Die Erscheinung des Sohnes Gottes — des „ewigen Lebens, welches bei dem Vater war" — in der Welt hatte den Zweck, den Vater zu offenbaren und uns mit dem Sohne in
eine und dieselbe Gemeinschaft des Vaters einzuführen. Er, Der „bei Gott", und Der „Gott" war, erniedrigte Sich Selbst, indem Er Knechts gestalt annahm und bis zu uns hernieder
kam, um uns Seiner Natur teilhaftig zu machen. Sein Kommen geschah in einer unerwarteten Weise. Wohl hatte Johannes der Täufer Zeugnis von Seiner Hoheit gegeben; aber daß Er, „der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters, der Abdruck seines Wesens", in einer so demütigen Gestalt erscheinen würde, hatte niemand erwartet.
Die Beweggründe der Fleischwerdung Jesu waren außer dem Hauptzweck, den Vater zu verherrlichen und Sein Blut für unsere Sünden zu vergießen, verschiedener Natur. Zunächst kam Er als ein großer Prophet, um mit uns in einer uns vertrauten Sache von den großen Dingen zu reden, die im Herzen des Vaters verborgen lagen. Gott erweckte einen
Propheten, Der uns gleich war, um uns Seine Geheimnisse durch die Lippen eines Menschen zu offenbaren. Ferner kam Er, um, indem Er zur Offenbarung Gottes unter den Kindern
der Menschen umherwandelte, die Werke des Vaters zu tun.
Er war das lebendige Brot, das vom Himmel hernieder kam und „Fleisch ward", um nicht nur Sein Blut zur Vergebung der Sünden zu vergießen, sondern auch Sein eigenes Leben mitzuteilen. „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel hernieder gekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isset, so wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das
ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt . . . Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, hat das ewige Leben . . . Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, bleibt in mdr und ich in ihm" (Joh 6, 51. 54. 56).
Diese außergewöhnliche Person, die als Sohn Gottes, kommend vom Himmel aus dem Schöße des Vaters, unserem Glauben geoffenbart ist, zeugte stets von Sich Selbst, in keiner anderen Beziehung zur Erde zu stehen, als daß Er gekommen sei, um einer rebellischen Welt Segen und Frieden zu bringen. Oft versicherte Er, daß Er kein anderes Ziel verfolge, als den Vater zu verherrlichen, das „Opfer für die Sünde zu vollbringen", die Seinigen zu retten und als der
„Gesandte" die bis jetzt verborgenen Dinge zu offenbaren, während Er zu gleicher Zeit die Fähigkeit mitteilte, den Vater zu erkennen und zu verstehen. Er kam vom Himmel
um vom Himmel zu reden; denn „der von der Erde ist, ist von der Erde und redet von der Erde" (Joh 3. 31). Wir hören das geheimnisvolle Wort: „Ihr seid von dem, was unten ist, ich bin von dem, was oben ist" (Joh 8, 23). Er war und blieb stets „der Sohn des Menschen, der im Himmel ist" (Joh 3, 13); und als solcher offenbarte Er den Vater, Der im Himmel ist. Er redete nur von Sich Selbst, als dem „Gesandten" Gottes, dem Diener des Vaters. Er stellte die Botschaft, nie den Boten in den Vordergrund; alle Seine Gedanken waren auf Den gerichtet, Den zu offenbaren Er gekommen war. „Ich suche nicht meine Ehre; es ist einer, der sie sucht und der richtet" (Joh 8, 50). Nie sucht Er Sich Selbst.
Er war eins mit dem Vater, ehe die Welt war; Er war die Wonne des Vaters von Ewigkeit her; und Er kam in die Welt, um von dem, was von Anfang war, zu reden und die Geheimnisse des Vaters, die außer Ihm niemand kannte, zu offenbaren; aber nichtsdestoweniger war in Ihm nicht so sehr der Bote, sondern die Botschaft der Gnade zu erkennen. Wie hätte der natürliche Mensch Ihn, den auf der Erde wandelnden geheimnisvollen Fremdling erkennen können!
Die Ihn Umgebenden fragten: „Ist dieser nicht der Sohn des Zimmermanns"? Andere sagten: „Wir wissen nicht, woher er ist". Etliche aber waren durch den Geist Gottes befähigt worden, in Ihm den Gesandten Gottes — „den eingeborenen
Sohn vom Vater, voller Gnade und Wahrheit" — zu erkennen; und „denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem. Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind" (Joh 1, 12. 13). Das Auge, das Ihn zu erkennen vermochte, schaute die Herrlichkeit; das Ohr, das auf Ihn lauschte, hörte Worte vom Himmel; die Hände, die Ihn betasteten, berührten das ewige Leben. Der Sohn war erschienen, um das, was Er offenbarte, auch mitzuteilen. Man konnte Ihn sehen, hören und betasten.
