DER HERR IST MEIN HIRTE Psalm 23, W. Phillip Keller

04/24/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

DER HERR IST MEIN HIRTE

Der Herr! Wer ist dieser Herr? Welche persönlichen Eigenschaften hat er? Kann er sich mir gegenüber ausreichend als mein Hirte - mein Führer, mein Besitzer - ausweisen?
Und wenn er das wirklich kann, wie soll ich mich denn seiner Führung unterstellen? Wie kann ich mich seiner Anteilnahme und ständigen Fürsorge versichern?
Dies sind tiefschürfende Fragen, die eine Antwort erfordern. Sie müssen ehrlich und gründlich geprüft werden.
Ein großes Unheil für das Christentum liegt in unserer Neigung, uns in doppeldeutigen Verallgemeinerungen zu ergehen.
David, der Schreiber dieses Psalms, war selbst Hirte und Sohn eines Hirten und wurde später als »Hirtenkönig« Israels bekannt. Er sagte ausdrücklich: »Der Herr ist mein Hirte.« Wen meinte er damit?
Er meinte Jehova, den Gott Israels.
Seine Aussage wurde durch Jesus Christus bestätigt. Als er, Gott von Ewigkeit, ins »Fleisch kam« und unter den Menschen lebte, sagte er ausdrücklich von sich: »Ich bin der gute Hirte.«
Und wer war dieser Jesus Christus?

Wenn wir seine Person betrachten, dann denken wir oft kleinlich, verkrampft, engstirnig und menschlich von ihm. Deswegen sind wir auch sooft nicht bereit, ihm die Herrschaft und Leitung - und noch viel weniger das volle Eigentumsrecht - über unser Leben einzuräumen.
Dabei ist er es, der die Schöpfung und alle Dinge - sowohl die natürlichen wie die übernatürlichen - ins Dasein gerufen hat (Kolosser 1,15-20).
Wenn wir einmal gründlich über die Person Jesu Christi nachdenken - uns seine Kraft und seine Werke vor Augen stellen—, werden wir wie David mit Stolz und Freude feststellen: »Der Herr - er ist mein Hirte! «
Ehe wir das aber tun, wird es uns eine große Hilfe sein, wenn wir über die besondere Stellung nachdenken, die Gott, der Vater, Gott, der Sohn, und Gott, der Heilige Geist, in unserer Menschheitsgeschichte einnehmen.
Gott, der Vater, ist zugleich Gott, der Urheber - der Schöpfer alles dessen, was da ist. Er hat alles zuerst in seinem Geist geplant.
Gott, der Sohn - unser Heiland und Erlöser -‚ ist Gott, der Kunsthandwerker, der Künstler, der schöpferisch alles ins Dasein rief, was ursprünglich im Geiste seines Vaters geplant und vorgesehen war.
Gott, der Heilige Geist, ist die Mittelsperson der Gottheit, die diese Tatsachen meinem Verstand und meinem geistlichen Verständnis deutlich macht, damit sie für mich ganz persönlich Wirklichkeit werden können.
So entspricht also das wunderbare Verhältnis zwischen Gott und Menschen, das uns wiederholt in der Heiligen Schrift geoffenbart wird, dem eines Vaters zu seinen Kindern oder dem eines Hirten zu seiner Herde. Diese Vorstellungen entstammen dem Geist Gottes, unseres Vaters. Durch das Werk Jesu Christi auf
Golgatha wurden sie in die Tat umgesetzt, und durch das gnädige Wirken des Heiligen Geistes werden sie dann in mir real und lebendig.
Wenn also ein Mann oder eine Frau die einfache und doch so erhabene Feststellung machen »Der Herr ist
mein Hirte!«, wird damit ein tiefgreifendes und inniges Verhältnis zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer zum Ausdruck gebracht, das jedoch auch praktische Folgen hat.
Das gibt einem Klumpen Erde eine göttliche Bestimmung - ein gewöhnlicher Sterblicher wird zum Gegenstand göttlicher Fürsorge und dadurch mit Liebe und Zärtlichkeit behandelt.
Schon allein dieser Gedanke sollte meinen Geist entzünden, mein ganzes Bewußtsein durchdringen und mir
als Persönlichkeit eine unvorstellbare Würde verleihen.
Der Gedanke, daß sich Gott in Jesus Christus ausgerechnet um mich ernsthaft Gedanken macht, gibt
meinem kurzen Aufenthalt auf diesem Planeten sofort einen ganz neuen Sinn und eine unermeßliche Bedeutung.
Je größer, herrlicher und majestätischer Jesus Christus vor meinen Augen steht, desto enger und tiefer
wird mein Verhältnis zu ihm sein. Offensichtlich spricht
David in diesem Psalm nicht als Hirte, obwohl er ja ein Hirte war, sondern vielmehr als Schaf, als einer aus der
Herde. Er spricht mit einem starken Gefühl des Stolzes, der Verehrung und Bewunderung. Es hört sich an, als ob er lauthals prahlt: »Seht einmal, wer mein Hirte, mein Herr, mein Führer ist!« Es ist der Herr!


