Botschafter des Heils in Christo 1919

02/06/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger
Botschafter des Heils in Christo Inhaltsverzeichnis: 1919Seite
Sieben wichtige Worte1
Der Glaube12
Lehr' uns lieben! (Gedicht)16
Freuet euch in dem Herrn!"17
Ein müder Diener. (1. Kön. 19.)25
Lebenskraft31
„Lichter in der Welt." (Gedicht)32
Auserwählt vor Grundlegung der Welt33
Die Segnungen Jakobs und Moses45
Christus, unser Hoherpriester und Sachwalter48
Gedanken über Job. 20, 19 und Hebr. 10, 2549
Dreschen. (Jes. 28, 27. 28.)57
Wenn diese Dinge anfangen zu geschehen61
Sieg65
Mit Jesu allein72
Ein Wort über Hebr. 6, 18-2077
Fragen aus dem Leserkreise79
Hütet euch!81
Lohn und Gnadengabe92
Gedanke.95
Wie betest du? (Gedicht)96
Wer segensreich sät, wird auch segensreich ernten.97
Triumphe der Gnade im Kreuze109
Tod und Auferstehung113
Gott bereut nicht122
Aus alten Briefen125
Unsterblichkeit der Seele, Seelenschlaf; 129, 141, 153,165
Wahre Ruhe149


Botschafter des Heils in Christo

Siebenundsechszigster Jahrgang

Elberfeld – Verlag von R. Brockhaus

1919

Sieben wichtige Worte

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 1ff

Der Brief des Jakobus richtet sich an „die zwölf Stämme“. Jakobus schreibt nicht an einzelne Gläubige, auch· nicht an eine Versammlung (Gemeinde) an irgend einem Orte, sondern an die Gesamtheit des Volkes Israel, mit welchem die gläubig gewordenen Juden damals noch in Verbindung standen — ein Umstand, der manche Ausdrücke, die dem ihn nicht beachtenden Leser Schwierigkeiten bereiten, leichter erklärlich macht.

Jakobus entwickelt auch nicht die Gnade Gottes in ihrer wunderbaren Entfaltung in Christo, wie andere Schreiber, vor allem der Apostel Paulus, es tun, sondern er redet von der Notwendigkeit der Übereinstimmung zwischen Bekenntnis und Wandel. Er lehrt nicht etwa Werkgerechtigkeit, wie einzelne Ausleger gemeint haben, sondern spricht von der Erweisung des Glaubens durch Werke der Gerechtigkeit, mit. anderen Worten, von der Rechtfertigung oder Bestätigung des Bekenntnisses zu Christo durch einen Wandel in Aufrichtigkeit und tätiger Liebe. Der Brief ist deshalb mit Recht „der heilige Gurt unserer Lenden“ genannt worden. Er enthält eine Fülle von „Ermahnungen für das praktische Leben.“

Betrachten wir heute einige Verse aus dem 4. Kapitel. Nachdem Jakobus dort an den ernsten Grundsatz erinnert hat, dass Gott den Hochmütigen widersteht, den Demütigen aber Gnade gibt, lesen wir: „Unterwerfet euch nun Gott. Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch fliehen. Nahet euch Gott, und Er wird sich euch nahen. Säubert die Hände, ihr Sünder, und reiniget die Herzen, ihr Wankelmütigen. Seid niedergebeugt und trauert und weinet; euer Lachen verwandle sich in Traurigkeit, und eure Freude in Niedergeschlagenheit. Demütiget euch vor dem Herrn, und Er wird euch erhöhen“ (V. 7-—10).

Diese kurzen Ermahnungen erinnern in ihrer knappen, eindringlichen Form unwillkürlich an einen Ausspruch Salomos: „Die Worte der Weisen sind wie Treibstacheln, und wie eingeschlagene Nägel die gesammelten Sprüche; sie sind gegeben von einem Hirten“ (Prediger 12,11). Man meint den Schlag des Hammers zu hören, wie er einen Nagel nach dem anderen an seiner Stelle eintreibt und so die von einem Hirten gegebenen sieben Sprüche· zu einem eindrucksvollen, einheitlichen Ganzen zusammenstellt — jeder Nagel an seinem richtigen Platze, und das Ganze ein ergreifender, zeitgemäßer Ruf des Erzhirten an Seine Herde, ganz besonders zeitgemäß für unsere Tage.

„Unterwerfet euch nun, Gott!“ Sieh da, mein Leser, den ersten Spruch, den ersten Nagel. Fühlst du seinen Ernst, seine scharfe Spitze? Trotzdem der Mensch ein abhängiges Geschöpf, ist, wird ihm doch nichts schwerer, als sich zu unterwerfen. Seine Zierde, sein Schmuck wäre Gehorsam, aber in Wirklichkeit ist er ein „Sohn des Ungehorsams“, der gierig dem Willen seines Fleisches und seiner Gedanken folgt. Gleich einem widerspenstigen Zugtier, das gegen den Stachel ausschlägt und dadurch seine Wunden nur umso tiefer und schmerzlicher macht, widersetzt er sich den Anordnungen Gottes; sein eigener Wille soll um jeden Preis durchgesetzt werden. Der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbnis, der am Ende der Tage als „Widerchrist“ auftreten wird, kennzeichnet sich durch einen zügellosen Willen und durch die Auflehnung» gegen Gott und alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist. Mit anderen Worten, er verwirft jede Autorität und, Gewalt. Er ist der „Gesetzlose“, der in dem Zustand seines Falles völlig entwickelte Mensch, der Gipfelpunkt der Bosheit. Darum. wird im Blick auf ihn auch von dem Geheimnis der Gesetzlosigkeit geredet, im Gegensatz zu dem Geheimnis. der Gottseligkeit, dessen Enthüllung wir in Christo, dem zweiten Menschen, erblicken, der freiwillig, als Gott, geoffenbart im Fleische“, den Platz der Abhängigkeit und des Gehorsams einnahm, und als der Sanftmütige und von Herzen Demütige hienieden wandelte.

Schon zur Zeit der Apostel war der antichristliche Geist wirksam. Heute offenbart er sich in geradezu erschreckenden Formen. Wir stehen nahe am Ziel, dicht an der Schwelle der „Zeit des Endes“. Mit umso größerer Kraft richtet sich daher an alle, die Gott kennen und aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf herausgenommen sind, die Mahnung: „Unterwerfet euch Gott!“ In demselben Maße, wie sie ihr folgen, sind sie ein Zeugnis, ein Licht in der sie umgebenden Finsternis, während zugleich der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, ihre Herzen erfüllt. Denn der wahrhaft demütige ist auch der wahrhaft glückliche Mensch. Indem er sich Gott unterwirft, genießt er das süße Bewusstsein der auf ihm ruhenden Liebe Gottes, und dieses Bewusstsein gibt ihm die volle Überzeugung, dass der Vater alles wohl macht und nur Gedanken des Friedens über ihn hat. Er ist froh und dankbar, dass er keinen eigenen Willen zu haben braucht, sondern alles in die guten und starken Hände Gottes legen darf.

Und selbst wenn es Gott für gut und nötig hält, und schmerzliche Züchtigungswege zu führen, und der Gläubige sich sagen muss: »Ich habe die Wege verdient, verursacht“, wenn gar, infolge eigener Schuld, tiefe Traurigkeit über ihn kommt, ja, alle sich von ihm abwenden, selbst dann kann er, wie einst David in einem ähnlichen Falle, „sich stärken in Jehova, seinem Gott“ (Vergl. 1. Sam. 30, 1 — 6). Indem er sich willig unter Gott beugt und den bitteren Kelch aus des Vaters Hand nimmt, wird seine Seele wiederhergestellt, und der Genuss der Gemeinschaft mit Gott wird wiedergewonnen. In das Herz, in welchem jetzt gebahnte Wege sind, kehren Zuversicht und Vertrauen zurück (Ps. 84, 5).

„Widerstehet dem Teufel, und er wird von euch fliehen.“ — So lautet der zweite Spruch, der, wie wir sogleich sehen werden, zu dem ersten in unmittelbarer Beziehung steht. Satan ist der große Widersacher Gottes und Seines Volkes. Das Werk Gottes zu verderben, Sein Tun zu stören und die Seinigen zum Ungehorsam zu verleiten, ist sein Ziel. Gott gegenüber völlig machtlos, soweit Gott ihm nicht zu wirken gestattet, ist er für uns ein listiges: und gewaltiger Feind; aber, Gott sei Dank! auch ein besiegter, geschlagener Feind. Unser Herr und Heiland hat ihn überwunden und ihm seine Macht genommen. Darum, sobald er Christo in uns begegnet, flieht er kraftlos davon.

Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass „viel Macht und große List sein grausam Rüstung ist“. Wenn er sich auch in unseren Tagen weniger als der „brüllende Löwe“ offenbart, der Verfolgungen aller Art zu erwecken vermag, ist er doch als die „listige Schlange“ unausgesetzt bemüht, uns Schlingen und Fallstricke zu legen, um uns von dem Pfade der Unterwerfung unter Gott abzulenken, auf unsere Leidenschaften zu wirken und unseren Willen zu weiten. So hat er es selbst bei unserem geliebten Herrn zu tun versucht; aber in diesem demütigen und vollkommen abhängigen Menschen war kein Anknüpfungspunkt für ihn zu finden. Satan musste beschämt und besiegt von dannen gehen.

Widerstehet dem Teufel! Wir sind berufen, uns Gott zu unterwerfen, aber Satan gegenüber ist der entschiedenste Widerstand am Platz. Nicht Überlegen und Verhandeln, nein, Widerstand, Abweisung! Und wenn er so auch in uns keinen Anknüpfungspunkt findet, sondern dem Geist und Gehorsam Christi begegnet, wenn wir auf seine Versuchungen nicht eingehen, weil eben der Wille und das Wohlgefallen Gottes alles für uns sind, dann weicht er nicht nur zurück, sondern er flieht! Er steht, so schwach und hilflos wir in uns selbst sind, seine Sache verloren, denn Christus ist in uns, Derselbe, dem er einst in der Wüste und in Gethsemane begegnet ist, und der ihn völlig aus dem Felde geschlagen hat.

Der Herr schenke uns .denn Gnade, dass wir nahe genug bei Ihm bleiben, um Satans listige Angriffe und Verführungskünste unterscheiden und, angetan mit der Waffenrüstung Gottes, „an dem bösen Tage“ (Eph. 6) widerstehen zu können! „Der Gott des Friedens aber wird in kurzem den Satan unter unsere Füße zertreten“ (Röm. 16, 20). Dann wird aller Kampf beendigt sein und ewige, selige Ruhe uns umgeben. O wie werden wir uns freuen! Aber bis dahin heißt’s wachsam und nüchtern sein, „zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen“.

Als Dritter in der Reihe glänzt der Spruch: „Nahet euch Gott, und Er wird sich euch nahen“. Kostbare Worte! Der Gott, dem wir uns unterwerfen, ist unser Vater. Wir kennen Ihn als solchen und wissen, dass es Sein Herz erfreut, wenn Seine Kinder oft vor Ihn kommen mit Gebet, Fürbitte und Danksagung. Das Verhältnis, in welchem wir zu Ihm stehen, ist ein Verhältnis nicht nur der Abhängigkeit, sondern auch des kindlichen Vertrauens. Aber wir sind stets in Gefahr, aus dieser gesegneten Beziehung herauszutreten und in Unabhängigkeit und Eigenwillen zu wandeln. Daher die Ermahnung.

Je aufrichtiger unsere Abhängigkeit und je einfältiger unser Vertrauen ist, desto mehr werden wir Gottes Nähe aufsuchen, und gewiss, Er wird unser Flehen nie unbeantwortet lassen. Es ist ja die Freude des großen, allmächtigen Gottes, uns zu nahen und sich uns offenbar zu machen. Wohl mögen wir im Blick darauf mit dem Psalmisten ausrufen: „Kenntnis, zu wunderbar für mich, zu hoch: ich vermag sie nicht zu erfassen“ oder mit dem Apostel: „O Tiefe des Reichtum!“ (Ps. 139, 6; Röm. 11, 33). Und wenn wir an die Verwirklichung dieses Verhältnisses unserseits in Vergangenheit und Gegenwart denken, mag nichts anderes als tiefe Beschämung und ernste Beugung unser Teil sein. Dennoch aber behält der Spruch seine kostbare Kraft und Bedeutung. Durch „furchtbare Dinge in Gerechtigkeit“ hat Gott uns darüber belehrt, dass nicht nur manche Verfehlungen und Untreuen, sondern auch unzählige Unterlassungssünden auf unserem Wege lagen, Kälte und Gefühllosigkeit, verbunden mit einem wachsenden Hang zu Bequemlichkeit und gemächlicher Ruhe. Ach! wohin wir blicken, gibt es nur Ursache, uns anzuklagen und zu richten. Aber doch bleibt es wahr: „Nahet euch Gott, und Er wird sich euch nahen!“ Seine Liebe hat nie aufgehört, Seine Treue wankt nicht. In unendlicher Güte lässt Er sich zu· uns herab in unserem niedrigen Zustand und redet inmitten der Züchtigung tröstliche Worte zu uns. „Die Hand unseres Gottes ist über allen, die Ihn suchen, zum Guten“, sagt Esra in einer ähnlich bösen Zeit. Der Zugang zum Gnadenthron ist nicht versperrt. Gott lässt sich gern „von uns erbitten“ (Esra 8, 22. 23), und selbst wenn wir, wie es ja der Fall ist, vieles zu bekennen haben, ist Er doch einerseits treu und gerecht, dass Er vergibt und reinigt, und andererseits voll von Mitgefühl und Erbarmen.

Die Rückkehr in Seine Gegenwart — o möchten wir nur alle mit heiliger Entschiedenheit dahin zurückkehren! — verleiht der Seele« neue Kraft und Frische, bewirkt Freimütigkeit und Vertrauen, indem in dem Licht Gottes alles erkannt und hinweggetan wird, was der Seele hindernd im Wege stand. Das wiedererlangte Bewusstsein Seiner Nähe bringt, selbst angesichts wachsender Schwierigkeiten und anscheinend unlösbarer Fragen, Ruhe und Mut ins Herz und lässt es still und getrost in die Zukunft schauen. Das Gewissen wird wach und zart. Man ist vor Gott offenbar, man wandelt im Licht, und Gott selbst ist die feste Burg, der Zufluchtsort der Seele. Sie bleibt im Schatten des Allmächtigen (Ps. 91, 1). Sie heißt dann auch die beiden folgenden Sprüche, so ernst sie sind, von Herzen willkommen:

„Säubert die Hände, ihr Sünder!" und; „Reiniget die Herzen, ihr Wankelmütigen!“

Hier möchte freilich gefragt werden: Richten sich denn diese Ermahnungen wirklich an Gläubige? Werden solche in der Schrift jemals so angeredet? Nein, wenigstens nicht unmittelbar. Die beiden letzten Sprüche und den nächsten werden wir nur dann ganz verstehen, wenn wir uns an das im Anfang Gesagte erinnern, dass Jakobus an die „zwölf Stämme“ schreibt, die, obwohl viele Gläubige sich in ihrer Mitte befanden, zum größten Teil aus nicht wiedergeborenen, aber auf Grund ihrer Stellung und ihres Bekenntnisses verantwortlichen Menschen bestanden. Das erklärt die beiden ernsten, scharfen Ausdrücke: Sünder und Wankelmütige oder Doppelherzige.

Unmöglich kann Gott, der „Licht“ ist, mit Unreinheit oder Unlauterkeit in Wandel und Herz in Verbindung sein. Er hat „Lust an der Wahrheit im Innern“, und „Sein Angesicht ist wider die, welche Böses tun“, „Mühsal vermag Er nicht anzuschauen“. So gern Er dem Schwachen hilft und dem Unvermögenden Kraft und Gnade darreicht, so fern hält Er sich von denen, die in Unaufrichtigkeit ihren Weg gehen. Ihr Rufen kann Er nicht erhören, ihnen selbst kann Er sich nicht nahen. Unsaubere, unheilige Hände, an denen unrechtmäßiger Gewinn klebt, die sich durch ihr Teilnehmen an zweifelhaften oder gar verbotenen Händeln besudelt haben, wie „Sünder“ es tun, solche Hände sind Gott ein Gräuel. Sie werden auch nicht dadurch reiner, dass sie das Erworbene freigebig mit dem „Leviten, der Witwe und dem Fremdling“ teilen wollen. Mancher sucht ja auf diesem Wege das anklagende Gewissen zum Schweigen zu bringen; aber es gelingt nicht. Wie wäre es auch möglich? Schmutz wird nicht dadurch entfernt, dass man ein wenig Lack darüber streicht. Im Gegenteil; er wird dadurch nur noch auffälliger. Und bedenken wir wohl:« Aus einer unsauberen Hand nimmt nicht einmal ein Hungriger gern ein Stück Brot; und Gott sollte aus solcher Hand eine Opfergabe wohlgefällig annehmen?!

Und wenn nun gar solche Hände sich falten zum Gebet oder sich zu Gott erheben wollen in dringenden Flehen (vergl. 1. Timotheus 2, 8), sollte Gott erhören können?! Unmöglich. O so säubert die Hände, ihr Sünder, und reiniget die Herzen, ihr Wankelmütigen! Wenn das Herz geteilt ist und hin- und herschwankt zwischen Gott und Welt, zwischen Heiligem und Unheiligem, dann kann Gott sich ihm nicht zuneigen, noch weniger es mit Friede und Freude, mit Mut und Vertrauen erfüllen. Selbst wenn dann die Hände äußerlich sauber erscheinen, steht’s dennoch gar übel aus. Ein menschlich achtbarer, unanstößiger Wandel lässt sich ja eine Zeitlang mit einer wankelmütigen Gesinnung, einem doppelten Herzen verbinden. Aber Gott steht das Herz an, und Er will ein aufrichtiges Herz, das bereit ist, Seinem Wort und Willen unweigerlich zu folgen. Alle Halbheit und Unentschiedenheit ist Ihm ein Abscheu. Darum bittet David in Psalm 51: „Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in meinem Innern einen festen Geist!“ Beides war ihm abhanden gekommen, aber er suchte es wieder mit Aufrichtigkeit und heiligem Ernst; und Gott erhörte ihn.

Diese Reinigung und Erneuerung führt durch ernste, vielleicht erschütternde Erfahrungen. Da verstummt dann das Scherzen, die Freude verwandelt sich in Trauer, das Lachen in Weinen. Genauso, wie Jakobus weiter sagt:

„Seid niedergebeugt und trauert und weinet; euer Lachen verwandle sich in Traurigkeit, und eure Freude in Niedergeschlagenheit.“ Wieder wollen wir uns ins Gedächtnis rufen, dass Jakobus zu dem ganzen Volke redet, aber doch auch uns prüfen; ob und inwieweit diese ergreifenden Worte nicht auch eine Stimme für uns, die Gläubigen, haben.

Was in den letzten Jahren des Krieges, nachdem die anfänglich ernste Stimmung verflogen war, rund um uns her sich gezeigt hat, was man da an übermütigen, vermessenen Redensarten, an Ausgelassenheit und schamloser Ungebundenheit zu hören und zu sehen bekam, trieb dem Beobachter manchmal einen kalten Schauder über den Rücken. Gott hat von dem allen Kenntnis genommen, und Ihm sind nicht nur diese groben Ausbrüche fleischlicher Gesinnung verhasst, Er hasst auch alles oberflächliches leichtfertige Wesen, alle Witzelei und eitle Rede. Und ist nicht doch wohl manches davon in unseren Häusern gewesen oder gar noch vorhanden?

Den Schluss der Ermahnungen bildet das kurze, schöne Wort: „Demütiget euch vor dem Herrn, und Er wird euch erhöhen“. Dem Menschen geziemt Demut. Was ist er dem großen Gott gegenüber, vor allem angesichts der Offenbarungen Seiner wunderbaren Gnade und Weisheit in Christo! Nichts, weniger als nichts! Aber der Mensch ist von Natur stolz und hochmütig, und der Christ ist ein Mensch. der seine alte Natur noch an sich trägt. Deshalb gebührt ihm nicht nur Demut, sondern Demütigung, vor allem im Blick auf jede Vermengung mit einer Welt, die in ihrem Hochmut Christum verworfen hat und dem Gericht entgegengeht. Wer demütig ist, wie der Herr Jesus es war, braucht sich nicht zu demütigen; aber in uns allen ist die Neigung stark, uns zu erheben und etwas von uns zu denken. Sind wir in der Gegenwart Gottes, so wird diese Neigung niedergehalten: wir fühlen unser Nichts und denken an Gott, nicht an uns. Die gute Meinung, die wir vielleicht vorher von uns hatten, schwindet, und wir demütigen uns vor Ihm. Und indem wir es vor Ihm, in Seiner heiligen Gegenwart, tun, nicht „nur mit Worten, noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit“, hebt Er uns aus dem Staube empor. Die Erhöhung, welche die Seele so von Seiten Gottes erfährt, macht sie nicht stolz, sondern weckt in ihr tiefe Dankbarkeit und anbetende Freude. Sie erfährt, dass trotz all ihrer Verfehlungen Gottes Güte jeden Morgen neu und Seine Treue sehr groß ist, und inmitten einer Welt, die in vermessenem Stolz sieh weigert, Gott die Ehre zu geben und die eigene große Schuld zu bekennen, geht sie still und demütig in heiliger Absonderung ihren Weg und harrt auf Gott, und Gott hat Wohlgefallen an ihr.

„So demütiget euch unter die mächtige Hand Gottes, auf dass Er euch erhöhe zur rechten Zeit, indem ihr alle eure Sorgen auf Ihn werfet!« (1.Petr.5, 6. 7.) Viel Ursache zu banger Sorge ist da, aber „Er ist besorgt für uns“, und „Tag für Tag trägt Er unsere Last“ (Ps. 68, 19). Das ist genug.

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Der Glaube

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 12ff

Wir reden in Verbindung mit christlichen Dingen so viel von dem „Glauben“, dass es sich lohnt, ein wenig näher zu untersuchen, was eigentlich die Schrift von ihm sagt. Nur so können wir wirklich bekannt werden mit dem, worüber wir so gern und vertraulich reden.

Der erste Teil des Briefes an die Römer spricht in ganz besonderer Weise von diesem Gegenstand, oder doch wenigstens von dem Glauben, wie er zunächst indem Sünder geweckt wird. Über das Leben des Glaubens in einem Erlösten handeln andere Teile der Schrift, so z. B. das uns allen so gut bekannte 11. Kapitel des Hebräerbriefes.

Schon gleich im Anfang des Briefes an die Römer hören wir, dass es „Glaubensgehorsam“ ist (Kap. 1, 5), den Gott jetzt Seinem Evangelium gegenüber erwartet. Und wenn wir ein wenig nachdenken, so werden wir erkennen, dass der Gehorsam, welchen der Glaube Gott darbringt, die höchste und annehmlichste Form ist, die der Gehorsam annehmen kann. Wenn wir Gott als einem Gesetzgeber gehorchten, so würden wir Seiner Oberhoheit und Autorität Ehre geben; wenn wir Ihm aber Gehorsam entgegenbringen als Dem, der sich in der Gnade und dem Heil des Evangeliums geoffenbart hat, so ehren wir Ihn selbst.

Darum — obwohl es Gnade ist, die sich mit uns beschäftigt —— trägt die Antwort, welche die Gnade durch den Glauben empfängt, Gott doch reichere Ehre ein, als Er je auf einem anderen Boden hätte empfangen können. Unser Glaube ehrt Gott als einen Heiland. Gott würde aber, wenn auch unser Verhalten mit jedem Buchstaben Seiner Gebote in Übereinstimmung wäre, nur als Gesetzgeber Ehre haben.

Durch Jesum Christum, sagt der Apostel in der soeben angeführten Stelle, „haben wir Gnade und Apostelamt empfangen für Seinen Namen, zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen“. Für Seinen Namen — Christi Verherrlichung war und ist unmittelbar mit dem Evangelium verbunden, das der Apostel verkündigte. Wie ich bereits sagte: die höchste, willkommenste und strahlendste Ehre, die diesem Namen priesen werden kann, empfängt er von dem Glauben, den ein armer, verlorener Sünder dem Evangelium zollt.“

Weiterhin hören wir von dem, was der Glaube für sich als Besitz beanspruchen darf, und da zeigt es sich denn, dass, wenn Gott am meisten durch unseren Glauben verherrlicht wird, wir unserseits durch den Glauben die höchste Würde empfangen, die einem Geschöpf zu teil werden kann, nämlich „die Gerechtigkeit Gottes« selbst. Unmöglich könnte ein Geschöpf in einer herrlicheren Würde stehen als dieser, und doch ist sie unser Teil ohne irgend ein Verdienst unserseits, einfach durch den Glauben an das Evangelium.

In Verbindung damit werden wir dann an den Gegenstand erinnert, von dem wir Besitz ergreifen, um die göttliche Gerechtigkeit zu erlangen. Es ist „Jesus“ und „Sein Blut“, wie wir in Kap. 3, 22 lesen: „Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesum Christum gegen alle und auf alle, die da glauben“ (Vergl. auch V. 25. 26).

Für das Auge des Glaubens hat Gott eine ,,Sühnung", einen Gnadenstuhl bereitet, und der Glaube kennt Gott jetzt nicht nur als „gerecht“, sondern auch als „Den, der rechtfertigt". Er darf im Innern des Heiligtums stehen und dort den Gnadenstuhl oder „Sühndeckel“ erblicken, der sich über dem Gesetz befand. Das Gesetz oder das Zeugnis. lag in der Bundeslade, und der Gnadenstuhl, auf welchem die Herrlichkeit thronte, bedeckte die Lade. Auf diese Weise hielt das Gesetz gleichsam den Thron Gottes aufrecht, und mit Recht, denn es könnte unmöglich Gottes Thron sein, wenn nicht Gericht und Gerechtigkeit seine Grundlage bildeten, d. h. zu voller Geltung und Ausübung kämen. Wie aber ist das möglich, ohne den Sünder zu zerschmettern? Weil außer dem Gesetz auch das Blut da ist, welches den Vorhang zerrissen und alle gerechten Forderungen des Thrones Gottes erfüllt hat. Der Tod des Herrn Jesus hat die Sühnung für uns vollbracht; indem er die Frage der Sünde löste, ist der Gerechtigkeit Gottes volle Genüge geschehen, und wenn nun der Glaube nach oben schaut, erblickt er dort den Gnadenstuhl und gelangt so in den Besitz der Gerechtigkeit Gottes. Er ergreift seinen Gegenstand und nimmt Besitz von seiner persönlichen Würde. Kostbarer Glaube!

Weiterhin wird uns gesagt, dass der Glaube „jeden Ruhm“ auf Seiten des Menschen ausschließt. Er wendet sich in gleicher Weise an alle, an die heidnische Welt wie an das Volk Israel. Ein Gott, der sich in Gnade geoffenbart hat und im Glauben ergriffen wird, ist der Gott der Heiden wie der Juden.

Ferner bestätigt der Glaube das Gesetz, indem er nichts anerkennt, es sei denn auf Grund dessen, was Christus getan hat, um „das Gesetz groß und herrlich zu machen“.

Der Glaube setzt den hochgelobten Gott in Tätigkeit und erhält das Geschöpf auf dem Boden eines Empfängers. Er gibt Gott allein Ruhm und Ehre.

Das sind einige der herrlichen Züge und Ergebnisse des Glaubens, wie sie uns im 3. und 4. Kapitel des Römerbriefes geschildert werden. Nachher hören wir mancherlei über die gesegnete Stellung, in die wir durch den Glauben gebracht sind. Und hier möchte ich betonen, dass der Glaube eine durchaus persönliche Sache ist. Das Evangelium ist, wie der Apostel sagt, „Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden . . ., wie geschrieben steht: „Der Gerechte (Einzahl) wird aus Glauben leben“ (Kap. I, 16. 17). Ein jeder von uns steht als einzelne Persönlichkeit durch den Glauben in den gesegneten Beziehungen, in die wir gebracht sind, und die uns im 5. Kapitel und weiterhin beschrieben werden· Welche sind diese?

1. Der Glaube gibt uns, obwohl wir Sünder sind, einen vollen, gegenwärtigen Frieden mit Gott.

2. Er gibt uns Zugang zu der Gnade oder Gunst, in welcher wir stehen.

3. Er versetzt uns in die gewisse, zuversicht1iche Hoffnung der Herrlichkeit.

4. Er gibt uns Ursache, uns der Trübsale zu rühmen.

5. Er führt uns in die vollkommene Liebe Gottes ein.

6. Er gibt uns ein Interesse an dem gegenwärtigen Leben Christi, genauso wie an Seinem für uns vollendeten Tode.

7. Er offenbart Gott selbst als eine Quelle der Freude für uns.

Wenn das die Züge des Glaubens, seine Ziele und Ergebnisse sind, ist es dann ein Wunder, dass die Schrift so viel vom Glauben redet? Fürwahr, ein Gottesdienst, der auf solcher Grundlage ruht, muss von Gott sein. Er ist das Geheimnis eines unmittelbaren, persönlichen Vertrauens auf Christum, das alle Krücken und Stützen menschlicher oder fleischlicher Religiosität wegwirft.

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Lehr uns lieben

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 16ff

Lehr’ uns lieben, wie Du liebtest,

Langmut üben, wie Du übtest,

dessen Wunsch und Bitte war:

Lass ihn nur noch dieses Jahr!

Lehr’ uns streiten, wie Du strittest,

willig leiden, wie Du littest,

mit Dir sprechen sanft und still:

Also sei`s-, wie Gott es will!

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Freuet euch in dem Herrn

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 17ff

Der Apostel Petrus redet in seinem ersten Briefe von einer „unaussprechlichen und verherrlichten Freude“, welche die an den auferstandenen Herrn Glaubenden besaßen. (Kap. 1, 8.) Liest man dann den Brief an die Philipper, so hat man das tiefe Empfinden: Hier redet ein Mensch zu uns, der von dieser unaussprechlichen und verherrlichten Freude erfüllt war. Das macht uns den Brief, obwohl er nicht so hohe Wahrheiten behandelt wie z. B. der an die Epheser oder Kolosser, so besonders lieb und wert.

An drei Stellen fordert der Brief uns auch zur Freude auf. Zum ersten Mal in Kap. 2, 18. In diesem Kapitel redet der Apostel von der Niedriggesinntheit, die den Gläubigen zieren soll, die von Natur ihm aber nicht eigen ist, auch nicht in eigener Kraft hervorgebracht werden kann. Die. einzige Quelle, aus der die dazu nötige Kraft zu schöpfen ist, zugleich das wunderbare Muster dieser Gesinnung ist Jesus Christus, der, obwohl Er in Gestalt Gottes war, es nicht „für einen Raub“ hielt, Gott gleich zu sein, sondern sieh selbst zu „nichts machte“, Knechtsgestalt annahm und gehorsam wurde bis zum Tode am Kreuz. Die liebende Betrachtung dieses Herrn erfüllt das Herz mit Anbetung und mit jener verherrlichten Freude, von welcher Petrus redet, und befähigt es, dieselbe Gesinnung zu offenbaren, wie sie in Christo Jesu war.

So stand es mit dem Apostel Paulus. Er schrieb nicht nur den Gläubigen: „Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu war“, sondern trug selbst diese Gesinnung zur Schau. Er konnte den Korinthern zurufen: „Ich will aber sehr gern alles verwenden und völlig verwendet werden für eure Seelen, wenn ich auch, je überschwänglicher ich euch liebe, umso weniger geliebt werde" (2. Kor. 12, 15). Und unser Kapitel stellt uns vor, wie er sich selbst völlig aus dem Auge verlor, um so das Opfer, welches von den geliebten Philippern dargebracht wurde, durch seinen Märtyrertod in den Augen Gottes umso kostbarer und wohlannehmlicher zu machen. Selbst der Gedanke an einen vielleicht qualvollen Tod vermochte die Freude seines Herzens nicht zu trüben. Sie war so groß, dass er die Philipper auffordern konnte, sich mit ihm zu freuen. Der Gedanke, den treuen Diener zu verlieren, mochte wohl die Philipper mit Traurigkeit erfüllen; aber sie sollten sich daran erinnern, dass, wenn „das Opfer und der Dienst ihres Glaubens“ durch seinen Tod nur noch mehr zur Ehre Gottes gereichen würde, sie mit ihm nur Ursache hätten, sich zu freuen.

Es ist wohltuend für unsere Herzen, ein solches Bild betrachten zu dürfen. Auch uns sollte diese Freude nicht fremd sein. Das Betrachten unseres anbetungswürdigen, erniedrigten Herrn wird unsere Herzen mit derselben Freude erfüllen und uns zugleich befähigen, eine ähnliche Gesinnung zu offenbaren wie der Apostel. Wie lieblich ist es, einem Jünger des Herrn zu begegnen, der sich selbst völlig vergisst und nur die Verherrlichung des Herrn und das Wohl Seiner Geliebten im Auge hat! Solch uneigennütziges Handeln erquickt das Herz.

Können andere hinsichtlich unser sich also freuen? Üben wir uns darin, nur an andere zu denken, in dem wir ihnen in uneigennütziger Liebe dienen und selbst in den Hintergrund treten? Auch für uns gibt es ein weites Feld zur Betätigung dieser Gesinnung. Ist sie bei uns vorhanden, so werden wir, selbst die Freude im Herrn genießend, auch fähig sein, anderen zuzurufen: „Freuet auch ihr euch“.

Unsere zweite Stelle leitet das dritte Kapitel ein. Sie lautet: „Übrigens, meine Brüder, freuet euch in dem Herrn!“ Der Zusatz: ,,Euch dasselbe zu schreiben ist mir nicht Verdrießlich, für euch aber ist es sicher“, oder: „euch aber dient es zur Sicherheit“, zeigt die große Wichtigkeit der „Freude im Herrn“. Sie ist nicht zu finden bei dem in pharisäischen Hochmut auf seine guten Eigenschaften pochenden Menschen. Wenn einer, so hatte Paulus in dieser Hinsicht mehr als andere auszuweisen. Hatte es ihm aber Freude und Befriedigung gebracht? Nein, in keiner Weise! Unser Kapitel belehrt uns, welche Leute es sind, die von wahrer Freude reden können. Zugleich wird uns auch hier wieder die Quelle gezeigt, von der aus die Freude im Herzen des Pilgrims auf seinem Glaubenspfade unterhalten wird. Diese Quelle ist der verherrlichte Christus droben.

Drei Dinge sind bei denen vorhanden, die der Apostel zur Freude im Herrn ermuntert. Erstens: sie dienen durch den Geist Gottes; zweitens: sie rühmen sich des Herrn Jesu, und drittens: sie vertrauen nicht auf das Fleisch.

Bei Paulus traten diese drei, den Christen kennzeichnenden Züge besonders klar und scharf hervor. Die Verse 7—15 stellen uns einen Menschen vor Augen, der sich einzig und allein Christi Jesu rühmte, dessen Glaubensauge auf Ihn, den verherrlichten Menschensohn, allein gerichtet war, und der danach trachtete, selbst auf dem schmerzlichsten Wege am Ziele, bei dem Kampfpreis der Berufung Gottes, anzulangen.

Mit geistlicher Entschiedenheit überwand er alles, was ihm dieses Ziel verdunkeln oder verrücken konnte, und so wurde er befähigt, stets jene wunderbare Freude im Herrn zu genießen. Selbst grausame Misshandlungen, Gefängnis und Ketten vermochten nicht ihm diese Freude zu rauben; sie wurde vielmehr zu einer unaufhörlich sprudelnden Quelle der Kraft, Trübsal und Bande mit freudigem Ausharren zu erdulden, ja, alle diese Leiden um Christi willen als ein Vorrecht zu betrachten. Für ihn war die Freude im Herrn wirklich Stärke (Vergl. Neh. 8, 10).

„Wenn es uns nun zur Sicherheit dient, diese Freude zu genießen, wie sollten wir uns dann nach dem Beispiel des Apostels beeifern, nur ein Ziel, nur einen Gegenstand vor Augen zu haben, nämlich diesen verherrlichten Herrn zur Rechten Gottes! Zuweilen ist es ja so bei uns; und wir wissen aus Erfahrung, welche Freude uns das bereitet, und wie standhaft es uns macht im Ertragen der mannigfachen Versuchungen und Übungen auf dem Wege. Aber sollte es nur zuweilen so sein? Sollten wir uns nicht darin „üben“, dass wir diese Freude im Herrn allezeit als unser gesegnetes Teil genießen? Dann würde die Welt an uns sehen, dass wahres Christentum etwas gibt, was „von ihr nicht zu erlangen ist, und dass der Herr Jesus „nicht kärglich gibt, wie die Welt« es tut, sondern dass Er ein „überIaufendes Maß“ von Freude und Seligkeit darreicht.

Nun könnte die Frage erhoben werden: »Wie ist es aber möglich, sich zu freuen, wenn Mangel, Nöte und Schwierigkeiten sich einstellen?“ Dieser Frage begegnet unsere dritte Stelle. Sie fordert uns auf: „Freuet euch in dem Herrn allezeit“ (Kap. 4, 4), und belehrt uns zugleich, wie wir uns zu verhalten haben, um dieser Aufforderung in allen Lagen entsprechen zu können.

Da hören wir denn merkwürdiger Weise zunächst ein Wort über unseren Verkehr mit den Menschen um uns her. Sie alle sollen unsere Gelindigkeit erfahren. Von Natur ist der Mensch nicht gelinde und nachgiebig, sondern hart und herrschsüchtig." So muss der Gläubige wohl auf der Hut sein, dass nicht die alte Natur sich bei ihm offenbare, sondern« der neue Mensch, „der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“; und das umso mehr, weil „der Herr nahe ist“, der alles in Ordnung bringen wird. Gott selbst «hat mit uns in Liebe und Güte gehandelt, und hat nun Wohlgefallen daran, wenn auch wir Güte und Milde offenbaren. Ein Gläubiger, der in Härte handelt, kann unmöglich von Freude im Herrn reden.

Das Kommen des Herrn bedeutet für uns den Eingang in die reichen Segnungen und Freuden Seiner Gegenwart, zugleich aber auch den Abschluss unseres Dienste hienieden. Die Gelindigkeit nun gehört mit zu den Tugenden, die wir als „königliche Priester“ verkündigen sollen zum Segen unserer Mitmenschen; und wie mancher Feind des Evangeliums ist schon durch Gelindigkeit und Milde überführt und gewonnen worden!

Weiter redet der Apostel von Sorgen. Sie sind mehr als alles andere dazu angetan, die Freude im Herrn einzudämmen, ja, sie völlig aus dem Herzen zu verdrängen. Wie der Feind bei dem Unbekehrten bemüht ist, durch Lebenssorgen „das Wort zu ersticken“, so sucht er dem Gläubigen auf gleichem Wege den Blick zu verdunkeln und die Freude zu rauben. Der Herr warnt wiederholt Seine Jünger, „nicht besorgt zu sein für das Leben«, und hier ruft der Apostel den gläubigen Philippern zu: „Seid um nichts besorgt!“ Um nichts? Das ist doch schier unmöglich! Ja, menschlich beurteilt, ist es unmöglich, aber für den Glauben gibt es dennoch eine Möglichkeit, und der Heilige Geist zeigt uns den Pfad, den wir zu gehen haben, wenn schwere Sorgen uns niederbeugen wollen. Er fügt dem: „Seid um nichts besorgt“ die Worte hinzu: „sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christo Jesu“. Betritt der Glaube, hinschauend auf die Liebe und Allmacht Gottes, vertrauensvoll diesen Weg, „wirft“ er alles auf Ihn, von dem schon der Prophet sagt: „In all ihrer Bedrängnis war Er bedrängt“, und der Psalmist: „Gepriesen sei der Herr! Tag für Tag trägt Er unsere Last“ (Jes. 63,9; Psalm 68, 19), legt er Ihm, der Seinen geliebten Sohn uns nicht vorenthalten hat, alles ans Herz, so schwindet die Sorgenqual, und in der Gegenwart Gottes, wo der Friede durch nichts gestört werden kann, strömen Friede und Freude ins Herz und machen es ganz still. Der Glaube weiß ja: Er, mein Gott und Vater, hat von allem Kenntnis genommen, und Er wird zu Seiner Zeit, nach Seinem Wohlgefallen, alles herrlich hinausführen. Auf diesem Wege kommt der Gläubige sogar dahin, es „für lauter Freude zu achten, wenn er in mancherlei Versuchungen fällt“ (Jakobus 1, 2), ja, sich der Trübsale zu rühmen, da er weiß, dass sie ihm nur Segen bringen können.