Das ewige Leben war für die vorhanden, die dieses Wort des Lebens sahen, hörten und betasteten. Wenn das durch den Glauben geöffnete Auge des armen Sünders sich auf Ihn heftete, so empfing er das Licht vom Himmel — das Leben Dessen, Den er geschaut hatte; das hörende Ohr teilte dem Herzen das mit, was es gehört hatte; und wenn die Hand Ihn betastete, so ging Kraft von Ihm aus. Jedoch dürfen wir nicht vergessen, daß uns, als den Sündern, die Dinge aus Gnaden geoffenbart worden sind, und daß das ewige Leben nicht eher mitgeteilt werden konnte, als bis die Schuld beseitigt war und wir eine vollkommene Gerechtigkeit besaßen. Bevor das Blut vergossen war, konnten die Jünger wenig von 'der Tragweite der Worte verstehen:
Glückselig aber eure Augen, daß sie sehen usw.". Und was sahen sie „Die Herrlichkeit eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit". — Und was sie sahen und hörten und mit ihren Händen betasteten, wurde ihnen gegeben — nämlich: das ewige Leben, das im Schoß des
Vaters war. Und Jesus, kommend vom Vater, hatte nichts zu tun mit der Welt, noch mit dem, was in der Welt war. Er war i n der Welt, aber nicht vo n der Welt. Hienieden für eine kurze Zeit und beauftragt mit einer Botschaft der Liebe, lebte Er getrennt von der Welt, von all ihren Grundsätzen und all ihren Gewohnheiten. Er mischt Sich nicht in ihre geräuschvollen Szenen, sondern Seine Gedanken waren stets bei dem Vater. Er war von oben; Sein Platz war in der Gegenwart des Vaters. Wie beachtenswert sind daher die auf die Seiragen sich beziehenden Worte: „Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin" (Joh 17)!
Er gibt ihnen nicht ein Gebot, daß sie sich anstrengen sollten, um wie Menschen vom Himmel zu sein, sondern Er sagt: „Sie sind nicht von der Welt"; sie sind von oben geboren; sie sind in der Tat himmlisch. „Was aus dem Fleische
geboren ist, ist Fleisch; und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist" (Joh 3, 6). Der Mensch, dem der Odem des Himmels eingehaucht ist, ist ein himmlisches Wesen geworden. Der Herr Jesus sagte zu wiederholten Malen zu den Juden: „Ich bin von dem, was oben ist; ich bin nicht von der Welt; ihr wisset nicht, woher ich bin". Er wußte, woher Er kam und wohin Er ging, die anderen wußten es nicht.
Ebenso ist es mit den Gläubigen. „Sehet, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, daß wir Gottes Kinder heißen sollen! Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil ihn nicht erkannt hat. Geliebte, jetzt sind wir Gottes Kinder, und es ist noch nicht geoffenbart worden, was wir sein werden; wir wissen, daß, wenn es geoffenbart worden ist, wir ihm gleich
sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist" (1. Joh 3, 1. 2). Wir besitzen wirklich das Leben aus Gott; wir sind von oben geboren, und dorthin geht unser Weg, obgleich andere es nicht wissen. Ist das nicht die Bedeutung der Stelle: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht;
also ist jeder, der aus dem Geiste geboren ist" (Joh 3, 8).
Wir sind von oben; wir sind sowenig von der Welt, wie Christus von der Welt war. Würde man einen Gläubigen fragen, woher er sei, so müßte seine Antwort in der Sprache Christi sein: „Ich bin von dem, was oben ist". Das, was von Christo wahr ist, ist ebenso wahr von denen, die Ihm angehören, obwohl andere nicht zu beurteilen wissen, woher sie
kommen, noch wohin sie gehen. Das ist nicht eine bloße Redensart, das ist Wahrheit •— nicht ein Schatten, sondern Wirklichkeit. Wir sind nicht bloß veränderte oder verbesserte
Wesen mit besseren Gedanken, besseren Gefühlen; nein, weit mehr als dieses. Wir sind aus Gott geboren, Söhne und Töchter des Herrn, des Allmächtigen (2. Kor 6, 18). Wir besitzen in Wahrheit das Leben, das im Anfang im Schöße des Vaters war. Wir haben einen himmlischen Ursprung und müssen uns daran erinnern, so oft wir mit dieser Welt zu tun haben, in deren Mitte wir uns befinden.
Was sagt Jesus in Joh 17? „Gleichwie du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt" (V. 18). Von wo kam Jesus in die Welt? Kam Er von Nazareth?