Immerhin wußte er aus eigener Erfahrung, daß das Schicksal eines jeden Schafes von seinem Besitzer abhängig ist. Manche Herdenbesitzer waren im Blick auf die ihnen anvertrauten Tiere liebevoll, gütig, klug, tapfer und selbstlos. Es gab aber auch andere. Bei ihnen mußten die Schafe um ihre Nahrung kämpfen, hungern und Mißhandlungen erdulden. Unter der Obhut wieder eines anderen gediehen sie, vermehrten sich und waren zufrieden.
Wenn nun der Herr mein Hirte ist, möchte ich etwas über seine Eigenschaften und auch über seine Kraft und Fähigkeiten erfahren.
Darüber nachzudenken, gehe ich nachts häufig allein unter dem Sternhimmel spazieren, um mir die Größe und Majestät Gottes vor Augen zu führen. Beim Anblick des sternenübersäten Himmels fällt mir ein, daß mindestens 250 Millionen mal 250 Millionen solcher Himmelskörper, jeder größer als unsere Sonne, von ihm selbst über das unendliche Weltall verteilt worden sind. Ich denke daran, daß unser Planet Erde - für ein paar kurze Jahre meine vorübergehende Heimat - nur ein winziges Sternchen im Universum ist. Wenn es möglich wäre, unser stärkstes Fernrohr zu dem uns am nächsten gelegenen Stern Alpha Centauri zu transportieren und von dort durch dieses Fernrohr in Richtung Erde zurückzublicken, könnte man die Erde selbst mit diesem mächtigen Instrument überhaupt nicht sehen.


Für uns Menschen ist das natürlich demütigend. Es dämpft unseren Stolz und läßt unser Ich ziemlich klein erscheinen, aber es bringt die Dinge in die richtige Perspektive. Mit erschreckender Deutlichkeit wird uns
bewußt, daß der Mensch in diesem unendlichen Universum nur ein winziges Stäubchen ist. Dennoch bleibt
die erschütternde Tatsache bestehen, daß sich Jesus - Christus, der Schöpfer dieses Universums von so überwältigenden Ausmaßen, dazu herabläßt, sich mein
Hirte zu nennen Gleichzeitig fordert er mich auf, mich als sein Schaf zu betrachten, als Gegenstand seiner besonderen Liebe und Fürsorge. Wer könnte besser für mich sorgen als er?
Noch in diese Gedanken versunken, bücke ich mich und nehme etwas Erde aus dem Garten in die Hand. Ich lege es unter ein Elektronenmikroskop und entdecke staunend, daß dieses bißchen Erde von Milliarden und Abermilliarden von Mikroorganismen nur so wimmelt. Viele von ihnen sind in der Eigenart ihres Zellenaufbaus so kompliziert, daß bis heute ihr Einfluß auf den Mutterboden nur zu einem geringen Teil erforscht werden konnte.
Jawohl, er, der Christus, der Sohn, Gottes, rief den ganzen Kosmos ins Dasein. Von den unermeßlichen
Milchstraßen bis hin zu den winzigsten Mikroben läuft alles reibungslos nach ganz bestimmten Gesetzen ab. Das Gehirn des geistig und zeitlich begrenzten Menschen ist völlig unfähig, das zu erfassen.
Schon aus diesem Grunde bin ich dazu verpflichtet, Gott das gesetzliche Eigentumsrecht über mich, das
menschliche Wesen, zuzugestehen - einfach weil er es ist, der mich geschaffen hat. Niemand kann zudem besser für mich sorgen oder mich besser verstehen als er.
- Ich gehöre ihm,  einfach weil er mich ausdrücklich als Gegenstand seiner Zuneigung und Liebe erschaffen hat.
Es ist offenkundig, daß sich die meisten Menschen weigern, diese Tatsache anzuerkennen. Sie geben sich
die! größte Mühe zu bestreiten, daß eine Beziehung zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer besteht oder auch nur möglich sein könnte. 

Damit wird deutlich, daß der Mensch um keinen Preis zugeben will, daß der, der ihn geschaffen hat, damit auch das Besitzoder Verfügungsrecht über ihn ausüben könnte.