Auch dies hat der Apostel uns vorgelebt. Wie uns die Verse 10—18 unseres Kapitels berichten, hatte er „gelernt“, in allem sich zu begnügen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden. Praktisch unterwiesen, alle seine Anliegen vor Gott zu bringen und sich an Seiner Gnade genügen zu lassen, vermochte er alles in Dem, der ihn kräftigte. Sein Herz war voll Freude im Herrn, und hinsichtlich der Gläubigen konnte er voll Zuversicht sagen: „Mein Gott aber (dessen Macht und Gnade er auf dem Wege kennen gelernt und erprobt hatte) wird alle eure Notdurft erfüllen nach Seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christo Jesu“.

Es braucht nicht betont zu werden, dass der Glaube in solchen Lagen besonders wirksam sein muss, verbunden mit einem kindlichen Vertrauen auf Gottes Liebe. und Weisheit; aber der Segen ist dann auch groß, und die Freude, die man genießt, besonders tief. Nicht dass man unempfindlich wäre gegen die Schwierigkeiten; nein, aber man lässt sich nicht durch sie beherrschen. Indem man alles an das Herz des liebenden Vaters legt, kann man, selbst wenn die Augen voll Tränen stehen, im Genuss des Friedens Gottes mit Asaph sagen: „Vergeht mein Fleisch und mein Herz — meines Herzens Fels und mein Teil ist Gott auf ewig“ (Ps. 73, 26).

Geliebter Leser! Wir werden in unseren Tagen in mannigfacher Weise auf die Probe gestellt, und der Feind wendet alles auf, um uns die Freude im Herrn zu rauben und unsere Herzen unglücklich zu machen. Lass uns denn acht haben aus die Belehrungen des Heiligen Geistes durch einen Mann, der selbst mehr als irgend ein anderer Drangsale und Schwierigkeiten zu erdulden hatte (man vergl. 2. Kor. 11, 23 - 33), der also aus Erfahrung redet und, indem er uns ein solches Leben tatsächlich vorlebte, uns zurufen kann: „Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder!“ (Kap. 3, 17).

Bald ist der Augenblick da, wo in der gesegneten Gegenwart unseres Herrn „Fülle von Freuden“ unser ungestörtes Teil sein wird. Schon im Blick auf den gläubigen Überrest Israels ruft der Prophet aus: „Die Befreiten Jehovas werden . . . nach Zion kommen mit Jubel, und ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen“. Ist das aber schon das Teil des irdischen Volkes, was wird das Erbe derer sein, die den Geist der Sohnschaft besahen, die „Kinder Gottes sind, wenn aber Kinder, so auch Erben —- Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm. 8, 16. 17).

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Ein müder Diener

Bibelstelle: 1. Könige 19

Botschafter des Heils 1919 S. 25ff

Also dahin war er gekommen, der gewaltige Glaubensheld: „Er bat, dass seine Seele stürbe!“ Er wurde schwach in dem Punkte, in welchem er am stärksten gewesen war. Ein Mensch wie wir, war er nicht in sich selbst stark, sondern nur in Gott; und das hatte er auf seinem bisherigen Wege bewiesen. Dass er jetzt zusammenbrach, war kein Wunder, wohl aber dass er sich wieder erhob.

Eben noch hatte Elia in der Kraft des Glaubens auf dem Karmel gestanden, und Jehova hatte sich wunderbar durch ihn bezeugen können. Der herrlichen Offenbarung der Kraft war ein Rückschlag gefolgt. Das kommt häufiger vor. Dem Hinaufsteigen folgt ein Hinabgehen, und die Tiefe des Gedrücktseins entspricht der Höhe des Entzückens.

Muss es so sein? Nein; solang der Herr meine Kraft bleibt, „vermag ich alles — in Dem, der mich kräftigt“. Er ,,macht meine Füße gleich denen der Hindinnen und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen“ (Hab. 3, 19). Außer Ihm aber vermag ich nichts.

Und Elia hatte sein Auge von Jehova abgewandt. Er litt unter einer schmerzlichen Enttäuschung. Isebel übte nach wie vor ihre gesetzlose Gewalt aus, und Israel war für Jehova nicht gewonnen. Auch mochte Elia von der Erregung ans Karmel und von dem Laufe vor Ahab her sehr müde geworden sein, denn Nerven von Stahl hatte auch er nicht. Und nun kommt seine Niedergeschlagenheit zum Ausdruck: „Es ist genug; nimm nun, Jehova, meine Seele, denn ich bin nicht besser als meine Väter“. Sein Wunsch war Torheit. Eben war er vor dem Tode nach Beerseba und von da in die Wüste geflohen. War er nicht jetzt auch nötiger für den Dienst Gottes denn je? Zudem sollte er nicht sterben. Wie töricht und unweise war deshalb seine Bitte! Sein Schmerz und seine Niedergeschlagenheit veranlassten ihn dazu. Er war mit den Umständen beschäftigt. Zu anderer Zeit hatte er gesagt: „So wahr Jehova lebt, vor dessen Angesicht ich stehe!“ Jetzt stand er vor einem Menschen, vor der gottlosen Isebel. Das machte ihn unfähig zum Urteilen.

Nein, es war „noch nicht genug“! In mancher Hinsicht hatte Gott ihm auch ein besseres Teil. gegeben als seinen Vätern. Er hatte ihn bevorzugt, mehr für Ihn zu tun als sie. Wie stark und kühn hatte der Herr ihn gemacht als Seinen Zeugen! Wieviel hatte er auch genossen: Krith, Zarpath, Karmel! Und hinsichtlich seines Heimgangs sollte er gleichfalls mehr begünstigt sein als sie: Gottes Wagen wartete auf — ihn!

Da liegt nun der müde Knecht unter« dem Ginsterstrauch. Er klagt und seufzt und wünscht den Tod herbei. Aber wie zärtlich ist der Herr gegen ihn! Er ist so ganz. anders als Menschen. Was würde wohl Obadja (1. Kön. 18) gesagt haben, wenn er Elia hier in dieser Verfassung angetroffen hätte! — Doch was tut der Herr? Er gewährt Seinem müden Knecht zunächst Schlaf. Das war besser als Medizin, als Vorwürfe, als geistliche Unterweisungen. Die hätte Elia da auch nicht fassen, nicht ertragen können. Dann speiste Er ihn mit stärkender und passender Nahrung. Er ließ ihn auch die Fürsorge und Hilfe von Engeln erfahren. „Ein Engel rührte ihn an.“ Und das alles zweimal! Und dann ging Elia „in der Kraft dieser Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Gottes, den Horeb“ (V. 8).

Er hatte jedenfalls nicht die Absicht gehabt, eine so weite Reise zu machen, als er in die Wüste floh, aber Gott führte Seinen Knecht an den Horeb, um in der heiligen Stille der Höhle (wohl dieselbe, in welcher einst Mose gestanden hatte) mit ihm zu reden. Die Schule war noch nicht aus, die Unterweisung noch nicht gelernt. Jahrhunderte früher war ein anderer treuer Mann auf den Horeb gestiegen, um über die Sünde und Abgötterei Israels mit Gott zu reden; aber mit welch anderen Gefühlen war es geschehen! Vierzig Tage und vierzig Nächte hatte Mose sich vor Gott niedergeworfen und um. Erbarmen und Vergebung geschrien, ja, er hatte endlich sich selbst in den Riss stellen wollen, um Sühnung für das Volk zu tun! „Lösche mich doch aus deinem Buche“, so hatte er gerufen, in der Angst seiner Seele völlig vergessend, dass sein Entstehen das geliebte Volk nicht retten konnte.

Wie ganz anders war die Stimmung des Propheten in diesem Augenblick! Er war nicht nur völlig entmutigt, sondern auch erbittert über Israel. Wieder und wieder verklagt er das Volk bei „Jehova, dem Gott der Heerscharen“ (an den „Gott Abrahams, Jsaaks und Jsraels“, Kap. 18, 36, denkt er nicht mehr) und redet dann von dem, was er für Jehova getan, wie er geeifert habe und nun ganz allein übriggeblieben sei. Es wäre ganz nach seinem Sinn gewesen, wenn der gewaltige, heilige Gott, wie einst bei der Gesetzgebung, sich in Sturm, Erdbeben und Feuer geoffenbart hätte, wenn ein vernichtendes Gericht über Ahab, Isebel und das ganze Volk gekommen wäre. Aber Gott war weder in dem Winde, noch in dem Erdbeben, noch in dem Feuer. Mochte Sein Knecht auch ungeduldig und mutlos werden, Er gedachte Seines Bandes mit Abraham, Isaak und Jakob. Noch war die Stunde der Abrechnung nicht gekommen. Das „sanfte Säuseln“ der Gnade ertönt, und ganz überwältigt tritt Elia mit verhülltem Angesicht an den Eingang der Höhle, und nun redet Gott unmittelbar mit ihm. Schon vorher war „das Wort Jehovas“ zu ihm geschehen (V. 9), jetzt redet Gott gleichsam von Angesicht zu Angesicht mit ihm, und wenn Elia auch den ganzen weiten Weg, den er gekommen war, wieder zurückwandern muss, so hat er doch die Gemeinschaft mit Gott wiedergefunden; und wenn das der Fall ist, so tritt alles andere in den Hintergrund, alles bekommt ein ganz anderes Gesicht.

Freilich erhält Elia jetzt einen Auftrag, der für sein Volk ein furchtbares Verhängnis und für ihn selbst den Abschluss seines öffentlichen Dienstes bedeutete: er soll Hasael und Jehu, die beiden unerbittlichen Vollstrecker des göttlichen Gerichts an Israel und dem Hause Ahabs, zu Königen salben, und Elisa, den Sohn Saphats, zum Propheten an seiner Statt (V. 16). Aber doch ist die unterbrochene Verbindung wiederhergestellt, und Elia geht willig nach Abel-Mehola, um den empfangenen Auftrag an Elisa auszuführen. Das Salben der beiden anderen Männer blieb ihm bekanntlich erspart. Erst im 8. Kapitel des 2. Buches der Könige wird uns berichtet, dass Elisa nach Damaskus kam und Hasael die Prophezeiung Gottes überbrachte, und im 9. Kapitel sendet Elisa einen Prophetensohn mit der Ölflasche nach Ramoth in Gilead, um Jehu zum König zu salben. Elias Weg war fortan — mit nur einigen wenigen, uns bekannten Ausnahmen (vergl. 1. Kön. 21; 2. Kön. 1) - still und verborgen, aber ohne Frage ein Weg reichen Segens, und -— er führte zur Entrückung in den Himmel!

So hatte Elia es wieder unmittelbar mit Gott zu tun, und wenn unser Herz auf Gott gerichtet ist, dann haben andere Dinge keinen großen Wert mehr. Zugleich hatte Gott noch eine gute, wenn auch zugleich beschämende Botschaft für Elia. Er konnte ihm sagen: „Ich habe mir siebentausend in Israel übriggelassen, alle die Knie, die sich nicht vor dem Baal gebeugt haben“ (V.18). Das Gefühl der Einsamkeit, des Alleinseins wurde dadurch dem Propheten genommen, allerdings auch die Meinung, dass nur er für Gott dagestanden und eingetreten sei. Beides war gut und notwendig, ein Segen für den müden Diener.

Welch ein wunderbarer Gott ist doch unser Gott! Wie vermag Er die Müden aufzurichten, die Kraft- und Mutlosen zu stärken! Welch eine Zärt1ichkeit erfüllt Sein Herz! Nicht Vorwürfe, sondern. wirksame Hilfe ließ Er Elia zu teil werden! Er ruhte nicht, bis Elia wieder „vor Jehova“ stand und die Verbindung mit der Quelle aller Kraft wiedergefunden hatte.

Wie wichtig ist es, dass auch wir vor dem Herrn stehen! Es ist jetzt nicht Zeit, müde zu sein oder über die Umstände zu klagen, sondern treu zu sein auf dem Wege Ihm nach und Ihm entgegen. Lasst denn unser Auge allezeit auf Ihn gerichtet sein, dann werden wir Kraft haben und Seinen Frieden genießen. Bleibt mein Aug’ auf Ihn gericht’, wanke und verzag’ ich nicht.“

Sollte aber hie und da jemand unter dem Ginsterstrauch liegen, so möge er Mut fassen. Der Herr ist voll treuer Liebe und zärtlichen Mitgefühls und vermag aufzurichten. Bitte nicht um den Tod! Die Entscheidung über den Ausgang unseres Weges sollten wir Gott überlassen. Für den Sünder ist es nie recht, den Tod herbeizuwünschen, denn der Tod bedeutet für ihn die Hölle. Dem Heiligen ist solcher Wunsch gestattet, aber doch innerhalb gewisser Grenzen. Er darf mit dem Apostel sagen: „Ich habe Lust abzuscheiden“ (Phil. 1, 23). Wir dürfen uns nach dem Himmel sehnen. Doch sollte der Beweggrund für uns nicht der sein, vom Dienst, von Mühen, Leiden, Enttäuschungen, Unehre u. s. w. befreit zu werden, sondern nur, bei Christo zu sein! Ungeduld, Leidenschaft, Stolz und Trog, dürfen nie den Grund unserer Sehnsucht bilden, sondern das Verlangen, Jesum zu sehen und bei Ihm zu sein allezeit. Noch über ein gar Kleines, dann kommen wir zur Ruhe. „Es wird nicht lang mehr währen, halt noch ein wenig aus! Es wird nicht lang mehr währen, dann kommen wir nach Haus!“ Dort ist dann Ruhe für die Müden, dort ist Ruhe für dich und für mich. Dort werden wir Ihn preisen, der uns errettet, durch die Wüste geleitet und zur Herrlichkeit geführt hat. Und:

Dann, wenn schauend wir Dir Ehre bringen,

jeder müde Kämpfer siegreich ruht,

werden ewig sel’ge Herzen singen: «

Du, o Jesu, machtest alles gut!

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Lebenskraft

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 31ff

Unter einer Gruppe schöner Buchen stand eine, die ihre jungen Triebe dem kommenden Frühling früher dargeboten hatte als die übrigen. Zu ihrem Schaden! Denn der kalte Ostwind hatte die zarten Schösslinge mit seinem scharfen Hauch erfasst, und zu der Zeit, wo die anderen Bäume im schönsten Grün prangten, fiel der eine Baum auf durch seine braunen, erstorbenen Blätter.

An einem Sommertage kam ich wieder an den Bäumen vorbei. Zu meinem Staunen erblickte ich an dem einen zahllose zarte Schösslinge, die zwischen trockenen, runzeligen Blättern hervorleuchteten. Das Leben hatte sich behauptet, trotzdem die Ostwinde dem Baum so übel mitgespielt hatten, und als die Sonne durch das bereits dunkel gefärbte Sommerlaub der anderen Bäume schien, da zauderte sie helle Lichter hervor auf dem im Frühlingskleid dastehenden Gefährten.

Hier, dachte ich, gibt die Natur uns Unterricht in dem Walten der Gnade. Mögen auch die Ersten zu Letzten werden, so werden doch die Letzten auch Erste sein. Manches Herz hat vor anderen Liebe für Christum bekundet, ist dann aber zurückgegangen und in Winters Kälte und Nacht versunken. Dennoch ist es später wieder warm geworden für den Herrn, zu einer Zeit wo Glaubensgenossen, die unter günstigeren, dem christlichen Leben mehr förderlichen Umständen heranwuchsen, sich zur Ruhe gesetzt hatten in dem erschlaffenden Dunstkreis eines hergebrachten Bekenntnisses.

Und als ich mir noch genauer den Baum besah, der mitten im Sommer das Bild des Frühlings bot, da lernte ich noch etwas anderes. Meine Aufmerksamkeit wurde gefesselt durch die seiner Zeit vertrockneten Blättchen. Während der Baum in der Kraft des neu erwachenden Lebens die Blätter des vergangenen Herbstes alle abgeschüttelt hatte, waren diese Blätter geblieben. Gerade so ist es mit dem Gläubigen, der in der Treue gegen seinen Herrn gefehlt hat. Die Erinnerung an die Verfehlung bleibt, aber nicht als eine Schwächung und hemmende Last, -— denn wenn der Herr vergibt, so tut Er ein ganzes Wert —, sondern um vor Selbstvertrauen und Selbstbetrug zu bewahren.

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Lichter in der Welt

Bibelstelle: Philipper 2,15

Botschafter des Heils 1919 S. 32ff

Hell leuchtet Gottes Herrlichkeit

mit unverhülltem Angesicht

aus Dir, mein Heiland, durch die Zeit,

der weiten Welt ein ew’ges Licht.

Und wen des heil’gen Lichtes Strahl

erfüllt mit seiner Gottesmacht,

der wird im dunklen Erdental

zum Stern für seiner Brüder Nacht.

Ach, Herr, ich leuchtete so gern!

o gib, dass mich Dein Licht durchdringt,

und mache mich auch Dir zum Stern,

der Rettung den Verlornen bringt!

Jul. Sturm.

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Auserwählt vor Grundlegung der Welt

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 33ff

Die Lehre von der Auserwählung und Zuvorbestimmung, die uns mit den vor Grundlegung der Welt gefassten Ratschlüssen Gottes bekannt macht, wird an verschiedenen Stellen der Schrift erwähnt, (1.Petr. 1,1. 2; 2. Tim. 1, 9; 1.Kor. 2, 7 u. a.) jedoch klar und bestimmt in Eph. 1 und in Römer 8 auseinandergesetzt.

Wir lesen in Epheser 1, 4 — 5: „Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus hat uns in Ihm auserwählt vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und tadellos seien vor Ihm in Liebe; und hat uns zuvor bestimmt zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst nach dem Wohlgefallen Seines Willens“. Wir schöpfen daraus folgende Belehrung:

1. In dem ,Herzen Gottes war der Plan Seiner ewigen Liebe, noch ehe die Welt war.

2. Unsere Auserwählung geschah vor Grundlegung der Welt und hatte zum Zweck, uns heilig und tadellos vor Ihm in Liebe hinzustellen. Dieser Zweck konnte aber nur erreicht werden, wenn wir in Christo auserwählt wurden, in dessen Person sich Liebe, Heiligkeit und Vollkommenheit vereinigten. Gott ist heilig Seinem Wesen nach, tadellos in allen Seinen Wegen, und Liebe ist Seine Natur; und nun hat Er uns in Christo auserwählt, dass wir heilig, tadellos und in Liebe vor Ihm sein sollen.

3. Gott hätte uns auch zu einer Stellung, ähnlich der der Engel, auserwählen können. Das hätte aber Seiner Liebe nicht genügt. Er wollte Kinder besitzen, wollte in der innigen Beziehung eines Vaters zu uns stehen und als Vater mit Seinen geliebten Kindern Gemeinschaft haben. Darum heißt es, dass Er »nach dem Wohlgefallen Seines Willens uns zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst zuvor bestimmt“ hat. So sind wir denn auserwählt in Christo, und sind Gottes Kinder durch Christum.

Wenden wir uns jetzt zu Römer 8. Der Apostel hatte in V. 28 gesagt, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach Vorsatz berufen sind. Das veranlasst ihn nun, über die Auserwählung der Gläubigen zu sprechen, die ja nach dem Vorsatz, den Gott vor Grundlegung der Welt gefasst hat, berufen sind. Denn welche Er zuvor erkannt hat, die hat Er auch zuvor bestimmt, dem Bilde Seines-Sohnes gleichförmig zu sein, damit Er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Welche Er aber zuvor bestimmt hat, diese hat Er auch berufen; und welche Er berufen hat, diese hat Er auch gerechtfertigt; welche Er aber gerechtfertigt hat, diese hat Er auch verherrlicht“ (V. 29. 30).

Gott hat uns also zuvor erkannt, d. h. in Verbindung mit Eph. 1: Gott hat uns vor Grundlegung der Welt als die Seinen gekannt. Und solche hat Er auch zuvor bestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig, also Christo in der Herrlichkeit gleich zu sein. „Wir wissen“, sagt der Apostel Johannes, „dass, wenn es offenbar werden wird, wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Joh. 3, 2).

Noch kann niemand an uns sehen, wer wir sind. Sobald wir aber einen Leib empfangen, der dem verherrlichten Leibe Christi gleichförmig ist (vergl. 1. Thess. 4 u. Phil. 3), werden wir als Söhne Gottes geoffenbart sein, da wir Söhne der Auferstehung sind, wie Jesus Lukas 20, 36 sagt. Dann ist der Vorsatz Gottes erfüllt, den Er vor Grundlegung der Welt gefasst hat. Durch Berufung, Rechtfertigung und Verherrlichung sind die Auserwählten dann dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig gemacht, und Jesus schämt sich nicht, sie Seine Brüder zu nennen; aber stets bleibt Er das Haupt und der Erstgeborene.

Das ist die Lehre von der Auserwählung.

Diese bedeutsame Wahrheit ist aber nur für die Gläubiger: bestimmt. Sie ist gleichsam ein Familiengeheimnis, keine öffentliche Frage. Denn das Wort Gottes wendet sich, wenn es von der Auserwählung redet, niemals an Unbekehrte, sondern immer nur an Gläubige. Der Brief an die Epheser war nicht an alle Einwohner von Ephesus gerichtet, sondern nur an „die Heiligen und Treuen in Christo Jesu, die in Ephesus sind“ (Kap.1,1). Ebenso war der Römerbrief nicht an alle Bewohner Roms geschrieben, sondern an „die Geliebten Gottes, die berufenen Heiligen, die in Rom sind«, zu denen der Apostel sagen konnte: „Euer Glaube wird in der ganzen Welt verkündigt“ (Röm. 1, 7. 8).

Ein Mensch erfährt erst, dass er auserwählt ist, wenn er an den Herrn Jesus als seinen Heiland geglaubt hat. Auf diesem Wege hatten auch die Gläubigen von Ephesus und Rom ihre Auserwählung kennen gelernt. Jede Seele steht unter der ernsten Verantwortlichkeit, das Evangelium anzunehmen, welches allen Menschen ohne irgendwelche Ausnahme das Heil mittels des Glaubens anbietet, sodass niemand die Wahrheit von der Auserwählung als die Ursache seines Nichtglaubens vorschützen darf.

Der unbekehrte Mensch hat mit der Frage der Auserwählung gar nichts zu tun. Es steht geschrieben, dass ein jeder, der an Jesum glaubt, ewiges Leben hat, und dass alle, die das Evangelium angenommen haben, auserwählt sind. Der unbekehrte Mensch kommt nicht als ein Auserwählter, sondern als ein verlorener Sünder, als ein Gottloser, als ein Feind Gottes zu Jesu, und wenn er dann an Jesum geglaubt hat, erfährt er, dass er zu den Auserwählten gehört.

Wie wusste es Paulus, dass die gläubigen Thessalonicher auserwählt waren, als er ihnen schrieb: „wissend eure Auserwählung“? Doch nur, weil er in ihrem Glauben, ihrer Liebe und Hoffnung den Beweis ihrer Annahme des Evangeliums mit Freude des Heiligen Geistes erbracht sah (1. Thess. 1,3 — 5). Auf keine andere Weise ist das auch möglich“.

Die Lehre von der Auserwählung hat also ihren Platz im Innern des Hauses, zur Tröstung und Stärkung der Gläubigen.

Es ist der Teufel, der ihr einen Platz außerhalb des Hauses angewiesen hat. Er verleitet dadurch zum Misstrauen gegen Gott, führt die ewige Qual der Verlorenen auf die Auserwählung zurück, raubt das Gefühl der Verantwortlichkeit diesem Gericht gegenüber und hindert so die armen Menschen daran, die wunderbare Gnade anzunehmen, welche mittels des Glaubens allen Heil bringen will. Die Folge davon ist, dass sie stattdessen etwa folgenden Verstandesschluss aus der Lehre der Auserwählung ziehen: „Gott steht über allem und hat den einen zum ewigen Verderben, den anderen zur ewigen Herrlichkeit bestimmt. Weil also alles von der Auserwählung abhängt, so gelangt man, falls man auserwählt ist, unfehlbar zur Errettung, während andernfalls Gottes Vorsatz und Seine Oberhoheit alle unsere eigenen Wünsche und Anstrengungen nutz- und zwecklos machen“

Dieser Schluss ist aber durchaus den Gedanken Gottes entgegen. Wie bestimmt auch die Auserwählung in der Bibel gelehrt wird, findet sich in ihr doch kein Wort von einer Verwerfung des Menschen. Im Gegenteil, der Mensch, den Gott rein, unschuldig, ohne Sünde geschaffen hatte, hat sich durch die Sünde von Gott losgerissen und sich aus diesem Grunde dem ewigen Verderben ausgesetzt. Durch seine eigene Schuld ist er ein Gefäß des .Zornes geworden. Überdies hat Gott für den feindseligen Sünder Seinen vielgeliebter: Sohn gegeben und lässt die frohe Botschaft der Vergebung und des Friedens durch Ihn in der ganzen Welt verkündigen. Der Mensch also ist es, der den Heiland verwirft, von sich stößt und darum in seinen Sünden stirbt.

Anstatt auch nur einen Menschen für die Verdammnis zu bestimmen, hat Gott alles getan, um den Menschen zu erretten und zu erlösen. Die Menschen aber sind in einem so schrecklichen, feindseligen Zustand, dass, wenn es keine Auserwählung gäbe, alle ohne Unterschied verloren gehen würden. Nach Gottes Vorherbestimmung sollen jedoch viele durch Ihn glücklich gemachte Menschen die Wohnungen des Vaterhauses droben bewohnen.

Die Lehre von der Verwerfung eines großen Teiles der Menschheit ist also durchaus nicht biblisch; sie ist eine Lüge des Teufels. Und es ist kein Wunder. dass Satan, der selbst vor dem Herrn Jesus bei der Versuchung in der Wüste Schriftstellen anführte, um Ihn aus Seiner Abhängigkeit von Gott heraus zu drängen, auch zur Bekräftigung dieser Lüge Teile des Wortes Gottes verdreht, um Misstrauen gegen Gott in den Herzen der Menschen hervorzurufen. Und da ist es besonders der lehrreiche Schriftabschnitt Röm.9, 6 — 23, den er gern ausbeutet, um der Lehre von der Auserwählung eine verkehrte Deutung zu geben.

Der Zweck dieser Belehrung des Apostels war der, den Einwürfen, welche die Juden gegen die für Heiden und Juden gemeinsame Lehre von der freien Gnade vorbrachten, zu begegnen. Da den Juden die Verheißungen Gottes anvertraut waren, und sie aus diesem Grunde weit über den Gläubigen aus den Nationen zu stehen behaupteten, diente es ihnen zum Anstoß, in diesen Mitgenossen desselben Evangeliums und derselben Vorrechte in Christo erblicken zu müssen.

Der Apostel antwortet darauf, dass Israel ohne Zweifel im Besitz der Verheißungen sei, dass diese jedoch nicht dem Samen Abrahams nach dem Fleische, sondern „den Kindern der Verheißung“ nach der Auswahl Gottes gegeben worden seien. Nicht alle aus Israel seien Israeliten. Sonst hätten auch die anderen Söhne Abrahams Erben der Verheißung sein müssen. Doch nun hat Gott gesagt: In Isaak (nicht in Ismael) wird dir ein Same genannt werden“.

Diese Auserwählung von Seiten Gottes zeigt sich noch deutlicher bei Rebekka. Als ihre Kinder noch nicht geboren waren, sagt Gott: „Der Größere wird dem Kleineren dienen“. Also noch vor der Geburt der Kinder, „ehe sie etwas Gutes oder Böses getan hatten“, d. h. also ausschließlich auf Grund der Erwählung und Berufung, wurde Jakob erwählt, während Esau beiseite gesetzt wurde, obwohl er älter war als Jakob.

War Gott ungerecht, indem Er diese bestimmte Auswahl traf, noch ehe die beiden Männer geboren waren? Nein, ihre Geschichte hat diese Auswahl bestätigt. Es steht geschrieben: „Den Jakob habe ich geliebt, aber den Esau habe ich gehasst“ (Mal. 1, 2.3).

Falls nun — so ist der Sinn der Auseinandersetzung Pauli — Ungerechtigkeit bei „Gott ist, wenn Er die Nationen zu den Segnungen des Evangeliums beruft, dann war es auch Ungerechtigkeit, dass Er Ismael und Esau als Häupter Seines Volkes verwarf. Das aber sei ferne! Gott ist völlig unumschränkt in Seinem Tun, wie Er zu Mose gesagt hat: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und mich erbarmen, wessen ich mich erbarme“ (V. 15).

Nun könnte einer sagen: Beweisen nicht gerade diese Worte, dass es bei Gott betreffs der Auserwählung Ungerechtigkeit gibt? Sehen wir näher zu. In 2. Mose 32 erklärt Gott, nachdem Israel das goldene Kalb gemacht hatte, in gerechtem Zorn, dass Er das Volk vernichten wollte. Dann übt Mose Fürbitte für das Volk, und Gott steht von Seinem Zorne ab. Er erweist Gnade in dem Augenblick, da es nur eine Handlung der Gerechtigkeit gewesen wäre, wenn Er das ganze Volk vertilgt hätte. Gott macht Gebrauch von Seinen Oberhoheitsrechten, ·um Gnade zu erweisen. Ist Er ungerecht, wenn Er so handelt?

Weiterhin möchte jemand beim Lesen des 16. Verses einwenden: .Wenn es „nicht an dem Wollenden noch an dem Laufenden, sondern an dem begnadigenden Gott liegt“, nützt es auch mir nicht, zu wollen oder zu laufen; will Gott mich nicht begnadigen, so ist alles umsonst. Wieder ist unsere Antwort: Untersuche die Schrift, lies 2. Mose 32 u. 33. Was wollte das Volk? Den Götzendienst. Und wem lief es nach? Den Göttern Ägyptens. Wenn das Volk also nicht hingerafft worden ist, so verdankt es dies lediglich der Gnade Gottes.

Jeder Gläubige befindet sich in demselben Falle. Er kann sagen und sagt es auch: Ich habe alles gewollt, nur den Herrn nicht; ich bin den eitlen Dingen dieser Welt nachgelaufen, ihnen galt mein Dichten und Trachten; und dass ich heute ein Kind Gottes bin, verdanke ich einzig und allein Gottes Gnade und Barmherzigkeit.

Doch die Verse 17 u.18 bereiten eine neue Schwierigkeit. Wenn Gott Gnade erweist, wem Er will, so verhärtet Er auch, wen Er will; wenn Er nun aber eine Person verhärtet, wie kann sie dann verantwortlich gemacht werden? Gewiss, Gott verhärtet; das ist eine ernste Wahrheit. So hat Er als ein Gericht Verhärtung über das Herz des Pharao kommen lassen. Aber wann hat Er das getan? Geschah es, als Mose zum ersten oder zweiten Male als der Stellvertreter Jehovas redete? Nein, dem Pharao wurde eine Frist gegeben, um Jehova zu erkennen; aber statt Ihm zu gehorchen, spottete er Seiner. In 2. Mose 7 u. 8 finden wir wenigstens fünfmal die Worte: „Und der Pharao verhärtete sein Herz“. Erst dann heißt es: „Und Jehova verhärtete das Herz des Pharao“. Dieser gottlose König, der sich gegen Gott auf jegliche Weise auflehnte, wurde nach wiederholtem, vergeblichem Warnen unter das Gericht der Verhärtung gebracht, sodass er schließlich in seinen Sünden umkam. Wenn der Mensch die Sünde liebt und tut und bei den dringendsten Warnungen darin trotzig verharrt, so kann Gott ihn auch heute mit dem Gericht der Verhärtung strafen, wie Er es in den letzten Tagen tun wird, indem Er den Menschen „eine wirksame Kraft des Irrtums sendet, dass sie der Lüge glauben, auf dass alle gerichtet werden“ (2. Thess. 2, 11. 12).

Sollte nun jemand trotz der gegebenen Erklärungen dabei beharren, Gott Ungerechtigkeit vorzuwerfen, so höre er die Antwort von V. 20: „Wer bist du, o Mensch, der du das Wort nimmst wider Gott? Wird etwa das Geformte zu dem Former sagen: Warum hast du mich also gemacht?“ Mit anderen Worten: Ist nicht der Schöpfer Herr über Sein Geschöpf? Welches Recht könnte ein gefallenes Geschöpf vor dem Schöpfer, wider »den es gefrevelt hat, beanspruchen? Keines, sofern man das Gericht nicht ein Recht nennen will. Selbst wenn Gott sich Seiner Oberhoheitsrechte bedienen würde, um (wie man Ihn beschuldigt) durch die Auserwählung den einen zum Glück, den anderen zum Verderben zu bestimmen, wer wäre berufen, mit Ihm darüber zu rechten?

Aber Gott hat sich dieses Rechtes, wie wir aus den Versen 21 - 23 sehen, gar nicht bedient. Wiewohl Er das Recht hat, Seinen Zorn zu erzeigen und Seine Macht auszuüben, hat Er im Gegenteil „die Gefäße des Zorns mit vieler Langmut ertragen“, die Gefäße des Zorns, die, wie wir weiter lesen, „zubereitet sind zum Verderben“.

Gibt es denn, wirst du fragen, zum Verderben zubereitete Gefäße? Ja. Wer hat sie aber zum Verderben zubereitet? Etwa Gott? Unmöglich. Der Pharao war ein solches Gefäß des Zorns, das zum Verderben zubereitet war. Aber hatte Gott ihn dazu bereitet? Nein, der Pharao selbst! Gott hatte ihn Seinerseits mit vieler Langmut ertragen.

In V. 23 finden wir die Kehrseite dieses Gedankens: . . „und auf dass Er kundtäte den Reichtum Seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Begnadigung, die Er zur Herrlichkeit zuvor bereitet hat“. Was also diese betrifft, so hat Gott sie bereitet, und zwar zuvor bereitet. Sie sind? — Gefäße der Begnadigung, die, wenn sie sich selbst überlassen geblieben wären, sich ihr Verderben bereitet haben würden.

Eine ähnliche Gegenüberstellung beider Gruppen finden wir in Matthäus 25. Der König sagt zu denen zu Seiner Rechten: „Kommet her, Gesegnete meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Grundlegung der Welt an“. Aber denen zu Seiner Linken sagt Er: „Gehet von mir, Verfluchte, (nicht etwa: Verfluchte meines Vaters) in das ewige Feuer, das bereitet ist (nicht euch, sondern) dem Teufel und seinen Engeln“ (V. 34 u. 41).

Von einer Verwerfung oder Vorherbestimmung zur ewigen Verdammnis ist im Worte Gottes niemals die Rede. Aus der Bemerkung in 1. Petr. 2, 8: „wozu sie auch gesetzt worden sind“, wird auch oft ein falscher Schluss gezogen. Wer sind die, welche „dazu gesetzt“ sind, sich an dem Worte zu stoßen? Die Ungehorsamen und Ungläubigen! Sie haben Christum, den lebendigen und kostbaren Stein, den Gott zum Eckstein gemacht hat, verworfen, und dieser ist somit notwendigerweise zu einem Stein des Anstoßes für sie geworden. Sie stoßen sich an Ihm, wie Jesaja das vorausgesagt hat (Jes. 8,14). Als Ungehorsame müssen sie sich — es kann nicht anders sein — am Worte stoßen; die Tatsache, dass sie den in den Augen Gottes und der Gläubigen so kostbaren Stein verwerfen, bereitet, setzt sie dazu. Es ist das kein zuvor gefasster Beschluss von Gott, kein Verhängnis, sondern vielmehr ein Gericht, die unvermeidliche Folge ihrer Stellung als Ungehorsame, einer Stellung, für welche sie verantwortlich sind.

Wenn sch1ießIich Zweifler oder Vernünftler betreffs der Lehre der Auserwählung fragen sollten, warum Gott denn nicht alle Menschen zur Herrlichkeit zubereitet habe, so weisen wir ihn zunächst darauf hin, dass Gott unumschränkt ist und über altem steht. Er begnadigt wen Er will, und erbarmt sich, wessen Er will. Dann aber sei ihm gesagt, dass das Evangelium ihn, wie jeden Menschen ohne Ausnahme, einladet, anzuerkennen, dass er sündig und verloren ist und die Verdammnis verdient hat, dass er aber noch heute errettet werden kann, wenn er seine Zuflucht zu Christo nimmt. Eilt er zu Ihm, so ist er geborgen und wird erkennen, dass er „ein Gefäß der Begnadigung“ ist, „zuvor bereitet zur Herrlichkeit“; dass er zu den Auserwählten gehört. Fährt er aber fort, Christum und die Liebe Gottes zurückzuweisen, so möge er wissen, dass er sich selbst zum Verderben und zum Gericht „zubereitet“.

Kein Mensch wird deshalb verloren gehen, weil Gott ihn nicht auserwählt hat. Vielmehr steht es so: Alle, die dereinst im Himmel sind, werden das ewige Bewusstsein haben, dass sie nur infolge der unvermischten Gnade Gottes dort sind; und andererseits werden alle, die „des ewigen Feuers“ Strafe leiden werden, unter furchtbaren Gewissensbissen sich sagen müssen: „Wir sind hier durch unsere eigene Schuld“, nicht aber „weil wir nicht zu den Auserwählten gehörten“.

Ja, schon hier auf Erden jubeln die Erlösten des Herrn mit dankbaren: Herzen:

Mir ist Erbarmung widerfahren,

Erbarmung, deren ich nicht wert;

Das zähl’ ich zu dem Wunderbaren,

mein stolzes Herz hat’s nie begehrt.

Nun weis; ich das und bin erfreut

und rühme die Barmherzigkeit.

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Die Segnungen Jakobs und Moses in 1. Mose 49 und 5. Mose 33

Bibelstelle: 1. Mose 49 und 5. Mose 33

Botschafter des Heils 1919 S. 45ff

Ein Leser des ,,Botschafter« stellt folgende Fragen: In 1. Muse 49, 26 sagt Jakob zu Joseph: „Die Segnungen deines Vaters überragen die Segnungen meiner Voreltern bis zur Grenze der ewigen Hügel“, und Mose sagt in 5. Mose 33, 15: „Gesegnet von Jehova sei sein Land . . .. vom Köstlichsten der ewigen Hügel“. — Will das heißen, dass die Segnungen Jakobs größeren Wert hatten, als wenn z. B. Isaak seinen Sohn Jakob segnet? Und was ist unter den „ewigen Hügeln“ und unter der „Grenze der ewigen Hügel“ zu verstehen?

Da die Fragen von allgemeiner Bedeutung sind, auch nicht mit wenigen Worten beantwortet werden können, mag die Erwiderung hier (statt, wie gewöhnlich auf dem Umschlag des ,,Botschafter«) einen Platz finden.

Zunächst ein Wort über den Unterschied zwischen dem Segen Jakobs und demjenigen Moses. Während die Segnungen Moses durchweg in Beziehung stehen zu dem Lande Kanaan, welches die Stämme Israels zu betreten im Begriff standen, und von dem Platze reden, den jeder einzelne Stamm in diesem Lande nach Jehovas Beschluss einnehmen sollte, spricht Jakob nach seiner eigenen Aussage von dem, was den Söhnen bzw. den Stämmen „in künftigen (oder den letzten) Tagen begegnen2 solle. (V. 1.) Seine Sprüche haben also eine viel weiter gehende, tiefere Bedeutung als die des Mose. Jakob, geleitet durch den Geist der Prophezeiung, beschreibt, wie es scheint, in gedrängter Kürze die ganze sittliche Geschichte Israels, sowie die Ratschlüsse Gottes im Blick auf dieses Volk und deren Erfüllung in Christo. In Ruben, Simeon und Levi erblicken wir den tatsächlichen sittlichen Zustand des Volkes: Verunreinigung und gewalttätige Grausamkeit. Jakob kann sich nicht damit eins machen. In Juda erscheint dann Schilo, der König, dem die Völker gehorchen oder sich anschließen sollen. Aber als Christus kam, wurde Er von Seinem Volke verworfen. Statt die überströmenden Segnungen des Reiches einzuführen, wurde der Messias „weggetan, und hat nichts“ (Dan. 9, 26). Israel ist nicht erlöst, und die Völker sind nicht um Ihn gesammelt worden. Sebulon und Issaschar zeigen uns Israel mit der Welt vermischt und zufrieden, aus Hang zur Ruhe und Bequemlichkeit unterjocht zu sein. Das Volk Jehovas wird zum „fronpflichtigen Knechte“. Trotz allem wird Israel, wie Dan uns dann zeigt, noch anerkannt, aber der Glaube erblickt, von Gott belehrt, nur noch Hilfe in Ihm. Daher der ausfallende Ausruf Jakobs: „Auf deine Rettung harre ich, Jehova“ (V.18).