Nein; Er kam von oben — vom Himmel — aus dem Schöße des Vaters. Von dort, woher Er Selbst kam, sind auch wir gesandt; wir sind nicht von der Welt, gleichwie Er nicht von
der Welt war. Wir sind aus Gott geboren; und der Dienst, für den wir gesandt sind, ist der Dienst Christi. Geliebte! Wir haben hienieden nur eine kurze Zeit in Liebe und Selbstverleugnung zu dienen, und zwar in der Erwartung, daß der Herr komme, um uns zu Sich zu nehmen, damit wir
für immer bei Ihm sind.
Im Hebräerbrief wird Melchisedek wie jemand bezeichnet, der unerwartet erschien, ohne daß man wußte, woher er kam, und der sich wieder so plötzlich zurückzog, ohne daß man wußte, wohin er ging. Diese geheimnisvolle Person kam zu Abraham, der erschöpft aus dem Kampf zurückkehrte mit Brot und Wein, und verschwand den Blicken wieder, nachdem er Abraham gesegnet hatte. Ebenso kam Christus, „weder Anfang der Tage, noch Ende des Lebens habend" (Hebr 7, 3).
„Er ward Fleisch"; aber Er blieb immer das ewige Wort, der eingeborene Sohn Gottes. Niemand kannte Ihn, mit Ausnahme der Gläubigen, deren Vorbild Abraham ist, der, indem er den Zehnten gab, dem Priestertum und dem Königtum huldigte.
Wir haben als einen Gegenstand für unser Herz jemanden nötig, der vollkommen den Vater kennt, der alle Seine Gedanken und Gefühle versteht, und der zu gleicher Zeit fähig ist, mit uns zu sympathisieren. Denkt euch einen Menschen,
von Gott kommend, aus dem Heiligtum, Seiner verborgenen Wohnung — eins mit Gott, und der zugleich wie Aaron aus
der Mitte des Elends Seines Volkes hervortritt — eins mit dem Menschen; und ihr habt das Priestertum des Herrn Jesu, „Priester geworden ewiglich nach der Ordnung Melchisedeks". — Welch ein Vorrecht, eins zu sein mit dieser göttlichen Person, mit diesem menschlichen Wesen, mit dem hochgepriesenen Sohne Gottes! Wer sind wir? — Solche, wie Er Selbst war — „nicht von dieser Welt".
Es ist sicher wahr, daß wir mit den Gedanken und Überlegungen des Herzens geendigt haben müssen, bevor wir diese Herrlichkeit gründlich erkennen können; aber wie tief wir auch unser Elend fühlen mögen, so wird doch die Kraft
der Wahrheit, daß wir aus Gott geboren und eins mit Christo sind, unsere Seelen erfüllen und die Frage in uns hervorrufen: „Was haben wir zu tun und was ist das Ziel unserer Wirksamkeit hienieden"? Der sittliche Mensch verfolgt seinen Weg in ehrbarer Weise; aber hat denn der Christ, als ein himmlischer Mensch, nichts weiter zu tun, als sittlicher zu sein, als er es früher war? Hat er in seinem Betragen nichts weiter zu zeigen, als ein höheres Maß von Sittsamkeit, wie ehedem? In der Tat, von dem Augenblick
an, wo wir wissen, daß wir oben — aus Gott — geboren sind, muß auch das Bewußtsein bei uns erwachen, daß wir
von Natur, von Geburt, selbst höher als die Engel gestellt sind; denn obwohl sie als Diener vor dem Herrn stehen,
sind sie doch nicht gleich uns Kinder, Söhne und Töchter des Allmächtigen.
Wir müssen also wissen, wie wir als Kinder Gottes in einer dieser Stellung angemessenen Weise wandeln können und uns die Frage vorlegen: „Warum sind wir, obwohl wir nicht von der Welt sind, dennoch in der Welt zurückgelassen"? „Gleichwie Du mich in die Welt gesandt hast, habe auch ich sie in die Welt gesandt". — Welches sind die Gefühle, die Gedanken, die Beweggründe, die Bedürfnisse, welches ist die Tätigkeit eines Menschen, der aus Gott geboren ist? O Geliebte, möchten sich doch die Worte:
„Gesandt in die Welt" — tief in unsere Herzen einprägen!
sie drücken klar aus, daß wir vorher von der Welt ausgegangen sind. Wir sind Menschen, die, obwohl sie hienieden gelassen sind, dennoch ihren Platz im Himmel haben, und zwar nicht nur in bezug auf unsere Neigungen, sondern auch bezüglich unserer Natur, die von oben ist. Wir sind aus Gott geboren und besitzen das Leben Dessen, Der im Schoß des Vaters ist, geoffenbart auf der Erde als der „Sohn des Menschen", Der, obwohl Er Fleisch und Blut angenommen hatte, „im Himmel ist".
