Hunderte von Granatäpfeln an ihren Kapitälen trugen. Der Granatapfel scheint im Worte das Bild der für Gott gebrachten Frucht zu sein. Das Kleid des Hohenpriesters war an seinem Saum abwechselnd mit Schellen und Granatäpfeln geschmückt (2. Mose 28, 3135). Die Schellen stellen das Zeugnis dar, die Granatäpfel die Frucht . Diese letzteren waren von blauem und rotem Purpur und Karmesin", d. h. sie stellten eine himmlische Frucht dar, welche zugleich der Würde des Herrn und Seiner königlichen Würde als Messias entspricht. Unsere Frucht muss den Charakter Christi tragen und Seiner würdig sein; andererseits muss sie unserem Zeugnis entsprechen und ihm gleich sein, wie die Granatäpfel an Zahl mit den goldenen Glocken übereinstimmten. Man findet bei den Christen oft mehr Glocken als Granatäpfel, mehr Worte als Früchte. 
Die Granatäpfel von Erz schmückten den Kopf der Säulen. Wie könnte der göttliche Charakter vor allen dargestellt werden, ohne eine reiche Frucht der Gerechtigkeit zubringen? Der Herr will mit Frucht gekrönt sein. Wenn die Kraft in Ihm ist, so ist es zu dem Zwecke, Frucht hervorzubringen. Er ist hienieden der wahre Weinstock, und als solcher hat Er keine andere Verrichtung. Die ganze Sorgfalt, die Er den Seinigen widmet, Seine ganze Zucht, hat zum Zweck, sie Frucht bringen zu lassen. Er muss sich vor aller Augen als Derjenige erweisen, der diese Frucht hervorbringt.
Der Geist Gottes hat öffentlich eine Säule errichtet. Diese Säule ist Christus. Er trägt die Seinen, die ihre Kraft nur in Ihm haben. „Außer mir könnt ihr nichts tun" Was Gott pflanzt und was Seine Kraft aus Christo zieht, bringt notwendigerweise Frucht in Überfluss. Unsere Stelle bezieht sich genau genommen auf die Frucht der Gerechtigkeit, die unter der Herrschaft und der Regierung des Herrn zutage tritt.
Wenn es sich um die Herrschaft Salomos handelt, so konnten die ehernen Säulen wegen der Untreue des Königs und seiner Nachfolger nicht erhalten bleiben. Sie sind von den Chaldäern zerschlagen worden (Jer. 52, 17-23). Sein Reich hat nicht befestigt werden können, weil er seine Stärke nicht in Gott gesucht hat; doch wenn auch die wirklichen Säulen verschwunden sind, die moralischen Säulen bleiben. Der Tag wird kommen, wo Jehova, in welchem die Stärke ist, vor aller Augen zeigen wird, dass Er ein Reich in Gerechtigkeit aufgerichtet hat, das niemals erschüttert werden wird. Dann wird gesagt werden: „Jehova regiert, er hat sich bekleidet mit Hoheit; Jehova hat sich bekleidet, er hat sich umgürtet mit Stärke ­auch steht der Erdkreis fest, er wird nicht wanken. Dein Thron steht fest von alters her, von Ewigkeit her bist du" (Ps. 93,1. 2). 

Das eherne Meer (Verse 23-26)

Außer den Säulen enthielt der Vorhof des Tempels das eherne Meer. In 1. Chron. 18, 8 wird uns ausdrücklich gesagt, dass Salomo „das eherne Meer und die Säulen und die ehernen Geräte" aus dem Erz machte, welches David aus den Städten Hadaresers genommen hatte. Das Erz stellt, wie wir gesehen haben, die Gerechtigkeit Gottes dar, die dem Menschen dahin entgegenkommt, wo er sich befindet, um ihn zu befreien und um sich nach außen hin in der Weise kundzutun, wie man sie unter der herrlichen Regierung Christi sehen wird. Diese Gerechtigkeit zeigt sich hier in der Vernichtung der Macht des Feindes, den David besiegt hatte. Wir wissen, dass dies schon auf dem Kreuze Christi stattgefunden hat; doch wird unter Seiner Herrschaft der Gerechtigkeit die Macht Satans, der für tausend Jahre gebunden ist, aufgehoben werden, damit sie nicht mehr die praktische Reinigung der dem Herrn dienenden Heiligen verhindere. 
Das eherne Meer ist verschieden von dem ehernen Altar.

 Der Altar stellt die Gerechtigkeit Gottes dar, wie sie dem sündigen Menschen entgegenkommt, um seine Sünde durch das Blut des Opfers zu sühnen und ihn zu reinigen durch den Tod, so dass er Gott nahen kann. Aus der durchbohrten Seite Christi ist das Blut, welches sühnt, und das Wasser, welches reinigt, hervorgeflossen. Unter dem Gesetz entspricht die Waschung der Priester bei ihrer Weihung der Reigung durch den Tod. Sie wurden ganz und gar ge­waschen, und zwar ein für allemal (2. Mose 29, 4; 3. Mose 8, 6). Diese Zeremonie geschah weder an dem ehernen Becken, noch an dem ehernen Meer. Sie wurde auch nie wiederholt. Sie stellte „die Waschung der Wiedergeburt" (Tit. 3, 5) dar, den Tod des alten Menschen, und die Reinigung, die den Gläubigen in eine ganz neue Stellung, die Stellung Christi vor Gott versetzt (Vergl. Joh. 13, 10).
Das eherne Meer diente zur täglichen Reinigung der Priester; sie wuschen in ihm ihre Hände und ihre Füße. So wurden sie fähig gemacht, ihren Dienst auszuüben und da zu wohnen, wo Jehova wohnte (Es handelt sich, wie schon wiederholt bemerkt, in diesem Buch immer um das Wohnen, nicht um das Hinzunahen). So konnten auch die Jünger kein Teil mit Christo im Hause des Vaters haben, wenn Er nicht ihre Füße wusch (Joh. 13, 8). Diese Waschung geschieht durch das Wort Gottes kraft des Eintretens Christi als Sachwalter. Unter dem Gesetz wurde diese Waschung auf Hände und Füße, d. h. auf die Werke und auf den Wandel angewandt. Unter der Gnade findet nur eine Anwendung auf den Wandel statt; denn wir sind gereinigt worden von den toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen, und das hat ein für allemal stattgefunden, was unter dem Gesetz nicht möglich war. 
Das eherne Waschbecken der Stiftshütte ist einigermaßen verschieden von dem ehernen Meer des Tempels. Wir haben gesehen, dass das letztere die Offenbarung der göttlichen Gerechtigkeit war, welche die Macht des Feindes bricht, um die tägliche Reinigung der Priester möglich zu machen. In der Wüste war dieser Sieg noch nicht errungen. Das Becken wurde nicht aus Erz gegossen, welches den Feinden abgenommen war, sondern „aus den Spiegeln der Weiber, die sich scharten am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft" (2. Mose 38, 8). Diese Stelle spielt auf das an, was der Sünde des goldenen Kalbes folgte. Mose hatte ein Zelt außerhalb des Lagers aufgeschlagen und hatte es „Zelt der Zusammenkunft" genannt. Das ganze Volk musste als Zeichen der Demütigung seinen Schmuck ablegen, und jeder, der Jehova suchte, ging hinaus zu dem Zelt der Zusammenkunft außerhalb des Lagers (2. Mose 33, 47). Die Spiegel der bußfertigen Weiber Israels dienten zur Herstellung des ehernen Beckens. Sie kamen, um ihre Sünde anzuerkennen und sich darüber zu demütigen; sie legten das ab, was bis dahin ihrer Eitelkeit gedient hatte. Wie sollten sie noch Gefallen daran haben, ihr natürliches Angesicht zu betrachten? Sie wollten und konnten sich nicht mehr beschauen. Sie verurteilten tatsächlich sich selbst, ihre Eigenliebe, ihre Leichtfertigkeit, alles, was dazu beigetragen hatte, dass sie Gott für ein Götzenbild aufgegeben hatten.

 Das, was sie in ihrem sündigen Zustande darstellte, musste vernichtet werden. Das eherne Becken stellt also die Gerechtigkeit Gottes dar, die das Gericht über den alten Menschen ausspricht, aber zu dem Zweck, dass der Gläubige die praktische und tägliche Reinigung durch das Wort empfangen kann. Um uns zu befreien, ist diese Gerechtigkeit an Christo ausgeübt worden. In Ihm verwirklichen wir jetzt das „Erkenne dich selbst", was dem sündigen Menschen unmöglich ist. 
Da das Hindernis, welches das Fleisch und Satan unserer täglichen Reinigung in den Weg legten, beseitigt ist, lehrt uns das Wasser des ehernen Meeres, dass wir ohne diese Reinigung keine Gemeinschaft in Dienst und Wandel mit Gott haben können, und dass jede Regung des Fleisches im täglichen Leben niedergehalten werden muss.
In Offenb. 4,6 finden wir das Meer wieder, wie in dem Vorhof des Tempels Salomos, aber es ist ein „gläsernes Meer, gleich Kristall". Es ist das endgültige Ergebnis der Gerechtigkeit, welche den Sieg über Satan errungen und ihn zunichte gemacht hat. Die, welche da vor Gott stehen, befinden sich in einem fortdauernden Zustande der Heiligkeit und Reinheit, indem sie ihren unveränderlichen Charakter erlangt haben und sozusagen für immer kristallisiert sind. In dem kristallenen Meere kann man sich nicht mehr waschen; man i s t das, was dieses Meer darstellt, ewiglich vor Gott. 
In Offenb. 15, 2 finden wir eine zweite himmlische Szene. Da ist ein gläsernes Meer, mit Feuer gemischt, an welchem die Überwinder über das Tier und über sein Bild stehen. Es sind die Gläubigen aus den Nationen, welche, nachdem sie durch die Drangsal gegangen und bis zum Märtyrertode standhaft geblieben sind, an der ersten Auferstehung teilhaben. Sie besitzen die völlige und endgültige Reinheit erst, nachdem sie die Feuertaufe erlitten haben. 
Kehren wir jedoch zum ehernen Meer zurück. Es ruhte auf zwölf Rindern, die zu je drei nach den vier Himmelsrichtungen hin blickten. Das Rind ist eines von den vier Tieren, welche die Merkmale des Thrones (Offbg. 4) bilden, und die wirkenden Eigenschaften Gottes, die Grundsätze Seiner Regierung, darstellen. Das Rind bezeichnet bekanntlich die Festigkeit und das Ausharren Gottes in Seinen Wegen.

 Die zwölf ehernen Rinder sind die vollständige (und zwar in jedem Sinne vollständige) Darstellung dieses Ausharrens Gottes in Seinen Wegen, durch das es Ihm gelingt, Israel unter das Zepter des Messias zu bringen, indem Er es fähig macht, in Heiligkeit vor Ihm zu stehen. Das will nicht sagen, dass in dem Tausendjährigen Reiche, wovon das Reich Salomos ein Vorbild ist, die Reinigung eines Volkes von Priestern nicht mehr nötig sei. Die Sünde wird noch nicht von der Welt weggenommen sein. Ohne Zweifel wird sie eingeschränkt und in ihrem Hervortreten behindert werden, weil Satan dann gebunden ist; aber das Fleisch wird nicht verändert sein (das ist unmöglich), noch weniger beseitigt sein (das wird erst geschehen), und das Wort Gottes wird in den Händen Christi, des Hohenpriesters, immer seine reinigende Kraft behalten. 
Es ist interessant, festzustellen, dass das Meer in dem Tempel Hesekiels nicht erwähnt wird; nicht als ob es dann nicht da wäre, aber seine Bedeutung wird sozusagen in den Hintergrund treten. Dagegen hat der Altar dort den wichtigsten Platz; und obwohl das Sündopfer noch dargebracht wird, wird doch dem Brandopfer und dem Friedensopfer die Hauptrolle zugewiesen. Wie die Säulen, wurde auch das Meer von den Chaldäern zerschlagen (Jer. 52, 20).

Fußnoten:
*20) Der Ausdruck Fenster gegen Fenster dreimal" (V. 5) kann, wie uns scheint, kaum anders verstanden werden. Diese Zimmer enthielten die goldenen Schilde, die Salomo für seine Leibgarde hatte machen lassen; denn das Haus des Waldes Libanon diente zugleich als Zeughaus (Kap. 10, 16. 17; 14, 26-28; Jes. 22, 8).
*21) Der Ausdruck „Säulenhalle" lässt vermuten, dass die seitlichen Zimmer sich nicht über die Hälfte der Länge des Gebäudes hinaus erstreckten und keinen Blick auf die Thronhalle gewährten.
*22) Dennoch ist sie weit inniger als die mit den Völkern, welche jenseits der Grenzen des Reiches wohnen. Unter den Nationen gibt es verschiedene Klassen. Unter der Regierung Salomos wurden diejenigen, welche von den Kanaanitern übriggeblieben waren, als Fronarbeiter verwandt (2. Chron. 2,17. 18; 8, 79). Andere Nationen, wie Tyrus, halfen freiwillig an diesem Werke mit. Ägypten und Assyrien, die ehemaligen Unterdrücker Israels, werden sich im Tausendjährigen Reich Jehova zuwenden und Ihm gemeinschaftlich dienen. "An jenem Tage wird Israel das dritte sein mit Ägypten und mit Assyrien, ein Segen inmitten der Erde; denn Jehova der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!" (Jes. 19, 24. 25).

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Die Entrückung durch den Bräutigam und das Kommen mit dem König.

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 158ff
Vor einigen Jahren traf ich auf der Straße einen Knaben von ungefähr sechs Jahren, der gemächlich daherschlenderte. Als ich näher kam, hörte ich ihn leise ein Liedchen summen, vermutlich eine Komposition von ihm selbst. Es war nur ein winziges Verslein, das aus folgenden drei Worten bestand: „Um zehn Uhr! Um zehn Uhr! Um zehn Uhr!“ 
Der Kleine schien so gänzlich von seinem Gegenstand in Anspruch genommen zu sein und wiederholte seinen Vers so oft, dass meine Neugierde rege wurde. Ich ging deshalb aus ihn zu und richtete einige freundliche Worte an ihn. Nachdem ich so sein Vertrauen gewonnen hatte, fragte ich ihn, was es für ein Bewandtnis mit seinem Liedlein habe. Er erzählte mir darauf, seine Mutter sei längere Zeit von Hause weg gewesen; der Vater habe aber einen Brief von ihr erhalten, dass sie heute „um zehn Uhr“ zurückkehren werde. Ich brauche nicht zu sagen, dass das kleine Morgenlied keiner weiteren Erklärung bedurfte.

 Die Nachricht von der Heimkehr der Mutter hatte das kleine Herz zum Überfließen gefüllt. Ohne Zweifel hatte er ihre Abwesenheit sehr gefühlt und sehnlichst nach ihrer Rückkehr verlangt. Aber jetzt sollte sie kommen, „um zehn Uhr“ kommen! War es ein Wunder, dass der kleine Bursch so aufgeräumt war? 
Mein lieber gläubiger Leser! Sollte es mit dir und mir anders sein, wenn die Botschaft von der Wiederkehr unseres Herrn unsere Ohren erreicht? Haben wir nicht die Süßigkeit Seiner Liebe geschmeckt? Litt und starb Er nicht für uns? Hat Er uns nicht, seitdem wir Ihn zuerst kennen lernten, aus dem ganzen Wege erhalten, uns jede Bürde erleichtert, in jedem Kummer uns tröstend zur Seite gestanden und uns wiederhergestellt, wenn wir gefallen waren? Worte können nicht ausdrücken, wie teuer wir Ihm sind. Und andererseits, wenn das Herz an Ihn denkt, so wird es warm, es brennt vor Verlangen, Ihn zusehen. 
Nicht zur Stadt mit ihren goldnen Gassen 
geht des Herzens tiefste Sehnsucht hin; 
ewig möchte Ihn ich nur umfassen, 
dessen teures Eigentum ich bin. 
Noch vor kurzem sagte eine gläubige Frau zu mir: „Wenn ich“ an das Kommen des Herrn denke, so hüpft mein Herz vor Freude“. Und ein kleines Mädchen, das ich vor Jahren kannte, sagte eines Abends, als sie von einem Ausgang zurückkehrte -— sie war damals elf Jahre alt: „O Mutter, als ich eben die Straße heraufkam, sah ich die Wolken sehr schnell am Himmel hinziehen. Ich musste unwillkürlich stehen bleiben und in die Höhe schauen, und ich dachte bei mir selbst: Wenn jetzt der Herr Jesus käme, wie würdest du dich da freuen, Ihn zu allererst zu sehen!“ — Was war das Geheimnis des Friedens und der Freude in dem Herzen dieses Kindes, als es da ganz allein im Dämmerlicht des Abends den Blick nach oben lenkte und Sein Antlitz zu schauen begehrte? Es war eben dies: sie kannte die Person Dessen, der kommen soll, und vertraute Ihm. Sie liebte Ihn, „obgleich sie Ihn nicht gesehen“ hatte. (Vergl. 1 Petr. 1, 8.) Sie wusste, dass durch Seinen Tod für sie alle ihre Sünden hinweggetan, von Gott vergeben und für immer vergessen waren. 
Aber vielleicht möchte jemand hierauf erwidern: „Ich vertraue auch von ganzem Herzen auf Sein kostbares Blut, aber trotzdem würde ich nicht so ruhig sein, wenn Er jetzt plötzlich käme“. Teurer Freund, wenn es so ist, dann vergisst du, wer es ist, der da kommt. Es ist „derselbe Jesus“, welcher einst, „ermüdet von der Reise“, das samaritische Weib um einen Trunk Wasser bat, derselbe, welcher der Witwe von Nain ihren einzigen Sohn zurückgab, derselbe, welcher der Sünderin im Hause Simons gestattete, Seine Füße zu küssen und sie mit ihren Tränen zu benetzen, ja, derselbe Jesus, welcher solch wunderbare Worte der Gnade und des Erbarmens an den sterbenden Räuber am Kreuz richtete. Er, Er selbst ist der Kommende. 
Willst du noch einen Beweis hierfür haben? 

Dann nimm deine Bibel zur Hand und lies in Apostelgeschichte 1, was die beiden Engel den am Ölberge versammelten Jüngern zuriefen. Ihr Herr hatte sie gerade verlassen und war aufgefahren gen Himmel, nachdem Er ihnen vorher deutlich gezeigt hatte, dass Er nicht ein Geist, sondern ein lebender Mensch war mit Fleisch und Bein, ein wahrhaftiger Mensch, den sie betasten und anschauen konnten (Luk. 24, 39). Und was sagten die Engel? „Männer von Galiläa, was stehet ihr und sehet hinauf gen Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird also kommen, wie ihr Ihn gen Himmel habt ausfahren sehen.“ 161
Mehr als achtzehnhundert Jahre in der Herrlichkeit haben Ihn nicht im geringsten verändert. Dieselbe Person, welcher Martha nach dem Tode ihres Bruders entgegenging, ist es, die wir erwarten; und sollten wir „entschlafen“, bevor Er wiederkehrt, dann wird Er, „die Auferstehung und das ,Leben“, welcher einst sagte: „Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen; aber ich gehe hin, auf dass ich ihn aufwecke“, uns bei Seinem Kommen „aus den Toten“ hervorrufen, und gleich Lazarus werden wir mit Ihm zu Tische liegen. (Vergl. Joh. 11 u. 12.) Wie sollten wir uns denn nun fürchten, wenn solch ein Freund uns vom Himmel entgegenkommt? „Ja, ich komme bald“, lautet Seine tröstliche Verheißung. Ist es nicht mehr als geziemend, dass unsere Herzen antworten und sagen: „Amen; komm, Herr Jesu!“? (Offbg. 22, 20). 
3. Der Zweck Seines Kommens. 
Es ist eine wichtige Wahrnehmung, dass nach der Verwerfung und Ermordung des Messias durch die jüdische Nation Gott dem Apostel Paulus das offenbarte, was die Schrift „das Geheimnis“ nennt. Dieses „Geheimnis“ war „verschwiegen in den Zeiten der Zeitalter“ (Röm. 16, 25), war „verborgen in Gott“ (Eph. 3, 9). Das will sagen: Außer dem und über alles das hinaus, was im Alten Testament geoffenbart worden ist, gab es in dem Herzen Gottes einen geheimen Vorsatz, nämlich eine Braut für Seinen geliebten Sohn zu haben, und diese Braut sollte gebildet werden durch die Vereinigung erretteter Juden und Heiden zu „einem Leibe“ (der Kirche), und sollte durch den Heiligen Geist verbunden werden mit Christo, dem verherrlichten Haupt im Himmel (Vergl. Kol. 1, 18; Eph. 1, 22. 23; 3, 6; 5, 30 — 32). Am Pfingsttage begann der Heilige Geist dies zu verwirklichen, indem Er gerade jene Jünger, denen die weiter oben erwähnte Verheißung gegeben worden war (siehe Joh. 14), zu diesem „einen Leibe“ taufte. 
Zum richtigen Verständnis des uns beschäftigenden Gegenstandes ist es indes von gleichem Belang, zu sehen, dass infolge dieser Verwerfung Christi durch die Juden viele höchst wichtige alttestamentliche Verheißungen bezüglich der irdischen Segnung des Volkes Israel noch unerfüllt geblieben sind. Lesen wir z. B., was von der Regierung des wahren Sohnes Isais in Jes. 11 gesagt ist, wenn Er die Vertriebenen Israels zusammengebracht und die Zerstreuten Judas von den vier Enden der Erde gesammelt haben wird; (V. 12).

 „Und der Wolf wird bei dem Lamme weilen, und der Pardel bei dem Böcklein lagern; und das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. Und Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen ·zusammen lagern; und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und der Säugling wird spielen an dem Loche der Natter, und das entwöhnte Kind seine Hand ausstrecken nach der Höhle des Basilisken. Man wird nicht übeltun, noch verderbt handeln auf meinem ganzen heiligen Gebirge; denn die Erde wird voll sein der Erkenntnis Jehovas, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (V. 6 — 9).  
Man lese *) auch Jes. 65, 25; 35, 1; Amos 9,13 — 15; Micha 4, 3; Hab. 2, 14. An diesen Stellen wird uns gesagt, dass „die Wüste und das dürre Land sich freuen werden, und die Steppe frohlocken und ausblühen wird wie eine Narzisse, und dass die Nationen ihre Schwerter zu Pflugmessern schmieden werden, und ihre Speere zu Winzermessern; . . . und dass sie den Krieg nicht mehr lernen werden“.
Weiter wolle man solche Stellen aufsuchen wie Jes. 35, 10; Jer. 23, 5. 9; Hes. 36, 24; Jer. 31, 10, wo von der Rückkehr des Volkes Israel in sein Land die Rede ist. 
Wenn der Leser diese und ähnliche Schriftstellen einer sorgfältigen Prüfung unterzielt, so wird er finden, dass diese verheißenen Segnungen nicht etwa das Ergebnis der Bekehrung der Welt sind, als Folge der Verkündigung des Evangeliums, sondern dass vielmehr *) die schrecklichsten Gerichte über die Gottlosen ihnen vorausgehen und sie gleichsam einführen werden. 
Ich möchte hier die Bemerkung einflechten, dass es zwei große Gegenstände gibt, welche dem prophetischen Zeugnis im Alten Testament immer wieder zum Thema dienen, nämlich die Leiden Christi und die Regierung Christi; oder, wie Petrus es ausdrückt, die „Leiden, die auf Christum kommen sollten, und die Herrlichkeiten danach“ (1. Petr. 1, 11.) Über die eine Seite dieses Zeugnisses sind die Juden vor alters immer wieder gestrauchelt, während sie die andere bereitwilligst angenommen haben. Es machte ihnen keine Schwierigkeit, alles das zu glauben, was die Propheten über einen regierenden Messias gesagt hatten, aber sie verworfen gänzlich die Wahrheit von einem leidenden Christus. Das Umgekehrte ist bei uns der Fall. „Jeder wahre Christ nimmt das Zeugnis über einen leidenden Messias willig an; aber wie viele verwerfen die Wahrheit von Seiner kommenden Regierung und suchen sie mit allen Mitteln hinwegzudeuteln! Doch denken wir daran, dass jedes Jota und jedes Strichlein dieser Schriftstellen sicher und gewiss seine Erfüllung finden wird (Matth. 5, 18). 
Als Jesus gen Himmel fuhr, hinterließ Er also zwei Arten von Verheißungen, die noch ihrer Erfüllung harrten: Verheißungen für die Kirche und Verheißungen für Israel, beide gänzlich verschieden voneinander. Wenn die ersten in Erfüllung gehen, wird Er erscheinen wie einst Isaak, als er ausging Rebekka entgegen (vergl. 1. Mose 24); also nicht als ein gerechter Richter, oder als ein kriegerischer Fürst, sondern in der innigen und zärtlichen Hingebung eines liebenden Bräutigams· Bei Erfüllung der zweiten Art von Verheißungen hingegen wird Er erscheinen wie David, der mächtige Eroberer, um Seine große Macht an-, zutreten und zu herrschen. Mit anderen Worten: Er ist der Bräutigam der Kirche, und Er ist der König Israels. 
Es gibt daher zwei deutlich unterschiedene Stufen in dem zweiten Kommen des Herrn, gewissermaßen zwei Abschnitte derselben Reise.

 Zuerst wird Er in die Luft herabsteigen, um Seine Heiligen in den Himmel aufzunehmen; dann wird Er, nach Ablauf eines wohl nur kurzen Zeitabschnitts, zurückkehren, um Seine Herrschaft anzutreten, und Seine himmlischen Heiligen werden die Herrlichkeiten Seines Reiches teilen und mit Ihm herrschen. 
Ich möchte auch bei diesem Teil unseres Gegenstandes eine bildliche Erläuterung geben. Nimm an, du schrittest eines schönen Morgens die Landstraße hinab und stießest dabei auf eine kleine, trübe Wasserlache. Du umgehst sie vorsichtig und setzest deinen Weg fort, ohne weiter darüber nachzudenken. Einige Tage später kommst du dieselbe Straße entlang, aber das Wasser ist nirgend mehr zu erblicken. Selbst von den Tropfen, die schon in die Erde gedrungen waren, ist nichts mehr übrig. Die Stelle ist ganz trocken. Was ist aus ihnen geworden? Nun, der leuchtende Sonnenball am Himmel hat seine Strahlen auf sie herabgesandt und sie alle durch seine Anziehungskraft zu sich hinaufgezogen. Kein Auge hat sie verschwinden sehen, aber sie sind verschwunden, darüber kann kein Zweifel bestehen. 
Einige Wochen oder Monate später- siehst du dieselben Tropfen wieder. Aber wie sind sie verändert, seitdem du sie zuletzt am Wege in dem schmutzigen Tümpel erblicktest! Sie haben die Gestalt lieblicher, weißer Schneeflocken angenommen und sind für jedermann ein Gegenstand der Bewunderung. Teurer Leser, gerade so wird es bald sein. Der Herr selbst wird herniedersteigen vom Himmel und „in einem Nu, in einem Augenblick“ die Leiber all Seiner entschlafenen Heiligen aus dem Staube auferwecken; zugleich wird Er die Leiber der Lebenden verwandeln und beide entrücken, sich entgegen in die Luft. 
Keine Schriftstelle begründet die Annahme, dass die Unbekehrten die Gläubigen scheiden sehen werden. Wahrscheinlich wird die ernste Entdeckung, das; sie alle nicht mehr da sind, die erste Ankündigung dessen sein, was stattgefunden hat. Henoch wurde „nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte“ (Hebr. 11, 5). Man hat ihn gesucht, weil niemand seine Entrückung gesehen hatte. Nun denn, nachdem die Gemeinde Christi, mehr oder weniger verborgen, zur Herrlichkeit aufgenommen worden ist, wird sie danach in vollster Öffenlichkeit „mit Ihm in Herrlichkeit“ erscheinen, wenn, wie geschrieben steht, „jedes Auge Ihn sehen wird“ (Offbg. 1, 7). 
Unser hochgelobter Herr selbst gibt uns in Matth. 25 ein sehr genaues Gemälde von diesen zwei Abschnitten Seines Kommens. In dem Gleichnis von den „zehn Jungfrauen“ schildert er den einen, in dem Gleichnis von den „Schafen und Böcken“ den anderen Abschnitt. 
In dem ersten Gleichnis gehen die klugen Jungfrauen mit dem Bräutigam zur „Hochzeit ein“, in dem anderen sehen wir den König zum Gericht her austreten. Der Leser wolle den auffallenden Gegensatz wohl beachten. 
In dem ersten Gleichnis gehen die Geretteten in den Himmel ein, und die Unbekehrten werden auf der Erde gelassen für das kommende Gericht. In dem zweiten werden die Gottlosen im Gericht weggenommen, während die „Gerechten“ auf der Erde gelassen werden, um an den Segnungen des Reiches des Messias teil zu haben. In dem einen Falle wird „die Tür verschlossen“, in dem anderen ist „der Himmel aufgetan“. 
In dem 4., 5. und 19. Kapitel der Offenbarung wird uns gesagt, was tatsächlich im Himmel stattfindet, nachdem die Kirche „entrückt“ und „eingegangen“ ist. In Kapitel 4, 4 sehen wir die Heiligen als „Älteste“ um den Thron sitzen, mit weißen Kleidern bekleidet und mit goldenen Kronen auf ihren Häuptern; sie sind Priester und Könige. In den Versen 10 und 11 erblicken wir sie als Anbeter, wie sie vor Ihm niederfallen, der auf dem Throne sitzt, ihre Kronen .zu Seinen Füßen niederwerfen und sagen: „Du bist würdig, o unser Herr!“ (Vergl. auch Kap. 5, 9, wo sie das neue Lied singen.) In Kap. 19, 7 hören wir dann, nachdem im Anfang von einem gewaltigen „Halleluja“ die Rede war, die Worte: „Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und Ihm Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und Sein Weib hat sich bereitet“. Darauf folgt das Hochzeitsmahl (V. 9). Wenn also Matth. 25 das Wehegeschrei der „Törichten“ draußen wiedergibt, so berichtet Offbg. 19 von der Festesfreude der Geretteten drinnen. —— Mein Leser, zu welcher der beiden Klassen gehörst du?

Fußnote:
Der freundliche Leser wolle doch, wo aus Mangel an Raum die Schriftstellen nur angegeben sind, nicht versäumen, diese Stellen im Worte nachzuschlagen und sie sorgfältig zu untersuchen. (Apstgsch. 17, 11).

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Gedanken

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 168ff
Ein aufrichtiges Selbstgericht ruft stets Demut und Liebe zu anderen wach. Ein Mensch, der bezüglich des Balkens in seinem Auge durch solch ernste Prüfung gegangen ist, wird fähig sein, mit schonender Zartheit den Splitter aus seines Bruders Auge zu ziehen. 
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Es gibt keinen Schmerz, keine Schwierigkeit, ja, selbst keine Beugung und Beschämung, die wir nicht durch Gottes Gnade (selbstverständlich auf Grund des Kreuzes) mit Christo in Verbindung bringen könnten. 
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In Matth. 27, 51 und 52 finden wir die doppelte machtvolIe Wirkung des Todes Christi: 1. Der Vorhang zerreißt, der Zugang zu Gott ist gebahnt, und 2. viele Leiber der entschlafenen Heiligen werden auferweckt, der Tod ist zunichte gemacht und Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht. 
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Wie kostbar und ernst zugleich ist die Stellung des Gläubigen hienieden: bis er sein Heim droben im Vaterhause bezieht, hat Gott Seine Wohnstätte in ihm aufgeschlagen! „Wisset ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der „in euch wohnt?...Verherrlichet nun Gott in eurem Leibe“ (1. Kor. 6, 19. 20)!
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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 169ff

Die Becken und ihre Gestelle (Verse 27- 40)

Das eherne Meer diente zur Reinigung der Priester; die zehn Becken, fünf auf der rechten und fünf auf der linken Seite des Vorhofs, waren da, "um darin zu waschen was zum Brandopfer gehörte" (2. Chron. 4, 6). In 3. Mose 1, 9 wird uns gesagt dass der Priester Aas Eingeweide und die Schenkel" des Opfertieres mit Wasser wusch. Mit anderen Worten: das Vorbild musste mit der kommenden Wirklichkeit, der Opferung Christi für Gott in vollkommener Reinheit, in Übereinstimmung gebracht werden. Der, welcher Sich als ein duftender Wohlgeruch geopfert hat, war die Heiligkeit selbst und bedurfte keinerlei Waschung; das Vorbild dagegen musste gewaschen werden, damit es die Vollkommenheit des Opfers Christi darstellen konnte.
In dem Brandopfer erblicken wir das Opfer Christi, wie Er Sich Selbst Gott opfert und Ihn in allem, was Er ist, verherrlicht, und zwar hinsichtlich der Sünde. Der Vollkommenheit dieses Opfers gemäß kann Gott uns annehmen. 

Da das Schlachtopfer vor Gott keine Befleckung aufweisen durfte, musste erwiesen werden, dass es vollkommen war, dass diese Reinheit sich nicht nur auf den Wandel, sondern auch auf das ganze Innere des Opfers erstreckte. Diese Wahrheit wurde durch das Wasser in den Becken dargestellt. In dem Meere wuschen sich die Priester. Alle nahmen Zuflucht zu diesem einen Mittel, um von den Befleckungen ihres Wandels gereinigt zu werden; Christus, zur Sünde gemacht, ist die Quelle der Reinigung der Seinigen; Sein Wort ist das Mittel dazu. Indes waren zehn Becken nötig, um die Schlachtopfer zu waschen, welche die Reinheit vor Gott darstellen sollten; sie waren wohl das Sinnbild der vollkommenen Reinheit Christi.
Die Becken gehörten nicht zur Stiftshütte in der Wüste, obwohl auch in dieser ohne Zweifel geeignete Gefäße zum Waschen des Brandopfers vorhanden gewesen sein dürften (2.Mose27,19;38,30). Sie bekundeten im Reiche die Vollkommenheit des Brandopfers, der Grundlage der Annahme des Volkes vor Gott. Diese Reinheit, diese Heiligkeit des Opfers genügt allen Anforderungen der Regierung Gottes. Auch sehen wir, wie die Gestelle und die Schulterstücke der Gestelle , auf welchen die Becken ruhen, durch ihre Verzierun­gen alle Merkmale dieser Regierung zur Schau tragen.*23) 
Auf den Gestellen selbst waren „Löwen, Rinder und Cheru­bim" *24) eingegraben: göttliche Stärke, Ausdauer und Einsicht. Das Brandopfer wird diesen Eigenschaften gemäß rein dargestellt. Sie schaffen gleichsam ein Opfer, nach dem das Volk von Gott wohlgefällig angenommen werden konnte, indem es mit dem Opfer eins gemacht wurde. Man konnte auf den „Gestellen" lesen, was der Gott war, der Seinem Volke ein Mittel gegeben hatte, um bei Ihm zu wohnen. 
Diese Becken, die je nach Bedürfnis auf ihren Rädern hin. und hergeschoben werden konnten, stellte man in die Nähe der Erhöhung für den Altar, damit die Schlachtopfer beständig als rein erwiesen würden.
In die Erhöhung oder Bekrönung am oberen Teile der „Gestelle" waren nur Cherubim (Menschen) und Löwen und Palmen eingegraben, wie auf den Wänden des Tempels in Hesekiel (Kap. 41, 18. 19).*25) Stärke und Einsicht krönen die Grundlage der Regierungswege Gottes. So werden dereinst göttliche Stärke und Einsicht ihre Blicke zur Seite auf die Palmen, die Sinnbilder des Triumphes und der friedlichen Beschirmung, richten können. Friede auf Erden! Die Friedensherrschaft wird dann errichtet sein in Gerechtigkeit; was hier die Becken des Brandopfers vorbildlich ankündigen, wird dann auf den Wänden des Tempels zu lesen sein. 
Gott wurde durch das Brandopfer verherrlicht. Alles, was Er war, wurde durch das heilige Opfer ans Licht gestellt. Unter der herrlichen Regierung Salomos hatte das Volk Israel diese Dinge überall vor Augen; doch sollte wohl dieses Reich, welches der Verantwortlichkeit des Menschen anvertraut war, sich halten können?
Es ist zu beachten, dass die Becken, welche in 2. Chron. 4, 6 nur eine kurze Erwähnung finden, hier bis in die kleinsten Einzelheiten beschrieben werden, weil es sich um die äußere Offenbarung dessen handelt, was Gott in Seiner Regierung und in Seinem Reiche ist. Diese Offenbarung Gottes zeigt sich in Christo, der angesichts der Welt herrscht.
Hiermit schließt das Werk Hirams. Es stellte (in Vorbildern) die durch die Macht des Heiligen Geistes in dieser Welt bewirkte Enthüllung dessen dar, was Christus ist, und was Gott Selbst ist in Seiner Regierung.

Die goldenen Geräte (Verse 48 - 51)

Die goldenen Geräte werden hier, wie in 2.Chron.4, nicht als das Werk Hirams, sondern als das Werk Salomos hingestellt. Der König der Herrlichkeit beschäftigt sich mit all den Gegenständen, durch welche die göttliche Gerechtigkeit in ihrem herrlichen innersten Wesen gezeigt wird. Er allein kann sie offenbaren. Die Fürsprache (der goldene Altar), die Darstellung in Christo (der Tisch mit den Schaubroten), das Licht des Geistes (der Leuchter), die untergeordneteren Geräte des Heiligtums, entsprechen dieser durch Ihn errichteten Gerechtigkeit. Selbst die Türflügel des Heiligtums drehen sich in Angeln von Gold. Wie könnte man ohne göttliche Gerechtigkeit in das Allerheiligste eintreten und dort wohnen?
Wir haben in diesem Kapitel die äußere Darstellung des Reiches gesehen und, als dazugehörend, einen herrlichen Tempel, der in Bildern dem himmlischen Teil dieses Reiches entspricht und in welchem die Priester bei Gott wohnen.
Alles was unter der Regierung der Gnade bereitet worden ist, muss das Haus Jehovas unter der Regierung der Herrlichkeit schmücken. Der Plan zu allem rührte von David her, nicht von Salomo, noch weniger von Hiram, wie die Rationalisten behaupten (1. Chron. 28, 11 - 19). Die erste Regierung hatte die Herrlichkeit der zweiten vorbereitet. Ein leidender und verworfener Christus geht einem in Herrlichkeit erscheinenden Christus voran. Was David getan hatte, war anscheinend geringer als das Werk Salomos, das Material scheinbar geringer als das herrliche Bauwerk; aber in Wirklichkeit diente die Arbeit Davids dem, was die ganze tausendjährige Segnung darstellt, zur unentbehrlichen Grundlage.

