Das Evangelium und seine Ergebnisse 1868 BdH

01/13/2023
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

1868 Das Evangelium und seine Ergebnisse

Als Gott auf dem Berge Sinai das Gesetz gab, richtete Er es an ein Volk, an das kleine Volk der Israeliten, „deren die Sohn­schaft ist, und die Herrlichkeit, und die Bündnisse, und die Gesetzgebung, und der Dienst, und die Verheißungen" (Röm 9, 4). Diese Offenbarungen waren alle auf Israel beschränkt. 

Das Volk hatte für sich eine Priesterschaft, aber keinen Dienst nach außen. Freilich werden die umwohnenden Nationen die Gegenwart Gottes in Israel wahrgenommen haben; aber das jüdische System hatte keinen Missionsdienst, sondern war in sich abgeschlossen. Doch vergessen wir nicht, daß der Tag an­brechen wird, wo Israel im vollen Sinn des Wortes zu allen Völkern der Erde ihre Boten aussenden wird. „Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort Jehovas von Jerusa­lem" (Jes 2, 3). Und in betreff des Überrestes Israels lesen wir:

„Und ich werde ein Wunderzeichen an ihnen tun und werde von ihnen Entronnene an die Nationen senden, nach Tarsis, Pul und Lud, die den Bogen spannen, nach Tubal und Jawan, nach den fernen Inseln, die von mir nicht gehört und meine Herrlichkeit nicht gesehen haben; und sie werden meine Herrlichkeit unter den Nationen verkündigen" (Jes 66, 19). 

Jedoch brauchen wir wohl kaum zu sagen, daß diese glück­seligen Tage für das jetzt so verachtete Israel erst zukünftig anbrechen werden. Die Kirche, die gegenwärtige Trägerin des Zeugnisses, muß vorher von dem Schauplatz entfernt und Israel muß wieder hergestellt sein, bevor die Liebe Gottes sich wieder mit Seinem alten Volke beschäftigen wird. „Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis daß die Vollzahl der Na­tionen eingegangen sein wird" (Röm 11, 25). 

Die Kirche, die Sein Leib, Seine Fülle ist, muß zuvor vollendet und bereitet sein, um dem Herrn in der Luft zu begegnen. Dann erst wird die Weissagung erfüllt werden: „Und also wird ganz Israel errettet werden" (Röm 11, 26; 1. Thess 4, 15—17).

In der Verkündigung des Evangeliums sehen wir einen völligen Gegensatz zur Gesetzgebung. Seitdem Gott das Evangelium Seiner Gnade nach dem Tode und der Auferstehung Jesu ans Licht gestellt hat, gebietet Er, daß es gepredigt werde, nicht einem einzigen Volk, sondern allen Völkern der Erde. Es sollte „nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan" (Röm 16, 2.6} werden.

Die Zwischenwand der Umzäunung wurde durch das Kreuz abgebrochen, und die Schranken der alten Haushaltung wurden niedergerissen. Das Evangelium der Gnade Gottes brach gleich einer mächtigen Woge hervor, überflutete die Ufer des Juden­tums und ergoß sich in alle Lande. „Wo aber die Sünde über­strömend geworden ist, ist die Gnade noch überschwenglicher geworden" (Röm 5, 2o).

Die gute Botschaft von einer vollen und freien Gnade durch Glauben an Christum wird also sowohl den Heiden als auch den Juden gepredigt. „So sei es euch nun kund", sagt Paulus, „daß dieses Heil Gottes den Nationen gesandt ist; sie werden auch hören" (Apg 28, 28). 

Nichts kann in dieser Beziehung klarer sein, als der Auftrag, den der Herr Seinen Jüngern gab, indem Er sagte: „Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium der ganzen Schöpfung" (Mk 16, 15. 16). Auch ist das Evangelium nicht in der Form einer Verheißung, sondern als eine Verkündigung gegeben, was ein großer Unterschied ist. 