Auf Grund dieser Rettung von Seiten Jehovas begegnen wir in Gad, Aser und Naphtali lauter Segnungen: die Feinde werden besiegt, Fülle von Fettigkeit und königliche Leckerbissen, sowie ungetrübte Freiheit werden das Teil Israels. Doch wie ist das möglich? Der einzige Segenskanal für das Volk ist der einst von ihm verworfene Christus, der in Joseph, dem von seinen Brüdern Verachteten und Abgesonderten, ein liebliches Vorbild findet. Er ist persönlich der Hirte und Stein Israels, der, von Seinen Feinden bedrängt, aber durch Gottes Kraft aufrechtgehalten, nach Seiner Verwerfung erhöht worden ist, um als Haupt über alles die unerschöpfliche Quelle aller Segnungen zu bilden, welche das Herz des Menschen erfreuen können. Alles kommt von Gott auf das Haupt des wahren Joseph und auf den Scheitel des Abgesonderten (eig. Nasiräers) unter seinen Brüdern. Ist es deshalb verwunderlich, dass die „Segnungen Jakobs die Segnungen seiner Voreltern überragen bis zur Grenze der ewigen Hügel“? Der Segen, den Joseph empfängt, ist viel reicher und voller, als der Segen Abrahams, der durch Isaak auf Jakob überging. Der Ausdruck „ewige Hügel“ scheint an dieser Stelle auf die himmlischen Segnungen hinzuweisen, deren Grundlage der zur Rechten Gottes erhöhte Menschensohn geworden ist. Er ist das Mittel, durch welches Seine Brüder auch an diesen Segnungen, an himmlischer Herrlichkeit und Freude, teilnehmen können.

In Benjamin, dem „Liebling Jehovas“ (in seinem Stammteil lag Jerusalem), begegnen wir schließlich der unwiderstehlichen Kraft, mit welcher Israel unter seinem König am Ende der Tage alle seine Feinde niederwerfen und deren Beute rauben wird.

Wenn das oben Gesagte, wie ich glaube, richtig ist, so ergibt sich der Unterschied zwischen den Ausdrücken „bis zur Grenze der ewigen Hügel“ und „vom Köstlichsten der ewigen Hügel“ von selbst. Der erste Ausdruck scheint, wie schon gesagt, auf die himmlischen Dinge hinzuweisen, soweit sie Israel dereinst zuteilwerden sollen (darum „bis zur Grenze der ewigen Hügel“), während der zweite, entsprechend dem ganzen Charakter des Segens Moses, sich nur auf irdische, mit dem Lande Kanaan verbundene Segnungen bezieht. Deshalb werden dort auch als vergleichende Bezeichnung neben den Hügeln „die Berge der Urzeit“ genannt. Joseph empfängt „vom Vorzüglichsten der Berge der Urzeit und vom Köstlichsten der ewigen Hügel“. Beide Ausdrücke finden wir im Gebet des Propheten Habakuk wieder, wo wohl auch nur an wirkliche Berge und Hügel gedacht werden kann.

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Christus unser Hohepriester und Sachwalter

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 48

Der Hebräerbrief redet von Christo als unserem Hohenpriester, der 1. Brief des Johannes nennt Ihn unseren Sachwalter. Die beiden Titel und die darin ausgedrückten Tätigkeiten berühren sich, sind aber nicht gleich. Der Hebräerbrief beschäftigt sich mit unserem Nahen zu Gott, Johannes redet von Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne. Weil Jesus allezeit in der Gegenwart Gottes für uns erscheint, haben wir »Freimütigkeit zum Eintritt ins Heiligtum«. Dieser Zugang ist stets für uns da, stets offen. Es mag sein, dass ein Sündigen unserseits uns praktisch unfähig macht, Gott zu nahen, aber davon redet der Hebräerbrief nicht. Er zeigt uns vielmehr den Vorhang als zerrissen und uns als auf immerdar vollkommen gemacht. Das Hohepriestertum Christi hat deshalb dort nur mit unseren Schwachheiten zu tun; wir finden bei unserem großen Hohenpriester wahres Mitgefühl, Trost und Hilfe für unseren Weg hienieden. Wenn aber die Gemeinschaft mit dein Vater durch eine Sünde gestört ist, tritt die Sachwalterschaft in Kraft. Gott ist Licht und gar keine Finsternis in Ihm; daher genügt schon ein unreiner Gedanke, um den Genus; der Gemeinschaft zu unterbrechen, und die Unterbrechung würde bleiben, wenn nicht Christus, der Gerechte, als unser Sachwalter beim Vater unsere Sache verträte und in uns aufrichtiges Selbstgericht und Bekenntnis bewirkte.

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Gedanken über Johannes 20,19 und Hebräer 10,25

Bibelstelle: Johannes 20,19 und Hebräer 10,25

Botschafter des Heils 1919 S. 49ff

Wir verlieren viel, wenn wir unser Zusammenkommen am ersten Tage der Woche versäumen, gleich Thomas, der" nicht zugegen war, als der Herr Sein „Friede euch!“ den Jüngern zartes und sie als Seine Boten ·in die Welt sandte. Es gibt kein geeigneteres Mittel, um Erfrischung für unsere Seelen, Segen für unsere Familien und Zeugenkraft für unseren Weg hienieden zu erlangen, als das Zusammenkommen in dem kostbaren Namen Jesu, zur Verkündigung Seines Todes. Dass uns auch die Unterwürfigkeit unter Gottes Wort und Gebot dahin führt, das Zusammenkommen mit den Gläubigen nicht zu versäumen, brauche ich kaum zu erwähnen. Dennoch ist es wichtig. Denn vielleicht könnte der eine oder andere denken: „Es ist nötiger, mich meiner zahlreichen Familie zu widmen“, oder: „Es wird mehr Segen bringen, wenn ich das Evangelium verkündige“; aber wenn Gott mich heißt, mit den Seinigen zusammenzukommen, so ist es ohne Frage die größte Weisheit, Ihm zu ·gehorchen, ohne weiter zu überlegen.

Der erste Tag der Woche, „des Herrn Tag“, sollte in ganz besonderer Weise der Erforschung des Wortes und der Gemeinschaft mit den Kindern Gottes geweiht sein. Aber können wir wohl alle sagen, dass der größte Teil dieses Tages uns wirklich mit dem Worte Gottes und mit Seiner Sache beschäftigt findet? Flattern nicht oft unsere Gedanken hin und her und sind mit allen möglichen Dingen beschäftigt, anstatt auf den Auferstandenen gerichtet zu sein? Unser Geist ist fähig gemacht, mit Gott Gemeinschaft zu haben; wir sind berufen, in diesem Sinne Gottes Genossen zu sein. Aber es bedarf einer heiligen Übung, um dieses wunderbare Vorrecht wirklich zu genießen; und aus Mangel an dieser Übung in Gottes Gegenwart sind viele Gläubige unfähig zu jenem Genuss. Sie sind wie ,,Kindlein«, die noch die ersten Anfangsgründe der Wahrheit und der Erkenntnis Gottes zu lernen haben.

Wie steht es in dieser Beziehung mit uns, Geliebte? Wir erwarten das Kommen des Herrn. Die Dinge und Umstände um uns her werden immer dunkler, je mehr wir uns dem Ziele nähern. Rückwärts blickend sehen wir Ihn, wie Er. hienieden, als ein Mensch unter Menschen, gewandelt hat, und wir wissen, dass derselbe Mensch Jesus Christus, der Herr des Himmels und der Erde, der einst hier war, wiederkehren wird. Seine Abwesenheit prägt der gegenwärtigen Stunde ihren Charakter auf. Er ist abwesend dem Leibe nach, aber im Geiste gegenwärtig, wo immer die Seinen sich zu Seinem Namen hin versammeln (Matth. 18, 20). Ja, Er ist bei uns „bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Matth. 28, 20), und es ist unser Vorrecht, diese Tatsache im Glauben stets zu verwirklichen. Ach, wenn wir es nur mehr täten! Welch einen heiligenden Einfluss, im Sinne von Psalm 19, 14, würde es haben auf all unser Denken und Reden!

Der Herr hat diese Erde verlassen, weil Seine Anwesenheit droben für uns nötig ist. Er ist weggegangen, um dort eine Stätte für uns zu bereiten und um sich jetzt allezeit für uns zu verwenden als unser großer Hoherpriester und Sachwalter; und während Er sich dort befindet, lässt Er sich herab, uns als Seine vertrauten Freunde zu behandeln. Und wir? Anstatt dieses unaussprechliche Vorrecht zu würdigen, lassen wir uns so oft gehen und beschäftigen uns wie irdische Menschen mit irdischen Dingen.

Was wir vor allem bedürfen ist, neben Verständnis und Einsicht, ein liebend es Herz, ein aufrichtiges Verlangen, mit dem Herrn zu verkehren. Betrachten wir z. B. die Jüngere auf dem Wege nach Emmaus! Es fehlte ihnen viel, aber eines besaßen sie: ein gemeinsames, warmes Interesse für den Herrn. „Ihre Gedanken waren auf Ihn gerichtet, ihre Herzen von Ihm erfüllt. Das zog den Herrn zu ihnen.

Bei Maria war es auch so. Soviel sie wusste, lag ihr Herr im Grabe. Während die Juden ihren Sabbat mit verdoppeltem Eifer feierten, trauerte sie mit den Jüngern. Alle ihre Hoffnungen waren ja zertrümmert, das ganze Gebäude ihrer Erwartungen zusammengestürzt; den ganzen Sabbat über war— ihr Herz bei ihrem Herrn im Grabe. Dass Er am ersten Tage der Woche sich nicht mehr dort befand, wussten diese liebenden Seelen nicht. Sie ruhten, aber es war keine freudige Ruhe.

Maria erschien am Grabe, als es noch dunkel war. Der gestorbene, nach ihrer Meinung noch im Grabe liegende Herr war für sie alles, und wir —, ach! wir denken oft so wenig an den auferstandenen Herrn, der für uns im Himmel ist! „Ihr Verständnis war gering, aber eins wusste sie: Er hatte zu ihr gesagt: „Deine Sünden sind dir vergeben“. Das wissen auch wir, und viel mehr· noch als das. Wie sollte es unsere Herzen zu Ihm emporlenken! Welche Segnungen erfuhren die Weiber und die Jünger in jenen ersten Tagen! Ihre Herzen waren, wie schon gesagt, durch ein gemeinsames Interesse verbunden, geradeso wie es bei uns der Fall sein sollte; denn wir alle haben einen Herrn im Himmel und sind durch ein gemeinsames Interesse für Ihn und durch gemeinsame Trennung von der Welt miteinander verbunden. Engel hielten Wache am Grabe, einer zu den Häupten, einer zu den Füßen, wo der Leib Jesu gelegen hatte. Hier war der Schauplatz des Sieges über den Tod. Das Grab, in welchem der gewaltige Siegesheld gelegen hatte, war leer! Diese Stätte erzählt uns von dem Hass Gottes wider die Sünde, von Seiner Liebe zu dem Sünder, zugleich aber auch von dem unbedingten Siege Jesu über Tod und Teufel. Leben ist aus dem Tode hervorgegangen. Wenn ich dort meine Sünden suche, so finde ich sie nicht mehr, sondern Engel, die Jesu Auferstehung verkündigen. Ich finde Heiligkeit und Reinheit, aber keine Spur von Sünde. Eines Menschen Grab zeugt von Niederlage, Unreinheit und Verwesung, des Herrn Grab von Triumph, Reinheit und Unverweslichkeit.

„Würdig ist das Lamm!“ so rufen wir unwillkürlich aus. Wir denken an unsere Sünde, an unsere ganze gewaltige Schuld, vervielfältigen sie durch die Schuld der unzählbaren Schar jener, die einst mit uns das neue Lied singen werden, vergegenwärtigen uns das tiefe Verderben, in welches die ganze Schöpfung versunken ist, und sagen: „Alles das ist auf das Haupt des fleckenlosen Opferlammes gelegt worden“. Der Kelch des Zornes Gottes wider die Sünde musste bis zum letzten bitteren Tropfen von Ihm getrunken werden, der Fluch eines gebrochenen Gesetzes musste Ihn treffen. Infolge dessen ist Er ins Grab gesunken; aber nun ist das Grab leer, und anstatt der Sammelplatz der Mächte der Finsternis zu sein, sitzen die Engel in strahlender Herrlichkeit darin, und alles zeugt von majestätischer Ruhe und göttlicher Ordnung.

Wenn irgend Etwas, so ist dieses imstande, unseren Herzen eine volle Heilsgewissheit zu geben. Ja, Er ist „unserer Übertretungen wegen« dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm. 4, 25). Wir wissen jetzt ganz gewiss, dass unser Bürge und Stellvertreter zur Rechten Gottes verherrlicht ist, und wir ruhen in Ihm.

Als der Herr am Abend Seines Auferstehungstages Seinen Jüngern erschien, hören wir kein Wort von Seinem Tode. Er zeigte ihnen Seine Hände und Seine Seite, offenbarte sich ihnen aber nicht etwa so, wie man den Herrn so gern malt, als einen blutenden, sterbenden Menschen, in dem tiefen Jammer Seines Verlassenseins von Gott und Menschen, sondern als den Auferstandenen in Seinem Auferstehungsleibe, gleichsam mit verherrlichten Wundenmalen. Er redete auch nicht mit Worten des Zornes über Seine Mörder, oder zeigte Seine Wunden in tadelndem Sinne, sondern um zu beweisen, dass Er wirklich derselbe Jesus sei, der am Kreuze gehangen und im Grabe gelegen hatte. Und wenn Er heute bei uns ist, so ist Er es auch als Der, der für uns gelitten hat, aber nun mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt ist — das geschlachtete Lamm inmitten des Thrones Gottes. Als solcher spricht Er auch heute zu uns: „Friede euch!“ Wir kennen den Auferstandenen, und Ihn kennen heißt eben Den kennen, der um unserer Sünden willen starb und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist.

So können wir denn mit den Jüngern sagen: „Wir haben den Herrn gesehen“. Der Heilige Geist offenbart Ihn uns Möchten wir uns nur stets mit nichts weniger zufrieden geben, als mit Sein er Gegenwart, und im Glauben sie verwirklichen, so oft wir um Ihn versammelt sind! Dass wir bald im Himmel bei Ihm sein werden, steht außer allem Zweifel; aber wir verkürzen uns den Genuss Seiner Gegenwart, wir berauben uns des Einzigen, was uns heute wahrhaft Ruhe zu geben vermag, wenn wir diese Gegenwart oder Gemeinschaft auf den Himmel beschränken. Nein, Er ist bei uns alle Tage, in all unserer Ohnmacht und in allen unseren Schwierigkeiten.

Dass die Christen im Anfang fleißig zusammenkamen, beweist die Apostelgeschichte. Auch kennen wir den Wunsch des Herrn, dass die Seinigen eins sein möchten, auf dass die Welt glaube, dass der Vater Ihn gesandt habe. (Joh. 17.) Aber es würde wohl schwer halten, ein ausdrückliches Gebot, zusammenzukommen, in der Schrift zu finden, mit Ausnahme der Ermahnung in Hebr. 10, 25: ,,indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei etlichen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahen sehet“.

Aber wenn selbst viele unmittelbare Aufforderungen zum Zusammenkommen in der Schrift ständen, wäre doch die bloße Anordnung nur ein niedriger Beweggrund für uns. Nein, das, was uns zusammenführen sollte, ist etwas viel Höheres, obwohl es leider oft vergessen wird. Ich meine das neue Leben, das uns allen gemeinsam geschenkt ist, und dessen Kundgebung sich gerade darin zeigen sollte, dass wir uns immer wieder zusammenfinden. Wenn man uns fragen würde, warum die Christen so oft zusammenkommen, sollte unsere Antwort sein: „Weil wir nicht anders können“.

Die Jünger gingen nach Galiläa, weil der Herr es ihnen gesagt hatte; aber sie bedurften keines Befehls, um in dem Obersaal in Jerusalem zusammenzukommen. Dieses Zusammenkommen war das natürliche und notwendige Ergebnis der Wirksamkeit des Lebens Jesu in ihnen. Seine Verwerfung, die Feindschaft des Volkes gegen sie selbst, ihre gemeinsamen Umstände — alles brachte sie zusammen. Sie hatten gehofft, Jesus würde als der Messias Israel äußerlich wiederherstellen, und hatten ihrer Hoffnung durch ihre Nachfolge Ausdruck gegeben. Nun war Er „weggetan und hatte nichts“ (Dan. 9, 26), und die Ihn weggetan hatten waren auch ihre Feinde. Sie waren mit Jesu verworfen. Sie hatten ein Teil, ein Haupt, ein Leben einen Geist, eine Hoffnung, ein Interesse — wie hätten sie daher anders als beisammen sein können?

Dieselben Beweggründe leiten auch uns heute. Wenn es keine Hindernisse gäbe, die geeignet wären, uns getrennt zu halten, so würden wir durch die Anziehungskraft unserer neuen Natur und des neuen Verhältnisses, in welchem wir zueinander stehen, mit unwiderstehlicher Gewalt zusammengezogen werden, wie Nadeln von einem starken Magneten.

Es gibt, außer den natürlichen Lebensverhältnissen, mancherlei Dinge, die unser Zusammenkommen hindern möchten. Vor allem sind es die vielen religiösen Systeme, welche der Mensch aufgerichtet hat, die hindernd auf unser Zusammenkommen einwirken, und es macht uns oft große Schwierigkeiten, von dem, was uns festhält, loszukommen und einfältig den Trieben unserer neuen Natur und dem Leiten des Geistes Gottes zu folgen. Der Herr wolle uns geöffnete Augen geben, um die Hindernisse, die uns festhalten, zu erkennen, und geistliche Treue und Kraft, um sie aus dem Wege zu räumen!

Es ist ganz naturgemäß, dass Christen einander anziehen. Wenn nicht so viele Hindernisse da wären, welcher Art sie nun sein mögen, würden die Gläubigen, die an einem Orte wohnen, sich ganz von selbst zusammenfinden. Erlöst durch dasselbe Blut, getauft und gesalbt mit demselben Geist, verbunden mit einem lebendigen Haupt in dem Himmel, sind Vereinigung und Gemeinschaft nichts anderes als die naturgemäßen, notwendigen Äußerungen des ewigen Lebens in uns. Stehen wir, in lebendiger Verbindung mit dem Haupte des Leibes droben, so werden wir nicht wiederholter Aufforderungen bedürfen, um Gemeinschaft mit den Gliedern hienieden zu suchen. Die leiseste Andeutung genügt uns, ja, wie wir schon sagten, wir können gar nicht anders, als sie aufsuchen und Gemeinschaft mit ihnen pflegen.

Tatsache ist, dass Gott uns alle »in die Gemeinschaft Seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn, berufen hat“, und wenn wir nicht ungehorsam sein wollen, so müssen wir zusammenstehen und uns befleißigen, unserer Einheit Ausdruck zu geben, solang wir nicht gewaltsam daran verhindert werden. Gott sei gepriesen! bald werden alle Hindernisse aufhören, bald wird unser Zusammensein durch nichts mehr gestört werden. Aber wir wollen nicht vergessen, dass wir ermahnt sind, unser Zusammenkommen auch hier schon nicht zu versäumen, sondern einander zu ermuntern, und das umso mehr, je näher wir dem Ziele kommen.

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Dreschen

Bibelstelle: Jesaja 26, 27, 28

Botschafter des Heils 1919 S. 57ff

Die Landwirtschaft wurde dem Menschen von Gott gelehrt. „So unterwies ihn sein Gott zum richtigen Verfahren, Er belehrte ihn“(V. 26). Gott lehrte den Menschen pflügen, die Erdschollen brechen, die verschiedenen Arten Getreide säen, sowie die verschiedenen Arten Samen ausdreschen.

Der Prophet Jesaja redet von verschiedenen Dreschwerkzeugen: Dreschschlitten, Wagenrad, Stab und Stock, doch nicht um uns Unterricht in der Landwirtschaft zu geben, sondern um uns zu zeigen, dass, so wie Gott den Landmann gelehrt hat, beim Dreschen zwischen den verschiedenen Arten der Samen zu unterscheiden, Er selbst auch in Seiner Weisheit unterschiedlich mit den verschiedenen Arten Menschen handelt. Er prüft uns nicht alle auf gleiche Weise. Da wir von verschiedener Beschaffenheit sind, lässt Er uns nicht alle das gleiche Leid, die gleiche Trübsal erdulden. Der eine wird mit dem Stabe oder dem Stock geschlagen, während der andere den Dreschschlitten und die Füße der Pferde in seinem schweren Leiden fühlen muss.

Wie die verschiedenen Arten Samen, so haben auch wir alle das Dreschen nötig. Solang wir im Leibe der Niedrigkeit pilgern, bedürfen wir der Prüfung und Läuterung. Das Korn muss befreit werden vom Stroh und von der Hülse; dazu dient das Dreschen. Wenn das Korn leicht aus der Hülse fiele, brauchte es nur geschüttelt zu werden. Dann wäre keine Notwendigkeit für Stock oder Stab oder gar für das Wagenrad. So auch unsere Seele. Sie lebt nicht nur im Staube, sondern sie klebt daran. In der gefallenen menschlichen Natur liegt die unausrottbare Neigung, sich mit dem Bösen in der Welt zu verbinden, es zu suchen und auszuüben. Wir gedenken zuweilen an die Fleischtöpfe Ägyptens, während das Manna noch in unserem Munde ist. Damit wir ,,unseres Volkes und unseres Vaters Hauses vergessen, und so der König unsere Schönheit begehre“ (Ps. 45, 10. 11), ist Dreschen nötig. Der feste Griff, womit wir die irdischen Dinge halten möchten, muss gelöst werden. Von manchem, das man nicht loslassen kann und will, muss man sich losleiden.

Doch nur die Gnade Gottes kann das Dreschen wirksam machen. Erst wenn der Weizen ausgedroschen ist, wird er nützlich. Auch wir sollen dem Hausherrn nützlich sein. So dient Seine Züchtigung uns zum Nutzen. Besondere Nützlichkeit setzt gewöhnlich besondere Übungen und Leidensschulen voraus.

Vielleicht liegen augenblicklich auch etliche von uns auf der Tenne und leiden unter den Schlägen der Züchtigung. Dünkt es dich, dass sie zu hart sind? Dann bedenke, dass das Dreschen unseren Wert in den Augen des Herrn bezeugt. Der Landmann drischt nicht Dornen und Disteln; aber über den kostbaren Weizen lässt er, wie unsere Stelle sagt, das Wagenrad und die Füße der Pferde gehen. Urteile nicht, Kind Gottes, dass Gott dich hasst, wenn Er dich schlägt, und dass Er Lust daran hat, dich zu quälen; sondern glaube zuversichtlich, dass Er dich ehrt durch jeden Schlag, den Er dir erteilt. Der Beweggrund Seines Tuns mit dir ist nicht Zorn, sondern Liebe. In Liebe beschäftigt Er sich mit uns, damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden (Hebr. 12, 7 — 10).

Welche Vorsicht» beobachtet Gott beim Dreschen! „Dill wird nicht mit dem Dreschschlitten ausgedroschen, und das Wagenrad nicht über Kümmel gerollt.“ Für zarte Samen gebraucht Er sanfte Mittel, für gröbere Körner wendet Er ein härteres Verfahren an. Aber freuen wir uns, dass dein und mein Dreschen in Gottes Händen ist. Er hat unsere Züchtigungen, Prüfungen und Leiden nicht den Dienern übertragen, noch viel weniger dem Feinde und seinen Helfern. Er mag sie gebrauchen als Werkzeuge, als Stock- oder Dreschschlitten, aber das Dreschen selbst bestimmt und leitet Er in göttlicher Liebe und Weisheit.

Kein Schlag in unserem Leben ist dem Schicksal überlassen; der Herr selbst verordnet ihn und bestimmt Zeit, Kraft und Art desselben. Ob wir den Dreschschlitten fühlen, ob wir die Härte und Bosheit oder Falschheit der Menschen empfinden, oder ob leisere Berührungen der Hand des Herrn unser Teil sind —- alles ist bestimmt von Seiner unfehlbaren Weisheit. Das ist Trost für jeden Betrübten. Die Werkzeuge zu unserem Dreschen sind vom Herrn gewählt. Ob Stock oder Stab oder Wagenrad, — Er wählt das Werkzeug aus. Selten lieben wir die Rute, die uns schlägt, und wir blicken vielleicht mit Neid auf andere, weil sie nicht auf dieselbe Art gedroschen werden wie wir. Aber der Herr weiß am besten, welches Mittel Er anwenden muss zu unserem Nutzen und zu Seiner Ehre.

Auch die Grenze des Dreschens hat Er bestimmt. „Wird Brotkorn zermalmt? Nein, nicht unaufhörlich drischt er es“ (V. 28). Nicht zermalmen, sondern dreschen, absondern will Er es. So hat der Herr bei allen Züchtigungen ein Maß. Deshalb Mut, geprüfter Bruder, leidende

Schwester! Du wirst leiden, wie du es nötig hast, aber nicht wie du es verdienst. Mit der Versuchung schafft Er auch den Ausgang, dass wir sie ertragen können. (1. Kor. 10, 13.) Er hat uns noch niemals überlastet! Der Weizen mag das Rad fühlen, doch Dill fühlt nur den Stab.

Ferner ist das Dreschen nur für eine Zeit, es währt nicht immer. „Nein, nicht unaufhörlich drischt er es.“ Söhne des Kummers und Töchter des Schmerzes, freuet euch! Schmerz und Seufzen werden entfliehen! Bald kommt der Tag, wo alles Dreschen aufhören wird. Bald sind wir dort, wo es keinen Dreschschlitten und kein Wagenrad mehr gibt. Ein Morgen ohne Wolken bricht bald an, und dann werden wir bei dem Herrn sein in ewiger Herrlichkeit. »Nun: noch ein wenig warten, bis dass vergangen die Nacht!« Dann ziehen wir mit Jubel in der Heimat ein. Lasst uns deshalb dem Herrn vertrauen unter allen Umständen, ,,bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen“

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Wenn diese Dinge anfangen zu geschehen

Bibelstelle: Lukas 21, 5 – 28

Botschafter des Heils 1919 S. 61ff

Als unser Herr und Heiland einmal von Seinen Jüngern auf den herrlichen Bau des herodianischen Tempels in Jerusalem aufmerksam gemacht wurde, sagte Er ihnen: „Tage werden kommen, in welchen nicht ein Stein auf dem anderen gelassen wird". Im weiteren Verlauf der Unterredung gab Er ihnen dann nähere Mitteilungen darüber, wie das geschehen solle. Die Stadt würde von feindlichen Heerscharen umzingelt, eingenommen und zerstört werden; die Bewohner würden unter alle Nationen zerstreut und Jerusalem von den Nationen zertreten werden.

Die Erfüllung dieser Weissagung trat nicht ganz 40 Jahre später ein. Römische Heerscharen eroberten die Stadt im September des Jahres 70 n. Chr. nach einer halbjährigen Belagerung, und nun brachen „die Tage der Rache«, von denen Jesus geredet, in all ihrer Schrecklichkeit über die unglücklichen Bewohner herein. In wörtlicher Erfüllung der Vorhersagung ist Jerusalem seitdem von den Völkern der Erde« „zertreten“ worden. Immer wieder ihren Besitzer wechselnd, hat die Stadt den Kelch bitterer Leiden bis zur Neige leeren müssen. Wiederholt zerstört, haben sich Schutt und Trümmer an manchen Stellen bis zu 40 Meter Höhe aufgetürmt.

Die Zertretung wird nach den Worten des Herrn dauern, „bis dass die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden“. (V. 24.) Um diesen Ausdruck zu verstehen, müssen wir uns daran erinnern, dass Israel einst das Volk Gottes war, „die einzige Nation, welche Gott aus allen Geschlechtern der Erde erkannt hatte" (Amos 3, 2). Sie waren Sein Eigentums-Volk, im bildlichen Sinne das Haupt ( die Ersten), die übrigen Nationen der Schwanz (die Letzten). Das währte so lange, bis der Ungehorsam und die Bosheit des Volkes Gott zwangen, es in die Hand Nebukadnezars, des mächtigen Königs von Babel, zu geben. Damit verschwanden die Herrlichkeit und der Thron Jehovas aus Jerusalem (Hesekiel 10 und 11), und Herrschaft und Gewalt wurden dem Haupt der Nationen übertragen (Dan. 2, 37 ff.). Seitdem ist Israel der Schwanz, und die· Nationen sind das Haupt (Vergl. 5. Mose 28, 13. 44; Klag. 1, 5). Das wird, wie gesagt, so lang währen, „bis die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden“.

Diese Erfüllung steht heute vor der Tür. Jahrtausende sind seitdem verflossen. Die Juden, wenn auch unter Esra und Nehemia für kurze Zeit und in geringer Zahl ins Land ihrer Väter zurückgeführt, sind nie wieder zu Macht und Ansehen gelangt. Die „Nationen“ herrschen, und Israel ist in alle Länder zerstreut. Der „Feigenbaum“, mit welchem das Volk verglichen wird, ist verdorrt. Aber — er beginnt wieder auszuschlagen. Viele Juden erwarten ihren Messias mit steigenden Sehnsucht, und die bekannte „Zionisten-Bewegung“ beweist, wie in dem ganzen Volke (abgesehen von den Juden, deren einziges Trachten auf Befriedigung ihrer Gold- und Genusssucht gerichtet ist) ein nationales Aufwachen sich vorbereitet. Hand in Hand damit geht eine wachsende Rückwanderung in das Land der Väter. Die gewaltigen Umwälzungen der letzten Jahre haben die Hoffnungen auf Wiederaufrichtung eines jüdischen Staates neu belebt.

Die Zeichen, welche in den letzten Tagen an „Sonne, Mond und Sternen“ (Symbole der höchsten und der niedrigeren Autoritäten und Gewalten) geschehen sollen, beginnen sich zu entwickeln. „Die Kräfte der Himmel werden erschüttert.“ Throne und Gewalten stürzen zusammen, und auf der Erde herrscht schon heute „Bedrängnis der Nationen in Ratlosigkeit bei brausendem Meer und Wasserwogen“ (V. 25. 26). Freilich ist es noch nicht so weit gekommen, dass „die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen sollen“. Das Ende ist noch nicht da. Viel furchtbarer noch, als wir es bisher erlebten, wird die Kriegsfackel auflodern, ungleich schrecklichere Tage werden kommen, und noch weit entsetzlichere Dinge werden geschehen. Die „Offenbarung“ redet mit erschreckender Deutlichkeit über das, was für die Erde und ihre Bewohner zu erwarten steht.

Aber die ,,Anfänge« sind da; ernste, erschütternde Vorzeichen machen sich überall bemerkbar. Die finsteren Mächte des Umsturzes sind in kurzer Frist riesengroß gewachsen, und voll Furcht und banger Sorge fragt man schon heute: „Was wird aus dem allen werden? Wie und wo soll es enden?“ Ähnliche Zeiten und Erscheinungen, Vorläufer der heutigen, sind schon dagewesen, aber noch nie mit solch überwältigender Wucht und die ganze Erde umspannender Ausdehnung aufgetreten. „Der Richter steht vor der Tür und klopft noch einmal mit gewaltigem Finger an Herzen und Gewissen. Wird man hören und die Warnung beachten?

Den Seinigen ruft der Herr zu: »Wenn diese Dinge anfangen zu geschehen, so« blicket auf und hebet euer Haupt empor, weil eure Erlösung naht“ (V. 28). Es ist ein mächtiges Trostwort für jene Gläubigen, welche die große Drangsal, wie sie nie auf Erden war und nie wieder sein wird, mitdurchleben werden; aber es richtet sich heute schon tröstend und stärkend an alle, die auf Erlösung warten, mit anderen Worten, die dem Verderben, das in der« Welt ist, entflohen sind und nun mit Sehnsucht auf die Rückkehr ihres Herrn warten. Sie dürfen aus dem, was um sie her vorgeht, mit Sicherheit entnehmen, dass die Ankunft ihres geliebten Herrn ganz nahe gekommen ist. Denn ehe „die Sonne der Gerechtigkeit“ aufgeht, erscheint „der helle, glänzende Morgenstern“. Mit anderen Worten: Ehe der Tag des gerechten Gerichts anbricht, erfüllt der Herr Seine gnädige Verheißung an die Braut: „Ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Joh. 14, 3).

„Noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen.“ Ganz kurz vor Anbruch des Tages ist die Nacht am dunkelsten;. aber umso klarer hebt sich der Morgenstern von dem nächtlichen Himmel ab, umso glänzender erstrahlt sein Licht. Finsternis, undurchdringlicher als je, herrscht heute rund um uns her, aber auch lauter und allgemeiner als je ertönt der Ruf: „Komm!“

Kannst du von Herzen miteinstimmen, teurer Leser? Dann gilt auch dir die tröstliche Ermunterung: Hebe dein Haupt empor, denn deine Erlösung naht!

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Sieg

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 65ff

Dass die Gläubigen durch das große Sühnungswerk ihres Herrn und das Getauftsein mit Seinem Geiste „Heilige und Geliebte“ geworden sind, wissen wir aus verschiedenen Stellen der Schrift (Vergl. Eph. 1, 1; Phil. 1, 1; Kol. 1, 2; 3, 12 u. a.) Einst feindliche, sündige Menschen, Sklaven Satans, Kinder des Zorns, sind sie jetzt nahe gebracht, gereinigt, Kinder Gottes und Erben des Himmels, heilig und annehmlich gemacht in dem Geliebten.

Aber ist es genug damit, dass wir unserer Stellung vor Gott nach heilig“ sind? Sollten wir es nicht auch im Leben und Wandel sein? Ganz gewiss. Schon den Juden, dem irdischen Volke Gottes, war einst durch Moses zugerufen worden: „Seid heilig, denn ich bin heilig!“ (3. Mose 11, 44. 45). Der Apostel Petrus richtet die gleiche Aufforderung an uns. Mit vollem Recht! Denn wenn Israel, das nur durch Opfer, „die nach dem Gesetz dargebracht werden“, mit Gott in Verbindung stand, zur Heiligkeit berufen worden ist, wieviel mehr wir, die wir erlöst sind „mit dem kostbaren Blute Christi, als eines Lammes ohne Fehl und Flecken«, durch Ihn, der „um unserer Übertretungen willen verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen wurde“! Wie sollten, wie könnten wir, für deren Befreiung von Schuld und Sünde ein so unermesslicher Preis bezahlt worden ist, noch „in der Sünde leben“, noch „Unsere Glieder zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit darstellen“? Nein, so wie Der, welcher uns berufen hat, heilig ist, sollen auch wir heilig sein in allem Wandel (Vergl. 1. Petr. 1, 15).

Aber, möchte jemand einwenden, sind wir denn überhaupt imstande, allezeit einen heiligen, Gott wohlgefälligen Wandel zuführen? Darauf kann es nur eine Antwort geben, und zwar ein bestimmtes Ja. Zunächst würden der Herr und die Apostel nicht immer wieder zu einem solchen Wandel auffordern, wenn wir der Aufforderung nicht nachzukommen vermöchten. Dann aber haben wir Schriftworte genug, die über diesen Punkt klar und unzweideutig reden.

Der 2. Brief des Apostels Petrus beginnt mit den Worten: „Da Seine göttliche Kraft uns alles in betreff des Lebens und der Gottseligkeit geschenkt hat. . .“ In Verbindung mit diesem göttlichen Geschenk ermahnt dann der Apostel zu Fleiß, Glauben, Tugend, Kenntnis, Enthaltsamkeit, Ausharren und Liebe, und schließt mit den Worten: „Wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln“. Daraus geht klar hervor, dass für uns Gläubige durchaus keine Notwendigkeit vorliegt zu straucheln. Tun wir es, so ist unser Mangel an Wachsamkeit schuld daran, nicht aber unser Unvermögen. Es ist uns ja alles dargereicht, was wir für ein gottseliges Leben bedürfen. Gottes Geist wohnt in uns und leitet und unterweist uns. Hören wir auf Ihn, so sündigen wir nicht. So schreibt auch Johannes, der einst den gesegneten Platz an der Brust Jesu innehatte: „Meine Kinder, ich schreibe euch dieses, auf dass ihr nicht sündiget“ (1. Joh. 2, 1). Ja, noch mehr, er sagt im 5. Kapitel desselben Briefes: „Der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an“. Und wenn wir ferner ermahnt werden, uns im Herrn allezeit zu freuen, im Gebet zu beharren und allezeit für alles zu danken, alles Dinge, die nur dann verwirklicht werden können, wenn wir in der Nähe und Gemeinschaft unseres Herrn bleiben, so liegt darin, dass wir weder sündigen sollen noch zu sündigen brauchen. Zur Heiligkeit sind wir berufen, aber die Sünde sollen wir immer und unter allen Umständen fliehen.

Werden wir also von einem Fehltritt „übereilt“ (Gal. 6, 1) — anders sollte es bei einem Gläubigen überhaupt nicht sein, Sündigen und Fehlgehen sollten bei ihm nur eine Ausnahme bilden — so dürfen wir uns nicht damit entschuldigen, „dass wir nun einmal alle schwache Menschen sind«. Nein, der Fehltritt ist lediglich eine Folge unserer Unwachsamkeit. „Wachet und betet, auf dass ihr nicht in Versuchung kommet!“ rief einst der Herr Seinen Jüngern im Garten Gethsemane zu. Das Gleiche tut auch uns heute not. „Beharret im Gebet und wachet in demselben!“ (Kol. 4, 2). Genau die gleiche Aufforderung! Folgen wir ihr, so werden wir die wunderbare Macht des Gebets und der bewahrenden. Gnade erfahren. Wir werden im Blick auf Sünde und alles, was nicht der göttlichen Natur entspricht, dem Gebote Gottes folgen, als „Menschen Gottes“ alle diese Dinge fliehen und uns so „eine gute Grundlage sammeln auf die Zukunft“ (Vergl. 1. Tim. 6, 11. 19).

Möchte sich doch niemand mit der Ausflucht beruhigen: „Fehltritte sind unvermeidlich“! Das Wort Gottes bezeugt das Gegenteil. Freilich sagt der Herr: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“. Natürlich nicht. Er muss unseres Lebens Anfang, Mitte und Ende sein. Aber ist Er nicht bei uns? Hat Er uns nicht Seinen Geist gegeben? Ruft Er uns nicht zu: „Ich will dich nicht versäumen, noch dich verlassen!“? (Hebr.13, 5). Ohne Ihn nichts, mit Ihm alles! „Alles vermag ich durch Den, der mich kräftigt«, konnte der Apostel Paulus aus Erfahrung sagen. Allerdings war es eine persönliche Sache; er sagt nicht wir, sondern ich. Aber wir sollten es ihm nachsprechen können. Wenn eine Truppe denkt, sie müsse unterliegen, so steht es schlecht um sie; dann ist ihre Niederlage von vornherein besiegelt.

Fragt nun aber jemand: ,,Steht es denn richtig, wenn ein Gläubiger dahin kommt, von einem längeren oder kürzeren Zeitabschnitt seines Lebens zu behaupten, er habe in ihm nicht mehr gesündigt?“ so lautet die unbedingte Antwort: Nein! Denn das Wort der Wahrheit sagt in 1. Joh. 1, 8: »Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“, und einige Verse weiter: „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, so machen wir Ihn zum Lügner, und Sein Wort ist nicht in uns“. Und das schreibt derselbe Apostel, der in dem bereits angeführten 5. Kapitel seines Briefes sagt: „Der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an“, ja, an einer anderen Stelle: Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde .. und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“ (Kap. 3, 9).