KAPITEL 8 Die Einweihung des Tempels

Nachdem der Tempel gebaut war und alle seine Geräte an ihren Platz gebracht waren, war es nötig, dass Der, für welchen Salomo alles dieses gemacht hatte, Selbst komme, um in Seinem Hause Seine Wohnung aufzuschlagen und Seinen Thron daselbst zu haben. Der Tempel war auf dem Berge Morija errichtet worden, an dem Ort, wo David seinen Altar gebaut hatte, auf der Tenne Ornans, des Jebusiters. Bis dahin war die Bundeslade unter Teppichen in Zion, der Stadt Davids, untergebracht. Salomo machte sich daran, sie mit allen Männern Israels, mit den Ältesten, den Häuptern der Stämme, und den Priestern von dort heraufzubringen in den Tempel. Es sind nicht mehr „die Auserlesenen in Israel" (2. Sam. 6, 1), wie zur Zeit Davids; das ganze Volk wohnt diesem endgültigen Feste bei. Es kann in der Tat endgültig genannt werden; denn die Einweihung des Tempels fand in den großen Tagen des Laubhüttenfestes statt, welches die ganze Reihe der jüdischen Feste beschloss (Vergl. 3. Mose 23). Es war „das Fest" in besonderem Sinne; wir lesen: „Und alle Männer von Israel versammelten sich zum König Salomo im Monat Ethanim, das ist der siebente Monat, am Feste". Dieses Fest umfasste eigentlich sieben Tage, denen dann ein achter folgte, welcher „der große Tag des Festes" war (Joh. 7, 37). Es fand statt nach der Ernte und der Weinlese, den Bildern des Gerichts. Es war das Vorbild der wunderbaren Herrschaft Christi, wenn das Volk in Freude und Sicherheit in seinen Zelten wohnen und sich der auf immer entschwundenen Prüfungen der Wüste erinnern wird. Es ist die Freude des Tausendjährigen Reiches nach den vierzig Jahren der Züchtigung, welche sich das Volk durch seine Empörung zugezogen hatte. 
Der achte Tag, der große Tag, der Tag der Auferstehung und der neuen Schöpfung, ist dem Feste hinzugefügt, um anzudeuten, dass die himmlischen Heiligen, die Auferweckten, einen besonderen Anteil an dieser Freude haben werden. Es ist der himmlische Tag, der sich den irdischen Tagen anschließt. Als David die Bundeslade in die Stadt Davids brachte, war das mehr ein „Fest des Posaunenhalls" (2. Sam. 6, 15), eine Vorbereitung des Festtages Salomos. Hier ist der Tag in seiner Herrlichkeit angebrochen, und die Priester haben mit dem schließlich doch nur armseligen Zustand von Gibeon ein Ende gemacht. Alle Geräte des Heiligtums, der Altar, sogar das Zelt der Zusammenkunft (V. 4 und 64), sind jetzt an dem Orte vereinigt, wo sich die Bundeslade befindet. Das ist das Ende der Stiftshütte; von da ab ist keine Rede mehr von ihr. An diesem großen Feste bleibt allein das Gedächtnis Gottes übrig, dessen Zelt sich mit der Pilgerschaft Israels verbunden hatte. Gott hat endlich einen beständigen Ruheort in der Mitte Seines Volkes gefunden.*26) 
An diesem Tage werden zahllose Opfer, Brandopfer, Speisopfer und Friedensopfer dargebracht (V. 64). Die Freude der Gemeinschaft überwiegt alles: Salomo opfert allein an Friedensopfern zweiundzwanzigtausend Rinder und hundertundzwanzigtausend Schafe; und da der eherne Altar für alle diese Opfer zu klein war, heiligte er die Mitte des Hofes zum Opfern.
Die Bundeslade wird an ihre Stelle gebracht, mit den Cherubim auf dem Versöhnungsdeckel, den Zeugen dieses Bundes, während die aufrechtstehenden und mit den Flügeln sich berührenden Cherubim als dessen Hüter betrachtet werden können. Von Seiten Jehovas fehlte nichts; alles war sichergestellt. Gott wachte treu über die Ausführung Seines Willens. Doch wozu sollte das unter dem alten Bunde dienen, wenn der eine Teil, das Volk, diesem Bunde untreu war? So wird es nicht mehr sein, wenn Jehova mit Israel einen neuen Bund in völliger, bedingungsloser Gnade machen wird, wobei die Verantwortlichkeit des Volkes nicht mehr in Rechnung gezogen zu werden braucht.
Die Cherubim bedeckten nicht nur die Lade, sondern auch ihre Stangen (V. 7). Von Seiten Gottes war die Ruhe, die der Bund gab, ebenso sichergestellt wie der Bund selbst. Die Stangen der Lade, die Zeugen ihres Umherwanderns in der Wüste, sind von nun an unnötig und werden nicht mehr gebraucht; sie bleiben als Zeugen des Vergangenen an dem Ort der Ruhe selbst. In 1. Könige findet man nicht wie in 2. Chronika den Vorhang, wir haben schon gesagt warum; aber in beiden Büchern "wurden die Spitzen der Stangen vom Heiligen aus an der Vorderseite des Sprachortes gesehen; aber auswärts wurden sie nicht gesehen" (V. 8; 2. Chron. 5, 9). Das deutete offenbar die Ruhe Gottes an, und sie hatte einen ,am so höheren Wert, da sie begleitet war von dem beständigen Gedenken an das, was ihr voraufgegangen war. Wenn man jedoch dieser Ruhe versichert sein und sie genießen wollte, musste man ins Heiligtum eintreten. Die Draußenstehenden konnten sich keine Rechenschaft darüber geben.

 Die endgültige Ruhe bei Gott ist das Teil derer, die bei Ihm weilen, der Priester, die in Seinem Hause wohnen. 
Noch andere Dinge kennzeichneten den Durchzug durch die Wüste in Verbindung mit der Bundeslade; es wurden in ihr Segnungen in kostbarer Weise aufbewahrt. Der goldene Krug, welcher das Manna enthielt, und der Stab Aarons, der gesprosst hatte, befanden sich zu der Zeit, da Salomo sie in den Tempel Gottes brachte, nicht mehr in der Bundeslade (V. 9; vergl. Hebr. 9, 4). In der Wüste gab Gott Sich als ein barmherziger Gott zu erkennen trotz der Strenge des Gesetzes, indem Er das Gesetz, welches verdammt, unter dem Versöhnungsdeckel verbarg und unter dem Schutze der Cherubim, der Sinnbilder des göttlichen Gerichts, die Gnade aufrichtete. Er behütete vor Seinen Augen, samt diesem schrecklichen Gesetz, die Herrlichkeit eines Christus, der als das wahre Himmelsbrot auf diese Erde herabstieg, um Sein Volk zu nähren, nun aber auferweckt und als der Menschgewordene (das Manna) bekleidet ist mit einem herrlichen Leibe (dem goldenen Krug), welcher jetzt an dem geheimsten Ort der Hütte verborgen ist. Er behütete auch den Stab des Priestertums, der allein imstande war, das Volk wohlbehalten durch die Wüste zu führen. 

Diese beiden Gegenstände, das Manna und der Stab Aarons, werden unter der tausendjährigen Herrschaft, wie wir hier bildlich sehen, nicht mehr nötig sein. Der Bund wird aufrechterhalten werden, da Gott der einzige vertragschließende Teil ist; das Priestertum wird nicht mehr Aaron, sondern Melchisedek zum Vorbild haben, und seine Verrichtungen werden nur im Segnen bestehen. Die Herrlichkeit des Menschen Christus wird, anstatt im Heiligtum verborgen, in der Person des wahren Salomo vor aller Augen geoffenbart sein. 
„Und es geschah, als die Priester aus dem Heiligen herausgingen, da erfüllte die Wolke das Haus Jehovas; und die Priester vermochten wegen der Wolke nicht dazustehen, um den Dienst zu verrichten; denn die Herrlichkeit Jehovas erfüllte das Haus Jehovas" (V. 10 und 11). Welch eindrucksvolles Bild von dem, was selbst in den glorreichsten Zeiten der Herrschaft des Gesetzes nicht erlangt werden konnte! Die Gegenwart Gottes schloss diejenige der Priester aus. In dem himmlischen Heiligtum werden die Priester angesichts der Herrlichkeit stehen, da wohnen, daran teilnehmen können; aber in dem Tempel des Tausendjährigen Reiches wird nicht einmal das, was wir jetzt schon im Geiste haben, erreicht werden können. 
Darum beginnt Salomo in V. 12 damit, festzustellen: „Jehova hat gesagt, dass er im Dunkel wohnen wolle". Der Zugang war nicht geöffnet; die Einrichtung des Tempels zu Jerusalem blieb dieselbe wie die der Stiftshütte. Der Vorhang, der hier zwar nicht erwähnt wird, bestand nach wie vor (2. Chron. 3, 14). Doch Salomo wusste, dass dies nicht das letzte Wort der Ratschlüsse Gottes war, und er hatte Ihm ein Haus gebaut, eine Stätte zu Seinem Sitze für Ewigkeiten (V. 13). 
Nachdem der König sein Angesicht zu Gott gewandt hat, richtet er es auf die Versammlung Israels. Er übernimmt die Rolle Melchisedeks, während das aaronitische Priestertum nicht im Heiligtum stehen kann. Er segnet die ganze Versammlung Israels, und dann preist er Jehova. Er erinnert daran, dass die gewissen Gnaden Davids der Ausgangspunkt der Herrlichkeit seines Reiches sind, wie auch daran, dass diese Herrlichkeit von dem gesetzlichen Bunde abhängen wird. Gott hatte dem König der Herrlichkeit alles das erfüllt, was Er dem verworfenen und leidenden König verheißen hatte. Man findet hier in Salomo, wie in Christo, die Erfüllung aller Verheißungen, weil David, der verworfene König, der Gegenstand der besonderen Gunst Gottes, hienieden mit dem einen Zweck und dem einen Gedanken gewandelt hatte: einen Ruheort für den herrlichen Thron Jehovas zu finden.

 Christus hatte während all Seiner Drangsal nur das eine im Herzen, Gott zu verherrlichen, da wo die Sünde Ihn verunehrt hatte. Darum liebte Ihn der Vater und hat es bewiesen, indem Er Ihn zur Herrlichkeit erhöhte. 
Das ganze prachtvolle Haus war gebaut worden, um der Bundeslade eine Wohnstätte darin zu bereiten (V. 21). Die Verantwortlichkeit des Volkes sollte unter einer neuen, bis dahin unbekannten Regierungsform auf die Probe gestellt werden, unter der Regierung der Herrlichkeit nämlich, wobei jedoch die Gesetzestafeln die Richtschnur für diese Verantwortlichkeit blieben. So wird es auch im Tausendjährigen Reiche sein. Satan wird während der Dauer dieses Reiches gebunden sein; die Menschen werden nicht mehr durch seine Listen verführt werden, und die Herrschaft der Gerechtigkeit wird sie zwingen, sich ihren Forderungen zu unterwerfen. 
Salomo vollführt hier (V. 22 - 30) in Wirklichkeit den priesterlichen Dienst. Er steht vor dem Altar, angesichts der ganzen Versammlung Israels. Dort breitet er seine Hände aus gen Himmel und nimmt den Charakter des Mittlers an. Er ist wohl, wie schon gesagt, das Bild Melchisedeks, des Königs der Gerechtigkeit und des Friedens. Wie Melchisedek erkennt und verkündigt er in Jehova, dem Gott Israels, den Allerhöchsten, der Himmel und Erde besitzt. Er erkennt an, dass Gott Seinen Bund bewahrt (Israel hatte ihn nicht bewahrt) und Seine Güte. Hätte Er ohne diese Seinen Bund bewahrt, so würde das die endgültige Verurteilung des Volkes bedeutet haben. Dennoch entsprach selbst diese Güte dem Bund des Gesetzes: Gott bewahrte sie denen, die vor ihm wandelten mit ihrem ganzen Herzen. 
Sodann fleht er zu Gott, Seinem Knechte David zu halten, was Er ihm verheißen habe. Die ganze Treue Gottes gegenüber den Seinigen hängt von dem ab, was Er Christo verheißen hat. Man würde hier den Boden der reinen Gnade betreten, wenn es nicht ein Wenn gäbe. „Es soll dir nicht an einem Manne fehlen vor meinem Angesicht, der da sitze auf dem Throne Israels, wenn nur deine Söhne auf ihren Weg acht haben, dass sie vor mir wandeln, so wie du vor mir gewandelt hast. „Wie verurteilt dieses „wenn nur" uns alle! Es hat den weisen Salomo verurteilt, wie viel mehr uns Armselige! Handelt es sich darum, unter dieser Herrschaft der Verantwortlichkeit etwas, was es auch sei, von Jehova zu erlangen, so sind wir von vornherein verurteilt. 

Es ist selbstverständlich, dass auch die Gnade eine Verantwortlichkeit im Gefolge hat für die, welche ihrer Herrschaft angehören; doch diese Verantwortlichkeit ist eine ganz andere. Man könnte sie mit den Worten ausdrücken: „Lasst uns das sein, was wir sind", während die gesetzliche Verantwortlichkeit sagt: „Lasst uns das werden, was wir sein sollen". 
„Aber", fährt Salomo fort, „sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen?" Selbst im Tausendjährigen Reiche wird das nicht der Fall sein. Gott als solcher wird über der Erde in Seiner Versammlung, dem neuen Jerusalem, wohnen. Wenn die ewigen Himmel und die ewige Erde nach Offbg. 21, 3 da sein werden, wird Gott auf der Erde bei den Menschen wohnen. Salomo, der dies wusste, bittet Gott, dass „Sein Name daselbst sei", dieser Name, der zugleich Seine Person Selbst darstellt. Er bittet, dass Gott von der Stätte Seiner Wohnung im Himmel den König, Seinen Knecht, und Sein Volk Israel hören möge, wenn sie sich nach Seinem Hause hinwenden würden. Er drückt zugleich das Bewusstsein aus, dass der eine oder andere der Vergebung bedürfen: "Höre und vergib!" 
Weiterhin zählt Salomo die verschiedenen Fälle auf, wo diese Bitten und diese Vermittlung sich an Jehova wenden würden.
1. Der erste Fall ist persönlich (V. 31. 32). Es ist die Bitte zu Gott, dass Er den Schuldigen verurteilen möge, wenn ihm der Eid vor dem Altar "in diesem Hause" auferlegt werde, und dass Er den Gerechten gerecht spreche. Die Gegenwart Gottes in Seinem Hause macht die Ungerechtigkeit unmöglich. Es ist die einfache und allgemeine Wahrheit von der persönlichen Vergeltung, wie sie unter dem Gesetz gekannt ist, wenn Gott es Sich gefallen lässt, in der Mitte eines Volkes im Fleische zu wohnen.
2. Salomo setzt den Fall (V. 33. 34), dass das Volk gegen Jehova gesündigt habe und dass Dieser ihm deswegen Feinde erwecke, um es zu schlagen. Wenn nun das Volk umkehre und Jehova in Seinem Hause suche, so möge Gott vergeben und es wieder in sein Land zurückbringen.
3. Er nimmt an, dass Plagen, Dürre, Hungersnot, Heuschrecken, Angriffe seitens der Feinde usw. über das Land kommen würden wegen der Treulosigkeit seiner Bewohner. Wenn in ihren Herzen Buße gefunden würde, so möge Er Sich an dem Flehen eines Einzelnen genügen lasse, wenn er seine Hände gegen dieses Haus hin ausbreite; Gott möge dann vom Himmel her hören und vergeben, aber indem Er einem jeden nach seinen Wegen gebe, auf dass Er gefürchtet werde. Es ist immer das Gesetz mit Gnade vermischt, welche das Gesetz zulassen kann, wenn Gott Wirklichkeit im Herzen findet (V. 35-40).
4. Auch für den Fremden gibt es Hilfsquellen (V. 41 - 43): er kommt aus fernem Lande, weil er von dem großen Namen und der starken Hand Jehovas gehört hat, und er richtet seine Bitte an Ihn gegen das Haus hin . 

Gott möge ihn hören im Himmel und ihn erhören; denn der König wünscht, dass alle Völker der Erde, ebenso wie sein Volk Israel, den Namen Jehovas kennen und fürchten möchten. Hier gibt es weder Gericht noch eine bedingungsweise Seg­nung. Der außerhalb des Kreises des Gesetzes stehende Fremde naht Gott durch den Glauben und empfängt eine volle Segnung. Das ist in wenigen Worten ein schönes Gemälde der Segnung der Nationen im Tausendjährigen Reiche, deren Vorrechte sich aus der Tatsache herleiten, dass Gott Sein Haus in Jerusalem hat, in der Mitte Seines Volkes.
5. In den Versen 44 und 45 finden wir nicht die Fehltritte des Volkes, sondern den Fall, dass Israel nach dem Willen Gottes handelt und durch diesen Willen dahin geleitet wird, mit seinen Feinden Krieg zu führen. Das ist eine bemerkens­werte Tatsache. Nachdem die Nationen den Gott Israels an. erkannt haben, ist dieses Volk selbst ein williges Volk, um die Feinde Jehovas zu bekämpfen. Das Haus ist von da an der Mittelpunkt der Segnung und der Stärke des Volkes.
6. Die Verse 46-53 reden von dem Ende der Geschichte Israels als eines verantwortlichen Volkes. Sie sind in Gefangenschaft geführt wegen ihrer Sünde. Salomo ist hier ein Prophet. Er redet im Voraus von dem, was diesem Volke unter dem Gesetz notwendigerweise begegnen muss; denn da ist kein Mensch, der nicht sündigte. Dennoch ist noch eine Hilfsquelle vorhanden. Das Haus ist da, und Gott kann Seine Verheißungen nicht verleugnen. Salomo beruft sich dabei nicht aufs Gesetz, sondern auf die Gnade. Aus reiner Gnade hatte der Gott der Verheißungen Sein Volk aus Ägypten errettet  würde Er diese Gnade selbst unter der Herrschaft des Gesetzes verleugnen können? Sie sind Sein Volk; wird Gott sie verlassen? Nein, wenn sie sich in Buße nach dem Lande, nach der Stadt und dem Hause hin­wenden, wird Gott auf sie hören. Daniel ist ein Beispiel dafür (Dan. 6, 11).

 Er blieb aufrecht inmitten der schweren Heimsuchung, der einzig Gerechte, der für das Volk betete und sich für das Volk demütigte  und hat Gott nicht auf ihn gehört? Aber ein Größerer als Daniel, Salomo, der König der Herrlichkeit selbst war da. Er sagt zu Gott: „Deine Augen seien offen für das Flehen deines Knechtes und für das Flehen deines Volkes Israel". Und dieser Salomo ist nur ein schwaches Bild von dem wahren König, dem wahren Knechte Jehovas. Das Eintreten Christi für Sein Volk bewirkt, dass Gott es aufs neue annimmt. Er stellt es wieder her zum Ruhme Dessen, der die Verheißungen gegeben hat, und zur Verherrlichung Seines Geliebten. So hängt die künftige Wiederherstellung des Volkes von der Tatsache ab, dass der wahre Knecht Jehovas vor Ihm ist, sowie von der Tatsache, dass Gott Seinen Gnadencharakter, der lange vor dem Gesetz geoffenbart ist, nicht verleugnen kann.

Fußnoten:
*23) Mit Ausnahme der Adler. Wir haben schon weiter oben gesagt, dass die Schnelligkeit der Gerichte nichts zu tun haben kann mit einer Herrschaft der Gerechtigkeit und des Friedens.
*24) Die Cherubim haben hier einfach menschliche Gestalt wie auf den Wänden des Tempels. In Hesek. 41, 19 haben sie zwei Angesichter, das eines Löwen und das eines Menschen: Macht und Einsicht welche allein die endgültig errichtete Herrschaft Christi kennzeichnen werden. In Hesek. 1 besitzen die vier lebendigen Wesen je vier Angesichter, denn dort handelt es sich darum, den Thron Gottes Im Gericht darzustellen.
*25) In unserem Buche tragen die Wände außerdem noch aufbrechende Blumen, vielleicht weil die volle Entfaltung der Herrschaft noch nicht da war. Diese aufbrechenden Blumen fehlen in 2. Chron. 3, 57.
*26) Beachten wir jedoch, dass wir hiermit eigentlich die Unterweisung des 1. Buches der Könige verlassen und in diejenige des 2. Buches der Chronika eintreten. Tatsächlich lässt unser Kapitel die Worte: "Stehe auf, Jehova, Gott, zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Stärke!" weg; und ebenso fehlt hier der Gesang, der im Tausendjährigen Reiche gehört werden wird: "Preiset Jehova, denn er ist gut, denn seine Güte währt ewiglich" (Vergl. 2. Chron. 6, 41; 7, 3. 6). Auch wird der achte Tag nur erwähnt, um uns zu sagen, dass an diesem Tage Salomo das Volk nach Hause entließ (1. Kön. 8, 66), während das 2.Buch der Chronika von der Festversammlung am achten Tage nach der ersten Woche der ,Einweihung des Altars und von der zweiten Festwoche redet (2. Chron. 7, 8-10). 

Alles dieses zeigt uns deutlich den verschiedenen Zweck Gottes in den beiden Erzählungen. Das Fest im 1. Buche der Könige ist notwendigerweise unvollständig, weil der verantwortliche König im Vordergrund steht; dasjenige im 2.Buch der Chronika ist vollständig, weil dieses Buch uns den König nach den Ratschlüssen Gottes darstellt, folglich als ein weit vollkommeneres Vorbild von Christo. Die Ruhe im 1. Buche der Könige ist mehr das Ende eines ,Zeitabschnittes in der Geschichte des verantwortlichen Königs. Gott zeigt, dass Er, nachdem die Zeit der Gnade unter David vollendet war, unter Salomo end­gültig ruhen konnte, freilich unter der einen Bedingung, dass der König treu war.

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Die Entrückung durch den Bräutigam und das Kommen mit dem König.

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 185ff

Weiter sehen wir in Offbg. 19, 11 — 16 den König der Könige und den Herrn der Herren, begleitet von Seinen Kriegsheeren, wie Er aus den geöffneten Himmeln hervorkommt, um „,zu richten und Krieg zu führen. 
Doch wenden wir uns noch für einen Augenblick zu Matth. 25. Über das letzte Gleichnis in diesem Kapitel ist die ganz und gar irrige Auslegung verbreitet, es sei ein Gemälde von dem sogenannten allgemeinen Gericht; und infolge dessen hört man oft fragen: „Werden wir nicht alle so vor dem Herrn als unserem Richter stehen und unseren Platz, entweder unter den Schafen zu Seiner Rechten oder den Böcken zu Seiner Linken angewiesen erhalten?“ Ich antworte kühn: „Nein“.

 Es handelt sich hier um das Gericht der Nationen, die sich aus der Erde befinden werden, wenn der wahre König Seine Regierung antritt. Nun kann Israel nicht unter die Nationen gerechnet werden. (Vergl. 4. Mose 23, 9.) Noch weniger kann man die Heiligen, welche die Kirche bilden, zu ihnen zählen (Vergl· Kol. 3, 11; Apstgsch. 15, 14). 
Aber, möchte gefragt werden, wenn weder Israel noch die Kirche zu den hier gerichteten „Nationen“ gehören, wo haben denn beide ihren Platz bei dieser feierlichen Szene? Die Schrift selbst möge Antwort auf diese Frage geben. Betreffs der neutestamentlichen Heiligen sagt sie uns: 
„Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werdet auch ihr mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol. 3, 4). „Siehe, der Herr kommt inmitten Seiner heiligen Tausende, Gericht auszuführen“ u. s. w. (Jud. 14. 15). „Kommen wird Jehova, mein Gott, und alle Heiligen mit dir . . . und Jehova wird König sein über die ganze Erde“(Sach. 14, 5. 9; vergl. auch Offbg. 3, 21). 
Diese Stellen geben deutliche Auskunft über die Frage, wo die „Miterben“ fein werden, wenn der „Erbe aller Dinge“ die Erbschaft antritt. Betreffs Israels ist folgendes zu sagen: Erinnern wir uns zunächst daran, dass dieses Volk von dem „Samen Abrahams“ nach dem Fleische war. Beachten wir ferner, dass in Matth. 1, 1 Jesus Christus als Sohn Davids und „Sohn Abrahams“ bezeichnet wird; und in Hebr. 2, 16 heißt es: „Des Samens Abrahams nimmt Er sich an“. Während Er also als Sohn Davids der „König“ Israels ist, kann Er als Sohn Abrahams von ihnen als Seinen „Brüdern“ sprechen. Und in Erfüllung der Prophezeiung des Sohnes Abrahams (Isaak), segnet Er alle die, welche den Söhnen Jakobs Freundschaft erwiesen, und verflucht alle, die das nicht getan haben. „Wer dir flucht, sei verflucht, und wer dich segnet, sei gesegnet“ (Vergl. 1. Mose 27, 29 mit Matth. 25, 34. 41)! 
Wir sehen also, dass der Herr außer den Heiligen, welche nach anderen Schriftstellen „mit Ihm in Herrlichkeit erscheinen« werden, hier deutlich drei Klassen von Personen unterscheidet, nämlich „Schafe“, „Böcke“ und „Brüder“. Wenn nun die „Brüder“ Angehörige Seiner eigenen Nation (dem Fleische nach) sind, wer sind dann die „Schafe“ und die „Böcke“? 
Aus anderen Stellen der Schrift wissen wir, dass nach der Aufnahme der Kirche in die Herrlichkeit „ein neues, besonderes Zeugnis ergehen wird, dessen Träger jüdische Missionare sein werden. Der Herr selbst nennt es in Matth. 24,14 das „Evangelium des Reiches“, und sagt, dass es »auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden würde, allen Nationen zu einem Zeugnis“. Der Schwerpunkt desselben wird ohne Zweifel das baldige Kommen des rechtmäßigen „Königs“ sein. Einige aus diesen „Nationen“ werden das Zeugnis annehmen und dementsprechend alles tun, was in ihren Kräften steht, um den Boten des Königs Gutes zu erzeigen; andere dagegen werden nicht nur die Botschaft verwerfen, sondern auch den verachteten und misshandelten Bringern derselben alles Mitgefühl und jede Hülfe verweigern. 
Der Leser wolle sorgfältig beachten, dass auf diesem Boden allein, nämlich wie man Seine „Brüder“ behandelt hat, der König die Nationen bei Seinem Erscheinen in Herrlichkeit voneinander scheiden und schließlich entweder „segnen“ oder „verfluchen“ wird. Die „Schafe“ stellen die eine Klasse dar, die „Böcke“ die andere. 
Die ersteren (Ruth, der Moabitin, vergleichbar, welche der armen, verwitweten Tochter Israels Freundlichkeit erwies,) werden damit belohnt werden, dass sie die Segnungen der tausendjährigen Herrschaft des Messias auf der Erde teilen dürfen, während das Ende der anderen das Gericht sein wird. 
In diesem Gleichnis ist nichts enthalten von der Auferstehung der Toten oder dem Ende der Welt; ebenso wenig in Offbg. 19, welches Kapitel dieselbe Szene schildert. Die Auferstehung der Erretteten wird schon vorher stattgefunden haben, wie wir dies aus 1. Thess. 4, 16 und 1. Kor. 15, 51 ersahen; und die Auferstehung der gottlosen Toten wird erst nach der tausendjährigen Herrschaft des Messias stattfinden. 
 In Offbg. 20, 5. 6 lesen wir, nachdem von den verschiedenen Klassen der Erretteten die Rede war, welche „mit dem Christus tausend Jahre“ leben und herrschen werden: „Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung. Glückselig und heilig, wer teil hat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit Ihm herrschen tausend Jahre.“ 
Aus dieser Stelle geht mit überwältigender Deutlichkeit hervor, dass es zwei Auferstehung en geben wird; und da die erste alle einschließt, welche mit Christo tausend Jahre herrschen werden, so muss sie notwendigerweise vor den tausend Jahren stattfinden. Die zweite, welche „die übrigen der Toten“ umfasst, tritt erst ein, wenn „die tausend Jahre vollendet“ sind. Dann werden Himmel und Erde vergehen, und „die Toten, die Großen und die Kleinen“, werden zum Gericht vor dem großen weißen Throne stehen und für immer in den Feuersee geworfen werden. 
Nach diesem fährt Johannes fort: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde . . . . und das Meer ist nicht mehr“. Gott sei dafür gepriesen, dass Er unserem begrenzten Geist solch wunderbare Wirklichkeiten geoffenbart und uns durch den Heiligen Geist ein Verständnis darüber gegeben hat! Wahrlich, wir mögen wohl mit dem Apostel ausrufen: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“ (Röm. 11, 33). 
Zum Schluss noch ein kurzes Wort über den letzten Teil unseres Gegenstandes: 
4. Die Vorbereitungen für Sein Kommen. 
Die Schrift spricht in zwei verschiedenen Beziehungen von unserem Bereitsein. In Matth. 25, 10 heißt es: „Die bereit waren gingen mit Ihm ein zur Hochzeit; und die Tür ward verschlossen“. In Luk. 12, 40 sagt der Herr, nachdem Er vorher von den Knechten gesprochen hat, die auf ihren Herrn warten: „Auch ihr nun, seid bereit; denn in der Stunde, in welcher ihr es nicht meinet, kommt der Sohn des Menschen“. 
Im Sinne der ersten Stelle sind alle bereit, „welche des Christus sind“ (1. Kor. 15, 23). Sie haben an Ihn geglaubt; sie sind von ihren Sünden durch Ihn gewaschen; sie sind in Ihm begnadigt (Eph. 1, 6); Sein Heiliger Geist wohnt in ihnen (Röm. 8, 9); und alles das ist der Fall ohne irgendwelches Verdienst ihrerseits. Sie danksagen dem Vater, der sie fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Lichte (Vergl. Kol. 1, 12 — 14). 
In der zweiten Stelle fordert der Herr die Seinigen auf, bereit zu sein. Darin liegt schon, dass das Gegenteil der Fall sein kann; und dass es leider manchmal der Fall ist, das wissen wir alle aus eigenster Erfahrung. Der Apostel Paulus war bereit.

 Er konnte sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, . . . ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die Seine Erscheinung lieb haben“.(2. Tim. 4, 7. 8). Er sehnte sich danach, „überkleidet« zu werden und das Angesicht seines geliebten Herrn zu schauen. Er war nicht nur bereit, weil er errettet war, sondern weil sein Dienst und sein Zeugnis so gewesen waren, dass er sicher war, seines Herrn: „Wohl, du guter und treuer Knecht!“ an „jenem Tage“ zu vernehmen. 
Ich will versuchen, dem Leser auch diese beiden Fälle durch ein Bild zu veranschaulichen. Wir wollen annehmen, ein Vater sende seinen Sohn einer wichtigen Geschäftssache wegen an einen entfernten Handelsplatz. Dazu versieht er ihn zunächst mit einer Fahrkarte für die ganze Reise. Dann teilt er ihm alles Notwendige mit, wohin er zu gehen und was er zu tun hat, und ermahnt ihn zum Schluss, sich doch mit allem Fleiß die Ausführung der väterlichen Wünsche angelegen sein zu lassen, umso mehr als seine Zeit nur kurz bemessen sei.

 Am Ziel angelangt, scheint der Sohn sich für eine Weile seiner Aufgabe mit allem Ernst zu widmen. Dann aber, nachdem erst ein kleiner Teil des Geschäfts erledigt ist, trifft er einige alte Kameraden. Die freundlichen Ermahnungen, treu und fleißig zu sein, sind im Nu vergessen. Er lässt sich durch die Freunde überreden, mit ihnen zu gehen. Sie wandern in der Stadt umher und nehmen deren Sehenswürdigkeiten in Augenschein. Die Zeit verfliegt, ohne dass er darauf achtet, bis er plötzlich aufgeschreckt wird durch den dröhnenden Schlag der großen Stadtuhr. Ein Blick zum Turm überzeugt ihn, dass er nicht eine Minute zu versäumen hat, wenn er noch den letzten Zug nach Hause erreichen will. Er stürmt zum Bahnhof und kommt eben noch zur rechten Zeit, um seinen Platz, einzunehmen. Im nächsten Augenblick ertönt das Zeichen zur Abfahrt. 
Was meinst du, mein Leser, ist er zur Heimkehr bereit? Die Antwort lautet Ja und Nein. Insoweit es sich um die Ansprüche der Eisenbahn handelt, „ja“; denn er ist im Besitz einer gültigen Fahrkarte (was allerdings nicht an ihm liegt, denn der Vater hat sie ihm gekauft), und kein Beamter kann ihm sein Recht auf einen Platz im Zuge streitig machen. 
Aber wie steht es mit seinem Auftrag und der Erfüllung der väterlichen Wünsche? Ach, das Lächeln der Zustimmung zu der Art und Weise, wie er seine Aufgabe erledigte, hat er für immer verwirkt! Der Vater kann ihn nicht mit einem „Brav, mein Sohn!“ empfangen, und doch hat er noch an demselben Abend als Sohn einen Platz, am Familientisch.“ 
Nun, ebenso besitzt auch jeder Gläubige — in dem einst gekreuzigten, aber jetzt zur Rechten Gottes verherrlichten Heiland etwas, was der „Fahrkarte“ entspricht, nämlich einen unbestreitbaren Beweis, dass ein voller Preis für ihn bezahlt worden ist. 

Aber während „jeder Glaubende gerechtfertigt“ ist (Apstgsch. 13, 39,) und Gott jeden, den Er „gerechtfertigt hat, auch verherrlicht“ hat (Röm. 8, 30), so werden doch an jenem Tage die Gläubigen nicht alle denselben Lohn erhalten. „Ein jeder aber wird seinen eigenen Lohn empfangen nach seiner eigenen Arbeit“. Der Herr wird sowohl die Menge oder Größe als auch die Beschaffenheit unseres Werkes in Betracht ziehen; Er wird untersuchen, wieviel jeder erhandelt hat (Luk. 19, 15) und „welcherlei das Werk eines jeden ist“ (1. Kor. 3, 8. 13). 
Gott gebe, mein lieber gläubiger Leser, dass es dein und mein glückseliges Teil sein möchte, nicht nur Anspruch darauf zu haben, „mit Ihm zur Hochzeit einzugehen“ und bei Ihm im Vaterhanse zu weilen, sondern dass wir auch wachend, wartend und für Ihn arbeitend erfunden werden, indem wir nach Seinen Wünschen fragen und für Seine Interessen besorgt sind, bis Er kommt! Lass uns nicht vergessen, dass, wenn wir unser Kreuz aus uns nehmen und in liebender Hingebung Ihm folgen wollen, es jetzt sein muss. 
 Wir leben an einem schwierigen Tage. „Schwere Zeiten“ sind gekommen; böse Menschen und Gaukler schreiten mehr und mehr im Bösen fort, indem sie verführen und verführt werden (2. Tim. Z, 13). Wie steht diese Tatsache doch in so ernstem Widerspruch zu dem weitverbreiteten Irrtum, dass die ganze Welt bekehrt werden würde, bevor Er komme! Mit einem hochtönenden Bekenntnis verbindet sich gar oft ein niedriger Wandel. In der Welt greift der Geist der Gesetzlosigkeit immer mehr um sich, und unter denen, die sich Christen nennen, machen sich lockere Grundsätze und ein zunehmender Mangel an Treue gegen Christum breit. 
Dennoch werden wir, trotz allem, „Gott und das Wort Seiner Gnade“ bis zum Ende hin haben, Sein Wort, um unsere Schritte zu lenken, und Seine Gnade, um uns auf dem rechten Pfade zu erhalten. Der Herr schenke uns, dass wir uns nicht verführen lassen durch allerlei Erscheinungen in diesen letzten Tagen, noch auch mutlos werden, wenn wir auf dem Pfade des Gehorsams nicht das finden, was dem natürlichen Auge als ein Erfolg erscheint. „Gehorchen ist besser als Schlachtopfer.“ Möge die Ermahnung unseres hochgelobten Herrn und Meisters tief in unsere Herzen dringen: „Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten, wann irgend er aufbrechen mag von der Hochzeit, auf dass, wenn er kommt und anklopft, sie ihm alsbald aufmachen. Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn Er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tische legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“ (Luk.12,35 — 37). „Nicht mehr lange! 
lehr’ uns wachen! Morgenröte zeigt sich schon von fern; 
bald wird landen unser Nachen, 
der uns trägt zu dir, dem guten Herrn. 
Lehr’ uns wachen, kämpfen ohn’ Ermüden,
immer näher bringt uns jeder Tag; 
lehr’ uns wandeln völlig abgeschieden, 
unserm Kampf folgt sel’ge Ruhe nach. 
Unsere Betrachtung ist zu Ende. Ich kann jedoch nicht schließen, ohne noch ein Wort an den unbekehrten Leser dieser Zeilen gerichtet zu haben. Lass mich dich daran erinnern, teurer Freund, wie unerwartet der Herr kommen wird, und dass du zurückgelassen werden würdest, sollte Er dich, gleich den törichten Jungfrauen, „ohne ÖI in dem Gefäße“ finden. Richte dein Auge für einen Augenblick in die Zukunft. Denke daran, wie schnell die Schwingen der Zeit dich zur Ewigkeit hinübertragen, und o, zu welch einer Ewigkeit! 
Wie traurig und ernst wird es schon für dich sein, auf der Erde zurückgelassen zu werden, um dann erkennen zu müssen, dass die Erretteten (und darunter vielleicht mancher Verwandte und Freund) ohne dich in den Himmel „entrückt“ worden sind; erkennen zu müssen, dass du der letzten Warnung ein taubes Ohr zugekehrt, den letzten Ruf der Gnade unbeachtet gelassen hast! Nicht weniger traurig ist der Gedanke, dass dein Leib in dem dunklen Grabe bleiben wird, wenn die „tausend Jahre“ der Friedensherrschaft Christi mit all ihren Segnungen ihren Lauf nehmen werden; wenn die ganze Erde mit Seiner Herrlichkeit erfüllt ist (Psalm 72, 19), und die Herrschaft des Friedefürsten reichen wird „von Meer zu Meer, und vom Strome bis an die Enden der Erde“ (Sach. 9, 10).

 Ja, schon dies alles entbehren zu müssen, während der Geist im Hades weilt, fern von dem Ort der Erlösten (Luk. 16, 23), ist ein schreckliches Los. Aber nun bedenke, nach diesem wirst du auferweckt werden von den Toten durch die Stimme des Sohnes Gottes (Vergl. Joh. 5, 28. 29). Leib und Geist werden wieder miteinander vereinigt werden, und ein gerechtes Gericht vor dem großen weißen Throne wird folgen. Für jedes unnütze Wort, für die Geschichte eines jeden Tages wirst du dort Rechenschaft abzulegen haben, und, da „Gott treu ist“, wird eine Ewigkeit in dem Feuersee dein sicheres Teil sein! O gehe nicht leichtsinnig hierüber hinweg. Noch ist die Tür geöffnet. Noch ladet Jesus dich ein. Noch weilen die Seinigen auf der Erde. Aber ich mache dich ernstlich aufmerksam auf die Gefahr, in der du dich befindest. Ich bitte dich aufs dringendste: Eile und errette deine Seele! Höre auf die Einladung der Boten Gottes, so lange „noch Raum ist“! Nimm die Sache ernst. Sinke zu Seinen Füßen nieder und bekenne Ihm deine Schuld, deinen ganzen sündigen Zustand! Er wird dich gern aufnehmen, dich segnen und dich noch in dieser Stunde von Tod und Verdammnis erretten. „Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten“ (1. Tim. 1, 15). 
Wenn einmal der Herr aufgestanden ist und „die Tür verschlossen hat“, ist dein Schicksal für immer besiegelt. Bedenke dies und danke Gott, denn noch ist Raum!
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Welt- und Geldliebe

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 196ff
Was war es, das Lot nach Sodom brachte und sein Weib ins Verderben stürzte? — Liebe zur Welt. (1.Mose 13, 10. 11; 19, 26; Luk. 17, 32). 
Was war die Ursache, dass Demas den Apostel Paulus und den Dienst verließ? — Liebe zur Welt (2. Tim. 4, 10). 
„Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm“ (1. Joh. 2, 15; vergl. Matth. 16, 26). 
Was trieb Judas in Selbstmord und Verderben? —— Liebe zum Geld (Matth. 26, 14—16; 27, 5). 
Was brachte Simon, den Zauberer, „in Galle der Bitterkeit und in Bande der Ungerechtigkeit“? — Liebe zum Geld“ (Apstgsch. 8, 14—23). 
Was besiegte das Herz Gehasis, des Dieners des Propheten Elisa, und stürzte ihn und seine Nachkommen in unsägliches Elend? — Liebe zum Geld (2. Kön. 5, 20ff). 
Was überwand das Herz Achans und brachte Gottes Volk in Trübsal, so dass es vor dem Feinde nicht zu bestehen vermochte? —— Liebe zum Geld und zur Welt. (Josua 7). 
Was hindert so oft das Aufgehen des Samenkorns der göttlichen Wahrheit in der Seele?“ — Liebe zum Geld (Vergl. Matth. 13, 22). 
„Die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen welcher nachtrachtend etliche von dem Glauben abgefallen sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge“ (1.Tim. S, 10. 11). 
Die Gottseligkeit aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn (1. Tim. 6, 6). 
Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen und nicht zum Gewinn“ (Ps. 119, 36)!
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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 197ff

Ein anderer charakteristischer Zug: Salomo geht in seinem Gebet über David hinaus bis zu Moses. Je mehr das Volk Gottes sich von Ihm entfernt hat, umso mehr kehrt der Glaube zu dem zurück, was im Anfang errichtet wurde. Die Wege Gottes mit Seinem Volke können sich ändern je nach der Treue oder Untreue des Volkes, so dass Gottes Handlungsweise einer Zeit seiner Geschichte entsprechen und einer anderen Zeit nicht entsprechen kann; aber die Ratschlüsse Gottes ändern sich niemals. Seine Vorsätze bleiben von Ewigkeit her dieselben. 