Dies war natürlich das große »Risiko« oder die »mit-einberechnete Möglichkeit«, wenn wir diesen Ausdruck benützen dürfen, die Gott einging, als er den Menschen schuf.
Aber Gott tat in seiner üblichen großmütigen Weise auch den zweiten Schritt und versuchte, das von den abtrünnigen Menschen immer wieder zerstörte Verhältnis neu herzustellen.
Zuletzt stellte er auf Golgatha in Jesus Christus sein tiefes Verlangen unter Beweis, den Menschen in
seine liebevolle Fürsorge einzubeziehen. Er selbst
nahm die Strafe für ihre Verderbtheit auf sich. Die Bibel sagt klar und deutlich: »Wir gingen 'alle in der Irre
wie Schafe, ein jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der Herr warf unser aller Schuld auf ihn« (Jesaja 53,6).
Deshalb gehöre ich ihm noch aus einem zweiten, sehr wesentlichen Grund: einfach weil er mich um den unglaublichen Preis seines eigenen Lebens erkauft hat.
Somit kann er auch mit vollem Recht sagen: »Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte läßt sein Leben für die Schafe.«
Es bleibt also die überwältigende Erkenntnis, daß wir um einen Preis erkauft worden sind, daß wir uns überhaupt nicht mehr selbst gehören und daß er mit vollem Recht Anspruch auf unser Leben erheben kann.
ich kann mich noch gut daran erinnern, daß bei Beginn meiner Schafzucht die Frage des Preises für die zu erwerbenden Mutterschafe von größter Wichtigkeit war. Sie konnten nur in meinen Besitz übergehen, wenn ich in harter Währung für sie zahlte, mit dem
Geld, das ich mir in den schweren Jahren der Repression mit Blut, Schweiß und Tränen unter Aufbietung aller meiner Kräfte erworben hatte. Als ich diese erste kleine Herde erwarb, erkaufte ich sie mir buchstäblich mit meinem eigenen Körper, dem ich im Blick auf diesen Tag das Letzte abverlangt hatte.
Aus diesem Grund behielt ich stets das merkwürdige Gefühl, daß meine Schafe in Wahrheit ein Teil von mir
seien und ich ein Teil von ihnen. Eine innige Vertrautheit war die Folge, die der oberflächliche Beobachter nicht bemerkte, die mir jedoch diese dreißig Mutterschafe überaus kostbar erscheinen ließ.
An dem Tag, an dem ich sie kaufte, wurde mir aber auch klar, daß jetzt ein langer Prozeß beginnen würde.
Wenn sie wachsen und gedeihen sollten, würde ich, als
der Besitzer, immer wieder, mein Leben für sie einsetzen müssen. Schafe sorgen nicht einfach für sich
selbst, wie vielleicht jemand meinen könnte. Sie bedürfen mehr als alle anderen Tiere der ständigen Überwachung und der peinlichsten Pflege.
Es ist kein Zufall, daß Gott uns als Schafe bezeichnet. Wie wir in den weiteren Kapiteln sehen werden, ähnelt
das Verhalten der Schafe dem der Menschen in vieler Hinsicht. Unser Herdentrieb, unsere Ängste und Zaghaftigkeit, Unser Eigensinn und unsere Dummheit sowie viele unserer schlechten Angewohnheiten sind Ähnlichkeiten, die nicht zu übersehen sind.
Dennoch, ungeachtet unserer negativen Eigenschaften, hat Jesus Christus uns auserwählt, erkauft, uns bei unserem Namen gerufen, zu seinem Eigentum gemacht und sorgt jetzt treu für uns.
Dieser letzte Punkt enthält die dritte Begründung dafür, daß wir verpflichtet sind, sein Eigentumsrecht über uns anzuerkennen. 