Das Heil wird als eine gegenwärtige Wirklichkeit allen an­gekündigt, die Christum durch Glauben erkennen und in Ihn ihr Vertrauen setzen. Zu gleicher Zeit aber gehören uns alle Verheißungen in Christo von dem Augenblick an, wo wir an Seinen Namen glauben. Sobald Rebekka eingewilligt hatte, das Weib Isaaks zu werden, wurde sie die Miterbin aller Reich­tümer Abrahams. Würde dagegen Rebekka diese Verbindung ausgeschlagen haben, so würde sie arm geblieben sein in bezug auf die Schätze Abrahams. 

Alles hing von der Annahme Isaaks ab, und alles hängt von unserer Annahme Christi ab. Dies ist eine Sache von hoher Wichtigkeit und wird von dem Apostel in klarer Weise dargestellt, wenn er sagt: „So sei es euch nun kund, Brüder, daß durch diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird" (Apg 15, 58). Die Vergebung wird nicht

unter gewissen Bedingungen verheißen, sondern gepredigt und verkündigt durch Christum an alle, die Seine Stimme hören. Die Vergebung ist bedingt durch den Glauben an die frohe Botschaft. Um jeden Zweifel zu heben, fügt der Apostel hinzu:

„In diesem wird jeder Glaubende gerechtfertigt". Wenn dem uns so klar und bestimmt dargestellten Wort Gottes geglaubt wird, so wird der Friede die natürliche Folge sein.

Die Verantwortlichkeit, ein solches Evangelium zu hören, ist in der Tat sehr groß. Die Folgen sind unberechenbar, über alle Begriffe; sie sind ewig, entweder ewiges Elend oder ewige Glückseligkeit. Wenn das Evangelium Gottes in dieser Weise allen verkündigt und die Errettung allen umsonst angeboten wird, so folgt daraus, daß im Angesicht Gottes alle Hörer Seine Liebe entweder annehmen oder verwerfen. Eine Zwischen­stellung gibt es in der Schrift nicht. 

Der gleichgültige Zuhörer mag nicht daran denken, daß er das Anerbieten des Heils ver­achtet oder verwirft; aber sicher, es ist in jeder Beziehung die strafbarste Behandlung der Botschaft, wenn man gegen eine Sache gleichgültig ist, an der Gott ein so unaussprechlich gro­ßes Interesse hat, und die für den Menschen so außerordentlich wichtig ist. Wenn die erlösende Liebe so dringend einladet, wenn sie uns das für uns vollbrachte große Werk Christi, den Wert der unsterblichen Seele, die unbeschreiblichen Segnungen des Himmels und die unaussprechlichen Qualen der Hölle vor Augen stellt, dann ist sicher ein gleichgültiges Vorangehen nichts anderes, als daß man verachtet, was Gott gesagt hat.

Viele eilen hierhin und dorthin, um das Evangelium oder eine Predigt zu hören; sie betrachten dies als eine religiöse Pflicht und sind zufrieden, wenn sie sie erfüllt haben. Aber, ach! sie bedenken nicht, daß sie verantwortlich sind für das, was sie gehört haben. Tausende machen sich eines solchen Betragens schuldig. Freilich mag der Fehler nicht allein an den Hörern liegen.

 Das, was sie hörten, mochte wenig geeignet gewesen sein, die Aufmerksamkeit zu fesseln, oder das Herz und Ge­wissen zu treffen. Vielleicht war das Gesagte, wenn es auch wahr war, nicht passend für einen Unbekehrten, und untaug­lich, eine Seele zu erwecken, die tot ist in ihren Sünden und Vergehungen. Deshalb ist die Verantwortlichkeit eines Predigers sicher nicht gering. Möge daher der Herr bei allen Seinen Arbeitern die nötige Liebe, den rechten Eifer und einen würdi­gen Ernst erwecken, damit sie rein bleiben „von dem Blute der Menschen".

Wir möchten jetzt gern einige Bemerkungen über das Evan­gelium selbst machen und betrachten zunächst