Tägliche Notwendigkeiten, Kaupp Franz

06/25/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Tägliche Notwendigkeiten

Man findet hin und her junge und alte Christen, die wenig befestigt sind in der Wahrheit. Man staunt oft über die Antworten, die man auf die einfachsten Fra­gen bekommt. Das veranlaßt den Schreiber dieser Zeilen, auf einige Dinge hinzuweisen, denen wir in un­serem täglichen Leben einen Platz einräumen müssen, wenn wir wünschen, mit Gott zu wandeln. Das erste finden wir in Apostelgeschichte 17, 10‑12, es ist:

Das tägliche Untersuchen der Schriften.

Es ist von höchster Wichtigkeit für die Wohlfahrt un­serer Seele, daß wir ein Verlangen nach dem Wort Gottes haben und pflegen. Doch dabei hängt alles von dem Geist und der Haltung ab, in denen wir an die Heilige Schrift herangehen. Es ist möglich, die Bibel wie ein Schulkind zu studieren und Gottesgelehrtheit geradeso zu lernen wie Weltgeschichte und Pflanzen­kunde. Hierzu möchte ich uns nicht ermuntern; das gibt es leider schon zu viel. Die Juden in Beröa unter­suchten nicht nur die Schriften, sondern es wird uns auch gesagt, warum und in weichem Geist sie das taten. Sie hatten Paulus und Silas gehört und "nah­men mit aller Bereitwilligkeit das Wort auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich also verhielte" (Apg 17, 11). Wunderbares hatten sie gehört, und sie waren weder zweifelsüchtig noch gleichgültig ‑ nein, sie nahmen vielmehr "mit aller Bereitwilligkeit das Wort auf', und sie durchforschten die Schrift, weil sie die Boten Gottes aufgenommen hatten. Sie unter­suchten sie nicht wie ein Altertumsforscher, der aus Neugier oder zu wissenschaftlichen Zwecken ein altes Vermächtnis studiert, sondern wie jemand, der die Kunde vernommen hat und glaubt, daß ihm darin ein großes Erbe vermacht worden ist.

Ich danke Gott, daß viele Leser die Botschaft von den wunderbaren Segnungen der Gnade angenom­men haben, aber ich fürchte, einige haben nicht ein hinreichendes Verlangen, die Schriften täglich danach zu untersuchen. Deshalb bist du nicht so fest, wie du es sein solltest und könntest, und wenn man dich auf­fordern würde, über einige der Segnungen, die du empfangen zu haben glaubst, Rechenschaft zu geben wegen der Hoffnung, die in dir ist (l. Petr 3, 15), so würdest du hierzu kaum fähig sein.
In bezug auf göttliche Dinge herrscht unter Kindern Gottes oft eine Unbekümmertheit, wie sie in Sachen des täglichen Lebens undenkbar wäre. Beim Kauf eines Gutes gibt man sich nicht mit den Worten des Verkäufers zufrieden, sondern prüft die Urkunden ganz genau, um über seine Rechtsansprüche volle Gewiß­heit zu haben. Je wichtiger eine Sache ist, desto mehr wird man Verlangen haben, darüber Gewißheit zu be­kommen; und ich denke, wenn wir ein rechtes Bewußt­sein von der Unermeßlichkeit auch nur des kleinsten Teilchens christlicher Segnungen bekommen hätten ' würden wir wie die Beröer zum Wort Gottes greifen, um ganz sicher zu sein, ob es sich also verhält.

Mir scheint, wo Gleichgültigkeit gegen Gottes Wort vorhanden ist, zeigt dies, daß wir in unserem Herzen keinen rechten Begriff von der Größe christlicher Segnungen haben, sonst würden wir ernstlicher und eifriger nach ihnen forschen . Diese Dinge sind so ungemein wichtig, und was auf dem Spiel steht, ist so wesent­lich, daß wir da nichts einfach in gutem Glauben hin­nehmen sollten, selbst wenn der, der es uns bringt, ein Apostel wäre.
Staunen kann man oft, wie Geschwister, die jahre­lang dem Dienst am Wort Gottes zugehört haben und das scheinbar mit Eifer und Aufmerksamkeit, so wenig von göttlichen Dingen wissen. Sie scheinen Freude am Dienst zu haben und scheinen glücklich zu sein; doch findet man, wenn man mit ihnen spricht, wie wenig davon in ihre Seele gelangt ist. Sie hören wohl zu, schätzen aber das Gehörte so wenig, daß sie sich nicht die Mühe nehmen, ihre Bibel daraufhin zu lesen, um es so für sich selbst zu empfangen. Der Dienst hat seinen eigenen gesegneten und wichtigen Platz; doch ich glaube nicht, daß irgendwelcher Dienst unseren Seelen von bleibendem Nutzen ist, wenn ihm kein For­schen in der Schrift folgt.

Der Apostel ermahnt den jungen Timotheus: "Halte an mit dem Vorlesen"; dann sagt er ihm: "Bedenke dieses sorgfältig, lebe darin, auf daß deine Fortschritte allen offenbar seien" (l. Tim 4, 13. 15). Im zweiten Brief sagt er: "Bedenke was ich sage; denn der Herr wird dir Verständnis geben in allen Dingen" (2. Tim 2, 7). Als Diener sollte er ein Arbeiter sein, der "sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit recht teilt", und als Mensch Gottes sollte er in dem bleiben, was er gelernt hatte, und wissen, daß alle Schrift von Gott eingegeben ist und nütze zur Lehre usw. (2. Tim 2, 15; 3, 16). Hiermit in Verbindung steht eine Ermahnung in 2. Timotheus 1, 13, auf die wir achten sollten: "Halte fest das Bild (Umriß, Form, Muster) gesunder Worte." Timotheus sollte einen Umriß der Wahrheit in seinem Gedächtnis haben, so daß sie ihm klar vor Augen stand. In der Schule haben wir wohl manchmal Land­karten aus dem Gedächtnis aufzeichnen müssen; da kamen dann die wunderlichsten Umrisse und Formen zustande, die jedem Kopfzerbrechen verursacht hät­ten, der sagen sollte, welches Land das vorstellen solle. Nun, angenommen, man bäte dich, einen Umriß der Wahrheit des Christentums zu geben; wärst du dazu in der Lage?
Es ist der Wille Gottes, daß wir einen klaren Abriß der Wahrheit in unserer Seele haben; das können wir aber nicht, ohne in der Schrift zu forschen. Sonst wer­den unsere Gedanken über göttliche Dinge ver­schwommen und unbestimmt sein, und wir werden leicht die Beute irgendeiner einleuchtenden Irrlehre, deren es heute so viele gibt. Wenn wir wünschen, die Wahrheit festzuhalten, dann ist es mehr denn je nötig, daß wir täglich die Schriften untersuchen.
Das Wort "untersuchen" läßt uns erkennen, daß es sich dabei um einen bestimmten Gegenstand handeln muß. In vielen Fällen ist das Lesen der Bibel fast nutz­los, weil es ohne bestimmten Zweck geschieht. Der Leser sucht nichts und findet deshalb auch nichts. Es gibt doch gewiß für jeden manches, worüber er gern göttliches Licht haben möchte. Ob es sich um die Lehre der Schrift oder um Einzelheiten im Wandel handelt ‑ sicher hat jeder von uns seine Übungen bei seinen Seelenerfahrungen. Das alles sollte uns anspor­nen, die Schriften zu untersuchen.
Und beachten wir, das muß "täglich" geschehen! Dringend möchte ich alle hinweisen auf die Notwen­digkeit des täglichen Studiums des Wortes Gottes. Wir können in unserem Geist keine Leere aufrechterhalten; wenn das Vakuum nicht mit göttlichen Dingen aus­gefüllt wird, wird es mit menschlichen, irdischen und sündigen Dingen geschehen; nur das erstere kann wirklich befriedigen. 