Wie sind diese Stellen miteinander in Einklang zu bringen? Alle müssen die Wahrheit reden, denn sie stehen alle in dem untrüglichen Worte Gottes. Zunächst sei daran erinnert, dass Johannes nicht sagt: Der ,,Gläubige« oder das „Kind Gottes“ kann nicht sündigen, sondern „der aus Gott Geborene“, d. h. „der neue Mensch, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph. 4, 24). Ferner müssen wir in Betracht ziehen, dass der Gläubige, der in Christo eine neue Schöpfung geworden ist, die nicht sündigen kann, seine alte Natur noch mit sich herumträgt. Lässt er sich also von dem Neuen in ihm leiten, so sündigt er nicht. Erlaubt er aber der alten, unverbesserlichen Natur zu wirken, so kommt er zum Straucheln. Und wir alle müssen, wenn wir. Ehrlich gegen uns selbst sind, mit Beschämung bekennen, dass die alte Natur in uns noch gar oft zum Ausleben kommt, und müssen so mit dem Schreiber des Jakobusbriefes sagen: „Wir alle straucheln oft“.

Wenn wir nur ein wenig die Arglist unserer Herzen kennen und uns andererseits die durchdringende Heiligkeit Gottes vorstellen, der „größer ist als unser Herz und alles kennt“ (1. Joh. 3, 20), dann werden wir gewiss niemals von uns zu sagen wagen: In der und der Zeit ist auch nicht das Geringste vorgekommen, das hindernd zwischen mich und den Vater droben getreten wäre. Mag ich mir auch im gegenwärtigen Augenblick keiner Sünde bewusst sein, so ist damit noch nicht gesagt, dass Gott nicht Sünde an mir sieht, irgend Etwas, das ich nicht als Sünde erkannt oder das ich bis dahin übersehen habe.

Wenn es sich aber um Sünde in irgend einer Form handelt, so redet Gottes Wort sehr ernst. Gott nimmt es sehr genau damit. Vielleicht tue oder sage ich etwas, das an und für sich gar nicht verkehrt ist; wenn ich es aber nicht aus Glauben tue, so ist es Sünde, denn „alles, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde“ (Röm.14, 23). Wie weit geht das, nicht wahr? Wie erforscht ein solches Wort die innersten Tiefen unseres Herzens! Und doch ist es noch nicht alles. Es gibt noch einen zweiten Punkt, dem wir unsere eingehende Beachtung schenken müssen. Jakobus sagt: „Wer da weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Kap. 4, 17). Also das bloße Unterlassen von etwas Gutem ist vor Gott schon Sünde. Das ist eine Tatsache von allergrößter Bedeutung. Wie manche Gelegenheit, Gutes zu tun, sei es in Wort oder Tat, haben wir wohl in unserem Leben schon unbenutzt vorübergehen lassen und haben uns kaum etwas dabei gedacht! Es ist uns gar nicht zum Bewusstsein gekommen. Und doch war es vor Gott Sünde. Möchte Er uns denn in Gnaden helfen, in jeder Hinsicht treuer und gewissenhafter zu sein! Er schenke uns ein zartes Gewissen in per Behandlung selbst der anscheinend kleinsten und unwichtigsten Dinge! Auch mit dem Kleinsten, das wir als Sünde vor dem Herrn erkennen müssen, sollten wir schonungslos ins Gericht gehen! Nur so können wir von Herzen glücklich sein und den Frieden Gottes genießen, nur so „wachsen in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes“.

Der Gott, mit dem wir zu tun haben, ist ein heiliger Gott, dessen Flammenauge in die dunkelsten Winkel unserer Herzen hineinschaut und Sünde nicht sehen kann. Aber nennt das Wort Ihn einerseits auch ein „verzehrendes Feuer“, so ist Er doch andererseits ein überaus gnädiger Gott. Sind wir wirklich unwachsam gewesen und haben gefehlt, so brauchen wir deshalb noch nicht zu verzagen. Wir dürfen zu Ihm, dem Vater, kommen und Ihm alles sagen, auch das Demütigendste und Beschämendste für uns. „Denn wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, dass Er uns die Sünden“ vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh. 1, 9).

Und wenn Er vergeben und gereinigt hat, so behält Er unsere Sünde nicht im Gedächtnis. Er trägt nicht nach, wie der Mensch es so gern tut. Er vergibt und ,,gedenkt nicht mehr«, sondern reicht dem Bittenden neue Freude, neue Kraft und neuen Mut dar. „Tue deinen Mund weit auf, und ich will ihn füllen“, so sprach einst Jehova zu Seinem Volk Israel. Er ist heute noch Derselbe. Es kommt alles auf uns an. Ist unser Leben fruchtleer, so ist das allein unsere Schuld. Daniel kniete dreimal des Tages auf seine Knie und betete und lobpries vor seinem Gott. Hier holte er sich die Kraft für sein schweres Tagewerk und wider seine blutdürstigen Feinde. Deshalb konnte man auch keine schlechte Handlung an ihm finden, und deshalb schritt er in allen Proben von Sieg zu Sieg.

Auch wir sollen Sieger sein im Kampf wider die Sünde, wider Satan und seine Werkzeuge; und der Sieg ist unser, wenn wir den Kampf in Verbindung mit unserem Herrn führen. Satan ist ein schon besiegter Feind. Widerstehen wir ihm standhaft im Glauben, so wird er fliehen, und wir werden das Feld behaupten.

„Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“

Ja, wenn Jesus mich geleitet,

kann mir nichts zum Schaden sein.

Aber wie würd’ ich mich wagend

durch die weite Welt allein!?

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Mit Jesu allein

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 72ff

Der Herr Jesus ist mit den Seinigen gern allein. Oft nimmt Er den einen und anderen allein, um in der Stille mit ihm zu reden und ihm besondere Segnungen zu schenken.

So nahm der Herr in Mark. 9 die drei Jüngers: Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und führte sie auf einen hohen Berg „besonders allein“. Ihre Augen hatten schon große und herrliche Dinge geschaut, aber nun sollten sie voll werden von der persönlichen Größe und Herrlichkeit Dessen, der sie ausgesandt hatte. Sie hatten auch tiefe Eindrücke empfangen von dem Jammer und Elend der Welt. Jetzt sollten sie umso tiefer hineinblicken in die Fülle Seiner Kraft. Haben sie die Wunden des Volkes gesehen, so sollen sie jetzt Den sehen, der diese Wunden zu heilen vermag, in dessen Tagen der Gerechte blühen, und der sich des Geringen erbarmen und die Seelen der Armen retten wird. Ja, sie sollen Seine Herrlichkeit sehen, um später davon zeugen zu können. Darum führt der Herr sie allein.

Stets haben die Heiligen die größten Segnungen empfangen, wenn sie mit dem Herrn allein waren. Als Jakob mit Gott allein war, fand er sein Bethel (1. Mose 28, 10 — 19), und später sein Pniel (1. Mose 32, 24 — 30); in tiefer, nächtlicher Stille empfing er den Segen Abrahams und die Unterweisung des Allmächtigen.

Als Jesaja im Tempel allein war, sah er den Herrn auf hohem und erhabenen! Throne sitzen und erkannte im Licht der göttlichen Herrlichkeit wie noch nie zuvor sich selbst. Und berührt von der glühenden Kohle vom Altar, durfte er hinfort mit gereinigten Lippen, als der Bote Jehovas, seinem Volke dienen.

Auch Daniel war mit seinen drei Freunden allein mit Gott. „Er ging in sein Haus“ und trat mit ihnen vor den Gott des Himmels- um Barmherzigkeit von Ihm zu erbitten. (Dan. 2.) Und Gott tat dem Daniel den Traum des Königs kund, sodass er mit seinen Genossen nicht umkam.

Auf der Insel Patmos war in späteren Tagen ein anderer Prophet mit dem Herrn allein. Dort schaute Johannes den verherrlichten Herrn, das gekrönte Lamm, und schrieb all die wunderbaren Dinge nieder, die der Herr ihm zeigte. Ja, mit Jesu allein, welch eine Fülle von Segnungen kann das für uns bedeuten!

Abraham war allein, als ihm „der Gott der Herrlichkeit“ erschien und ihn aus seiner Verwandtschaft und seines Vaters Hause berief; und er war nachher mit Gott allein im Lande Kanaan. Er baute Gott einen Altar neben seinem Zelt und rief den Namen Jehovas an, während Lot nach Sodom wanderte. Allein mit Gott, durfte er das ganze gesegnete Land schauen, das Gott ihm und seinen Nachkommen geben wollte. Still und friedlich war sein Weg, während sein Bruder Lot in den Kampf der Könige vermittelt und gefangen genommen wurde. Schließlich erhielt Abraham vom Herrn noch die Kraft Lot mit seiner ganzen Habe zu befreien. sowie das wunderbare Vorrecht, für die schuldigen Bewohner Sodoms fürbittend einzutreten.

Mose war allein mit Gott in der Wüste Midian, am Berge Horeb und später auf dem Berge Sinai. Gott machte ihn dort zum Mitwisser Seiner Gedanken, rüstete ihn aus mit Weisheit und legte die Worte in seinen Mund, mit denen er das Volk Israel zu belehren und zu führen hatte. Ja, er empfing Eindrücke und Offenbarungen, die ihn zu seinem schweren Amt fähig machten und im Dienst aufrecht hielten. Mit beiden Männern, Abraham und Mose, redete Gott von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet.

In uns gibt es keine Quellen des Segens und der Kraft. Alle unsere Quellen sind in Christo. Wer nun in der Stille aus diesen Quellen sich füllen lässt, wer auf dem Wege, wie Christus als Mensch es selbst getan hat, fleißig „aus dem Bache trinkt“, der wird nicht nur das Haupt erheben (Ps. 110, 7), sondern auch im Geräusch des Tages anderen etwas zu geben haben.

Darum ist es so wichtig für jeden Diener, viel mit dem Herrn allein zu sein, zuhören, wenn Er redet, wie einst Samuel es tat. So machte es ja auch Maria in Bethanien. Sie verstand, dass das, was Jesus ihr gab, unendlich mehr war, als was sie Ihm geben konnte. Darum vermochte sie Ihm auch später zu dienen, wie kein anderer es verstand (Mark. 14, 3 - 9).

„Und Er führte sie auf einen hohen Berg besonders allein.“ Wie gesegnet ist solches Führen! Möchten wir es besser verstehen lernen, auch wenn wir auf rauer Straße geführt werden, oder an einen Ort, der unserer Natur nicht gefällt! Wohl singen wir oft: „Sein Tun ist stets gesegnet, selbst wenn es hart uns scheint“, aber es ist häufig wohl nur ein Wort der Lippen, von dem das Herz wenig weiß.

Und doch, wie oft erweisen sich gerade die rauen Straßen und einsamen, steinigen Orte als besondere Segensquellen! Jakob hatte nicht erwartet, auf seiner mühsamen Wanderung einen offenen Himmel zu finden. (1. Mose 28, 16.) Martha und Maria meinten, an dem Krankenbett ihres Bruders Großes sehen zu dürfen. Aber viel Größeres sollten sie an Seinem Grabe sehen. Sie sollten die Herrlichkeit Gottes in einer Weise schauen, wie sie sie nie geahnt hatten, und ihren geliebten Herrn in einer Weise kennen lernen, wie sie Ihn anders nie hätten kennen lernen können: einerseits als die Auferstehung und das Leben, und andererseits als Den, der mit ihnen weinte.

Jairus und sein Weib lernten mit den drei Jüngern Jesu am Sterbebett ihres Töchterleins gleichfalls den Herrn über Leben und Tod kennen. Wäre Jesus auf dem Wege nicht durch das blutflüssige Weib aufgehalten und so jede Hoffnung vernichtet worden, würden sie Ihn wohl so nicht kennen gelernt haben.

Welche Herrlichkeiten eröffnete der Herr ferner den beiden Jüngern auf dem Wege nach Emmaus! Wie brannten ihre Herzen, als Er sich auf der einsamen Straße zu ihnen gesellte und ihnen das Verständnis über das öffnete, was Moses und die Propheten betreffs des Messias geredet hatten!

Ja, Herrlichkeitshöhen findet der Gläubige im Krankenzimmer, am Sterbebett, auf öder Straße, in der Werkstatt, oder wo es sonst sei. Hätten wir nur immer offene Ohren, um zu hören, wenn unser Herr redet! Für Ihn gibt es keinen so einsamen Weg, keine so trübe Stunde, dass Er unserer Seele nicht, wie einst dem Jakob, einen geöffneten Himmel geben könnte. Er vermag da, wo unser Auge nur Schwierigkeiten sieht, dem Glauben verborgene Lebensquellen zu erschließen. Für jedes Mara hat Er ein Holz, das alles Bittere süß macht. Und nach dem Mara fand Israel mitten in der Wüste ein Elim mit zwölf Wasserquellen und siebzig Palmbäumen (2.Mose 15, 27).

„Und Er wurde vor ihnen umgestaltet“ (Mark. 9, 2.) Die Jünger durften etwas von der Herrlichkeit sehen, die uns bald ewig erfreuen wird; und so dürfen auch wir es heute schon. Ungeahnte Schönheiten und Herrlichkeiten entfalten sich vor den Augen unserer Herzen, wenn wir in der Stille und Zurückgezogenheit Seiner Gegenwart Sein Bild auf uns einwirken lassen. Er wird vor uns umgestaltet, wenn auch in anderem Sinne als auf dem Berge.

Selbst ein Apostel Paulus hat nirgendwo mehr von Jesu genossen, als in dem Kerker zu Rom. Warum? Mehr, ausschließlicher als je war es die Person des Herrn, die vor seinen Augen stand und sein Herz mit Freude erfüllte. Er hatte keineswegs das Werk vergessen, das der Herr ihm anvertraut hatte. Nacht und Tag war er tätig für die Gläubigen; allezeit tat er das Gebet für sie alle mit Hingebung und Freude. Aber es war die Person seines geliebten Herrn, nach welcher sein Herz sich sehnte, und die ihn überströmend machte in seiner Freude. Lasst uns seine Nachahmer sein! Sind wir nicht gar oft mit uns selbst, mit unserer Arbeit, ja, mit den Dingen der Erde mehr beschäftigt, als mit dem Herrn selbst? Sollten wir Ihm deshalb nicht dankbar sein, wenn Er diese schwere Zeit dazu benutzt, um uns allein zu nehmen, von dem Irdischen zu lösen und uns durch die Beschäftigung mit. Ihm in besonderer Weise zu segnen? Fürwahr, es ist der Mühe wert, durch persönliche Erfahrung dahin zu kommen, dass man in der Zeit der Not mit David sagen kann: „Du hast Freude in mein Herz gegeben, mehr als zur Zeit, da ihres Kornes und ihres Mostes viel war“ (Psalm 4, 7).

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Ein Wort über Hebräer 6,18-20

Bibelstelle: Hebräer 6,18-20

Botschafter des Heils 1919 S. 77ff

Es besteht wohl kein Zweifel darüber, dass die Verse 18 — 20 in Hebräer 6 eine Anspielung auf die im Alten Testament erwähnten Zufluchtsstädte enthalten (Vergl. 4. Mose 35, 9 — 34) Zwei Punkte sind es vornehmlich, die zu einem Vergleich mit der den Israeliten gegebenen Verordnung drängen; der erste ist die Tatsache, dass wir „Zuflucht genommen“ haben, der zweite, dass eine „Hoffnung“ uns vor die Seele gestellt wird.

Der gesetzlichen Verordnung gemäß floh der Totschläger in eine der von ihr bezeichneten Städte, wo er, falls er zu dem Schutz, den diese Städte gewährten, berechtigt war, in völliger Sicherheit vor dem Bluträcher weilen konnte. In ähnlicher Weise werden in unserer Stelle die Gläubigen als solche geschaut, .die den kommenden Gerichten entflohen sind, und zwar in ein Heiligtum, das „durch zwei unveränderliche Dinge“ gesichert ist: durch das Wort und den Eidschwur Gottes. Der Totschläger, der in der Zufluchtsstadt geborgen war, lebte dort in der Hoffnung auf den Tod des jeweiligen Hohenpriesters. Sobald dieser eintrat, durfte er in das Land seines Eigentums zurückkehren. So haben auch die Gläubigen ihre Hoffnung und zugleich einen starken Trost, solang sie in ihrem Heiligtum weilen. Doch mit dem Unterschiede, dass ihre Hoffnung nicht etwa der Tod ihres Hohenpriesters ist, sondern vielmehr Sein Hervortreten aus dem Heiligtum. Denn alsdann wird Er zum zweiten male ohne Sünde erscheinen zur Seligkeit derer, die Ihn erwarten.

Diese Hoffnung wird hier als „ein Anker der Seele“ beschrieben für die Zeit des Wartens, ein Anker „sicher und fest, der auch in das Innere des Vorhangs hineingeht, wohin Jesus als Vorläufer für uns eingegangen ist, welcher Hoherpriester geworden in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks“.

Welch eine Mühe hat Gott sich doch gegeben, die Herzen der Seinigen zu befestigen, ihnen Vertrauen und Sicherheit einzuflößen durch alles das, was Er für sie vorgesehen hat! Er möchte jeden Zweifel bezüglich der Zukunft zerstreuen, indem Er ihren Blicken Jesum darstellt als Den, der ihnen voran ins Innere des Vorhangs gegangen ist und ihnen so eine himmlische Hoffnung gegeben hat. Denn die Tatsache Seines Dortseins ist das göttliche Unterpfand dafür, dass Er wiederkommen und uns mit sich in die Herrlichkeit einführen wird. Diese Hoffnung, zu deren unentwegtem Festhalten wir ermahnt werden, wird überdies durch die Treue und den Eidschwur Dessen, der die Verheißung gegeben hat, verbürgt (Vergl. Hebr. 10, 23).

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Fragen aus dem Leserkreise. *)

Kann auch heute noch eine Lästerung des Heiligen Geistes geschehen, oder war eine solche nur möglich, als der Herr Jesus hienieden wandelte??

Bibelstelle(n): Matthäus 12, 31; Markus 3, 28 - 29; Lukas 12, 10

Entnommen aus: Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1919, Seite 79

Die Lästerung des Heiligen Geistes war die besondere Sünde der Leiter des jüdischen Volkes. Sie verwarfen wissentlich das Zeugnis, das der Heilige Geist für Jesum, den Messias Israels, ablegte, und während die Volksmenge staunend fragte: Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids?“ sagten sie: Dieser treibt die Dämonen nicht anders aus als durch den Beelzebub, den Obersten der Dämonen“.(Matthäus 12, 23. 24). Sie nannten also den Heiligen Geist Beelzebub.

In ähnlicher Weise „widerstritten“ sie, wie ihre Väter, nach der Rückkehr des Herrn in den Himmel dem Heiligen Geiste, trotzdem dessen Macht sich gewaltiger und offenkundiger entfaltete als je vorher – noch „größere Werke“ geschahen, weil Jesus zum Vater gegangen war (Joh. 14, 12). Sie verwarfen völlig und endgültig das Zeugnis des Heiligen Geistes für Christum. Darum war ihr Zustand hoffnungslos, ihre Sünde konnte weder in diesem noch in dem zukünftigen Zeitalter vergeben werden.

Die Frage, ob die Lästerung des Heiligen Geistes nur während des Weilens Jesu hienieden möglich gewesen sei, muss also in verneinenden Sinne beantwortet werden; auch darf wohl niemand behaupten, dass sie heute nicht geschehen könne, wenn auch infolge der durch die Untreue des Menschen so sehr verminderten Wirksamkeit des Heiligen Geistes die Vorbedingungen zu einer solchen bewussten Lästerung wohl äußerst selten gegeben sein werden.

*) Die bisherige Gewohnheit, die Fragen auf dem Umschlag des „Botschafters“ zu beantworten, hat sich als unpraktisch erwiesen, da beim Einbinden der Jahrgänge die Umschläge verloren gehen, was vielfach bedauert wird. Die Antworten sollen deshalb fortan einen Platz im Textes selbst finden, des beschränkten Raumes wegen in kleinerer Schrift,

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Fragen aus dem Leserkreise.

Können die Geister im Hades ihre Freude oder ihren Schmerz Ausdruck geben? Vermögen die Seligen jetzt schon Gott zu loben. Sind die Abgeschiedenen in demselben Zustand wie die Engel?

Bibelstelle(n):

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1919, Seite 80ff

Wir müssen uns davor hüten, mehr wissen zu wollen, als Gott uns in Seinem Worte geoffenbart hat. „Neugierige“ Fragen beantwortet Er niemals.

Das Wort sagt uns, dass der Gläubige abscheidet, um „bei Christo zu sein“· Das ist seine glückselige Hoffnung. „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“, sagt Jesus zu dem Schächer an Seiner Seite. Der sterbende Gläubige legt diesen Leib der Niedrigkeit ab, um mit „den Geistern der vollendeten Gerechten“ bei Jesu auf den Morgen der Auferstehung zu warten. Er befindet sich in einem Zwischenzustand, das Vollkommene ist noch nicht gekommen, das Vaterhaus noch nicht erreicht; aber in diesem -Zwischenzustand, der im Alten Testament Scheol, im Neuen Hades genannt wird, genießt er seinen Herrn in einer Weise wie nie zuvor — ungestört, ungehindert, in vollkommener Ruhe und Seligkeit. Wie ein Geist Christum genießt und seiner Freude Ausdruck gibt, können wir freilich nicht sagen, denn wir kennen nichts von der Geisterwelt. Aber wenn heute meine Seele sich geistlicherweise ihres abwesenden Heilandes erfreut mit einer ,,unaussprechlichen und verherrlichten“ Freude — der Leib tut es nicht, er ist in dieser Beziehung nur ein Hindernis -— wieviel höher, tiefer, reiner und vollkommener wird dann dieser Genuss sein, wenn ich ohne das Hindernis des irdenen Gefäßes, ohne irgendwelche störenden Einflüsse von außen, bei Ihm sein werde, in Seiner nächsten Nähe!

Dass die Abgeschiedenen redend und ihren Gefühlen Ausdruck gebend sowohl im Alten als auch im Neuen Testament eingeführt werden, ist bekannt. (Vergl. z. B. Jes. 14, 9 - 17; Luk. 16, 19 — 31; Offbg. 6, 9 — 11). Aber damit müssen wir uns auch zufrieden geben. Wie eine Seele oder ein Geist redet oder gar „mit lauter Stimme ruft“, ist uns verborgen.

Die Engel sind weder im Bilde Gottes geschaffene Menschen, noch von ihren Leibern getrennte Menschenseelen, sondern „dienstbare Geister“, mächtige Geschöpfe Gottes, Täter Seines Wohlgefallens, „an Stärke und Macht größer“ als wir, mit einem Wort eine ganz andere Art von Wesen. Judas redet von Engeln, die „ihren ersten Zustand“ nicht bewahrt, sondern „ihre eigene Behausung“ verlassen haben und nun mit ewigen Ketten unter der Finsternis verwahrt werden (Vergl. 1. Mose 6, 2; 2. Petr. 2, 4). Näheres über diesen Zustand und diese Behausung wird uns nicht gesagt.

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Hütet euch

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 81ff

»Ihr nun, Geliebte, hütet euch!« (2. Petr. 3, 17.) So ruft nach eingehenden Belehrungen der treue Kämpfer des Herrn der ihm anvertrauten Herde noch einmal zu, ehe er den Schauplatz des Kampfes verlässt. Bis zum letzten Atemzuge steht er treu auf feinem Posten und führt den Auftrag seines Herrn: „Hüte meine Schafe!“ sorgfältig aus.

Liebliche, aber auch tiefernste Bilder ziehen in dem 2. Briefe Petri an unseren Augen vorüber. „Größte und kostbare Verheißungen“ waren das Teil der Erlösten des Herrn, und alles stand in Verbindung mit und war gleichsam verankert in der Herrlichkeit des Herrn Jesus, deren Augenzeugen die drei Apostel auf dem heiligen Berge gewesen waren.

Noch mehr. An dunklem Orte stehend, wo das prophetische Wort ihnen wie eine Lampe leuchtete, sollte der Morgenstern in den Herzen der Gläubigen aufgehen. Sie wussten ja, belehrt durch die Apostel, dass, ehe der Tag des Herrn, auf den die Juden warteten und den sie herbeiwünschten, hereinbrach, der Herr Jesus kommen würde, um die Seinigen ins Vaterhaus zu- führen und sie teilnehmen zu lassen an Seiner himmlischen Herrlichkeit. So gingen sie einher, Ihn selbst erwartend, der den Seinigen verheißen hat, im Vaterhause eine Stätte für sie zu bereiten und dann wiederzukommen, um sie zu sich zu nehmen, damit sie da seien, wo Er ist (Joh. 14, 2 — 4.) Der liebliche Glanz des „Morgensterns“ erfüllt das Herz mit Trost und Kraft.

Der Apostel ist indes gezwungen, neben lieblichen Mitteilungen auch ernste, betrübende Worte zu sprechen.

Dunkle, schwere Tage standen im Begriff zu kommen. „Falsche Lehrer“ sollten austreten, die den Gebieter verleugnen und, viele nach sich ziehend, versuchen würden, die Gläubigen zu verführen und, sie mit stolzen Worten der Eitelkeit ködernd, ins Verderben zu stürzen. Neben diesen sollten „Spötter“ aufstehen, die in vermessenem Stolze genau das Gegenteil von dem sagen würden, was die Gläubigen durch das Wort der Propheten und durch das Gebot des Herrn mittelst der Apostel gelernt hatten. Außerdem würden „Unwissende und Unbefestigte“, anstatt den ihnen durch die Schriften zugedachten Segen in Empfang zu nehmen, dieselben zu ihrem eigenen Verderben verdrehen.

Angesichts alles dessen war es von der größten Bedeutung, sich zu hüten. Deshalb belehrte der Apostel „die Geliebten“ im voraus über das Kommende, damit sie nicht, „durch den Irrtum der Ruchlosen mitfortgerissen, aus ihrer eigenen Festigkeit fallen möchten“. Wollten sie nicht durch das hereinbrechende Verderben Schaden nehmen, so war es unbedingt nötig, wachsam zu sein. Der Strom des Bösen sollte so mächtig hereinbrechen, dass selbst solche, die „in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt“ waren, in Gefahr kamen, mitfortgerissen zu werden. Es galt daher, sich zu hüten, sich in dem Lichte des Herrn aufzuhalten, um einen klaren Blick und geistliches Unterscheidungsvermögen zu bewahren, und so jeder Ansteckung seitens des Bösen zu entgehen.

„Wie lehrreich und beherzigenswert ist das alles für uns, die wir am Ende der Zeiten angekommen sind! Das angekündigte Verderben ist nicht mehr zukünftig wie zu jener Zeit, nein, es ist da, und wir nehmen es rund um uns her wahr. Genau so wie es vorhergesagt worden, ist es eingetroffen. Es kann uns daher nicht befremden, aber es sollte uns auch nicht ungewappnet finden.

Wir wissen, dass der Herr binnen kurzem erscheinen und mit Seinem scharfen, zweischneidigen Schwert die Nationen schlagen und richten wird. Er wird hienieden alles in Ordnung bringen, und keiner wird Ihm widerstehen noch Ihm Seine Herrscherrechte streitig machen können. „Die Macht und das Reich unseres Gottes und die Gewalt Seines Christus“ wird dann gekommen sein, und „Er wird herrschen in die Zeitalter der Zeitalter“ (Offbg. 11, 15; 12, 10; 19, 11 - 16).

Wir erwarten indes nicht, wie schon angedeutet, das Reich — wiewohl wir uns darüber freuen, dass es bald aufgerichtet und dem Herrn dann alles zu Füßen gelegt werden wird. Der Gegenstand unserer Erwartung ist „der Sohn Gottes“, und zwar erwarten wir Ihn „als Heiland“ aus den Himmeln, als Den, „der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leibe der Herrlichkeit“ (Phil. 3, 20. 21; 1. Thess. 1, 10.) Wir schauen aus nach dem „glänzenden Morgenstern“, der uns dieser Welt, wo die Dunkelheit ihren Höhepunkt erreicht hat, entrücken und in die himmlische Heimat einführen wird.

So kennen wir durch Gottes Gnade schon lange die Wahrheit. Aber eine andere Frage ist es, ob nun auch in unseren Herzen der Morgenstern wirklich aufgegangen ist. Das bloße Kennen der Wahrheit von der Entrückung nützt nichts; es fragt sich, ob sie in unseren Herzen lebt, ob wir auf unserer Reise durch sie beeinflusst und geleitet werden. Fragen wir uns denn: Lebt die Erwartung Seiner Wiederkehr so in unseren Herzen, dass wir sie als das Nächstliegende erwarten und deshalb alles so in Ordnung zu bringen suchen, wie es den Wünschen unseres teuren Herrn entspricht? So konnte man es vor kurzem bei manchen Frauen beobachten, welche die Rückkehr ihrer geliebten Männer aus dem Felde erwarteten. Alles was sie sagten und taten, stand unter dem Zeichen dieser Erwartung. Sollte es bei uns anders sein? Der breite Strom des Abfalls und Verderbens wälzt sich in der Welt dahin, und immer weitere Schichten werden auf die eine oder andere Weise in ihn hineingerissen. Da tönt denn umso eindringlicher die Stimme des Wächters an unser Ohr und sucht sich auch Eingang in unser Herz zu verschaffen: „Geliebte, da ihr es vorher wisset, so hütet euch!“

Wie schön und lieblich ist der Name „Geliebte“! Wir finden ihn viermal in unserem Kapitel. Er tut uns kund, dass wir die Gegenstände der Liebe Gottes sind. Der Name offenbart uns den hohen und erhabenen Platz» auf den uns diese Liebe gebracht hat, und gibt zugleich dem unermesslichen Unterschied Ausdruck, der vor Gott besteht zwischen den Geliebten und den Ruchlosen.

Lieber gläubiger Leser! sinne einen Augenblick nach über diesen Namen. Vielleicht bist du' augenblicklich in mancherlei Schwierigkeiten und Nöten, und die Welt schüttelt mitleidig den Kopf über dich, weil du nicht mitmachst und noch solch ein „Rückständiger“ bist, ja, „ein Narr“ in ihren Augen. Aber bedenke: ein Narr um Christi willen! O lass dich eben jetzt ermuntern und trösten! Du bist ein Geliebter, und zwar ein Geliebter des Herrn der Herrlichkeit! Welch eine Fülle von Segen ist doch in diesem einen Wort enthalten! Wie glücklich und standhaft macht uns das Bewusstsein, vom Herrn geliebt zu sein und Seine Anerkennung zu haben! Wie befähigt es uns, alles zu ertragen, was uns auf dem Wege begegnet! Und wenn schon jetzt die Liebe des Herrn ein solcher Schatz für uns ist, wo wir sie doch nur ganz unvollkommen und schwach genießen, was muss es erst sein, wenn wir sie, am Ziele angelangt, vollkommen erkennen und genießen werden! All unser Erkennen ist heute Stückwerk, aber Gott sei Dank! es wird nicht so bleiben. „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht“ (1.Kor.13, 12).

Hoch bevorzugte und gesegnete Menschen haben immer ihre Neider und Feinde. So ist es auch in unserem Falle. Weil wir so reiche Vorzüge und Segnungen besitzen, stellt uns der! Feind ganz besonders nach. Er möchte so, gern uns „aus unserer eigenen Festigkeit fallen“ sehen, und leider müssen wir mit Betrübnis feststellen, dass es ihm in manchen Fällen gelungen ist, Gläubige durch den Irrtum der Ruchlosen mitfortzureißen.

Wie war das aber nur möglich?! Ach! Die Erwartung des Herrn lebte nicht mehr im Herzen; statt nach oben war das Sinnen nach unten gerichtet. Wenn es aber so steht, dann ist es nicht zu verwundern, dass der Feind Vorteile erringt und die Seelen zu Fall kommen. Einzelne Gläubige haben ihr Licht und ihre Kraft so völlig eingebüßt, dass sie das, wovon sie sich einst in entschiedener Verurteilung abwandten, heute rechtfertigen und gar mitmachen.

Da gibt es z. B. die vielen Vereinigungen auf sozialem Gebiet, Organisationen und Verbände der verschiedensten Art und mit den verschiedensten Zwecken. Sie mögen, von rein menschlichem Standpunkt aus betrachtet, ihre Berechtigung und, neben vielen schädlichen Folgen, auch ihr Gutes haben. Aber für den Christen, der dem Gebote Gottes folgen möchte, steht geschrieben: „Seid nicht in einem ungleichen Joche mit Ungläubigen“, und: „Welches Teil hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?“ Das redet deutlich genug. Nun ist es freilich unendlich viel leichter, einen Grundsatz festzustellen, als im gegebenen Falle nach ihm zu handeln. Es erheben sich da oft Schwierigkeiten und Fragen ernstester Art. In sehr vielen Fällen steht die Erhaltung von Arbeitsstelle oder gar Arbeitsgelegenheit und damit, nach menschlichem Ermessen, die Möglichkeit des Lebensunterhaltes für die Betreffenden mit ihren Familien auf dem Spiele. Da wird denn der Entschluss, nicht mitzumachen, zu einer Glaubenstat. Sicherlich wird der Herr Seine Knechte, die in Gehorsam gegen Ihn einfältig nach ihrer Überzeugung handeln, nicht verlassen, — sollte Ihm etwas zu wunderbar sein? —-aber da es sich um eine Sache des persönlichen Glaubens handelt, worin niemand für den anderen eintreten und glauben kann, so muss es dem Einzelnen überlassen bleiben, wie er handelt. Hier gilt auch wohl das Wort: „Hast du Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott“ (Röm. 14, 22). Niemals aber sollte ein Gläubiger ohne Not solchen Verbänden beitreten. Wenn er es, der Gewalt weichend, tut, weil er gar keinen anderen Ausweg sieht, so sollte es doch nur mit schwerem Herzen geschehen und mit der ernsten Bitte: „Herr, hilf mir, stets beweisen zu können, dass ich nur gezwungen diesen Schritt tue, und dass, wenn auch mein Name fernerhin auf der Vereinsliste steht, mein Herz und mein Sinn bewahrt bleiben in Dir!“

Bei dieser Gelegenheit sei noch ein anderes betrübendes Beispiel von innerem Rückgang angeführt.

Da ist ein Bruder, der früher mit schwachem Verdienst, bei vielleicht mühevoller Arbeit, aber auf den Herrn wartend, mit glücklichem und dankbarem Herzen seinen Weg ging. Heute aber tritt er, gleich der Welt, ja vielleicht sogar mit der Welt auf und fordert laut immer höheren Lohn. Es wäre töricht und unbillig, zu übersehen, dass die Verhältnisse ganz andere geworden sind, und dass, infolge der Teuerung, heute ungleich mehr nötig ist als früher, also auch entsprechend höhere Löhne gezahlt werden müssen. Es wäre lieblos, ja, geradezu böser Wille, wenn jemand nicht anerkennen wollte, dass die Lage vieler Familien überaus schwierig ist: die Lebensmittel knapp· und oft fast unerschwinglich teuer; Kleider, Bettwerk, Schuhe —- alles nahezu aufgebraucht und nur zu Schwindelpreisen zu erstehen. Aber trotz alledem muss ich fragen: Sind wir berufen, uns selbst Recht zu verschaffen, und das sogar in Verbindung mit denen, die Gott nicht kennen noch fürchten? Nein; fern sei so etwas von einem Gläubigen! Wir dürfen und sollen alles Dem anheimstellen, der uns mehr geliebt hat als sich selbst und deshalb ganz gewiss für unsere irdischen Bedürfnisse sorgen und uns das Nötige darreichen wird. Wie und wodurch Er uns zu Hilfe kommt, das dürfen wir getrost Ihm überlassen. Sein Name ist „Wunderbarer, starker Gott, Friedefürst“. Herrliche Erfahrungen durften die Gläubigen, die auf ihren Gott vertrauten, zu allen Zeiten machen. Lasst uns ihnen nachahmen! Auch wir werden dann zu unserem Segen die gnädige Durchhilfe unseres Gottes und Vaters erfahren. Hüten wir uns davor, mit eigener Kraft und auf eigenen Wegen uns Vorteile verschaffen zu wollen! Sie werden sich immer als Fallstricke erweisen und, wenn nichts Schlimmeres, sicher aber „Magerkeit in unseren Seelen“ bewirken.

Was soll man aber nun gar von solchen Gläubigen sagen, die sich den lärmenden Kundgebungen unserer Tage anschließen, Um- und Aufzüge mitmachen, die von unzufriedenen und aufrührerischen Elementen veranstaltet werden, um die Regierung oder die Arbeitgeber ihren Forderungen geneigt zu machen oder gar sie durch Drohung und Vergewaltigung zur Annahme derselben zu zwingen? Man hätte es noch vor kurzem für ganz undenkbar gehalten, dass ein Kind Gottes, ein Jünger Jesu, jemals in den Reihen eines solchen Zuges gefunden werden könnte. Aber leider, leider ist es hie und da geschehen. So verderblich und vergiftend hat schon der Geist der letzten Tage auf Einzelne, die sich „Brüder“ nennen, eingewirkt. Möchte Gott ihnen in Seinem Erbarmen die Augen öffnen und ihnen aufrichtige Buße und Umkehr schenken, „auf dass sie nicht mit der Welt verurteilt werden“! Was sagt der Apostel zu den gläubigen Römern? »Wenn ihr nach dem Fleische lebet, so werdet ihr sterben.“ Und Jakobus schreibt in seinem Briefe so ernst: „Wisset ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, stellt sich als Feind Gottes dar.“

Dabei haben wir noch gar nicht der großen Sünde gedacht, die solche Gläubige gegen ihre Arbeitgeber und gegen die Regierung begehen. Gottes Wort ermahnt uns immer wieder, unterwürfig zu sein und in allem, was irgend uns zu tun obliegt, „von Herzen zu arbeiten, mit Gutwilligkeit, als dem Herrn und nicht den Menschen«. Wir „dienen dem Herrn Christo“, und „wer unrecht tut, wird das Unrecht empfangen, das er getan hat, und da ist kein Ansehen der Person“. Wir sind berufen, selbst wenn uns unrecht geschieht, „um des Gewissens vor Gott willen Beschwerden zu ertragen“ und „durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen zu bringen, als Freie, und die nicht die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit haben, sondern als Knechte Gottes“. Es liegt uns ob, „aller menschlichen .Einrichtung unterworfen zu sein um des Herrn willen“, „Obrigkeiten und Gewalten Gehorsam zu leisten“, ja, die Obrigkeit zu fürchten als „Gottes Dienerin“. Der stolze Geist der letzten Tage nennt das allerdings „Sklavenmoral“, aber „hütet euch, Geliebte, dass ihr nicht durch den Irrtum der Ruchlosen mitfortgerissen werdet“!

„Hütet euch!“ Gleich einem von brandenden Wogen umtosten Leuchtturm steht das Wort da, —um dem heimkehrenden Schiffer an den gefährlichen Klippen und Untiefen vorbei den sicheren Weg in den Hafen zu weisen. Teure Geschwister! sollen wir das warnende Zeichen nicht zu unserem Segen beachten? Wer kann sagen, wo man endet, wenn man sich von den Wellen mitfortreißen lässt! Hüten wir uns! Die Bedeutung des Wortes ist uns allen klar. Ein jeder von uns hat schon einmal über. irgend etwas wachen müssen. Wie genau haben wir da alles beobachtet, in Betracht genommen! Ja, wir hüteten treu Nun sollen wir uns selbst hüten. „Habe acht auf dich selbst", so schreibt Paulus an Timotheus, und wie feierlich ernst klingt der Mahnruf des Herrn: „So wachet nun!“ … „Was ich euch aber sage, sage ich allen: Wachet!“ Halten wir uns denn fern von aller Art des Bösen! Gehen wir selbst dem schwächsten Schatten des Bösen sorgfältig aus dem Wege, damit es nicht Eingang finde in unser Herz! Sobald einmal etwas Böses im Herzen Wurzel gefasst hat, frisst es um sich wie ein Krebs und bringt uns unfehlbar ab von dem einmal klar erkannten Wege der Wahrheit.

Mein Leser! solltest du vielleicht auch von dem Strome mitgerissen worden sein und vergessen haben, dich zu hüten? O dann erwache und eile zum Herrn, damit Er dich befreie! Reiße dich los aus den Stricken des Feindes! Bedenke, du „Geliebter“ des Herrn, wohin dein Schifflein steuert! Sieh zu, dass du nicht das Ziel verfehlst, sondern dass dir „reichlich“ dargereicht werde der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes“! Befleißige dich, deine Berufung und Erwählung fest zu machen, damit du niemals strauchelst. Halte dich eifersüchtig Ihm allein zur Verfügung, der dich, am Stamme des Kreuzes erworben hat mit Seinem kostbaren Blut! Er hat ein Recht an dich. Vergiss es nie!