Das ist es, was den Apostel am Ende seiner Laufbahn, als der Verfall der Kirche schon offenbar war, sagen lässt: „Paulus, Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi, nach dem Glauben der Auserwählten Gottes und nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit ist, in der Hoffnung des ewigen Lebens, welches Gott, der nicht lügen kann, verheißen hat vor den Zeiten der Zeitalter" (Tit. 1, 1. 2). Das ist es auch, was Salomo die Worte in den Mund legt: „Du hast sie ausgesondert, dir zum Erbteil aus allen Völkern der Erde, so wie du durch deinen Knecht Mose geredet hast, als du unsere Väter aus Ägypten herausführtest, Herr, Jehova!" (V. 53).
So ist es stets. Der Glaube findet in den dunkelsten Zeiten seine sichere Zuflucht in dem, „was von Anfang war" (i. Joh. 1, 1; 2, 7. 24; 2. Joh. 5. 6). "Ihr, was ihr von Anfang gehört habt, bleibe in euch!"
Salomo hatte vor Jehova gekniet, um für sein Volk einzutreten; jetzt erhebt er sich, um die ganze Versammlung Israels zu segnen. Er preist Gott vor allem dafür, dass Er Seinem Volke Ruhe gegeben hat, eine Ruhe, die von derjenigen abhing, in welche Jehova gerade eingegangen war, Er und die Lade Seiner Stärke. Der König erkennt die völlige Erfüllung eines jeden Wortes Gottes an: „Kein einziges Wort ist dahingefallen von allen Seinen guten Worten, die Er durch Seinen Knecht Mose geredet hat" (V. 56). Er stellt seine eigene Fürbitte als einen Beweggrund hin, dass Gott Sein Volk segnen möge, und das Ergebnis dieser Segnung soll sein, dass „alle Völker der Erde erkennen, dass Jehova Gott ist, keiner mehr" (V. 60).

 Das wird in Erfüllung gehen in dem Tausendjährigen Reiche Christi, auf welches diese ganze Geschichte, wie wir immer wieder gesehen haben, uns beständig hinweist. Indessen, damit diese Segnung eintrete, ist es nötig, dass „das Herz Israels ungeteilt mit Jehova, unserem Gott, sei, um in seinen Satzungen zu wandeln und seine Gebote zu beobachten". Es ist immer die gesetzliche Bedingung, welcher zu genügen dem fehlbaren König und Volk unmöglich war, und die allein in Christo ihre Erfüllung gefunden hat.

KAPITEL 9, 19: Jehova redet

Dieser Abschnitt bildet den Schluss des zweiten Teiles der Geschichte Salomos. Der erste Teil erzählt uns die Ausrufung seines Königtums und die Grundlage, auf welcher es errichtet wurde, nämlich die Vollziehung des Gerichts über diejenigen, welche unter der Regierung Davids Gott verunehrt hatten. Die Kapitel 39, 9 machen uns mit der inneren Geschichte dieser herrlichen Regierung bekannt.
In den Kapiteln 3 und 4 finden wir den Beginn in Gibeon, im Anschluss daran die Grundsätze und die Ordnung des Reiches, sowie den Charakter moralischer Vollkommenheit in dem König. In den Kapiteln 58 ist die Weisheit Salomos beschäftigt, Jehova einen Seiner würdigen Ruheort inmitten des dem König unterworfenen Volkes zu bereiten. Die Erbauung des Tempels steht als Hauptereignis im Mittelpunkt der Regierung Salomos; dann folgt die Erbauung des Palastes des Königs, wobei die Nationen dem Volk Gottes zugesellt werden.

 Schließlich kommt im 8. Kapitel die Einweihung des Tempels in Verbindung mit dem Laubhüttenfest  ein Vorbild der Ruhe des um Jehova gescharten Volkes während der tausendjährigen Regierung des Messias, wobei Salomo selbst in dem Charakter Melchisedeks und dem eines Mittlers vor unsere Blicke tritt.
Diese innere Geschichte schließt mit einer neuen Erscheinung Jehovas. Wieder erscheint Gott Salomo in einem Traum, wie einst zu Gibeon, und gibt ihm seiner Bitte entsprechend. „Ich habe dein Gebet und dein Flehen gehört, das du vor mir gefleht hast; ich habe dieses Haus, das du gebaut hast, geheiligt, um meinen Namen dahin zu setzen auf ewig; und meine Augen und mein Herz sollen daselbst sein allezeit". Das ist eine bedingungslose Antwort auf das, was Salomo, als Vorbild von Christo, für Jehova getan hat. Gott nimmt das, was Salomo gebaut hat als für allezeit unter Seine Augen gestellt an.
Doch wie überall in diesem Buche, so tritt auch hier sogleich wieder die Frage der Verantwortlichkeit hervor, in unmittelbarem Gegensatz zu dem Vorhergehenden. Handelt es sich um Salomo als Vorbild, so ist alles gesichert; handelt es sich um ihn in seiner Verantwortlichkeit, so erscheint alles in Frage gestellt. Sein Thron kann nur befestigt werden, wenn er in Geradheit und Treue wandelt; seine Nachkommen können nur bestehen, wenn sie derselben Bedingung nachkommen. Ist Israel mit seinem König untreu, werfen sie sich vor anderen Göttern nieder, so wird nichts von dem erhalten bleiben, was der Herr durch Salomo errichtet hat. Das Volk wird aus dem Lande ausgerottet, und das Haus selbst wird verworfen und zerstört werden.
Während Gott also zunächst bedingungslos erklärt dass Seine Augen und Sein Herz allezeit auf dieses Haus gerichtet seien, sagt  Er kaum drei Verse weiter, dass es von Seinem Angesicht weggeworfen werden würde! Widerspricht Sich Gott? Sicherlich nicht. Wie die bedingungsweise Drohung buchstäblich erfüllt worden ist, so wird auch die bedingungslose Verheißung buchstäblich in Erfüllung gehen, und zwar dann, wenn der wahre König, der König nach dem Herzen Gottes, Ihm ein Haus gebaut haben wird: einen Tempel hienieden, weit herrlicher als derjenige Salomos, und eine Wohnung in dem Himmel, wo der Thron Gottes und des Lammes sein wird. 

Dann wird Gott ruhen in Zion und in Seiner verherrlichten Versammlung zugleich.
So endet dieser Teil der Geschichte Salomos. Der übrige Teil des 9. Kapitels und das 10. Kapitel reden von seinen Beziehungen zu den Nationen. Es ist die äußere Geschichte Seiner Regierung. Nicht als ob in dem vorhergehenden Zeitabschnitt davon nicht die Rede wäre; aber diese Beziehungen werden nur in ihrer Berührung mit dem Reiche nach innen erwähnt, wie z. B. die Heirat mit der Tochter des Pharao und das Verhältnis Hirams zu dem König bei der Erbauung des Tempels.

KAPITEL 9, 10 – 23: Hiram

Die Verse 10 - 14 reden von den äußeren Beziehungen Salomos zu Hiram. Als Belohnung für seine freiwillige Mitarbeit am Tempel und am Hause des Königs gab Salomo nach Verlauf von zwanzig Jahren, die der Bau der Häuser in Anspruch genommen hatte, dem Hiram einen Landstrich im Lande Galiläa, der zwanzig Städte umfasste, den Hauptteil von dem, was später "das Galiläa der Nationen" genannt wurde (Vergl. Jes. 9, 1; Matth. 4, 15). Dieser Landstrich umfasste ursprünglich einen Teil des Gebietes Naphtali und wurde später, unter Einschluss des Gebietes Sebulon, auf das ganze "obere Galiläa" ausgedehnt so dass er bei Kapernaum bis an den See Tiberias reichte. Der ursprüngliche Landstrich wurde also Hiram verliehen. Handelte Salomo nach Gottes Gedanken, indem er so zum Nutzen eines Fürsten der Nationen einen Teil, und war es auch vielleicht der geringste, von dem Erbteil Israels abtrennte? Wir zögern nicht, diese Frage mit Nein zu beantworten; denn das Land hätte nicht veräußert werden dürfen. Der Herr hatte gesagt: „Das Land soll nicht für immer verkauft werden, denn mein ist das Land ; denn Fremdlinge und Beisassen seid ihr bei mir" (3. Mose 25, 23). Das Land gehörte Jehova . Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass das Buch der Chronika, welches aus schon erwähnten Gründen das Böse, das sich bei den Königen zeigte, nur da mitteilt, wo es zum Verständnis der Geschichte notwendig ist, von dieser Schenkung nichts sagt. 

Im Gegenteil, es nennt an Stelle des Berichtes eine Reihe von Städten, welche "Hiram dem Salomo“ schenkte und welche dieser, nachdem er sie ausgebaut und befestigt hatte, den Kindern Israel zum Wohnort gab (2. Chron. 8, 17). So verringert im 1. Buch der Könige Salomo das Erbteil Gottes, während er es im 2. Buch der Chronika vermehrt. Diese Tatsache erscheint uns sehr bezeichnend. Und noch bezeichnender ist es, dass dieser Landstrich einem Volke ausgeliefert wurde, dessen Götzendienst es mehr und mehr überwucherte, bis schließlich das ganze Land „Galiläa der Nationen" genannt wurde. Und doch war es gerade hier, wo die Gnade Gottes anfing, sich durch den Dienst des Herrn zu entfalten. So machte tausend Jahre nach Salomo die Gnade seinen Fehler wieder gut.
Dieser Fehler hat eine sofortige Folge: er bringt das Land Jehovas in Misskredit und Schmach. Hiram vermochte das nicht zu schätzen, was in den Augen Salomos und eines Israeliten großen Wert hatte. Er sagt: "Was sind das für Städte, die du mir gegeben hast, mein Bruder! Und er nannte sie das Land Kabul (unfruchtbar, nichts hervorbringend?  die Bedeutung des Wortes ist unsicher) bis auf diesen Tag." Er gab ihnen diesen Namen, weil sie "nicht recht waren in seinen Augen". So ist es immer. Wenn der Welt (mag sie auch wie Hiram die beste Gesinnung haben) als solcher, d. h. ohne Glauben, der Genuss der Güter des Christentums, die unsere Freude ausmachen, zuteil wird, so findet sie an ihnen keinen Geschmack. Diese Dinge langweilen sie, sie zählen in ihrem Leben nicht mit.

 Sie wird sie ohne Zweifel zu erhalten suchen, um sich bei Gelegenheit ihres Besitzes zu rühmen, aber sie kann sie nicht in ihrem ursprünglichen Charakter bewahren. Ohne sie zu schätzen, wird sie sie als ein Mittel benutzen, sich Geltung zu verschaffen, und Satan wird sich dieses äußeren religiösen Scheines bedienen, um seine Herrschaft über eine größere Zahl von Seelen auszudehnen. Er wird den Wert jener Güter verächtlich machen. Er wird dem König von Tyrus beweisen, dass das, was Salomo ihm anbietet, nicht verglichen werden kann mit dem Glanz eines durch die Freigebigkeit des Fürsten der Finsternis verliehenen Reiches. Wenn ein Christ, um seine Weitherzigkeit zu zeigen, der Welt auch nur den kleinsten Teil seines Erbteils preisgibt, so erreicht er dadurch nichts anderes, als dass er seinen Charakter herabgesetzt und seine Religion verachtet sieht; und schließlich fällt die Schmach auf Gott Selbst zurück.
Wenn es sich darum handelt, Salomo etwas zu schenken, so zeigt Hiram sich sehr freigebig. Das entspricht dem Stolz des Fürsten der größten See und Handelsmacht von damals, dem England des Altertums. Hiram gibt Salomo hundertzwanzig Talente Gold (etwa 16 Millionen Mark). War das etwas Gutes, ein Nutzen für Salomo? So lange Hiram für die Erbauung des Tempels seine Abgaben entrichtete, fand alles die göttliche Billigung. jetzt aber nennt Hiram Salomo „seinen Bruder" und macht ihm Geschenke! 
Die Tätigkeit und Weisheit Salomos zeigen sich (V. 15-23) in dem Bauen der Vorratsstädte und der Wagen und Reiter­städte. Das ist die äußere Einrichtung des Reiches, sowohl für den Handel wie für den Krieg. Er erhält Geser von dem Pharao, der die kanaanitischen Bewohner der Stadt erschlagen hatte und die Stadt dann seiner Tochter, der Gemahlin des Königs, schenkte. So wird, ohne Störung für die Friedensherrschaft Salomos, der Befehl ausgeführt, die Kanaaniter auszurotten. Ihre Stadt fällt von Rechts wegen Israel als Erbteil zu. Alle einst durch die Schwäche des Volkes verschonten Kanaaniter werden unterworfen, wie einst die Gibeoniter. Indes wiederholt Salomo nicht den Fehler Sauls hinsichtlich der Gibeoniter (2. Sam. 21), sondern er macht alles, was von den Kanaanitern unter dem Volke noch übrig ist, zu Fronarbeitern. 
Gleich Salomo haben die Christen die Rechte der Welt, welche infolge der Untreue der Kirche in deren Mitte festen Fuß gefasst haben, nicht für gültig zu halten; ebenso wenig sollen sie die Welt daraus vertreiben. Was sie zu tun haben, ist, für sich selbst in der Freiheit der Kinder Gottes zu wandeln, und jene in ihrem Joch der Knechtschaft zu lassen, der einzigen Religion, die dem Fleische entspricht und welche das Fleisch anerkennt. Nie hatte vor Salomo eine so völlige Absonderung in Israel stattgefunden; aber sie kann und soll verwirklicht werden in den schlimmsten Tagen der Geschichte Israels oder der Kirche. „jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit."  "Von diesen wende dich weg." Wenn einmal die Herrlichkeit regieren wird, wird die Absonderung eine völlige sein; dann wird man sogar auf den Schellen der Rosse lesen: „Heilig dem Jehova" (Sach. 14, 20). 

KAPITEL 9, 24-28: Die Tochter des Pharao

In Vers 24 zieht die Tochter des Pharao aus der Stadt Davids hinauf in ihr Haus, welches Salomo für sie gebaut hatte (Kap. 7, 8). In Verbindung mit diesem Hause baut der König das Millo, die Burg oder das Kastell, das von da an einen Teil von Jerusalem bildete (2. Sam. 5,9; 1. Kön. 11, 27; 2. Kön. 12,20; 1. Chron. 11, 8; 2. Chron. 32, 5).
Das zweite Buch der Chronika (Kap. 8, 11) berichtet uns, aus welchem Grunde diese Wohnungsveränderung erfolgte. Salomo sagt: „Mein Weib soll nicht in dem Hause Davids, des Königs von Israel, wohnen; denn die Orte sind heilig, in welche die Lade Jehovas gekommen ist". Die Lade war zuerst in der Stadt Davids aufgestellt worden (2. Sam. 6, 12), und, wie die eben angeführte Stelle zeigt, sogar im Hause des Königs. Aus der Stadt Davids, oder Zion, hatte Salomo sie in den Tempel übergeführt. Die heidnische Frau sollte nicht an den durch die Gegenwart des Bundesgottes geheiligten Orten wohnen. Sie konnte ohne Zweifel ihr reichliches Teil an den Wohltaten des Bundes haben, sogar mit dem Manne verbunden sein, der auf Erden dessen Vertreter war; aber der Abstand wurde aufrechterhalten. Der mit Israel errichtete Bund schloss sie nicht ein. Es wird im Tausendjährigen Reich zwischen Israel und den Nationen einen Unterschied geben. Diese empfangen ihre Segnungen nur durch Vermittlung des Volkes Gottes. Der Bund wird nicht mit ihnen errichtet werden.
Dreimal im Jahre opferte Salomo auf dem ehernen Altar (V. 25), der durch den Dienst Hirams für den Tempel erbaut worden war (2. Chron. 4, 1). Dies ist die einzige Stelle im 1. Buch der Könige, wo das erwähnt wird, und dazu nur beiläufig. Auch verbrannte Salomo Weihrauch auf dem goldenen Altar: „Er räucherte auf dem, der vor Jehova stand". Wie wir im 8. Kapitel gesehen haben, versah Salomo bei gewissen feierlichen Gelegenheiten das Amt des Priesters, des Melchisedek und des Mittlers. Redet das nicht zu uns von Christo? Alle würden vereinigen sich in Seiner Person, und Er hat sie alle kraft Seines Todes erworben, ohne welchen Er keines Seiner Ämter bekleiden könnte. Der Anführer unserer Errettung ist durch Leiden vollkommen gemacht worden.
In den Versen 26-28 finden wir aufs neue die Beziehungen Salomos zu Hiram im Blick auf die Herrlichkeit und die äußeren Verhältnisse des Reiches. Das Gold strömt nach Jerusalem. Hiram ist der heidnische Freund, stets bereit, der Größe des Königs, der auf dem Throne Jehovas sitzt, sich dienstbar zu erweisen, und sein guter Wille in Bezug auf das Haus Jehovas dehnt sich auch auf den Wohlstand und das Gedeihen des Reiches aus.

KAPITEL 10, 1 – 13: Die Königin von Scheba

Das vorige Kapitel hat uns die Beziehungen Salomos zu den Vertretern der um ihn her wohnenden Nationen gezeigt. Tyrus, der Libanon, der Pharao von Ägypten, dessen Tochter, die Gemahlin Salomos, ferner das Land Edom, wo er seine Flotte erbaut, Ophir, die Wüste, wo er Tadmor baut, die Könige von Arabien (Kap. 10, 15), die Kanaaniter, deren Rest er unterwirft  alle diese verschiedenen Elemente bewegen sich um ihn als Mittelpunkt und tragen zum Ruhm seines Königtums bei. 
Nun kommt zuletzt die Königin von Scheba, diese „Königin des Südens, die von den Enden der Erde kam, um die Weisheit Salomos zu hören" (Matth. 12, 42). Was sie von allen anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie angezogen wurde durch den Ruf der Weisheit des Königs. Sie hatte davon reden hören, und das hatte in ihr den lebhaften Wunsch geweckt, diesen außergewöhnlichen Fürsten zu sehen, und dieser Wunsch ließ sie die gewaltige Entfernung, welche ihr Land von Jerusalem trennte, und die zahlreichen Schwierigkeiten einer solchen Reise überwinden. Das war eine Tat des Glaubens. Sie glaubte dem Worte, das ihr gesagt worden war; sie glaubte an die Vortrefflichkeit Salomos, obwohl sie zu deren Beurteilung nur das Wort besaß, welches sie gehört hatte. So ist es immer mit dem Glauben. Er wird durch die Person und die Vollkommenheit Christi angezogen. Rebekka, überzeugt von der Liebe Isaaks, über welchen Elieser zu ihr geredet hatte, macht sich auf den Weg zu ihm. Die Wüste schreckt sie nicht; denn sie verlangt nach ihrem Bräutigam. So Abigail. Sie eilt, als das Gericht vor der Tür ist, dem Manne entgegen, vor dem sie eigentlich hätte fliehen müssen. Warum? Weil sie vom Hören­sagen die sittliche Herrlichkeit Davids kannte. Später wurde sie die Gefährtin seiner königlichen Herrlichkeit. Rebekka wird angezogen durch die Liebe, Abigail durch die Vollkommenheit der Gnade, die Königin von Scheba durch die Weisheit.

 So geht es den Seelen, welche Bekanntschaft mit Christo machen. Für ein endliches Wesen ist es unmöglich, eine unendliche Vollkommenheit zu erfassen; um so mehr werden wir angezogen durch eine der verschiedenen Seiten dieses göttlichen Charakters, gleichviel durch welche; alle leiten uns dahin, Bekanntschaft mit Seiner Person zu machen, und von Ihm nährt sich der Glaube. 
„Sie kam, um die Weisheit Salomos zu hören." Die Königin war in der Tat eine außergewöhnlich einsichtsvolle Person, der nichts entging, und die sich gern über alles genau Rechenschaft gab; aber von dem Augenblick an, da sie von Salomo gehört hat, gibt es nur noch einen Gedanken für sie: seine Weisheit auf die Probe zu stellen. Für sie selbst besteht die Weisheit darin, keine zu haben und sie bei einem anderen zu suchen. Dunkle Fragen bringt sie ihm. Sicherlich hatte sie keinen Mangel daran: die Welt ist ja voll von Rätseln, für die der Mensch nie eine Lösung gefunden hat. Von den Geheimnissen der Schöpfung, für deren einfachste Hiob keine Antwort fand, bis zu den Geheimnissen des leiblichen Lebens; von dem Geheimnis der Seele bis zu dem von Gut und Böse in dieser Welt; von dem verschleierten jenseits bis zu dem Leben der Ewigkeit, ist alles Geheimnis, dunkles Rätsel.

 Der Mensch kann die unbekannte Schrift dieses Buches nicht entziffern. Gott muss seine Verborgenheit enthüllen, und wenn es keine göttliche, be­stimmte und unmittelbare Offenbarung gäbe, dann befände sich der arme, begrenzte Geist des Menschen, von der ersten Frage in die Enge getrieben, am Fuße einer unübersteiglichen Mauer. Er mag sich rühmen, sich selbst erheben; aber all seine Wissenschaft lässt ihn niemals weiterkommen als bis zur Feststellung der Tatsachen , deren erste Ursachen ihm völlig verborgen bleiben. 
Die Königin von Scheba brachte ihre Rätsel zu Salomo, um durch sie seine Weisheit zu erproben. Doch was war der Grund ihres Vertrauens? Sie hatte von dem Rufe Salomos in Verbindung mit dem Namen Jehovas reden hören. Wenn dieser Ruf auf die Gegenwart Jehovas in Jerusalem gegründet war, durfte die Königin dann nicht von vornherein sicher sein, dass sie nicht ohne Nutzen diese weite Reise antreten würde? Wenn Salomo ihre Rätsel lösen könnte, war dann nicht bewiesen, dass seine Weisheit keine andere war als diejenige Jehovas, der sich ihm offenbarte?  Die Königin kommt also zu Salomo, und was wird sie von dieser Begegnung mitnehmen? Die Kenntnis Gottes durch ihn! 
Sie kommt mit einem großen Zuge, mit allem, was ihr Land an Kostbarkeiten hervorzubringen vermochte, und mit Gewürzen in großer Menge, wie sie nie wieder nach Jerusalem gekommen sind; denn sie hält diesen erhabenen Herrscher aller Ehren würdig. Bemerken wir an dieser Stelle, dass es nicht nur einer Königin, sondern auch der verworfensten der Sünderinnen gestattet wird, dem König mit ihrem Wohlgeruch zu nahen, ­denn es ist nicht ein Tausch, den die Seele begehrt, indem sie Ihm naht; sie kann Ihm nur die Ehrerbietung bezeigen, die Ihm zukommt. 

Das Knie beugt sich vor Ihm als Zeichen des Glaubensgehorsams und der Anbetung eines Herzens, welches in Ihm alle seine Quellen findet, die es wünscht und deren es bedarf.
Doch die Königin brachte noch etwas Besseres als ihre Gaben; "sie redete alles zu ihm, was in ihrem Herzen war. Und Salomo erklärte ihr alles, um was sie fragte; keine Sache war vor dem König verborgen, die er ihr nicht erklärt hätte." Sie öffnete Salomo ihr Herz; "das Verborgene" ihres Herzens wurde „offenbar" (1. Kor. 14, 25); doch es fand eine vollkommene Beantwortung von seiten dessen, dem keine Sache verborgen war. 

Indem sie Salomo begegnete, hatte sie Gott Selbst gefunden. Gott war wirklich da, und Er war in herablassender Güte damit beschäftigt, volles Licht in diese Seele zu bringen, keinen Raum darin zu lassen für irgendeinen Zweifel oder für ein ungelöstes Rätsel. Der König kennt das Verborgene aller Dinge; er verbirgt nichts vor ihr; er zeigt, dass das Geheimnis Jehovas für die ist die Ihn fürchten (Ps. 25,14). 
Die Königin sah dann die ganze Weisheit Salomos in dem Gedeihen und der vollkommenen Ordnung seines Hauses (V. 4. 5). So wird auch die wunderbare Ordnung des Tausendjährigen Reiches dereinst vor den Augen der Nationen stehen. 
Die Königin von Scheba erkennt die Wahrheit dessen an, was sie von Salomo hatte sagen hören. Von seiner Person ist sie übergegangen zu den Worten seines Mundes, von diesen zu allem, was aus seinen Händen hervorgegangen war, zu allem, was ihn umgab, und sie hat nur Vollkommenheit gefunden. So macht jede Seele die Bekanntschaft mit Christo. Man hört von Ihm reden, das erweckt das Interesse eines Herzens, das Bedürfnisse hat. Man sucht Ihn auf; denn der Zugang zu Ihm ist leicht. Man tritt mit Ihm in Verbindung; Er antwortet auf die Bedürfnisse des Herzens. Man bewundert Ihn, man betet Ihn an mit Lobgesängen.

 Man sagt wie die Königin: "Meine Augen haben gesehen", und du übertriffst alles, was ich von dir gehört hatte. Man schätzt Seine Leute und Seine Knechte glücklich, die beständig vor Ihm stehen und Seine Weisheit hören. Und auf diesem Wege weitergehend, rühmt sich die Seele in Gott, der Gefallen gefunden hat an Seinem König, der Seine Wonne gefunden hat an Christo, um Ihn auf den Thron zu setzen. Es ist zugleich der Beweis der Liebe Gottes zu Seinem Volke, dass Er ihm einen solchen König gegeben hat, um Recht und Gerechtigkeit zu üben. 
Der Lobgesang hier ist mehr ein Lobgesang des Reiches. Auch die Kirche wird, geschart um das geschlachtete Lamm, ihren Lobgesang anstimmen, und zwar wird ihr Herz und Mund mehr noch von Seiner Liebe erfüllt sein, als von Seiner Weisheit und Gerechtigkeit.
Die Königin von Scheba gibt dem König alle Schätze, die sie mitgebracht hat. Die Gewürze, aus denen man den Weihrauch machte, waren die geschätztesten von allen am Hofe Salomos. Niemals war eine solche Menge davon in Jerusalem gesehen worden. Das Herz der glücklichen Königin strömt so über in ihren Gaben.
Doch weit, weit gehen Salomos Gaben über die der Königin hinaus! Er begnügt sich nicht mit einem Gegengeschenk (vergl. 2. Chron. 9, 12); er gibt ihr „all ihr Begehr, das sie verlangte". Ja gewiss, wir haben es mit Dem zu tun, der nichts von uns fordert, sondern dessen Ruhm es ist, der unumschränkte Geber alles Guten zu sein und zu bleiben. Bittet, und ihr werdet empfangen! Bittet nur; ihr werdet nie die Reichtümer Seines Reiches erschöpfen, diesen "unausforschlichen Reichtum des Christus". 

Freilich ist Sein Reich jetzt nicht von dieser Welt, so dass wir aus Seiner Gegenwart nicht die zeitlichen Güter mitnehmen werden, mit denen die Königin von Scheba überhäuft wurde. Diese untergeordneten Schätze werden für das Tausendjährige Reich des Messias aufgespart. Unsere Güter, unsere Schätze sind geistlich; die Welt verachtet sie; der Christ aber, der dieses Namens würdig ist, nennt sie die wahren Schätze (Luk. 16, 11).
Die Königin kehrt in ihr Land zurück mit einem Schatz in ihrem Herzen, der tausendmal größer ist als die Schätze, welche ihre Kamele tragen. Ihre Augen haben gesehen! Sie kennt jetzt den König der Herrlichkeit!
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Der Mantel des Apostels Paulus

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 213ff
1. 
„Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente“ (2. Tim. 4, 13). So lautete der letzte Auftrag des gefangenen großen Apostels Paulus an sein Kind Timotheus bezüglich seiner persönlichen Angelegenheiten. Es sind nur wenige und anscheinend belanglose Worte; aber sicherlich sind sie uns nicht ohne Grund aufbewahrt worden, wenn auch die moderne Theologie erklärt, solche Worte könnten unmöglich als inspiriert, von Gott eingegeben, betrachtet werden. Für den einfältigen Gläubigen ist es der Mühe wert, auch bei derartigen Aussprüchen, die nur für den damaligen Augenblick berechnet zu sein scheinen, stehen zu bleiben und nach ihrer Bedeutung und ihrem Zweck für ihn und seine Zeit zu forschen.

 Sie erhalten dann oft eine ganz unerwartete Tragweite, Tiefe und Fülle und erweisen ihren Wert für alle Zeiten. 
Es will dem Schreiber dieser Zeilen scheinen, als wenn es auch mit der oben angeführten Stelle so wäre; ja, es kommt ihm so vor, als ob der Mantel und die Bücher des Apostels Paulus uns manch nützliche Unterweisung für unsere Tage geben könnten. 
Werfen wir zunächst einen Blick auf die derzeitigen Umstände des treuen Knechtes Gottes, sowie auf die ganze Lage des Werkes des Herrn in jenen Tagen. Der Weg und Dienst des „auserwählten Gefäßes“, das der Herr auf so wunderbare Weise berufen hatte, um „Seinen Namen sowohl  vor Nationen als Könige und Söhne Israels zu tragen« (Apstgsch. 9, 15), neigte sich dem Ende zu. Bei dem Lesen des zweiten Briefes an Timotheus drängt sich uns mit Macht der Eindruck auf, dass ein feierlicher Ernst auf der Seele des Apostels lagerte. Er erfuhr die Wahrheit des Wortes, dass ein Knecht nicht größer ist als sein Herr. Er wurde als „Auskehricht der Welt“ behandelt. Doch bald sollte er diese Erde verlassen, um für immer bei Jesu, im Paradiese Gottes, zu sein. So ist denn sein Geist ganz erfüllt von dem „himmlischen Reiche“ (Kap. 4, 18), wo nach vollendetem Kampfe die Krone für ihn bereit lag. 
Paulus war ganz allein. Der einst so angesehene und hochgeachtete Mann, der zu den Füßen Gamaliels gesessen (was ein besonderer Vorzug war), hatte ja um der Vortrefflichkeit Christi Jesu willen alles eingebüßt und es für Schaden und Dreck geachtet. Er war arm geworden im Blick auf alles das, was diese Welt als Güter schätzt; er hatte Hunger und Durst, Kälte und Blöße, Schmach und Verfolgung ertragen in der Nachfolge seines Herrn; und nun am Ende seines Lebens, gleichsam am Tore der Heimat, finden wir ihn wieder in dürftigen Umständen. Die Bitte um seinen Mantel und die Mahnung an Timotheus, sich zu befleißigen, doch vor dem Winter zu kommen, wo er vielleicht des Mantels besonders benötigte, scheinen auch darauf hinzudeuten. 
Doch trotz seiner misslichen Lage fließt kein Wort des Missbehagens aus seiner Feder. Das was ihm begegnete, war ja nichts Unbekanntes oder Ungewöhnliches für ihn.

 Er hatte nie damit gerechnet, Angenehmes hienieden zu finden. Am Schluss seines ersten Briefes, der nur wenige Jahre früher geschrieben sein kann als der zweite, sagt er: „Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so ist es offenbar, dass wir auch nichts hinausbringen können. Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen.“ Wie gesagt, vielleicht mangelte es dem Apostel augenblicklich an letzterem, und er bittet deshalb um seinen Mantel. Jedenfalls hatte er nicht nur andere ermuntert und belehrt, sondern auch als ein wahres Vorbild der Herde Christi das ausgelebt, was er predigte und wozu er ermahnte. Er wünscht auch jetzt mit keinem Wort eine Veränderung seiner Lage. Er nennt nur Mantel, Bücher und Pergamente; weiter gingen seine persönlichen Wünsche nicht.  
Wir wissen nicht, ob Timotheus den Auftrag seines geliebten Vaters in Christo hat ausführen können; wenn es der Fall ist, so wird der Nachlass des großen Apostels der Heiden wohl nur aus jenen Stücken bestanden haben. Es gab bei seinem Tode, wie bei dem Herrn Jesu selbst, für die Welt nicht viel zu teilen“. 
Erinnert uns der Mantel des Paulus, sein Pilgerkleid, nicht auch an die Worte seines Trägers: „Suchet was droben ist, wo der Christus ist“, und: „Sinnet auf das was droben ist, nicht auf das was auf der Erde ist“ (Kol. 3, 1. 2)? Der Herr hat es nicht für gut befunden, Seinen Apostel wieder aus dem Kerker zu führen, wie einst den Petrus, oder ihm, wie früher, durch andere Erleichterung zu geben; aber Er ließ ihn erfahren, dass „Seine Güte besser ist als Leben“ (Ps. 63). Während alle ihn verließen, stand der Herr ihm bei und rettete ihn aus dem Rachen des Löwen. 
Es gab damals schon manche Gläubige, welche die irdischen Dinge anders beurteilten als Paulus. Vielen war der Pfad des Apostels zu schmal und rau; sie hätten ihn gern etwas breiter und bequemer gemacht. Es gab. auch solche, die reich zu werden suchten in dieser Welt. Die Worte des Apostels beweisen es. Jene durchbohrten sich mit vielen Schmerzen; Paulus aber, im alten Gleise bleibend, wurde davor bewahrt. Auch Demas, ein früherer Mitarbeiter des Apostels, hatte den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen und Paulus verlassen. Ja, alle die in Kleinasien waren, hatten sich von ihm abgewandt. Es gab eben bei dem treuen Diener Jesu Christi nichts Anziehendes für das natürliche Herz, keine Annehmlichkeit für das Fleisch. Ein Christentum, welches das Pilgerkleid der himmlischen Berufung abgelegt hat, erscheint der Natur viel angenehmer und begehrenswerter. 
Alle diese Dinge wären wohl dazu angetan gewesen, einen anderen Mann wie Paulus unglücklich zu machen. Aber seine Glückseligkeit lag. nicht in der Verbindung mit den Gläubigen, so wertvoll diese auch für ihn war; ebenso wenig in seinem Werk und Dienst, so sehr beide zu seiner Freude und Erquickung beigetragen hatten. Seine Glückseligkeit lag außerhalb all dieser Dinge, - in den- Händen Dessen, bei welchem es keine Veränderung - noch einen Schatten von Wechsel gibt. Er war überzeugt, dass dieser Gott mächtig war, das Ihm anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren“ (2. Tim. 1, 12.) 

Das Ziel unbeweglich im Auge behaltend, schritt er voran. Der Herr und die himmlischen Dinge erfüllten sein Herz und strahlten in immer hellerem Glanze, je näher er dem Ende kam. Darum wünschte er auch für die freie Zeit, die ihm blieb, die Bücher und Pergamente zu besitzen, die er (vielleicht vor seiner zweiten Gefangennahme) bei Karpus in Troas zurückgelassen hatte. Was diese Bücher und Pergamente enthielten, wird uns nicht gesagt. Waren es Abschriften seiner Briefe) Wir wissen es nicht, gehen aber sicher nicht fehl in der Annahme, dass sie mit seinen Schriftforschungen und seinem ganzen Werk in Verbindung standen. 
2. 
Der Mantel und die Bücher des Apostels reden eine laute Sprache auch für unsere Tage. Gibt es nicht viel Weltförmigkeit und Trachten nach irdischen Gütern in unserer Mitte, trotzdem man sich allsonntäglich am Tische des Herrn versammelt und öffentlich bekennt: „wir gehören Jesu an; diese Welt ist eine Wüste für uns, und wir erwarten die Rückkehr unseres Herrn und Heilandes? Ach! das praktische Leben daheim und draußen straft dieses Bekenntnis gar oft Lügen. Es sind vielleicht nicht gerade grobe Sünden, offenbar böse Neigungen, welche wie ein zehrender Krebs das innere Leben verderben; was den Heiligen Geist in unseren Tagen so vielfach und -so wirksam- betrübt und dämpft, ist der weltliche Geist, die fleischlishe Gesinnung, die sich auf so „mannigfache Weise kundgeben“. 
Wie manches Kind Gottes geht gedrückt und unzufrieden seinen Weg, weil es seine fleischlichen Wünsche nicht erfüllt sieht! „Anderen geht es gut; ich komme nie auf einen grünen Zweig!“ Solche und ähnliche, noch bösere Reden kann man häufig genug hören. Der Geist der Unzufriedenheit hat Besitz genommen von dem Herzen. Auch Neid und Zwistigkeiten um geringfügige Dinge zeigen sich in den Familien der Heiligen, der Fremdlinge und Pilgrime! Wie mancher klagt und murrt darüber, dass er seine Wohnung nicht so ausstatten, oder seine Kleider nicht so wählen kann, wie er es gern möchte, um nicht hinter anderen zurückzustehen! Wie viele unnütze Dinge, Schmuckgegenstände, Putz- und dergleichen werden für sauer verdientes Geld erstanden, zuweilen gar geborgt, nur um der Eitelkeit und Gefallsucht zu fröhnen!

 Wie rennt und jagt man im geschäftlichen Leben, um das Vorhandene zu mehren, den Besitzstand zu vergrößern“— denen gleich, die Gott nicht kennen und meinen, „ihre Häuser ständen ewig, und ihre Wohnungen von Geschlecht zu Geschlecht“ (Ps. 49, 11)! Wie mancher Knecht, wie manche Magd gläubiger Geschäftsleute seufzt mit unter der schweren irdischen Bürde und leidet mit den verantwortlichen Leitern Schaden an Leib und Seele! Wie viel Hader und Gezänk gibt es zwischen Gläubigen und Kindern der Welt, ja, selbst zwischen Bruder und Bruder! Wie mancher Prozess ist nur durch ernste Vorstellungen und Mahnungen seitens anderer verhindert worden! Ach! das äußere Dastehen vieler Gläubigen entspricht nicht dem Bilde, welches Gottes Wort von dem Leben und Wandel der Kinder Gottes entwirft. Der Herr gebe uns allen erleuchtete Augen und ein ernstes Aufwachen des Gewissens! 
Wahrlich, das zunehmende Streben nach Wohlstand in dieser Welt steht im Widerspruch mit dem einfachen Pilgerkleide des Apostels Paulus; und was soll man erst sagen, wenn man sieht, welch zweifelhafte oder geradezu verwerfliche Mittel zuweilen angewandt werden, um das ersehnte Ziel zu erreichen. Mit jenem Streben geht meist auch ein weltlicher Ton im Hause und eine verkehrte Erziehung der Kinder Hand in Hand. Anstatt den Sinn der Jugend auf die ewigen Dinge zu richten und ein ihren Herzen das Verlangen zu wecken, vor allem anderen ein Leben zur Ehre des Herrn zu führen, redet und handelt man, als wäre der Erwerb, der irdische· Beruf, das Fortkommen in dieser Welt das Höchste und Wichtigste. Es scheint oft so, als möchte man in unbegreiflicher Torheit den Kindern die Erfahrung ersparen, dass „der Gerechte seines Glaubens leben wird“. 
Das Eingehen von geschäftlichen und besonders auch von ehelichen Verbindungen, die Übernahme von Stellungen und Verpflichtungen, die Feier von Familienfesten, die, wenn unter der Leitung des Herrn stehend-, so lieblich und schön sind, werden unter diesen Umständen leicht Anlässe zur Verunehrung des Namens des Herrn und zur Beschwerung der Gewissen. Ja, das Pilgerkleid des Apostels wirft auf alles dieses ein merkwürdiges Licht; es beschämt uns tief. 
Möchten wir nicht vergessen, dass wir „Menschen Gottes“ in dieser Welt sind und uns als solche erweisen sollen! 

„Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut des Geistes! Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben“ (1.Tim. 6, 11. 12)! Heiliger Ernst, Treue und Herzensentschiedenheit tun not. Halbheit und Lauheit sind «verabscheuungswürdig vor Gott. Fliehe -— strebe —— kämpfe —- ergreife! Das sind Worte, die ein Sichgehenlassen oder gar ein Hinneigen zur Welt nicht erlauben. 
Sagen wir zu viel, wenn wir auch behaupten, dass manche Gabe, mancher Dienst nicht zur Entfaltung und Ausübung kommt, weil die Betreffenden sich unfähig dazu gemacht haben, indem sie sich verstrickten in weltliche Dinge, sich „verwickelten in die Beschäftigungen des Lebens“? Sicher will Gott, dass wir unseren irdischen Beruf treu erfüllen und fleißig sind in unseren Geschäften. Auch ist es eine große Gnade, wenn Gott mein Tun segnet und meinem Geschäft Gedeihen gibt. Aber treu sein in meinem Beruf und reich und groß werden wollen in dieser Welt sind zwei sehr verschiedene Dinge. 

Welch schmerzliche Erfahrungen muss Gott die Seinigen oft machen lassen nach jahrelangen, eifrigen Bemühungen, vorwärts zu kommen! Denn Er ist treu und kann sich selbst nicht verleugnen. Die Tränen, die dann fließen, und die bitteren Selbstanklagen, welche laut werden, können nicht wieder rückgängig machen, was weltlicher Sinn, Geldliebe und Untreue gegen Gott herbeigeführt haben.
Es ist unter solchen Umständen noch eine große Gnade von Seiten Gottes, wenn Er die Seinigen endlich zum Stillstehen bringt, wenn Er in Seiner Barmherzigkeit ihnen die Augen über ihren Weg öffnet und sie die Eitelkeit dieser Welt erkennen lässt; ja, wenn endlich das Verlangen nach der innigen Gemeinschaft mit Gott, die so lange versäumt wurde, wieder erwacht. O wie hart ist das Joch, wie schwer die Last, welche sich alle diejenigen ausbürden, die nicht mehr dieser Welt angehören und doch wieder zu ihrem Sklavendienst zurückkehren, die gleichsam auch am Tore der ewigen Heimat stehen und doch den gegenwärtigen Zeitlauf wieder liebgewinnen! 
Aber, möchte der Leser einwenden, so steht es doch nicht im allgemeinen unter den Gläubigen; die beschriebenen Zustände sind doch nur Ausnahmen! Ja, Gott sei Dank! es steht nicht mit allen Kindern Gottes so; aber jene Ausnahmen sind nicht so selten, wie es den Leser vielleicht dünken möchte.