Die Gewohnheit, die Schriften zu untersuchen, festigt sich bei dir, je mehr du sie aus­übst. Vernachlässigst du das Wort, so wirst du bald den Geschmack daran verlieren!
Wie oft liest du das Wort? Wann liest du es? Abends, wenn du müde, oder morgens, wenn du am aufnahme­fähigsten bist? Wer die Bibel am meisten liest, wird sie auch am meisten genießen und sich mit großer Freude zu ihr wenden. Wenn du andererseits das Wort heute vernachlässigst, so wirst du morgen weniger Ge­schmack daran finden, und es wird abnehmen von Tag zu Tag, bis die Bibel dir ein trockenes, langweiliges Buch wird. Laß dir daran gelegen sein, jeden Tag mit dem Wort zu verbringen; dabei handelt es sich nicht darum, recht viel zu lesen ‑ dazu fehlt dir vielleicht die Zeit ‑, du mußt es aber täglich tun.

Die tägliche Beschäftigung mit Christus Sprüche 8, 34‑35

"Glückselig der Mensch, der auf mich hört, indem er an meinen Türen wacht Tag für Tag, die Pfosten meiner Tore hütet!" Selbst beim täglichen Forschen in der Schrift wird unsere Seele sehr wenig Segen empfan­gen und keine geistlichen Fortschritte machen ohne das tägliche Wachen an der Tür der Weisheit. Die er­habene Gestalt, die der Mittelpunkt der Schrift ist ‑die Weisheit in Person, das ewige Wort ‑ muß der Gegenstand unseres Herzens sein, sonst werden wir vom Lesen nur wenig Nutzen haben. Mit einem Wort, Christus muß vor unserer Seele stehen, oder der Kern­punkt jeder Wahrheit der Heiligen Schrift geht uns ver­loren.
Unseren Versen liegt die Gepflogenheit an morgen­ländischen Höfen zugrunde, daß einige besonders Bevorzugte das Vorrecht hatten, in der Nähe des Herr­schers zu weilen. In Esther 1, 14 lesen wir von sieben Fürsten, die "das Angesicht des Königs sahen". An­dere mochten seine Befehle lesen oder in der Ferne von ihm hören, aber diese standen in seiner Gegen­wart und hörten seine Stimme. Ach, daß wir darauf Wert legen möchten!
Der Herrliche, der von Ewigkeit her „Tag für Tag" die Wonne des Herzens Gottes war, hat Sein Herz auf uns gerichtet und hat sich uns als Der geoffenbart, der Seine Wonne an uns gefunden hat (Spr 8, 22‑31). Fes­selt Er dein Herz derart und hast du solche Zuneigun­gen zu Ihm und solches Wohlgefallen an Ihm, daß dein ganzes inneres Leben darin besteht, Ihn zu hören, Tag für Tag an Seinen Türen zu wachen und die Pfosten Seiner Tore zu hüten? Das Geheimnis geistlicher Fri­sche und des Wachstums der Seele ist, die Person Christi so vor unserem Herzen zu haben, daß wir mit dem einzigen Verlangen, Ihn besser kennenzulernen, zu Ihm gezogen werden. Ermuntern wir doch gegen­seitig unsere Herzen hierzu!

Wünschen wir wirklich innigere Gemeinschaft mit Christus? Der große Mangel des modernen Christen­tums ist, daß die Liebe zu Christus so erkaltet ist. Viele hören ein sogenanntes ' klares Evangelium", vertrauen dem Blut und dem Werk Christi und gewinnen durch das Wort Gottes die Gewißheit, daß sie nicht verloren gehen. Damit geben sie sich zufrieden, bleiben dabei stehen und ‑ fangen an einzuschlafen. Da ist kein ern­stes Verlangen nach Ihm Selbst, kein tägliches "Wachen an Seinen Türen". ‑ Hast du je daran gedacht, daß der Herr deine Liebe schätzt? ‑ Du gehörst Ihm, bist der Gegenstand Seiner Liebe, bist Sein Eigentum. Dein Herz gehört dem Herrn; ist es auch Seine Wohnstätte? Seine Liebe rechnet damit, daß du Ihm in deinem Her­zen den ersten Platz einräumst, so daß Er durch den Glauben darin wohnt. Wohnt Er darin, so kannst du sicher sein, daß du Tag für Tag an Seinen Türen wachst. Dann suchst du nicht nur Wohltaten von Ihm zu empfangen, sondern verlangst nach Ihm Selbst und findest selige Freude daran, zum persönlichen Ver­kehr mit Ihm zugelassen zu sein.

Wenn man hier und da von dem Wandel und Dienst der alten Brüder erzählen hört, dann staunt man, wie ihre Herzen von dem Durst nach Christus erfüllt wa­ren. Sie waren von Seiner Person ganz hingerissen, Er war der lichte und erhabene Gegenstand, nach dem ihre Herzen verlangten. Oh, daß das auch bei uns mehr gefunden würde!
Welch ein schönes Beispiel von dieser herzlichen Zuneigung zum Herrn war Maria Magdalene in jenen Tagen! Die Apostel konnten ihr Herz nicht beeindruk­ken, sie ließ sie ruhig wieder heimgehen. Engel, groß an Gewalt und Kraft, redeten zu ihr, aber auch sie konnten sie nicht befriedigen. Den vermeintlichen Gärtner sah sie sich kaum näher an, als sie zu ihm sagte: "Herr, wenn du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, und ich werde ihn weg­holen" (Joh 20, 15). Sie vergaß sich selbst ‑ vergaß, was für eine schwache und hilflose Frau sie war. Er Selbst war es, nach dem ihr Ihm ergebenes Herz mit der ganzen Kraft seiner Zuneigung verlangte. Sie wachte an Seinen Türen" und "hütete die Pfosten Seiner Tore". Hat sie dabei etwa kein "Wohlgefallen er­langt von Jehova"? (Spr 8, 35). 

Nie zuvor war mensch­lichen Lippen eine derartige Botschaft göttlicher Liebe anvertraut worden, wie die, die sie überbringen durfte.
Auch die beiden Jünger in Johannes 1, 35 kannten etwas von dem, was uns hier beschäftigt, als das Ver­langen ihrer Herzen in der Frage zum Ausdruck kam: "Rabbi, wo hältst du dich auf?" (Vers 38). Sie wünsch­ten in Seiner Gesellschaft zu sein und wurden so in ihren Tagen "an Seinen Türen wachend" erfunden und "hüteten die Pfosten Seiner Tore". Und welch eine Gunst erlangten sie! Er spricht zu ihnen: "Kommet und sehet!" "Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben jenen Tag bei ihm." Welch ein köstlicher Tag mag das für sie gewesen sein! Ob sie ihn wohl je vergessen haben? ‑ Oh, das ist ein herrlicher Tag für das Herz, wenn es die persönliche Bekanntschaft mit Christus macht.