„Die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen“ — „Habt nun Geduld, Brüder, . . . befestiget eure Herzen!“ Wenn wir um des Herrn willen auf irgend einen irdischen Vorteil verzichten, um den klar vorgezeichneten Weg des Wortes nicht zu verlassen, wenn wir uns weigern, uns zur Erhaschung des einen oder anderen mit der Welt zu vereinigen, so dürfen wir überzeugt sein, dass wir nicht zu kurz kommen werden. Aber wenn wir auch scheinbar zu kurz kommen möchten, ist es doch unendlich besser, um Seinetwillen zu verzichten und mit einem glücklichen Herzen Ihm entgegen zu eilen, als mit einer Welt in Verbindung zu treten, die Ihn einst verworfen hat, und so den Platz des Geliebten mit dem des Ruchlosen zu vertauschen. Wie arm und bedauernswert ist ein Gläubiger, der mit einem beschwerten und verstrickten Herzen dahingeht! Hier ist er unglücklich, und dort entgeht ihm der Lohn, den der Herr so gern dem treuen Knechte geben will.

Darum noch einmal: ,,Ihr nun, Geliebte, hütet euch!« „Noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen.“ „Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, um einem jeden zu vergelten, wie sein Werk sein wird“ (Offbg. 22, 12). Bis dahin aber „wird der Gerechte aus Glauben leben“ (Hebr.10, 38).

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Lohn und Gnadengabe

Bibelstelle: Römer 6,23

Botschafter des Heils 1919 S. 92ff

„Der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christo Jesu, unserem Herrn“ (Röm. 6, 23).

Die Schriftstelle, die unserer kurzen Betrachtung voransteht, redet von Sünde und Tod, von Leben und Sieg. Es gab einmal eine Zeit auf dieser Erde, wo man von Sünde und Tod nichts wusste. Ohne die Erkenntnis von gut und böse zu haben, lebte der Mensch glücklich in Gottes Gegenwart. Als Haupt dieser Schöpfung und im Besitz all des Guten, das Gott ihm geschenkt hatte. wandelte er im Paradiese und aß nach Belieben von den Bäumen des Gartens. Er war ohne Sünde, ein in seiner Abhängigkeit von Gott glückliches, beneidenswertes Geschöpf.

Aber es blieb nicht lange so. Satan, der Widersacher Gottes, allezeit bereit, die Pläne Gottes zu durchkreuzen, erschien im Garten und verführte den Menschen, Neidisch auf dessen Glück, erweckte er zunächst Misstrauen in ihm im Blick auf Gott und Seine Liebe, und belog ihn dann. Er ist ja der Lügner von Anfang. Hatte Gott geboten, von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen nicht zu essen und gesagt: „Welches Tages ihr davon esset, werdet ihr sterben“, so behauptete die Schlange: „Mitnichten werdet ihr sterben“. Nein, Gott weiß, welches Tages ihr davon esset, werdet ihr sein wie Gott und Gutes und Böses erkennen. Eva lauschte auf die verführerische Stimme Satans, aß von dem Baume — und gab auch ihrem Manne davon, und er aß.

In demselben Augenblick erfüllte sich das Wort Gottes: der Mensch verfiel der Macht des Todes und erhielt ein Gewissen, und zwar ein böses, anklagendes Gewissen. Er wusste jetzt, was gut war, aber ohne die Kraft zu besitzen, es zu tun, und was böse war, aber ohne imstande zu sein, es zu vermeiden. Furchtbarer Zustand! Er ist der Nachkommenschaft des ersten Menschenpaares geblieben. Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod, und der Tod ist zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben (Röm. 5, 12).

Alle, ohne Ausnahme, stehen seitdem unter den demütigenden Folgen des Falles Adams, und wie sehr die Menschen von heute ihrem Stammvater gleichen, das sehen wir in geradezu erschütternder Weise rund um uns her. Misstrauen und Auflehnung gegen Gott, verbunden mit dem verzehrenden Verlangen nach Unabhängigkeit kennzeichnen den Menschen. Gerade das, was ein Geschöpf seinem gütigen Schöpfer gegenüber offenbaren sollte und worin seine Vollkommenheit als Geschöpf besteht: Abhängigkeit und Gehorsam, will der Mensch nicht. Er will unabhängig sein um jeden Preis und werden wie Gott.

Das böse Gewissen trieb den Menschen aus der Gegenwart Gottes, in welcher er sich bis dahin so wohl gefühlt hatte, hinaus und machte ihn zu einem Feigling. Er schämte sich, verbarg sich unter den Bäumen des Gartens und machte sich Schürzen von Feigenblättern, um seine Blöße zu bedecken.

O, ein böses Gewissen! Wir alle wissen, was es für eine Bewandtnis hat mit einem bösen Gewissen, mit dem Bewusstsein, gesündigt zu haben und mit seinen Sünden vor einem gerechten und heiligen Gott erscheinen zu müssen.

Der Sold, der verdiente Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben. Gott sei gepriesen, dass Er den Menschen nicht seinem elenden Schicksal überlassen hat! Er ist ihm nachgegangen und tut es heute noch, um ihn zur Einsicht und Umkehr zu bringen und ihm, dem Bußfertigen, dann nicht das Leben, das er verwirkt hat, wiederzugeben, sondern ihm ewiges Leben zu schenken.

Ein Geschenk ist unverdient. Der Tod ist verdient, ein Lohn. Das ewige Leben ist eine Gabe, Gottes Gnadengabe.

Was ist aber ewiges Leben? Ein Leben ohne Ende? Das ist es freilich; aber ist das alles? O, das wäre eine armselige Gabe, für den gefallenen Menschen ein geradezu verhängnisvolles Geschenk. Nein, der Sohn Gottes sagt: „Dies ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“ (Joh. 17, 3). Willst du wissen, was ewiges Leben ist, so betrachte Jesum, den Sohn Gottes. Er ist das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist (1. Joh. 1, 2). In Ihm siehst du die Charakterzüge dieses Lebens, dargestellt in einem Menschen: Sanftmut und Demut, Reinheit und Heiligkeit, Gehorsam und Abhängigkeit, Liebe und Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit, Ausharren, Geduld usw. Das ist das Leben, welches Gott aus Gnaden dem Glaubenden schenkt, das dieser jetzt schon besitzt und bald in der Herrlichkeit droben, dem eigentlichen Bereich des ewigen Lebens, voll und ganz genießen wird. Es ist unser in Christo Jesu, unserem Herrn.

Allerdings sind oft ernste Wege nötig, kostet es Kämpfe, schwere Kämpfe, bis ein Mensch das Geschenk aus Gottes Hand annimmt. Für einen wohlerzogenen, gebildeten und von Natur edel veranlagten Menschen ist es ja schwer, sich als verloren zu erkennen und Gnade anzunehmen, umso schwerer, je mehr er von solch äußeren Vorzügen besitzt. Aber in dem untrüglichen Lichte Gottes wird das Verderben des Menschenherzens erkannt, auch wenn nicht gerade grobe Verfehlungen und vor aller Augen offenbare Sünden vorliegen mögen. Und wenn einmal diese Erkenntnis einem Menschen aufgeht, so weigert er sich nicht mehr, das Geschenk anzunehmen, sondern preist Gott dankbar und demütig für Seine „unaussprechliche Gabe“.

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Gedanke

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 95ff

Es ist von der größten Wichtigkeit, an der ewigen Sohnschaft Christi festzuhalten, denn wenn ich den ewigen Sohn (wenn ich mich so ausdrücken darf) verliere, so verliere ich auch den ewigen Vater. Jesus hätte dann auch nicht vom Himmel herabgesandt werden können. Er hat aber gesagt: „Ich bin von dem Vater ausgegangen und bin in die Welt gekommen“ (Joh. 16, 28).

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Wie betest du

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 96ff

Wie betest du? Kannst wie ein Kind du beten,

das bittend an des Vaters Knie sich lehnt

und wunschvoll, was sein kleines Herz ersehnt,

Ihm sagen muss? Vermagst du so zu treten

vor deinen Gott und Vater immerzu?

Wie betest du?

Was betest du? Sind’s Worte leeren Schalles,

ist’s Lippenwerk, davon dein Herz nichts weiß?

Sag, oder glüht die Brust dir brünstig heiß,

liegst du vor Ihm, sagst du Ihm alles, alles,

wie dir ums Herz ist, schlicht und gradezu —

Was betest du?

Wo betest du? Nur dort, wo andre beten,

wo es geboten und wo jedermann

Dein Beten sehen oder hören kann?

Hast du kein Kämmerlein, mit Ihm zu reden,

wo’s niemand sieht, allein, in heil’ger Ruh’ —-

Wo betest du?

Wann betest du? Sag, ist dein ganzes Leben

ein unaufhörlich inniges Gebet?

Sag, oder heißt, wenn deine Lippe fleht,

dich nur die Not den Blick zum Himmel heben?

Und trittst du dann mit heißem Dank herzu?

Wann betest du?

O wohl dir, Herz, wenn dein Gebet nie schweiget,

wenn überall vor deinem Gott du stehst;

wenn gläubig du ans Herzenstiefen flehst,

und dein Gebet doch Kindesstammeln gleichet!

Und klinget Gottes „Amen“ dann hinzu:

Dann betest du!

Georg Holzhey

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Wer segensreich sät wird auch segensreich ernten

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 97ff

Ein Wort über „Sammlungen“. *)

Im Anfang der Apostelgeschichte, unmittelbar nach der Ausgießung des Heiligen Geistes, finden wir die Gläubigen in der ersten Frische des neuen Lebens. Zu einem Leibe vereinigt durch den Heiligen Geist, hatten sie nur einen Gegenstand, nur eine Hoffnung. In diesem ersten Anlauf der Liebe wurden sie getrieben, nichts von ihrer irdischen Habe ihr eigen zu nennen, sondern alles gemein zu haben. Die dem Menschenherzen so natürliche Eigenliebe trat für eine Zeit völlig in den Hintergrund. Der Gedanke, dass irgend einer unter ihnen Mangel leiden könnte, wäre den jungen Gläubigen unerträglich gewesen. Dieses Bedürfnis, alles gemein zu haben, entsprang aber nicht dem Wunsche, einer ausdrücklichen Weisung des Herrn zu gehorchen, sondern war die Frucht des ersten Dranges der Liebe.

Indes war diese Gütergemeinschaft nicht etwa Kommunismus. Das beweist die Antwort, welche Petrus dem Ananias und der Sapphira gab, als sie nur einen Teil des Kaufpreises ihres Feldes brachten: „Blieb es nicht dein, wenn es so blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Gewalt?“ (Apstgsch. 5, 4). Allerdings war alles wohl organisiert. Die Gaben wurden zu den Füßen der Apostel niedergelegt, und diese verwalteten die erhaltenen Gelder und verteilten sie je nach Bedürfnis. Wir lesen darüber: „Alle aber, welche glaubten, waren beisammen und hatten alles gemein; und sie verkauften die Güter und die Habe, und verteilten sie an alle, je nachdem einer irgend Bedürfnisse hatte“ (Kap. 2, 44. 45). Und weiter: „Die Menge derer aber, die gläubig geworden, war ein Herz und eine Seele; und auch nicht einer sagte, dass etwas von seiner Habe sein eigen wäre, sondern es war ihnen alles gemein… Denn es war auch keiner dürftig unter ihnen; denn so viele Besitzer von Äckern oder Häusern waren, verkauften sie und brachten den Preis des Verkauften und legten ihn nieder zu den Füßen der Apostel; es wurde aber einem jeden ausgeteilt, so wie einer irgend Bedürfnis hatte“ (Kap. 4, 32. 34. 35).

Die ersten Gläubigen, in der Kraft und Frische ihrer brüderlichen Liebe, wollten also nicht, dass irgend jemand unter ihnen bedürftig sei, und es war reichlich so viel vorhanden, bzw. es wurde freiwillig so viel gebracht, dass allen das Nötige zugeteilt werden konnte. Das ist etwas ganz anderes als die in unseren Tagen erstrebte Gütergemeinschaft.

So sollte es auch heute den Gläubigen unerträglich sein, einen aus ihrer Mitte Mangel an Brot leiden zu sehen. An den Bedürfnissen der Heiligen teilzunehmen und der Armen eingedenk zu sein, ist eine der Ermahnungen des Apostels im 12. Kapitel des Römerbriefes (Vergl. Gal. 2, 10; 6, 9. 10).

Im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte (wie auch in den Briefen) finden wir dann, dass die Versammlungen eines Landes, wenn der Fall eintrat, besondere Sammlungen veranstalteten, um die dürftigen Gläubigen in einem anderen Lande zu unterstützen. Vergl. z. B. Apstgsch. 11, 27 - 30; Röm. 15, 26 - 28; 1. Kor. 16, 1 - 4; 2. Kor. 8 und 9. Alle diese Stellen enthalten wichtige Belehrungen für uns bezüglich unseres Verhaltens im Blick auf solche „Hilfsleistungen“. Das Wort gibt uns aber auch Unterweisungen über den Platz, welchen die Sammlungen in unserem gewöhnlichen Gottesdienst einnehmen, und über die Art und Weise, wie sie da geschehen sollen; wir reden jetzt von den regelmäßigen Sammlungen (Opfergaben) am Tage des Herrn in einer örtlichen Versammlung.

Eine hierauf bezügliche sehr wichtige Stelle findet sich in Hebr. 13, 15. 16. Vom 10. Verse an wird dort der christliche Gottesdienst dem jüdischen gegenübergestellt. Der Altar Gottes gehört jetzt den Christen. Christus hat außerhalb der Umfassung des Judentums gelitten. Sein Tod führt ein ins himmlische Heiligtum, und gleichzeitig heraus aus jedem, dem Mensch im Fleische sich anpassenden religiösen System. Der Christ tritt ein ins Heiligtum auf Grund des kostbaren Blutes Christi, indem er sich außerhalb des Lagers mit Jesu befindet und, Seine Schmach tragend; hier keine bleibende Stadt besitzt, und bringt Gott so durch Jesum seinen Gottesdienst dar. Statt jüdischer Opfer bringt er Opfer des Lobes, „geistliche Schlachtopfer“, wie Petrus sie nennt, „Gott wohlannehmlich durch Jesum Christum“ (1. Petr. 2, 5).

Mit diesen Opfern verbindet sich dann ein Opfer anderer Art: das Mitteilen unserer Güter. Redet der 15. Vers von Hebr. 13 von der Darbringung der Opfer des Lobes, von der Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen“, so fordert der 16. Vers zur Darbringung der Opfer des Wohltuns und Mitteilens auf. Diese beiden Opferarten sind eng miteinander verbunden, und von der zweiten wird ausdrücklich gesagt, dass Gott an solchen Opfern Wohlgefallen habe. Dass die Opfer des Lobes Ihm gefallen, wird wohl als selbstverständlich vorausgesetzt.

Auf die Einzelheiten dieser beiden Arten von Opfern wirft das 26. Kapitel des 5. Buches Mose viel Licht, indem die ersten elf Verse dieses Kapitels sich in Beziehung bringen lassen zu dem 15. Verse von Hebr. 13, und die Verse 12 - 15 dem 16. Verse dort entsprechen Ja, die ersten elf Verse von 5. Mose 26 können ein treffendes Vorbild des christlichen Gottesdienstes genannt werden. Sobald der Israelit in den Genuss der Segnungen Kanaans gelangt war, die Jehova ihm bereitet hatte, sollte er von den Erstlingen aller Früchte des guten Landes, das Gott ihm gegeben, nehmen, sie in einen Korb legen und an den Ort gehen, den Jehova erwählen würde, um Seinen Namen daselbst wohnen zu lassen. Dort sollte der Priester den Korb vor dem Altar Jehovas niedersetzen. Nachdem das geschehen war, musste der Israelit seine niedrige Herkunft bekennen, von seiner Sklaverei in Ägypten reden, und wie Jehova ihn aus derselben befreit hatte, um ihn in ein Land zu bringen, das von Milch und Honig floss. Schließlich sollte er vor Jehova anbeten und sich freuen all des Guten, das sein Gott ihm gegeben hatte.

Das Ganze gibt uns, wie gesagt, ein schönes Bild von unserem Gottesdienst. Auch wir bekennen, dass Gott uns in den Genuss Seiner Segnungen eingeführt hat und bringen Ihm in Lobliedern und Danksagungen das dar, was wir von Ihm empfangen haben. Auch wir kommen dahin, wo der Herr sich befindet, d. h. wo man in Seinem Namen versammelt ist, und Er Seine Gegenwart verheißen hat. Wir bekennen unsere Herkunft als Kinder Adams und reden von der Sklaverei, in welcher wir durch die Sünde lagen, sowie von dem wunderbaren Wirken Gottes in Christo, um uns zu befreien und zu Ihm zu führen; wir beten vor unserem Gott an und freuen uns in Ihm. Alles das nennt unsere Stelle „ein Opfer des Lobes, die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen“.

Die Verse 12 — 15 von 5. Mose 26 enthalten dann die weitere Vorschrift für den Israeliten, dass er, nachdem er mit dem Abtragen des Zehnten seines Ertrages im dritten Jahre **) fertig war, und er viererlei Personen davon mitgeteilt hatte: dem Leviten, dem Fremdling-, der Waise und der Witwe, vor Jehova bezeugen sollte, dass er darin nach Seinem Gebot gehandelt, „das Heilige“ aus seinem Hause weggeschafft und nichts von diesen Dingen für sich behalten habe. Erst nachdem alles das in Ordnung gebracht war, durfte er den Segen Jehovas über Israel und sein Land herabflehen.

Wenn also in den ersten elf Versen geboten wird, Jehova die Erstlinge der Frucht des Erdbodens darzubringen, so enthalten die Verse 12 - 5 den Hinweis darauf, dass der Zehnte von denselben Früchten denen, die es nötig hatten, dem Leviten, dem Fremdling, der Waise und der Witwe, gegeben werden musste, damit sie essen und sich sättigen könnten. Mit anderen Worten: die Verse 1 - 11 sind mit den Versen 12 -15 eng verbunden. Der gleiche Zusammenhang besteht zwischen den Versen 15 und 16 in Hebr. 13.

Eine ruhige Erwägung der aus beiden Schriftstellen sich ergebenden Grundsätze macht es uns klar, dass die regelmäßig stattfindenden Sammlungen am Tage des Herrn mit dem Gottesdienst in inniger Verbindung stehen. ***) Gott will, dass, wenn Ihm ein Lobopfer dargebracht wird, zugleich auch Seiner Knechte und der Armen Seines Volkes gedacht werde. Wenn das aber so ist, so geht daraus hervor, dass jene Sammlungen ausschließlich Sache der Versammlung sind, das Vorrecht derer, welche das Brot brechen, nicht aber solcher, die vielleicht an der Zusammenkunft teilnehmen (z. B. Kinder von Gläubigen oder andere zufällig anwesende Personen). Die, welche das Opfer des Lobes dargebracht haben, bringen im Anschluss daran das Opfer des Wohltuns und des Mitteilens dar. (Betr. des letzteren vergl. Phil. 4, 17. 18). Die Sammlung ist somit das Vorrecht aller, welche, um den Tisch des Herrn versammelt, Ihn anbeten, nicht aber derer, die gerade unter ihnen weilen.

Wenn man einmal verstanden hat, dass die Sammlung der Gaben mit dem Gottesdienst zusammenhängt, dann wird es zu einer Unmöglichkeit, das Opfer des Lobes darzubringen, ohne auch zugleich etwas von irdischen Gütern mitzuteilen. Und beachten wir von vornherein: Dieses Vorrecht gehört dem Armen ebenso wohl wie dem Reichen. Es handelt sich dabei ja nicht um das Wieviel, sondern vielmehr um die Tatsache des Gebens. Darüber, wieviel jemand gibt, urteilt der Herr, wie uns dies in Mark. 12, 41 - 44 und Luk. 21,1 - 4 gezeigt wird. Der Herr sah zu, wie man in den Schatzkasten einlegte, und lobte eine arme Witwe, weil sie mehr als alle, nämlich ihren ganzen Lebensunterhalt, eingelegt hatte.

Nun könnten die Gläubigen, welche durch diese Opfergaben unterstützt werden, ob Levit oder Witwe, denken, dass sie aus diesem Grunde des Vorrechtes der Teilnahme an der Sammlung verlustig gingen. Aber nein! Auch darüber belehrt uns das Wort. Im 18. Kapitel des 4. Buches Mose spricht Jehova zu Aaron: „In ihrem Lande sollst du nichts erben, und sollst kein Teil in ihrer Mitte haben. . . Siehe, den Kindern Levi habe ich allen Zehnten in Israel gegeben“(V. 20. 21.) Der Zehnte, der von den Kindern Israel Jehova als Opfer dargebracht wurde, wurde also von Jehova den Leviten zugewiesen. Statt den Zehnten zu opfern, erhielten die Leviten den Zehnten. Doch hören wir, was Jehova weiter zu Mose redete: „Zu den Leviten sollst du reden und zu ihnen sprechen: Wenn ihr von den Kindern Israel den Zehnten nehmet, den ich euch von ihnen als euer Erbteil gegeben habe, so sollt ihr davon ein Hebopfer für Jehova heben, den Zehnten von dem Zehnten. Und euer Hebopfer wird euch gerechnet werden wie das Getreide von der Tenne und wie die Fülle von der Kelter“ (V. 25 - 28.) Welch ein schöner Grundsatz, und welch ein köstliche Beispiel zur Ermunterung von Gläubigen, die unterstützt werden! Was sie vom Herrn aus der Hand ihrer Brüder empfangen, gehört ihnen, und von diesem ihrem Eigentum opfern sie selbst wieder dem Herrn, indem sie sich an der Sammlung beteiligen, und sind Ihm so wohlgefällig.

Die beiden Scherflein der Witwe sind ein ergreifendes Beispiel von derselben Wahrheit im Blick auf einen „Armen“. Sie bildeten, wie wir sahen, eine weit größere Gabe als alle die Einlagen der Reichen.

Die beiden ersten Verse von 1. Kor. 16 sind für unseren Gegenstand auch bedeutungsvoll. Im Blick auf die besondere Sammlung, von welcher dort die Rede ist, sollten die Gläubigen an jedem ersten Wochentage das, was. sie dafür bestimmten, bei sich zurücklegen, damit, wenn der Apostel käme, jeder nur das zu nehmen brauchte, was schon bereit lag. Ähnlich sollten auch wir tun hinsichtlich unserer regelmäßigen Sammlungen am Sonntagmorgen. Ein jeder sollte bei sich entscheiden, was er dem Herrn an Seinem Tage darzubringen hat, damit er, wenn die Sammlung geschieht, nur einzulegen braucht, was er dafür bereit gemacht hat.

Wir können unseren Lesern eine ernste Beachtung dieses Punktes nur dringend empfehlen. So wie wir alle im Blick auf die Teilnahme an der gemeinsamen Anbetung aufgefordert werden: „Ein jeder prüfe sich selbst, und also esse er“, und wie von der Beachtung oder Vernachlässigung dieser Ermahnung vor der Feier des Abendmahls die geistliche Höhe und „Frische unseres Gottesdienstes abhängt, so sollten wir auch, ein jeder für sich, „je nachdem er Gedeihen hat“, seine Gabe« vorher absondern und also an der Sammlung teilnehmen; und ganz gewiss würde sich der Nutzen dieser Selbstprüfung und ,,Selbsteinschätzung« in den Ergebnissen offenbaren. Aber nicht nur das. Nein, jeder, der so handelt, wird gesegnete Erfahrungen machen - ernste Erfahrungen von der Torheit und Eigenliebe seines Herzens, und kostbare Erfahrungen von dem Segen und der „Seligkeit“ des Gebens. Die Opfer des Wohltuns und Mitteilens werden eine ganz andere Bedeutung, einen unendlich höheren Wert für ihn erhalten, und ein gedankenloses Teilnehmen an diesem Teil des Gottesdienstes wird für ihn unmöglich werden. Die gewohnheitsmäßige Handlung, die Erfüllung einer nur als Pflicht empfundenen Tat wird zu einem heiligen Dienst, zu einem hohen Vorrecht, an welchem teilnehmen zu dürfen man mit dankbarem Herzen sich freut.

Es ist zuweilen gefragt worden, wie ein Ehepaar sich in dieser Beziehung verhalten solle. Nun, Gottes Wort sagt, dass Mann und Weib eins sind, was ihre irdische oder menschliche Stellung angeht. Sollten sie denn nicht auch hierin eins sein und miteinander, je nachdem der Mann in seinem Gewerbe Gedeihen hat oder je nachdem sie gemeinsam besitzen, besprechen, was jeder von ihnen für den Herrn absondern kann und als Gabe darbringen sollte? Die Sache ist nicht schwierig, wenn die Herzen in Liebe miteinander verbunden und im Guten eines Sinnes sind. Sie wird dann im Gegenteil zu einer beiden Teilen wertvollen und willkommenen Gelegenheit, ihrer gemeinsamen Dankbarkeit und Liebe im Herrn Ausdruck» zu geben, geradeso wie sie für Ananias und Sapphira zu einer Gelegenheit wurde, im Bösen miteinander „übereinzukommen“ (Apftgsch. 5, 9).

Beiläufig sei noch eine Erscheinung erwähnt, die unwichtig genannt werden könnte, wenn nicht alles, was mit dem Tische des Herrn in Verbindung steht, wichtig und unserer Erwägung wert wäre. Man beobachtet zuweilen, besonders in größeren Versammlungen, dass noch vor Beendigung des Gottesdienstes, während die Opfer des Wohltuns und Mitteilens noch zusammengelegt werden, einzelne Geschwister, vornehmlich Schwestern, den Versammlungsraum zu verlassen beginnen. Die Erfahrung lehrt, dass solche Beispiele sehr rasch Nachahmung finden. Wahrscheinlich liegen Gründe vor, die es den lieben Schwestern wünschenswert erscheinen lassen, möglichst bald nach Hause zu kommen; aber sie sollten sich doch fragen, ob diese Gründe wirklich so wichtig und ernst sind, um ihr Verhalten vor dem Herrn und vor den übrigen Geschwistern zu rechtfertigen. Es kann sich doch immer nur um eine Verzögerung von wenigen Minuten handeln, und wenn nicht ein durchaus dringender Grund vorliegt, so ist die zur Schau getragene Eile sicherlich der ernsten, heiligen Stunde nicht würdig, abgesehen von der Störung, die sie bereitet,

Wir kommen jetzt zu dem 8. und 9. Kapitel des 2. Korintherbriefes. Diese Kapitel behandeln· ausschließlich den Gegenstand der Sammlungen. Wenn es sich dort auch um Sammlungen besonderer Art handelt, so zeigt uns das Wort doch immer wieder dieselben Grundsätze. Der Apostel fängt im 8. Kapitel damit an, die Gnade Gottes in den Versammlungen von Mazedonien kundzutun: „Bei großer Drangsalsprüfung ist die Überströmung ihrer Freude und ihre tiefe Armut übergeströmt in den Reichtum ihrer Freigebigkeit. Denn nach Vermögen, ich bezeuge es, und über Vermögen waren sie aus eigenem Antriebe willig.“ Wahrlich, ein erhebendes Beispiel von teilnehmender christlicher Liebe! Fortfahrend wünscht dann der Apostel, dass auch bei den Korinthern ein ähnliches Tun sich zeigen möchte, und sagt im 11. Verse hinsichtlich der Höhe der Gaben: „nach dem, was ihr habt“. Es können nicht alle gleich viel geben, alle aber können geben, und man ist annehmlich nach dem, was man hat.

Die Verse 13 - 15 lassen dann erkennen, dass nach dem Gedanken des Wortes niemand unter den Heiligen am Nötigen Mangel leiden, sondern dass der Überfluss der einen zum Ausgleich des Mangels der anderen dienen sollte. In Verbindung mit diesem Punkte führt der Apostel das Volk Israel beim Sammeln des Mannas als Beispiel an (2. Mose 16). Die einen sammelten viel, die anderen wenig; aber alle hatten genug.

So soll es auch unter den Gläubigen sein. Aber der Grundsatz, dass jeder das zum Leben Notwendige besitzen soll, ist keineswegs Kommunismus, wie manche ihn auslegen möchten. Der Herr selbst sagt: „Die Armen habt ihr allezeit bei euch“ (Joh. 12, 8), und der Apostel Paulus schreibt dem Timotheus, dass er „den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebieten solle“.

Damit ist grundsätzlich festgestellt, dass es zu allen Zeiten Arme und Reiche geben wird. Andere Stellen beweisen dasselbe. Und es ist gut so. Wie könnte der „niedrige“ Bruder sich in seiner „Erhöhung“ rühmen und der „reiche“ in feiner Erniedrigung, wie könnten Jakobus 2, 5, Psalm 41, 1 und so viele, viele andere Stellen in Erfüllung gehen, wenn keine Unterschiede in der äußeren Lebensstellung mehr vorhanden wären? Wie viele Segnungen und nützliche, ja, notwendige Übungen würden den „Herren“ wie den „Knechten“ verloren gehen, wenn alle Menschen gleichgestellt wären! Aber es soll nicht geschehen, dass die einen sich’s bei ihren Gütern wohl sein lassen, während die anderen Mangel am Notwendigen leiden.

In Kapitel 9, 7 ermahnt der Apostel einen jeden, das zu tun, was er sich in seinem Herzen (zwischen ihm und dem Herrn allein) vorsetzt; denn: „einen fröhlichen Gebet: hat Gott lieb“. In den Versen 8 – 15 folgt dann der bewunderungswürdige Abschluss des ganzen Gegenstandes. Alles kommt von Gott und kehrt zu Gott zurück. So schließt denn auch der Apostel, wenn er das betrachtet, was die Gnade Gottes in den Gläubigen untereinander, und durch sie Gott gegenüber bewirken kann, mit dem Ausruf: „Gott sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe!“

Fußnote:

*) Vor Jahren von einem inzwischen heimgegangenen Arbeiter im Weinberge des Herrn geschrieben und nur in einigen Abzügen einem kleinen Leserkreise zugänglich gemacht, wird dieses „Wort“ heute in etwas erweiterter Form der Öffentlichkeit übergeben. Da die ausgesprochenen Gedanken sehr beherzigenswert sind und mancher Frage begegnen, wäre es schade, wenn sie der Allgemeinheit vorenthalten blieben.

**) Anscheinend musste er in diesem Jahre den Zehnten, den er sonst mit seinem Hause vor Jehova darbringen und dort verzehren sollte, nicht nach Jerusalem bringen, sondern unmittelbar solchen geben, die sich in seiner Umgebung befanden (Vergl. 5. Mose 14, 22 — 29.)

***) Dass auch andere besondere Sammlungen zu anderen Zeiten stattfinden können, wird hierdurch nicht berührt. Indes ist die hie und da noch bestehende Sitte, nach jeder gemeinschaftlichen Zusammenkunft (Wortbetrachtung, Gebet oder gar Evangelium-Verkündigung) die Büchse herumgehen zu lassen, nicht schriftgemäß und dient in hervorragender Weise dazu, der Handlung den Stempel des Gewohnheitsmäßigen aufzudrücken und das Gefühl der Verantwortlichkeit bzw. Des Vorrechts in den Teilnehmern zu schwächen.

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Triumphe der Gnade im Kreuze

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 109ff

Nie ist der Hass des Menschen gegen Gott so sehr in die Erscheinung getreten, wie bei dem Tode Christi. Man hört manchmal, wie Menschen sich über die Langmut Gottes wundern, wenn irgend eine besonders grausame oder ungerechte Tat ihre Entrüstung wachgerufen hat. Man ist erstaunt darüber, dass Gott so lang mit einer Welt Geduld hat, in welcher derartige Dinge verübt werden. Aber hat Gott nicht zu einer noch weit entsetzlicheren Tat der Menschen geschwiegen? Es hat eine Zeit gegeben, da Er vom Himmel herab Zeuge davon war, wie man Seinen vielgeliebten Sohn aufs grausamste ermordete, ermordete unter Spott und Hohn. Denn gerade das Erbarmen, das Jesus auf Seinem Wege hienieden wieder und wieder an den Menschen erzeigt hatte, wurde von diesen dazu benutzt, um Ihn zu verhöhnen. „Andere hat Er gerettet“, so spottete das Volk, mit den Hohenpriestern und Schriftgelehrten an der Spitze, „sich selbst kann Er nicht retten!“ Das war das Bild, welches Gott vom Himmel herab schauen musste. Und was folgte darauf? Die sofortige Vernichtung der Mörder und der durch sie vertretenen Welt? O nein. Am Kreuze begegnete der völligsten Feindschaft des Menschen die völligste Liebe Gottes. Das Blut, das die gottlosen Hände des Menschen vergossen hatten, fand Annahme bei Gott als Sühnung für menschliche Schuld. Wer, so wurde fortan öffentlich verkündet, wer von dem ganzen schuldbeladenen Menschengeschlecht sein Vertrauen auf dieses kostbare Blut setzen wird, der soll nicht nur Vergebung seiner Sünden empfangen, sondern völlige Gemeinschaft haben in Leben, Segnung und Herrlichkeit mit dem Herrn Jesus Christus selbst.

Welche Zunge wäre imstande, die Gnade gebührend zu preisen, die hier triumphiert hat? Der „Dienst der Versöhnung« einer Welt gegenüber, die sich der Ermordung des vielgeliebten Sohnes Gottes schuldig gemacht hat, ist wahrlich der Ausdruck überströmender, unumschränkter Gnade. „Gott war in Christo, die Welt mit sich selbst versöhnend“, so lesen wir in 2. Kor. 5. Und als diese Welt die Friedensangebote Gottes mit der Ermordung Seines Sohnes beantwortet hatte, da nahm Er nicht, wie gesagt, unmittelbare· Rache an ihr, sondern entbot eine neue Gesandtschaft an sie, die folgendes verkündigte: „So sind wir nun Gesandte für Christum, als ob Gott durch uns ermahnte; wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ Diese Botschaft war nicht eine bloße Fortsetzung oder Wiederholung der vor dem Tode Christi gemachten Angebote. Nein, die Verkündigung der Vergebung gründete sich auf eben diese Tatsache. Die gottlosen Hände der Menschen sind tatsächlich das Werkzeug zum Tode Christi gewesen. Aber das Evangelium verkündigt Gottes Anteil an diesem wunderbaren Werke. „Den, der Sünde nicht kannte, hat Er (Gott) für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm.« Da kann man wohl ausrufen: „Wo die Sünde überströmend geworden, ist die Gnade noch überschwänglicher geworden“.

Wenn du also, teurer Leser, im Glauben an den Bericht, den Gott über Seinen Sohn gegeben hat, deine Seele auf Christum wirfst, so wirst du die Entdeckung machen, dass jeder Feind von Ihm aufgesucht und besiegt worden ist, und dass es nur noch gilt, die Früchte des von Ihm erkämpften Sieges mit Ihm zu teilen.

Fürchtest du das Gesetz? „Christus hat uns losgekauft“ von dem Fluche des Gesetzes, indem Er ein Fluch für uns geworden ist“ (Gal. 3, 13). Bebst du vor dem Zorn, vor Gottes Zorn und Grimm wegen der Sünde? Christus hat ihn an unserer Statt getragen. „Auf mir liegt schwer dein Grimm, und mit allen deinen Wellen hast du mich niedergedrückt«, so lautete Seine Sprache auf dem Kreuze. Drückt die Sünde dich zu Boden? „Jetzt — aber ist Er einmal in der Vollendung der Zeitalter geoffenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer“ (Hebr. 9, 26). Fürchtest du den Tod? Er starb, „auf dass Er durch den Tod den zunichte machte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, und alle die befreite, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren“ (Hebr. 2, 14. 15). Beunruhigt dich Gottes Heiligkeit? Gott selbst ist ja das Sühnungswerk Christi dargebracht worden, und dieses kostbare Opfer hat Gott so befriedigt, dass Er Jesum aus den Toten auferweckt und Ihn zu Seiner Rechten erhöht hat. Und Gott selbst tut dir die Kraft von Christi reinigendem Blute kund, indem Er erklärt, dass in Ihm „jeder Glaubende von allem gerechtfertigt wird“. „Gott ist es, welcher rechtfertigt.“ Ist es das Joch der Sünde, unter dem du seufzest? „Die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.“

So völlig ist Christi Sieg, so gesegnet sind die Ergebnisse dieses Sieges für den Sünder, der an Jesum glaubt, dass er mit dem Apostel sagen kann: „Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?“

Leben, Gerechtigkeit, Sohnschaft, der Heilige Geist selbst als Siegel, Salbung und Unterpfand, ferner völlige Teilhaberschaft mit Christo in den Segnungen und der Herrlichkeit, zu denen Er als der auferstandene Mensch erhöht worden ist, befinden sich unter den Schätzen, mit denen diejenigen bedacht werden, die Gottes Zeugnis über Ihn annehmen.

Ja, nichts ist dem Kreuze gleich. Es ist das, was die Sünde hinwegtut, und bedeutet zugleich die größte Sünde, die je begangen wurde. In ihm erblicken wir Gottes Gerechtigkeit im Richten der Sünde, sowie Seine Gerechtigkeit im Vergeben derselben. Es ist das Ende der Welt des Gerichts, und der Anfang der Welt des Lebens. Es ist:

Die Offenbarung der Liebe Gottes,

Gottes Urteil über die Sünde,

das Maß der Schuld des Menschen,

das Maß des Elends des Menschen,

die Grundlage seiner Annahme bei Gott und seines Friedens mit Gott,

das Maß meiner Absonderung in Bezug auf meine Sünden, auf mich selbst und auf die Welt,

das Maß meines Selbstgerichts,

das Maß meiner Annehmlichkeit vor Gott,

mein Anspruch auf die ewige Herrlichkeit,

die Grundlage des ewigen Lebens,

der nie zu erschöpfende Inhalt und Gegenstand meiner Danksagung.

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Tod und Auferstehung

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 113ff

Der Tag, an dem wir zusammenkommen, um das Gedächtnis unseres Herrn zu begehen und Seinen Tod zu verkündigen, redet zu dem hörenden Ohr von ewigen Segnungen.“ Er ruft denen, die der Einladung des Herrn Jesus gefolgt sind, zu: Der große Sieg ist erstritten, und das, was die einzige Schwierigkeit für Gott bildete, ist hinweggetan!

Eine Schwierigkeit für Gott? Ja, in aller Ehrfurcht sei es gesagt, selbst für Gott war eine Schwierigkeit vorhanden. Zweifellos sind bei Gott alle Dinge möglich, aber in dem vorliegenden Falle war die Möglichkeit nur auf Kosten Seines eingeborenen Sohnes gegeben.

Man denkt oft, die Sünde sei so zufällig in die Welt gekommen, und die Gabe Jesu sei nur eine Notwendigkeit auf seiten Gottes gewesen, um die Sünde wieder aus dem Wege zu räumen. Gewiss hatte die Sünde keinerlei Berechtigung, einen Platz in Gottes All einzunehmen: „ein feindseliger Mensch hat dies getan“. Satan, der Feind Gottes, hat sie in die einst fleckenlose Welt hineingebracht, und so alles verdorben. Aber wir dürfen die Tatsache nicht aus dem Auge verlieren, dass Gott das Allerschlimmste erlauben wollte, um die Höhen und Tiefen Seiner erlösenden Liebe und Gnade an denen zu erweisen, die durch die Sünde verderbt waren, und Seine Geduld, Weisheit und Güte in einer Weise zu offenbaren, wie. sie sonst nie hätten geschaut werden können. Das Gute kann sich ja niemals mehr in seiner Fülle erweisen, als wenn das Böse ihm mit seinem Hasse entgegentritt.

