Hans Nielsen Hauge Sein Heimgang BdH 1853

02/17/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Hans Nielsen Hauge Sein Heimgang.
Auf dem Hofe Bredtvedt war es stille. Die Dachtraufe rieselte gleichmäßig herab. Fliegen wagten sich an der sonnigen Wand gegen Süden heraus. Aber nirgends waren Menschen zu sehen; keine Türen wurden auf- und zugemacht; kein Holz wurde im Schuppen klein gehackt; keine Stimmen ertönten draußen oder drinnen. Denn der Tod, der große Fremde, hatte sich als Gast
angemeldet.

Den ganzen Winter hindurch hatte Hauge geahnt und gefühlt, was geschehen würde, und er hatte oft mit seinen Lieben
darüber gesprochen. Für ihn und die Seinigen hatte der Tod kein Grauen; es war ja nur der Eingang zu neuem Leben; er war
der Bote der großen Barmherzigkeit Gottes, der letzte beste Freund. Hans Nielsen Hauge lag blaß und still auf seinem Lager mit
der Hand seiner Frau in der seinigen. Die Nacht war schwer gewesen mit Brustkrämpfen und Atemnot; jetzt war das schlimmste  vorüber, er konnte wieder sprechen.

„Heute ist Sonntag," sagte er mit weicher Stimme; „mein Leiden ruht heute."
„Ja," erwiderte seine Frau, „heute geht es dir besser."
Hans Nielsen Hauge nickte, und seine Augen sahen wie in weite Ferne. „Bald ist es vollbracht," flüsterte er.
, Das Gesicht seiner Frau bebte, und sie konnte dis Tränen nicht zurückhalten. Hans Nielsen Hauge sah es; und er wendete
sein müdes Haupt zu ihr hin. „Und siehe — alles miteinander war sehr gut," sagte er mit merkwürdig starker Stimme. „Meine
Aufgabe hier auf Erden ist vollbracht, ich sehne mich nach meinen; Ruhetag."

„Ja," erwiderte seine Frau, „alles ist gut." Sie wischte sich die Tränen ab und blieb lange schweigend an seinem Bette sitzen.
Hans Nielsen lag lange ganz ruhig da. Schließlich drehte er den Kopf und sah seine Frau mit bekümmertem Blick an.
 „Nur eines macht mir Kummer," sagte er schweratmend; „ich habe große Angst, es könnten zwischen den Brüdern Zwistigkeiten
ausbrechen, wenn ich nicht mehr da bin."
„Das ist wohl möglich," versetzte seine Frau, „aber Gott ist dann doch wohl noch da — er wird den Seinen helfen."

Hans Nielsen Hauge lächelte, und seine Frau fühlte einen leisen Druck seiner Hand.
„Za, du hast recht," flüsterte er. „Gott lebt, das darf nicht vergessen werden." Die Worte erstarben. Hans Nielsen Hauge schlief. Und seine Frau saß noch eine ganze Stunde lang unbeweglich, mit ihrer Hand in der seinigen, an dem Bette.
Plötzlich schlug er die Augen auf und sah seine Frau verwundert an.
„Sitzt du noch hier?" fragte er. „Ich glaubte, es sei Nacht und du würdest schlafen."
„Nein, es ist Tag, du hast eine ganze Stunde geschlafen, entgegnete sie, Hans Nielsen Haugs erwiderte nichts; er lag ganz still und sah geradeaus.
„Nur in uns selbst ist es Nacht," flüsterte er schließlich, „aber der Tag Gottes währet ewiglich." Und wieder schloß er die müden Augen.
Gegen Abend stellten sich die Brustkrämxfe aufs neue ein, und diesmal mit tödlicher Heftigkeit. Aber keine Klage drang über die Lippen des geduldigen, schmerzgewohnten Mannes, dessen
Leib und Geist um seines Glaubens willen in vielen Leiden geprüft und gehärtet worden war. Stunde um Stunde, die ganze Nacht hindurch, mußte er sich durch Atemnot und Krämpfe hindurchkämpfen.
Alle Hausgenossen waren um sein Lager versammelt; seine Frau beugte sich ratlos in innigster Teilnahme über ihn, hier war keine Hilfe mehr möglich. Ab und zu schlug er die Augen auf und sah sie flehend an. Es war morgens vier Uhr geworden. Hans Nielsen Hauge atmete schwer und rasch; er versuchte es anscheinend immer wieder, zu sprechen. Plötzlich schlug er die Augen auf; seine Lippen bewegten sich, aber kein Wort drang heraus. Die Augen standen
mit ernstem Ausdruck weit offen; es war. als liege seine ganze
Zeels darin.

„Ach Gott, wenn ich doch wüßte, was du sagen willst!"seufzte seins Frau. Mit gefalteten Händen stand sie neben ihm und betrachtete ihn mit tränenvollen Augen. Da war es plötzlich, als ob die ganze Flamme des glühenden Eifers, die in früheren Zeiten in so vielen Herzen ein Licht ange-
zündet hatte, in seinen brechenden Augen aufleuchtete. 

„Folget Jesu nach!" sagte er laut und deutlich. Heine Stimme hatte dabei jenen hinreißenden Klang aus den begeisterten Tagen seiner Jugend. Und die Worte durchfuhren wie ein lebenbringender Hauch alle, die um ihn versammelt waren. Sein Kopf sank zurück; ein glückliches Lächeln glitt wie ein Heller Tagesschein über das blasse Gesicht.
„ du ewiger, liebevoller Gott!" rief er — seine Augen bekamen den verklärten Glanz des herannahenden Todes. Da neigte sich seine Frau über ihn und flüsterte: „Jetzt nimmt
dich Gott zu sich." „Ja —I" erklang es in hinsterbendem Tone. „Bete mit mir l"

Seine Frau sank an seinem Bett auf die Knie, und alle Anwesenden falteten die Hände.
„Vater unser, der du bist im Himmel —" Mann und Frau beteten zusammen. Aber nach kurzem schon sank Hauges Stimme zu einem Flüstern herab, und.ehe das Gebet zu Ende war, ertönte
nur noch die Stimme der Frau durch die Todesstille im Zimmer.

So starb Hans Nielsen Hauge.
Er war einer der besten Söhne Norwegens; war die edelste, uneigennützigste, großzügigste und charaktervollste Persönlichkeit, die aus norwegischem Bauernblut erstanden ist. Er war einer der wirklich wahren Menschen, die ihr Leben für den Glauben einsetzten. Sein ganzes Leben war ein Opfer für andere, um das Edelste im norwegischen Volke zum Siege zu führen.
Auf dem Kirchhofe zu Aker gibt ein einfacher, von einem treuen Freunde errichteter Gedenkstein Kunde, wo Hans Nielsen Hauge begraben liegt. Die norwegische Christengemeinde, der er sein ganzes Leben und seine ganze gewaltige Kraft weihte, hat vergessen, ein Denkmal auf seinem Grabe zu errichten.