Auch Paulus sagt, daß er alles für Verlust achtet wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn, und daß er alles für Dreck achtet, um Christus zu gewinnen und Ihn zu erkennen (Phil 3, 7‑10). So steht er vor uns als einer, der völlig von dieser einen Person erfüllt war. Er wachte „Tag für Tag an Seinen Türen und hütete die Pfosten Seiner Tore". ‑ Hat er etwa kein "Wohlgefallen erlangt von Jehova"? War es etwas Geringes, in Wahrheit sagen zu können: "Unser Bürgertum ist in den Himmeln", oder "ich habe ge­lernt, worin ich bin, mich zu begnügen", oder "alles vermag ich in dem, der mich kräftigt"? (Phil 3, 20; 4, 11. 13). Er machte sich in Wahrheit die Segnung zu eigen, von der in Sprüche 8, 34f. die Rede ist. ‑Möchten unsere Herzen mehr, d. h. Tag für Tag, zu der gesegneten Person in der Herrlichkeit gezogen wer­den, damit auch wir dieses Segens teilhaftig werden!

Tägliches Gebet (Psalm 88, 9)

"Zu dir, Jehova, habe ich jeden Tag gerufen."
Tägliches Gebet ‑ wie wichtig für einen Wandel in Treue!
Mit Absicht haben wir erst die nach Christus ver­langende Liebe des Herzens betrachtet, denn wenn unser Verlangen wirklich nach Ihm steht, verändert sich nichts so sehr wie unser Gebetsleben. Wenn Er vor unseren Herzen ist, fühlen wir die Schwierigkeiten und Hindernisse in rechter Weise und verstehen ganz anders als einer, der Christus nicht zum Gegenstand seines Herzens hat, wie notwendig es ist, zu beten.
Auf Erden hat es nie einen Menschen gegeben, der so beständig im Geist des Gebets war, wie unser ge­priesener Herr, denn wessen Herz wäre Gott so er­geben gewesen! Die Vollkommenheit dieser Hingebung an Gott war es, die Ihn so gänzlich abhängig und zu einem so hervorragenden Mann des Gebets machte. Gerade im Lukas‑Evangelium sehen wir (und zwar siebenmal: Lukas 3, 21; 5, 16; 6, 12; 9, 18; 9, 28; 11, 1; 22, 41), wie Er, der wahrhaftige Mensch, bei allen wichtigen Gelegenheiten, allen Abschnitten Seines Dienstes Seine Zuflucht zum Gebet nahm. Hier finden wir Ihn "in ringendem Kampf", als Er "in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als Flehen Dem, der Ihn aus dem Tode zu erretten vermochte, mit starkem Geschrei und Tränen" darbrachte. 

‑ Bis spät nach Sonnenuntergang war Er tätig gewesen, aber dennoch "stand er frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, auf und ging hinaus", um zu beten (Mk 1, 32‑35). Täg­liches Gebet war der Ausdruck Seiner vollkommenen Abhängigkeit, nach dem Wort des Propheten: "Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre gleich solchen, die belehrt werden." So ist Er für uns das große Vorbild zu täglichem Gebet, wie Er es auch für Seine Jünger war; lies Lukas 11, l! Möchten wir die gleiche Bitte vor Ihn bringen!
Je mehr unsere Herzen auf Christus in der Herrlich­keit gerichtet sind und je mehr wir uns Seinem Werk hienieden widmen, desto mehr werden wir unsere Schwachheit und Abhängigkeit fühlen. Wir fühlen, daß hier alles gegen uns ist; wir sind uns des Wider­standes um uns und in uns bewußt und werden so mehr und mehr Menschen des Gebets. Der Apostel Paulus war auch ein Mann der Hingebung und war durchdrungen vom Geist des Gebets. "Nacht und Tag" betete er (l. Thess 3, 10; 2. Tim 1, 3) und wünschte, daß andere darin seine Nachahmer wür­den (l. Tim 5, 5).
Auch Daniel möge uns zum Vorbild sein! Er betete dreimal des Tages und hatte offene Fenster nach Je­rusalem hin (Dan 6, 11. 12). ‑ Wenn unsere Herzen mit Christus in der Herrlichkeit beschäftigt sind, werden auch wir gewiß viel auf unseren Knien liegen.
Einige sachgemäße Winke möchte ich hier geben. Vermeide die nutzlose Gewohnheit, gewissermaßen auswendig gelernte Gebete herzusagen. Der Zustand der bekennenden Kirche ist eine rechte Warnung, der Neigung unserer Herzen Raum zu geben, uns eine gewisse Fertigkeit in religiösen Gewohnheiten und For­men anzueignen. Gewohnheitsmäßig jeden Tag im Ge­bet die gleichen Worte zu wiederholen, ist ein sehr großer Verlust für unsere Seelen. Ein wirkliches Beten ist das überhaupt nicht. Der Apostel sagt: Jn allem lasset durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden." Wie ist das möglich, wenn wir Tag für Tag, Woche für Woche die gleichen Redewendungen gebrauchen? Heute ist nicht gestern und morgen wird nicht heute sein.

Wir werden uns der neuen Bedürfnisse jedes Tages in dem Maße bewußt sein, wie wir wirklich vor Gott wandeln. Es ist eine Freude für Gott, wenn Er sieht, daß Er unser Vertrauen im Blick auf jede Not und Sorge besitzt. Laßt uns deshalb ein kindliches Ver­trauen und kindliche Einfalt pflegen, wenn wir Ihm im Gebet nahen. Bringe dem treuen Gott, der dir empfiehlt, alle deine Sorgen auf Ihn zu werfen (l. Petr 5, 7), am Morgen deine heutigen Widerwärtigkeiten und am Abend die morgen zu erwartenden Schwierigkeiten und Beschwerden. Sei einfach, mache keine lange Vorrede, meine nicht, viele Schriftstellen anführen oder gar erklären zu müssen, sondern bitte, wie ein hilfsbedürftiges Kind voll Vertrauen den Vater bitten würde.

Wenn unsere Herzen auf Christus gerichtet sind, fühlen wir unsere Abhängigkeit viel tiefer, weil unser Glaube die Herrlichkeit Seines Namens mit allem in unserem täglichen Leben verbindet, und wir werden uns dessen bewußt, daß wir, nur soweit wir durch göttliche Kraft aufrecht erhalten werden, hienieden etwas für Ihn sein können. So haben wir manche Übungen, die andere, die dem Herrn weniger ergeben sind, nicht haben. Dafür genießen wir gar oft die tiefe Glück­seligkeit der Gemeinschaft mit Gott. Je mehr unser Herz auf Christus gerichtet ist, desto mehr werden wir durch Niedriggesinntheit und Abhängigkeit gekenn­zeichnet sein, die dann ihren Ausdruck im täglichen Gebet finden.