Er setzt sich unablässig für uns ein. Ständig leistet er Fürbitte für uns, ohne Unterbrechung leitet er uns in seiner Gnade durch seinen Geist; pausenlos tritt er für uns ein, um uns mit seiner Fürsorge zu umgeben.
Der 23. Psalm könnte in der Tat sehr wohl »Davids Lobgesang auf die göttliche Fürsorge« genannt werden. Denn der ganze Psalm ist eine einzige Beschreibung der Mühe und Sorgfalt, die der gute Hirte aufwendet, um für das Wohlergehen seiner Schafe zu sorgen.
Da wundert es uns nicht, daß der Psalmist stolz darauf war, ein Eigentum dieses guten Hirten zu sein. Warum sollte er darauf auch nicht stolz sein?
In meiner Erinnerung sehe ich noch immer einen der Schafzuchtbetriebe unserer Gegend vor mir, der von einem Pächter bewirtschaftet wurde. Dieser Mann hätte nie Schafe züchten dürfen. Die Tiere seiner Herde waren immer mager, schwach und von Krankheiten oder Parasiten befallen. Immer wieder konnten wir sie am Zaun stehen sehen, wie sie sehnsüchtig durch den Maschendraht auf die saftigen, grünen Weideastarrten, auf denen sich meine Schafe. tummelten. Hätten sie reden können, würden sie zweifellos gesagt haben: »Wären wir doch bloß diesen schrecklichen Herrn und Eigentümer los!«
Dieses Bild kann ich nie vergessen. Es ist ein$lld bemitleidenswerter .Menschen auf der ganzen,-Welt die nie erfahiexj haben, was es heißt, ein Eigentum Gottes, des guten Hirten, zu sein, und die statt dessen unter der Herrschaft Satans und der Sünde schmachten.
Es ist unbegreiflich„ daß sich so viele Männer, und Frauen leidenschaftlich dagegen wehren, den Anspruch anzuerkennen. den Jesus Christus auf ihr Leben erhebt. Ja, sie stoßen ihn sogar von sich. Sie befürchten, unter die Herrschaft eines :Tyrannen zu kommen, wenn sie sein Eigentumsrecht anerkennen.
Das ist kaum zu verstehen, besonders wenn man sich einmal Zeit nimmt, um über die Wesensart Jesu Christi nachzudenken.
Zugegeben, es sind Viele irreführende Zerrbilder über seine Person im Umlauf. Wer aber einmal unvoreingenommen sein Leben betrachtet, wird in ihm sehr bald eine Persönlichkeit erkennen, deren Wesenszüge größtes Erbarmen und eine über alle Zweifel erhabene Lauterkeit erkennen lassen.
Er war die ausgeglichenste und vielleicht am meisten geliebte Person, die je ih die menschliche Gesellschaft hineingeboren wurde. Er kam in einer mehr als ärmlichen Umgebung zur Welt, und obwohl er Glied einer einfachen Arbeiterfamilie war, zeichnete ihn doch eine unnachahmliche Würde und Selbstsicherheit aus. Als Kind hatte er weder im Blick auf Ausbildung noch auf Beschäftigung anderen gegenüber irgendwelche Vorteile. Und doch lagen. seiner Weltweisheit und Weltanschauung die höchsten Maßstäbe für menschliches Verhalten zugrunde, wie sie der Menschheit. weder vorher noch nachher jemals vor Augen gestellt wurden. Er hatte nie große finanzielle Einnahmequellen oder politische oder militärische Macht und hat dennoch wie kein anderer Mensch einen unauslöschlichen Eindruck in der Weltgeschichte hinterlassen. Durch ihn sind in fast zwanzig Jahrhunderten Millionen von Menschen in die Lage versetzt worden, ihr Leben in Anstand, Ehrbarkeit und edler Gesinnung zu führen.