Gott hat also zugelassen, dass der Feind das in die Welt einführte, was Ihm in jeder Beziehung entgegen war und Ihm auch nicht ein Tüttelchen von Autorität und Charakter in der Welt ließ, die Er doch geschaffen hatte. Denn was gäbe es in Gott, das nicht von Satan angegriffen und in Zweifel gezogen worden wäre? Was gäbe es an Bösem und an Verleumdungen, die Satan nicht im Blick aus Gott erfunden hätte, und die von den Menschen geglaubt würden? Wen fürchtet der Mensch so sehr wie Gott? Wen flieht er so eifrig wie Ihn? Und doch hat Gott, angesichts des Bösen in seinen hässlichsten Formen, Vorsorge getroffen, dass in allem, was Satan tut und hervorbringt, den Menschen irgend etwas von Gott zur Erkenntnis gebracht wird, was vordem nicht so deutlich bekannt war. So vermag Gott das Böse zum Guten zu wenden.

Was als ein so großes Wunder am Tage des Herrn vor uns steht, ist dies: der Sohn Gottes ist gekommen, hat hienieden gelebt, ist gestorben und auf erstanden, und wir versammeln uns an Seinem Auferstehungstage auf Seine Einladung hin um Ihn. Das Böse nimmt inzwischen seinen Lauf. Gott selbst hat uns gesagt, dass es zunehmen werde. „Böse Menschen und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden.“ Die Zeiten werden immer ernster, und die letzten Tage werden die schwersten von allen sein, bis das, was Gott im Tode und in der Auferstehung Christi gewirkt hat, durch Seine Macht vor der ganzen Welt in Erscheinung treten wird. Aber sinnen wir einen Augenblick darüber nach, welch ein Wunderbarer Platz uns zugewiesen worden ist!« Wir, die wir Christum gefunden haben, haben unsere Füße auf den Fels der Zeitalter gestellt; wir stehen auf dem, was unvergänglich und unveränderlich ist und was uns in Verbindung bringt mit den tiefsten Gedanken Gottes und mit dem größten Siege, der je errungen worden ist. Alle anderen Siege sind tatsächlich nur das Ergebnis dieses einen Sieges, der in Christo bereits unser ist. Denn wenn dem Allerschlechtesten, der Wurzel alles Verderbens und dem Ursprung aller Verwirrung, begegnet worden, wenn das Gift, das die ganze Welt durchdrungen und verderbt hat, in gerechter Weise behandelt worden ist, dann kann alles andere nur noch eine Frage des göttlichen Willens sein, das Hinausführen dessen, was uns in dem Tod und in der Auferstehung Christi bereits geschenkt ist.

Jeder einsichtsvolle Christ weiß, was er in diesem Tode und dieser Auferstehung gefunden hat. Ich sage nicht, dass jeder auch verwirklicht, was von seiten Gottes dort geschehen ist. Wenn das der Fall wäre, so würde es nur noch Herzen geben, die über all den Umständen dieser Zeit ständen. Das schlösse nicht aus, dass sie in heiliger Liebe über eine murrende, sündige Welt trauerten, aber sie würden zugleich überfließen von Freude und Dank gegen Gott. Denn die tiefsten Gefühle für die Heiligen Gottes in ihren Trübsalen und das innigste Erbarmen mit der armen, verlorenen Welt sind wohlvereinbar mit überströmendem Dank, wenn das Herz auf Christum blickt und daran denkt, wer Ihn uns und für uns gegeben hat. Und das ist es, was Gott vor unsere Seelen stellt in Verbindung mit dem Tage, an dem wir uns zur Feier des Gedächtnisses Christi versammeln.

Und ist es nicht ein schöner Gedanke, dass Gott hierzu nicht den Todestag Christi wählte? Mochte auch Sein Tod allein imstande sein, unsere Sünde hinweg zu nehmen, — denn Gott musste Sein Angesicht vor Seinem geliebten Sohne verbergen, als unsere Sünden auf Ihm lagen, -— so ist es doch nicht der Tag der Kreuzigung, der uns zusammenführt, auch nicht der Tag, der zwischen dem Tod und der Auferstehung des Herrn lag. Diesen Tag nannte der Mensch seinen „Festtag“, indem er wähnte, Gott etwas darbringen und dem Herrn der Heerscharen ein Fest feiern zu können, während der Gesalbte Gottes, von seinen gottlosen Händen ermordet, im Grabe lag!

Nein, nicht der letzte, der erste Tag der Woche ist der Tag, an welchem die Jünger sich zusammenfanden und an dem wir uns heute um unseren teuren Herrn scharen. An ihm ist jene gewaltige Veränderung eingetreten, in welcher Gott noch einmal Seine Macht dargetan hat, und zwar diesmal nicht um eine Welt zu schaffen, damit Satan komme und sie wieder verderbe, sondern um die neue Kraft in Erscheinung treten zu lassen, in welcher Gott Den, der unsere Sünden auf sich genommen, aus den Toten auferweckt hat. Wo find unsere Sünden geblieben? Wo die Last, die Gott am Kreuze einst auf Jesum legte? Sie sind dahin! Jesus ist auferstanden! Und aus Seiner Auferstehung strömt jedwede Segnung hervor, und zwar nicht für uns allein. Nein, alle wahren, bleibenden Segnungen sind auf diesen Tod gegründet und sind die Folge jener Auferstehung.

Inzwischen ging und geht die Welt ihren Vergnügungen nach und denkt nicht an das Werk, das geschehen ist. Es war auch nicht einmal die Absicht Gottes, dieses Werk sogleich in offener, unwiderleglicher Weise der Welt kundzutun. Aber nicht lange nachdem es vollbracht war, begann Gott selbst vom Himmel herab zu reden. Er sandte denen, deren Herzen durch Seine hienieden erwiesene Gnade geöffnet worden waren, den Heiligen Geist. Sie kennen jetzt das gewaltige Werk, das Gott getan hat. Sie wissen, dass Christus auferstanden ist, der Erstling der Entschlafenen. Und der Heilige Geist, der gekommen ist, Jesum zu verherrlichen, erlaubt ihnen selbst einen Blick in jene Zeit hinein, wo Gott alles in allem sein wird, wo es keinen Feind mehr zu unterwerfen, keinen Kummer zu lindern, keine Wunde mehr zu heilen geben wird, sondern wo alles in vollkommen angemessener Weise der Macht jenes Lebens entsprechen wird, das schon jetzt unser Teil ist in Christo.

Teurer Leser! Was antworten unsere Herzen auf alle diese Dinge? Inwieweit verwirklichen wir sie? Es gefällt Gott, dass wir ein Gefühl haben über alles das, was um uns her vorgeht, dass wir Kenntnis nehmen von Seinem Tun, von dem Seufzen der Schöpfung, von all dem Weh Seiner Kinder. Er hat uns dazu berufen, „Nachahmer Seiner selbst“ zu sein in dieser bösen Welt. Welch ein Mitgefühl aber besitzt Er nicht für jedes Wunde, für all das Böse, das der Feind angerichtet hat! Er ist voll zärtlichsten Mitgefühls gegen alle. Selbst als Er einst im Begriff stand, das Gericht an der hochmütigen Stadt Ninive zu vollziehen, konnte Er nicht anders, als ihr zunächst einen Propheten zur Warnung senden. Dieser war freilich nicht imstande, in die göttlichen Gedanken einzugehen, und zog, sobald sein Prophetenruf auf dem Spiele stand, das Gericht der Gnade vor. Gott aber hörte nicht auf ihn, sondern wendete auf das Bekenntnis und die Buße des Volkes den beabsichtigten Schlag ab. Das Bekenntnis mochte nur schwach und die Buße nur von kurzer Dauer sein, aber Gott nimmt — und das ist das Wunderbare — von den geringsten Spuren einer Umkehr Kenntnis. Die Buße des Volkes war sicherlich nicht durch den Heiligen Geist bewirkt, sonst wäre sie von Dauer gewesen, aber trotzdem schob Gott Seinen Propheten beiseite, beschämte ihn gründlich und gedachte gnädiglich der unmündigen Kinder und des Viehes der Stadt.

Wir vermögen die Größe der Güte Gottes nicht zu ermessen und verstehen gar wenig von dem Erbarmen und dem Mitgefühl, das Er für jedes Seiner Geschöpfe hat. Andererseits aber hat gerade die Tiefe dieser Gefühle und der Reichtum dieses Erbarmens, wenn der Unglaube sie verachtet, umso sicherer die ewige Verbannung aus Gottes Gegenwart zur Folge.

Aber wie wunderbar ist doch diese Barmherzigkeit, wie erstaunlich dieses Mitgefühl Gottes für die zu Grunde Gerichteten und Elenden in der Welt! Freilich hat der Tod Christi die Welt als solche in demselben Zustand gelassen, in welchem sie vorher war. Sie hat sich einfach jenes Einen entledigt, der sie beunruhigte und ihr Gleichgewicht störte. Aber was haben die Gläubigen durch diese Barmherzigkeit erlangt? Auf Gottes Seite stehend, betrachten sie den Tod und die Auferstehung Christi. Und was sehen sie? In dieser armen Welt, auf der Erde, die nur ein Sandkörnlein im Weltenall ist, erblicken sie das Wunder aller Wunder, das, was alles im Himmel und auf Erden Geschehene in den Schatten stellt. Denn was gäbe es selbst im Himmel, das sich mit dem Tode und der Auferstehung Christi vergleichen ließe?

Und das ist es, was uns am Tage des Herrn zusammenführt. Da feiern wir das Gedächtnis des Einen, der Gott war, aber Mensch wurde für uns, des Einen, der nicht nur vom Himmel herabstieg, um Seine Güte und Macht zu zeigen, sondern um zu sterben, am Kreuze zu sterben, weil wir Sünden hatten, die auf keine andere Weise beseitigt werden konnten. O wie können wir Gott genugsam dafür danken, dass wir Sein eigenes Zeugnis darüber besitzen, dass Er uns einiges Leben gegeben hat in Seinem Sohne? Wir können gar nicht zu viel machen aus dem Tod und der Auferstehung Christi. Gott hat uns in den Kreis Seiner vollkommenen Güte gestellt. All das Böse, das auf unserer Seite lag, hat Er hinweggetan, und uns bleibt nichts anderes übrig, als zu glauben und in Ihm zu ruhen· Mag dann selbst der Tod an uns herantreten oder eines unserer Lieben antasten, wir kennen ein Auferstehungsleben in Christo, ein weit besseres Leben, als das Leben Adams vor dem Sündenfall sein konnte. Wir kennen selbst Christum nicht mehr nach dem Fleische, sondern als gestorben und auferweckt, als das Haupt und Muster einer neuen Schöpfung (Vergl. 2. Kor. 5). Gerade der Tod Christi hat die Macht Seines Lebens bewiesen; für immer hat es über den Tod triumphiert. Ein ewiger Sieg ist erstritten und mit allen seinen Ergebnissen von Gott uns geschenkt. Freilich muss noch vieles geschehen hinsichtlich unserer Leiber, sowie im Blick auf Himmel und Erde, ehe die ganze Herrlichkeit des Sieges geschaut wird. Aber wenn es sich um das Hinwegtun alles dessen handelt, was vor Gott eine Schwierigkeit sein konnte, so braucht dafür nichts mehr zu geschehen. Die einzige wirkliche Schwierigkeit, unsere Schuld und unser Geknechtetsein unter die Herrschaft der Sünde, ist entfernt, völlig und für immer entfernt. Gottselbst hat das bewirkt auf Kosten Seines geliebten Sohnes. Gott lässt uns nur noch in der Welt, damit wir die Genugsamkeit Seiner Gnade praktisch erfahren und darstellen möchten, so wie wir ihren Triumph in Christo bereits kennen.

Bei unserem Zusammenkommen gedenken wir also dessen, was Er getan hat, und frohlocken in dem, was Er für uns ist, und genießen so bereits im voraus die zukünftige Herrlichkeit, eine Herrlichkeit ohne Ende. Denn zweifellos ist es Herrlichkeit, dass wir frohlocken in Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Sind wir nicht schon in die Stellung von Söhnen im Vaterhause eingesetzt, die vollkommene Interessengemeinschaft mit dem Vater haben in allem, was Er besitzt und ist? Wir warten auf unsere Offenbarung als Söhne und Erben durch Christum. Aber wir sind es jetzt schon, wie der Apostel sagt: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes“. Hinsichtlich der Welt wird keine Änderung eintreten, bis der Herr uns zu sich genommen hat, um auf immerdar bei Ihm zu sein im Vaterhause droben. Und wir werden nicht etwa heimlicherweise in den Himmel hineinschlüpfen, gleichsam wie durch ein Hintertürchen. Nein, Jesus selbst wird zu unserer Aufnahme erscheinen, damit, wenn wir ins Vaterhaus eingehen, wir es als solche tun, die angenommen sind in dem Hochgelobten, in Ihm, der alles annehmlich macht, worauf des Vaters Blick ruht. Der Sohn selbst wird uns einführen, und auch nicht das schwächste Glied wird zurückbleiben. Welch ein Wechsel wird das für alle sein! In einem Augenblick, in einem Nu! Dann wird Gott alles so vor sich sehen, wie Er es sehen möchte, während Satan die, welche er von jeher zu verklagen gesucht hat, in vollkommener Segnung vor Gott schauen muss.

Dieses kostbare Teil genießen wir schon jetzt in Hoffnung. Wir brauchen nicht bis zur Verwandlung unserer Leiber zu warten, um die Gefühle Gottes gegen uns kennen zu lernen. Wir sind auch nicht von irgend einem Ereignis der Zukunft abhängig. Wir ruhen jetzt schon in Gott, der uns Jesum gegeben und uns das Vorrecht geschenkt hat, an Ihn zu glauben, sowie an das gewaltige Werk, das Gott für uns in, Ihm gewirkt hat.

Möchten wir mit wachsender Einfalt uns dieses Teil zu eigen machen, „und das umso mehr, je mehr wir den Tag herannahen sehen“! Unser Herr und Heiland ruft uns zu: „Ich komme bald. Halte fest was du hast, auf dass niemand deine Krone nehme!“

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Gott bereut nicht

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 122ff

„Nicht ein Mensch ist Gott, dass Er lüge, noch ein Menschensohn, dass Er bereue. Sollte Er gesprochen haben und es nicht tun, und geredet haben und es nicht aufrecht halten?“ So rief einst Bileam Balak, dem König von Moab, zu, als dieser ihn gedungen hatte, das Volk Israel zu verfluchen (4. Mose 23, 19). Und Samuel, der Prophet, erinnerte den ungehorsamen König Saul an die gleiche Wahrheit mit den Worten: „Auch lügt nicht das Vertrauen Israels, und Er bereut nicht; denn nicht ein Mensch ist Er, dass Er bereue“ (1. Sam. 15, 29.) Ferner lesen wir an anderen Stellen, dass Gott sich „nicht verändert“ (Mal. 3, 6), dass bei Ihm „keine Veränderung ist, noch ein Schatten von Wechsel“ (Jak. 1, 17), dass Er nicht lügt, ja, nicht lügen kann (Vergl. Ps. 89, 35; Tit. 1, 2; Hebr. 6, 18).

Welch eine Gnade, dass es so ist! Das Zeugnis eines vertrauenswürdigen Menschen ist wertvoll, die Aussage zweier oder dreier Zeugen galt im Alten Bunde für genügend, um irgend eine Streitsache zu entscheiden, selbst wenn es sich um Tod und Leben handelte. Aber „wenn wir das Zeugnis der Menschen annehmen, das Zeugnis Gottes ist größer (1. Joh. 5, 9). Sein Wort besteht ewiglich, ist ein unerschütterlicher Fels, ein nie trügender Halt. Himmel und Erde mögen wanken und vergehen, Sein Wort wankt und vergeht nicht. „Von alters her habe ich aus deinen Zeugnissen gewusst, dass du sie gegründet hast auf ewig (Ps. 119, 152).

Wie ist es nun demgegenüber zu verstehen, dass Gottes Wort selbst wiederholt davon redet, dass Gott dieses oder jenes bereut habe? Liegt darin nicht ein unlöslicher Widerspruch?

Nehmen wir einige Stellen zur Hand, die so reden, und sehen wir zu. Da heißt es zunächst in der kindlich-einfachen Sprache von 1. Mose 6, 6: „Und es reute Jehova, dass Er den Menschen gemacht hatte auf der Erde, und es schmerzte Ihn in Sein Herz hinein“. Ferner sagt Gott selbst in 1. Sam. 15, 11 zu Seinem Propheten: „Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe; denn er hat sich hinter mir abgewandt usw. In Psalm 106, 44. 45 lesen wir bezüglich des Volkes Israel: „Und Er sah an ihre Bedrängnis, wenn Er ihr Schreien hörte, und Er gedachte ihnen Seines Bandes, und es reute Ihn nach der Größe Seiner Güte“. Ähnlich heißt es in Jer. 26, 3: „Vielleicht werden sie hören und ein jeder von seinem bösen Wege umkehren; so werde ich mich des Übels gereuen lassen, das ich ihnen zu tun gedenke“. Oder in Jona 3, 10 im Blick auf die Bewohner von Ninive: „Und Jehova sah ihre Werke, dass sie von ihrem bösen Wege umgekehrt waren; und Gott ließ sich des Übels gereuen, das Er geredet hatte ihnen zu tun, und tat es nicht“.

Alle diese Stellen beweisen, dass Gott nur dann sich einer Sache gereuen und eine verheißene Segnung oder eine angedrohte Strafe nicht kommen lässt, wenn es sich um Seine Wege mit Menschen, Ländern, Städten oder auch einzelnen Personen handelt. Wenn diese ihren Zustand entscheidend ändern, sei es zum Guten oder zum Bösen, urteilt Gott anders als Er vorher geurteilt hat, und lässt deshalb auch eine Änderung in Seinen Wegen mit ihnen eintreten. In Ihm selbst tritt keine Änderung ein, aber Seine Gedanken über irgend einen Gegenstand ändern sich und damit Sein Tun, weil der Gegenstand sich verändert hat. Sehr klar geht dieser Grundsatz aus Jer. 18, 7 —10 hervor: „Einmal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es auszureißen und abzubrechen und zu zerstören; kehrt aber jenes Volk . . . von seiner Bosheit um, so lasse ich mich des Übels gereuen, welches ich ihm zu tun gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es zu bauen und zu pflanzen; tut es aber was böse ist in meinen Augen . . . , so lasse ich mich des Guten gereuen, welches ich ihm zu erweisen gedachte“.

In allen diesen und ähnlichen Stellen ist also von Gegenständen der Regierungswege Gottes die Rede, nie aber von den Gedanken Seines Herzens. Handelt es sich um einen Vorsatz Gottes, um Seinen Ratschluss, so ist ein Bereuen ganz unmöglich. Seine Gnadengaben und Seine Berufung sind unbereubar (Röm. 11, 29). Nicht ein Mensch ist Gott, dass Er lüge, noch ein Menschensohn, dass Er bereue. „Der Ratschluss Jehovas besteht ewiglich, die Gedanken Seines Herzens von Geschlecht zu Geschlecht“ (Ps. 33, 11).

Beachten wir auch, dass der Geist Gottes, indem Er die Ausdrücke „bereuen, sich reuen lassen“ auf Gott anwendet, sich unserem menschlichen Fühlen und Verstehen anpasst.

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Aus alten Briefen

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 125ff

Geliebter Bruder!

Die Schwester hatte ganz recht, als sie sagte, dass ich die deutschen Brüder herzlich lieb habe. Das Werk Gottes hat mich anderswohin geführt, aber mein Herz nie von ihnen getrennt. Mein Vaterland ist der Himmel, ich fühle es täglich mehr, aber ich habe mich in Deutschland alsbald heimisch gefühlt.

. . . Wir wissen, dass wir alle eins sind in Christo, und immer stärker fühlt man in diesen letzten Zeiten, dass der Christ ein Christ sein muss und nichts anderes als ein Christ. Wenn ich gesagt habe, dass ich mich der Liebe der deutschen Brüder stets mit einem Herzen voll Dankbarkeit erinnere, so muss ich doch hinzufügen, dass ich überall die Liebe der Brüder erfahren und die Wahrheit jenes köstlichen Vorrechts erprobt habe. Ich wundere mich oft darüber, der Gegenstand so vieler Güte und Liebe zu sein, unwürdig wie ich bin. Allerdings ist dieser Same in kein undankbares Herz gefallen.

Es ist gut, lieber Bruder, dass wir auf die Probe gestellt werden. Ich darf sagen, dass ich seit mehr als vierzig Jahren keinen anderen Zweck gekannt habe als Christum. Ich habe aber gelernt, dass man in Betreff seiner eigenen Seele nachlässig sein kann, selbst wenn man mit aller Treue für den Herrn arbeitet — mit aller Treue seiner Meinung nach, obwohl man vielleicht nicht mehr dieselbe Kraft entwickelt wie zuvor. In dem 1. Brief an die Thessalonicher hören wir von dem Werke des Glaubens, von der Bemühung der Liebe und von dem Ausharren der Hoffnung. Die Quellen, die drei Grundsätze des Christentums, waren offen. Dagegen lesen wir in Offbg. 2, 2: „Ich kenne deine Werke und deine Arbeit und dein Ausharren . . ., aber ich habe wider dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast“. O wie oft ist das der Fall! Nicht dass im Grunde des Herzens die Liebe erkaltet wäre, aber das Band zwischen der Arbeit und der Liebe ist geschwächt. Man arbeitet, weil die Arbeit vorliegt. Man hat das Werk lieb, man will den Heiland verherrlichen, aber die Arbeit fließt nicht mehr aus der Fülle der Herzensliebe zu Christo hervor. Die Seele hat Schaden gelitten. Gott in Seiner Liebe kommt uns zu Hilfe, Er züchtigt uns und erneuert auf diese Weise den Strom der Liebe im Herzen. Er stellt uns vor Sein Angesicht, und redet mit uns und zu unserem Gewissen. Wie voll von Liebe und Geduld ist Er, wie freundlich mit uns! Wenn Er es nicht wäre, was sollten wir anfangen?

Das Ich des Herzens ist so listig! Es nimmt die Form an, dass es den Vorteil des Werkes, das Wohl der Brüder suche; insoweit das Ich aber in uns wirkt, verliert sich das Herz aus der verwirklichten Gegenwart Gottes. Wir sind ganz und gar unwissend in uns selbst und niemals in Sicherheit, wenn wir uns nicht durch das Wort Gottes leiten lassen. Wenn ich an den Herrn denke, an Seine Vollkommenheit, wie Er immer das rechte Wort bereit hatte, an die Gefühle Seines Herzens, wie Er immer als Mensch vor Gott war, an die Weisheit, die Liebe, die in Ihm ans Licht getreten sind, dann fühle ich immer, wie arm ich bin in meinen besten Anstrengungen, Ihm zu dienen. Gott aber sei Dank! das Werk ist Sein, und Er wirkt durch uns nach Seiner großen Güte.

. . . Es bedarf nicht vieler Worte, um dem geliebten Bruder zu antworten. Er meint, der Ausdruck „Bild des Sohnes“ sei dasselbe wie „Bild des Vaters“. Aber „Bild des Sohnes“ ist ein Gedanke, der dem Worte Gottes völlig fremd ist. Niemals redet es von einem ,,Bilde des Sohnes«. Der Herr sagt: „Wer mich (den Sohn) gesehen hat, hat den Vater gesehen“. Wo aber wäre eine Person, in welcher irgend jemand den Sohn gesehen hätte?

Aber der Ausdruck „Bild des Vaters“ ist auch nicht ganz richtig. In der Schrift findet er sich nirgendwo. Christus, der Sohn Gottes, das Fleisch gewordene Wort, ist das „Bild des unsichtbaren Gottes“, nicht des Vaters. Er war Gott, geoffenbart im Fleische, geoffenbart auf dieser Erde. Gott wurde in Ihm in Menschheit in der Welt gesehen. Das Wort „Vater“ bezeichnet ein Verhältnis, eine Beziehung, während „Gott“ der Name des allerhöchsten Wesens ist, Dessen, „der ein unzugängliches Licht bewohnt, den keiner der Menschen gesehen hat, noch sehen kann“ (1. Tim. 6, 16). Christus ist das Bild dieses unsichtbaren Gottes.

Auch bezüglich des Erlösungswerkes ist der ausgesprochene Grundsatz falsch. Der Vater hat den Sohn gesandt, nicht der Sohn den Vater. Der Sohn hat den Gehorsam gelernt, und zwar an dem, was Er litt. Der Vater leidet nicht. In dem Haushalt der Gnade vollenden der Vater und der Sohn, oder richtiger ausgedrückt, Gott und Christus, zwei verschiedene Teile des Werkes. Leiden wurden nur Christo zuteil, weil Er im Fleische gekommen ist. Er ist ein wenig unter die Engel erniedrigt worden, um sich dem Tode zu unterziehen. Und gerade in diesen Leiden nahm Er eine andere Stellung ein, als der Vater oder vielmehr als Gott. Es gefiel Gott, — nicht dem Vater, sondern Jehova, dem Ewigen, — Ihn zu zerschlagen, „Er hat Ihn leiden lassen“ (Jes. 53).

Wie kann nun der 1. Bruder leugnen, dass Christus, als Er am Kreuze litt, nicht das Bild des Vaters war? Die Liebe Gottes ist dort sicherlich geradeso geoffenbart worden, wie die Liebe des Fleisch gewordenen Sohnes. Der Natur nach sind Vater und Sohn stets eins; aber im Ratschluss Gottes war das Teil des Vaters von dem des Sohnes verschieden. Die Theologie verwechselt allerdings fast immer die Begriffe Vater und Gott. Dass der Vater Gott ist, ist sicher, aber die Schrift macht überall einen Unterschied zwischen dem Vaternamen, der einer besonderen Beziehung eigen ist, und Gott, dem Namen eines Wesens. So wird Gott der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus genannt. Er war und ist der Gott Christi, insofern Christus Mensch ist. (Vergl. Joh. 20, 17; Eph. 1, 3; Hebr. 1; 1. Petrus 1, 3; Psalm 40).

Noch einmal denn: Christus, der Sohn, das Bild des unsichtbaren Gottes, ist eins mit dem Vater. In Ihm ist der Vater einstmals ans dieser Erde gesehen worden; Im Erlösungswerke aber litt der Christus, von Gott zerschlagen, als Er sich für uns dahingab. Diese Seiten oder Teile des kostbaren Werkes dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Christus wurde als Mensch für uns zur Sünde gemacht, und der heilige Gott richtete in Ihm die Sünde.

J. R. D.

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Unsterblichkeit der Seele, Seelenschlaf und ewige Verdammnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 129ff

Über die Fragen: „Hat der Mensch eine unsterbliche Seele?“ und: „Gibt es eine ewige Verdammnis?“ ist schon unendlich viel geredet und geschrieben worden. Dass beide Fragen von ernstester Bedeutung sind, braucht nicht betont zu werden· Aber ist es nicht eine auffallende Tatsache, dass diese Fragen, trotz der klarsten Belehrungen der Heiligen Schrift, gerade von solchen erhoben werden, die an die Schrift zu glauben, ja, „sich aufs genaueste an sie zu halten bekennen“? *) Ja, diese Tatsache ist nicht nur auffallend, sondern tief demütigend. Ach! anstatt sich dem Worte Gottes einfältig und willenlos zu unterwerfen, trägt man seine Gedanken und Meinungen hinein und, unter dem Vorwande (gewiss auch oft der guten Meinung), der Menschheit ein möglichst großes Glück zu sichern und dem grübelnden und fragenden Geiste des Menschen Anstöße aus dem Wege zu räumen, behandelt man das Wort Gottes, wie wenn es Menschenwort wäre, und Gott, als wäre Er wie „unser einer“. Man sagt: „Wir bekennen - wir halten fest - wir glauben — wir halten es für weit vernünftiger — die Wissenschaft hat bewiesen usw.“, und vergisst dabei, dass die Vernunft, die nur Schlüsse ziehen und Wahrscheinlichkeiten aussprechen kann, völlig außerstande ist, den Menschen über das zu unterrichten, was sein wahrer Zustand ist, sei es in gegenwärtigem oder in zukünftigem Sinne; und noch viel weniger die Frage zu beantworten vermag, wie ein Mensch Gott kennen und genießen, Ihm dienen und Ihn anbeten kann. Tatsachen können durch unsere Sinne erfasst und durch menschliche Zeugnisse bewiesen werden; außerzeitliche und übernatürliche Dinge müssen sich aber auf ein Zeugnis gründen, das über dem Menschen steht, mag es auch durch menschliche Werkzeuge vermittelt werden. Sollen wir über diese Dinge Mitteilungen empfangen, die mit göttlicher Autorität bekleidet sind, so kann das nur durch Offenbarungen von seiten Gottes geschehen; und diese finden wir nur in der Bibel, und ihnen haben wir uns deshalb unweigerlich und rückhaltlos zu unterwerfen.

Wer anders, als Gott, könnte uns mit Gewissheit sagen, woher wir kommen und wohin wir gehen? Unser Gewissen mag uns zuflüstern, dass wir schuldig sind und deshalb verantwortlich vor Gott, und je tätiger es ist, desto mehr werden wir unsere Untüchtigkeit fühlen, in Gottes heiliger Gegenwart zu stehen; aber es kann das Dunkel nicht lichten, kann uns keinen Weg des Entrinnens zeigen, noch die bangen Fragen bezüglich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beantworten. Nichts als eine quälende Ungewissheit, verbunden mit einem „furchtvollen Erwarten des Gerichts“, wäre das Teil des —Menschen, wenn nicht Gottes« Wort ihn mit den Gedanken Gottes über ihn und mit Seinem Heilswege in Christo bekannt gemacht hätte. Die Erschaffung des Menschen, vor allem aber der Sündenfall mit seinen furchtbaren Folgen, und Gottes Vorkehrungen, um diesen Folgen zu begegnen, werden in diesem Worte mit göttlicher Autorität geschildert. Ja, es macht uns mit der wunderbaren Tatsache bekannt, dass der glaubende Sünder nicht nur von dem kommenden Zorn errettet werden kann, sondern auch in Christo ewiges Leben empfängt und eingeführt wird in die Gunst Gottes und in das Kindesverhältnis zu dem Vater im Himmel droben.

Die Leugner der Unsterblichkeit der Seele und der ewigen Verdammnis übergehen nun gerade geflissentlich den wahren Charakter und furchtbaren Ernst der Sünde, wie er im Worte Gottes dargestellt wird. Leider wird dieser Punkt, der von ganz hervorragender Wichtigkeit ist, im allgemeinen wenig erkannt und beachtet. Und doch sind gerade deshalb die Lehren jener Leute von solch grundstürzender Bedeutung. Denn aus der Schwächung — des Ernstes der Sünde folgt mit Notwendigkeit eine Herabsetzung der Verantwortlichkeit des Menschen und daraus wieder· ein Verkennen des Wertes des Sühnungswerkes Christi und der Wichtigkeit der Buße. Tatsächlich wird denn auch von jenen bösen Lehrern die Verantwortlichkeit des Menschen nur ganz oberflächlich anerkannt und das Sühnungswerk fast außer acht gelassen. Die furchtbare Bedeutung des Verlassenseins Christi von seiten Gottes in den drei Stunden der Finsternis ist ihnen nahezu unbekannt. Es ist nicht zu verwundern. Denn wenn, wie sie behaupten, nur eine zeitliche Strafe als gerechter Lohn der Sünde genügt, warum musste dann unser Heiland solch entsetzliches Weh erdulden? Warum war überhaupt ein so wertvolles Lösegeld wie das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, erforderlich? In Übereinstimmung damit leugnen denn auch jene Irrlehrer, dass der am Kreuze Gestorbene der Sohn Gottes war, leugnen ferner die mit solch überwältigender Kraft bezeugte leibliche Auferstehung unseres Herrn und Heilandes.

Und wie mit dem Sühnungswerk, so ist es mit der Buße. Sie wird im gleichen Verhältnis ihres Ernstes und Wertes entkleidet, und das nicht nur beiläufig, sondern mit voller Absicht. So urteilte schon vor Jahren ein amerikanischer Verfechter jener Lehren, **) dass Gewissensnot und Schrecken über begangene Sünden nichts seien wie die Ergebnisse einer niedrigen sklavischen Furcht, und deshalb durchaus verwerflich. Der Betreffende war denn auch, als jemand ihn über die Verantwortlichkeit des Menschen befragte, aufrichtig genug, einzugestehen, dass er außerstande sei, sie mit seinem Lehrsystem in Einklang zu bringen, aber da sie einmal in der Schrift gelehrt werde, so leugne er sie nicht.

Es ist erschreckend, wohin man kommt, oder richtiger wohin Satan einen Menschen bringt, wenn er die Ehrfurcht vor Gottes Wort ausgibt und den törichten und bösen Spekulationen des eigenen, von Satan beeinflussten Geistes und Verstandes folgt. Es gibt kaum eine christliche Grundwahrheit, die nicht von jenen bösen Lehrern angetastet, verdreht oder geleugnet würde. Ihr Lehrsystem stürzt die Fundamente des Christentums geradezu um und bietet dafür, von Gott und Seinen Ratschlüssen in der Ewigkeit beginnend und mit Seinen Wegen am Ende der Tage, ja, mit Seinen Gedanken über die ewigen Ausgänge von Menschen und Dingen schließend, ein verworrenes Gewebe menschlicher Erfindungen und teuflischer Eingebungen. Was diese Lehren so besonders ernst und verführerisch macht ist der Umstand, dass ihre Vertreter einerseits mit einer verblüffenden Sicherheit aufzutreten wissen, und dass sie andererseits die Schriften in der Weise „verdrehen“, dass sie nach Belieben Stellen aus ihrem Zusammenhang herausreißen oder einzelnen Worten und Ausdrücken, unter völliger Nichtachtung deutlich redender Erklärungen der Schrift, willkürliche, ihren Zwecken dienende Deutungen geben und dann, auf diese Stellen oder Worte pochend, den Hörern oder Lesern ihre eigenen Ideen in geradezu gewalttätiger Weise aufzwingen. Die natürliche Neigung des Menschenherzens, die törichtesten Behauptungen und unsinnigsten Lehren, wenn sie nur mit der nötigen Dreistigkeit vorgetragen werden, lieber zu glauben, als die einfache, nüchterne Wahrheit, tut das Übrige.

So betonen z. B. jene Lehrer nachdrücklich, dass Menschen- und Tierseelen gleichartig seien, und führen zur Stützung ihrer Behauptung Stellen aus dem 1. Buche Mose an, unter anderem Kap. 7, 22, wo es heißt: „Alles, in dessen Nase ein Odem des Lebenshauches war, starb“. Ferner Hiob 34, 14. 15: „Wenn Gott Seinen Geist und Seinen Odem an sich zurückzöge, so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden und der Mensch zum Staube zurückkehren“. Die Tiere haben, so behaupten sie, in derselben Weise eine lebendige Seele wie der Mensch. Dieser besitzt allerdings ein größeres Gehirn und deshalb mehr Verstand als die Tiere, im übrigen aber hat er eine lebendige Seele genau so wie sie. Wenn das aber der Fall ist, wenn wir im Grunde also nur höherstehende Tiere sind, wo bleibt dann unsere Verantwortlichkeit? Man kann einem Tiere doch nicht Sünde anrechnen, ebenso wenig wie jemand behaupten wird, dass Christus gestorben sei, um die Sünden eines Tieres hinwegzutun.

Wir erkennen hieraus ohne Mühe, warum in jenem Lehrsystem Verantwortlichkeit und Buße den ihnen gebührenden Raum nicht finden können und warum der Wert und die Bedeutung des Sühnungswerkes so in den Hintergrund treten müssen. Ja, mehr als das: die ernste und wichtige Frage, was Christus am Kreuze für uns getan hat, wird von ihnen von Grund aus verfälscht.

Dass das Tier eine Seele besitzt und, wie der Mensch, eine lebendige Seele· genannt wird, wird von niemand geleugnet, auch nicht, dass das Tier, je nach seiner Art, gewisse geistige Eigenschaften besitzt, durch die es sich von anderen, höher oder niedriger stehenden, mehr oder weniger entwickelten Arten unterscheidet. Aber der Mensch nimmt in der Schöpfung einen in jeder Hinsicht eigenartigen Platz ein, abgesondert von und über allen anderen Geschöpfen. Seine Erschaffung lässt sich mit dem Werden der Tiere gar nicht vergleichen. Bei diesen heißt es einfach: „Gott schuf“, oder: „Gott machte“, oder: „Gevögel fliege über der Erde“, oder: „Die Erde bringe hervor lebendige Wesen nach ihrer Art: Vieh und Gewürm usw.“ — „und es war also“. Wie ganz anders aber gestaltete sich die Erschaffung des Menschen! Wir lesen: ,,Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis, und dass sie herrschen über die Fische des Meeres und über das, Gevögel des Himmels usw.“ Gott kündigte also die Einführung des Menschen mit einer unvergleichlichen Feierlichkeit an. Er ging mit sich selbst zu Rate, ehe Er den Menschen schuf, und Er beschloss, ihn in, Seinem Bilde, nach Seinem Gleichnis zu machen; auch bestimmte Er ihn von vornherein zum Herrn über die ganze irdische Schöpfung. Der Mensch erhielt also nicht nur hinsichtlich dieser Schöpfung eine Stellung, die keinem Engel zugeschrieben wird, sondern auch einen Platz besonderer Nähe zu Gott und in gewisser Hinsicht der Ähnlichkeit mit Gott. Von keinem anderen Geschöpf sagt Gott, dass Er es in Seinem Bilde, nach Seinem Gleichnis geschaffen habe. Ferner sollte der Mensch nicht nur die Erde füllen, sondern sie sich auch untertan machen und herrschen über Fische, Vögel und alles Getier, das sich auf der Erde regt (Kap. 1, 28). Dem Menschen wurde so eine gewaltige Überlegenheit und ein hoher Vorrang zuteil, nicht nur dem Grade, sondern auch der Art nach; er empfing sowohl eine sittliche Natur als auch einen Geist, der im Vergleich mit den bloßen Instinkten der niedrigen Schöpfung eines unbeschränkten Fortschreitens fähig ist.

Aber das ist noch nicht alles. Im 2. Kapitel bringt Jehova Gott -— nicht einfach Gott (Elohim), der Schöpfer, sondern Jehova Elohim, der sittliche Regierer und Lenker des Weltalls, — den Menschen in besondere Beziehungen zu sich selbst, sowohl hinsichtlich seines Bereichs, als auch seiner Gefährtin und seiner Untertanen. Darum wird uns hier berichtet: „Und Jehova Gott bildete den Menschen, Staub von dem Erdboden, und hauchte in seine Nase den Odem des Lebens; und der Mensch wurde eine lebendige Seele“ (V. 7). Alle Tiere waren lebendige Wesen oder Seelen, aber sie lebten, indem sie geschaffen wurden. Nicht so der Mensch. Das äußere Gefäß wurde zunächst von Gott mit Sorgfalt für den Menschen gebildet, und dann erst hauchte Gott in seine Nase den Lebensodem. Dem Menschen allein wurde also das Vorrecht der Einhauchung des Lebensodems zuteil. Auf diese Weise wurde er, und zwar nur er, zu einer lebendigen Seele. Deshalb ist die Seele des Menschen unsterblich. Er empfing seine lebendige Seele durch die unmittelbare Einhauchung Gottes. Deshalb steht der Mensch auch in einem ganz besonderen Verhältnis zu Gott: er ist verantwortlich, Gottes Willen zu tun, und wird dereinst Gott Rechenschaft geben müssen von all seinem Reden und Handeln.

In Übereinstimmung damit hören wir gleich darauf von dem Garten Eden, den Gott für den Menschen pflanzte mit allerlei Bäumen zur Speisung des Menschen und mit „dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen«, dem Zeichen und Prüfstein der Verantwortlichkeit des Menschen, und (gänzlich unterschieden von jenem) „dem Baum des Lebens in der Mitte des Gartens“. Von dem verbotenen Baume zu essen bedeutete Ungehorsam und als Folge davon Tod, während von dem Essen der Frucht des anderen Baumes das Leben abhing. Dann wurden alle Tiere zu Adam gebracht, damit er als Herr ihnen Namen gebe nach seinem Belieben, und schließlich baute Jehova Gott aus der Rippe Adams ein Weib, die Gehilfin und Teilhaberin all seiner Segnungen.