Eine vorn Geist geprägte Gebetsversammlung (Apostelgeschichte 4, 23‑31)

Das tägliche Brot (Matth 6, 11)

"Unser tägliches Brot gib uns heute." Gewiß handelt es sich hier um die irdischen Notwendigkeiten des Le­bens; unser Vater weiß, daß wir dies alles bedürfen, und Er sorgt für uns in allen diesen Einzelheiten. Doch ich möchte heute anhand des angeführten Verses darauf hinweisen, wie wichtig es für unsere Seele ist, täg­lich Nahrung zu bekommen.
Für unseren Leib brauchen wir jeden Tag geeignete Speise, aber für unsere Seele ist es nicht weniger nö­tig, etwas frisch von dem Herrn zu empfangen. Nun sage: Was hast du heute vom Herrn bekommen? Du sagst: "Ich habe ein gutes Buch gelesen oder einen Abschnitt aus dem Botschafter' oder sonst einer gu­ten Schrift." Sehr gut; doch hast du etwas vom Herrn bekommen? Oder du sagst: "Ich habe einige Kapitel aus der Bibel gelesen." Ich freue mich, wenn das so ist. Aber wir können viele Kapitel lesen, ohne etwas vom Herrn für das gegenwärtige Bedürfnis unserer Seele zu empfangen. Lesen und Hören sind dem An­schauen der Speise zu vergleichen, aber etwas ganz anderes ist es, sie zu genießen.
Wenn kein Appetit vorhanden ist, so haben wir nicht einmal den Wunsch nach Speise. Einer der großen Grundsätze Gottes aber ist der, daß Er "die dürstende Seele sättigt und die hungernde Seele mit Gutem er­füllt" (Ps 107, 9; vergl. Luk 1, 53). Fehlen Hunger und Durst, dann empfangen wir tatsächlich nichts; das täg­liche Brot unserer Seele lernen wir nur aufgrund unse­rer Herzenserfahrungen und ‑ übungen kennen. Damit meine ich nicht irdische Not, sondern die des Herzens und Geistes in den verschiedenen Seelenerfahrungen. ‑ Einige Begebenheiten aus dem Wort Gottes mögen dies deutlicher zeigen.
Ich denke da an die Kinder Israel in der Passah­nacht. Das Blut des Lammes diente zu ihrer Sicher­heit, das Wort Jehovas gab ihnen Gewißheit; aber den­noch war es für sie eine ernste Stunde, als Gott in Sei­ner Heiligkeit vorüberging. Gab es keine Speise für sie, nichts, was Gott in Seiner Gnade dazu bestimmt hatte, sie in solcher Stunde aufrechtzuerhalten und zu stärken? Doch, sie hatten sich, getrennt von allem Sauerteig, von dem am Feuer gebratenen Lamm zu nähren (2. Mose 12, 8. 9).

So auch der Christ. Er weiß sich in völliger Sicher­heit durch das Blut des Lammes und das Wort Gottes. Aber empfindet er ‑ in einer dem Gericht verfallenen Weit ‑ nicht ein tiefes Verlangen, in dieser Wahrheit mehr befestigt zu werden, immer mehr davon kennen­zulernen? Was soll er da tun? Er hat sich, getrennt vom Bösen, von dem Lamm zu nähren, sich die kost­bare Tatsache, daß Christus das Gericht Gottes völlig getragen hat, anzueignen, sie dem Wesen nach sei­nem sittlichen Sein einzuverleiben, und der Hunger seiner Seele ist gestillt.
Beachten wir, daß nichts anderes diesen Hunger wirklich stillen kann! Hat der Christ das recht erkannt ' dann beschäftigt er sich gern mit der fleckenlosen Voll­kommenheit des Opfers, mit der Liebe, die Christus willig machte, das Gericht zu tragen, und mit dem unendlichen Wert jenes göttlichen Werkes, das für im­mer das Gericht erschöpft hat, unter dem er stand. So erlangen für ihn die Finsternis auf Golgatha, der Schrei des von Gott Verlassenen und der Siegesruf "Es ist vollbracht!" eine große und tiefe Bedeutung. Die Seele erfaßt das und nimmt durch den Glauben davon Besitz ‑ sie nährt sich davon. Kennen wir wohl etwas davon?
Später waren die Kinder Israel in der Wüste, d. h. dort, wo es keine menschlichen Hilfsquellen gab; aber auch dort hatten sie Speise, und zwar jeden Tag. Als Errettete befinden wir uns in einem Sinn noch in Ägyp­ten, in einem anderen, da wir dem Land des Gerichts durch den Glauben an den Tod und die Auferstehung des Herrn entflohen sind, in der Wüste, wo uns jeder Tag neue Übungen bringt, wo wir Bedürfnisse empfin­den, die nicht mit menschlichen Mitteln befriedigt werden können.

Doch das Man fiel jeden Tag; wenn die Kinder Israel jeden Tag neuen Hunger hatten, so hatten sie auch je­den Tag neue Speise. Denn das Man, das sie in den Umständen des "Gestern" aufrechterhielt, hielt nicht für das "Heute" vor. "Und das Volk soll hinausgehen und den täglichen Bedarf an seinem Tage sam­meln" (2. Mose 16, 4). So können und müssen wir für die neuen Bedürfnisse und Übungen jeden Tag immer neue himmlische Gnade haben, die uns auf dem Glau­benspfad aufrechterhält. Wir kennen Einen in der Herr­lichkeit, der jede Einzelheit des Wüstenpfades kennt, denn Er Selbst ist ihn gegangen. Er ist jetzt dort, wo Er über alles verfügt, und wir können von Ihm täglich die unseren Wüstenerfahrungen angemessene Gnade empfangen. Die Lehre, so wichtig sie zu unserer Auf­erbauung ist, wird uns in unseren täglichen Nöten und Übungen nicht helfen, wir müssen die nötige, beson­dere Gnade täglich frisch vom Herrn bekommen, d. h. unser "nötiges" oder "tägliches Brot" haben. So wird der Verkehr des Herzens mit dem Herrn von Tag zu Tag aufrechterhalten, und unsere Zuneigungen kon­zentrieren sich mehr und mehr auf die Person und die Stätte, woher unser Beistand kommt.

Wir haben wohl alle schon einige Erfahrung in gött­lichen Dingen gemacht. Wir sind durch Gottes Gnade erweckt, bekehrt und dahin geführt worden, dem Herrn Jesus zu vertrauen; wir haben Frieden mit Gott, ‑doch da scheinen die meisten stehenzubleiben. Sie ha­ben alles erlangt, was sie brauchen, geben sich damit zufrieden und schlafen ein, d. h. sie leben mehr oder we­niger nach denselben Grundsätzen wie die unbekehrten Menschen. Laß dich fragen, junger Bruder, junge Schwe­ster, würde es nicht einen großen Wechsel in deinem Leben bedeuten, wenn du dich heute für einen Weg ent­scheiden würdest, auf dem die menschlichen Hilfsquel­len nichts nützen und du beständig zum Herrn in der Herrlichkeit aufblicken würdest, um der täglichen Gnade willen, die dich befähigt, weiterzugehen?

Mit deiner eigenen Kraft und mit dem, was dir zu Gebote steht, kannst du als Christ nicht durchkom­men. Deine Stärke liegt einzig und allein "in der Gnade, die in Christo Jesu ist" (2. Tim 2, 1), und diese kannst und mußt du jeden Tag und jede Stunde, für jeden Weg und für jeden Schritt, frisch als Speise deiner Seele haben. Das würde uns vor allem Ge­wohnheitsmäßigen und vor dem so unwürdigen Formenwesen bewahren; einförmige Wiederholungen, bloße mechanische Vorgänge fielen bei uns weg, weil jeder Tag neue Erfahrungen von der Gnade in Christo bringen würde, und das Bewußtsein Seiner Teilnahme an allem, was uns betrifft, würde unsere Herzen mehr und mehr mit Ihm verbinden. Der Herr möge uns da­vor bewahren, daß uns die täglichen Bedürfnisse un­serer Seele gar nicht zum Bewußtsein kommen oder daß wir gleichgültig gegen die immer vorhandene Gnade werden, die uns Seine Liebe gern als tägliches Brot darreichen möchte!