 Zudem sind wir alle in Gefahr, von dem Geist dieser Zeit angesteckt zu werden; auch können wir uns nicht trennen von unseren Mitgläubigen, noch weniger als einst ein Daniel sich von seinem Volke trennen konnte. Es besteht eine unlösbare Verbindung zwischen den Gliedern des Leibes Jesu Christi. Fühlt sich nicht die ganze Familie mitbetroffen und gewissermaßen mitverantwortlich, wenn ein Sohn oder eine Tochter böse Wege geht? Daniel hatte nicht teilgenommen an den Sünden seiner Väter; dennoch fühlte er sich mitschuldig und sagte: „Wir haben gesündigt“. So geziemt es auch uns, demütig unsere Mitschuld anzuerkennen und uns mit den traurigen Zuständen um uns her vor Gott eins zu machen, auch wenn wir persönlich in Lauterkeit vor Ihm wandeln. Ja, wir werden das umso mehr tun, je mehr wir einerseits über uns selbst wachen und andererseits unsere Mitgläubigen mit Gottes Auge und nach Seinen Gedanken betrachten. 
3.  222
Auch die Bücher und Pergamente des Apostels haben eine Stimme für uns. In Kleinasien, wo sich alle von Paulus abgewandt hatten, mochten sie gerade aus diesem Grunde wohl nicht mehr den Wert und die Wichtigkeit haben wie ehedem. Wir haben bereits gesagt, dass uns unbekannt ist, was sie enthielten, aber auch, dass ihr Inhalt sicherlich mit der Lehre und Gesinnung des Apostels im Einklang gestanden hat. 
Nun, auch uns hat Gott Bücher und Schriften gegeben, die uns mit Seiner Wahrheit bekannt machen und nützlich sind für unseren inneren Menschen. Da ist zunächst und über. allem anderen Sein Wort Alten und Neuen Testament? Schätzen wir es so, wie wir es schätzen sollten? Können wir mit dem Psalmisten sagen: „Deine Zeugnisse sind meine Wonne, meine Ratgeber“; — „darum liebe ich deine Gebote mehr als Gold und gediegenes Gold“ (Ps. 119)? oder mit dem Propheten: „Deine Worte waren vorhanden, und ich, habe sie gegessen, und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens“ (Jer. 15, 16)? Da sind ferner gute, kostbare Schriften, Auslegungen dieses Wortes, die, unter Gebet geschrieben, uns in dasselbe einführen und uns eine Hülfe sein wollen auf dem Wege.

 Halten wir sie hoch und benutzen wir sie dankbaren Herzens als Gaben aus der Hand unseres treuen und freundlichen Herrn? 
Ich bin überzeugt, dass viele der lieben Leser mit einem freudigen „Ja“ antworten können. Aber ist es im allgemeinen so? Werden nicht vielfach Bücher oder Zeitschriften anderen Charakters jenem guten Lesestoff vorgezogen? Ist nicht manchem Gläubigen die Zeitung unentbehrlich geworden? Meint man nicht oft, die Vorgänge des Tages sorgfältig verfolgen und sich in politischer Beziehung durchaus auf dem Laufenden erhalten zu müssen? Ach! wenn ein Herz eifrig nach dieser Speise begehrt, nimmt der Hunger nach dem himmlischen Brote reißend schnell ab, das Herz wird dürr, und Magerkeit erfüllt die Seele. 
Der Herr sprach einst zu Josua: „Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Munde weichen, und du sollst darüber sinnen Tag und Nacht, auf dass du darauf achtest, zu tun nach allem was darin geschrieben ist; denn alsdann wirst du auf deinem Wege Erfolg haben, und alsdann wird es dir gelingen“ (Jos. 1, 8.) Was in jenen alten Tagen Erfolg und Wohlergehen bedingte, wird heute umso  mehr Gültigkeit haben, da Gott der Vater uns Sein ganzes Herz geoffenbart und uns Einsicht gegeben hat in Seine verborgensten Gedanken, in die ganze Wahrheit. 
Vergessen wir auch nicht, dass uns inmitten des Verfalls der bekennenden Kirche ein Zeugnis anvertraut ist, das wir durch Wort und Schrift hochhalten und durch einen Wandel im Licht, abseits der Welt in ihrem gottentfremdeten oder religiösen Charakter, bestätigen sollten. Der Herr schenke uns denn, dass wir unser Licht nicht unter den Scheffel irdischer Geschäftigkeit oder das Bett fleischlicher Ruhe und Bequemlichkeit stellen, sondern es im Hause leuchten lassen, damit alle Hereintretenden es bemerken!

 Er mache uns „rechtschaffen nüchtern“, damit Er nicht gezwungen sei, den Leuchter wegzutun von seiner Stelle! Vor allem schenke Er Seinen Dienern, die Er als Evangelisten, Hirten oder Lehrer in Sein Werk berufen hat, dass sie ohne Menschenfurcht und Menschengefälligkeit, als Vorbilder der Herde, ihren Weg gehen in aller Demut und Niedriggesinntheit, aber auch in aller Wahrheit und Treue! Der Herr hat in den letzten Zeiten ernst zu uns geredet durch die Hinwegnahme mancher begabter und gesegneter Arbeiter, und Er redet täglich zu uns durch den Mangel an treuen, hingebenden Kräften in Seinem Weinberg. Einst fragte Er Seine Jünger, nachdem Er sie vieles gelehrt hatte: „Habt ihr dies alles verstanden?“ Sie antworteten: „Ja, Herr!“ aber es war nicht so. Wie steht es mit uns? Haben wir verstanden und beherzigt, was Er uns sagen will? Haben wir unsere Wunde erkannt und bekannt? Nur so kann sie wahrhaft und gründlich geheilt werden.
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Gedanken

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 224ff

Mit dem niedrigsten Platze, wenn Gott ihn uns gegeben hat, zufrieden zu sein, ist keine größere Selbstverleugnung als in dem höchsten zu arbeiten. Denn das Geheimnis im Blick auf beide ist, dass Christus alles und wir nichts sind.
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Das eigentliche Feld der Tätigkeit der Liebe des Gläubigen ist die Versammlung (Vergl. 1. Korinther 14). Hier kann die Liebe in der mannigfaltigsten Weise in Ausübung kommen. Hier werden die größten und verschiedenartigsten Ansprüche an sie gestellt. Und wenn wirklich Liebe vorhanden ist, so werden die schwersten Proben zu dem lieblichsten Zeugnis für die Gnade Gottes. Darum strebe nach der Liebe!“
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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 225ff

KAPITEL 10, 14 - 29: Der Thron

Die Verse 14 - 22, beschreiben die Reichtümer und den Glanz des Reiches. Das Gold, das Sinnbild der göttlichen Gerechtigkeit ist unter der Herrschaft Salomos überall vorherrschend, vom Tempel bis zum Throne. Der Thron war wunderbar: „Desgleichen ist nicht gemacht worden in irgendeinem Königreiche". Es war der Thron der Gerechtigkeit und der Macht, und er trug deren Sinnbilder.
Als Salomo zur königlichen Würde erhoben worden war, setzte er sich nach dem Befehl Davids selbst auf den Thron seines Vaters (Kap. 1, 35). jetzt sehen wir ihn auf seinem eigenen Thron in jenem wunderbaren „Waldhause", welches mit den fünfhundert goldenen Schilden geschmückt war und wo er Gericht übte in Gerechtigkeit.
Gerade so wird es dereinst mit Christo sein. jetzt sitzt Er auf dem Thron Seines Vaters, zu Seiner Rechten, nach dem Worte: "Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße" (Ps. 110, 1). Durch diese Worte: "Setze dich zu meiner Rechten", drückt Gott der Vater Seine völlige Befriedigung aus über das durch den Sohn des Menschen vollbrachte Werk. Es ist, als ob Er zu Ihm sagte  Nimm diesen erhabenen und herrlichen Platz, du, mein Sohn, bis ich dir einen Thron für dich selbst bereitet habe.

 Dieser Thron muss jeden anderen Thron überragen. "Desgleichen wird nie in irgendeinem Königreiche gemacht werden." Nicht einer von denen, die sich wider Ihn erhoben haben, wird verschont werden, sie werden vertilgt werden. Sein Sieg über sie wird der erste Schritt auf dem Wege sein, auf welchem Er den Thron besteigen wird. Der Thron des siegreichen Menschensohnes wird keinem anderen gleichen, nachdem Er Sich einst freiwillig erniedrigt hat und so unter den letzten der Sünder hinabgestiegen ist. Dann wird jedes Knie sich vor Ihm beugen, und jeder Mund wird Ihn laut als Herrn auf Seinem Thron der Herrlichkeit bekennen. Bis dahin sitzt dieser wunderbare Mensch, der auf dem Wege aus dem Bache getrunken hat (Ps. 110, 7), auf dem Thron des höchsten Gottes zur Rechten der Majestät; aber es ist der Thron Seines Vaters; Er nimmt dort Platz als Sohn, ein Zeugnis der vollkommenen Befriedigung des Vaterherzens an Ihm.
Die Königin von Scheba war nicht die einzige, die zu Salomo kam: „Die ganze Erde suchte das Angesicht Salomos, um seine Weisheit zu hören" (V. 23-29). O glückliche Zeit, wann alle werden kommen können, um aus dieser göttlichen Quelle zu schöpfen in der Gewissheit, die ganzen Gedanken Gottes da zu finden! Die letzte Hälfte unseres Kapitels enthält auch die Aufzählung der Reichtümer des Königs.

 Beim Lesen dieser Verse schütteln die Ungläubigen den Kopf. Ihnen erscheint alles, was der Mensch sagt, wahrscheinlich, während alles was Gott sagt, nur Lüge sein kann. Das ist in der Tat ihre Art, die Dinge zu behandeln. In eine in Jahre empfing Salomo ungefähr hundert Millionen an Gold, die Königin von Scheba hatte ihm etwa sechzehn Millionen gegeben, und die gleiche Summe hatte ihm der König von Tyrus gesandt. Gibt es denn hierbei etwas Unwahrscheinliches im Vergleich mit den jetzigen Einnahmen der Weltreiche, und ist es nötig daran zu erinnern, dass unter Salomos Herrschaft "alle Könige der Erde" ihm Tribut entrichteten?
In den Versen 26-29 wird die Macht des Königs durch seine Wagen und Reiter gekennzeichnet. So war alles vereinigt zum Ruhme der Herrschaft Salomos.

KAPITEL 11, 1 - 13: Die Ursache zum Verfall des Reiches

In diesem. Kapitel kommen wir zu der Geschichte des verantwortlichen Königs, über welche das zweite Buch der Chronika ganz mit Stillschweigen hinweggeht.
Bis hierhin haben wir, obwohl es sich um einen Menschheit (und infolgedessen um ein unvollkommenes Wesen) handelt, in dem Leben Salomos eine schöne, mit Weisheit gepaarte Einheitlichkeit sehen können, welche den Namen des Königs, und mit ihm den Namen Jehovas, unter den Nationen hoch erhob. Die Größe, die Majestät, die Macht und der Reichtum seiner Regierung waren nur ein ganz schwaches Bild von dem, was man dereinst im Tausendjährigen Reiche unter der Herrschaft des wahren Königs der Herrlichkeit sehen wird.
Jetzt macht Gott uns auf die Fehler dieser Regierung aufmerksam. Sie bestanden nicht in der Verbindung mit der Tochter des Pharao, die notwendig war, damit Salomo ein Vorbild von Christo in Seiner Regierung sein konnte. 

Joseph war seinerzeit eine ähnliche Verbindung eingegangen; die daraus hervorgegangenen Söhne hatten zwei Stämmen Israels ihre Namen gegeben, nachdem sie den Segen des Patriarchen, des Vaters des Volkes, empfangen hatten. Zudem hatte Salomo dieser heidnischen Gemahlin gegenüber nach Gottes Gedanken gehandelt, und die Bücher der Chronika tragen Sorge, wie wir weiter oben gesehen haben, uns zu zeigen, dass der König ihr nicht einen Platz in unmittelbarer Nähe der Bundeslade und der Stadt des Sohnes Davids gab. Es ist also nicht die Tatsache dieser Verbindung, welche den Tadel über Salomo brachte, dessen vorbildliche Stellung (für das Tausendjährige Reich) als das „Licht der Nationen" uns notwendigerweise mehr als die gewöhnlichen Züge eines Königs von Israel in ihm schauen lässt. Auch die Schrift gibt der Tochter des Pharao einen abgesonderten Platz unter den fremden Weibern (V. 1).
„Der König Salomo liebte viele fremde Weiber, und zwar neben der Tochter des Pharao: moabitische, ammonitische, edomitische, zidonische, hethitische, von den Nationen, von welchen Jehova zu den Kindern Israel gesagt hatte: Ihr sollt nicht unter sie kommen, und sie sollen nicht unter euch kommen; gewiss, sie würden euer Herz neigen ihren Göttern nach! . . . Und seine Weiber neigten sein Herz." Die Sünde Salomos besteht darin, dass er viele fremde Weiber liebte". Diese hatten im Leben Davids eine verhältnismäßig geringe Rolle gespielt; dennoch hatte er, wie wir im 2. Buche Samuel gesehen haben, aus den Kindern, die dieser verbotenen Verbindung entsprossten, schmerzliche, ja oft schreckliche Früchte geerntet. 

Durch die Züchtigung, die infolge dieser Verbindung über ihn gekommen war, hatte Gott Seinen Gesalbten vor den Schlingen bewahrt, welche sie seiner Frömmigkeit hätten legen können. Doch wenn seine Leidenschaften ihn in die Sache mit Bathseba, einer Tochter Israels, verwickelt hatten, so brachten diejenigen Salomos diesen auf die Seite f r e m d e r Weiber. Und doch hatte Gott gesagt: "Du sollst dich nicht mit ihnen verschwägern: deine Tochter sollst du nicht seinem Sohne geben, und seine Tochter sollst du nicht für deinen Sohn nehmen; denn sie würden deine Söhne von mir abwendig machen, dass sie anderen Götter dienten; und der Zorn Jehovas würde wider euch entbrennen, und er würde dich schnell vertilgen" (5. Mose 7, 3. 4), und weiter: „dass du nicht . . . von ihren Töchtern für deine Söhne nehmest und ihre Töchter ihren Göttern nachhuren und machen, dass deine Söhne ihren Göttern nachhuren" (2. Mose 34, 16).
An der Spitze der demütigenden Liste stehen die Moabiter, welche Israel einst in den Götzendienst des Baal-Peor verstrickt hatten, indem sie das Volk durch die Lust des Fleisches an sich lockten (4. Mose 25,15). Alle diese Nationen an den Grenzen Kanaans: Ammoniter, Edomiter, Zidonier, hassten Gott und Sein Volk. 

Die Hethiter, die zuletzt genannt werden, hätten vertilgt werden sollen; aber es ist nie geschehen. Salomo handelt in offenbarem Ungehorsam gegen Gott, der Seinem Volke gesagt hatte: "Ihr sollt nicht unter sie kommen, und sie sollen nicht unter euch kommen". Das war ein doppeltes Verbot. Wir sind in Gefahr, uns in die Welt zu begeben und ihr bei uns Eingang zu gestatten. Vielleicht ist das letztere noch gefährlicher als das erstere. Möglicherweise lässt sich der Christ noch durch sein Gewissen zurückhalten von einer Handlung des Eigenwillens oder des Ungehorsams, die ihn dahin bringen würde, in die Welt zu gehen, während es der Welt, wenn sie zu ihm kommt, leichter gelingt, ihn zu verführen. Sie schleicht sich nach und nach in unsere Häuser und in unser Leben ein, und wenn endlich unsere Augen für die Gefahr aufgehen, ist es oft schon zu spät.
„Gewiss", hatte Jehova gesagt, sie würden euer Herz neigen ihren Göttern nach" Die Verbindung mit der Welt führt uns notwendigerweise auch zur Religion der Welt. Ein ernstes Wort, welches wohl wert ist heute von jeder Seele bedacht zu werden. In demselben Maße wie wir die Verbindung mit der Welt meiden oder pflegen, wird unsere Religion einen himmlischen oder einen irdischen Charakter tragen. „An diesen hing Salomo mit Liebe. „Und das war derselbe König, dessen Lippen durch göttliche Eingebung für andere hatten Weisheit träufeln lassen und die diesen den Weg gezeigt hatten, welchen man der Fremden gegenüber einhalten muss, um nicht verwickelt zu werden „in alles Böse inmitten der Versammlung und der Gemeinde" (Sprüche 5, 1-14)! Derselbe Mann, welcher im 7. Kapitel der Sprüche so ausführlich über die schrecklichen Folgen eines schändlichen Wandels redet!  Welche Verblendung! Welch ein trauriges Schauspiel! Er hatte andere unterwiesen und unterwies sich selbst nicht. 

Er, das verantwortliche Haupt des Volkes, tat die Dinge, von denen das Volk sich fernhielt, die aber, weil der König solche Fehltritte beging, nicht nur über ihn das Gericht brachten, sondern auch über diejenigen, welche er hätte weiden, führen und beschützen sollen.
„Seine Weiber neigten sein Herz", wird in Vers 4 noch einmal gesagt. Es ist etwas Schreckliches, wenn „das, was in der Welt ist", sich in das Herz einnistet, es allmählich in Besitz nimmt und so dessen Zuneigungen von seinem einzigen Gegenstand abzieht, um es auf schlechte, schändliche und strafbare Dinge hinzulenken. Beachtenswert ist dabei, dass diese Dinge sich nicht so ohne weiteres in dem Leben des Glaubensmannes zeigen, oder wenigstens, dass ihre Folgen nicht immer sogleich zutage treten. „Und es geschah zur Zeit, als Salomo alt war, da neigten seine Weiber sein Herz anderen Göttern nach." Es bedurfte Zeit, um aus der fleischlichen Saat Frucht hervorkommen zu lassen. 

Wer hätte glauben können, dass Salomo, der Erbauer des Tempels, der einst auf seinen Knien gelegen und angesichts des Volkes seine Hände zu Gott ausgebreitet hatte, ein Götzendiener werden würde? Freilich, heute würden manche ihn einen Mann mit einem weiten Herzen nennen, der die Gewissensfreiheit anderer achtet; man würde seinen Götzendienst mit irgendeiner hübschen Aufschrift schmücken, wie: menschenfreundliche Bestrebungen, gesellschaftliche Rücksichten oder dergleichen. Aber welchen Wert haben alle menschlichen Meinungen? Die Frage ist einfach die, was Gott von der Sache denkt, und  Gott wird verunehrt. „Salomo tat was böse war in den Augen Jehovas." Für die fremden Weiber Höhen bauen und ihnen zu gestatten, dass sie ihren Göttern opfern, war an sich schon hassenswert genug; denn es hieß, sich ihrer Götzenverehrung anschließen, ja, sich damit eins machen. Aber Salomo ging noch weiter. Er   „wandelte der Asthoreth nach, der Gottheit der Zidonier, und dem Milkom, dem Gräuel der Ammoniter". Er wird selbst als ein Anbeter von Götzenbildern betrachtet.
„Salomo folgte Jehova nicht völlig nach wie sein Vater David, d. h. er folgte Ihm nicht bis ans Ende nach. Und doch „war Jehova ihm zweimal erschienen", zuerst in Gibeon und dann nach der Einweihung des Tempels. Gott hatte ihn betreffs des Götzendienstes ausdrücklich gewarnt (Kap. 9, 69), indem Er ihm dessen schreckliche Folgen für das Volk zeigte; aber Salomo hatte Sein Gebot nicht beachtet! David hatte schwere und demütigende Fehltritte begangen; doch hatte er wenigstens immer Gott vor Augen behalten. Selbst nach seinem Fall ist sein erstes Wort: „Ich habe gegen Jehova gesündigt". 

Alle Trübsale dieses Mannes des Glaubens hatten nur die Verherrlichung seines Gottes zum Zweck, und das Ende seines Lebens hatte, in Verbindung mit der völligen Verurteilung des eigenen Ichs, die Gnade verherrlicht. Doch so war es nicht bei Salomo. Man hört von ihm nicht einmal den Schrei eines aufgewachten Gewissens, wenn das schreckliche Wort: „Darum, dass solches bei dir gewesen ist", in seine Ohren dringt, wie einst das Wort: „Darum, dass du mich verachtet hast", seinem Vater zugerufen wurde. Wir werden sogar erfahren, dass die Züchtigung Gottes ganz andere Gefühle in seinem Herzen hervorruft. Aber Gott will, dass er alles wisse, was kommen soll. Das Königreich, dieses Reich der Herrlichkeit, das sich durch göttliche Macht bis zu den Grenzen der Nationen ausgedehnt hatte, soll ihm gewaltsam entrissen werden; sein Sohn soll nur noch einen Stamm, Juda, be­halten, denn Benjamin zählt kaum mit. In einem Augenblick soll alles zusammenstürzen: Macht, Majestät, Reichtum, Ruhm, eine Ehre wie nie zuvor, Unterwerfung der Völker usw., und nur ein armer, von Gott bewahrter Überrest soll in dem Sturme übrigbleiben, wie ein schwaches Boot, das Rahe, Segel, Mast und Tauwerk verloren und nur noch seinen Kompass und sein Steuerruder behalten hat.
Soweit es den Menschen betrifft, ist es mit diesem Reiche aus. Doch welch einen Ausblick bietet die Zukunft! Wenn dereinst das Gericht über das Reich Satans, über das Tier und den falschen Propheten ausgeführt sein wird, wird das Reich des göttlichen Salomo erscheinen, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft, um dann nicht mehr abhängig zu sein von dem fehlbaren Gehorsam des Menschen, sondern von der unfehlbaren Verantwortlichkeit des Königs, den Gott salben wird auf Zion, Seinem heiligen Berge.

KAPITEL 11, 14 – 43: Die Feinde

Gott beschränkt sich nicht darauf, Salomo das Gericht anzukündigen, welches um seines Vaters David willen nicht ihn, sondern seinen Sohn Rehabeam treffen soll; die Untreue des Königs zieht ihm selbst die Züchtigung des Herrn während der letzten Jahre seiner Regierung zu. Der Friede, die charakteristische Frucht dieser Regierung, wird gestört; Salomo durchlebt eine Zeit, welche erfüllt ist von Unruhen, Empörungen und Anschlägen gegen seinen Thron. Nationen, wie die Ägypter, die sich einst ein Bündnis mit ihm zur Ehre ge­rechnet hatten, ernähren jetzt seine schlimmsten Feinde, setzen sie in Würden ein und unterstützen sie. Alle Bande lösen sich. Um Empörungen im Innern zu verhüten, lastet das Joch des Königs schwer auf dem Volke. Daraus entsteht eine schlecht verhaltene Unzufriedenheit, die sich bei Gelegenheit Luft machen wird (Vergl. Kap. 12, 4).
Gott erweckt Salomo Feinde aus den Nationen, zu welchen seine Lüste ihn gebracht hatten. Edom war mit tödlichem Hass gegen Israel erfüllt, weil David durch die Hand Joabs alles Männliche aus dem Lande der Edomiter ausgerottet hatte (2. Sam. 8, 13. 14; 1. Chron. 18, 12; Ps. 60, Überschrift). Nur Hadad war damals mit einigen Knechten entronnen. Aber nahm sein Hass nicht ab, als Salomo Edomiterinnen zu Weibern nahm? Hadad war nach Ägypten geflohen und am Hofe des Pharao empfangen worden. Er wurde dort der Schwager des Pharao, und sein Sohn wurde unter die Thronerben aufgenommen. Wem wandten sich die Zuneigungen und die Gunstbeweise der Welt zu? Nicht David, sondern den Feinden Davids. Dann starb David, und nur ein Gefühl war im Herzen Hadads.

 Es redete lauter als alle Ehrenbezeugungen und Ver­gnügungen des ägyptischen Hofes; es war der Hass  der Hass gegen Salomo, den Sohn Davids. Er lässt alle seine Vorteile fahren, um diesen Hass zu befriedigen. Das Betragen der Männer Davids hatte ohne Zweifel Grund zum Hass gegeben; aber Joab und David waren gestorben, doch der Hass blieb. Der Hass der Welt wendet sich im Grunde immer gegen den Gesalbten Jehovas; das mehr oder weniger tadelnswerte Verhalten der Gläubigen dient ihr nur zum Vorwand. 
Ein zweiter Widersacher ist Reson, ein Knecht Hadadesers, des Königs von Zoba, den David völlig geschlagen hatte (2. Sam. 8, 38; 10, 6). Reson wurde König von Damaskus und regierte über Syrien. „Er verabscheute Israel" (V. 2325).
Die Welt ist wie Hadad und Reson. So lange wir ihr gegenüber den Platz bewahren, den das Kreuz Christi uns ermächtigt hat einzunehmen, Durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt" (Gal. 6, 14), so lange wir die Welt als einen besiegten Feind betrachten (Joh. 16, 33), rührt sie sich nicht. Machen wir aber ein Bündnis mit ihr, so kann sie ihre Niederlage nicht vergessen, und obwohl sie sich vielleicht den Anschein von Gleichgültigkeit gibt, hasst sie uns darum doch nicht weniger. 
Der letzte und gefährlichste Gegner ist der Feind, der aus dem eigenen Volke hervorgeht: Jerobeam. Er war ein "Knecht Salomos", ein Ephratiter oder Ephraimiter. Salomo hatte ihn zum Aufseher über Ephraim bei den Befestigungsarbeiten des Millo gemacht, welches Jerusalem gegen Feinde, die von Norden kamen, schützte. Das war eine äußerst gefährliche Maßregel, aber was konnte Salomo vorhersehen? Gott allein war wissend. Durch seine Stellung kam Jerobeam in den Besitz aller Geheimnisse der Festung und erwarb sich außerdem die Zuneigung seines eigenen Stammes. 

So droht auch, wenn in der Mitte des Volkes Schwierigkeiten auftauchen, die größte Gefahr von denen, welche sich durch ihre Tätigkeit die Grundsätze ihrer Brüder angeeignet haben und denen es dadurch, dass sie sich die Zuneigung der großen Menge erwerben konnten, gelungen ist, sich an die Stelle Christi zu setzen. Aus diesen Vorteilen schmieden sie Waffen, um das Volk Gottes anzugreifen. Ihre Beweggründe sind scheinbar uneigennützig; sie möchten, wie Jerobeam, das Volk von einem schwer zu tragenden Joch befreien; in Wirklichkeit aber sind sie, wie wir sehr bald sehen werden, Werkzeuge Satans, um das Zeugnis Gottes zu zerstören. Und doch sind sie Knechte Christi, wie Jerobeam der Knecht Salomos war! 
Jetzt erscheint ein Prophet. Wie zur Zeit des Verfalls des Priestertums Samuel auftrat, so bringt der Fall des Königtums den Propheten auf den Schauplatz. Er wird, wie der weitere Inhalt dieser Bücher in so schlagender Weise zeigt, das Band zwischen dem Volke und Gott, nachdem das verantwortliche Königtum hierin gefehlt hat. Der Prophet Achija begegnet Jerobeam außerhalb Jerusalems. Er zerreißt das neue Überkleid, das er anhat (tatsächlich war das Königreich noch ganz neu) und gibt Jerobeam zehn Stücke davon. In diesem Augenblick ist das Reich den Händen Salomos entrissen, obwohl die Tatsache erst später verwirklicht wird. 

Ein Stamm bleibt dem Hause Davids, auf Grund der freien Wahl der Gnade gegenüber David und Jerusalem. „Sie haben mich verlassen", sagt Jehova, „und sich niedergebeugt vor Astoreth, der Gottheit der Zidonier, vor Kamos, dem Gott der Moabiter, und vor Milkom, dem Gott der Kinder Ammon, und haben nicht auf meinen Wegen gewandelt zu tun was recht ist in meinen Augen und meine Satzungen und meine Rechte zu beobachten, wie sein Vater David" (V. 33). "Sie" war der König Salomo! Zweifellos hat das ganze Volk später denselben Weg betreten; aber in diesem Augenblick hatte ein einziger gesündigt: der König. Indem er Gott gegenüber in eine Stellung der Verantwortlichkeit für das ganze Volk gebracht war, führte seine Untreue das Gericht über Israel herbei. Welch eine schwere Züchtigung hatte Salomo sich zugezogen! 
Mit dem 34. Verse kommt Gott wieder auf die Gnade zurück, die Er dem David kundgetan hatte, und fügt dann hinzu: " Einen Stamm will ich seinem Sohne geben, auf dass mein Knecht David alle Tage eine Leuchte vor mir habe in Jerusalem, der Stadt, die ich mir erwählt habe, um meinen Namen dahin zu setzen". Die Gnade ist in den Augen Gottes mehr als alle Herrlichkeit, oder richtiger: die Gnade ist der kostbarste Teil der Herrlichkeit, denn sie steht sozusagen an der Spitze aller göttlichen Vollkommenheiten. 
„Wenn du hören wirst", sagt Achija zu Jerobeam, „auf alles was ich dir gebiete, und auf meinen Wegen wandeln und tun wirst was recht ist in meinen Augen, indem du meine Satzungen und meine Gebote beobachtest, wie mein Knecht David getan hat, so werde ich mit dir sein und dir ein beständiges Haus bauen, wie ich es dem David gebaut habe, und werde dir Israel geben." Eine neue Verantwortlichkeit ruht jetzt auf Jerobeam.

 Gott gibt ihm eine bevorzugte Stellung. Sein Haus sollte ebenso beständig sein wie dasjenige Davids, wenn er auf die Gebote Jehovas hören würde. Doch Gott fügt eine Einschränkung hinzu: „Ich werde den Samen Davids um deswillen demütigen, doch nicht für immer". In dem von Gott gewollten Augenblick wird die Gnade, auf die das Königtum Davids gegründet war, wieder wirksam werden; denn nicht auf die Gnade, sondern auf die Verantwortlichkeit war das Reich Jerobeams und selbst dasjenige Salomos gegründet. Die Verheißungen Gottes sind unbereubar; Er findet Seine Wonne in der Gnade. So wird auch das zukünftige Reich des wahren Königs der Herrlichkeit auf einen neuen Bund, einen Bund der Gnade, gegründet sein, wo Gott allein Verpflichtungen übernimmt, auf eine neue Schöpfung  was bei dem Reiche Salomos nicht der Fall war. 
„Doch nicht für immer." Man findet in den Wegen Gottes Zeitabschnitte, wo das Gericht gleichsam die Gnade verdunkelt. Nicht als ob die Gnade nicht mehr da wäre; sie bleibt unbedingt dieselbe, aber sie tritt nicht mehr ans Licht, damit andere Voll­kommenheiten der göttlichen Herrlichkeit, wie die Gerechtigkeit im Gericht, geoffenbart werden können.
Salomo sucht Jerobeam zu töten (V. 40). Das sind die durch die Züchtigung in seinem Herzen hervorgebrachten Gefühle! Das Hindernis, welches Gott ihm erweckt, bewirkt nichts anderes, als dass er erbittert wird und sich davon zu befreien sucht, statt dass es ihn gedemütigt in die Gegenwart Gottes führen und er sich unter Seiner Züchtigung hätte beugen sollen.

 In welch traurigem Zustand befindet sich ein Herz, das die Gemeinschaft mit Gott verloren hat und nicht sich selbst verurteilt! Was ist aus Salomo, dem König der Gerechtigkeit, geworden? Sein Herz ist nicht mehr aufrichtig vor Gott. Wie weit ist er von seinen Anfangswegen entfernt! 
Jerobeam flieht nach Ägypten und bleibt dort bis zu dem Tode Salomos.
Alle in diesem 11. Kapitel mitgeteilten Ereignisse fehlen im 2. Buche der Chronika, doch zeigen uns zwei Worte im 9. Kapitel dieses Buches, dass sie mit Absicht weggelassen sind. "Und das Übrige der Geschichte Salomos, die erste und die letzte, ist das nicht geschrieben in der Geschichte Nathans, des Propheten, und in der Weissagung Achijas, des Siloniters, und in den Gesichten Iddos, des Sehers, über Jerobeam, den Sohn Nebats?" (2. Chron. 9, 29). Wenn in dem Worte etwas weggelassen wird, so hat das immer einen Zweck, und auf den hier vorliegenden Zweck haben wir bereits so oft hingewiesen, dass wir nicht nochmals darauf zurückzukommen brauchen.

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Die zwei Schuldner

Bibelstelle: Lukas 7, 36 - 50

Botschafter des Heils 1907 S. 240ff
Ein gegenwärtiges Bewusstsein der Annahme und Rechtfertigung ist die Quelle aller wahren Zuneigung und jedes ungehinderten Dienstes. Ohne dieses Bewusstsein ist die Seele weder zu dem einen noch zu dem anderen fähig. Wir können deshalb nicht zu entschieden aus der Tatsache bestehen, dass es eine gegenwärtige Vergebung der Sünden gibt. 
Ich frage: Was war es, das Gott in diese unsere Welt herabzog? Unsere Sünde. Ja, wir dürfen sagen, die Abschaffung unserer Sünde hat dem Sohne Gottes Seine Geschichte hienieden gegeben. Er ist gestorben und von den Toten wieder auferstanden, nur weil Er es übernommen hatte, die Frage der Sünde zu ordnen. 
Sobald die Sünde in die Welt kam, hat Gott sich in dieser Verbindung mit uns geoffenbart —— nicht als ein Gesetzgeber oder Richter, sondern als ein Heiland. Schon in Seiner allerersten Verheißung offenbart Er sich als Gott-Heiland, als der Abschaffer der Sünde. Die zermalmte Ferse des Samens Evas und der zermalmte Kopf der Schlange weisen hin auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, des Sohnes Gottes, mit anderen Worten, aus die Abschaffung der Sünde. Und wenn wir nun in Einfalt vor dem Kreuze Christi stehen, wenn wir an den zerrissenen Vorhang denken und uns die zerrissenen Felsen und die geöffneten Grüfte der Heiligen Vergegenwärtigen, erkennen wir dann nicht deutlich, dass der Tod des Sohnes Gottes den Menschen zu Gott zurückgebracht hat? Dieser Tod hat gleichsam von dem Kerker dessen, der die Macht des Todes besaß, eine Brücke geschlagen bis hinauf zu der Herrlichkeit des Himmels und zu dem Throne der Majestät in der Höhe.

 Das leere Grab hat es gleichfalls laut und deutlich verkündet, dass Gott durch den Tod Christi befriedigt ist, dass eine vollgültige Sühnung für die Sünde geschaffen und eine ewige Versöhnung zustande gebracht ist. Das Herniederkommen des Heiligen Geistes zu Pfingsten hat dieselbe große Tatsache besiegelt; und die unmittelbar darauf folgende Predigt der Apostel hat sie feierlich bestätigt. Vergebung der Sünden kraft des Blutes Jesu für alle, welche Ihn annehmen wollen, wird von Petrus immer wieder zum Ausdruck gebracht: zuerst im 2. Kapitel der Apostelgeschichte. dann in seiner zweiten Rede in Kapitel 3, und zum dritten Mal in seinem Zeugnis an die Nationen in Cäsarea (Kap. 10); und Paulus nimmt im 13. Kapitel seinerseits dieselbe wunderbare Geschichte wieder auf. In den Briefen der Apostel, die freilich mehr belehrenden Inhalts sind und eher der Unterweisung der Heiligen als der Erweckung von Sünderherzen dienen, finden wir dasselbe. 
Es ist also eine unbedingt feststehende Tatsache, dass die Sünde hinweggetan ist; und wahrlich, wir sollten diese gesegnete Wahrheit nicht behandeln als etwas, das wir nur nach langem, ängstlichem Suchen in nebliger Ferne zu erspähen vermögen. Nein, wir sollten sie in den Vordergrund stellen, in das volle Mittagslicht, wohin der zerrissene Vorhang, die Auferstehung Christi, das Pfingstfest, die Predigt und die Lehre der Apostel sie bereits gestellt haben. 
Die Schrift macht, wie einmal jemand bemerkt hat, eine viel einfachere Sache aus der Abschaffung der Sünde, als die menschliche Religion es tut. Die Schrift setzt sie zum Ausgangspunkt, die Religion des Menschen zu dem großen Ziel, das man zu erreichen suchen muss. Die Schrift bringt die Sünde in Verbindung mit dem Blute Christi, der Mensch mit seinem armseIigen Tun. In dem einen Falle verschwindet sie, in dem anderen bleibt sie ungesühnt.
Im Vorbeigehen sei noch folgendes bemerkt: Wenn die heilbringende Gnade Gottes, die in der ersten Verheißung in solch herrlichem Licht erstrahlte und den ihr eigenen Platz die Zeiten der Patriarchen hindurch behauptete, unter Mose in Verbindung kam mit dem Gesetz, so wurde ihr Glanz verdunkelt. Das war auch eigentlich ganz natürlich, wurde sie doch mit einem ihr ganz fremden Element vermischt. Sicherlich hatte die mosaische Haushaltung wichtige Zwecke zu erfüllen; aber soweit die Gnade in Betracht kommt, hat sie die Offenbarungen derselben nur hemmen und verdunkeln können. Die Gnade erschien nicht, wie in den Tagen der Patriarchen, in ihrer schlichten, ergreifenden Schönheit. Darum bringt auch das Neue Testament in seinem Urteil und in seinen Erzählungen das Evangelium der Gnade gewöhnlich in Verbindung mit den Patriarchen, aber in Gegensatz zu Mose.
Schließlich ist die Gnade aber doch siegreich aus dieser Vermischung oder dieser verdunkelten Atmosphäre hervorgegangen; und jetzt, durch den Tod und die Auferstehung Christi völlig ans Licht gestellt, erstrahlt sie in unendlichem, ungetrübtem Glanze und macht Anspruch darauf, im Vordergrund des Schauens und Erkennens unserer Seelen zu stehen.
Dem Zweck und Charakter der betreffenden Bücher entsprechend, finden wir die Vergebung der Sünden in den Evangelien, der Apostelgeschichte und den Briefen verschiedenartig vorgestellt. In der Apostelgeschichte wird sie Sündern Verkündigt, in den Briefen wird sie Gläubigen gelehrt oder ausgelegt, und in den Evangelien wird sie lebendig dargestellt in einzelnen Personen. Diese letzte Art der Darstellung möchte ich die ergreifendste nennen. Betrachten wir sie z. B. in der Erzählung von der großen Sünderin am Ende von Lukas 7. 
In dem Hause des Pharisäers Simon kommt der Herr in besonderer Weise mit zwei Personen in Berührung, den Vertretern (in bildlicher Hinsicht natürlich) zweier Geschlechter. Ich meine den Gastgeber und die Sünderin. Diese beiden Personen stellen die zwei Schuldner dar in dem Gleichnis, welches der Herr erzählt, und das so innig mit der ganzen Begebenheit verwachsen ist. 
Wir dürfen in Simon wohl einen Mann sehen, der die Vortrefflichkeit und Größe des Herrn Jesu anerkannte. Er hatte Ihn in sein Haus eingeladen, um Ihm eine Ehre zu erweisen. Er gehörte nicht zu jener Art von Pharisäern, die dem Herrn Fallen zu stellen suchten, freilich auch nicht zu der Klasse von Leuten, die wie Levi Zöllnern und Sündern ein Mahl machten, um sie Jesu nahe zu bringen. Er war, wie es scheint, ein Mann, der sich seiner Schuld dankbarer Erkenntlichkeit für die Segnungen bewusst war, welche Gottes Fürsorge und Barmherzigkeit ihm zu teil werden ließen. Vielleicht gestand er sich auch ein, dass er der geringsten von ihnen eigentlich nicht wert war.