Er war nicht nur zartfühlend, liebevoll und treu, sondern auch gerecht, hart wie Stahl und zuweilen grob gegen Angeber.
In seiner großmütigen, vergebungsbereiten Gesinnung neigte er sich zu den Gestrauchelten und vergab ihnen, doch den Heuchlern riß er schonungslos die Maske vom Gesicht.
Er kam, um die Menschen von ihren Sünden,ihrem Ich und ihren Ängsten zu befreien. Wer so von ihm befreit wurde, war ihm in einer innigen Liebe zugetan.
Er behauptet von sich, der gute Hirte, das heißt der verständnisvolle besorgte Hirte zu sein. Darum liegt ihm so ungemein viel daran, verlorenen Menschen nachzugehen und sie seiner Herde zuzuführen
Er hat es immer ohne Zögern, klar und deutlich ausgesprochen: Wenn sich jemand seiner Führung unterstellt und anvertraut, entsteht ein neues und einzigartiges Verhältnis zwischen ihm und diesem Menschen. So ist es also ein besonderes Vorrecht, diesem überragenden Hirten angehören zu dürfen. Der Mann oder die Frau trägt ein besonderes Kennzeichen, das sie eindeutig von der übrigen Menge unterscheidet.
An dem Tag, an dem ich meine ersten dreißig Mutterschafe gekauft hatte, saß ich mit meinem Nachbarn auf der Umzäunung des Pferchs, in dem- sich die Schafe befanden, und bewunderte die guten, kräftigen, edelrassigen Muttertiere, die mein Eigentum geworden waren. Da reichte mir mein Nachbar ein langes, scharfes Schlachtmesser und bemerkte kurz und bündig: »Nun, Phillip, jetzt gehören die Schafe dir. Nun mußt du ihnen auch dein Zeichen geben.«
Ich wußte genau, was er meinte. Jeder Schafzüchter hat sein eigenes besonderes Zeichen, das er seinen Schafen ins Ohr ritzt. Auf diese Weise kann man selbst aus einiger Entfernung leicht feststellen, wem die Schafe gehören.
Es ist natürlich keine sehr angenehme Aufgabe, jedes Tier einzeln einzufangen, sein Ohr auf den Holzblock zu legen und mit der rasiermesserscharfen Klinge des Messers eine tiefe Kerbe hineinzuschneiden. Das war furchtbar für das Schaf, aber auch für mich. Doch durch diesen Schmerz, der uns beide traf, wurde ein unauslöschliches Markierungszeichen geschaffen, das nie wieder entfernt wefden konnte. Von diesem Augenblick an würde jedes Schaf, das in mein Eigentum überging, mein Zeichen an sich tragen.
Hierzu finden wir im Alten Testament eine eindrucksvolle Parallele. Äußerte der Sklave eines jüdischen Herrn freiwillig den Wunsch, für sein ganzes Leben dem Haushalt seines Herrn anzugehören, wurde er einem bestimmten Ritual unterworfen. Sein Herr und Besitzer führte ihn an die Haustür, legte sein Ohrläppchen gegen den Türpfosten und bohrte mit einem Pfriem ein Loch durch das Ohrläppchen. Von diesem Augenblick an war der Sklave ein gezeichneter Mann, der zeitlebens Eigentum dieses Herrn blieb.
Für den Menschen, der den Anspruch Jesu Christi auf sein Leben anerkennt und ihm das absolute Besitz- und Verfügungsrecht über sich einräumt, erhebt sich die Frage, ob er auch sein Zeichen tragen will. Es ist das Zeichen des Kreuzes, das uns für alle Zeiten als ihm zugehörig kennzeichnen sollte. Die Frage ist nur - tut es das wirklich?

Jesus hat keinen Zweifel darüber gelassen, denn er betonte nachdrücklich: »Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.«
Dies bedeutet im Grunde folgendes: Der Mensch, der Jesus nachfolgt, tauscht ein Leben, das nach eigenem Gutdünken gelebt wurde, gegen das .Wagnis ein, sich von Gott führen zu lassen. Ein solches Leben wird dann spannend, sinnerfüllt und produktiv.
Es ist traurig, aber wahr, daß viele Menschen, die sich nie bewußt unter Gottes Führung und Obhut gestellt haben, dennoch die Behauptung aufzustellen wagen: »Der Herr ist mein Hirte.« Sie scheinen irgendwie die Hoffnung zu hegen; daß sie allein durch die einfache Behauptung, der Herr sei ihr Hirte, in den Genuß aller mit seiner Fürsorge verbundenen Wohltaten kommen. Den Preis dafür wollen sie jedoch nicht bezahlen; sie wollen ihr eigenes, launenhaftes, sinnloses Leben nicht aufgeben.
Man kann aber nicht beides haben. Entweder gehören wir Jesus, oder wir gehören ihm nicht. Jesus selbst sprach die Warnung aus, daß einst der Tag kommen werde, an dem viele sagen: »Herr, in deinem Namen haben wir viele wunderbare Dinge getan!«, worauf er dann erwidern müsse, daß er sie nie als sein Eigentum gekannt habe.
Das ist ein sehr ernst zu nehmender und ernüchternder Gedanke. Er sollte uns veranlassen, unser Herz, unsere Motive und unser persönliches Verhältnis zu ihm einer ernsten Prüfung zu unterziehen:
Bin ich tatsächlich sein Eigentum?
Erkenne ich wirklich sein Recht auf mich an?
Gehorche ich seinen Weisungen?
Finde ich unter seiner Führung Freiheit und völlige Befriedigung?
Sehe ich einen tiefen Sinn darin, daß ich mich unter seine Leitung gestellt habe, und gibt mir dieses Bewußtsein das Gefühl der Geborgenheit?

Finde ich bei ihm wahre Ruhe und Frieden? Entdecke ich immer wieder.neue Seiten seiner Liebe und
Fürsorge?
Wenn ja, kann ich voll Dankbarkeit und Jubel stolz in die Aussage Davids einstimmen: »Der Herr ist mein Hirte!« Es ist herrlich, ihm anzugehören, denn dadurch werde ich wachsen und vorwärtskommen, was immer mir das Leben auch bringen mag.

ISBN 3-89437-649-x @1978 Schulte&Gerth

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