Das tägliche Kreuz (Lukas 9, 23)

"Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf täglich und folge mir nach."
Ich kann mir vorstellen, daß uns das tägliche Kreuz abschreckt, wenn wir nicht etwas von der Gnade ken­nen, von der wir im letzten Kapitel gesprochen haben. Nur "tägliches Brot" befähigt uns, täglich unser Kreuz auf uns zu nehmen, gerade so wie wir in Lukas 14 zu­erst das große Abendmahl und dann erst das Bauen eines Turmes und den Kampf haben. Wie kann man bauen oder kämpfen, wenn man nicht vorher Speise zu sich nehmen konnte?
In ähnlicher Weise nährt man sich in Hebräer 13 zu­erst vom Altar (Vers 10), und dann hat man einen Weg zu gehen (Vers 13). Wir versuchen oft, Seelen dahin zu bringen, einen bestimmten Weg zu gehen, den Weg der Absonderung, ohne sie zuvor zu speisen; doch das ist nicht Gottes Art. Als Er Elia auf einen langen Weg sandte, speiste Er ihn zunächst (l. Kön 19, 5‑8). Wir müssen uns von der himmlischen Gnade nähren, die von Christus kommt, sonst werden wir nie den Mut haben, zu Ihm hinauszugehen. Wenn wir gelernt haben, daß von Ihm allein unsere Hilfe kommt, werden wir auch willig sein, zu Ihm hinaus an den Platz der Schmach und Schande zu gehen, der dem täglichen Kreuz in Lukas 9 entspricht. Dann gehen wir den Pfad, der uns täglich der Schmach und der Verachtung aussetzt.
Hier möchte ich zunächst einem weitverbreiteten Irr­tum entgegentreten: Das tägliche Kreuz ist nicht etwa leibliches Elend oder die alltägliche Mühsal des Lebens, wie manche meinen, denn diese Dinge be­schränken sich ja nicht nur auf Christen; sie sind das Teil aller Menschen. "Nimm dein Kreuz auf täglich", das besagt, daß man willig ist, Tag für Tag einen Pfad zu gehen, der in den Augen der Welt ein Pfad der Unehre und der Schande ist. Ein Gekreuzigter war Juden und Griechen unsäglich verächtlich, und ver­gessen wir nicht, daß das Kreuz heute, obwohl es dem Namen nach in hohem Ansehen steht, den Men­schen in Wahrheit nicht im geringsten annehmbarer ist als früher.
Und beachten wir auch, daß der Herr Jesus nicht (wie manche denken) gesagt hat: "Mein Kreuz", son­dern: "Der nehme sein Kreuz auf täglich." Sein Kreuz würden wir ja auch gar nicht tragen können; Er trug es für uns, und Gott sei dafür gepriesen, daß Er es ge­tan hat' ‑ Nein, es muß unser Kreuz sein. Für einen Simon von Kyrene bedeutete es keine besondere Schmach, daß er ‑ als ein völlig Unbeteiligter ‑ das Kreuz eines anderen zum Richtplatz trug; es mußte ja wenige hundert Schritte später offenbar werden, daß es nicht sein Kreuz war, daß er nicht daran geschlagen werden sollte.
An einem Menschen, der sein Kreuz trägt, sieht je­der, daß er mit der Welt fertig ist; und solange man das verwirklicht, ist man ein Gegenstand der Schmähungen. Das Kreuz tragen heißt, diese Schmach auf sich nehmen, mit dem in Verbindung stehen, was gering und verächtlich ist in den Augen der Menschen.

Sicherlich ist es Seine Schmach, um die es sich handelt. Für Fleisch und Blut ist es nie leicht, Christus zu folgen und Seine Schmach zu tragen. Da haben wir es nötig, uns an das Wort zu erinnern: "Da nun Chri­stus für uns im Fleische gelitten hat, so waffnet auch ihr euch mit demselben Sinne; denn wer im Fleische gelitten hat, ruht von der Sünde" (l. Petr 4, 1). Die Treue gegen den Herrn bringt das Aufgeben von vie­lem mit sich, was wir von Natur schätzen: das Lob von Menschen und die Ehrungen, die mit dem Leben in dieser Welt in Verbindung stehen (Joh 12, 25). Wenn wir den Blick vom Herrn abwenden, so weichen wir dem Kreuz aus und versuchen, ihm seine Härte zu nehmen und dem Hohn und Spott der Welt zu entge­hen. Wohin unser Auge blickt, dahin wird auch unser Fuß gehen.

Als ich vor vielen Jahren die "Pilgerreise" von Bun­yan las, fiel es mir auf, daß Schande und Schmach mit die schlimmsten Feinde des Pilgers waren. Versuchen wir einmal, christliche Schriften und Traktate zu vertei­len, und wir werden merken, welch einen Kampf das kostet; jedes kleine Zeugnis für Christus kostet etwas. Wenn wir natürlich im Fleische handeln, werden wir dem entgehen. Dann kann es sogar sein, daß wir mit uns und unserem Dienst sehr zufrieden sind. Ein wah­res Zeugnis aber schließt Selbstverleugnung und das tägliche Kreuz in sich, denn Jüngerschaft bedeutet nie einen Pfad der Freiheit für das Fleisch. Richte deinen Blick auf den Herrn Jesus, und du wirst dem Fleisch nicht seinen Willen tun, sondern im Geiste wandeln und von Herzen mit dem Dichter singen können:

Ein Vorrecht ist's, hinaus zu gehen,
zu folgen Deinen Tritten nach,
mit Dir vom Lager fern zu stehen 
und willig tragen Deine Schmach.

Kinder Gottes, die im Geiste wandeln, fürchten das Kreuz nicht. Sie halten die Schmach des Christus für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens, sie schauen auf die Belohnung. Nimm dein Kreuz täglich auf, und du wirst hier schon das Bewußtsein der Aner­kennung des Herrn haben; bald aber wird das tägliche Kreuz zum unermeßlichen Gewinn in der Herrlichkeit.

Tägliche Furcht Gottes (Sprüche 23, 17)

Es kann schnell dahin kommen, daß das Kreuz, das wir aufgenommen haben, uns drückt, daß wir unter der Last der Schmach Christi zu Boden sinken. Wir können den Weg der Selbstverleugnung, von dem wir oben ‑ gesprochen haben, nicht gehen, können nicht "unser Kreuz aufnehmen täglich", wenn wir auf Menschen blicken. Wieviel leichter, so raunt uns der Feind ins Ohr, ist doch der Weg der Kinder dieser Weit! Sie versagen sich nichts und haben doch überall Gelingen! Und das andere kommt gleich hinterher: Muß man es wirklich so genau nehmen? Man kann doch auch zu weit gehen, man soll doch nichts übertreiben!
Hier ruft uns nun das Wort Gottes zu: "Dein Herz beneide nicht die Sünder, sondern beeifere sich jeden Tag um die Furcht Jehovas." Der Geist Gottes weiß, daß wir uns so gern den Weg anderer zum Muster und zur Richtschnur nehmen und unseren Weg mit dem ihrigen vergleichen.
Dieses Bemühen ist gefährlich und immer verkehrt. Schon der König David, der in geistlicher Beziehung so­viel weniger wußte und genoß als wir, hat ganz ähnlich gesagt: "Beneide nicht die, welche Unrecht tun! Denn wie das Gras werden sie schnell vergehen" (Ps 37, 1).
Und gleich ihm die Söhne Korahs: fürchte dich nicht, wenn ein Mann sich bereichert, wenn sich vergrößert die Herrlichkeit seines Hauses. Denn wenn er stirbt, nimmt er das alles nicht mit" (Ps 49, 16. 17). Einer von ihnen aber, der fromme Sänger Asaph, hat einmal in besonde­rer Weise eine solche Versuchung gehabt (lies Psalm 73 ‑ bis er "hineinging in die Heiligtümer Gottes und jener Ende gewahrte", d. h. das Ende der in Wohlfahrt und Sorglosigkeit dahinlebenden Gesetzlosen. Wissen wir, wie er selbst über die bitteren Gedanken, die ihn be­wegt hatten, urteilt? Er nennt sich "unwissend" und "dumm" (Ps 73, 21. 22). 