Er glich dem Manne, der nur fünfzig Denare schuldig war. 
Das Weib aus der Stadt, das in sein Haus eintrat, war eine Sünderin, ja, eine große Sünderin; aber sie wusste, dass sie das war, und sie wusste auch, dass Jesus ein Heiland war; als solchen hatte sie Ihn erkannt. Sie war nicht nur „von ihrer Sündhaftigkeit überführt, so dass sie bestürzt und beschämt zu Jesu kam; nein, sie hatte das tiefe innere Bewusstsein, dass eine vollkommene Gnade in Jesu für sie vorhanden sei. Sie lebte an einem Tage der Gnade, wo es kein Gericht gab. Sie stand nicht, wie einst David, vor dem Engel Gottes, der ein gezücktes Schwert in seiner Hand hielt. Nein, sie stand vor Jesu als ihrem Heiland und Retter, nicht bloß in dem Gefühl, Gnadengaben zu empfangen, welche die göttliche Vorsehung für sie bereitet hatte, sondern in dem Gefühl einer ewigen Annahme. Sie glich dein Schuldner, dem fünfhundert Denare geschenkt wurden.
Dieses Gefühl, von Jesu geliebt zu sein, machte sie kühn. Eine stadtbekannte Sünderin, wie sie war, wagte sich in das Haus des Pharisäers! Das war in der Tat sehr kühn. Sie musste auf das gefasst sein, was ihr nachher wirklich begegnete: auf Verachtung, auf beleidigende Worte und Murren seitens selbstgerechter Tadler. 
Ferner machte jenes Bewusstsein sie glücklich, und darum unabhängig Von dem Geschöpf; es erhob sie über die Welt und verlieh ihr den Geist der Anbetung. Alles was sie war und besaß, war nicht gut oder reich genug für den Einen, der sie liebte und um ihretwillen in die Welt gekommen war. Alles legte sie zu den Füßen Jesu nieder, ohne sich darum zu kümmern, ob jemand ihre Anwesenheit bemerkte oder nicht, wenn nur Er es tat! Des Pharisäers halblaut ausgesprochene Gedanken der Verachtung vermochten sie nicht zu kränken, ebenso wenig wie seiner Zeit, in einem Augenblick ähnlicher Freude, die Vorwürfe Michals den König David zu kränken vermocht hatten. Sie fand ihr Alles in Jesu, und sie erhielt ihre Antwort von Ihm in Gegenwart aller. 
„Ihre vielen Sünden sind vergeben“, sagt der Herr. Sie kannte Jesum, wie Simon es nicht tat. Sie stand in einem ganz anderen Verhältnis zu Ihm. Jesus war ihr Heiland. Simon hatte nur sehr arme und einseitige Begriffe über dieses merkwürdige Weib. Er konnte sie nicht verstehen; und in dem, was er zu wissen meinte, täuschte er sich. Er sagte zu sich selbst, dass „sie eine Sünderin« sei. Und das war sie auch. Wie hätte sie sonst so handeln können, wie sie es tat? Nur ein Sünder konnte solche Opfer darbringen wie sie. Aber Simon verstand davon nichts. Er wusste nicht, dass gerade ihr Sündencharakter Quelle und Ursache dessen war, was er sah und hörte. Ebenso wenig kannte er seinen Gast. 

Er zweifelte sogar daran, dass Er ein Prophet sei· Doch der Herr ließ ihn bald wissen, dass Er nicht nur ein Prophet war, sondern eine göttliche Person, die ihm die geheimsten Regungen seines Herzens kundtun konnte.
Simon meinte, dass das Weib den Herrn anrühre. Es war so. „Aber war das alles, Simon?“ möchten wir ausrufen. Ach! für diesen selbstgerechten Mann hatte der ganze ergreifende Vorgang wenig Bedeutung; er verstand ihn nicht. Er sah wohl die Küsse und die Tränen; auch der Wohlgeruch des Inhalts der Alabasterflasche entging ihm nicht; aber es war gerade so, als wenn er nichts gesehen und bemerkt hätte. Der Schuldner der fünfzig Denare war in der Tat weit davon entfernt, die Gefühle eines Herzens zu ermessen, welchem fünfhundert geschenkt worden waren. 
Das Evangelium bildet ein herrliches und wunderbares Bindeglied zwischen Gott und Seinen Geschöpfen — ein Bindeglied, das, von seinen verschiedenen Seiten aus betrachtet, unschätzbar ist sowohl für den Gebet als auch für den Empfänger. Gottes Seite ist das Werk der Erlösung mit allen seinen Ergebnissen, des Sünders Seite ist die gläubige Annahme dieses Werkes und dementsprechende dankbare Liebe 
.Engel, die nach Kraft und Herrlichkeit gleich vortrefflich gebildet waren, haben ihren Zustand bewahrt; und dieser ihr ursprünglicher oder „erster“ Zustand, wie er genannt wird, bildet das Bindeglied zwischen ihnen und ihrem Schöpfer. In ähnlicher Weise erhielt Adams Unschuld, die, wenn auch nur für kurze Zeit, wirklich vorhanden war, ihn in Verbindung mit Gott, als ein Wesen, das aufrichtig erschaffen worden war. Aber was sind solche Bindeglieder i1n Vergleich mit dem, welches die Gnade in der Erlösung geschaffen hat? Wie göttlich schön und wunderbar ist das Buch, das mit der Kundmachung des Bindegliedes der Unschuld zwischen Jehova-Gott und Seinen Geschöpfen beginnt, und das mit der Offenbarung desjenigen des Heils schließt! Das Weib des Lammes in der Herrlichkeit wird in einer Weise lieben, wie Adam im Garten nicht hätte lieben können. Sie wird, wenn ich mich so ausdrücken darf, lieben nach der Art jenes Weibes im Hause Simons. Sie wird lieben in der Kraft und Freude jener Gnade, die eine Schuld von fünfhundert Denaren zu vergeben vermochte.
Es gibt in dem ganzen Buche Gottes wohl kaum einen Fall, in welchem die Zuneigungen der Braut zu Christo tiefer und ergreifender zum Ausdruck kämen, wie in der Geschichte der großen Sünderin. Die Familie in Bethanien und Maria Magdalene haben eine brennende persönliche Liebe für den Herrn an den Tag gelegt. 

Auch in der ersten Versammlung zu Jerusalem (Apstgsch. 2) kam die Kraft, welche in dem Gefühl der Vergebung und Annahme liegt, in herrlicher Weise zur Darstellung. Ebenso ist es bei David in Psalm 32, und bei Jesaja im 6. Kapitel seines Buches; auch bei dem bußfertigen Israel, wie es in Jes. 53 und Micha 7 gesehen wird, wie auch in vielen anderen Fällen, von welchen uns das Neue Testament berichtet. Aber doch weiß ich von keinem Falle, wo das Bewusstsein der Annahme und das Gefühl des Sichgeliebtwissens eine so ergreifende Darstellung fände, wie bei der großen Sünderin in Lukas 7. 
Was wird es sein, wenn wir einmal Herzen haben werden, die diese Freude in Ewigkeit voll und ganz genießen können! 
Unsere kleine Erzählung enthält auch noch manche Unterweisungen zweiten oder mehr untergeordneten Ranges. So sehen oder lernen wir z. B., dass alles zu seiner Zeit und an seinem Platze wieder zum Vorschein kommt. Die Dienste des Weibes wie die Versäumnisse Simons werden zu seiner Zeit alle vom Herrn erwähnt. Alles schien vorbei und vergessen zu sein, nachdem einmal die Dinge getan oder ungetan geblieben waren. Aber es schien auch nur so. Dies erinnert uns an eine interessante, ernste Wahrheit. Nichts in unserem Leben hienieden ist ohne Bedeutung; all unser Tun und Lassen trägt einen Charakter, und eine unsichtbare, jetzt noch im Heiligtum Gottes verborgene Waage ist dazu bestimmt, die Handlungen oder Unterlassungen dereinst auszuwiegen. In unserem Kapitel finden wir einerseits die Küsse, die Tränen, den Dienst der Haare des Hauptes, die duftenden Schätze der Alabasterflasche, und andererseits die entsprechenden Versäumnisse des Pharisäers. Und beachten wir, dass alle diese Dinge vom Herrn selbst wieder aufgezählt werden, als vielleicht keine der beiden Personen mehr daran dachte! So steht auch geschrieben: „Der Herr jenes Knechtes wird kommen an einem Tage, an welchem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß“. 


Wir möchten dies gern jedem Leser ans Herz legen und ihn und uns fragen: Wie steht es mit uns? Haben auch wir Christo im Verborgenen, in stiller, dankbarer Liebe gedient? Haben wir ein Interesse an dem Tage, an welchem alles offenbar werden wird? In welchem Verhältnis stehen wir zu jenem Tage? Bringen wir unser gegenwärtiges Tun in das Licht desselben? 
Stehe hier einen Augenblick still, teurer Leser, und erwäge diese Fragen in der heiligen Stille der Gegenwart Gottes. Nimm dir die Zeit dazu! Wie der Pfeil in raschem Fluge den Bogen verlässt und nicht dahin zurückkehrt, so eilen unsere Tage dahin, und keiner kehrt jemals wieder! Jeder einzelne bringt uns dem Ziele ein Stück näher. Ist es dir wohl bei diesem Gedanken? 
Doch es gibt noch mehr Lehrreiches in unserer Geschichte: Am Ende erklärt der Herr öffentlich, angesichts aller derer, welche mit Ihm beim Mahle sitzen, die Errettung des Weibes. Er drückt Sein deutliches, die göttliche Vollmacht in sich tragende Siegel auf die Tatsache, dass ihre Sünden vergeben waren, vergeben angesichts der ganzen Welt, mochten sich auch noch so viele anklagende Gedanken in den Herzen regen oder ungläubige Fragen laut werden. „Und die mit zu Tische lagen, fingen an bei sich selbst zu sagen: Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt?“ Ähnlich fragten einst die Jünger auf dem See Tiberias: „Wer ist dieser, dass auch der Wind und der See Ihm gehorchen?“ O wie muss Seine Stimme über die Wogen hin erschallt sein! Und jetzt waren die Gewässer wieder im Anschwellen, Wind und Wellen erhoben ihr Ungestüm; aber auch die Stimme Jesu ertönte wieder, und alle Zweifel und Anklagen verstummten. „Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, welcher rechtfertigt. Das ist genug. „Wer ist, der verdamme?“ 
Schliesslich wendet sich der Herr von den Anklägern zu dem Weibe selbst, und jetzt ändert Er den Ton Seiner Stimme. Die Quelle der Vergebung ist der Glaube. Nicht ihre Liebe, so brennend und hingebend sie sein mochte, hatte sie errettet; ihr Glaube war die Grundlage ihres Heils. Darum sagt der Herr, wenn Er sich jetzt ihr selbst zuwendet: „Dein Glaube hat dich errettet; gehe hin in Frieden“. Die Liebe ist die Frucht der Annahme und Vergebung; aber in Verbindung mit der Errettung wird sie gar nicht erwähnt. 

Die Errettung ist aus bedingungsloser Gnade; sie steht in Verbindung mit dem Blute Christi und wird dem Glaubenden zu teil, der dieses Blut erfasst und sich darauf stützt. Die Errettung ist eine zu hohe Sache, um irgendwie mit dem Tun des Menschen auf einem Boden stehen zu können. Sie ist ausschließlich Gottes Werk und wird dem zu teil, „der nicht wirkt“, wie der Apostel sagt. „Es ist aus Glauben, auf dass es nach Gnade sei“ (Röm. 4, 5. 16). 
Ich möchte noch hinzufügen, dass die Braut im Hohenliede dasselbe Geschlecht darstellt, zu welchem die große Sünderin gehörte. Wie diese hoch über Simon, dem Pharisäer, stand, so stand jene weit über den Töchtern Jerusalems. Auch sie hatte entdeckt, dass sie „schwarz, aber anmutig“ war; und das war das Geheimnis ihrer tiefen, sehnenden Liebe. Andererseits ist das Weib in Lukas 7, wie schon bemerkt, ein Vorbild von dem Weibe des Lammes. So steht sie gleichsam zwischen den beiden; und alle zusammen: Sulammith, die große Sünderin und das Weib des Lammes, gehören einem Geschlecht an. „Ich bin schwarz, aber anmutig“, ist der Ausdruck des Geheimnisses ihrer Liebe. Die Freude und Liebe von Sündern, welche wissen, dass ihnen Vergebung und Annahme zu teil geworden ist, erfüllt sowohl den Geist der Braut im Hohenliede, als auch den der armen Sünderin der Stadt, und wird schließlich das Herz der Braut, des Weibes des Lammes, bis zum Überströmen füllen für immer und ewig. -
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Aus einem Briefe

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 250ff
Wir leben in einer Zeit, die mich öfters an die Worte erinnert: „Gott beunruhigte sie durch allerlei. Bedrängnis«. (2. Chron. 15, 6.) Ich denke dabei sowohl an die Zustände in der Welt als auch in der Kirche. Aber wir lesen auch: „Wenn Er Ruhe schafft, wer will beunruhigen“ (Hiob 34, 29)? Gott ist für uns und mit uns. Er gibt uns Beweise Seiner Freundlichkeit durch Sein gnädiges Wirken überall. Wenn Er nun auch schmerzliche Prüfungen erlaubt, die uns demütigen und in den Staub werfen, so müssen wir das auch von Gott annehmen und nicht so töricht reden wie das Weib Hiobs, welches nur Gutes von Gott annehmen wollte. Wir sind in Gottes Hochschule hier. Sein Lehren, Formen und Bilden ist für die Ewigkeit. (Vergl. Pred. 3, 14.) Der Gott aller Gnade hat uns berufen zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu. Daher Seine fortwährende Beschäftigung mit uns. (Vergl. 1. Petri 5, 10). Wir sind Ihm kostbar und wertvoll, wie Er sagt: „Du bist wert geachtet in meinen Augen“. Darum wollen wir der Ermahnung des Propheten Asarja eingedenk bleiben: „Ihr aber, seid stark Und lasset eure Hände. nicht erschlaffen! denn es gibt Lohn für euer Tun“.
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Unterm Schatten Seiner Flügel

Bibelstelle: 2.Mose 19,4; Psalm 36,7; 63,7

Botschafter des Heils 1907 S. 252ff

Unterm Schatten Seiner Flügel
ist mein Herz stets wohlgemut;
mögen wanken Berg und Hügel,
Gott, mein Heil, macht alles gut.

Ob Er auch in Seiner Liebe
Prüfung mir auf Prüfung schickt,
ist es doch nur, dass ich mich übe,
dass mein Aug auf Jesus blickt.

Unterm Schatten Seiner Flügel
kann ich kindlich Ihm vertrauen;
Mögen wanken Berg und Hügel,
nimmer kann es bei Ihm mir grauen.

Dringen selbst von allen Seiten
Leid und Sorge auf mich an,
sieh, in noch so finstren Zeiten
doch Sein Wort nicht trügen kann.

Unterm Schatten Seiner Flügel
will ich jubeln für und für;
weichen Berge auch und Hügel,
bleibt mein Jesus doch bei mir.

Seine Güte kann nicht wanken,
fest bleibt Gottes Friedensbund.
Sollt ich solchem Herrn nicht danken?
Preis sei Ihm zu jeder Stund!

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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 253ff

Zwei Psalmen

Zum Schluss dieser Geschichte möchten wir unseren Lesern noch zwei Psalmen vor Augen führen, von denen der eine Salomo zum Gegenstand hat, und der andere von ihm gedichtet ist. Der Raum würde uns fehlen, wenn wir von der Weisheit Salomos reden wollten, wie sie in den verschiedenen Schriften, deren inspirierter Schreiber er ist, zum Ausdruck kommt. Wir beschränken uns daher auf diesen kurzen Zusatz.
Der 72. Psalm ist ein Psalm „für Salomo". Der menschliche Verstand könnte auf den ersten Blick daran zweifeln, ob dieser Psalm prophetisch sei und auf das Reich Christi angewendet werden könne; so viele Einzelheiten stimmen mit dem Reiche Salomos überein. "Er wird herrschen von Meer zu Meer, und vom Strome bis an die Enden der Erde. 

Vor ihm werden sich beugen die Bewohner der Wüste, und seine Feinde werden den Staub lecken; die Könige von Tarsis und von den Inseln werden Geschenke entrichten, es werden Abgaben darbringen die Könige von Scheba und Seba. Und alle Könige werden vor ihm niederfallen, alle Nationen ihm dienen" (V. 8-11). "Und er wird leben, und von dem Golde Schebas wird man ihm geben; und man wird beständig für ihn beten, den ganzen Tag ihn segnen" (V. 15). Bezüglich seines Charakters lesen wir: „Er wird dein Volk richten in Gerechtigkeit, und deine Elenden nach Recht" (V. 2). Hinsichtlich der Segnungen seines Reiches gilt: "In seinen Tagen wird der Gerechte blühen, und Fülle von Frieden wird sein" (V. 7). „Es wird Überfluss an Getreide sein im Lande, auf dem Gipfel der Berge; gleich dem Libanon wird rauschen seine Frucht; und Menschen werden hervorblühen aus den Städten wie das Kraut der Erde" (V. 16). „Alle Nationen werden ihn glücklich preisen" (V. 17).
Hier fehlt wirklich kaum ein einziger charakteristischer Zug des Reiches, mit dem wir uns gerade beschäftigt haben. Doch ein Ding findet sich hier, das im Reiche Salomos nicht erwähnt wird: die Gnade. Daher kommt es auch, dass dieses Reich weniger zu Herz und Gewissen redet als dasjenige Davids. Salomo war in all seiner Herrlichkeit nicht bekleidet wie eine Lilie des Feldes. Seine Herrlichkeit redet weniger zu der Seele' als die zärtliche Fürsorge eines Vaters für seine Kinder und die Gnade, womit dessen Liebe sie umgibt. Diesen Strom der Gnade, welcher David viel mehr kennzeichnet als Salomo, finden wir durch unseren ganzen Psalm hindurch wieder.
Wir müssen daher, um die Regierung des Messias im Tausendjährigen Reiche zu verstehen, auf Den blicken, welcher in Seiner Person die jenen beiden Männern Gottes beigelegten Charakterzüge in sich vereinigen wird. Seine Regierung in Gerechtigkeit wird nicht durch ihren Glanz und ihre Dauer die auf so traurige Weise abgebrochene Regierung Salomos übertreffen  denn man wird Ihn fürchten „von Geschlecht zu Geschlecht, so lange Sonne und Mond bestehen" (V. 5), und „es wird Fülle von Frieden sein, bis der Mond nicht mehr ist " (V. 7),  sondern ihr Beginn wird sein, wie der Beginn von Salomos Regierung nie gewesen ist: „Er wird herabkommen wie ein Regen auf die gemähte Flur" (V. 6), indem sie die himmlische Segnung dahin bringt, wo das Gericht sein Werk getan und nichts zu ernten übriggelassen hat. Unter ihrem sanften Einfluss wird eine neue Ernte aufsprießen. 

David hatte dies von einem Größeren, als sein Sohn war, vorausgesagt: "Von ihrem Glanze nach dem Regen sprosst das Grün aus der Erde" (2. Sam. 23, 4). Lasst uns in unserem Psalm diesen Zug der Gnade betrachten, welche das Mitgefühl, die Befreiung, das Heil bringt, um die Elenden von dem Joch des Bedrückers zu befreien: "Er wird deine Elenden richten nach Recht" (V. 2). „Er wird Recht schaffen den Elenden des Volkes; er wird retten die Kinder des Armen, und den Bedrücker wird er zertreten" (V. 4). „Er wird erretten den Armen, der um Hilfe ruft, und den Elenden, der keinen Helfer hat; er wird sich erbarmen des Geringen und des Armen, und die Seelen der Armen wird er retten. Von Bedrückung und Gewalttat wird er ihre Seelen erlösen, und ihr Blut wird teuer sein in seinen Augen" (V. 12-14). Das gibt dem herrlichen Reiche Christi ein unvergleichliches Gepräge, wie auch gesagt wird: „Seine Armen will ich mit Brot sättigen" (Ps. 132, 15). Das waren die Gedanken des auf der Erde verworfenen Messias, als Er die Volksmenge speiste, und wenn das Volk Ihn hätte annehmen wollen, so würde Er Sich als der in Sein Reich eintretende Messias gezeigt haben. 

Wenn Er aber Seine Macht in die Hand nehmen und über der Welt als Sonne der Gerechtigkeit leuchten wird, dann wird Er Sich an dem Werke Seiner Gnade erfreuen und Heilung unter Seinen Flügeln bringen.
Der 127. Psalm ist der einzige, als dessen Dichter Salomo genannt wird. Er redet von dem Hause, dem Hauptgegenstand seines Reiches; doch er kündigt eine zukünftige Zeit an, wo die Menschen sich daran machen werden, es zu bauen und vergebens zu arbeiten, vergebens zu wachen, um die Stadt vor dem Feinde zu behüten. Dergleichen hatte unter seinem Zepter nicht stattgefunden. Was Salomo gebaut hatte, war also nicht endgültig; was die Menschen errichten werden, wird es noch weniger sein. Doch die Tage werden kommen, wo Jehova Selbst das Haus bauen und die Stadt bewachen wird. Dann wird Sein Geliebter endlich „den Schlaf finden können, die Ruhe, von welcher gesagt wird: „Er schweigt in seiner Liebe" (Zeph. 3, 17). Dann wird Er Söhne haben als Erbteil Jehovas, ein neues Volk, der Tau der Jugend, der Ihm aus dem Schoße der Morgenröte kommen wird (Ps. 110, 3). Dann wird Er glückselig gepriesen werden.
Salomo blickt, wie David, auf Christum. Jeder von ihnen weiß, dass er selbst nicht der gerechte Herrscher über die Menschen ist. Beide freuen sich, ihre Würde Dem anvertraut zu sehen, der von ihr niemals einen anderen Gebrauch machen wird als zur Verherrlichung Gottes.

KAPITEL 12 – 16: DIE TEILUNG DES REICHES

KAPITEL 12, 1 – 24: Rehabeam

Das Wort Gottes erfüllt sich, indem Gott Gefühle, die sich auf dein Grunde des Herzens des Menschen vorfinden, benutzt, um diesen in sein Verderben hineinzutreiben.
Ganz Israel begibt sich nach Sichem, um das Königtum Rehabeams, des Sohnes Salomos, auszurufen. Auch Jerobeam ist da, durch das Volk herbeigerufen, um dessen Wortführer vor dem König zu sein. Diese Männer beklagen sich vor Rehabeam über das Joch, welches sein Vater ihnen auferlegt hatte: "Dein Vater hat unser Joch hart gemacht", ein Wort, welches zeigt dass es nicht immer so gewesen war. Niemals wird das Joch Christi auf Seinem Volke hart sein; Er wird für die Seinigen immer Der sein, den sie in den Tagen des Leidens und der Gnade gekannt haben: „Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht". Ohne Zweifel müssen die Nationen sich Ihm unterwerfen, und Er wird sie mit eisernem Zepter zerschmettern; aber alle Propheten zeugen von der Gnade, mit der Er Sein Volk weiden wird. "Er wird seine Herde weiden wie ein Hirt, die Lämmer wird Er in seinen Arm nehmen und in seinem Busen tragen, die Säugenden wird er sanft leiten" (Jes. 40, 11).
Rehabeam berät sich mit den Alten, die vor Salomo gestanden hatten, um an dem Born der Weisheit zu trinken. Ihr Rat gleicht dem, welchen Jesus Seinen Jüngern gibt: „Der Größte unter euch sei wie der jüngste, und der Leiter wie der Dienende" (Luk. 22, 26). „Wenn du heute", sagen die Alten, „dieses Volkes Knecht wirst und ihnen dienst und sie erhörst und gütige Worte zu ihnen redest so werden sie deine Knechte sein alle Tage". Rehabeam verlässt aber den Rat der Weisheit, um auf den Vorschlag der jungen zu hören, die mit ihm aufgewachsen waren und vor ihm standen, die also nur der Spiegel und Widerschein der Gedanken ihres Herrn sein konnten. Wenn er selbst vor seinem Vater ge­standen und auf die Sprüche der Weisheit, die au dessen Munde hervorgingen, gehorcht hätte, so würde er wohl anderen etwas davon mitgeteilt haben. Er würde gewusst haben, was einem König geziemt und dass „eine gelinde Antwort den Grimm abwendet, aber ein kränkendes Wort den Zorn erregt", und dass „Hoffahrt dem Sturz, und Hochmut dem Fall vorausgeht (Spr. 15, 1; 16, 18); nicht zu gedenken vieler anderer Vorschriften. Aber nein, er pflichtet denen bei, die seinem Stolze schmeicheln.

 Der Rat der Jungen ist schließlich nur der seines eigenen Herzens. Stolz geht stets mit der Verachtung des Nächsten gepaart: dieses gewöhnliche Volk zählt nicht mit in den Augen eines Königs, der sich selbst erhöht. Der große Salomo, sein Vater, erscheint ihm sogar klein im Vergleich mit seiner eigenen Größe. Das Wort, welches seine Höflinge ihm in den Mund legen: „Mein kleiner Finger ist dicker als die Lenden meines Vaters", begegnet keineswegs seiner Missbilligung. In jedem Falle hält er sich für stärker und energischer als Salomo, und er verachtet das Volk Gottes. „Der König hörte nicht auf das Volk". Das war von Jehova so geordnet damit Sein prophetisches Wort sich erfülle. Was Gott bestimmt hat, muss in Erfüllung gehen.
Israel empört sich: "Was haben wir für Teil an David?' sagen sie, „und wir haben kein Erbteil am Sohne Isais! Zu deinen Zelten, Israel! Nun sieh nach deinem Hause, David!" (V. 16). Das war der Sammelruf der Empörung, der gewöhnliche Ruf der Unzufriedenen in den Tagen Davids (Vergl. 2. Sam. 20, 1). Rehabeam flieht; es bleiben ihm nur Juda und Benjamin. Um wiederzuerlangen, was er so törichterweise verloren hat, sammelt er ein Heer von 180 000 Mann gegen Israel. Doch der Prophet Schemaja mahnt von seiten Gottes: „Ihr sollt nicht hinaufziehen und nicht mit euren Brüdern, den Kindern Israel, streiten; kehret um, ein jeder nach seinem Hause, denn von mir aus ist diese Sache geschehen". Der König und die zwei Stämme fürchten Jehova und ziehen auf Sein Wort hin wieder zurück. Wenn sie nur auf diesem Wege, welcher der Weisheit Anfang ist, geblieben wären!
Es ist beachtenswert, wie der Dienst der Propheten hervor­tritt, je mehr das Königtum verfällt. In diesem ganzen Teil der Geschichte Israels sind wir von Propheten umgeben. Zuerst erscheint Achija, als Salomo dem Gericht Gottes verfällt. Es gab in jener Zeit auch noch einen Nathan und einen Iddo, der ein Gesicht über Jerobeam, den Sohn Nebats, hatte (2. Chron. 9, 29). Hier haben wir Schemaja, welcher Rehabeam von seinen kriegerischen Entschlüssen abbringt. Das Auftreten der Propheten war eine große Gnade, indem es trotz des Verfalls die Beziehungen Gottes zu Seinem Volk ermöglichte. Der Prophet war vor allem der Träger des Wortes Gottes. Dieses Wort wandte sich an ihn, und er konnte sagen: "So spricht Jehova". Wer irgend dieses Wort befolgte, konnte gewiss sein, dass er richtig geleitet sei und Segen finden werde. Gerade so ist es mit uns, die wir die dunklen Zeiten des Endes durchleben. 

Unser Prophet ist das Wort Gottes. Gott macht uns nicht mehr, wie in den vergangenen Zeiten, neue Offenbarungen, denn Er hat uns alles geoffenbart; doch wenn Sein Wort sich an uns wendet, so lasst es uns beachten und uns nicht davon abwenden. Es gibt in der Welt viele falsche Propheten, die vorgeben, viel mehr zu wissen als das wahre Wort Gottes. Sie verachten es, beschuldigen es der Unrichtigkeit und sagen uns: Nicht Gott hat geredet. Lasst uns unsere Ohren vor ihrer Stimme verschließen! Gott hat zu uns geredet; unser Prophet, das Wort Gottes, hat uns Seine Gedanken mitgeteilt. Haben wir nicht hundertfach erprobt, dass in Seinem Worte das Leben und die Sicherheit unserer Seelen sind? Prüfen wir es aufs neue; und wenn der Prophet uns sagt: "So spricht Jehova", so lasst uns tun wie Rehabeam und Juda, welche es nicht zu bereuen hatten. Lasst uns "auf das Wort Jehovas hören" und "nach dem Worte Jehovas" handeln! (V. 24).

KAPITEL 12, 25 – 33: Jerobeam und seine Politik

Da die Teilung des Reiches nun eine vollendete Tatsache ist, kommen wir zu der Geschichte der Könige von Israel. Die Geschichte der Könige von Juda bildet nur insoweit einen Teil der vorliegenden Mitteilungen, als sie zur Erklärung gewisser Ereignisse nötig ist oder diesen zum Rahmen dient. Ausgenommen ist selbstverständlich der letzte Teil des 2. Buches der Könige, wo die Geschichte der Könige von Juda für sich allein bis zum Ende hin verfolgt wird. Das 2. Buch der Chronika gibt uns demgegenüber die Geschichte der Könige von Juda von dem besonderen Gesichtspunkt aus, der dieses Buch kennzeichnet.
Was wird jetzt aus diesem neuen Reiche werden? Jerobeam hatte von Jehova eine bedingungsweise Zusicherung erhalten: ,Wenn du hören wirst auf alles was ich dir gebiete, und auf meinen Wegen wandeln, und tun wirst was recht ist in meinen Augen, indem du meine Satzungen und meine Gebote beobachtest. wie mein Knecht David getan hat, so werde ich mit dir sein und dir ein beständiges Haus bauen, wie ich es dem David gebaut habe, und werde dir Israel geben" (Kap. 11, 38). Er brauchte also nur Gott zu seinen Gunsten handeln zu lassen und Ihm zu gehorchen, so hatte er die Zusicherung, dass er regieren solle „über alles was seine Seele begehrte". Die Ereignisse spielten sich ab, ohne dass er einzugreifen brauchte. Aber er traut der Sache nicht und spricht in seinem Herzen: „Nun wird das Königreich an das Haus Davids zurückkommen.

 Da er kein Vertrauen auf Gott hat, erwägt er die Wahrscheinlichkeiten und bleibt dabei stehen. Der Glaube verweilt niemals bei Wahrscheinlichkeiten; ich möchte sogar sagen, er nährt sich von Unmöglichkeiten und befindet sich wohl dabei. Nachdem Jerobeam einmal die Wahrscheinlichkeit, dass das Königreich an das Haus Davids zurückkommen werde, zugegeben hat, geht er auch in seinen Überlegungen weiter. Er muss, denkt er. das Volk davon abhalten, nach Jerusalem hinauf­zugehen, um dort Schlachtopfer darzubringen, damit es nicht mit dem Königreich Juda in Berührung komme. Der König kommt zu dem Schluss, dass es eine Frage von Leben oder Tod sei: „Das Herz dieses Volkes wird sich zu ihrem Herrn zurückwenden, zu Rehabeam, dem König von Juda; und sie werden mich töten ". Sein Entschluss ist gefasst: Israel muss eine neue Religion haben. Aus diesem Unglauben an die Ver­heißung Gottes, aus dieser Gleichgültigkeit gegen den Dienst Jehovas geht die Errichtung eines nationalen Gottesdienstes von seiten Jerobeams hervor, unterschieden von dem, welchen Gott zu Jerusalem verordnet hatte. Was konnte dieser Gottesdienst sein, da er nicht derjenige Jehovas war? Nichts als Götzendienst!
Den Dienst des wahren Gottes verlassen heißt in Götzendienst verfallen, welche Form dieser auch annehmen mag. In der Religion gibt es keinen Mittelweg, keinen neutralen Boden. Jerobeam meinte ohne Zweifel einen solchen gefunden zu haben: ei nimmt nicht die falschen Götter der ihn umgebenden Nationen an, er will eine für Israel volkstümliche Religion einführen. Da er den Gott, der zu ihm geredet hatte, nicht von Herzen kennt, geht er mit sich selbst zu Rate und macht zwei goldene Kälber. „Siehe da, Israel", sagt er, „deine Götter, die dich aus dem Lande Ägypten heraufgeführt haben". Er bringt den jüdischen Götzendienst wieder zu Ehren, der am Fuße des Berges Sinai von dem Volke ausgeübt worden War, und welcher das Gericht Gottes über Israel gebracht hatte. Nur geht er noch weiter als Israel in ier Wüste; das Abweichen von Gott ist vollständiger. „Siehe da, deine Götter“, sagt er und fügt nicht wie Aaron hinzu: „Ein Fest dem Jehova ist morgen!" Jehova ist gänzlich beiseitegesetzt.
Jerobeam ist ein geschickter Staatsmann. Er stellt ein Kalb auf in Bethel, an der Grenze Judas, ein anderes in Dan, an der nördlichen Grenze des Reiches. Er ordnet auch seinen Gottesdienst nach dem durch das Gesetz Moses vorgeschriebenen Muster.

 Die Höhenhäuser ersetzen den Tempel; an die Stelle des Priestertums aus den Söhnen Levis treten "Priester aus sämtlichem Volk". Wie Israel sein Laubhüttenfest hatte, so setzt Jerobeam auch ein Fest ein, nur einen Monat später. Entsprechend dem ehernen Altar errichtet er einen Altar zu Bethel, stellt ihn vor dem Götzenbild auf, und an Stelle des Brandopfers bringt er Räucherwerk auf ihm dar. Er hatte es, wie wir lesen, „aus seinem Herzen erdacht" (V. 31-33).
So wurde durch diese Religion trotz ihrer täuschenden äußeren Formen der Dienst Jehovas völlig aufgegeben; die neue Religion war ein politisches Werkzeug in den Händen der Regierung. Eingewiegt von falschen Äußerlichkeiten, wurden die Seelen von dem wahren Gott ferngehalten, und der König aus dem Geschlecht Davids wurde für sie ein Fremder.
Können wir nicht ähnliche Grundsätze in den Religionen unserer Tage finden? Sind sie auf den Glauben an das Wort Gottes gegründet oder auf Gebräuche, die nur eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Dienst Gottes haben, eine willkürliche Religion, ein eigenwilliger Dienst, ein Aufgeben des Hauses Gottes, der Versammlung des lebendigen Gottes, eine Verneinung der durch den Geist hervorgerufenen Anbetung, wobei die priesterlichen Dienstverrichtungen anderen als den wahren Anbetern anvertraut sind, wo die Wirksamkeit des Opfers dergestalt durch den Weihrauch ersetzt wird, dass man kommt, um anzubeten, und vorgibt Gott zu nahen, ohne durch das Blut des Lammes errettet zu sein! Gewiss kann man das nicht geradezu Götzendienst nennen, wie bei dem falschen Gottesdienst Jerobeams; aber wir wissen durch das Wort, dass es nicht lange dauern wird, bis der Götzendienst einen Teil der Religion ohne Leben ausmachen wird, welche heute die bekennende Christenheit kennzeichnet, und dass diese, sich selbst überlassen, ohne Verbindung mit Christo, aus der Religion eine Sache des Verstandes (nicht des Gewissens und Glaubens) machen und schließlich dahin kommen wird, sich wieder zu den Götzenbildern zu wenden und sich vor dem Werk ihrer Hände niederzubeugen.

KAPITEL 13: Der Mann Gottes und der alte Prophet zu Bethel

Ein Mann Gottes, ein neuer Prophet, kommt aus Juda, wo Jehova dem David noch eine Leuchte erhielt. Er kommt nach Bethel, um gegen Israel zu weissagen, und zwar in dem Augenblick als das Zehnstämmereich eben errichtet war.
„Jerobeam stand bei dem Altar, um zu räuchern". Er, der das Priestertum selbst gemacht hatte und jeden, der Lust hatte, dazu weihte (V. 33), konnte selbstverständlich keine hohe Achtung vor dem Priestertum haben. Der königlichen Autorität untergeordnet, war der Priester zu einem politischen Werkzeug in den Händen des Königs geworden; es war daher nichts Erstaunliches, dass der König sich das Recht anmaßte, die gottesdienstlichen Handlungen nach seinem Ge­fallen auszuüben.
Der Mann Gottes ruft aus gegen den Altar, nicht gegen das Götzenbild. Hassenswürdiger als alles andere ist in Gottes Augen dies, dass der Mensch sich einbildet, an die Stelle des Altars Gottes einen anderen setzen zu können. Gottes Altar ist durchaus einzigartig ; das hat Gott vor allen erklärt. Die Gläubigen haben einen Altar, Christum, das Lamm Gottes (Hebr. 13, 10). Gott wird die gottlosen Menschen richten, welche einen anderen Altar neben den Seinigen setzen wollen. Ein durch den Menschen errichteter Gottesdienst kann nicht Bestand haben; das göttliche Gericht wird über ihn kommen, gleichwie über die große Hure in der Offenbarung. Doch Gott wird ihn nicht zerstören, ohne zugleich die Priester dieses unheiligen Dienstes auf ihrem eigenen Altar zu schlachten. Der Mann Gottes kündigt einen König an, und er nennt ihn 350 Jahre vorher mit Namen, einen König aus dem Samen Davids: Josia, der die Höhen Israels zerstören werde. Auch gibt er ein sofortiges Zeichen für das, was später geschehen soll: der Altar reißt, und die darauf befindliche Asche wird verschüttet.
Die Hand dessen, der dies verhasste System eingerichtet hatte, die Hand, die sich ausstreckte, um den Mann Gottes zu greifen, verdorrt in dem Augenblick, da Jerobeam meinte, den Zeugen Jehovas und Sein Wort beseitigen zu können. Diese Hand, die er nicht wieder an sich ziehen kann, bleibt in ihrer drohenden Gebärde gegen den Propheten und gegen Gott selbst ausgestreckt als ein Zeichen ihrer völligen Ohnmacht. Erst auf des Königs Bitte tritt der Mann Gottes für ihn ein; das Gericht wird für den Augenblick beseitigt, damit selbst ein Jerobeam noch Zeit zur Buße habe.