So empfing der Mensch denn in jeder Hinsicht einen. Platz, der ihm allein eigen ist und ihn hoch erhebt über alle übrigen geschaffenen Wesen, zugleich aber auch seiner Abhängigkeit und Verantwortlichkeit Gott gegenüber Ausdruck gibt. Doch allem voran steht die Tatsache, dass Gott in seine Nase den Odem des Lebens hauchte, sodass der Mensch sein eigentliches inneres Leben unmittelbar von Gott empfing· Er kann deshalb auch „Sohn Gottes“ (Luk. 3, 38) und „Gottes Geschlecht“ (Apstgsch. 17, 29) genannt werden, und das in seiner natürlichen Stellung als Mensch, ganz abgesehen davon, ob er durch den Glauben an Christum aus Gnaden ein Kind Gottes wird oder nicht. Mag er sich noch so sehr erniedrigen, wie die Athener es seiner Zeit getan hatten, er kann sich der Verantwortlichkeit, welche sein hoher Stand und sein Verhältnis zu Gott ihm auferlegen, nicht entziehen.

Dass der Mensch (auch der unbekehrte, nicht wiedergeborene) ein anderes Leben besitzt als alle übrigen Lebewesen, geht auch aus dem Umstand hervor, dass er ein Gewissen hat, das ihn leitet, ihn mahnt und warnt, oder sein Tun gutheißt. Er hat eine Seele, die Gott hassen kann und tatsächlich gehasst hat oder noch hasst, die so gebildet ist, dass sie sich zu Gott erheben, mit Ihm reden, Ihm danken oder Ihm fluchen kann, eine Seele, die sich in Ungehorsam und Eigenwillen gegen Gott aufzulehnen oder auch im Selbstgericht vor Ihm niederzubeugen vermag. Ich brauche kaum darauf hinzuweisen, dass alles das von keinem anderen Lebewesen, auch nicht von dem höchststehenden Affen oder dem klügsten Elefanten, gesagt werden kann. Der Mensch« ist eben ein sittliches Wesen, „Gottes Geschlecht“. Kommt er durch Gottes Gnade zur Einsicht über seinen natürlichen Zustand, so erinnert er sich seiner früheren Verfehlungen, erkennt seine Schuld vor Gott und fühlt, dass er Gericht von seiten Gottes verdient hat. Wie könnte man von solchen Dingen in Verbindung mit einem Tiere reden?

Wäre der Mensch nur in dem Sinne ein unreines Wesen, wie die Tiere als zu dieser Schöpfung gehörend es sind, so könnte er weder Buße tun noch an eine Sühnung für seine Sündenschuld denken. Der Begriff „Sünde“ wäre dann überhaupt hinfällig, von Verantwortlichkeit könnte keine Rede sein. Der Mensch wäre, gleich der übrigen Schöpfung, zwar der Eitelkeit und Verweslichkeit unterworfen, aber nicht durch seinen Willen, durch seine Schuld (Vergl. Röm. 8, 20.) Das Wort aber sagt, dass wir von Gott entfremdet, Feinde Gottes sind nach der Gesinnung in den bösen Werken, dass unsere natürliche Gesinnung Feindschaft ist gegen Gott usw. (Kol. 1, 21; Röm. 8, 7). So sehen wir denn, dass jedes wahre Gefühl über Sünde, Verantwortlichkeit, Buße, Sühnung usw.. schwindet, sobald man dem Betruge Satans — denn so können wir die verhängnisvolle Lehre, die uns beschäftigt, nur nennen — sein Ohr leiht.

Ist es nun nicht überaus traurig, dass Leute, die nicht nur den Namen „Christen“ tragen, sondern sich rühmen, in ganz besonderer Weise »die Wahrheit« zu kennen und ihr zu folgen, sich aus allen Kräften bemühen, den Menschen auf gleichen Boden mit dem unvernünftigen Tiere zu stellen? Außer den bereits angeführten Stellen weisen sie hin auf 1.Mose 9, 10, Psalm 104, 29. 30, Hes.18, Offbg. 16, 3, 1. Korinther 15, 44 - 47 u. v. a., und folgern aus dem Umstande, dass alle anderen Geschöpfe, gleich dem· Menschen, lebendige Seelen genannt werden, dass dieser keinen Vorzug vor jenen habe. Anscheinend gibt ihnen eine Stelle wie Prediger 3, 19, 20 eine Unterlage für ihre Behauptung. Triumphierend fragen sie deshalb auch: Sagt Gottes Wort selbst nicht klar und deutlich, — dass Menschen und Tiere einerlei Geschick haben? „Wie diese sterben“ so sterben jene, und einen Odem haben sie alle; und da ist kein Vorzug des Menschen vor dem Tiere, denn alles ist Eitelkeit. Alles geht an einen Ort; alles ist aus dem Staube geworden, und alles kehrt zum Staube zurück.“ Aber sie vergessen ganz und gar, dass der Prediger nur das beschreibt, was unter der Sonne geschieht, und so wie es sich der Beobachtung des Menschen äußerlich darbietet. Er fügt deshalb auch sogleich hinzu: „Wer weiß von dem Odem der Menschenkinder, ob er aufwärts fährt, und von dem Odem der Tiere, ob er niederwärts zur Erde hinabfährt?“ Niemand sieht das; darum haben nach dem Urteil des nur das Sichtbare wahrnehmenden Auges Menschen und Tiere ein gleiches Geschick. Beide liegen im Tode entseelt da und verfallen der Verwesung.

Wir haben schon gesehen, dass die Bezeichnung „lebendige Seele“ den Menschen nicht von den übrigen geschaffenen Wesen unterscheidet. Aber die Art und Weise, wie er zu einer solchen wurde, sondert ihn von der ganzen übrigen Schöpfung aus. Sein Leben hatte, zum Unterschiede von allen anderen Geschöpfen, eine göttliche Quelle. Er bekam Anteil an etwas, das unmittelbar von Gott kam. „Im Bilde Gottes“ geschaffen, unterscheidet er sich seiner ganzen Stellung und seinem inneren Wesen nach von allen anderen Lebewesen. Die Versuche, diese völlig unterschiedliche Natur des Menschen zur Gleichheit mit dem Tiere herabzuwürdigen, gehen darum wahrlich nicht von Gott aus, sondern sind auf die alte Schlange, auf Satan, den Vater der Lüge, zurückzuführen.

Der Mensch besitzt etwas, das der. Tod nicht anzutasten vermag. Der Herr ruft deshalb Seinen verfolgten Jüngern und Jüngerinnen zu: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr Den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle“ (Matth. 10, 28). Mit anderen Worten: Über das, was sich außerhalb des leiblichen Lebens befindet, hat der Tod keine Gewalt. Es steht durchaus außer seinem Bereich. Der Tod lässt die Seele bestehen, und zwar nicht nur die Seele des Gläubigen, sondern alle Seelen. Als die Sadduzäer einmal die Auferstehung in Frage zogen, sagte der Herr nicht etwa nur von Abraham, Isaak und Jakob oder von den anderen Gläubigen des Alten Testaments, dass sie lebten, noch gründete Er ihr Leben auf die Tatsache, dass sie »Heilige« waren, sondern Er sprach: „Gott ist nicht Gott der Toten, sondern der Lebendigen, denn für Ihn leben alle“ - alle Menschen ohne jegliche Ausnahme. Ich wiederhole darum: Der Tod vermag die Seele des Menschen nicht anzutasten. Sie stirbt niemals. Die Zerstörung des Leibes berührt sie als solche in keiner Weise.

Fußnote:

*) In der Gegenwart sind die sogenannten „Millenniums- oder Tagesanbruchsleute“, auch unter dem Namen: „Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher“ bekannt, die hauptsächlichen Träger und eifrigen Vertreter dieser bösen Richtung.

**) sie sind ja von Amerika zu uns herübergekommen.

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Unsterblichkeit der Seele, Seelenschlaf und ewige Verdammnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 141ff

Wenn im Worte Gottes von ,,Sterblichkeit« die Rede ist, so handelt es sich immer um den Leib des Menschen, um den körperlichen Zustand, in welchem wir uns als Nachkommen des gefallenen Adam befinden, niemals aber um die Seele. (Man verwechselt oft - und gerade jene bösen Lehrer tun es mit Vorliebe — die Begriffe „ewiges Leben“ und „Unsterblichkeit“, und man kann nicht oft genug betonen, dass nur dem Glaubenden ewiges Leben zuteil wird, und zwar Leben in dem zweiten Menschen, dem letzten Adam. Es hat mit der Frage, ob sterblich oder unsterblich, oder mit unserem Zustand als Nachkommen des ersten Menschen, gar nichts zu tun. Doch wir werden noch näher darauf zurückkommen.) So lesen wir in 1. Kor. 15, 53: „Dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen, und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen (vergl. auch V. 54), und in 2. Kor. 4, 11: „auf dass auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleische offenbar werde“. Ferner schreibt der Apostel in Röm. 6, 12: „So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um seinen Lüsten zu gehorchen“, und in Kap. 8, 11: „Wenn aber der Geist Dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird Er, der Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen“. Und in 2. Kor. 5, 4: „Denn wir freilich, die in der Hütte sind, seufzen beschwert, wiewohl wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben“.

In dieser letzten Stelle handelt es sich so offensichtlich um den sterblichen Leib, die Hütte des Menschen, im Gegensatz zu der unsterblichen Seele, die in dieser Hütte wohnt, dass tatsächlich viel Dreistigkeit und ein großes Vertrauen auf die Urteilsunfähigkeit der Hörer oder Leser dazu gehört, um zu behaupten, nirgendwo in der Heiligen Schrift werde die Unsterblichkeit der Seele gelehrt. Der Ausdruck „unsterbliche Seele“ findet sich allerdings nirgend, aber die Sache wird immer und immer wieder betont.

Außer den angeführten Stellen ist von „Sterblichkeit“ oder „Unsterblichkeit“ nur noch in 1. Timotheus.6, 16 die Rede, wo der Apostel in Bezug auf Gott sagt, dass „Er allein Unsterblichkeit habe, ein unzugängliches Licht bewohne usw.“ Gott allein besitzt Unsterblichkeit, d. h. Er ist in Seiner Natur Unsterblich. Diese Tatsache stößt keineswegs die andere um, dass Gott einem Teil Seiner Geschöpfe ein unvergängliches Dasein verliehen hat. „Engel“ sind z. B. nicht sterblich, wie allgemein zugegeben wird und Luk. 20, 36 beweist; aber es kann nicht von ihnen gesagt werden, dass sie „Unsterblichkeit haben“. Ihr Leben ist ein geschaffenes Leben, und ihr Dasein ist, gleich dem unsrigen, abhängig von Dem, der es gegeben hat. Gott allein besitzt Seinem Wesen und Bestehen nach Unsterblichkeit; aus diesem Grunde vermag auch Er allein Unsterblichkeit mitzuteilen.

Ich wiederhole also: Der Mensch ist nur was seinen Leib betrifft sterblich, und dieser Leib, dieses Sterbliche und Verwesliche, muss nach 1. Kor. 15, 53 einmal Unsterblichkeit und Unverweslichkeit anziehen, denn Fleisch und Blut, d. i. der leibliche Zustand, in welchem wir uns gegenwärtig befinden, kann das Reich Gottes nicht ererben. Eine Verwandlung muss stattfinden, um aus diesem sterblichen Leibe einen unsterblichen zu machen. Gott sei Dank! die Zeit kommt, wo er aufgehört haben wird, sterblich und verweslich zu sein. In seinem gegenwärtigen Zustand dem Tode und der Verwesung unterworfen, falls Gottes Macht nicht eingreift (vergl. 1. Kor. 15, 51; 1. Thess. 4, 13 - 18), wird er in seiner Auserstehungs-Herrlichkeit unsterblich und unverderblich sein; eine Trennung von Seele und Leib, die heute eben den Tod des Menschen bedeutet, wird dann nie mehr stattfinden.

Der vorhin berührte Ausspruch des Apostels: „Dies aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können, auch die Verwesung nicht die Unverweslichkeit ererbt“ (1. Kor. 15, 50), wird von den Tagesanbruchleuten benutzt, um die leibliche Auferstehung Christi und damit die Auferstehung des Leibes überhaupt zu leugnen. „Wir bestreiten“, sagen sie, „dass Christus im Fleische auferweckt wurde; Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben.

Der Ausdruck „Fleisch und Blut“ bezeichnet, wie bereits gesagt, den leiblichen Zustand, in welchem der Mensch als Geschöpf hienieden besteht. An diesem Zustand hat Christus teilgenommen; anders hätte Er uns nicht aus unserem Verderben befreien und aus Satans Macht erlösen können. Er ist nicht ein Geschöpf geworden, aber ein wahrhaftiger Mensch, vom Weibe geboren. Und nur indem Er Blutes und Fleisches teilhaftig wurde, konnte Er im Tode für uns eintreten und „durch den Tod. den zunichte machen, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel“ (Hebr. 2, 14). Wenn ein Mensch stirbt, so tritt er aus diesem Zustand in Fleisch und Blut heraus, legt ihn ab, um zunächst in den Zwischenzustand einzutreten, in welchem Leib und Seele voneinander getrennt sind. Als Christus starb, legte auch Er diesen Zustand, in welchem Er mit unserer Schuld beladen und für uns zur Sünde gemacht werden konnte, für immer ab, um, nach kurzem Verweilen in dem Zwischenzustand (Hades), in der Auferstehung in einem ganz neuen Zustand, als das verherrlichte Haupt der neuen Schöpfung, vor die Augen Seiner Jünger hinzutreten. Am Abend Seines Auferstehungstages erschien Er in der Mitte der kleinen, bei verschlossenen Türen versammelten Schar und sprach: „Friede euch! Sie aber erschraken und wurden von Furcht erfüllt und meinten, sie sähen einen Geist. Und Er sprach zu ihnen: Was seid ihr bestürzt, und warum steigen Gedanken auf in euren Herzen? Sehet meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin; betastet mich und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, dass ich habe“ (Luk. 24, 36 - 39). Bestimmter und deutlicher könnte die leibliche Auferstehung unseres Herrn und Heilandes nicht bezeugt sein. Der infolge ihrer Bestürzung begreiflichen Auffassung der Jünger-, sie sähen einen Geist, tritt der Herr mit der wiederholten Versicherung entgegen, dass Er nicht ein Geist sei, sondern ein wirklicher, körperhafter, mit den äußeren Sinnen, Gesicht und Gefühl, wahrnehmbarer Mensch. Er selbst war es, so wie Er vor Seinem Leiden und Sterben unter ihnen gewandelt hatte, mit den Zeichen Seines Todes, den Wundenmalen an Seinen Händen und Füßen, ein Mensch, der mit ihnen essen und trinken konnte, aber — ein auferstandener Mensch, mit einem Leibe, der nicht mehr an die Gesetze dieser Schöpfung gebunden, durch Mauern und Riegel nicht behindert war, mit einem Wort: ein Mensch mit einem geistigen Leibe (Vergl. 1. Kor. 15, 44). Eine große Veränderung war freilich mit diesem Leibe vorgegangen, aber es war derselbe Herr, derselbe Mensch Jesus Christus wie damals, „als Er noch bei ihnen war“ (Luk. 24, 44).

Beachten wir jedoch, dass der Herr nicht mehr von „Fleisch und Blut“ redet, wenn Er diesen neuen Zustand bezeichnen will. Der Zustand« von „Fleisch und Blut“ war im Tode zurückgeblieben. Wahrhaftig gestorben und „aus den Toten auferweckt“, stand Er jetzt als Einer, über den der Tod keine Gewalt mehr besaß, der den Tod vielmehr besiegt hatte, der „nicht mehr stirbt“ (Röm. 6, 9), vor Seinen Jüngern, nicht ein Geist, sondern ein wesenhafter Mensch mit Fleisch und Bein, den man mit den natürlichen Augen sehen und mit den Händen betasten konnte.

Sagen wir zu viel, wenn wir behaupten: Klarer und unzweideutiger könnte die leibliche Auferstehung Jesu nicht bezeugt sein? Und doch entblöden sich jene bösen Lehrer nicht, sie zu leugnen und lieber den Herrn als einen Lügner und Betrüger hinzustellen, als ihre gottlose Lehre fallen zu lassen. Fürwahr, sie gehören zu denen, die, wie der Apostel sagt, „von der Wahrheit abgeirrt sind“ und „den Glauben etlicher zerstören“. Gott aber helfe uns, bis ans Ende in dem zu bleiben, was wir aus den Heiligen Schriften gelernt haben und wovon wir völlig überzeugt sind! (2. Tim. 2, 18; 3, 14. 15).

Ewig und ewiges Leben.

Ich komme jetzt auf das Wort „ewig“ und den schon oft erwähnten Ausdruck „ewiges Leben“ zurück. Zunächst ist an der Tatsache, dass das mit „ewig“ übersetzte griechische Wort wirklich die Bedeutung von immerwährend, nie endend hat, nicht zu rütteln. Autoritäten aus wissenschaftlichem Gebiet, wie Aristoteles, Philo (ein religiöser jüdischer Schriftsteller aus der Zeit der Apostel) und andere erklären es ausdrücklich so. Die Schrift redet von dem ewigen Gott, dem ewigen Geist, dem ewigen Erbe, der ewigen Erlösung usw. Dass das Wort an sich schon diese Bedeutung hat, geht unzweideutig aus der Bemerkung des Apostels in 2. Kor. 4, 18 hervor: „Das was man sieht ist zeitlich, das aber was man nicht sieht ewig“. Hier steht „ewig“ in ausdrücklichem Gegensatz zu „zeitlich“, ohne irgend ein Hauptwort, das die Bedeutung des Eigenschaftswortes beeinflussen könnte. So werden auch die Ausdrücke ewiges Leben und ewige Pein in unmittelbarem Gegensatz zueinander gebraucht (Matth. 25, 46).

Doch was ist „ewiges Leben“? Wir haben schon wiederholt gesagt, dass es allein in Jesu Christo, dem Sohne Gottes, zu finden ist, und dass es dem Glaubenden als Gabe Gottes zuteil wird. „Der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christo Jesu, unserem Herrn“ (Röm. 6, 23). Es ist also nicht etwa „eine Zurückerstattung dessen, was durch Adam verloren wurde“. Es ist etwas ganz anderes als ein endloses Leben, als Unsterblichkeit. Ewiges Leben ist weder das, was Adam vor seinem Falle besaß, noch das, was die Engel, diese heiligen, unsterblichen Wesen, besitzen. Dennoch verwechselt man immer wieder ewiges Leben mit Unsterblichkeit. Wie sehr mit Unrecht, geht schon aus der Tatsache hervor, dass ich als Gläubiger ewiges Leben besitze, dabei aber noch genauso sterblich bin, wie ich vor meiner Bekehrung war. Dieses Leben wird auch in keiner Weise angetastet, wenn ich sterbe (Vergl. 2. Kor. 5, 6 — 8). Es tritt in seiner vollen Herrlichkeitsentfaltung freilich erst in Erscheinung, wenn Jesus kommt und ich mit allen Erlösten den verherrlichten Leib erhalte. Aber mit Sterblichkeit oder Unsterblichkeit hat es so wenig zu tun, wie diese mit ihm. Beachten wir, dass Leben und Unverweslichkeit (nicht Unsterblichkeit, wie so oft gesagt wird) ans Licht gebracht worden sind durch das Evangelium Seele und Leib haben gleicherweise teil an den gesegneten Folgen des Todes und der Auferstehung Christi (2. Timotheus 1, 10).

Der Besitz, des ewigen Lebens nimmt die Sterblichkeit also nicht weg, verleiht auch keine Unsterblichkeit. Die Seele des Menschen ist unsterblich, ob er ewiges Leben hat oder nicht. Darum leben für Gott auch alle, mögen sie gestorben sein oder noch im Leibe wallen, mögen sie im Glauben stehen und ewiges Leben haben oder noch fern von Gott im geistlichen Tode liegen.

In Verbindung hiermit eine Stelle anzuführen wie: „Wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht“, ist ein Beweis von derselben leichtfertigen Begriffsverwirrung, der wir schon so oft begegneten. Ein unbekehrter Mensch, der nach dieser Stelle das Leben nicht hat, ist deswegen doch lebendig. Er würde auch nicht eine Spur mehr von jenem „Leben im Sohne“ haben, wenn er selbst in dem Sinne von 1. Mose 3, 22 „ewiglich leben“ würde. „Dies habe ich euch, geschrieben“, lesen wir in 1. Joh. 5, 13, „auf dass ihr wisset, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes Gottes“. Ewiges Leben ist der gegenwärtige Besitz der Gläubigen, und zwar nur der Gläubigen. Was der Mensch im SündenfalI verloren hat und keine Kraft hat wiederzugewinnen, ist nicht die ·Tatsache des Lebens, d. h. des bewussten Daseins und Bestehens. Das besitzt jeder Mensch nach wie vor, mag er an den Namen des Sohnes Gottes glauben oder nicht. Ewiges Leben und gegenwärtiges Bestehen sind so völlig und gründlich voneinander verschieden, wie zwei Begriffe es nur sein können. Und warum vermengt man sie immer wieder? Nur um die einfache Wahrheit zu verfälschen und die Menschen in Verwirrung zu bringen. Wir sagten schon einmal: Satan, der Lügner von Anfang, der Menschenmörder, steckt dahinter.

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Wahre Ruhe

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 149ff

„Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christo Jesu“ (Phil. 4, 6. 7).

Ein uns allen wohlbekanntes Wort! Aber lebt es in unseren Herzen? Fürwahr, es vermag uns ganz still zu machen und unseren Herzen wahre, bleibende Ruhe zu geben. In welchen Umständen wir uns auch befinden mögen, welche Sorgen uns auch niederdrücken wollen —unser Gott und Vater fordert uns auf, mit allem zu Ihm unsere Zuflucht zu nehmen. Er ist bereit und zugleich mächtig, alle unsere Anliegen in Seine Hände zu nehmen und wohl hinauszuführen. In Seiner zärtlichen Liebe zu Seinen Kindern will Er mit ihnen tauschen: Er will ihre Sorgen auf sich nehmen und ihnen dafür Seinen Frieden geben. Ist das nicht ein herrlicher Tausch, den wir bereitwilligst, mit dankbarer Freude eingehen sollten?

Von welch unaussprechlicher Güte ist doch unser Gott! Und wie lohnen wir Ihm oft mit Undankbarkeit und Unglauben! Er will nicht, dass eine einzige Sorge unsere Herzen beschwere. Er möchte sie. ebenso frei von Sorgen wissen, wie Er unsere Gewissen freigemacht hat von Schuld und Sünde. Gab Er uns statt unserer Sünde Seine Gerechtigkeit, so will Er uns statt unserer Sorgen Seinen Frieden schenken.

Das ist unvermischte Gnade, nicht wahr? Eine

Gnade, die unseres Gottes würdig ist. Nicht nur bemüht Er sich mit unseren Torheiten und Verkehrtheiten, um uns von ihnen zu befreien und auf Seinen guten Wegen wandeln zu lassen, sondern Er lässt sich auch herab zu unseren Sorgen und Kümmernissen, klein oder groß, um ihre Last von uns zu nehmen und unsere Herzen mit Seinem seligen Frieden zu erfüllen. In einer für jede Seele deutlichen Sprache sagt Er: „Gib mir deine Sorgen und Anliegen, welcher Art sie auch sein mögen, ob sie auf dein persönliches, häusliches oder geschäftliches Leben Bezug haben, ob sie die Dinge dieser Erde oder das Werk und Volk des Herrn betreffen; gib sie mir, und ich will dir dafür meinen Frieden geben, der allen Verstand übersteigt und Herz und Sinn in Christo Jesu bewahrt“.

Welche Antwort geben unsere Herzen auf diese Sprache? Wollen wir unsere Sorgen behalten, die schließlich doch nur eine schwere Bürde für uns sind, wenn Gott sie haben will? Wollen wir Sein Vaterherz betrüben und selbst für uns sorgen, wenn Er in Seiner Liebe für uns sorgen will? Noch niemand hat das getan oder zu tun vermocht, was Er getan hat: Er hat die Haare unseres Hauptes alle gezählt! Und diesem wunderbaren Gott, dem Schöpfer und Erhalter des ganzen Weltalls, unserem Vater in Christo, sollten wir uns nicht anvertrauen? In all den Stürmen dieses Lebens dürfen wir still und ruhig sein, ja, wir dürfen Ihm unsere Loblieder singen mitten in der Nacht.

Will vielleicht auch im Blick auf den kommenden Winter manch bange Frage in unseren Herzen auftauchen? Lasst uns sie Ihm bringen und vertrauensvoll Seiner Führung und Hilfe harren! Er hat gesagt: „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; schaue nicht ängstlich umher, denn ich bin dein Gott; ich stärke dich, ja, ich helfe dir mit der Rechten meiner Gerechtigkeit“ (Jesaja 41, 10). Und wer weiß, wie bald die Fahrt vollendet und die ewige Ruhe erreicht ist!

Über ein Kleines, und alles wird gut!

Lasset nicht sinken den heiligen Mut,

Haltet die Flügel des Glaubens gespannt —-

Endlich erscheint das verheißene Land.

Endlich verstummet die tosende Flut —

Über ein Kleines, und alles wird gut!

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Fragen aus dem Leserkreise

Haben wir in 1. Mose 2,4 ff einen zweiten Schöpfungsbericht und wenn das der Fall ist, wie ist dann Vers 5 mit Kapitel 1,9 – 12 in Einklang zu bringen?

Bibelstelle: 1. Mose 2,4ff

Botschafter des Heils 1919 S. 151ff

Mit Kap. 2, 4 beginnt offenbar ein ganz neuer Abschnitt in dem göttlichen Bericht, nicht etwa eine Wiederholung des bereits Erzählten in einer anderen Form. Wohl nimmt der 4. Vers in nicht mißzuverstehender Weise Bezug auf das Vorhergehende, aber er fasst dasselbe nur kurz zusammen, um dann zu einem völlig neuen Gesichtspunkt überzugehen, der bis zum Ende des 3. Kapitels anhält. Es wird dem aufmerksamen Leser nicht entgehen, dass Gott hier unter einem anderen Namen erscheint, als im 1. Kapitel. Heißt Er dort einfach Gott (Elohim), so nimmt Er hier den Titel Jehova Gott (Jahve Elohim) an. Ungläubige, die Inspiration leugnende Kritiker des Wortes Gottes haben auf Grund dessen behauptet, dass hier und anderswo Berichte von verschiedenen Urhebern zusammengestellt worden seien (man redet von einer elohistischen und einer jehovistischen Richtung oder Quelle), aber der Gläubige findet gerade in diesem Unterschied, wie so oft, einen starken Beweis für die göttliche Eingebung der Heiligen Schrift.

Gott (Elohim), der Name, welcher den großen Schöpfer und Erhalter aller Dinge in der Fülle Seiner Macht *) Weisheit und Güte darstellt, im Gegensatz zu dem schwachen, irrenden Geschöpf, aber ohne Bezugnahme aus irgend eine besondere Beziehung zu ihm, ist die einzig richtige, passende Bezeichnung, wenn im 1. Kapitel die Erschaffung von Himmel und Erde mit allem, was in ihnen ist, beschrieben wird“ Jehova, der persönliche Name Gottes in Seiner Beziehung zu den Menschen auf der Erde, ganz besonders zu Seinem Volke, der einige, unveränderliche „Ich bin“, der treue Bundesgott Israels, vor dessen Angesicht der Mensch wandeln sollte, erscheint mit Recht, ja, mit Notwendigkeit, sobald Er, wie es im 2. Kapitel geschieht, innere, sittliche Beziehungen und Verhältnisse hienieden aufzurichten beginnt und die Menschen in diese einführt.

Unser Kapitel enthält also nicht einen zweiten Schöpfungsbericht, sondern erzählt uns, wie Gott, nachdem Er Himmel und Erde erschaffen hatte, den Menschen bildete und ihm Seinen Odem in die Nase blies; wie Er ihn zum Haupt und Herrn der niederen Schöpfung machte, der das Recht besaß, allen Tieren, Ja, selbst seinem Weibe, nach seinem Belieben Namen zu geben; wie Er dann den Garten Eben pflanzte und den Menschen mit seiner Gehilfin hineinstellte als von Ihm reich gesegnete, aber auch Ihm verantwortliche Geschöpfe usw. „Von alledem ist im 1. Kapitel keine Rede. Dort handelt es sich um die Einzelheiten der Erschaffung des Himmels und der Erde mit all ihrem Heer, sowie des Menschen als Krone und Schlussstein des Ganzen; im 2. Kapitel um die Einführung dieses Menschen als Geschöpf, wenn auch als Haupt der Schöpfung, und in seine besonderen Beziehungen zu Jehova, dem ewigen Gott. Bevor das geschah, war es wichtig, dem Menschen zu sagen, wie Gott alles zu seinem Unterhalt Nötige: Kraut und Früchte (Kap. 1, 29), schuf und in Fülle und passender Reife darstellte, ehe Er ihn selbst bildete. Zwei Gründe werden in Verbindung damit genannt: zunächst dass Jehova Gott es nicht hatte regnen lassen auf Erden, und zweitens dass kein Mensch da war, um den Erdboden zu bauen. Trotzdem sollte der Mensch, sobald er ins Leben trat, alles zu seiner Aufnahme bereit finden, aufs Beste geordnet und zubereitet durch die gütige Hand seines Schöpfers. Solang es nicht regnete auf Erden und noch kein Mensch da war, den Boden zu bauen, ließ Gott einen Dunst aufsteigen, der» die ganze Oberfläche der Erde befeuchtete, und sorgte so reichlich für das Wachstum dessen, was der Mensch bedurfte

Fußnote:

*) Der Titel „Elohim“ wird deshalb auch wiederholt angewandt, um Menschen in der ihnen verliehenen Stellung der Macht und des Ansehens zu bezeichnen (Vergl. Psalm 62, 1 - 6).

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Unsterblichkeit der Seele, Seelenschlaf und ewige Verdammnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 153ff

Viel Missbrauch wird auch getrieben mit dem Worte Sterben. Gott sprach einst zu dem ersten Menschen im Paradiese: »Von jedem Baume des Gartens darfst du nach Belieben essen; aber von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon isst, wirst du gewisslich sterben“ *). Mit anderen Worten: Sobald du deine Stellung als abhängiges Geschöpf aufgibst und im Eigenwillen handelst, wird die Sterblichkeit in deinen Zustand eingeführt werden, oder wird der Tod dich treffen. Bis dahin lag keine Notwendigkeit für den Menschen vor zu sterben; er hätte in nie endender Kraft, und Frische von und vor Gott erhalten bleiben können als das glückliche Haupt einer sündlosen Schöpfung. Aber er fiel, und unmittelbar nach feinem Falle musste er den Garten Eden verlassen. Er durfte den Baum des Lebens nicht mehr berühren, damit er nicht etwa davon esse und nun in seinem gefallenen Zustande, als ein Sünder in der Wert, ewiglich lebe. Mit diesem gewiss überaus gnädigen Verbot hat Gott den Menschen nicht davon ausgeschlossen, geistliches Leben zu erlangen. Das Essen von dem Baume des Lebens hätte nur Unsterblichkeit oder wohl richtiger ein Nichtsterben, ein ewiglich Leben in seinem jeweiligen Zustande, ob unschuldig oder sündig, zur Folge gehabt. Unsterblichkeit ist aber nicht, ich betone es immer wieder, „ewiges "Leben“. Das was Adam verlor, war nicht ewiges Leben — was ich nicht besitze, kann ich nicht verlieren — ebenso wenig wie das, was ich durch den Glauben an Christum erlange, eine Rückerwerbung dessen bedeutet, was Adam einst verloren hat. Ewiges Leben war, wie Johannes sagt, „bei dem Vater“ und ist erst in dem Sohne, in Christo, dem „letzten Adam“, geoffenbart und hienieden gesehen worden. Es ist das, was „von Anfang“ (des Christentums) war, was uns in Christo, dem „lebendigmachenden Geist“ (1. Kor: 15, 45), geschenkt ist und uns nun befähigt, Gemeinschaft zu haben mit dem Vater und dem Sohne (1. Joh. 1, 1 - 4).

Welch eine Unklarheit unter den Millenniumsleuten über den Begriff „ewiges Leben“ herrscht, beweisen einige Sätze aus der Schrift eines inzwischen verstorbenen Hauptvertreters jener Richtung, eines Dr. John Edgar (Deutsch von Dr. Emil Lanz), die hier noch eine Stelle finden mögen. Er sagt:

„Die Seele, welche sündigt, wird sterben, denn „der Lohn der Sünde ist der Tod“, und ewiges Leben in irgendwelcher Form (!) ist immer eine „Gnadengabe« . . . Wenn wir den nötigen Glauben an Gott haben, so werden wir zu der von Gott bestimmten Zeit (!) mit der Gabe des ewigen Lebens belohnt (!) werden“. Der Schreiber behauptet also in einem Zuge, dass das ewige Leben eine Gnadengabe und eine Belohnung sei. Welch leichtfertige, böse Zusätze macht er ferner zu dem Worte Gottes, wenn er sagt, dass das ewige Leben „in irgendwelcher Form“ und „zu der von Gott bestimmten Zeit“ dem als Belohnung zuteil werde, der „den nötigen Glauben an Gott hat“. Wie verfälscht er die einfachen, klaren Aussprüche desselben! Wo ist da das Zittern vor dem Worte Gottes, welches Gott von uns allen, besonders aber von einem „Lehrer“ erwartet? Dieses Wort sagt, dass das Leben „im Sohne“ sei, in Ihm, welcher der wahrhaftige Gott und das ewige Leben ist. Nach demselben Wort ist das ewige Leben ein gegenwärtiger Besitz: „Wer den Sohn hat, hat das Leben“ — „Wer mein Wort hört und glaubt Dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben.“ – „Dies habe ich euch geschrieben, auf dass ihr wisset, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubet an ·den Namen des Sohnes Gottes“

Verwunderlich ist diese grobe Verirrung allerdings nicht, wenn man bedenkt, was die Tagesanbruchleute aus Jesu, dem Sohne Gottes, gemacht haben. Sie sagen: „Wir bekennen die Menschheit Jesu und die Gottheit Christi“; d. h. sie leugnen, dass Jesus war: „Gott, geoffenbart im Fleische“ "(1.Tim. 3, 16), sie bekennen nicht „Jesum Christum im Fleische gekommen« (1.Joh. 4, 2). Nach ihnen war Jesus nur Mensch (vor Seiner Menschwerdung ein Engelfürst), und erst als der Auferstandene, als der zur Rechten Gottes erhöhte Christus, ist Er in die Gottheit erhoben (!) worden. Solche Menschen nennt der Apostel Johannes in seinem zweiten Briefe (V. 7) „Verführer“ und „Antichristen“ und ermahnt eine gläubige Frau, sie nicht ins Haus aufzunehmen und sie nicht zu großen. Denn wer das tue, nehme teil an ihren bösen Werken (V. 10. 11). Es widerstrebt uns deshalb auch, auf diese geradezu gotteslästerlichen Lehren näher einzugehen; die bloße Andeutung wird für eine einfältige und gottesfürchtige Seele genügen, um sich von ihnen und denen, die sie bringen, mit heiliger Entrüstung abzuwenden. Das ist zugleich die einzige Gewähr vor der Gefahr der Ansteckung und Verunreinigung. Das Schäflein Christi hört nicht auf die Stimme eines Fremden, lässt sich nicht mit ihm ein, sondern flieht vor ihm (Joh. 10, 5). So allein bleibt es bewahrt vor bösen Geistern und falschen Propheten (Vergl. 1. Joh. 4, 1 - 6).

Was der dem Menschen angedrohte Tod bedeutete, geht klar aus den Worten hervor: „Bis du zurückkehrst zur Erde, denn von ihr bist du genommen; denn Staub bist du, und zum Staube wirst du zurückkehren“ (1. Mose 3, 19.) Was ist aus dem Staube gekommen, was der Erde entnommen? Der Leib des Menschen. Der Geist oder Odem, den Jehova in Adam hauchte, kam nicht aus dem Staube, sondern unmittelbar von Gott! Deshalb kehrt „der Staub zur Erde zurück, so wie er gewesen, und der Geist zu Gott, der ihn gegeben hat“ (Pred. 12, 7). Der Staub kehrt jedoch nicht zur Erde zurück, ums dort zu bleiben, sondern um wieder auferweckt zu werden, trotz aller Einsprüche der sogenannten „Wissenschaft“ und aller Unmöglichkeitserk1ärungen des ungIäubigen Menschengeistes. Gleich den „Leibern der entschlafenen Heiligen“ (Matth. 27, 52) werden einmal die Leiber aller Gestorbenen auferweckt werden, und dann wird das Gericht kommen und das ewig gültige Urteil über die Sünde vollzogen werden. Die Verwesung des Leibes, die selbstverständlich allen Gestorbenen, ob Erretteten oder Verlorenen, gemeinsam ist, bedeutet nur einen vorübergehenden Zwischenzustand, welcher aufhört, sobald die Stimme des Sohnes Gottes in die Gräber dringt, und „die in den Gräbern sind“ hervorkommen, die einen zur Auferstehung des Lebens, die anderen zur Auferstehung des Gerichts (Joh. 5, 28. 29).

Dass Menschen tot, d. h. geistlich tot sein können, tot in Sünden und Vergehungen, während sie noch leben, und dass die Gläubigen Gott gegenüber „der Sünde gestorben“ sein können, obwohl sie leben, versteht jeder einsichtsvolle Christ; auch dass das Gericht des Todes Entfernung von Gott in sich schließt, während die Gabe des Lebens uns grundsätzlich Segen von seiten Gottes einbringt. Das Wort „sterben“ wird in seiner eigentlichen Bedeutung nie auf die Seele angewandt. Nicht die Seele als solche, sondern der Mensch ist zum Tode verurteilt worden. Hesekiel 18, das immer wieder in gegenteiligem Sinne angeführt wird, redet nur von dem zeitlichen Gericht, das einen Menschen als Strafe für von ihm selbst begangene Sünden trifft: Väter sollen nicht sterben wegen der Missetat ihrer Söhne, und Söhne sollen nicht sterben wegen der Sünde ihrer Väter. Ein jeder ist für sich selbst verantwortlich und wird seiner Sünde wegen gerichtet. „Die Seele, welche sündigt, die soll sterben“ (Vergl. V. 4 und 20). Das Wort „Seele“ steht hier, wie so oft, einfach für „Mensch“. Der Sinn ist so unzweideutig und klar, dass man es geradezu böswillig nennen muss, wenn die Tagesanbruchleute, auf diese Stelle pochend, immer wieder ausrufen: „Hört ihr’s nicht? Die Seele stirbt! Die Seele ist zum Tode verurteilt worden! Hier steht’s geschrieben!“

Dass das Wort ,,Seele« in der Heiligen Schrift sehr oft für „Mensch“ gebraucht wird, ist so bekannt, dass man eigentlich kein Wort darüber verlieren sollte; dennoch möchte ich einige wenige Stellen anführen. Wer sich die Mühe nehmen will, eine Konkordanz zu Rate zu ziehen, wird die Zahl mit Leichtigkeit vervielfältigen können. In 1.Mose 46, 27 lesen wir: „Aller Seelen des Hauses Jakob, die nach Ägypten kamen, waren siebenzig“ (Vergl. Kap. 12, 5). Beim Passahfest mussten die Kinder Israel je ein Lamm für ein oder zwei Vaterhäuser rechnen, „nach der Zahl der Seelen; einen jeden sollt ihr nach dem Maße seines Essens rechnen« (2. Mose 12, 4) Am großen Versöhnungstage durfte niemand eine Arbeit tun; „jede Seele“, so lautete die Verordnung Jehovas, „die irgend eine Arbeit tut an diesem selbigen Tage, selbige Seele werde ich vertilgen aus der Mitte ihres Volkes“ (3. Mose 23, 30). Im Neuen Testament ist es genau wie im Alten. „Die nun sein Wort annahmen«, heißt es in Apstgsch. 2, 41, „wurden getauft, und es wurden an jenem Tage hinzugetan bei dreitausend Seelen“ (Vergl. Kap. 27, 37). „Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten“ (Röm. 13, 1). So sagt man ja auch heute noch nach allgemeinem Sprachgebrauch: Die Stadt hat so und so viel tausend Seelen, d. h. Einwohner.

Wir kommen jetzt zu dem zweiten Hauptteil unserer Betrachtung, zu der Lehre

Vom Seelenschlaf.