Möchten wir daraus lernen!
Junge Christen schielen gern einmal nach der Welt; weil sie innerlich noch unbefestigt sind, neigen sie dazu, auf einen Weg der Halbheiten zu geraten, auf dem sie niemals glücklich sein können. Und wie viele ältere Gläubige sind da noch in Gefahr, ja wir müssen sagen, sind dieser Gefahr erlegen! Leidensscheu, Schonung ihres Ich, Menschenfurcht wurden ihnen zu einem Fallstrick, so daß sie "auf zwei Wegen gehen" und beständig "auf beiden Seiten hinken" (Spr 29, 25; 28, 6; 1. Kön 18, 21). Welch ein armseliges Leben! Und wie nennt Gottes Wort das? Torheit und Verblendung!
Wenn das bei uns der Fall ist, dann hilft es uns nichts, wir müssen noch einmal ganz von vorn an­fangen. Denn die Furcht Jehovas ist der Erkenntnis Anfang. Dahin müssen wir zurück und dann auch mit Herzensentschluß dabei verharren. "Dein Herz be­neide nicht die Sünder, sondern beeifere sich täglich um die Furcht Jehovas". ‑ Daß das eine gesegnete Umkehr und ein gesegneter und glücklicher Weg ist, brauche ich kaum zu sagen. Wir fühlen und wissen das ja ganz genau. Wie wünschte ich, daß viele durch das Lesen dieser Zeilen dazu gelangten!
Dieses "Beeifern" soll und muß täglich geschehen. Es soll die ganze "Zeit unserer Fremdlingschaft" währen (Lies 1. Petrus 1, 17. 18). Ja, "glückselig der Mann, der sich beständig fürchtet!" ‑ vor sich selbst, vor einem Abweichen vom geraden Weg, vor Gott (Spr 28, 14).
Freilich werden wir, gerade wenn wir diesen „täg­lichen Eifer" an den Tag legen, immer wieder die Fest­stellung machen müssen, daß wir gefehlt haben und zu kurz kommen. Das wird um so mehr der Fall sein, je genauer wir es nehmen. Zu der täglichen Furcht Gottes muß daher das tägliche Selbstgericht kom­men. Wird das nicht bei uns gefunden, dann werden wir mehr und mehr gleichgültig gegen die Wahrheit, daß Der, der uns berufen hat, heilig ist und darum auch wir heilig sein sollen in allem Wandel (l. Petr 1, 15).

Vergessen wir nicht: "Gott ist ein gerechter Richter, und ein Gott, der jeden Tag zürnt"! (Ps 7, 11). Er geht niemals mit, wenn wir etwas tun oder beschließen, was nicht nach Seinen Gedanken ist; "wenn wir untreu sind ‑ er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen" (2. Tim 2, 13). Wie gut, wenn wir das schon in jungen Jahren verstehen und täglich in der Furcht Gottes und im steten Selbstgericht unseren Weg gehen, wenn wir "sorgfältig wandeln", indem wir wissen, daß unser Herz "nur böse" ist "den ganzen Tag", wie auch die Tage böse sind, in denen wir leben (l. Mose 6, 5; 8, 21; Eph 5, 15. 16).
Der Aufrichtige tritt gern in das Licht Gottes, um alles zu richten und aufgrund des vollkommenen Wer­kes Christi hinwegzutun, was nicht in dieses Licht paßt. So bleiben wir in praktischer Gemeinschaft mit Ihm, genießen Seinen Frieden und erfahren neben der Wahrheit, daß Gott Licht ist, auch die andere, daß Er Liebe ist, wie geschrieben steht: "Es sind die Gütig­keiten Jehovas, daß wir nicht aufgerieben sind; denn seine Erbarmungen sind nicht zu Ende; sie sind alle Morgen neu, deine Treue ist groß" (Klagel 3, 22‑23).

Tägliches Ausharren (1. Mose 39, 10)

Wenn wir uns „täglich beeifern", in der Furcht Got­tes zu wandeln, begegnen wir nicht nur immer neuen Übungen, sondern werden unter Umständen auch ‑und das ist oft weit schwerer ‑ in ein und derselben Sache immer wieder auf die Probe gestellt, gehen durch lang anhaltende Prüfungen des Glaubens und des Gehorsams. Da dürfen wir denn "unsere Zuver­sicht nicht wegwerfen, die eine große Belohnung hat;" wir bedürfen des Ausharrens, auf daß wir, nachdem wir den Willen Gottes getan haben, die Verheißung davontragen (Hebr 10, 35. 36).
Es war sicher eine ernste Übung für Joseph, daß Potiphars Weib ihn zum Bösen verleiten wollte; aber haben wir schon einmal darauf geachtet, daß dies täglich geschah? Die Antwort, die Joseph ihr gab: "Wie sollte ich dieses große Übel tun und wider Gott sündigen?" ist uns allen bekannt; sie ist ein wunder­schönes Zeugnis dafür, daß dieser junge Mann in der Furcht Gottes wandelte. Noch schöner aber ist es, daß er in dieser Stellung verharrte; denn wir lesen im nächsten Vers, daß er, obwohl jenes Weib ihn „Tag für Tag ansprach", doch "nicht auf sie hörte".

Ähnliches wird uns im Buch Esther berichtet. Dem bösen Haman, diesem Vorbild des „falschen Prophe­ten" der letzten Tage, des Antichristen, sollte sich auf Befehl des Königs Ahasveros alles beugen. Aber Mor­dokai, der treue Jude, "beugte sich nicht und warf sich nicht nieder". Da fragten sie ihn: "Warum über­trittst du des Königs Gebot?" Dann lesen wir: "Und es geschah, als sie es Tag für Tag zu ihm sagten, und er nicht auf sie hörte . . . " Mordokai harrte aus, und auch wir sollten es tun, wenn der antichristliche Geist unserer Tage Einfluß auf uns gewinnen will und unsere Treue täglich auf die Probe stellt ‑ und stünden wir auch so allein inmitten unserer diesem Geist huldi­genden Umgebung wie Mordokai (Esther 3, 1‑4).
Schwierig war auch die Lage der aus der Gefan­genschaft zurückgekehrten Juden, als sie inmitten heuchlerischer, aber im innersten Herzen feindseliger Widersacher das Werk Gottes taten und den Tempel Jehovas bauten. Das Volk des Landes suchte ihre Hände schlaff zu machen und sie vom Bauen abzu­schrecken. "Und sie dingten Ratgeber wider sie, um ihren Plan zu vereiteln, alle die Tage Kores, des Königs von Persien, und bis zur Regierung Darius, des Königs von Persien" (Esra 4, 1‑5). Das waren vier Jahre.
Wie nötig haben wir es, auszuharren, wenn wir uns in irgendeiner Weise mit dem Werk des Herrn beschäf­tigen! Das Wort Gottes ruft uns zu: "Meine geliebten Brüder, seid fest, unbeweglich, allezeit überströ­mend in dem Werke des Herrn, da ihr wisset, daß eure Mühe nicht vergeblich ist im Herrn" (l. Kor 15, 58).