Gott zeigt hier, dass Er Gott ist; Er behütet Seine Geliebten, Seine Zeugen, und übernimmt ihre Verteidigung. Er ist für uns, wie Er für Seinen Propheten war, und wer will gegen uns sein? Welche Sicherheit für das Zeugnis! Wir haben nichts zu fürchten, wenn Gott uns sendet. Niemand, selbst nicht der höchste Gewalthaber, kann uns greifen, wenn Gott es nicht erlaubt; und wenn ihm die Macht dazu überlassen wird, so geschieht es nur so weit, dass durch ihn die Absichten Gottes ausgeführt werden. So war es auch für Elias, für die Apostel Petrus, Johannes, Paulus, wie für alle Knechte des Herrn.
Der Wert des Menschen, durch welchen Gott Zeugnis gibt, kommt so wenig in Betracht, dass der Name des Propheten in dieser Geschichte nicht einmal mitgeteilt wird. Er ist einfach ein Mann Gottes; aber welch ein Titel ist das! Der Mann Gottes ist ein Diener, der Gott vor den Menschen vertritt, und dem Gott Sein Gepräge ausdrückt. Dieser Mensch redet für Gott, als Seine Aus-sprüche. Ein erhabener und ernster Dienst, der aber den Menschen zu nichts macht und jedes Vertrauen auf das Fleisch wegnimmt! Moses und David werden Männer Gottes genannt; dieser Name wird auch den Propheten in einer Zeit des Verfalls gegeben. Timotheus war ein Mensch Gottes. 2. Tim. 3, 16 u. 17 zeigt uns, dass er für seinen Dienst durch das Wort zubereitet war; 1.Tim. 6, 11, dass er diesen Dienst nur dann ausführen konnte, wenn er sein Leben und seinen Wandel in Übereinstimmung brachte mit dem, was er verkündigte. 
Die Gewalttätigkeit des Königs hatte sich gegen ihn selbst gewandt. Doch Satan hält sich noch nicht für geschlagen; er tritt auf den Schauplatz und sucht Jerobeam als Werkzeug zu benutzen. „Komm mit mir ins Haus“, sagt der König, „und stärke dich, und ich will dir ein Geschenk geben.“ Hüten wir uns vor den Anerbietungen dieser Welt weit mehr, als vor ihren Drohungen. Wenn der Mann Gottes das Zeichen der Erkenntlichkeit des Königs angenommen hätte, so würde das von seiner Seite eine Tat des Ungehorsams gewesen sein; welche Jehova verunehrt hätte. Jerobeam wusste ohne Zweifel nicht, was Gott Seinem Knecht untersagt hatte; Satan aber wusste es sehr wohl. Von einer Sache konnte sich aber auch der gottlose König Rechenschaft geben, nämlich dass der Mann Gottes, wenn er seine Gastfreundschaft und sein Geschenk annahm, sich bis zu einem gewissen Grade mit dem Manne verband, der Jehova verunehrt hatte, und dass er zugleich dadurch stillschweigend zu verstehen gab: die Dinge sind doch nicht so schwerwiegend, wie ich anfangs gemeint habe. Dadurch wäre aber jedes Zeugnis vernichtet worden, und das wusste Satan sehr wohl. Doch der Prophet blieb treu; er folgte dem Beispiel Abrahams gegenüber dem König von Sodom und nahm nichts an; er gehorchte dem Worte Jehovas und wurde nicht
durch die größten zeitlichen Vorteile in Versuchung  gebracht: „Wenn du mir die Hälfte deines Hauses gäbest, so würde ich nicht mit dir hineingehen; und ich werde kein Brot essen und kein Wasser trinken an diesem Orte. Denn also ist mir geboten worden durch das Wort Jehovas und gesagt: Du sollst kein Brot essen und kein Wasser trinken, und du sollst nicht auf dem Wege zurückkehren, den du gegangen bist“ (V. 8 u. 9). 
Ob der Prophet versteht oder nicht versteht, was Jehova ihm zu tun geboten hat, sein Weg ist einfach: Gott hat zu ihm geredet; er muss gehorchen. Er darf nicht auf demselben Wege zurückkehren; das hätte geheißen, in einem seinem Auftrag entgegengesetzten Sinne wandeln. Es wäre eine Leugnung der Tatsache gewesen, dass Gottes Wege unbereubar sind. Und der Prophet gehorcht.
Es gab in Bethel einen alten Propheten, welcher nicht nach Anordnung Gottes dort wohnte, denn Jehova benutzte ihn nicht für Seinen Dienst; er hatte sich aber mit seiner Familie dort niedergelassen. Vielleicht, sogar wahrscheinlich, hatte er mit dem falschen Gottesdienst Jerobeams nichts zu tun; aber schon sein Weilen in Bethel war ein Gutheißen dessen, was dort geschah, und das hatte der Prophet aus Juda für sich verstanden. Ob er es wollte oder nicht, der alte Prophet war mit dem Bösen verbunden, und das Ergebnis dieser Verbindung war, dass Gott ihn, trotzdem er ein Prophet war, nicht in das Geheimnis Seiner Gedanken eingeweiht hatte. Er erfuhr sie durch andere, durch seine Söhne, die ihm die Worte Jehovas berichteten. Gott offenbart weder sich noch Seine Gedanken einem Diener, der sich in Verbindungen befindet, die Ihn verunehren. Dem alten Propheten war keine Offenbarung zu teil geworden; ein anderer wurde benutzt, während er für das Werk des Herrn unfruchtbar blieb. Wie kann man gegen Bethel weissagen, wenn man sich daran gewöhnt hat, dort zu leben? 
Noch ernster ist es, dass dieser alte Prophet zu einem Werkzeug des Verderbens für den Zeugen Gottes
wurde. (V. 11 —19.) Welches Interesse hatte er doch daran, so zu handeln, wie er tat? Dieses: wenn der
Mann Gottes auf ihn hörte, so war das gewissermaßen von Seiten Gottes ein Gutheißen seiner Stellung in Bethel.
Das Gleiche geschieht auch in unseren Tagen. Mehr als ein Diener des Herrn, der vom Bösen getrennt sein sollte, tritt in Verbindung mit einem anderen Diener, der nicht davon getrennt ist, und er tut dies sogar an dem Ort, wo Gott verunehrt wird. Der alte Prophet denkt nicht an die Folgen, welche für seinen Bruder
aus der Untreue, in die er ihn bringt, hervorgehenmüssen. Eine falsche Stellung macht uns selbstsüchtig
und lässt uns der Redlichkeit ermangeln. 
Der alte Prophet holt den Mann Gottes auf dem Wege, der ihn von Bethel entfernte, wieder ein. Auf seine Aufforderung: „Komm mit mir nach Hause und iss Brot“, antwortet dieser ebenso bestimmt wie bei Jerobeam. Der alte Prophet erwidert: „Auch ich bin ein Prophet wie du; und ein Engel hat zu mir geredet durch das Wort Jehovas und gesagt: Bringe ihn mit dir in dein Haus zurück, dass er Brot esse und Wasser trinke“, und das Wort Gottes fügt hinzu: „Er belog ihn“. Doch wie konnte der Mann Gottes dieser Lüge nur einen Augenblick sein Ohr leihen? Wie konnte er  annehmen, dass es in dem Worte, welches Gott an ihn richtete, Widersprüche gebe? 
Ach! gerade das ist es, was die untreuen Christen uns einzureden suchen, um ihren schlechten Wandel in
ihren eigenen Augen zu rechtfertigen. Jeder, versichern sie uns, versteht das Wort anders. „Auch ich bin ein Prophet“. Doch nein, Gottes Wille kann, Sein Name sei dafür gepriesen! nur in einer Weise verstanden werden; und wer wird ihn verstehen, als nur der, welcher sich im Gehorsam gegen das Wort von dem Bösen trennt? 
Indem der alte Prophet sich an die brüderliche Zuneigung wandte, hatte er da Erfolg, wo das Anerbieten des Königs zurückgewiesen worden war. „Da kehrte er mit ihm zurück, und aß Brot in seinem Hause und trank Wasser.“ Der alte Prophet war doch ein frommer und achtungswerter Mann. Warum sollte der Mann Gottes nicht glauben was er sagte? Aber wie klein oder groß seine Frömmigkeit sein mochte, sollte das Wort eines Menschen mehr Gewicht haben, als das Wort Gottes? Der Prophet aus Juda fühlt sich durch das Alter, durch die Prophetenwürde seines Bruders, sowie durch seine liebevolle Teilnahme für ihn verpflichtet. —

 Teurer, gläubiger Leser! fragen wir uns einmal ernstlich: Welche Rolle spielen diese Bande in unserem religiösen Leben, wenn es sich für uns um die Frage des einfältigen Gehorsams gegen Gott handelt? 
Der alte Prophet wurde für seine Lüge hart bestraft (V. 20 — 22), denn er wurde das Werkzeug Gottes, um gegen seinen Willen die Verurteilung seines Bruders, der sich auf sein Wort verlassen hatte, auszusprechen. Er wurde gezwungen, bei einem anderen das Böse zu verurteilen, welches er selbst getan hatte. „Darum dass du gegen den Befehl Jehovas widerspenstig gewesen bist und nicht beobachtet hast das Gebot, das Jehova, dein Gott, dir geboten hat, und bist umgekehrt und hast Brot gegessen und Wasser getrunken an dem Orte, von welchem Er zu dir geredet hat: Iss kein Brot und trinke kein Wasser! so soll dein Leichnam nicht in das Grab deiner Väter kommen.“ Wenn die Lüge des alten Propheten gestraft wurde, wieviel mehr dann der Ungehorsam des Mannes Gottes, den sein Dienst und die Offenbarung Jehovas in eine innigere Beziehung zu Ihm gestellt hatten! 
Wer wird sich in den Charakterzügen des Mannes Gottes wiedererkennen? „Du bist widerspenstig gewesen“, sagt Jehova zu ihm. Wer wird sich in den Charakterzügen des alten Propheten wiedererkennen? „Bist auch du ein Prophet?“ O dann bedenke, dass der Augenblick kommen wird, wo du selbst den Fluch über dein Werk und die Strafe über die, welche du mit dir fortgezogen hast, aussprechen wirst! Und was wird dir dann übrigbleiben? Wird es eine Krone sein? 
Die Schlange, in der Gestalt eines Engels des Lichts, hatte den Mann Gottes betrogen. Er findet den Löwen auf seinem Wege. Die außergewöhnlichen Umstände seines Todes zwingen jeden, das Eingreifen
Gottes zu erkennen. Es wird dem Löwen nicht gestattet, irgend etwas anderes zu tun, als das Wort Jehovas auszuführen. Der alte Prophet, das Werkzeug des Falles seines Bruders, ist Zeuge der Folgen dieses Falles. Wie musste das sein Gewissen erreichen und seine Seele mit Schmerz und Trauer erfüllen! Sein Werk ist zunichte gemacht und verurteilt; doch Gott benutzt dies, um ihn zurechtzubringen. Er selbst ist nicht verloren. „Wenn ich gestorben bin“, sagt er zu seinen Söhnen, „so begrabet mich in dem Grabe, in welchem der Mann Gottes begraben ist; leget meine Gebeine neben seine Gebeine.

 Denn das Wort wird gewisslich geschehen, welches er durch das Wort Jehovas ausgerufen hat wider den Altar, der zu Bethel ist, und wider alle Höhenhäuser, die in den Städten Samarias sind“ (V. 31 u. 32). Er ist in seiner Seele wiederhergestellt, bevor er stirbt, und bestätigt durch sein eigenes Zeugnis dasjenige seines Bruders gegen den Altar zu Bethel, indem er dieses Zeugnis auf alle Höhen der Städte Samarias ausdehnt. Was auch unsere Untreue sein möge, Gott will nicht ohne Zeugnis bleiben. Der Schwächste, der Schuldigste unter uns, kann, wenn er Buße tut, der Träger desselben werden. In seinem Tode legt der alte Prophet Zeugnis von seiner Verbindung mit dem Manne Gottes ab.
Doch kein Zeugnis hält Jerobeam in seiner götzendienerischen Bahn auf. (V. 33 u. 34.) Die von ihm eingeführte Religion liegt ihm mehr am Herzen, als das Wort Jehovas; und doch hatte dieses unfehlbare Wort ihm alles schon vorher durch den Mund Achijas angekündigt. Er hatte es an der Hand der Tatsachen auf seine Wahrhaftigkeit hin prüfen können, er hatte die Segnungen ohne Ergebnis für seine Seele empfangen; nun wird er bald die über ihn kommenden Gerichte kennen lernen.

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Kurze Gedanken über 3. Mose 4 und 6,18 - 23

Bibelstelle: 3. Mose 4 und 6,18 - 23

Botschafter des Heils 1907 S. 273ff
Das Opfer für die Sünde ist der Gegenstand der oben genannten Schriftstellen. Es gibt andere Opfer, welche uns die Vollkommenheit Christi in Seinem Opfertode, sowie die Gemeinschaft der Heiligen „mit Gott und Christo darin vorbildlich darstellen. Aber Gott hat auch Christum für uns zur Sünde gemacht, und das ist es, was durch das Opfer für die Sünde versinnbildlicht wird. 
Das Sündopfer musste „ohne Fehl“ sein (Vers 3); aber da die Sünde auf dasselbe gelegt wurde (Vers 4), konnte es nicht (wie die vorhergehenden Opfer) als ein Opfer „lieblichen Geruchs“ behandelt werden. So· wurde auch Christus auf dem Kreuze von Seiten Gottes behandelt, wie wenn Er selbst ein Sünder gewesen wäre. 
Wenn es sich um die Anwendung der Opfer und ihrer Wirkung auf-den Sünder handelt, so steht das Opfer für die Sünde als erstes in der Reihe, gleichsam als vor jedem anderen notwendig. Die Darstellung des Blutes Christi vor Gott war eine unbedingte Notwendigkeit. Sie verleiht uns Freimütigkeit in der Gegenwart Gottes, der uns nach der Wirksamkeit und dem Werte jenes Blutes ansieht. Seine Würdigung des Blutes Christi ist der Grund unseres Vertrauens. Er schätzt es, wie es geschätzt werden sollte, und Er hat es angenommen zur Sühnung unserer Sünden. 
Wenn der Heilige Geist in einer Seele wirkt, so bringt Er ihr alle ihre Sünden zum Bewusstsein. Alle ihre Verfehlungen tauchen wieder in der Erinnerung auf, und Er lässt sie fühlen, was sie vor Gott ist. Unruhe und Angst erfüllen dann das Herz, das Gewissen lässt seinen scharfen Stachel fühlen, und zwar so lange, bis die Seele klar versteht," dass Christus alle ihre Sünden getragen hat. 
Es gibt Seelen, welche auf das Blut Christi vertrauen, ohne jedoch die Allgenugsamkeit desselben verstanden zu haben. Diese wird uns ausführlich in den Sündopfern vor Augen gestellt. Unbekehrte gehen leicht über die Sünde hinweg, indem sie sagen: „Wir sind ja einmal alle Sünder, und Gott, der Gnädige und Barmherzige, wird uns sicher unsere Fehler Vergeben. Ach! wer so redet, weiß oder bedenkt nicht, dass dem Auge Gottes nichts entgeht, weder das einem anderen zugefügte Unrecht, noch Sünden, die „aus Versehen“ (Vers 13), dem Sündigenden selbst unbekannt (3. Mose 5, 17 — 19), begangen werden. Es ist unmöglich, in Unwissenheit zu sein ohne Sünde. Wenn ich in Unkenntnis, aus Versehen, sündige, so geschieht es eben deshalb, weil ich ein Sünder bin, und Unkenntnis ist eine der Folgen meines sündigen Zustandes. Wenn ich z. B. nicht gehorche, wie Christus gehorcht hat, nicht unterwürfig bin wie Er, nicht liebe wie Er, so ist das schon Sünde. Ja, ein Irren in der Beurteilung einer Person oder Sache rührt schon von der Entfremdung unserer Seelen von Gott her. —— Unsere Wünsche und Zuneigungen sind es, die unser Urteil beeinflussen und leiten, wie auch der Herr Jesus in der Bergpredigt sagt: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“. Dies tritt deutlich zutage in dem Gleichnis von dem großen Abendmahl in Lukas 14. Die Geladenen entschuldigen ihr Ausbleiben mit ihrem Acker und ihren Ochsen; denn diesen gehörten jetzt ihre Zuneigungen. Gott zeigt uns hier, was Er in uns sieht. Und je tiefer das Licht in unsere Herzen dringt, desto mehr lässt es uns entdecken, was wir wirklich sind. Wir betrügen uns so gern selbst. 
Es ist unser Vorrecht, der Heiligkeit Gottes teilhaftig zu sein; aber alles in uns, was nicht mit der Heiligkeit Gottes übereinstimmt, ist Sünde. Ein schlechtes Gewissen beweist, dass wir das Licht, welches wir hatten, nicht benutzt und deshalb verloren haben; wenn wir „aus Versehen“ sündigen, so liegt der Grund darin, dass das Licht noch nicht in unseren Herzen ist, und zweifellos ist das unser eigener Fehler. Je mehr wir in der Erkenntnis Gottes zunehmen, desto mehr lernen wir unterscheiden, was in den Augen Gottes Sünde ist; und es sollte unser aller Wunsch sein, unsere Begriffe über die Sünde mehr und mehr den Gedanken Gottes entsprechend zu bilden. 
Alles was unser Wachstum in der Heiligkeit und Liebe Gottes behindert, ist Sünde. Wir können Unreines nicht anrühren, ohne selbst befleckt zu werden. Gott urteilt stets nach Seinen Gedanken, nicht nach den unsrigen. Je höher wir das Maß unserer Vorrechte stellen, desto höher wird auch der Maßstab unserer Heiligkeit. Wir sind in Gottes Gegenwart gebracht, wo das Blut Christi allezeit für uns redet; aber dadurch ändert sich das Urteil Gottes über uns nicht. Wir sind zu der Laufbahn der Heiligkeit zugelassen, wie der Apostel in Hebr. 12, 14 sagt: „Jaget der Heiligkeit nach, ohne welche niemand den Herrn schauen wird“; indes sind wir unmittelbar vom Beginn jener Laufbahn an Befreite des Herrn. 
Bei dem Opfer für den Hohenpriester und für das ganze Volk wurde das Blut ins Heiligtum gebracht, und der Leib wurde außerhalb des Lagers als ein Gegenstand der Schmach verbrannt (Vers 12). So hat auch Christus außerhalb des Tores gelitten (Vergl. Hebr. 13). 
Der Hohepriester legte seine Hand auf das Opfer und bekannte die Sünden des Volkes. So sind auch alle unsere Sünden auf den Kopf unseres Opfers bekannt worden, und die Sühnung dafür ist geschehen. Christus trug an Seinem eigenen Leibe alle die Sünden, welche die Kinder Gottes oft noch beunruhigen. Wenn noch eine einzige meiner Sünden nicht bekannt und getragen wäre, so würde sie im Gericht offenbar werden; aber Gott hat sie alle bis ins Einzelnste im Voraus gesehen, und deshalb ist das Blut Christi vergossen worden (Vergl. 3. Mose 6, 19). 
Der Priester aß das für die Sünde geopferte Tier, und zwar an heiligem Orte. Christus hat sieh mit jeder einzelnen unserer Sünden beladen, und wenn wir diese Last, die auf Ihm lag, anschauen, so fühlen wir ein wenig besser die Wirkung der Sünde. Er konnte nichts für uns tun, ohne diese Last, das Gericht der Sünde an unserer Statt, zu tragen. Er trug nicht nur unsere Leiden und Krankheiten in Seinem Leben des Dienstes, sondern auch unsere Ungerechtigkeiten und Übertretungen in Seinem Tode. Infolge dessen würde Gott jetzt nicht gerecht sein Christo gegenüber (etwas ganz Unmögliches irgend jemand gegenüber), wenn Er nicht die Sünde aller Glaubenden vergäbe. Er ist treu und gerecht, uns unsere Sünden zu vergeben. Es ist nur Gottes Gerechtigkeit im Blick auf Christum und Sein Werk auf dem Kreuze, wenn Er allen vergibt, die sich in Christo Namen zu Ihm wenden. Es ist ja zugleich auch unumschränkte, überwältigende Gnade, — denn was hätten wir verdient! — aber es ist eine Gnade, die durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben herrscht durch Jesum Christum, unseren Herrn.
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Befreiung

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 277ff
(Aus einem Briefe.) Ihre Erfahrung hat nichts Erstaunliches, denn Sie haben die Neigung, sich mit sich selbst zu beschäftigen, und Ihr Gewissen ist dabei wirklich in Tätigkeit. Nachdem, was Sie mir sagen scheinen Sie nicht tief bearbeitet worden zu sein, als Sie zum Glauben kamen. In einem solchen Falle muss man seine Erfahrungen nachher machen. Ich persönlich bin bis auf den Grund meiner Seele bearbeitet worden, ehe ich eine Spur von Frieden besaß, und erst sechs oder sieben Jahre später bin ich befreit worden. Doch wenn man die Erfahrung von dem, was man ist, nicht vorher gemacht hat, (und das geschieht sehr oft,) so muss man nachher auf sich selbst zurückkommen; und wenn man dann noch nachlässig im Wandel gewesen ist, so benutzt Satan dies, um alles in Zweifel zu ziehen. Unter seinem Einfluss fragt man sich, ob man sich nicht vielleicht getäuscht habe; oder er flößt die Meinung ein, man habe die Sünde wider den Heiligen Geist begangen — eine sehr gewöhnliche Erscheinung, obwohl dieser Gedanke in dem Worte Gottes gar nicht enthalten ist. 
Was man in solchen Fällen stets findet, ist die Neigung, den Zustand der Seele mit der Frage der Annahme bei Gott in Verbindung zu bringen. Doch wer dieses tut, ist unter dem Gesetz, und wer unter dem Gesetz ist, hält sich noch nicht für verloren. Man kann das Verlorensein wohl als eine Wahrheit und im Blick auf seine Schuldbarkeit annehmen, aber schuldig sein heißt die Verdammnis verdient haben; infolge dessen fürchtet man die Verdammnis, aber das ist etwas anderes, als sich für gänzlich verloren zu halten. 

Wenn man seinen Zustand mit der Frage der Annahme in Verbindung bringt, so meint man, dass eine Verbesserung dieses Zustandes die Schwierigkeit heben würde. Das Gesetz setzt immer die Möglichkeit eines Zustandes voraus, der Frieden geben könnte, eines Zustandes der Zahlungsfähigkeit. Aber einen solchen Zustand gibt es nicht. Sobald man sich wirklich als verloren erkannt hat, ist die Frage entschieden. Doch es dauert oft lang,  bis man dahin gelangt; denn wenn man nicht in der Gegenwart Gottes ist, kommt man nicht aufrichtig und wirklich zu dem Bewusstsein seines Zustandes, und doch ist das nötig, um einen dauerhaften Frieden zu finden. Denn kein gegenwärtiger noch irgend ein erhoffter Zustand ist die Gerechtigkeit Gottes. 
Wenn einmal dieses Werk in der Seele vollendet  ist, so hört man auf, sich selbst zu betrachten, ich meine nicht, zu dem Zweck, Gottesfurcht zu pflegen und in der Gemeinschaft Gottes zu wandeln, sondern um die Frage zu entscheiden, ob man wirklich in der Gunst Gottes steht. Wir sind angenehm in dem Geliebten; wir sind Gottes Gerechtigkeit in Ihm. Er erscheint für uns in der Gegenwart Gottes. Wir haben das Bewusstsein unseres Verhältnisses zu Ihm; wir rufen ,,Abba, Vater!« in demselben Verhältnis wie Christus zu Gott, in derselben göttlichen Gunst. Wir suchen uns nahe bei Gott, unserem Vater, zu halten; wir begehren, den Heiligen Geist nicht zu betrüben, Christo zu gefallen, Ihn nicht zu verunehren, aber das alles in dem Verhältnis und in der Gunst, in welcher wir als Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte stehen. 
Die Gefühle stimmen mit dem Verhältnis überein, nicht unser Urteil über das Verhältnis mit den Gefühlen. Dies ist gut für das Gesetz; es sagt: „Du sollst lieben“, und nicht: „Also hat Gott geliebt“. Wir sind vollendet in der Liebe, indem wir in Ihm bleiben, und wir lieben (nicht wir sollen lieben), weil Er uns zuerst geliebt hat. 

Die Liebe zu einem Höheren besteht in einem tiefen Gefühl seiner Liebe, welches das Herz an ihn fesselt und uns erkennen lässt, wie wenig wir ihn so lieben, wie wir ihn lieben sollten. Man nährt sich von Christo; man verurteilt sich in allem, was Ihm nicht gefällt; aber man tut das, weil man Ihm angehört, sich Ihm schuldig fühlt und sich Ihm allein schuldig fühlen möchte. Abgesehen von diesem Selbstgericht und der immer nötigen Wachsamkeit, denkt man an Ihn, nicht an sich. Man kann das was schlecht ist beseitigen, indem man sich verurteilt; man macht Fortschritte, indem man an Ihn denkt; man hat das Bewusstsein, dass nichts uns von Ihm, von der Liebe Gottes in Ihm, scheiden kann. 
Ich mache die berechtigte und heilige Schlussfolgerung (Röm. 5), dass ich, da ich versöhnt bin, durch Sein Leben gerettet werde; ja, mehr noch, wir „rühmen uns Gottes“. Wenn ich aber sage: Gott ist für mich, so wird mich nichts scheiden von Seiner Liebe, die in Christo völlig geofffenbart ist. Das ist mein Platz. Welch ein Glück! Und diese gegenwärtige Freude wird auch unsere ewige Freude sein. 
Man wende nur allen Fleiß, alle Wachsamkeit an, man wache und bete, um nicht durch den Feind betrogen zu werden. Das ist nötig, ja, man bedarf dessen umso mehr, wenn man sich Von Gott entfernt hat; nur so kann man wieder in den Genuss Seiner Liebe gelangen. Wenn ich aber mit mir selbst zu Ende gekommen bin und erkannt habe, dass in mir nichts Gutes ist, so suche ich es da nicht mehr. Wenn ich dahin gelangt bin, so weiß ich durch das Kreuz Christi, dass ich mit der Sünde im Fleische ein Ende gemacht habe, denn dort bin ich gänzlich verurteilt und gerichtet worden. Ich denke jetzt an die Liebe und an Gott, anstatt an mich selbst; ich nähre mich von dem Brot, welches aus dem Himmel herniedergekommen ist; ich widme mich Christo; ich fühle, dass Er kostbar, ja, dass Er für meine Seele alles ist. Noch einmal denn: Was mich beschäftigt ist das, was in Ihm ist, nicht das, was in mir ist. Das allein hat Wert. 
Friede Ihnen, lieber Bruder! Suchen Sie fleißig Sein Angesicht, aber beginnen Sie mit Vertrauen zu Ihm. Er ist dessen würdig. Er ist ein solcher Herr, dass man, selbst wenn man die große Sünderin wäre, dieses Vertrauen zu Ihm haben könnte. J. N. D.
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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 281ff

KAPITEL 14: Jerobeam und der Prophet Achija

„Zu selbiger Zeit erkrankte Abija, der Sohn Jerobeams . Das war ein überaus empfindlicher Schlag und eine Ursache zu großer Besorgnis für den König. Wenn dieser Lieblingssohn, sein Nachfolger, starb, was sollte dann aus dem Königtum werden, dessen Besitz, er mit so viel Geschicklichkeit sich zu sichern geglaubt hatte: Jerobeam war, was die Menschen einen großen Staatsmann nennen. Er hatte ohne Zweifel noch andere Söhne; aber dieser, der Erbe, genoss die Gunst Gottes und des Volkes. So kommt die Torheit der menschlichen Berechnungen, die ohne Gott gemacht werden, ans Licht. Jehova hatte Jerobeam das Reich zugesichert; doch dieser hatte vorgezogen, es sich selbst zu sichern, indem er Jehova verließ. Er musste die Probe darauf machen, ob sein Weg der Weg der Weisheit war. Mit dem Tode hatte er nicht gerechnet; seine Pläne hatten das Einzige außer Acht gelassen, dem der Mensch niemals entrinnen kann, und so waren sie jetzt nahe daran zunichte zu werden.
Was war da zu tun? Jerobeam erinnert sich des Propheten, der über ihn geredet hatte, dass er König über dieses Volk sein würde". Das war ein Kundiger; „er wird dir kundtun", sagt er zu seinem Weibe, „was dem Knaben geschehen wird". Jerobeam erkennt die Fähigkeit des Mannes Gottes an und meint, dass er ihm zu Hilfe kommen könne. Ein Ding fehlt ihm, welches immer der unbekehrten Seele fehlt: das Gefühl nämlich, es mit Gott zu tun zu haben; es kommt ihm nicht in den Sinn, dass er sich in Gottes Gegenwart befinden würde. Wie hätte er anders seine Frau dazu verleiten können, sich zu verstellen? Selbst dieser gottlose König konnte nicht annehmen, dass man sich durch eine Verkleidung vor Gott verbergen könne. 

Aber weil er nicht an Gott denkt, entgeht ihm auch das Band, das zwischen dem Propheten und Gott besteht. Was der Mann Gottes gesagt hatte, war in Erfüllung gegangen; es war also der Mühe wert, ihn zu befragen. Jerobeam würde fast genau so gehandelt haben, wenn er es mit einem Wahrsager zu tun gehabt hätte. Verstelle dich", sagt er, damit man nicht wisse, dass du das Weib Jerobeams bist". Er hatte in der Tat gute Gründe dafür. Was musste sein Volk sagen, wenn es ihn, den Anführer, der in allen Stücken eine neue Religion geschaffen hatte, zu den Vertretern der alten Religion, den Propheten Jehovas, zurückkehren sah, um bei diesen Hilfe und Licht zu suchen? Und weiter, hatte er nicht zu seinem Schaden erfahren, dass diese Propheten ihm nicht wohlgesinnt waren? Aber es war ja nicht möglich, dass Achija, der einst Gutes über ihn geredet hatte, ihm günstiger gestimmt war.  Auf alle Fälle verstelle dich, rät Jerobeam, und bringe ihm einige Geschenke; nicht wie es der Würde einer Königin angemessen wäre, das würde uns verraten können; aber ein Geschenk ist immer gelegen, wenn man einen Propheten befragen will! 
„Achija, der Siloniter" genannt (Kap. 11, 29; 12, 15), war in seiner Stadt im Gebiet Ephraims geblieben. Es gefiel Gott, auch in Israel einen Propheten zu haben, aber wie sehr gefiel andererseits dieser Ort dem Propheten Jehovas! In Silo war die Stiftshütte während der langen Zeit der Richter und unter dem Priestertum Elis geblieben. Man konnte sich jetzt, wo man nicht mehr zum Tempel in Jerusalem hinaufging, in Israel daran erinnern. Es verblieb wenigstens den Treuen, die gezwungen waren unter den zehn Stämmen zu wohnen, das Andenken an den Gottesdienst von ehemals, an die anfänglichen Segnungen, welche mit der Gegenwart der Stiftshütte zu Silo verknüpft waren. „Gehet hin", sagt Jehova, „nach meiner Stätte, die zu Silo war, woselbst ich zuerst meinen Namen wohnen ließ". Ein Mann des Glaubens sollte nicht vergessen, dass der Name Jehovas dort gewohnt hatte, und konnte daher auch dort wohnen. Achija hatte in Silo vielleicht nicht mehr Beschäftigung als vorher der alte Prophet in Bethel; aber er war dort von dem Götzendienst abgesondert und fähig, die Mitteilungen Gottes zu, empfangen, der einst Seinen Namen in Silo hatte wohnen lassen. Wie gut ist es, sich in den Tagen des Verfalls an die ersten Dinge zu erinnern! Man findet da immer wieder Gott; denn wenn auch Seine Wege den Zeiten entsprechend sich verändern mögen, so verändert Er Selbst Sich doch nie. An den Orten, wo Er im Anfang Seinen Namen hat wohnen lassen, kann Er Sich immer noch der gläubigen Seele offenbaren. 
Achija wohnte also in Silo und wartete. Scheinbar war alles gegen ihn; wie konnte er im Dienst noch nützlich sein? "Achija konnte nicht sehen, denn seine Augen waren starr wegen seines Alters", lesen wir; aber die müden Augen des Propheten hatten nicht, wie bei Eli, seinen geistlichen Blick getrübt. Auf diese Weise war er in unmittelbarer Verbindung mit Jehova geblieben. Gott redete zu ihm und offenbarte ihm, wer zu ihm kommen werde, und zu welchem Zweck, und dass es unter Verstellung geschehen werde (V. 5). Alles das konnte das leibliche Auge Achijas nicht unterscheiden; aber Jehova hatte ihm aus Gnaden Seinen eigenen Blick verliehen. Er hatte alles gesehen.

 Er sah in die Gegenwart und in die Zukunft. Achija weiß und sieht, weil Jehova weiß und sieht. Eine derartige Segnung kommt nur vor, wenn das Herz in Gemeinschaft mit Gott ist. O wäre sie nur immer unser Teil! Nicht unsere Schwachheiten verhindern die göttlichen Mitteilungen, bis zu uns zu gelangen; nein, unsere Weltförmigkeit und unser Unigehorsam bilden das ernste Hindernis. Gott erfreut sich an schwachen Gefäßen, wenn das Herz treu für Ihn ist; und die schwächsten (Paulus war ein öffentliches Zeugnis dafür) empfangen in dieser Welt die kostbarsten Offenbarungen. 
„Ich bin mit hartem Worte zu dir gesandt", sagt Achija zu dem Weibe Jerobeams. Da er nicht zu dem Weibe des Königs gehen kann, führt Gott sie zu ihm, Er, der alles so geordnet hatte: von der Erkrankung des Kindes bis zu den Gedanken und Entschlüssen Jerobeams, um diesen vor das Wort zu stellen, welches Jehova durch den Propheten wider ihn sandte. "Du bist nicht gewesen wie mein Knecht David, der meine Gebote beobachtet hat und mir nachgefolgt ist mit seinem ganzen Herzen, dass er nur tat was recht ist in meinen Augen" (V. 8). Hätte David so von sich selbst reden können? Nein, weder er noch irgendein Mensch. Doch Gott hatte ihn gezüchtigt wie einen Sohn, den man aufnimmt, und die Züchtigung hatte ihre Frucht hervorgebracht. Kraft des Opfers hatte Gott die Sünde Seines Knechtes hinwegtun können, um nicht mehr daran zu denken, und nur die in seinem Herzen hervorgebrachten Früchte, Sein Eigenes Werk, zu betrachten, an dem Er Sein Wohlgefallen haben konnte. Doch zu Jerobeam sagt Er: „Du hast es ärger gemacht als alle, die vor dir gewesen sind, und bist hingegangen und hast dir andere Götter und gegossene Bilder gemacht, um mich zu reizen, und hast mich hinter deinen Rücken geworfen"(V.9). Jerobeam hatte auf Gott verzichtet, hatte Ihn verachtet wie einen nutzlosen Gegenstand. Ist es heute anders? Der Mensch verzichtet auf Gott wie auf etwas, womit man nicht mehr zu rechnen braucht; er verbannt Ihn aus seinem Leben, wirft Ihn hinter seinen Rücken, um Ihn nicht weiter zu sehen. Vor sich hat er die Verfolgung seiner Pläne, seines Ehrgeizes und seines Wohlseins; was er hinter sich hat, daran denkt er nicht. Doch es kommt ein Augenblick, wo er, wie Jerobeam, sich umwenden und Auge in Auge dem Gott begegnen muss, den er für nichts geachtet hat. Dann hört er das schreckliche Wort: „Ich werde hinter dem Hause Jerobeams her ausfegen, wie man den Kot ausfegt, bis es mit ihm aus ist" (V. 10). Gott wird ihn den Hunden und den Vögeln des Himmels hinwerfen. Das ist ein Wort für die Zukunft; und für die Gegenwart steht der Tod auf der Schwelle: „Wenn deine Füße in die Stadt eintreten, wird das Kind sterben". 
Es wird sterben! Welch ein Gericht über Jerobeam, welche Gnade für das Kind! Es war von Jehova auserwählt. „An ihm allein ist etwas Gutes gegen Jehova gefunden worden im Hause Jerobeams". Die Augen und das Herz Gottes ruhten auf diesem schwachen Sprössling eines dem Untergang geweihten Geschlechts. So hatte Gott auch hier einen Überrest nach Wahl der Gnade. Das Reich der Himmel gehörte diesem jungen Knaben.

 Er konnte nicht in Israel bleiben; Gott wollte ihn von dem Schauplatz des Gerichts wegnehmen, um ihn bei Sich zu haben. Er war ein Gerechter. „Der Gerechte kommt um, und niemand nimmt es zu Herzen, und die Frommen werden hinweggerafft, ohne dass jemand es beachtet, dass der Gerechte vor dem Unglück hinweggerafft wird. Er geht ein zum Frieden" (Jes. 57, 1. 2). So wurden die Gerechten, die Zeitgenossen Noahs, weggenommen kurz vor dem Hereinbrechen der Flut; so wird es auch mit den Heiligen geschehen an dem nahen Tage der Ankunft des Herrn: "Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, welche auf der Erde wohnen" (Offbg. 3, 10). "Und was? ... Sogar jetzt!" Ja, das Gericht ist vor der Tür; es wird kein Verzug mehr sein. O wenn doch die Gewissen der Menschen erreicht werden könnten, ehe es zu spät ist! . . . "Sogar jetzt!" Wie erinnert dies an das Wort in Offbg. 22: "Die Zeit ist nahe. Wer unrecht tut, tue noch unrecht, und wer unrein ist, verunreinige sich noch usw." 
Aber neben Jerobeam sollte auch das Volk gerichtet werden (V. 15 und 16); nicht nur weil sein König es verleitet, sondern weil es selbst gesündigt hatte. Sie haben ihre Ascherim gemacht, indem sie Jehova reizten". Es musste gerichtet werden nach dem in Röm. 5, 12 ausgesprochenen Grundsatz: „Gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen, und durch die Sünde der Tod, und also der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben".
Von diesem Augenblick an ist die Geschichte Jerobeams zu Ende. Die Geschichtsschreiber der Könige von Israel haben sie wohl verzeichnen können, aber Gott übergeht sie mit Stillschweigen. Wenn Er im 2.Buche der Chronika etwas davon erwähnt, so geschieht es im Blick auf den Charakter Abijams, des Nachfolgers Rehabeams.*27) Nadab, der Sohn Jerobeams, wird der Nachfolger seines Vaters. 
In den Versen 21-31 wird mit einigen Worten der Geschichte Rehabeams, des Königs von Juda, gedacht. Es scheint nicht, dass er selbst den Götzendienst in seinem Lande eingeführt habe. Es war vielmehr das Tun des Volkes; aber indem Rehabeam das Böse in seinem Lande aufkommen ließ, war er ebenso schuldig wie Juda, weil er für dessen Verhalten verantwortlich war (Vergl. 2. Chron. 12, 1. 2. 14). Zweimal (in V. 21 und 31) wird gesagt: „Seine Mutter war Naama, die Ammonitin". Wie hätte diese Tatsache ohne Einfluss auf die Sünde Judas bleiben können, da doch Salomo dem Moloch, dem Gräuel der Kinder Ammon, Höhenhäuser errichtet hatte wegen dieses Weibes oder ihrer Landsmänninnen, wenn es solche unter den Weibern des Königs gab? Der Götzendienst hält gleichen Schritt mit dem schrecklichsten Verderben (V. 24; Röm. 1), und solche Dinge geschehen in der Mitte des Volkes Gottes! Gott hatte „die Städte der Ebene" zerstört und vor Seinem Volke diese Nationen vertrieben, deren Missetaten den Gipfelpunkt erreicht hatten. Was muss Er mit Juda tun? 
Sisak, der König von Ägypten, zieht wider Jerusalem hierauf (V. 25-28). Der ganze Wohlstand Salomos, die Schätze des Tempels, die Reichtümer des Hauses des Königs, die goldenen Schilde seiner Leibgarde, alles wird weggebracht, und das so bald! In weniger als siebzehn Jahren ist das Reich des Sohnes Davids zertrümmert, seine ganze Herrlichkeit zu Boden geworfen, mit Füßen getreten! Das Gold ist verschwunden, nur das Erz ist geblieben (V. 27).  Abijam, der Sohn Rehabeams, wird König an seines Vaters Statt. 

KAPITEL 15: Nadab und Baesa, Könige von Israel Abijam und Asa, Könige von Juda

Abijam oder Abija (2. Chron. 13), der Sohn Rehabeams, beginnt über Juda zu regieren im achtzehnten Jahre Jerobeams, des Königs von Israel. Seine Mutter war Maaka, die Tochter Absaloms. Die Mutter Absaloms hieß auch Maaka (2. Sam. 3,3). Es ist natürlich, dass dieser Name sich in der Familie fortpflanzte. Diese Maaka, die Mutter Abijams, muss wohl die Enkelin Absaloms gewesen sein (Vergl. auch 2. Chron. 13, 2). In Vers 10 wird sie der jüdischen Gewohnheit nach die Mutter Asas, des Sohnes Abijams, genannt, obgleich sie seine Großmutter war. Diese Frau war ein würdiges Seitenstück zu Naama, der Mutter Rehabeams, eine Ammonitin. Wir werden im Laufe dieser Bücher sehen, welch großen Einfluss der Charakter und die Herkunft der Mutter auf ihre Kinder haben. Eine gottesfürchtige Mutter sieht ihre Söhne um sich her gedeihen. Der Apostel Paulus erinnert Timotheus an seine gesegneten Vorfahren, an den "ungeheuchelten Glauben ... , der zuerst wohnte in deiner Großmutter Lois und deiner Mutter Eunike, ich bin aber überzeugt, auch in dir" (2. Tim. 1, 5). Die Kinder der "auserwählten Frau" wandelten in der Wahrheit (2. Joh. 4). Wir werden bei der Betrachtung der Bücher der Könige und der Chronika auf andere ähnliche Tatsachen stoßen. 
Hier finden wir das Entgegengesetzte. Eine gottlose oder weltliche Mutter ist für die sittliche Entwicklung ihrer Kinder umso gefährlicher, weil nach der göttlichen Ordnung ihr naturgemäß die Verantwortlichkeit obliegt, die Jugend ihrer Kinder zu leiten. Daher wandelte Abijam während seiner dreijährigen Regierung in allen Sünden seines Vaters. "Dennoch gab ihm Jehova, sein Gott, um Davids willen eine Leuchte in Jerusalem, indem er seinen Sohn nach ihm erweckte und Jerusalem be­stehen ließ". Gott gedenkt an David und an seinen Gehorsam, selbst damals als er in der Sache des Urija den geraden Weg verlassen, seine wiederhergestellte Seele aber nach der bitteren Züchtigung, welche dieser Fall nötig machte, die Gemeinschaft mit Gott wiedergefunden hatte. 