Seltsam sind die Verirrungen, zu welchen der menschliche Geist fähig ist, aber man wird immer wieder finden, dass der böse Wille des Menschen und die Neigung, seine ernste Verantwortlichkeit Gott gegenüber zu schwächen, diesen Verirrungen zu Grunde liegen. Der Gedanke an den Tod ist für den natürlichen Menschen erschreckend, so erschreckend, dass Bildad, einer der Freunde Hiobs, den Tod geradezu den „König der Schrecken“ nennt. Und kein Wunder! Denn nicht nur „wird das Licht finster in dem Zelte“ des Sterbenden, nicht nur „erlischt seine Lampe über ihm“ und „schwindet sein Gedächtnis von der Erde“ (Hiob 18), sondern er geht in eine finstere Ewigkeit hinüber, um dort vor einem vergeltenden, gerechten Gott zu erscheinen und den Urteilsspruch über sein Leben hienieden zu vernehmen. Daher sein Bestreben, an den einfachsten, klarsten Aussprüchen der Schrift zu deuteln und ihnen ihre Schärfe, ihren Stachel zu nehmen.

Ruhe ist es, wonach der Mensch sich sehnt, nachdem dieses Leben ihm Mühsal, Arbeit und Not und Enttäuschungen aller Art gebracht und ihn rastlos umhergetrieben hat von einem Orte zum anderen. Vergessen möchte er alles, was ihm auf dem langen Wege begegnet ist und was sein Inneres mit Vorwürfen und Anklagen, vielleicht auch mit Schmerz und Reue erfüllt. Ins Meer des Nichts möchte er hinabsinken und sich verlieren in dem süßen Gefühl des Nichtmehrseins, der völligen Auflösung oder der Erlöschung des persönlichen Daseins. So war es schon zur Zeit Buddhas, des indischen Weisen, und so ist es heute noch.

Allen diesen Wünschen kommt der Feind bereitwilligst entgegen, nicht nur durch die alles verneinenden Lehren des Unglaubens, nein, durch angeblich auf Gottes Wort gestützte Behauptungen „ernster Bibelforscher“, durch die vermeintlichen, mit dem Ton heiligster Überzeugung vorgetragenen Ergebnisse eines tieferen Studiums der Heiligen Schriften, oder auch durch besondere Erleuchtungen und Offenbarungen, die man von oben erhalten zu haben behauptet. Die Seele des Menschen, so sagt man, schläft ein, wenn der Mensch stirbt, und wird erst wieder aus ihrem Schlafe, aus dem Zustande einer völligen Bewusstlosigkeit, aufgeweckt werden, wenn die Stimme des Sohnes Gottes sie ruft. Inzwischen verwest der Leib, „der Staub kehrt zum Staube zurück“, und Gott gibt der Seele in der Auferstehung einen anderen, neuen Leib. Dass es eine leibliche Auferstehung nicht geben kann, „hat ja die Wissenschaft längst bewiesen“. Auch Christus ist, wie wir bereits einführten, nur dem Geiste nach lebendig gemacht worden, jedwede andere Behauptung wird als „unbiblisch“ zurückgewiesen.

So darf man denn beim Tode eines ungläubigen Menschen ganz ruhig sein; er geht ja nicht in eine finstere Ewigkeit hinüber, wo ein ernstes Gericht seiner wartet, sondern seine Seele schläft ein, und wenn sie bei der Wiederkunft Christi wieder aufgeweckt wird, so erhält sie, falls sie „in der gegenwärtigen Lebenszeit keine volle Gelegenheit- zum Heil gehabt hat“, dort eine neue Gelegenheit, sich für Christum zu entscheiden und so „die ihr in dem Erlösungswerk verbürgten Segnungen zu empfangen“, Erweist ein Mensch sich auch dann noch als „unverbesserlich“, so fällt er mit den übrigen Gottlosen, die sich schon während ihrer Lebenszeit als „unverbesserlich“ erwiesen haben, in dem Feuersee, dem zweiten Tode, der Vernichtung anheim. Nimmt er das Heil an, so hat er zwar nicht teil an den höheren Segnungen der „Auserwählten“ und „Überwinder“, wird aber mit den übrigen „Willigen und Gehorsamen auf einer wiederhergestellten Erde zu menschlicher Vollkommenheit (!) emporgehoben werden“. — „Die Unverbesserlichen werden schließlich vernichtet werden.“

Welch ein Wust von verworrenen Gedanken und bösen Erfindungen! Wahrlich, vor solchen Propheten kann man nicht laut genug warnen. Von ihnen gilt das Wort des Propheten Jeremia: „Sie spannen ihre Zunge, ihren Bogen, mit Lüge“ und „führen mein Volk irre mit ihren Lügen“. Gott helfe allen Seinen Kindern, nicht auf sie zu hören! „Die Welt hört sie“, dieselbe Welt, welche der Gläubige gerade deshalb überwindet, weil er glaubt, „dass Jesus der Sohn Gottes ist«, was jene Leute nicht tun (1. Joh. 4, 5. 6; 5, 5). Lasst uns vielmehr lauschen auf das lautere Wort Gottes und dessen einfache, klare Zeugnisse bewahren!

Was lehrt denn die Heilige Schrift über diese Dinge? Den Gläubigen angehend gibt sie zunächst die deutlichsten Belege dafür, dass bei seinem Abscheiden unmittelbar Freude und Seligkeit in Christo seiner warten. Der Räuber am Kreuz empfing vom Herrn die durch ein zweimaliges „Wahrlich“ bestätigte Verheißung: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“. Stephanus schaute in dem geöffneten Himmel die Herrlichkeit Gottes, sah den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen und betete sterbend: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Paulus hatte Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, weil es weit (eig. um vieles mehr -—- ein sehr starker Ausdruck) besser war. Wenn der Herr Jesus wiederkehrt, wird Gott die „durch Jesum Entschlafenen mit Ihm bringen“ (1. Thess. 4, 14); sie müssen also schon vorher bei Ihm gewesen sein.

Es ist freilich noch nicht der Endzustand, in den der entschlafende Gläubige eintritt, noch nicht „das Vollkommene“ oder die Herrlichkeit in ihrer vollen Entfaltung. Es ist ein vorübergehender Zwischenzustand, ein Warten auf die endgültige Vollendung, aber ein Weilen bei Christo, da wo Er sich jetzt als der verherrlichte Menschensohn befindet. Als solcher wartet Er ja auch noch auf die Erfüllung der Verheißung von Psalm 110, 1 (vergl. Hebr. 2, 8. 9 u. a. St.), auf die Zeit, wo alles Ihm unterworfen sein wird und selbst die „Unterirdischen«« (die bösen Geister) sich vor Ihm beugen und anerkennen werden; dass Jesus Herr ist. Er wartet, und die Seinigen warten mit Ihm in dem seligen Genuss Seiner Gegenwart. Wie ein Geist Christum genießt, d. h· in welcher Weise und in welchem Maße, können wir freilich nicht sagen; aber das verursacht durchaus keine Schwierigkeit. Mein Geist genießt Christum jetzt trotz des· Hindernisses, welches das arme, irdene Gefäß ihm bereitet; ja, obgleich ich Ihn noch nicht sehe, »«frohlocke ich mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude«. (1. Petr. 1, 8.) Es ist nicht mein Leib, der genießt, sondern meine Seele. Geistlicherweise genießt ,sie jetzt trotz des genannten Hindernisses und obwohl ich noch abwesend von meinem Herrn bin. Dann wird sie ohne das Hindernis und als „einheimisch“ bei Ihm genießen. Muss dieser Genuss nicht unendlich höher, tiefer und inniger sein? 163

Die in Christo entschlafenen Gläubigen harren also auf den Morgen der Auferstehung, aus die Wiedervereinigung von Seele und Leib, wo dann der Ratschluss Gottes im Blick auf sie, nämlich ihre Umgestaltung in das Bild Seines Sohnes (Röm. 8, 29), in Erfüllung gehen wird. Wie sie hienieden das Bild dessen von Staub getragen haben, so sollen sie dann das Bild des Himmlischen tragen (1. Kor. 15, 49; vergl. 1. Joh. 3, 2). Mit Ihm, dem Erstgeborenen vieler Brüder, werden sie eingehen in die vielen Wohnungen des Vaterhauses, d. i. in den ewigen Zustand der Freude und Herrlichkeit, den Gott für Seine Kinder bestimmt und bereitet hat. In diesem Zustand der vollen Entfaltung und Ausführung der Ratschlüsse Gottes befinden sich die ,,Entschlafenen« heute noch nicht. Sie warten darauf als solche, die „ausheimisch von dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn“ sind. Sie haben ihren Leib abgelegt, Sind „entkleidet“, aber sie warten bei dem Herrn auf den seligen Augenblick, wo Er aufstehen und die „Toten in Christo“ (1. Thess. 4, 16) aus ihren Gräbern hervorrufen wird.

Nach diesem ,,bei Christo sein'· verlangte der Apostel Paulus, wenngleich es noch etwas Begehrenswerteres für ihn gab, nämlich „überkleidet“ zu werden, d. h. unmittelbar, ohne den Tod gesehen zu haben, in jenen ewigen Zustand der Gleichförmigkeit mit Christo eingeführt zu werden.

Fußnote:

*) O. des Todes sterben, eine hebräische Redeweise

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Fragen aus dem Leserkreise.

Warum heißt es in 1. Korinther 11, 10, dass „die Frau eine Macht auf dem Haupt haben [soll], um der Engel willen“?

Bibelstelle(n): 1. Korinther 11, 10

Botschafter des Heils in Christo, Jahrgang 1919, Seite 164

Der Apostel behandelt in dieser Stelle eine Frage äußerer Ordnung: Wie soll ein gläubiger Mann oder eine gläubige Frau beten oder weissagen? Er beantwortet sie, indem er auf die ursprünglichen, von Gott in der Schöpfung gezeigten Grundsätze hinweist. In der neuen Schöpfung verschwindet jeder Unterschied: „Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau“ (Galater 3, 28). Aber in unseren gegenseitigen irdisch-menschlichen Beziehungen bleibt der von Gott angeordnete Unterschied bestehen. Die Bestrebungen, eine Gleichheit zwischen beiden Geschlechtern herzustellen, sind deshalb widergöttlich, obwohl begreiflich von Seiten solcher Menschen, welche die Erschaffung alles Bestehenden durch Gott unbeachtet lassen oder gar leugnen.

Der Mann, nach dem Gleichnis Gottes geschaffen, ist „Gottes Bild und Herrlichkeit“ und soll aus diesem Grund sein Haupt nicht bedecken, wenn er mit Gott redet oder über göttliche Dinge spricht. Die Frau aber, welche erst nach dem Mann und um des Mannes willen, als seine Gehilfin, geschaffen wurde, ist „des Mannes Herrlichkeit“ (1. Korinther 11, 7). Sie soll deshalb, wenn sie betet oder weissagt, eine Macht, d.h. ein Zeichen der Autorität, unter der sie steht, auf dem Haupt haben, und zwar „um der Engel willen“. Denn diese geistigen Wesen, die „Täter seines Wortes, gehorsam der Stimme seines Wortes“ (Psalm 103, 20), stehen in inniger Verbindung mit den Erben der Seligkeit. Nicht nur dienen sie ihnen (Hebräer 1, 14), sondern sie schauen auch vom Himmel herab auf die auf der Erde lebende Familie Gottes und beobachten die Wege und das Verhalten der Gläubigen. So sahen sie zum Beispiel den Apostel in seinen Kämpfen und Leiden um Christus willen. Er war Menschen und Engeln ein Schauspiel (1. Korinther 4, 9). Auch wird „den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung“ die „mannigfaltige Weisheit Gottes“ kundgetan (Epheser 3, 10). Nun, als Zeugnis für diese himmlischen Mächte sollen die Frauen, wenn sie beten oder weissagen, ihr Haupt bedecken – zum Beweis dafür, dass sie sich der göttlichen Ordnung unterwarfen und den ihnen von dem Schöpfer bestimmten Platz der Unterordnung willig einnahmen.

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Unsterblichkeit der Seele, Seelenschlaf und ewige Verdammnis

Bibelstelle:

Botschafter des Heils 1919 S. 165ff

Bezüglich der Menschen, die im Unglauben sterben, sagt die Schrift einfach: „Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Hebr. 9, 27.) Und das Gleichnis von dem reichen Manne und dem armen Lazarus zeigt uns, dass »in dem Zwischenzustand»«), in welchem alle Abgeschiedenen sich befinden, für den in seinen Sünden Gestorbenen die Pein bereits begonnen hat und keine Hoffnung auf eine Änderung mehr ist. Es handelt sich auch in diesem Falle nicht um den Endzustand, das Gericht in seiner vollen Wirkung und Entfaltung, um den zweiten Tod, den Feuersee (die Hölle), sondern um eine Übergangszeit, in welcher die Seele aber bereits die Folgen ihrer Sünden und ihres Unglaubens zu tragen hat. Wie es „Geister der vollendeten Gerechten“ im Himmel gibt, so finden wir auch „Geister im Gefängnis“ (1. Petr. 3, 19). Beide Klassen sind im Hades, aber die einen in Ruhe und Freude, die anderen gefangen und friedelos.

Das sind die einfachen, ernsten Lehren des Wortes Gottes. Demgegenüber aber behaupten die Millenniumsleute: Nein, „wenn jemand stirbt, so schließt er seine Augen, gelangt in einen Zustand der Bewusstlosigkeit, und ein Zwischenraum versließt. Dieser mag Wochen, Jahre oder Jahrhunderte andauern; aber die Länge der Dauer. hat nichts aus sich, denn für jene Person ist diese Periode eine Zeit völliger Bewusstlosigkeit, totaler Leere. In anderen Worten: Jedem, der am Auferstehungsmorgen erwacht, wird es sein, als hätte er lediglich seine Augen geschlossen und sie im nächsten Augenblick wieder geöffnet. So ist der Zustand der Toten. Sie wissen gar nichts.“

Eine nur flüchtige Vergleichung dieser Behauptung mit den Worten des Apostels in Phil. 1, 21 — 24 wird uns zeigen, wie böse und abgeschmackt sie ist. Paulus redet vom Sterben (V. 21) und nennt es Gewinn; er hatte Lust, abzuscheiden und bei Christo zu sein, weil es weit besser für ihn war. Seine Hoffnung und sein Verlangen gingen also dahin, diese Erde verlassen, den Leib der Niedrigkeit ablegen zu dürfen, und zu Jesu zu gehen. Seine Worte lassen in Bezug auf Deutlichkeit ·wahrlich nichts zu wünschen übrig. Er sehnte sich danach, nicht nur in Schwachheit, im Glauben, Den zu genießen, den er über alles liebte und dem sein ganzes Leben galt, sondern in Seiner unmittelbaren Gegenwart, ohne jede Störung von innen und außen, sich Seiner erfreuen zu können. Und nun scheuen sich jene Lehrer nicht, den Zustand, dem er so freudig entgegensah, „eine Zeit völliger Bewusstlosigkeit, totaler Leere« zu nennen. Die Verlegenheit, in welche ihre eigene Behauptung sie in Verbindung mit dieser Stelle bringt, zwingt sie denn auch, nach einem Ausweg zu suchen. Sie haben ihn darin gefunden, dass sie sagen, das hier für „abscheiden“ gebrauchte griechische Wort bedeute, wenn man es buchstäblich übersetzen wolle, „wieder gelöst werden“; der Apostel habe also an sein „Wiedergelöstwerden“ aus dem Gefängnis des Todes beim Kommen des Herrn gedacht.

Man weiß nicht, ob man sich mehr über die Vergewaltigung des Griechischen oder über die des ganzen Textes wundern soll. Das betreffende Wort kommt im Neuen Testament nur noch in Luk. 12, 36 vor, wo es mit „aufbrechen“ übersetzt ist, und als Hauptwort in 2. Tim. 4, 6: „Die Zeit meines Abscheidens (od. Aufbruchs) ist vorhanden“. Der Apostel betrachtet das Sterben gleichsam als einen Aufbruch zur Abreise aus dem zeitlichen Leben zu Christo. An ein Wiedergelöstwerden ist gar kein Gedanke. Stellen wir uns überhaupt den Fall vor, ein Mensch schaue mit heißen Verlangen danach aus, zu einer anderen geliebten Person hinzukommen, wisse aber im voraus, er werde nur schlafend, nur völlig bewusstlos dort anlangen und eine totale Leere vorfinden!

Beachten wir auch, dass Christus unser Leben ist; weil Er lebt, leben wir. Verlieren wir nun jede Verbindung mit Ihm, wenn wir sterben? Schläft Er in uns? Fürwahr, man könnte über solche Sinnlosigkeiten einfach achselzuckend hinweggehen, wenn sie nicht einen so ernsten Untergrund hätten.

Dass der Tod in der Schrift mit dem Schlaf oder das Sterben mit dem Entschlafen verglichen wird, ist wahr; beachtenswert ist aber von vornherein, dass die Schrift die im Unglauben Gestorbenen niemals „Entschlafene“ nennt. Sie wendet diese Bezeichnung nur auf Gläubige an. Darum wird Christus auch „der Erstling der Entschlafenen“ genannt (1. Kor. 15, 20). Nachdem Er Sein Werk vollbracht und den besiegt hatte, der die Macht des Todes hat, übergab Er in Frieden Seinen Geist dem Vater und wurde in der Auferstehung das Haupt eines neuen Geschlechts. Im Anschluss an den lauten Schrei, mit dem Er verschied, wurden viele Leiber der entschlafen en Heiligen auferweckt (Matth. 27, 52). Ihr nachheriges Erscheinen verkündete den errungenen Sieg. Doch mehr noch. Stephanus, der erste christliche Blutzeuge, betete sterbend für seine Feinde: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!?“ und nachdem er das gesagt hatte, entschlief er (Apstgsch. 7). Paulus schrieb an die Thessalonicher: „Wir wollen aber nicht, Brüder, dass ihr, was die Entschlafenen betrifft, unkundig seid. . . Denn Gott wird die durch Jesum Entschlafenen *) mit Ihm bringen (1. Thess. 4, 13.14). Man vergl. auch die Stellen: Apftgsch.13, 36; 1.Kor.11, 30; 15, 6. 51. Die letzte Stelle, welche im Neuen Testament vom Entschlafen redet, ist 2. Petr. 3, 4. Dort sagen die Spötter: „Seitdem die Väter entschlafen find, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an“, indem sie so das schöne Wort sich zu eigen machen, wie die Welt es so gern tut, um sich über den Ernst des Todes hinwegzutäuschen.

Im Alten Testament gibt es eigentlich nur drei Stellen, die für die vorliegende Frage in Betracht kommen: Hiob 14, 12; Psalm 13, B und Jerem. 51, 39 u. 57. In allen dreien ist von entschlafen oder von dem Schlafe als Bild des Todes die Rede, aber in allen handelt es sich so unzweideutig um den leiblichen Tod, das Sterben und Verscheiden in dem allgemein angenommenen Sinne des Wortes, dass der Gedanke eines Einschlafens der Seele nur mit rücksichtsloser Gewalt eingeführt werden kann. Die oft angezogene Stelle Dan. 12, 2 gehört kaum hierher, weil der dort angewandte Ausdruck: »die im Staube der Erde schlafen«, wohl bildlich zu verstehen ist als eine Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes Israels als Volk (Vergl. Jes. 26, 19).

Ehe wir diesen Gegenstand verlassen, möchte ich noch einmal auf die Geschichte des Räubers am Kreuz zurückkommen. Es wird behauptet, man könne auch übersetzen: „Wahrlich, ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradiese sein“. Aber abgesehen davon, dass man mit dieser Übersetzung den klaren Sinn der Stelle völlig verdreht, tut man dem Texte selbst wiederum Gewalt an. Das Wort „heute“ steht im Griechischen ausdrucksvoll der Verheißung des Herrn voran, um der Bitte des Räubers: „Gedenke meiner, wenn du in deinem Reiche kommst“, zu begegnen. Nicht erst am Ende der Tage, bei Seiner Wiederkunft, wollte der Herr seiner gedenken, in Seinem Reiche hienieden, nein, heute schon ·sollte er mit Ihm im Paradiese droben sein. Daher auch die feierliche Einleitung: „Wahrlich, ich sage dir“. Groß war der Glaube des armen Schächers, groß daher auch die Belohnung. Wie wunderbar steht ferner die Verheißung des Herrn mit dem ganzen Charakter des Evangeliums Lukas im Einklang! Nur Lukas berichtet die Unterredung, er, der in seinem Evangelium immer wieder „den Sohn des Menschen“ vor unsere Blicke stellt. Der erste Mensch, Adam, hat durch seinen Ungehorsam für sich und seine Nachkommenschaft das irdische Paradies verloren und erlangt es nie wieder zurück; der zweite Mensch, Christus, erwirbt durch Seinen Gehorsam bis in den Tod ein neues Eden, das Paradies Gottes (2. Kor. 12, 4), und führt als erste Siegesbeute den bekehrten Räuber mit sich dort ein. Wie wird dieser Triumph der Gnade Gottes und dieses herrliche Zeugnis für den Wert des Blutes Christi durch jene Behauptung geschmälert! Ganz gewiss wird der Herr einmal in Seinem Reiche kommen, aber diese neubekehrte Seele mit ihrem wunderbaren Glauben sollte nicht bis dahin warten, nein, noch am gleichen Tage sollte sie mit ihrem Herrn und Heiland in das himmlische Paradies eingehen, und damit sollten sich auch unseren Blicken für den Tag unseres Scheidens aus dieser Welt weit höhere Segnungen erschließen, als die Freuden und Herrlichkeiten eines irdischen Reiches sie uns bringen können.

Die Erwartung dieser höheren Segnungen kennzeichnete auch Stephanus, als der Tod seinem Leben und Dienst auf Erden ein Ende machte. Er sah die Himmel geöffnet und Jesum zur Rechten Gottes stehen, und er betete: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Hat der Herr das Gebet erhört und den Geist Seines treuen Zeugen aufgenommen? Und geschah das nur zu dem Zweck, seinem Dienst und damit seiner Freude und seinem Genuss an Christo. ein Ende zu setzen und ihn einschlafen zu lassen, ihn in eine „Zeit völliger Bewusstlosigkeit, totaler Leere“ einzuführen? Die Zeit ist wirklich zu schade, um sich mit einer solch törichten Behauptung zu beschäftigen.

Zum Schluss noch ein kurzer Hinweis auf Offenbarung 6, 9. 10. Dort sieht Johannes beim Öffnen des siebenten Siegels „die Seelen derer, welche um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten, geschlachtet worden waren“, und hört sie mit lauter Stimme um Rache schreien für ihr vergossenes Blut. Es sind ohne Zweifel Seelen von Heiligen, aber sie sind weder gestorben, noch ausgelöscht, noch schlafen sie. Auf ihren Ruf wird einem jeden von ihnen ein weißes Gewand gegeben und die Antwort des Herrn zur bestimmten Zeit zugesichert. Sie sollten noch eine kleine Weile ruhen, bis auch ihre Brüder vollendet sein würden. Ohne Frage ist die Sprache hier, wie fast überall in der Offenbarung, symbolisch (sinnbildlich), wie die in der Geschichte von dem reichen und armen Mann bildlich; aber beide, Sinnbild wie Bild, setzen Leben und Bewusstsein, bzw. Gemeinschaft mit Gott und Seinen Gedanken, voraus, keineswegs aber Auslöschung des Seins oder Bewusstlosigkeit nach dem Tode. In beiden Fällen sind die Betreffenden im Blick auf ihr leibliches Dasein gestorben, im Blick auf ihre Seele aber leben sie. Die Seele, vom Leibe getrennt, schläft nicht, ist nicht bewusstlos, sondern denkt, redet und wartet auf den Morgen der Auferstehung.

Die ewige Verdammnis.

Einer einfältigen Seele macht die Frage der ewigen Verdammnis, die schon so unendlich viel, gründlich und oberflächlich, erörtert und in widersprechendstem Sinne beantwortet worden ist, keine Schwierigkeit. Sie liest im Worte Gottes: „Diese (die Ungläubigen oder Ungerechten) werden hingehen in die ewige Pein,(od. Strafe), die Gerechten aber in das ewige Leben“ (Matth. 25, 46.) Damit ist die Frage für sie entschieden. Schon ihr Gewissen sagt ihr, was diese Worte zu bedeuten haben. Sie grübelt auch nicht darüber, sondern weiß, dass der große, lebendige Gott, der Richter der ganzen Erde, recht tun wird (1. Mose 18, 25). Weiterhin kommt sie gar nicht auf den Gedanken, dass das Wort „ewig“ hier vielleicht einen anderen Sinn haben könne als an anderen Stellen, dass es also nicht „für immerdar, unaufhörlich“ bedeute.

Gerade so ist es, wenn sie hört, dass diejenigen, welche zur Zeit des Endes „das Tier und sein Bild anbeten“ oder „das Malzeichen seines Namens annehmen“, „mit Feuer und Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und dem Lamm“, dass „der Rauch ihrer Qual aufsteigt von Ewigkeit zu Ewigkeit“ und dass sie „keine Ruhe haben Tag und Nacht“; oder dass das Tier und der falsche Prophet „lebendig“ in den Feuersee geworfen werden, wohin Satan ihnen später folgen muss, und dass sie dort „Tag und Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Sie findet in Offbg. 20 u. 21, dass alle, deren Namen nicht in dem Buche des Lebens geschrieben stehen, die Feigen, Ungläubigen, Lügner usw. ihr ewiges Teil in dem Feuersee haben, der mit Feuer und Schwefel brennt. Sie liest das und spricht, wenn auch in tiefer, schmerzlicher Bewegung, mit der großen Volksmenge in Offbg. 19: „Wahrhaftig und gerecht sind Seine Gerichte“. Kann sie auch heute noch nicht hinzufügen (denn sie steht noch in der Zeit der Gnade): „HalIeluja! und ihr Rauch steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit“, mit anderen Worten, vermag sie noch nicht ihr Halleluja mit der Ausführung des Gerichts zu verbinden, so weiß sie doch, dass die Zeit kommen wird, wo Gott sich geradeso in den gerechten Wegen· Seines Gerichts verherrlichen und dadurch die Anbetung Seiner Erlösten wachrufen wird, wie Er es heute tut in den Wegen Seiner bedingungslosen Gnade. Sie drückt ihr Siegel darauf, wenn der Apostel in Röm. 2, 5 ff. davon redet, dass der die Güte Gottes verachtende Mensch durch seine Störrigkeit und Unbußfertigkeit sich selbst Zorn aufhäuft am Tage des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, an welchem über alle, die der Wahrheit ungehorsam, der Ungerechtigkeit aber gehorsam sind, Zorn und Grimm kommen werden. Sie beurteilt die Sünde des Menschen und deren Folgen nicht nach ihren Gedanken oder Gefühlen, misst sie nicht an dem Maßstabe menschlicher Gerechtigkeit, sondern sie betrachtet sie in dem Lichte der Heiligkeit Gottes und misst sie an dem furchtbaren Gericht, das den Sohn Gottes, den Heiligen und Gerechten, am Kreuze der Sünde wegen getroffen hat.

Tatsächlich entscheidet die Beantwortung der Frage: „Was verdienen meine Sünden?“ die ganze Angelegenheit. Wenn der natürliche Tod der einzige Lohn meiner Sünden wäre, wenn die Gerechtigkeit Gottes sich mit dieser Strafe befriedigt erklären könnte, dann allerdings wäre die Lehre von einem Gericht nach dem Tode, von einer ewigen Verdammnis hinfällig. Aber es ist nicht so. Gott ist „willens, Seinen Zorn zu erzeigen und Seine Macht kundzutun“ (Röm. 9, 22). Er ist Liebe und Licht, und Seine Majestät muss der Sünde und Auflehnung des Menschen gegenüber aufrecht gehalten werden. Gott kann gar nicht anders handeln, Er kann sich nicht verleugnen.

Die „Toten“, d. h. alle nicht im Glauben an Christum Gestorbenen, werden dereinst vor dem großen weißen Throne stehen und gerichtet werden nach ihren Werken. Die einen werden mehr, die anderen weniger geschlagen werden, je nach dem Maße ihrer Verantwortlichkeit, aber nicht einer wird der Strafe entrinnen. Dieser Gedanke ist dem Menschen überaus widerwärtig und widerspricht allen seinen Wünschen, seinem Gefühl und seiner Vernunft; aber Gefühl und Vernunft sind schlechte Wegweiser in den Dingen Gottes. Was können sie wissen von den Ansprüchen der Heiligkeit und Gerechtigkeit eines Gottes, vor dem selbst die Himmel nicht rein sind? Wenn sie recht hätten, warum hat Gott dann Christum „Unser aller Ungerechtigkeit treffen lassen“? Warum lesen wir: „Um unserer Übertretungen willen war Er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf Ihm, und durch Seine Striemen ist uns Heilung geworden“? (Jes. 53, 5. 6). Warum das alles? Warum, so fragten wir schon einmal, das furchtbare Verlassensein von Gott, wenn der Tod eine genügende Strafe für die Sünde wäre? Nein, nicht nur der erste Tod, das Sterben, die Trennung von Seele und Leib, sondern der zweite Tod, der „Feuersee“, mit anderen Worten, die ewige Verdammnis, das Erlöschen jeder Hoffnung, ein Zustand nie endender Ruhelosigkeit und Pein, ist das gerechte Teil des ungläubigen, widerspenstigen Sünders.

So redet Gottes Wort immer wieder. Wir haben bereits mehrere Stellen behandelt; ich möchte aus den vielen hierher gehörenden noch einige herausgreifen. Wir lesen in Matthäus 8, 12: „Die Söhne des Reiches werden hinausgeworfen werden in die äußere Finsternis; da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen“ (Vergl.Kap.13, 41.42; 18, 8. 9; 22, 13). „Wer irgend wider den Heiligen Geist lästern wird, hat keine Vergebung in Ewigkeit, sondern ist ewiger Sünde schuldig“ (Mark. 3, 29). „Es ist dir besser, einäugig in das Leben einzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle des Feuers geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“ (Mark. 9, 47. 48). „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh. 3, 36). In 2.Thess.1, 8. 9 sagt Paulus von denen, die Gott nicht glauben und dem Evangelium nicht gehorchen, dass sie „Strafe leiden werden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit Seiner Stärke“. Vergl. damit die ernsten Worte in Hebr. 10, 26 - 31, die mit dem Ausruf schließen: „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“. Auch Petrus schreibt: „Der Herr weiß. . . die Ungerechten aufzubewahren auf den Tag des Gerichts, um bestraft zu werden“ (2. Petr. 2, 9; vergl. Kap. 3, 7; Jud. 13).

Aus allen diesen Stellen ergibt sich mit unzweideutiger Klarheit, dass die Verachtung der Liebe Gottes und die Verwerfung des Evangeliums die ewige Verdammnis nach sich zieht, dass der Zorn Gottes auf denen bleibt, die dem Sohne Gottes nicht glauben, dass ewiges Verderben und nie endende Strafe alle die trifft, welche dem Evangelium nicht gehorchen, dass für diejenigen, welche unter den Zorn Gottes kommen, ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt, dass sie keine Vergebung haben, sondern verloren gehen und in dem Feuersee, der mit Feuer und Schwefel brennt, für immer und ewig gepeinigt werden.

Dass dieses Ergebnis erschütternd ist, die tiefsten Gründe des Herzens bewegt, ja, unseren ganzen Menschen erbeben macht, braucht nicht gesagt zu werden. Gott will auch, dass diese Folgen erreicht werden, damit der Sünder sich aufmache, um dem kommenden Zorn zu entfliehen, dass er das „Heute“ der Gnade benutze und von seinen bösen Wegen umkehre. Er will, dass wir, die wir den Schrecken des Herrn kennen, nicht müde werden, die Menschen zu warnen, sie einzuladen, zu mahnen, ja, zu überreden, dass sie sich versöhnen lassen mit Gott (2. Kor. 5). Er will, dass keiner eine Entschuldigung habe. Jeder Mund soll vor Ihm verstopft werden. Dass ein großer Unterschied in dem Strafmaß bestehen wird, bestehen muss, sagten wir bereits. Die Worte des Herrn selbst bestätigen es (Matth. 11, 22. 24; Luk. 12, 47. 48). Aber nach den nicht misszuverstehenden Aussprüchen des Wortes Gottes werden alle, deren Namen nicht in den Himmeln oder in dem Buche des Lebens angeschrieben sind, ihren Platz und ihr Teil in dem Feuersee finden.

Diese ernste, furchtbare Tatsache sucht man auf zwei Arten unwirksam zu machen, 1. dadurch dass man sagt, alle Menschen, ja schließlich selbst der Teufel und seine Engel (wiewohl nicht alle Anhänger dieser Richtung so weit gehen), würden mit der Zeit der gesegneten Ergebnisse des Erlösungswerkes teilhaftig werden; und 2. dadurch dass man lehrt, die Bösen und „Unverbesserlichen« würden zwar in die Hölle, den Feuersee, geworfen, aber nicht um darin zu bleiben, sondern um von den Flammen verzehrt zu werden. Auf die erste dieser beiden Lehren, die sogenannte Wiederbringungs- oder Allversöhnungslehre, möchte ich hier nicht weiter eingehen, — es ist bereits anderswo geschehen; **), — sondern nur über die zweite, die Vernichtungslehre, noch ein kurzes Wort sagen.

Die Tagesanbruchleute lehren: „Der zweite Tod wird dargestellt als ein See, der mit Feuer und SchwefeI brennt. Dies ist ein eindringliches Bild von der völligen Vernichtung, von einem Tode, aus dem es keine Auferstehung gibt; denn Christus stirbt nicht mehr (Röm. 6, 9), so dass es ein zweites Lösegeld für Sünder nicht geben wird. Dieser zweite Tod wird in dem griechischen Wortlaut der Bibel häufig mit „Gehenna“ bezeichnet. Es ist dies eins der drei Worte, die im Neuen Testament mit „Hölle“ übersetzt worden sind. *) „Gehenna“ ist die griechische Form des Namens „Tal Hinnom“ und bezeichnet ein Tal, welches außerhalb Jerusalems, unterhalb des Berges Zion, liegt. Dieses Tal war früher der Verbrennungsort für den Auskehricht der Stadt. Beständig wurden Feuer darin unterhalten . . . Auch die Leichname von schweren Verbrechern, von denen man bekunden wollte, dass sie einer Auferstehung nicht würdig seien, wurden hineingeworfen. Wir sehen also, dass sich mit der „Gehenna“, dem zweiten Tode, kein Gedanke der Qual verbindet. Es ist ein Zustand ewiger Vernichtung.“ Und in Bezug auf das Wort in Matth. 25, 46: „Diese werden hingehen in die ewige Pein“, behaupten sie: „Eine ewige Strafe im Sinne von einer ewigen Abschneidung vom Leben, eine ewigdauernde Auslöschung des Seins der Seele, ist offenbar der Gedanke dieser Stelle“.

Immer wieder begegnen wir derselben bösen Vermischung von Richtigem und» Falschem, von Wahrheit und Lüge. Dass es für den in seinen Sünden Gestorbenen kein „zweites Lösegeld“, keine Hoffnung mehr gibt, ist wahr; aber wie böse ist die Verbindung, in welche diese ernste Wahrheit mit dem zweiten Tode gebracht wird! Was der Schreiber ferner über das Wort „Gehenna“, als abgeleitet von „Tal Hinnom“ sagt, trifft zu; ganz grundlos aber und falsch ist der Schluss, dass das Wort ein „eindringliches Bild von „völliger Vernichtung“ gebe und einen „Zustand ewiger Vernichtung“ bedeute. Gerade umgekehrt! Das nie erlöschende Feuer und der unaufhörlich nagende Wurm (wenn wir diese beiden Bilder mit dem Worte „Tal Hinnom“ überhaupt verbinden dürfen) beweisen das Gegenteil: der Unrat wurde nicht verzehrt, und die Leichname, die eines Begräbnisses (nicht einer „Auferstehung“) unwürdig geachtet wurden, blieben unbeerdigt vor aller Augen liegen, ein Fraß der Würmer – in beiden Hinsichten also ein Bild bleibenden Gerichts.

Genau so ist es in Jes. 66, 22 — 24, an welche Stelle der Herr wohl anknüpft, wenn Er von dem Feuer und dem Wurm redet. Die Leichname, welche die im Tausendjährigen Reich nach Jerusalem Hinaufziehenden sehen werden, sind immer die nämlichen, bleiben dauernd bestehen als eine Warnung vor den furchtbaren Wirkungen und Folgen der Sünde, als ein Bild von dauerndem Elend, von endloser Schande. Die Gegenstände des heiligen Gerichts Gottes werden nicht zerstört, nicht« vernichtet. „Ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer nicht erlöschen, und sie werden ein Abscheu sein allem Fleische.“

Wie nun gar die Worte: „Diese werden hingehen in die ewige Pein“ eine „ewigdauernde Auslöschung des Seins der Seele“ in sich schließen sollen, ist völlig unergründlich. Was für einen Sinn könnte der Ausdruck ewige Pein (oder Strafe) haben, wenn der Mensch durch sie vernichtet, wenn sein Sein völlig ausgelöscht würde? Gar keinen! Ist eine Pein oder Strafe ewig, so müssen die, welche von ihr betroffen werden, ein endloses Bestehen haben; sonst ist es keine ewige, sondern höchstens eine endgültige Strafe, die mit dem Vergehen ihrer Gegenstände aufhört. Der Ausdruck selbst also besagt genau das Gegenteil von dem, was man hineinlegt. In Verbindung mit den bereits erwähnten Ausdrücken: „ewiger Sünde schuldig“ — „keine Vergebung in Ewigkeit“ — „ewiges Verderben“ — „bleibender Zorn“ —— „Weinen und Zähneknirschen“ u. s. w. beweist er das ewige Fortbestehen des Sünders in einem Leibe, welcher der Zerstörung nicht mehr unterworfen ist.

Von einer ewigen oder völligen Vernichtung redet die Schrift niemals, nicht einmal im Blick auf die Schöpfung. Sie wird nicht vernichtet, sondern, wie der Mensch, verwandelt werden, um in einem neuen Zustand weiter zu bestehen. Kann überhaupt etwas vernichtet werden? Doch mit der wissenschaftlichen Seite der Frage wollen wir uns hier nicht beschäftigen. Die Ausdrücke: vernichten, vertilgen, ausrotten, verzehren, verderben u. ähnliches kommen« häufig in der Schrift vor, aber sie bedeuten niemals ein Aufhören des Seins überhaupt, in dem absoluten Sinne des Wortes, sondern nur ein Aufhören oder Vergehen der Personen oder Dinge dem Zustande gemäß, in welchem sie sich bis dahin befanden. So. redet Gott im Alten Testament immer» wieder davon, dass Er Israel vertilgen oder vernichten wolle, damit es keine Nation mehr sei. Er will die Seele, welche sündigt, ausrotten aus der Mitte ihres Volkes, die Gesetzlosen für immer vertilgen von d er Erde, alle die Frevel tun ausrotten aus der Stadt usw. usw. Aus dem Neuen Testament will ich nur eine Stelle als Beleg anführen. Wir lesen in 2.Thess. 2, 8 von dem „Gesetzlosen“, d. i. dem Antichristen, „den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch Seines Mundes und vernichten· durch die Erscheinung Seiner Ankunft“. Das wird geschehen kurz vor oder in dem Beginn des Tausendjährigen Reiches, und doch finden wir nach Verlauf der tausend Jahre den Antichristen mit dem „Tiere“ in dem Feuersee, wo ihnen dann der Teufel zugesellt werden wird, um mit ihnen gepeinigt zu werden von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dass das nicht nach Vernichtung, nach einer ewigdauernden Auslöschung des Seins aussieht, brauche ich nicht zu sagen

Fußnoten:

*) O. im Hades, dasselbe Wort wie Scheol im Alten Testament. Beide Ausdrücke bezeichnen nicht, wie man immer wieder behauptet, das Grab, sondern eben jenen Zwischenzustand, in welchem die Seele vom Leibe getrennt ist. Das Wort Gottes verwechselt die Begriffe Scheol (Hades) und Grab oder Grube niemals.

**) nur sie; die übrigen Gestorbenen bleiben eben in ihren Gräbern bis zur zweiten Auferstehung.

***) Siehe die im gleichen Verlag erschienene Schrift: „Das Zeugnis der Heiligen Schrift über die ewige Verdammnis“

****) Leider ist es so in den älteren Übersetzungen; in den neueren werden die Worte: Grab, Hades und Hölle (wie im Griechischen) klar unterschieden.

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