Paulus, der dieses Wort niederschrieb, ist uns in die­sem täglichen Ausharren ein besonderes Vorbild. Jäg­lich sterbe ich", ruft er in demselben Kapitel aus, wenn er davon spricht, daß er in Ephesus gleichsam "mit wilden Tieren" gekämpft hat (V. 31 u. 32). Aber außer dem, was "außergewöhnlich" war, gab es noch etwas, das täglich auf ihn andrang: "Die Sorge um alle Versammlungen" (2. Kor 11, 27. 28). Er hatte es, wie David, auf seinem ganzen Weg in wachsendem Maß mit Menschen zu tun, die Jäglich Krieg erregen" (Ps 140, 2).
Doch kehren wir zu Joseph zurück. Das, was das angeführte Wort berichtet, war eine ernste Kraftprobe für ihn, eine furchtbare tägliche Versuchung und Her­zensübung; wie muß er gelitten haben! Wäre er unter­legen, dann wäre es freilich kein Leiden mehr für ihn gewesen, dann hätte ihn der Strom, gegen den er so lange mit Erfolg angekämpft hatte, mit fortgerissen; aber dann wäre er auch des Nutzens und Segens verlustig gegangen, der aus seinem täglichen Über­winden und seinem täglichen Ausharren für ihn selbst, für den Pharao, für Ägypten, ja, für die ganze Welt her­vorkam, und ‑ wunderbar! ‑ nicht zuletzt für seinen Vater und für seine Brüder. Das hätte er sich natürlich nicht träumen lassen, daß sein Ausharren solche Aus­wirkungen haben könnte, daß all das Traurige und Erniedrigende, das er erlebt hatte, auf diesem Weg zum Guten gewendet werden sollte (Lies 1. Mose 50,20).

Zunächst freilich sah es nach dem Gegenteil aus, denn seine Treue gegen Gott brachte ihn, wie wir wis­sen, auf über zwei Jahre ins Gefängnis. Welch eine große, schmerzliche Enttäuschung muß das für ihn gewesen sein, gerade des Übels, dem er mit Erfolg widerstanden hatte, beschuldigt, ja dafür verurteilt zu werden und nun vor aller Welt als ein Treuloser und Ehebrecher dazustehen! Doch wir hören nichts von Klagen und Selbstmitleid; er harrte aus, zwei volle Jahre lang, auch als der bittere Tag kam, wo er fest­stellen mußte, daß man ihn ‑ vergessen hatte. Denn beachten wir es wohl, diese beiden schweren Jahre bestanden aus lauter einzelnen Tagen; Morgen für Morgen stand all das Bittere wieder vor seiner Seele, Tag für Tag wurden seine Geduld und sein Glaube wieder neu auf die Probe gestellt. Aber, wie schön, "Jehova war mit ihm und wandte ihm Güte zu" (l. Mose 39, 21). Das war reichlich Lohn für sein Ausharren, denn "Seine Güte ist besser denn Leben" (Ps 63, 3). Das ist so, und das weiß jeder Gläubige auch ganz gut; es kommt nur darauf an, daß wir es im Glauben verwirklichen und unseren Weg unentwegt danach einrichten.

Furcht Gottes gab, wie wir sahen, dem damals noch nicht Dreißigjährigen die Kraft zu täglichem Aushar­ren. Er handelte wie Nehemia, von dem wir einmal lesen: "Ich aber tat nicht also, aus Furcht vor Gott" (Neh 5, 15). Doch die Quellen des täglichen Aushar­rens sind mannigfach: kindlicher Glaube, Liebe zum Herrn und Seinem Volk, Hingabe an Ihn und ein Herz für Sein Werk ‑ wo diese Dinge bei uns gefunden wer­den, werden sie uns Kraft zum Ausharren darreichen.
Auch Nehemia ist ein Beispiel täglichen Ausharrens für uns. Gleich zu Anfang seiner Geschichte sehen wir ihn tagelang Leid tragen über den traurigen Zustand des Volkes Gottes; tagelang fastete er und betete, daß Gott es ihm doch "heute" gelingen lassen wolle; aber erst nach vier Monaten kam der Tag, an dem sein Gebet erhört wurde (vgl. Kap. 1, 1. 4. 6. 11 mit 2, 1).
Mannigfach, wie die Quellen unseres Ausharrens (obwohl alles nur die Gnade wirkt), sind auch die Ge­biete, auf denen unsere Geduld erprobt wird. Unser Gebetsleben, unser Zeugnis vor der Welt, die pünkt­liche und gewissenhafte Erfüllung unserer Pflichten, körperliche Leiden und Schmerzen, Enttäuschungen und Verzicht auf die Erfüllung unserer Wünsche oder langes, anhaltendes Warten darauf und, nicht zuletzt, die Versuchungen in unserem Fleische ‑ überall fühlen wir, wie sehr wir Ausharren und Festigkeit nötig haben. Jeder von uns hat da sein besonderes Gebiet, viel­leicht eins, von dem niemand außer Gott und uns etwas weiß, womit wir es tagaus, tagein zu tun haben.
So laßt uns denn, "mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf", wegschauend von allem anderen auf Jesum hin, den Anfänger und Vollender des Glaubens (Hebr 12, 1. 2). Nur wenn wir das tun, wird unser Ausharren "ein vollkommenes Werk" haben (Jak 1, 4).

Tägliche Ermunterung (Hebräer 3, 13)

Das Bedürfnis nach Ermunterung ist sehr groß, denn unsere Herzen neigen beständig dazu, "mutlos auf dem Wege" zu werden (4. Mose 21, 4). Besonders junge Gläubige bedürfen täglicher Ermunterung, und es ist ein großes Vorrecht vom Herrn, einander er­muntern zu können (l. Thess 4, 18).
Es ist zu fürchten, daß mancher zurückgeht und auf Abwege gerät, weil wir dem Herrn nicht nahe genug sind und nicht Liebe genug zu ihm haben, um ihm ein Wort der Ermunterung zu sagen. Die Bemühungen, den alten Menschen abzukanzeln, sind nutzlos; man mag ihm predigen und ihn mit aller Macht klein zu kriegen suchen, doch er hält allen unseren Schlägen stand. Wir müssen unser Auge auf das richten, was in den Heiligen von Gott ist und uns daran geben, dieses zu ermutigen. Das ist wohl der einzige Weg, einander zu helfen. In jedem Heiligen ist etwas von Gott; es mag sehr schwach sein, aber darauf müssen wir aufbauen, das müssen wir ermutigen.
In den Briefen des Neuen Testaments finden wir ' was ich meine. Ich erinnere an die Galater; sie waren in einem schlimmen Zustand, liefen sogar Gefahr, die Grundlagen des Christentums aufzugeben, und doch sagt der Apostel zu ihnen: "Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn, daß ihr nicht anders gesinnt sein werdet" (Gal 5, 10). Wir müssen von dem göttlichen Standpunkt aus auf die Heiligen schauen, dann werden wir anerkennen, was sie nach Gottes Gedan­ken und Vorsatz sind. Dann rechnen wir mit dem Werk Seines Geistes in ihnen, anstatt auf all das zu blicken, was unser Herz ihnen abwendig machen würde, wie es unvermeidlich geschieht, wenn wir nach dem Sehen unserer Augen und dem Hören unserer Ohren urteilen (Jes 11, 3). Laßt uns also mit dem Werk Gottes in den Seelen Seiner Heiligen rech­nen und auf jede Weise dem zu helfen und das zu ermutigen suchen, was von Ihm ist. "Wenn wir durch den Geist leben, so laßt uns auch durch den Geist wandeln."
Das ist nicht etwas, was nur Lehrer und Diener des Wortes angeht; es heißt: "Ermuntert nun einander" (l. Thess 4, 18). Das gilt für einen jeden von uns, wenn wir miteinander in Berührung kommen. Wie oft wurde ich durch die bloße Begegnung mit einem Bruder ermutigt! Wie kann oft ein Wort der Teilnahme und Ermunterung den Pfad erhellen! Wieviel kann in einem Händedruck liegen! "Grüßet einander!" Tausend Wege gibt es, einander zu ermuntern, wenn wir nur selbst dem Herrn nahe genug sind.
Und diese Ermunterung sollte täglich geschehen. Es ist leicht, wie ein Meteor kurz aufzuleuchten; aber wenn wir wie die Fixsterne ein beständiges Licht zur Ermunterung für andere sein sollen Tag für Tag, so müssen wir selbst täglich in Christus bleiben und im Geiste wandeln. Dann wird bei uns statt einer Ab­nahme ein Wachstum zu finden sein und damit die Quelle einer täglichen Ermunterung für unsere Umgebung ‑ um so mehr, je mehr wir "den Tag her­annahen" sehen (Hebr 10, 25).