Jehova vergaß dies nicht, und so sehen wir, wie um Davids willen der Sohn und Nachfolger Abijams, Asa, als ein wahrer Zeuge Gottes in Juda erweckt wird. Es war die Gnade Gottes, die dies tun konnte, nicht das Verdienst des Menschen, und das zeigt sich umso mehr, da Asa unter demselben weiblichen Einfluss stand wie sein Vater. Seine Großmutter Maaka sucht unter seiner Regierung die Ausübung des Götzendienstes zu begünstigen; doch der Glaube Asas bekämpft und missbilligt diesen Einfluss und beseitigt ihn, damit die Rechte Jehovas in Juda anerkannt würden. Maaka nahm die Stellung der Königin, vielleicht der Regentin=Mutter, am Hofe Asas ein. Das hindert ihren Enkel aber nicht, sie ihrer Würde und ihres Ansehens zu entkleiden, weil sie angesichts seines Eifers, den Götzendienst zu beseitigen, den Versuch gewagt hatte, diesen in seiner verderbtesten Gestalt wiederherzustellen. 
Die Regierungszeit Asas war lang und besonders gesegnet; sie währte einundvierzig Jahre und überschritt somit diejenige Davids und Salomos. Das 2. Buch der Chronika erzählt uns im Einzelnen die ganze von ihm bewiesene Treue. Das Wort betrachtet ihn hier mehr im Blick auf seine Verantwortlichkeit. Das Ende seiner Regierung wird durch einen sehr tadelnswerten Mangel an Glauben gekennzeichnet. Baesa, der König von Israel, zieht wider Juda herauf und fängt an Rama zu bauen, in der Absicht, Asa in seinem Reiche einzuschließen, so dass er nicht herauskommen könne. Um diesem Plan entgegenzutreten, stützt sich Asa auf Ben-Hadad, den König von Syrien, sendet ihm Geschenke, sucht einen Bund mit ihm und bedient sich seiner, um Baesa zu entfernen. Scheinbar gelingt dieser Plan: der König von Israel zieht von Rama ab, dessen Steine und Holz weggeschafft werden. Aber welche Untreue bei diesem frommen König, der Serach, den Kuschiter, und sein Heer von tausendmal tausend Mann besiegt hatte (2. Chron. 14, 9), dass er seine Sache nicht Jehova anheimstellte! Der Bund mit der Welt verschafft uns zuerst Vorteile, aber hernach müssen wir die bitteren Früchte davon kosten. Das Verhalten Asas wird hier nicht, wie im 2. Buche der Chronika, streng verurteilt, weil die Könige von Juda hier nicht den besonderen Gegen­stand bilden, mit welchem der Geist Gottes sich beschäftigt. Doch wie betrübend ist in dem Munde eines gottesfürchtigen Königs das Wort: „Ein Bund ist zwischen mir und dir, zwischen meinem Vater und deinem Vater"! Abijam hatte „in allen Sünden seines Vaters" gewandelt, und siehe da, Asa macht sich eins mit ihm! Sein Vater hatte sich mit den Feinden des Volkes Gottes verbündet; Asa erkennt diesen Bund an und erneuert ihn! 
„Zur Zeit seines Alters erkrankte er an seinen Füßen". Auch bei dieser Gelegenheit zeigte Asa seinen Mangel an Gottvertrauen: „Auch in seiner Krankheit suchte er nicht Jehova, sondern die Ärzte (2. Chron. 16, 12). Eine nicht gerichtete Handlung der Unabhängigkeit (vergl. 2. Chron. 16, 9. 10) zieht notwendigerweise eine andere nach sich; zugleich kommt das Gericht Gottes über die, die ein Zeugnis für Ihn sein sollten, es aber vorziehen, den Bund, die Stütze und die Hilfsmittel der Welt zu suchen. 
„Asa legte sich zu seinen Vätern", ein Wort, das auch von Jerobeam, Rehabeam und vielen anderen gesagt wird. Das kann wohl eine besondere Gunst sein; denn von gewissen gottlosen Königen oder deren Nachkommenschaft wird das Gegenteil gesagt (vergl. Kap. 14, 11); doch diese Gunst ist keineswegs ein Zeugnis dafür, dass Gott Wohlgefallen an den Betreffenden gehabt habe, oder dass sie jenseits des Grabes das Glück gefunden hätten, nach welchem ihr Herz in dieser Welt vergebens begehrte. Es ist hienieden überall so. 

Die Söhne werden bei ihren Vätern beerdigt; sie sterben, wenn man sich so ausdrücken darf, eines regelrechten Todes, ohne dass man daraus einen tröstlichen Schluss für ihre ewige Zukunft ziehen könnte. 
Um nicht die Erzählung der Ereignisse unter der Regierung Asas zu unterbrechen, wird der Angriff Baesas im 17. Verse mitgeteilt, obgleich er zu einer viel späteren Zeit stattfand. Das Wort greift jetzt, im Vers 25, wieder zurück und berichtet uns von Nadab, dem Sohne Jerobeams, der im zweiten Jahre Asas König über Israel wurde. Seine Regierung währte nur zwei Jahre; aber dieser kurze Zeitraum genügte, um seine Bosheit zu offenbaren. Das Wort Jehovas gegen Jerobeam bezüglich seines Sohnes und seiner ganzen Familie geht jetzt in Erfüllung (Vergl. Kap. 14, 14). Baesa macht eine Verschwörung wider Nadab, erschlägt ihn zu Gibbethon und wird König an seiner Statt im dritten Jahre Asas, des Königs von Juda. "Und es geschah, sobald er König geworden war, erschlug er das ganze Haus Jerobeams; er ließ von Jerobeam nichts übrig was Odem hatte, bis er ihn vertilgt hatte, nach dem Worte Jehovas, das er durch seinen Knecht Achija, den Siloniter, geredet hatte: wegen der Sünden Jerobeams, die er begangen, und wodurch er Israel sündigen gemacht, durch seine Reizung, wodurch er Jehova, den Gott Israels, gereizt hatte". Baesa regierte vierundzwanzig Jahre und tat was böse war in den Augen Jehovas. 
Diese ganze Geschichte voller Kriege und Gräuel folgte auf das Friedensreich Salomos, welches so schnell sein Ende fand wegen der Untreue des Königs und seines Volkes. „Es war Krieg zwischen Rehabeam und Jerobeam alle Tage seines Lebens" (V. 6). „Es war Krieg zwischen Asa und Baesa, dem König von Israel, alle ihre Tage" (V. 16). In Vers 32 wird dann noch einmal dasselbe gesagt. Es ist eins der hauptsächlichsten Anzeichen des beginnenden Niedergangs. Krieg, ein erbitterter Krieg, wird erklärt zwischen Leuten, die aus demselben Geschlecht hervorgegangen waren. Ursprünglich wollte Rehabeam ihn beginnen; aber, von Gott gewarnt, war er davon abgestanden. Die Könige von Israel waren daher die Urheber des Krieges. Sie fühlten, dass ihre Stellung durch das Fortbestehen des Zeugnisses Gottes in Juda gefährdet war. Ein Volk, welches den wahren Gott gekannt hat und dann dem Götzendienst anheimgefallen ist, kann Ihn nicht so nahe bei sich ertragen, Es hasst Ihn und erklärt Ihm einen erbitterten Krieg.
Fußnoten:
*27) Wir vergleichen absichtlich nicht die Schilderung im 2. Buche der Chronika mit der hier vorliegenden. Es ist besser, die Tatsachen gerade an der Stelle reden zu lassen, wo Gott sie niederschreibt. Würde man anders handeln, so käme man in Gefahr, Grundsätze zu vermengen, die unterschieden bleiben sollen, und einen Teil des Segens zu verlieren, den Gott mit jedem Buche Seines Wortes verknüpft hat. So werden wir uns, mit Ausnahme der bereits berührten Einzelheiten, enthalten, hier das zu besprechen, was Gott uns nicht in den Büchern der Könige gegeben hat.

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Seid nicht gleichförmig dieser Welt

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 294ff
Als die Kinder Israel unter dem Druck ihres schweren Dienstes in Ägypten seufzten, stieg ihr Geschrei hinauf zu Gott; und Er gedachte Seines Bandes mit Abraham, Isaak und Jakob und nahm Kenntnis von ihnen. So wird uns in 2. Mose 2, 23 — 25 berichtet. Gleich danach hören wir, dass Jehova dem Mose in einem Dornbusch am Berge Horeb erschien, als dieser die Herde Jethros, seines Schwiegervaters, daselbst weidete. Und Jehova sprach zu Mose: „Gesehen habe ich das Elend meines Volkes, das in Ägypten ist, und sein Geschrei wegen seiner Treiber habe ich gehört; denn ich kenne seine Schmerzen. Und ich bin herabgekommen, um es aus der Hand der Ägypter zu erretten und es aus diesem Lande hinaufzuführen in ein gutes und geräumiges Land, in ein Land, das von Milch und Honig fließt“ (Kap. 3, 7. 8). Zugleich erhält Mose den Auftrag, zu dem Pharao zu gehen, um ihm den Beschluss Jehovas, „des Gottes der Hebräer“, kundzutun und den Auszug des Volkes zu fordern.
Aber der Pharao achtete nicht auf den Befehl Jehovas und weigerte sich, das Volk ziehen zu lassen. Der gewaltige Herrscher von Ägyptenland fragte stolz und vermessen: „Wer ist Jehova, auf dessen Stimme ich hören soll, Israel ziehen zu lassen? Ich kenne Jehova nicht.“ Er war einer der mächtigsten Fürsten jener Tage und ein gefügiges Werkzeug in der Hand Satans, dabei ein bitterer Feind des Volkes Gottes. Aber was konnte er tun, um den Vorsatz des Allmächtigen zu verhindern? Gott gegenüber war er ein armes, ohnmächtiges Geschöpf. Gottes Hand legte sich schwer auf ihn, und nach vielen ernsten Heimsuchungen, welche Jehova über sein Haus und Land kommen ließ, musste er sich bereit erklären, das Volk ziehen zu lassen, ja, er fand selbst, mit seiner ganzen Heeresmacht, ein unrühmliches Ende in den Fluten des Roten Meeres. *)  
Der Einwände, welche der Pharao gegen den Auszug des Volkes Gottes erhob, waren vornehmlich drei; sie sind heute noch für die Gläubigen lehrreich und beachtenswert. Alles was zuvor geschrieben wurde, ist ja zu unserer Belehrung geschrieben (Röm. 15, 4). Dazu gehört auch die vorliegende Stelle. Lasst uns denn versuchen, einige Belehrungen für uns aus ihr zu ziehen! 
Auch wir waren einst geknechtet unter eine schreckliche Macht, schrecklicher und finsterer als die des Pharao: unter die Macht Satans, des Fürsten dieser Welt. Durch den Tod unseres geliebten Herrn sind wir nun zwar dieser Macht für ewig entrissen und ein Eigentum unseres Herrn geworden, indem Er „durch den Tod den zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren« (vergl. Hebr. 2, 14. 15); sicher ist auch diese Befreiung eine vollkommene, weil sie auf das Werk Christi für uns und auf Seinen vollkommenen Sieg über Tod und Teufel gegründet ist. Dennoch aber bedürfen wir, um diese Befreiung, so wie sie für uns geschehen ist, zu genießen, der Verwirklichung derselben durch den Glauben in Herz und Wandel; Satan vermag uns nicht mehr — dem Herrn sei Dank dafür! — ins ewige Verderben zu stürzen; aber er kann uns zeitlich verderben und uns verleiten, ihm Gehör zu geben, so dass der Name unseres Herrn durch uns verunehrt wird. Und er wird es tun, wenn wir nicht wachsam sind und ihm standhaft im Glauben widerstehen. 
Wenn uns von seiten der Menschen ein Unrecht geschieht, so geziemt es sich für uns als Nachfolger des Herrn, nicht zu widerstehen, nie unser Recht zu suchen. Der Herr selbst hat dies nie getan, wenngleich Er die Macht dazu gehabt hätte; und Er hat uns ein Beispiel hinterlassen, auf dass wir Seinen Fußstapfen nachfoIgen (Siehe 1. Petr. 2, 21 — 23). Sucht der Feind uns aber anzugreifen und auf irgend eine Weise zu hindern, die gesegneten Vorrechte, welche der Herr uns erworben hat, zu verwirklichen und Ihm zu dienen, so sollen wir ihm mit aller Entschiedenheit widerstehen; wie geschrieben ist: „Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch fliehen“ (Jak. 4, 7). Besonders beachtenswert ist hierbei, dass wir es gegenwärtig mehr mit seiner List als mit seiner Macht zu tun haben; gerade so wie in den genannten Einwänden des Pharao nicht so sehr die Macht als vielmehr die List des Fürsten dieser Welt zu Tage trat. Um nun wider die Listen des Feindes bestehen zu können, bedürfen wir der ganzen Waffenrüstung Gottes, sowie des steten Wachens und Anhaltens am Gebet: „zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geiste“ (Lies Eph. 6, 10 — 20). Ruhepausen gibt es in diesem Kampfe nicht. Der Herr schenke uns denn Gnade, um allezeit stark zu sein in Ihm und in der Macht Seiner Stärke! 
Der erste Einwand, welchen der Pharao dem Auszug des Volkes entgegensetzte, gab sich in den Worten kund: „Gehet hin und opfert eurem Gott in dem Lande“ (Kap. 8, 25). Vernimmst du das Zischen der Schlange, mein lieber Leser? In dem Lande! Opfern möget ihr, wenn es denn nicht anders ist, aber in dem Lande; und sollte selbst das nicht gehen, so entfernet euch nicht so weit (V. 28)!  Aber Mose, der Vertreter des Volkes, antwortete: „Es geziemt sich nicht, also zu tun; denn wir würden Jehova, unserem Gott, der Ägypter Gräuel opfern. . . . Drei Tagereisen weit wollen wir in die Wüste ziehen und Jehova, unserem Gott, opfern, so wie Er zu uns geredet hat“ (V. 26. 27). Nur ein völliges Getrenntsein von Ägypten konnte den Gedanken Jehovas betreffs Seines Volkes entsprechen; und ein völliges Getrenntsein von der Welt, (von welcher Ägypten für uns ein Vorbild ist), sowohl in religiöser als auch in sittlicher Hinsicht, ist heute die ernste Pflicht und das gesegnete Vorrecht des Gläubigen.
Wir befinden uns freilich dem Leibe nach noch in der Welt, und insofern ist ein Unterschied zwischen uns und den Kindern Israel. Dies entspricht auch dem Gebet des Herrn in Joh. 17: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin“. Während Israel Ägypten verließ, sind wir noch in der Welt; aber obwohl in der Welt, sind wir doch nicht von der Welt. Doch ach! wie viele geliebte Kinder Gottes beachten das nicht! Sie bleiben, wenn wir zunächst an die religiösen Systeme der Welt denken, mit denselben in Verbindung und suchen ihr Verhalten durch mancherlei Gründe zu rechtfertigen. 

Freilich finden diese Gründe im Worte Gottes keine Grundlage. Die Schrift spricht in dieser Beziehung so klar, dass jeder, der den Willen des Herrn tun will, nicht in Unkenntnis und Ungewissheit zu sein braucht. Die Gläubigen sind der Tempel des lebendigen Gottes, und jede Verbindung mit Ungläubigen, mit Kindern der Welt, ist deshalb vom Übel. Im Blick auf sie heißt es: „Darum gehet aus ihrer Mitte und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen, und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“. Und wenn der Apostel in 2. Tim. 2 die Kirche in ihrem Verfall sieht als das große Haus, in welchem Gefäße zur Ehre und solche zur Unehre sich befinden, ermahnt er wiederum zur Absonderung: „Wenn sich nun jemand von diesen -— den Gefäßen zur Unehre — reinigt (eig. wegreinigt, d. h. sich reinigt, indem er sich von ihnen absondert), so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet“. 
 Der Herr redet also klar und deutlich genug; aber trotzdem bleiben viele geliebte Kinder Gottes in unseren Tagen in religiöser Beziehung in Verbindung mit solchen, welche wohl „eine Form der Gottseligkeit“ haben, ihre Kraft aber verleugnen. Viele bleiben auch in Verbindung mit solchen, die böse Irrlehren haben, welche dem Worte Gottes widerstreiten, den Namen des Herrn verunehren und die Lehre Verlästern. Möchte der treue Herr allen Gnade und Kraft geben, das Wort Gottes allein zu ihren Herzen und Gewissen reden zu lassen und sich zu trennen von den „Gefäßen zur Unehre“, um so ein nützliches Gefäß zur Ehre des Herrn zu sein! 
Doch so wie in religiöser Beziehung uns Absonderung gebührt, so geziemt es sich auch für uns, in sittlicher Hinsicht völlig getrennt von den Grundsätzen dieser Welt zu wandeln.

 Der Tod unseres Herrn hat uns von der Welt auf immer getrennt; wir sind mit Ihm gestorben, der Welt gekreuzigt· Das Fleisch, welches nur die Gesinnung der Welt zu offenbaren vermag, ist auf dem Kreuze gerichtet worden, und wir werden ermahnt, „nicht Vorsorge zu treiben für das Fleisch zur Erfüllung seiner Lüste“. Ferner wird uns gesagt: „Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt“ (Röm. 13, 14; 1. Joh. 2, 15. 16). 
 Man kann nicht beides zusammen genießen: die Liebe des Vaters und die Dinge der Welt. Mancher Christ scheint eine Verbindung für möglich zu halten; aber sie ist ganz und gar ausgeschlossen. „Wisset ihr nicht“, ruft Jakobus mit feierlichem Ernst, „dass die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, stellt sich als Feind Gottes dar“. O welch ein unermesslicher Verlust ist es, wenn jemand beginnt, die sichtbaren, vergänglichen Dinge dieser Welt dem Genuss der Liebe des Vaters vorzuziehen! Die Gefahr ist groß in dieser Beziehung, geliebter Leser, wohl größer denn je! Es zeigt sich viel Weltsinn, Eigenliebe und fleischliche Bequemlichkeit in unserer Mitte. Der Herr wolle Augensalbe geben, Gewissen aufwecken und Herzen in Seine Gemeinschaft zurückführen, damit wir alle, abgesondert von dem Geiste dieses Zeitlaufs, „drei Tagereisen weit“ von dem „Lande“ getrennt, „Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht“! „Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ (Hebr. 12, 28. 29). 
Wenden wir uns jetzt zu dem zweiten Einwurf, welchen der Pharao dem Auszug des Volkes Gottes entgegenstellte. Nach weiteren schweren Plagen, die Jehova über ihn kommen ließ, erklärte er sich endlich bereit, das Volk ziehen zu lassen; aber er machte eine Bedingung: die Kinder sollten zurückbleiben. Er sagt: „Jehova sei so mit euch, wie ich euch und eure Kinder ziehen lasse! ... Ziehet doch hin, ihr Männer, und dienet Jehova; denn das ist es, was ihr begehrt habt“ (Kap. 10, 10. 11).

 Zeigte sich schon in dem ersten Einwand die List des Feindes, in diesem zweiten noch mehr. Der Pharao wusste sehr gut, dass, wenn es ihm gelang, die Kinder zurückzuhalten, die Eltern auch bald wieder in seiner Gewalt sein würden. Wie beachtenswert ist dies in der gegenwärtigen Zeit für gläubige Eltern! Der Feind hat sich in seiner Gesinnung und Kampfweise nicht verändert. Er setzt auch heute noch alle Hebel in Bewegung, um die Kinder der Gläubigen in der Welt zurückzuhalten. Sind die Eltern seiner Macht entronnen, so will er doch die Kinder nicht fahren lassen, wohl wissend, dass er durch sie wiederum einen unheilvollen Einfluss auf die Eltern ausüben kann. 
Allein was ist der Wille des Herrn im Blick auf die Kinder der Seinigen? Er gibt sie ihnen, damit sie sie für Ihn, in Seiner Zucht und Ermahnung, erziehen. Grundsätzlich verstand schon Josua, der treue Knecht seines Herrn, diese ernste und gesegnete Wahrheit. Er sagte: „Ich aber und mein Haus, wir wollen Jehova dienen“ (Jos. 24, 15). Und ist es nicht überaus traurig, wenn heute in den Häusern von Gläubigen dieselbe weltliche Gesinnung sich zeigt, welche das Verhalten der Eltern, Kinder, Dienstboten usw.. in den Häusern der Ungläubigen kennzeichnet? Wenn in anderen die Eltern viel mehr besorgt sind für das äußere Wohl der Kinder, als für das Heil ihrer Seelen? Vielfach sucht man sich freilich mit der Einrede zu beruhigen, dass man die Kinder doch nicht bekehren könne, sondern es dem Herrn überlassen müsse, zu Seiner Zeit die rechten Bedürfnisse in ihren Herzen zu wecken. 

Dass solche Gedanken nicht dem Willen des Herrn entsprechen, werden wohl die meisten Gläubigen zugeben; dass sie aber direkt böse sind und für die eigene sträfliche Nachlässigkeit sogar eine Deckung in dem Herrn selbst suchen, haben vielleicht manche nicht bedacht. Und doch ist es so. Wie ganz anders lauten die Worte Moses! Er sagt: „Mit unseren Jungen und mit unseren Alten wollen wir ziehen, mit unseren Söhnen und mit unseren Töchtern“ (2. Mose 10, 9). Wiederum war es ein völliges Getrenntsein von den verderblichen Einflüssen Ägyptens, was Jehova betreffs der Kinder Seines Volkes forderte. Mit etwas Geringerem konnte und kann Er sich nicht zufrieden geben. ,,Du und dein ganzes Haus«, so lautet die Sprache des Heiland-Gottes, der Gedanken des Friedens hat nicht nur über Sein bluterkauftes Volk, sondern auch über alle, die mit diesem in Verbindung stehen (Apstgsch. 11, 14; vergl. auch 1. Kor. 7, 14). 
Wieder legt sich Gottes Hand schwer auf den Pharao, so dass er sich gezwungen sieht, auch die Kinder ziehen zu lassen. Dennoch hört er nicht auf, sich den Absichten Jehovas betreffs Seines Volkes zu widersetzen. Der Feind verteidigt seinen Boden zollweise, mit zähester Hartnäckigkeit. Der Pharao bemüht sich jetzt, dem Volke das vorzuenthalten, was es bedurfte, um Jehova zu dienen, bis es am Ziel seiner Reise angelangt war. „Ziehet hin, dienet Jehova“, sagt er, „nur euer Kleinvieh und eure Rinder sollen zurückbleiben“ (V. 24). Auch in diesem letzten Einwurf liegt eine wichtige Lehre für uns. Wenngleich die Gläubigen der Gegenwart keine Opfer von Tieren darbringen, wie dies bei den Kindern Israel der Fall war, so gibt es doch auch für sie Opfer, welche sie bringen können; wie geschrieben steht: „Des Wohltuns aber und Mitteilens vergesset nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen“ (Hebr. 13, 16). Der Herr hat uns das kostbare Vorrecht geschenkt, das, was Er uns an irdischen Gütern anvertraut hat, als treue Verwalter für Ihn zu benutzen und Ihm damit zu dienen. So lange wir hienieden pilgern, wird es nicht an Gelegenheit fehlen, Gutes zu tun, des Armen, der Witwe und der Waise zu gedenken und das Werk des Herrn fördern zu helfen. 

Der Herr selbst hat gesagt: „Die Armen habt ihr allezeit bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen wohltun“, und: „Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es einem der Geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan«. Möchten wir denn auch in dieser Hinsicht treu erfunden werden und uns dieses Vorrecht durch den Feind nicht rauben lassen! Als der Herr hienieden pilgerte, war Er der treue Verwalter der reichen Schätze der Gnade Gottes. Wie vieles können wir auch hierin von Ihm lernen! Wiewohl Er die Macht hatte, über diese Schätze zu verfügen, machte Er doch nie für sich selbst davon Gebrauch, sondern benutzte dieselben nur zum Wohle anderer. Und obgleich Er mit wenigen Broten und Fischen eine große Volksmenge sättigte, richtete Er doch die Gedanken Seiner Jünger, die Er als »gute Verwalter der mancherlei Gnade Gottes« benutzen wollte, auf die „übriggebliebenen Brocken“, damit nichts umkomme. Die göttliche Gabe durfte nicht gering geachtet werden. Das ist wohl zu beachten. Denen, welchen Gott Reichtum in dieser Welt gegeben hat, lässt Er durch Seinen Apostel die Ermahnung zukommen, „Gutes zu tun, reich zu sein in guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, sich selbst eine gute Grundlage sammelnd auf die Zukunft, auf dass sie das wirkliche Leben ergreifen“ (1. Tim. 6.18. 19). 
„Nicht eine Klaue darf zurückbleiben!“ so lautete die entschiedene Forderung Moses; und er kannte nicht die anbetungswürdige Liebe unseres Gottes und Vaters, wie Er sie in Seinem geliebten Sohne gegen uns geoffenbart hat“ Wie steht es in unserem Herzen, teurer Leser? Findet sich da auch eine solche Entschiedenheit im Blick auf das, was Gott uns anvertraut hat? Stehen wir mit allem, was wir sind und haben, zur Verfügung unseres hochgelobten Herrn? Oder begegnen Seine Ansprüche einem zögernden Überlegen, einem Hin- und Herschwanken, vielleicht gar einem Hinken auf beiden Seiten?
Fußnote:
*) So ist auch Satan, der große Widersacher des Volkes Gottes, nachdem er vergeblich seine ganze Macht und List aufgeboten hatte, um dasselbe in seiner Sklaverei festzuhalten, im Tode Christi seiner Macht beraubt worden und wird schließlich mit seinem ganzen Anhang in den See geworfen werden, der mit Feuer und Schwefel brennt.
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Männer von Einsicht

Bibelstelle: 1. Chronika 12

Botschafter des Heils 1907 S. 304ff
Unter den Männern, die sich zu David nach Ziklag versammelten, befanden sich Charaktere voll tiefer Belehrung. Der Mittelpunkt jener verachteten Schar, das Licht und die Schönheit jenes abgelegenen Ortes, der Verworfene jener Tage, war bekanntlich ein Vorbild unseres hochgelobten Herrn, des Verworfenen unserer Tage, deren Wahlspruch ist: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts“. Dass Christus heute ein verworfener Herr ist, mit dem die Seinigen sich eins machen sollten, das ist eine nahezu veraltete Wahrheit geworden. Selbst unter denen, welche Jesu nachfolgen wollen, wird oft wenig an diese Wahrheit gedacht. Man möchte lieber dem Herrn zur Anerkennung und Herrschaft in dieser Welt verhelfen und vergisst ganz, dass das gar nicht an der Zeit ist. 
Es ist nun interessant und gesegnet, zu sehen, wie die Gaditer und die Männer von Issaschar, von denen wir in unserem Kapitel lesen, in der Vereinigung ihrer verschiedenen Charakterzüge uns ein Bild von dem Zustand der Seele geben, wie er in den Heiligen unserer Tage vorhanden sein muss, wenn sie anders in Übereinstimmung mit dem Herrn Jesu Christo am Tage Seiner Verwerfung handeln und wandeln wollen.“ 
Der erste bemerkenswerte Zug bei den Söhnen Gads ist, dass sie sich zu David absonderten (V. 8). Darin besteht zunächst auch die Verantwortlichkeit der Heiligen unserer Tage, wenn sie anders Gefäße zur Ehre sein wollen, gereinigt, nützlich dem Hausherrn (Vergl. 1. Chron. 12, 8 mit 2. Tim. 2, 21). Möchte der Herr uns darüber das rechte Verständnis geben! Gemeinschaft mit Ihm ist mehr als Nützlichkeit; ja, Gemeinschaft ist die einzige göttliche Quelle, aus welcher ein angemessener Dienst und wahre Nützlichkeit fließen können. Es ist Gott wohlgefällig, solche zu finden, die sich, gleich den Söhnen Gads, zu dem wahren David abgesondert haben, geheiligte Gefäße, deren Freude und Wonne es ist, mit Seiner Person, mit Ihm selbst in Übereinstimmung zu wandeln. 
Von diesen abgesonderten Söhnen Gads wird ferner gesagt, dass sie ,,tapfere Helden waren, Männer des Heeres zum Kriege, mit Schild und Lanze gerüstet., deren Angesichter wie Löwen-Angesichter, und die den Gazellen auf den Bergen gleich waren an Schnelle“. Mit ihrer Absonderung verbanden sich also Stärke, Mut, treffliche Ausrüstung, Fertigkeit und Gewandtheit. Das sind die Eigenschaften eines für Christum abgesonderten Herzens; und wahrlich, Seine Person ist ihrer aller wert. 
Sehr ernst ist es ferner, zu bemerken, dass alle diese Eigenschaften erst in Ausübung kamen, nachdem der Jordan überschritten war, und zwar zu einer Zeit, „da er alle seine Ufer überflutete“ (V. 15). Diese zu David abgesonderten Söhne Gads mussten gleichsam erst durch den Tod gehen, bevor sie ihm dienen konnten. Und ist es nicht heute noch gerade so? „Wenn jemand mir dienen will, so folge er mir nach“ Ja, das ist es, was aller wahren Ergebenheit für den Herrn ein bestimmtes Ziel gibt. Der Tod muss praktisch von uns gekannt sein: „allezeit das Sterben Jesu am Leibe umhertragend, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde“ (2. Kor. 4, 10). 
Das ist das Geheimnis aller wahren Nachfolge Christi, wie auch alles wahren Wirkens für Ihn. Der Mantel der Macht, den Elisa soeben von demjenigen erworben hat, zu welchem er sich abgesondert hatte, (s. 2.Kön. 2, 2 — 14), führt ihn, bevor er ihn benutzt, an denselben Ort wie jene Söhne Gads, an das Ufer des Jordan. O möchten wir alle mehr durchdrungen sein von der ernsten Wirklichkeit dieser Tatsache! Bildlich gesprochen, konnte der Jordan allein mir die Tür öffnen zu jenem abgesonderten Bereich droben, in welchem mein Herr sich jetzt befindet; und der Jordan allein kann mir die Tür öffnen, um Ihm in angemessener Weise in Seiner Erniedrigung auf Erden nachzufolgen; wie er allein mir auch zu den Vorhin besprochenen Eigenschaften noch jene Ergebenheit und Sanftmut geben kann, die mich befähigen, ein Gefäß Christi zu sein, Ihm ergeben in jedem Zuge des Herzens, für Ihn wirksam in der Kraft des Lebens, welches auf Grund des Todes in mir wirkt.

 Nur ein „gestorbener“ Christ kann in der Kraft des Auferstehungslebens wandeln. „Ich bin mit Christo gekreuzigt“, sagt Paulus; „und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal. 2, 20). 
Schließlich wird man finden, dass das, was die Männer von Issaschar kennzeichnete, auch den Heiligen von heute in demselben Maße eigen sein wird, in welchem sie Söhne Gads sind. Mit anderen Worten: Wer nicht ein Sohn Gads ist, kann auch kein Mann von Issaschar sein; oder: wenn jemand sich nicht zu David absondert auf dem Wege dieser Männer, d. h. den Jordan durchschreitet, wenn er alle seine Ufer überflutet, so kann er auch keine ,,Einsicht haben in die Zeiten, um zu wissen, was Israel tun muss“. Niemand kann die Gedanken des Herrn betreffs der Seinen erkennen, niemand ein „Mann von Einsicht“ sein und andere belehren, der nicht die Kraft und Bedeutung Seines Todes erkannt hat und nun bereit ist, Ihm auf dem Pfade Seiner Verwerfung und Schmach zu folgen. 
Es ist klar, dass es auf diesem Pfade nur einen Überrest geben kann, der nicht nach Anerkennung seitens der Menschen trachtet, sondern sich gänzlich für den wahren David abgesondert hat. In Gemeinschaft mit Ihm durch den Heiligen Geist, ist dieser Überrest dann aber auch imstande, Seinen Pfad hienieden zu wandeln, indem er den Tod, Seinen Tod, annimmt als die einzige Tür, die ihm, aus den sichtbaren Dingen hinaus, zu Ihm den Zugang zu öffnen vermag, sei es zur Ruhe und zum Genuss mit Ihm droben, sei es zu einer völligen Absonderung für Ihn und einer innigen Gemeinschaft mit Ihm hienieden. Möchte der Herr in diesen letzten Tagen einen solchen Überrest finden —— treue Streiter, Männer voll Einsicht und Selbstverleugnung!
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Ich trau auf Dich!

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 308ff

Ich trau auf Dich!
Ich ruh in deinen Armen,
betrachte still dein göttliches Erbarmen,
das mich befreit von Tod und von Gericht.
Ich trau auf Dich!

Ich trau auf Dich!
Ich bau auf deine Treue,
auf deine Huld, die jeden Morgen neue,
auf deine Liebe, die mich nie vergisst.
Ich trau auf Dich!

Ich trau auf Dich!
Ich preise deinen Namen.
Ich weiß, o Herr, in Dir ist Ja und Amen,
Du hältst gewisslich, was dein Wort verspricht.
Ich trau auf Dich!

Ich trau auf Dich!
Geh fröhlich meine Pfade
und nehm aus deiner Fülle Gnad um Gnade,
bis dass ich droben schau dein Angesicht.
Ich trau auf Dich!

J.H

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Betrachtungen über das erste Buch der Könige

Bibelstelle: 1. Könige

Botschafter des Heils 1907 S. 309ff

KAPITEL 16 In vollem Niedergang

Die Propheten Jehovas treten unter diesen unheilvollen Regierungen häufiger auf. Wir sahen zuerst Achija, den Siloniter, welcher Jerobeam vorhersagte, dass er König über die zehn Stämme werden würde (Kap. 11, 29), und dann demselben König den Tod seines Sohnes und die Vertilgung seines Geschlechts ankündigte (Kap. 14). Nach ihm forderte Schemaja, der Prophet Rehabeams, den König und sein Volk auf, nicht gegen ihre Brüder, die Kinder Israel, zu streiten (Kap. 12, 22; 2. Chron. 11, 2): das einzige, was sich für diejenigen geziemte, welche noch die Leuchte Davids bewahrten. Sie, die Zeugen Jehovas, sollten die Teilung als Folge ihrer Sünde annehmen und sich darin Gott übergeben, der wissen würde Heilung zu bringen, wenn Sein Gericht seinen Lauf genommen und Früchte hervorgebracht haben würde. Darum hatte Achija zu Jerobeam gesagt: "Ich werde den Samen Davids um deswillen demütigen, doch nicht für immer" (Kap. 11, 39). Vor diesen Propheten hatte Iddo, der Seher, unter der Regierung Salomos über Jerobeam geweissagt (2. Chron. 9, 29), ohne von Nathan zu reden, dessen Rolle so ausgeprägt war in den Tagen Davids und beim Beginn der Regierung seines Sohnes.*27) Endlich ermutigt Asarja, der Sohn Odeds, Asa, den König von Juda, nach seinem Siege über Serach, den Kuschiter, den Dienst des wahren Gottes wiederherzustellen (2. Chron. 15, 1 und 8). 
Alle diese Propheten waren eigentlich Propheten von Juda; denn selbst Achija, der Siloniter, prophezeit dem Jerobeam zuerst bei Jerusalem und befindet sich dann auf dem Gebiet der zehn Stämme nur infolge der Teilung des Reiches. 

Ebenso ist es mit dem "Manne Gottes aus Juda", der im 13. Kapitel gegen Jerobeam auftritt. Wir reden nicht von dem „alten Propheten" in demselben Kapitel, der infolge seiner Untreue in Bethel geblieben war.
Hanani, ein Prophet von Juda (2. Chron. 16, 7), weissagt wider Asa, welcher Ben-Hadad, den König von Syrien, gegen Baesa, den König von Israel, zu Hilfe gerufen hatte. Trotz des scheinbaren Erfolges dieses Bündnisses kündigt Hanani dem König an, dass er statt der aus dem Bunde mit der Welt erhofften Ruhe fortan Kriege haben werde. Der sonst gottesfürchtige Asa, über den göttlichen Tadel erzürnt, widersetzt sich Jehova, indem er Seinen Propheten ins Gefängnis wirft! 
Nach Hanani tritt Jehu, sein Sohn, auf. Er ist Prophet sowohl in Israel als auch in Juda. Er weissagt wider Baesa, den König von Israel, den Feind Asas, aber auch wider Josaphat, den König von Juda, den Freund Ahabs (2. Chron. 19, 2; 20, 34); denn zwei Dinge sind in Gottes Augen gleich böse: der Haß der Welt gegen Seine Kinder und die Freundschaft Seiner Kinder mit der Welt. 
Jehu weissagt wider Baesa, der das Haus Jerobeams erschlagen hat, und kündigt ihm an, dass es ihm gerade so ergehen werde wie jenem: "Wer von Baesa in der Stadt stirbt, den sollen die Hunde fressen, und wer von ihm auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel des Himmels fressen" (V. 4; vergl. Kap. 14, 11). Doch Baesa „legte sich zu seinen Vätern", wie Jerobeam, und „das Übrige seiner Geschichte und was er getan hat und seine Macht, ist das nicht geschrieben in dem Buche der Chronika der Könige von Israel?" Die Erwähnung der Chronika der Könige von Israel oder derjenigen der Könige von Juda kehrt in diesen Büchern oft wieder. Diese Chroniken oder Jahrbücher wurden am Hofe aller damaligen Herrscher geschrieben, sowohl bei den Juden wie bei den Heiden. Sie haben mit dem Worte Gottes nichts gemein. Was Jehova nicht gefallen hat aufzuzeichnen oder auszulegen, findet sich dort aufgezeichnet. Diese Chroniken sind verloren gegangen; vielleicht findet man eines Tages Bruchstücke davon. Der Gläubige bedarf ihrer nichts; das Wort Gottes bleibt ihm.

 Hier, in der Erzählung Gottes, findet er alles, was für ihn nötig ist, sowie die göttliche Wertschätzung der Menschen, Taten und Dinge. Gewisse Handlungen mögen in den nicht inspirierten, Schriften erzählt werden, vielleicht sogar mit großer Genauigkeit; aber diese Handlungen sind immer nur von einer menschlichen Schätzung begleitet. Es ist sogar möglich, dass Männer Gottes, Propheten und Seher benutzt worden sind, diese Chroniken abzufassen, Geschlechtsverzeichnisse aufzustellen oder erklärende Bemerkungen dazu zu schreiben (2. Chron. 12,15; 13,22); doch diese Schriften sind nicht das inspirierte Wort Gottes. Trotz ihres menschlichen Wertes haben sie keine Bedeutung für die Offenbarung der Wahrheit Gottes. Auch sind sie verschwunden, während das Wort Gottes geblieben ist. Wenn sie noch da wären, würden sie Zeugnis ablegen für die Göttlichkeit dieses Wortes und für die Wirklichkeit der darin mitgeteilten Tatsachen; jetzt aber, da sie verschwunden sind, haben sie kein anderes Zeugnis als ihre Erwähnung in den geweihten Schriften. Inmitten des allgemeinen Verfallens und Verschwindens bleibt das Wort Gottes das einzige Denkmal, die einzige unerschütterliche Urkunde! 
Die Geschichte der Könige von Israel wird immer finsterer und unheilvoller. Der Fluch Gottes ruht auf diesem abtrünnigen Geschlecht. Ela, der Sohn Baesas, regierte zwei Jahre (V. 8); Simri, der eine hohe Stellung im Heere einnahm, tötete ihn zu Tirza, während er trank und sich berauschte. So fängt das Wort des Propheten Jehu an in Erfüllung zu gehen: " Sobald er auf seinem Throne Saß, erschlug Simri das ganze Haus Baesas; er ließ nichts von ihm übrig was männlich war, weder seine Blutsverwandten noch seine Freunde". Diese Tat des Ausrottens vollzog sich in einigen Tagen; denn Simri regierte nur sieben Tage zu Tirza. Und diese sieben Tage genügten für ihn, um zu tun „was böse war in den Augen Jehovas, indem er wandelte auf dem Wege Jerobeams und in seiner Sünde, die er getan, so dass er Israel sündigen gemacht hatte". Wenn das Herz des Menschen von Gott abgewichen ist, so träge jede seiner Handlungen das Gepräge davon, und zwar so, dass sich gar schnell ein Berg von Missetaten aufhäufen kann.
Am Tage der Verschwörung Simris wählt das Gibbethon belagernde Volk Omri, den Heerobersten, zum König. Solche Taten wiederholen sich stets beim Untergang der Reiche. Wenn das Volk ohne Gott ist, wird auch Sein Wille für nichts geachtet. Was Er im Anfang errichtet hatte, wird aufgegeben; das Königtum gehört dem, der die Macht in Händen hat, und da die Macht in dem Heere beruht, so ist das Reich in der Gewalt der militärischen Macht. Verschwörung auf der einen und Empörung im Heere auf der anderen Seite. 
Noch eine andere Tatsache kennzeichnet den Niedergang des Reiches. Israel ist in sich selbst geteilt, und wie soll es bestehen? Von der einen Hälfte des Volkes wird Tibni zum König erwählt, während die andere Hälfte Omri folgt. Dieser gewinnt die Überhand. Tibni stirbt, Omri wird König. Er regierte im ganzen zwölf Jahre, davon sechs zu Tirza. Er baute Samaria und „machte es ärger als alle, die vor ihm gewesen waren". Dann legte er ich zu seinen Vätern und wurde zu Samaria begraben. 
Ahab, der Sohn Omris, wird noch zu Lebzeiten Asas, des Königs von Juda, König; denn alle im 15. und 16. Kapitel erwähnten Umwälzungen fanden während der Regierung Asas statt. So kurz die Regierungszeit der Vorgänger Ahabs gewesen war (Nadab regierte ein Jahr, Ela zwei Jahre, Simri sieben Tage), mit Ausnahme von Omri, so lang war die von Ahab: 22 Jahre. Ahab hat Zeit vor sich, um nur Böses zu tun. Er folgt dem Götzendienst Jerobeams, aber er tut noch Schlimmeres: er nimmt Isebel, die Tochter Ethbaals, des Königs der Zidonier, zum Weibe und beugt sich nieder vor Baal, dem er einen Altar und einen Tempel zu Samaria baut. Er errichtet ein Bild der phönizischen Astarte und reizt Jehova, den Gott Israels (V. 29 - 33). 
Und siehe da, gerade in solchen Tagen schickt dieser gereizte Gott Sich an, Seine Macht im Zeugnis gegen das Böse zu offenbaren, aber auch um dieses unglückliche Volk, welches sich freiwillig in die Knechtschaft der Dämonen begeben hatte, zu befreien. Welch ein Gott ist unser Gott! Er erwählt den Augenblick, wo der Mensch Ihn gänzlich verworfen hat, um zu zeigen, dass "Er Gott ist, Er allein", wie wir es weiterhin in der Geschichte des Elia sehen werden. Und, möchte ich fragen, haben wir Christen nicht dasselbe an dem Kreuze Christi erblickt? 
Doch bevor wir zu der Geschichte des Elia kommen, wird noch ein besonderes Ereignis erwähnt: "In den Tagen Ahabs baute Hiel, der Betheliter, Jericho wieder auf.

 Mit Abiram, seinem Erstgeborenen, legte er ihren Grund, und mit Segub, seinem Jüngsten, stellte er ihre Tore auf, nach dem Worte Jehovas, das er durch Josua, den Sohn Nuns, geredet hatte". Mehr als fünfhundert Jahre waren seit der Zerstörung Jerichos verflossen, aber Jehova hatte Sein Wort nicht vergessen (Jos. 6, 26). Die Mitteilung ist um so bemerkenswerter, weil sie dazu dient, den Menschen die unfehlbare Autorität aller Worte, die Gott ausgesprochen hat, zu beweisen. Israel war dem Götzendienst verfallen, der Name Jehovas wurde verunehrt, und das Böse in seiner abscheulichsten Form trat in dieser Zeit des Abfalls offen zutage. Warum schritt Gott nicht ein? Warum vertilgte Er den Gottlosen nicht? Weil Er ein Gott von unendlicher Langmut ist und das beweisen will. Er lässt Sein Wort nach fünfhundert Jahren in Erfüllung gehen, als der Mensch hätte denken können, und ohne Zweifel auch gedacht hat, dass Er ihm nicht mehr Rechnung tragen würde. Ein Ungehorsam führt das angekündigte Gericht buchstäblich herbei. Die Tatsache vollzieht sich vor den Augen aller; wird sie zu dein Gewissen des Königs und seines Volkes reden? 
Es ist ein Mann aus Bethel, der Jericho baut! Es gibt keine Gottesfurcht mehr vor den Augen Israels. Die Drohungen Gottes werden ebenso verachtet wie Seine Verheißungen. Jene vermessene Tat wird uns an dieser Stelle mitgeteilt, weil sie in moralischer Hinsicht den letzten Charakterzug des persönlichen Zustandes in den Zeiten des Abfalls darstellt; geschichtlich hat sie erst während der zweiundzwanzig Jahre der Regierung Ahabs stattgefunden.

Fußnote:

*27) Siehe über Iddo auch 2. Chron. 12, 15; 13, 22.

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In den letzten Tagen

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 315ff
Das Bewusstsein, das; wir „in den letzten Tagen“ leben, ist allgemein verbreitet; aber es ist gut, nicht nur dieses Bewusstsein zu haben, sondern auch die Charakterzüge zu kennen, welche die Schlussstunde des gegenwärtigen Zeitabschnitts kennzeichnen. Da werden uns denn in den Briefen der Apostel besonders zwei bemerkenswerte Züge durch den Heiligen Geist beschrieben. Der erste ist der Geist des Vernunftglaubens und Unglaubens, der die göttlichen Geheimnisse verwirft; der zweite ist ein erschreckender sittlicher Niedergang. 
In 2. Petr. 3, 3 lesen wir, „dass in den letzten Tagen Spötter mit Spötterei kommen werden, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung Seiner Ankunft?“ Hier begegnen wir dem ersten Kennzeichen der letzten Tage: sie werden durch einen Geist des Spottens über einen wichtigen Teil der Geheimnisse der Wahrheit, die zweite Ankunft des Herrn, gekennzeichnet. Weiter wird in dem 1. Briefe des Johannes von dem Geist des Antichristen gesprochen und gesagt, dass er schon wirksam sei und andere wichtige Teile der Wahrheit leugne.  „Kindlein“, sagt der Apostel, es ist die letzte Stunde.“ Dann beschreibt er die Merkmale des Antichristen, und damit die der letzten Stunde, mit den Worten: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der da leugnet, dass Jesus der Christus ist? Dieser ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet“. (Kap. 2, 18ff). 
Durch diese beiden apostolischen  Zeugnisse wird also den „letzten Tagen“ ein sehr bestimmter Charakter ausgeprägt: sie werden an einem leichtfertigen und ungläubigen Geiste erkannt, welcher einerseits über das Kommen des Herrn spottet und andererseits das große Geheimnis der Offenbarung des Vaters in dem Sohne leugnet, d. h. mit anderen Worten, die Grundlagen des Christentums umstößt. 
Der Brief des Judas redet gleichfalls von „dem Ende der Zeit“, aber in anderer Weise wie die beiden erstgenannten Briefe. Hier ist es mehr das zweite Kennzeichen, jener schreckliche Zustand sittlicher Erschlaffung und Versunkenheit, welcher die letzten Tage unterscheidet. Die Menschen „wandeln nach ihren eigenen Lüsten der Gottlosigkeit“ (V. 18). Es ist ein ähnlicher Zustand, wie Paulus ihn in 2. Tim. 3, 1 — 5 mit den Worten beschreibt: „Dieses aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden; denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer . . . verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott, die eine Form der Gottseligkeit haben, ihre Kraft aber verleugnen“. Das Bild, welches Paulus so entwirft, ist unsäglich traurig, besonders wenn wir uns daran erinnern, dass es sich hier, wie bei Petrus, Johannes und Judas, nicht etwa um das Heidentum, sondern um die Christenheit handelt. Freigeisterei und Spottsucht einerseits und eine furchtbare Sittenverderbnis andererseits bezeichnen die letzten Tage der Geschichte der bekennenden Kirche. 
Indes könnte gefragt werden: „Was haben wir, die Gläubigen, mit diesen Dingen zu tun?“ Wir haben viel, ja, viel mehr damit zu tun, als man gewöhnlich meint; denn es sind die Feinde, gegen welche wir heute zu kämpfen haben, und die wir so gut wie möglich kennen sollten. Wir haben nicht nur über die Geheimnisse der Wahrheit zu wachen, welche der Feind verderben und uns entreißen möchte, sondern auch unser Wandel und Verkehr in der Welt muss Gegenstand unserer eifrigen Wachsamkeit sein; denn es ist Gefahr, indem wir der einen Schlinge entgehen, in die andere hineinzugeraten. 

Die beiden eben beschriebenen Züge finden sich auch nicht immer in einer Person vereinigt. Im Gegenteil, der freisinnigste und ungläubigste Mensch kann sehr sittenstreng und liebenswürdig sein, und umgekehrt der rechtgläubigste Bekenner sehr unordentlich und ungöttlich wandeln. 
Ich möchte mich jedoch jetzt nicht weiter über diese Dinge verbreiten, sondern die Aufmerksamkeit des gläubigen Lesers noch einen Augenblick auf den Brief des Judas lenken. Der Apostel Judas ermahnt die Gläubigen, „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen“, und zwar gerade jenen Gottlosen gegenüber, die als solche beschrieben werden, „welche die Gnade unseres Gottes in Ausschweifung verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesum Christum verleugnen“ (V. 3. 4). Beachten wir die letzten Worte. Diese bösen Menschen leugneten nicht den Vater und den Sohn, sondern verwarfen Christum als Herrn. Sie sagten nicht: Er ist kein Heiland, sondern sie wollten sich Ihm nicht unterwerfen; sie leugneten Seine Machtvollkommenheit, warfen jede Beschränkung, jeden Zügel von sich und wollten Ihn nicht anerkennen als ihren alleinigen Gebieter und Herrn. 
Begegnen wir dieser bösen Gesinnung heute nicht mehr als je? Wir sollten ihr widerstehen mit aller Entschiedenheit und uns hüten, dass nicht in uns selbst irgend eine Neigung nach dieser Seite hin auskomme. Die Gefahr ist groß. Christus, unser alleiniger Gebieter und Herr — in der Tat, das ist ein ernstes, gesundes Wort, welches wir mit dankbarer Freude begrüßen sollten! Ist es nicht traurig, wenn ein Heiliger seine Gedanken, seine Worte und seinen Wandel nicht beständig im Zaum hält? Niemand von uns kann sagen, das; sein Geist, seine Lippen, seine Hände oder Füße ihm selbst gehören; wir haben sie stets als unter der Herrschaft Christi stehend zu betrachten. Wir sind um einen Preis erkauft und gehören nicht uns selbst an. Seien wir deshalb auf der Hut vor den bösen Neigungen unseres natürlichen Herzens, welches immer sich selbst zu befriedigen sucht! Der Apostel Judas warnt uns ernstlich vor dieser Gefahr. Wenn Petrus und Johannes uns ermahnen, dass wir uns vor dem Geiste des Unglaubens und Ungehorsams hüten sollen, stellt uns Judas auf einen anderen Wachtturm, von welchem wir hinausschauen sollen, um bewahrt zu bleiben vor den unreinen und genusssüchtigen Wegen, welche den Menschen verderben, sowie vor dem Geiste, welcher die Herrschaft Jesu über unsere Glieder, über unsere Gedankenwelt, über die Worte und Taten Seines Volkes leugnen möchte. 
Wunderbar reich ist das Buch Gottes an Unterweisung und Belehrung. Der Judasbrief teilt uns sogar Tatsachen mit, die der Geschichte des Himmels angehören. Er redet von Engeln, die ihren ersten Zustand nicht bewahrten, von dem Streite zwischen Satan und dem Erzengel Michael über den Leib Moses, und leitet so den Strom der göttlichen Geschichte bis zu uns herab. Er sammelt allerlei Beispiele, um uns vor dem bösen Geist der Unbotmäßigkeit und des sittlichen Verderbens zu warnen. Möchten wir uns diese Beispiele einprägen und zugleich beachten, wie der Geist Gottes jene Gottlosen beschreibt: „sie verachten die Herrschaft und lästern Herrlichkeiten“. . .

 „Sie sind den Weg Kains gegangen und haben sich für Lohn dem Irrtum Balaams überliefert, und in dem Widerspruch Korahs sind sie umgekommen. Diese sind Flecken bei euren Liebesmahlen, indem sie ohne Furcht Festessen mit euch halten und sich selbst weiden“ (V. 11. 12). Sie weilten in der Mitte der Gläubigen und nahmen teil an ihren Liebesmahlen, aber keine Furcht Gottes war vor ihren Augen. Dies lässt uns die ganze Tiefe ihrer sittlichen Versunkenheit erkennen. 
Der Geist Gottes stellt uns solche Personen vor Augen, nicht nur um sie zu kennzeichnen, sondern auch damit wir selbst erschrecken und „die Lenden unserer Gesinnung umgürten“. Die Neigung, „sich selbst zu weiden“, ist auch in uns. Ich wiederhole deshalb: wir gehören nicht uns selbst an. Hat ein Sklave irgendwie das Recht, über sich selbst zu bestimmen? Nun, so haben auch wir kein Recht, über uns zu bestimmen und in irgend einer Sache unsere eigenen Wege zu gehen. Das Wort ist wahr: In demselben Augenblick, da ein Gläubiger seinem eigenen Willen folgt, sündigt er. Ja, mehr noch; ohne es zu wissen und zu meinen, beitritt er den Weg jener Gottlosen: er verachtet die Herrschaft und weidet sich selbst, er lehnt sich auf gegen Gott.
„Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern!“ Lasst es- uns- ernst damit nehmen! Wir werden nie etwas verlieren, wenn wir unseren Willen ganz in den des Herrn ergeben; keine Einbuße erleiden, wenn wir unserer Natur und den Lüsten des Fleisches Zaum und Zügel anlegen. Wir werden im Gegenteil nur gewinnen und sehr glücklich sein. Es ist gut, in dieser Frage klar zu sehen. Ein Gläubiger hat nie das Recht, zu tun was ihm gefällt; er hat nicht einmal das Recht, einen Ausgang zu machen, weil es ihm so gefällt. In jedem und in allem ist er abhängig von dem Willen seines Herrn; sobald er seinen eigenen Willen als Grund und Triebfeder seines Handelns aufrichtet, verachtet er die Herrschaft — die Herrschaft Jesu; und das ist im Grunde nichts anderes als Empörung gegen Gott. 
Die Prophezeiung des Henoch, von welcher Judas weiterhin redet, handelt von dem Kommen des Herrn zum Gericht; aber wiederum nicht um jene heimzusuchen, welche dem Unglauben huldigen oder doch unter dem Einfluss des Geistes des Unglaubens stehen, sondern um „Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlos en von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben“.

 Der Gottlosigkeit wegen wird also das Gericht bald hereinbrechen. Und wenn wir nun rund um uns her schauen, begegnet unseren Blicken dann nicht gerade auf dem Boden des Christentums, inmitten der bekennenden Christenheit, eine Gottlosigkeit, die groß und verwegen genug ist, um das Gericht des Herrn herauszufordern? Doch lasst uns dabei nicht stehen bleiben, sondern wiederum das Wort in seiner vollen Kraft auf uns selbst anwenden. Wir dürfen versichert sein: wenn wir nicht in ernstem, anhaltendem Selbstgericht wandeln, sondern die Wünsche und Neigungen unseres natürlichen Herzens zur Regel und Richtschnur unseres Handelns machen, so betreten wir (dem Grundsatz nach) den Weg des Gerichts, von welchem Henoch weissagt. 
Geliebte Brüder! Lasst uns das Wort der Ermahnung ertragen und beherzigen· Oder wünschen wir, dass die Versammlung Gottes in ihrem sittlichen Verhalten und Betragen mehr und mehr erschlaffe und immer tiefer sinke? Sollten nicht alle Gläubigen sich willig vor Jesu beugen und Seine Rechte über sich rückhaltlos anerkennen? Er ist unser Heiland nicht nur, sondern auch unser Herr. 
Am Schlusse seines Briefes fordert Judas seine geliebten Brüder auf, sich selbst in der Liebe Gottes zu erhalten, indem sie sich erbauten auf ihren allerheiligsten Glauben und beteten im Heiligen Geiste (V. 20. 21). Wie ist es möglich, dieser Ermahnung nachzukommen? Auf demselben Wege, welchen der Herr Jesus einst Seinen Jüngern angab, um in Seiner Liebe zu bleiben. Er sagt ihnen in Joh. 15, 10: „Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe bleiben, gleichwie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in Seiner Liebe bleibe“. Macht das etwa den Pfad eines Gläubigen gesetzlich? Wahrlich nicht. Oder ist es ein gesetzlicher Geist, wenn ein Kind danach trachtet und seine Freude darin findet, in den Geboten seiner Eltern zu wandeln? Gibt sich nicht vielmehr gerade darin seine Liebe zu den Eltern kund? Könnte es überhaupt einen anderen Pfad für ein gehorsames Kind geben? Könnte das Kind auf einem anderen die Liebe seiner Eltern ungestört genießen und wirklich glücklich sein? Johannes sagt: „Dies ist die Liebe Gottes, dass wir Seine Gebote halten, und Seine Gebote sind nicht schwer“; und: „Dies ist die Liebe, dass wir nach Seinen Geboten wandeln“ (1. Joh. 5, 3; 2. Joh. 6.) Christus selbst hat als Mensch auf diesem Pfade gewandelt und ist so in dem ungestörten Genuss der Liebe Seines Vaters geblieben.
In der dann folgenden Ermahnung: „Und die einen, welche streiten, weiset zurecht, die anderen aber rettet mit Furcht, sie aus dem Feuer reißend, indem ihr sogar das von dem Fleische befleckte Kleid hasset“, begegnen wir derselben ernsten Wahrheit, die wir schon wiederholt hervorhoben: nämlich dass es sich in diesem Briefe weniger um den Geist des Unglaubens handelt, als um die Befleckungen des Fleisches, um sittlich Böses.

 Also selbst in der Beschäftigung der Liebe mit solchen, die sich befleckt haben, sollen wir uns fürchten und uns hüten, dass wir durch die Berührung mit dem Bösen nicht selbst verunreinigt werden. Wir müssen sogar das von dem Fleische befleckte Kleid hassen. 
Herrlich und ergreifend ist das Ausgangswort unseres Briefes: „Dem aber, der euch ohne Straucheln“ — wieder handelt es sich also um den praktischen Wandel in Reinheit und Heiligkeit — „zu bewahren und vor Seiner Herrlichkeit tadellos darzustellen vermag mit Frohlocken, dem alleinigen Gott, unserem Heilande, durch Jesum Christum, unseren Herrn, sei Herrlichkeit, Majestät, Macht und Gewalt vor aller Zeit und jetzt und in alle Zeitalter! Amen.“ 
Noch einmal denn: Lasst uns das Wort der Ermahnung willkommen heißen! Wir stehen wieder an dem Ende eines Jahres. Wieder ist ein bedeutsamer Schritt zur Ewigkeit zurückgelegt. Wir alle wissen, dass wir in einer Zeit der Leichtfertigkeit und des Sichselbstsuchens leben. Worte wie: 
Wir reisen abgeschieden, 
mit wenigem zufrieden; 
Wir brauchen nur zur Not —- 
klingen im Blick auf manche Christen unserer Tage fast wie Hohn. Der Herr schenke allen solchen Einkehr und Umkehr, und erwecke und vermehre in uns allen das Verlangen, unserem alleinigen Gebieter und Herrn treu zu folgen und gewissenhaft zu dienen! Anstatt zu sagen: Dies gefällt mir, und jenes ist nicht nach meinem Geschmack, lasst uns bitten, dass Jesus alle unsere Wünsche und Neigungen beherrsche, und dass der Gedanke an Sein Wohlgefallen alle unsere inneren Regungen in die richtigen Bahnen leite. Und das alles nicht in einem Geiste der Knechtschaft und Gesetzlichkeit, sondern in dem Geiste der Freiheit und Liebe, indem das Bewusstsein tief in unseren Herzen lebt: Der, dem wir dienen und den wir als Herrn anerkennen, ist unser Heiland, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat. Ja, lasst uns Ihm dienen in einem Geist, der Ihm allezeit traut und selbst alle Fehler und Mängel mit zuversichtlicher Kühnheit durch Ihn vor den Thron der Gnade zu bringen vermag! Durch einen solch freien und glücklichen Dienst wird Er in der Zeit Seiner Abwesenheit verherrlicht, und wenn Er kommt, wird Er uns bereit finden, Seinem Rufe alsbald und mit Freuden zu folgen

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Das Evangelium der Herrlichkeit

Bibelstelle: 2. Korinther 3

Botschafter des Heils 1907 S. 324ff
Zwischen Gesetz und Evangelium besteht ein Gegensatz, wie er größer nicht gedacht» werden könnte. Paulus nennt das- eine den Dienst des Todes und der Verdammnis, das andere den Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit. Als Moses zum ersten Mal die steinernen Tafeln empfing und vom Berge Sinai herabkam, hören wir gar nichts davon, dass sein Antlitz strahlte. Er hat diese ersten Tafeln Überhaupt nie ins Lager gebracht. Er hört, was das Volk tut, und tritt bei Gott als Fürsprecher ein um Seines großen Namens willen; und wenn er dann herabkommt und das Kalb und die Reigentänze sieht, schleudert er die Tafeln zu Boden und zerschmettert sie am Fuße des Berges. Wie hätte er das Gesetz Gottes in die Mitte eines Volkes bringen können, das bereits beschäftigt war, das allererste darin enthaltene Gebot zu übertreten? Wenn er nachher den Herrn anfleht hinsichtlich Seiner gegenwärtigen Regierungswege, so vergibt der Herr die Sünde des Volkes. Aber Moses konnte nicht Sühnung tun, und das Volk musste wieder unter Gesetz gestellt werden. 
Nachher nimmt er zwei andere Tafeln, gerade wie die ersten, mit auf den Berg; durch Gottes Güte kühn gemacht, hatte er darum gebeten, Seine Herrlichkeit schauen zu dürfen. Das war unmöglich, aber Gott ließ Seine Güte an ihm vorübergehen und rief Seinen Namen vor ihm aus, wie Er sich in Seiner Regierung offenbaren wollte. 

Dann stellte Er das Volk wieder unter Gesetz. Moses hatte sich vorgenommen, Sühnung für Israel zu tun, aber er vermochte es nicht; und Gott rief sich als Den aus, der Ungerechtigkeit, Sünde und Schuld vergeben, aber keineswegs für schuldlos halten wollte den Schuldigen. Als Moses hieraus vom Berge herabkam, hatte all dieser Verkehr mit Gott bewirkt, dass sein Angesicht strahlte; und da das Volk nicht imstande war, auch nur den Widerschein der Herrlichkeit des Herrn zu sehen, legte er eine Decke auf sein Angesicht. 
Gott handelt also in Gnade mit Seinem Volke, aber wir haben hier keine vollkommene Sühnung. Die Verheißung eines Erlösers wurde schon im Anfang im Garten Eden gegeben; aber es gab nur Einen, der das Erlösungswerk vollbringen konnte. Bei aller Offenbarung von Langmut und Güte fehlte doch eine Sache von grundlegender Bedeutung, und das war die Reinigung des Schuldigen. So bat denn das schuldige Israel darum, dass Moses eine Decke auf sein Antlitz legen möchte, und bis zum heutigen Tage liegt die Decke auf ihren Herzen; aber wenn sie zum Herrn umkehren, wird die Decke weggenommen werden. Das Gesetz konnte nur in vielen Opfern aus das eine vollkommene Lamm hindeuten, und Israel vermochte nicht durch die Bilder hindurch bis zu dem durch sie vorgebildeten Gegenstand zu sehen; aber in Christo ist die Decke hinweggetan. Keine Decke ist mehr über die uns betreffenden Gedanken Gottes gebreitet, obwohl der Gott dieser Welt sie noch immer auf den Herzen der Menschen halten mag. (Vergl. 2. Kor. 4, 4.) Weil nun diese Decke hinweggetan ist, kann das Evangelium jetzt ein Evangelium der Herrlichkeit genannt werden. 
Wir sehen Gott nach zwei großen Grundsätzen, Gesetz und Gnade, handeln. Im Gesetz fordert Gott vom Menschen, was der Mensch sein sollte. Es nimmt alle die Beziehungen auf, die von Gott im Blick auf Gott und Menschen gebildet worden sind. Die PfIichten waren alle vorhanden, ehe das Gesetz gegeben wurde; aber das Gesetz gestaltete sie zu einer Regel und drückte ihnen Gottes ausdrückliche Anerkennung aus. Das Gesetz beanspruchte vom Menschen Gehorsam. Unser Herr fasst „das ganze Gesetz in zwei Sätze zusammen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen u.s.w, und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Das Gesetz. forderte von dem Menschen, was er sein sollte. Es gab kein Leben, keine Kraft, keine Befreiung, auch keinen Gegenstand als Beweggrund zum Handeln; es vermochte den Schuldigen nicht zu reinigen, noch war irgend eine Hülfe oder Kraft in ihm, wenngleich Gott Seinem Volke zu allen Zeiten hilft. Das Gesetz, an und für sich konnte nichts tun als Gehorsam fordern; und da der Mensch ein Sünder war und unfähig, einem heiligen Gesetz Gehorsam zu leisten, so war es ein Dienst des Todes und der Verdammnis. 
Gnade ist nicht im Gesetz (die beiden Grundsätze sind einander völlig entgegengesetzt), aber Gott handelte in Gnade mit Einzelnen. Das Gesetz war deshalb ein Dienst des Todes und der Verdammnis, weil es von Gott aus kundtat, was der Mensch sein sollte und was er nicht ist. Wenn das Herz. eines Menschen nicht Gott gemäß geübt ist, so beunruhigt ihn das Gesetz nicht sehr. Er meint dann nichts besonders Böses getan zu haben; er ist nicht schlechter als seine Nachbarn; sehr grobe Sünden hat er nicht begangen.

 Außerdem denkt er: Gott ist ja barmherzig. Der Gedanke an ein wenig Barmherzigkeit, soweit seine Bedürfnisse es erfordern, wird in seinen Überlegungen nicht fehlen; denn tief im Herzen eines jeden Menschen lebt das Gefühl, dass er gesündigt hat. Allein er fühlt sich ziemlich behaglich, und alles geht gut, so lange es eine Frage des natürlichen Gewissens bleibt und nicht das Auge Gottes Herz und Gedanken erreicht. 
Wenn das Gesetz sagt: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«, so werden wir sogleich von der Sünde überführt; denn wir wissen, dass wir das nicht tun. Wer ist bei einem Verlust, der seinen Nachbar trifft, so betrübt, wie wenn er selbst ihn erlitten hätte? Wenn wir darum eine Offenbarung von Gott in Verbindung mit dem Gesetz erhalten, mag sie auch noch so gering sein, so sind wir sofort gänzlich verurteiIt; denn kein Fleisch vermag vor Seinem Auge zu bestehen. Eins von zwei Dingen wird geschehen: entweder wird man suchen, sich vor Gott zu verbergen, wie Adam es im Garten Eden tat; oder man wird suchen, Gott vor sich zu verbergen, so wie Israel es machte, als es Moses bat, eine Decke auf sein Angesicht zu legen. Denn sobald ein Mensch nur einen Blick von Gott erhält, so kann er mit Hiob sagen: „Wenn ich mich mit Schnee wüsche und meine Hände mit Lange reinigte, alsdann würdest du mich in die Grube tauchen, und meinen eigenen Kleidern würde vor mir ekeln“ (Hiob 9, 30. 31). Was ich vorher auch von mir selbst gedacht haben mag, ich sehe jetzt, dass ich in Gottes Augen nur einem Menschen gleich bin, der gerade aus dem Schlamme gezogen worden ist: unrein vom Kopf bis zu den Füßen. Unter dem Gesetz mag die Seele sich ganz wohl fühlen, so lange sie nicht Gott gemäß geübt ist; aber in Gottes Gegenwart kann kein Mensch vor ihm bestehen. Die Lust ist im Herzen. 
Auf dem Boden des Gesetzes hängt das, was Gott für mich ist, davon ab, was ich für Ihn bin. Aber Gott hat ans Licht gebracht, dass ich ein Sünder bin, denn durch das Gesetz kommt die Erkenntnis der Sünde. Es bringt Tod und Verdammnis hervor, nichts anderes. Das Gesetz wird nie Frieden geben. Es ist nicht Gnade; es blickt nicht auf das, was der Herr für mich tut, sondern auf das, was ich in mir selbst für Ihn finde; und ich kann noch unter Gesetz sein, während ich auf das Kreuz hinschaue. Am Kreuze sehe ich die Entfaltung einer vollkommenen Liebe zu mir; wenn ich dann aber in mein Herz schaue und dort eine solch schwache Antwort auf Seine Liebe erblicke, so beginne ich daran zu zweifeln, ob ich Ihn überhaupt wirklich lieb habe. Der Wunsch, Ihn zu lieben, ist durchaus richtig; aber das ist nicht das Evangelium. Auf diesem Wege kann man nie Frieden finden. Man erhebt damit eine Frage bezüglich des Verhältnisses, in welchem man steht, gestützt auf das eigene Verhalten. Welch eine Verwirrung würde es aber in einer Familie hervorrufen, wenn die Kinder die Frage auszuwerfen begännen, ob sie Kinder ihres Vaters seien oder nicht! Wohl kann ich fragen: Wandle ich meinem Verhältnis entsprechend? Aber ich darf nicht die Frage erheben, ob ich ein Kind bin oder nicht. Alles das ist Gesetz wenn auch in einer feineren Form. 

Man sucht immer noch Frieden in dem zu finden, was man für Gott ist, und nicht darin, was Er für uns ist. Es ist der Zustand eines Christen, der noch nicht Frieden gefunden hat; gleich dem verlorenen Sohne, der, als er noch fern von seinem Vater war, wie einer seiner Tagelöhner zu werden begehrte. Sobald er in die Gegenwart des Vaters kam, hören wir davon nichts mehr; denn jetzt kannte er sein Verhältnis. Vorher dachte er nur daran, was er für seinen Vater war, nicht aber daran, was sein Vater für ihn war. So geht es manchem Gläubigen, der noch auf dem Boden des Gesetzes steht. Er blickt in sich hinein, um zu sehen, ob er Gott liebt, und da er nicht die Liebe in seinem Herzen entdeckt, die er entdecken möchte, so beginnt er daran zu zweifeln, dass Gott ihn liebt. Das ist, wie gesagt, eine feinere Form des Gesetzes; aber es ist immer derselbe Grundsatz: man betrachtet, was man für Gott ist, und nicht, was Gott für uns ist. 
Damit kommen wir zu dem Evangelium der Herrlichkeit. In die Mitte einer das Gesetz übertretenden Welt ist nämlich Gott in Gnaden herabgestiegen. Bevor Jesus kam, war Gott nicht zu den Menschen herausgetreten, und der Mensch konnte nicht zu Gott hineingehen. Wohl hatte Gott dem Menschen das Gesetz und die Verheißungen gegeben, aber Er war nicht selbst zu dem Menschen gekommen. Jetzt aber haben wir die große Tatsache vor uns, dass Gott zu uns gekommen ist. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“. Andererseits ist der Mensch gerades Weges in Gottes Gegenwart eingetreten. 

Wenn ich sage „der Mensch“, so meine ich Christum selbst; und zwar Ihn als Den, welcher als Vorläufer für uns innerhalb des Vorhangs gegangen ist. Ich entdecke ferner, dass Gott in vollkommener Güte zu uns gekommen ist, nicht in Offenbarung Seiner Herrlichkeit. Er kam, als wir Sünder und Gesetzesübertreter, als wir fern von Ihm waren. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen eingeborenen Sohn gab.“ In dem Leben unseres Herrn hienieden haben wir die Offenbarung der reinsten Liebe— vor uns. Seine Wunder waren nicht nur Macht, sondern Macht, ausgeübt in Liebe, um jedem Bedürfnis in jedem Menschen zu begegnen. Er entfernte jede Wirkung der Sünde. Er war die Offenbarung Gottes in vollkommener Güte. Und das Ende von allem war, dass man Ihm ins Antlitz, spie und Ihn verwarf. 
Möchte der Herr bei uns allen stets die Erinnerung daran wach erhalten, dass wir uns in einer Welt befinden, die Gott verworfen hat, als Er in Gnade in ihr weilte! Die Welt ist heute so schlecht, wie sie damals war; sie steht auch heute in keiner näheren Beziehung zu Gott. Die Seelen sind von Natur ebenso weit von Gott entfernt wie einst. Ja, die Dinge liegen schlimmer als ehemals. Die Sünde hat ihren Höhepunkt erreicht.  
Wie ernst ist es, dass Gott nicht nur den Menschen aus dem Garten Eden vertrieben hat, sondern dass der Mensch seinerseits, als Gott in diese Welt kam, Ihn von sich gestoßen hat! Jesus selbst sagt: „Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie gesehen und gehasst, sowohl mich als auch meinen Vater“. Er schritt in Güte durch diese Welt, indem Er alle heilte, die von dem Teufel überwältigt waren; denn Gott war mit Ihm. Der Sohn Gottes ist in der Welt gewesen und ist von ihr verworfen worden. Gott hat sich uns in der Person Seines Sohnes geoffenbart, und zwar in vollkommener Heiligkeit und Liebe. Dies tritt in eindrucksvoller und rührender Weise ans Licht, wenn der arme Aussätzige zu Jesu kommt. Jesus weilte bei den Sündern, ohne durch sie befleckt zu werden; aber Er war da in Vollkommener Liebe. Nun, hier war einer, der Seine Macht anerkannte, aber der an Seiner Liebe zweifelte. Was ist die Antwort des Herrn? Tadelt Er ihn? O nein, Er antwortet: „Ich will; sei gereinigt!“ und dann streckt Er Seine Hand aus und rührt ihn an. Wer einen Aussätzigen anrührte, wurde unrein wie der Aussätzige selbst; Christus aber wurde .nicht befleckt durch Seine Berührung mit den Menschen, sondern Er reinigte sie in Gnade. Es war göttliche Macht, welche die Sünde berührte und sie entfernte; aber zugleich kam in außerordentlich schöner Weise zum Ausdruck, was göttliche Gnade ist. 
In der Verwerfung eines solchen Herrn offenbarte sich die Sünde in ihrer ganzen Größe; denn es war die Verwerfung Gottes selbst, der in Güte gekommen war. Aber Gott benutzte diese schreckliche Tat des Menschen, die allem Vorhergegangenen die Krone aufsetzte, zu seiner Rettung. Christus wurde das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt. Am Kreuze vollzog sich jenes Werk, welches der Ausdruck und die Erreichung des Gipfels der Gottlosigkeit auf Seiten des Menschen war, aber zugleich als Anlass diente, um auf Seiten Gottes die Überschwänglichkeit der Gnade zu offenbaren.

Das Kreuz ist die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes der Sünde gegenüber; ja, mehr als das, Gott ist vollkommen in ihm verherrlicht. Die ganze Macht Satans ist beseitigt, und alles dient nur dazu, Gottes vollkommene Liebe zu dem armen Sünder ans Licht zu bringen. Da wo die Sünde überströmend war, ist die Gnade noch überschwänglicher geworden; wie geschrieben steht: „Einer ist für alle gestorben, und somit sind alle gestorben“ 
Doch wenn ich nun zum Kreuze komme, in dem Bewusstsein, dass meine Sünden Christum dahin gebracht haben, finde ich Ihn dann noch dort? Nein; das Kreuz ist leer. Aber mein Glaube weiß, wo Er ist. Ich weiß, dass meine Sünden Ihn ans Kreuz gebracht haben; aber mein Glaube sieht Ihn jetzt zur Rechten Gottes. Aus diesem Grunde reden wir von dem Evangelium der Herrlichkeit; denn Er ist für mich in die Herrlichkeit eingegangen. Er sitzt jetzt dort zur Rechten Gottes; aber Er trägt nicht mehr meine Sünden auf sich. Nein, Er sitzt dort, weil alle meine Sünden für immer hinweggetan sind. Durch ein Opfer für Sünden hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden· Wenn ich nun komme, um von mir Rechenschaft abzulegen, wen finde ich als meinen Richter? Gerade Den, der meine Sünden durch sich selbst hinweggetan hat. Für eine in der Gnade vollkommen gegründete Seele gibt es daher keinen beglückenderen Gedanken als den an den Richterstuhl Christi; denn bei der Offenbarwerdung vor ihm werde ich dastehen in meinem verherrlichten, dem Herrn selbst gleichgestalteten Leibe. Er hat gesagt, dass das Werk vollbracht sei; und Der, welcher mich richtet, ist derselbe, der alle meine Sünden getragen hat. 
Das Evangelium der Herrlichkeit ist also die kostbare Botschaft, dass Er, der für meine Sünden starb, sich dort in der Herrlichkeit befindet, während alle meine Sünden für immer hinweggetan sind; und hier ist es, wo das Evangelium in seiner Fülle beginnt. Erst als Jesus zur Rechten Gottes saß, kam der Heilige Geist hernieder, und erst dann konnten die Jünger in der Kraft des Heiligen Geistes ausgehen. Gerechtigkeit hat Ihn, der meine Sünden trug, zur Rechten Gottes gesetzt. Er hat sie getragen und Gott im Blick auf sie vollkommen verherrlicht; und nun besteht der Dienst des Geistes darin, in dem Evangelium zu bezeugen, dass Er, der alles vollbracht hat, derselbe ist, welcher jetzt erhöht ist zur Rechten Gottes.

 Ich sehe einen Menschen in der Herrlichkeit, den für mich dort eingegangenen Vorläufer. Wir hatten keinen Anteil an dem wunderbaren Werke, das Er vollbracht hat, es sei denn durch unsere Sünden und den Hass, der Ihn zum Tode brachte. Er starb, und Gott versetzte Ihn in die Herrlichkeit, weil Er ein Werk vollbracht hatte, das Gott vollkommen befriedigte. Der Herr selbst sagt in Johannes IS, wenn Er von dem Heiligen Geiste redet, dass Er die Welt Von Gerechtigkeit überführen werde; und zwar wodurch? „Weil ich zu meinem Vater gehe“, sagt Jesus. Er thront jetzt in der Herrlichkeit, weil das Werk vollkommen geschehen ist: die Sünden aller derer, welche glauben, sind für immerdar hinweggetan. Die Gegenwart des Heiligen Geistes überführt auch von Sünde; denn meine Sünde ist es, die Ihn ans Kreuz gebracht hat, dorthin, wo Er alles getragen und Gottes Gerechtigkeit vollkommen befriedigt hat. 
Am Kreuze wurde die ganze Frage der Sünde zwischen Gott und Christo geordnet und für immer zum Abschluss gebracht. Christus ist jetzt meine Gerechtigkeit vor Gott. Gottes Gerechtigkeit hat sich darin gezeigt, dass Er den Menschen, der meine Sünden trug, zu Seiner Rechten in die Herrlichkeit versetzt hat. Der Mensch besitzt keine Gerechtigkeit vor Gott. Wenn er das erkennt, versucht er, heiliger zu werden. An und für sich ist es ja auch ganz richtig, nach Heiligkeit zu streben; aber als Mittel zum Frieden wird das niemals genügen. In Christo jedoch besitze ich eine göttliche Gerechtigkeit, die geeignet ist, mich in die Herrlichkeit zu bringen. Alle, welche vom Geiste Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes. Am Kreuze Christi ist nicht nur meine Schuld bezahlt worden; denn das wäre möglich, ohne dass ich etwas hätte, wovon ich gleichsam leben könnte. Nein, Gott hat mich zum Miterben Christi gemacht; und jetzt lebe ich hienieden, in der Erwartung Seines Kommens, damit Er mich zu sich nehme und ich für immer bei Ihm sei in der Herrlichkeit, wo Er jetzt ist.
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Der Christ ein Brief Christi

Bibelstelle: 

Botschafter des Heils 1907 S. 335ff
Der Apostel Paulus bedurfte keine Empfehlungsbriefe an die Korinther oder von ihnen, wie andere solche nötig hatten und auch wir sie heute vielleicht bedürfen; die gläubigen Korinther waren sein Brief, der gekannt und gelesen wurde von allen Menschen. Sie waren die lebenden Zeugen von der Wahrheit und Wirklichkeit seines Dienstes, und zwar weil es offenbar geworden, dass sie der Brief Christi waren, angefertigt im Dienst durch den Apostel, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geiste des lebendigen Gottes; nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens. 

Das also ist der Christ — eine Person, in welcher die Welt Christum lesen kann, weil Christus durch den Heiligen Geist tief in sein Herz eingeschrieben ist. Beachten wir: es heißt nicht, dass es so sein sollte, sondern das; es so ist. Vielleicht offenbart ein Christ es nicht, und das ist dann höchst traurig; aber ein Kind ist ein Kind, mag es sich dieser Beziehung entsprechend verhalten oder nicht. Der Christ ist der Brief Christi, der gelesen werden soll von allen Menschen; das ist sein Platz, gerade so gewiss und wahrhaftig, wie einst das Gesetz auf steinerne Tafeln geschrieben wurde. Er muss es, wie gesagt, verwirklichen und hat es vor Gott zu verantworten, wenn er es nicht tut; aber er ist ein Brief. Der Heilige Geist gräbt Christum auf unsere Herzen ein, und dies muss in unserem Leben zur Darstellung kommen. 
Ja, mehr noch: indem wir mit unbedecktem „Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen, werden wir in dasselbe Bild verwandelt —-— wir wachsen hinein, und zwar von Herrlichkeit zu Herrlichkeit. Das ist der Christ, im Gegensatz zum Gesetz. Das Gesetz sagt uns, was ein Kind Adams sein sollte. Die Gnade nimmt den Menschen, macht ihn zu einem lebendigen Briefe Christi und lenkt seinen Blick auf den verherrlichten Menschen zur Rechten Gottes. 
Was antworten unsere Herzen auf solche Gnade? Und was liest die Welt in unserem Leben? Wir singen oft: „Im Wort, im Werk, in allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen«. — Ist’s Lippenwerk oder Herzenssache?