Tägliches Danken (Psalm 145, 2)

"Jeden Tag will ich dich preisen und deinen Namen loben immer und ewiglich." ‑ Tägliches Danken!Wer von uns übt es, wer von uns kann es, an guten wie an bösen Tagen?
Wir haben alle ein vergeßliches und undankbares Herz. Unzählige Male werden wir deshalb in der Hei­ligen Schrift daran erinnert, doch dankbar zu sein und "nicht zu vergessen" (Ps 103, 2). Aber David sagt auch nicht von sich: "Ich preise dich jeden Tag", sondern: "Jeden Tag will ich dich preisen" ‑ es ist sein Wunsch, es ist das Begehren seines Herzens, er findet es an­gemessen und geziemend, und es ist auch das Ergeb­nis aller seiner oft auf schweren und bitteren Wegen gemachten Herzenserfahrungen. Und dieses Begehren wird auch in unseren Herzen sein, zumindest fühlen wir, daß es so bei uns sein sollte.
Warum ist es oft nicht so? Sicherlich, weil die ande­ren "täglichen Notwendigkeiten", die wir der Reihe nach betrachtet haben, so wenig bei uns gefunden werden. Wenn wir immer nur mit uns selbst beschäf­tigt sind ‑ in welcher Weise es auch sei ‑ werden wir gewiß nicht zum Lob Gottes gestimmt sein. Das täg­liche Untersuchen der Schriften, die tägliche Be­schäftigung mit Christus und der tägliche Umgang mit Ihm im Gebet, ja auch, daß wir uns täglich wirk­lich von Ihm als dem wahren Manna nähren, dem wahren Passahlamm, für uns geschlachtet ‑ das erst wird unser Leben zu einer beständigen "Festfeier" machen (Lies 1. Kor 5, 7. 8). Wie glücklich und zum Dank gestimmt werden da unsere Herzen!
Zwei Dinge sind hier auseinanderzuhalten, die viel­leicht nicht allen von uns in gleicher Weise bekannt sind. Zweierlei bringt Lob und Preis in unseren Herzen hervor: Das, was Gott tut und an uns getan hat, wie Er uns zu Sich gezogen und getragen hat alle die Zeit, wie Er uns bewahrt, wie oft Er uns "zur Hilfe gewesen ist" auf dem Wege (Ps 63, 7), das ist es, was gewöhn­lich unsere Herzen zu Lob und Dank stimmt, obwohl wir auch da die Mahnung nötig haben, "alle Seine Wohltaten nicht zu vergessen". Wie gedankenlos neh­men wir oft Seine stete, unermüdliche Fürsorge für Leib und Seele hin, Seine Bewahrung und Durchhilfe; und sollten wir nicht, wie das Gute, so auch "das Böse" von Ihm annehmen? (Hiob 2, 10). Gerade in diesem Punkt freilich will das Danken erst gelernt werden. Hier fühlen wir wohl in besonderer Weise unser Zukurzkommen.
Im Blick hierauf kann uns aber das zweite von Nut­zen sein, indem wir uns mehr damit beschäftigen, was Gott ist und wie Er sich in Christus gegen eine un­dankbare, verworfene und verlorene Welt geoffenbart hat. 0, der gnadenreiche Gott! Wo wären wir, wenn Er Sich uns gegenüber nicht so gezeigt hätte? Hier las­sen wir alle es so viel fehlen, ja manche Gläubige wis­sen überhaupt von einer solchen Betrachtungsweise nichts und kennen daher auch gar nicht die Glück­seligkeit des Lobpreises Gottes und der Anbetung in Geist und Wahrheit.
Sicher ist, daß auch unser praktischer Zustand viel dazu beiträgt, ob wir danken können: Nur "mit dem ungesäuerten Brote der Lauterkeit und Wahrheit" können wir "Festfeier halten". Wenn es an einem täg­lichen Aufnehmen des Kreuzes bei uns fehlt, an der täglichen Furcht Gottes und dem täglichen Selbst­gericht ‑ wie könnte es anders sein, als daß wir dann als niedergedrückte, kopfhängerische Christen einher­gehen? Wenn ferner der Glaube nicht tätig ist und nicht tägliches Ausharren bei uns gefunden wird, wenn wir nicht darauf bedacht sind, anderen zu dienen und zum Segen zu sein, indem wir einander täglich er­muntern, ‑ wie können unsere Herzen glücklich und zum Lobe Gottes gestimmt sein? Doch auch umge­kehrt ist es wahr: Je dankbarer unsere Herzen sind gegen Gott, um so gewissere Tritte werden wir tun. Tägliches Danken ist eine Kraftquelle für unseren Wandel.
David fing früh an, sich in einer solchen Herzenshal­tung zu üben; daß er hierin durch eine gesegnete Schule ging, sehen wir aus den Psalmen. Gott unter­wies seine Finger nicht nur "zum Kriege", sondern auch im Spielen des "Zehnsaits" und der "Harfe", im "Saitenspiel mit der Laute", um jeden Morgen zu ver­künden seine Güte und seine Treue in den Näch­ten (Ps 144, 1; 92, 1‑4). Diese Unterweisung begann schon, als er noch ein junger Mann und bei den Schafen war; er war schon darin geübt, als Saul ihn an seinen Hof nahm. War es etwa leicht, am Hof des verworfenen, von einem bösen Geist besessenen Kö­nigs den Namen Gottes zu preisen, in steter Lebens­gefahr, inmitten solch einer niederdrückenden Umge­bung? Und doch, "Tag für Tag" spielte er dort mit Seiner Hand (l. Sam 18, 10). ‑ Hatte er doch früh schon erfahren, daß der Herr „Tag für Tag" seine Last trug und daß Gott ihm "ein Gott der Rettungen" war; "bei Jehova, dem Herrn", so sang er, "stehen die Aus­gänge vom Tode" (Ps 68, 19. 20).
Möchten wir ihm darin folgen und früh beginnen, uns im täglichen Lob und Preis, im täglichen Danken zu üben! Der fromme Sänger selbst ruft es uns zu: "Singet Jehova, ganze Erde! Verkündet von Tag zu Tag Seine Rettung!" (l. Chron 16, 23). Ja, möchten wir der "täglichen Notwendigkeiten" für un­seren Weg gedenken!
0 Dank für Deine Lieb und Huld! Dein Name sei gepriesen! 0 Vater, Dank für die Geduld, die Du uns stets erwiesen! Bald werden dort wir immerfort Dir Lob und Ehre bringen und Deine Huld besingen.