Sicher werden wir in dem Grade, wie sich dieses Leben in uns verwirklicht, auch dieselben Gedanken, Gefühle und Beweggründe haben, die wir in Christo erblicken. Seine Wünsche, Seine Genüsse, Seine Neigungen werden die Bedürfnisse der neuen Natur sein. Dieses Leben kann sich in uns nur dem Muster gemäß offenbaren, das Jesus, Der alles für uns ist, zurückgelassen hat. Wir sehen Ihn, wie Er Sich umgürtet, um den Jüngern die Füße zu waschen, und wie Er, indem Er den in seiner Unwissenheit sich weigernden
Petrus belehrt, Seine Liebesarbeit bis ans Ende fortsetzt.
— Nun sind wir berufen, Seinen Platz einzunehmen. Wir sind Schuldner Christi; wir schulden Ihm unseren Dienst. Nur Seine Gnade kann uns zu diesem Dienst befähigen; Seine Liebe kann sich so reichlich in unsere Herzen ergießen, daß der Geist uns treiben wird, diejenigen, die uns umgeben, zu bedienen und ihnen die Füße zu waschen. Es ist möglich, daß man zu uns sagt: „Du sollst nicht meine Füße waschen". Aber ließ Sich der Herr Jesus dadurch zurückhalten? Wenn Christus als Diener, unser Diener, in uns ist, dann ist es
unser Bedürfnis zu dienen. Wie könnten wir auf den Herrn, Der in unendlicher Gnade Sich umgürtet, um uns die Füße zu waschen, unser Auge richten, ohne angetrieben zu werden, uns gleichfalls zu umgürten und zu tun, wie Er getan hat? Wie könnten wir uns in der Gegenwart des Sohnes Gottes befinden, Der Sich erniedrigt und Sich vor unseren Augen bückt, ohne daß wir uns ebenfalls tief erniedrigen? Wie könnten wir Ihn anschauen und dabei müßig und gleichgültig bleiben! Ja, in der Tat, wir sind für dieses alles
Seine Schuldner. Lasset uns Ihn lieben, Seine Wünsche erfüllen und uns beeifern das zu tun, was Er getan hat! Von Seiner Berührung, wenn Er unsere Füße wäscht, geht eine Kraft aus; und unsere Herzen werden in der Ausübung dieser Gnade und Liebe Seinem Bilde gleichförmig gemacht.
Seine Gnade wirkt in uns das, was in Ihm ist; sie macht uns zu Dienern und erfüllt uns mit dem, wovon das Herz Christi erfüllt ist.
Das Leben Gottes in der Seele ist Liebe. Wenn die Liebe Gottes in das Herz ausgegossen ist, zerstört sie die scheußliche Selbstsucht und die Hassens würdigen Leidenschaften, die sich darin befinden, und dringt es, sich zu beschäftigen mit denen, die der Vater Jesum gegeben hat — mit Seinen Schafen und Seinen Lämmern. Wir sind der göttlichen Natur teilhaftig geworden, um nicht nur wegen des daran geknüpften Segens glücklich, sondern auch fähig zu sein, andere glücklich gemacht zu sehen.
Denn die Liebe — diese göttliche Liebe — liebte, als es noch nichts liebenswürdiges in dem Gegenstand ihrer Zuneigung gab. O möchten wir doch die Diener anderer sein, wenn sie unseren Dienst wollen; und möchte unsere Liebe sie auch dann, wenn sie unseren
Dienst nicht wünschen, noch verfolgen! Die Kirche auf der Erde ist mit Finsternis vermischt; und inmitten des Verderbnisses leuchten die Heiligen wie Silberfünkchen im Staube. Es steht geschrieben: „Liebet nacht die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm" (1. Joh 2, 15). Was haben wir nun zu tun? Die Heiligen aus der Welt zu sammeln. Der Herr Jesus zeigt uns Selbst in Luk 15, wie Er dem verlorenen Schafe nachgeht; und ebenso in Matth 18, 12. 13, wie Er
das Verlorene sucht und sammelt. Unser Dienst kann verschiedener Art sein; aber die Tätigkeit der Liebe erschlafft nie.
Wo es irgendein verirrtes Kind Gottes gibt, da wird sich die Energie des „ewigen Lebens" — die Liebe — mit ihm beschäftigen, um ihm die Füße zu waschen. Und selbst wenn man unseren Dienst abweist, werden wir nicht entmutigt werden. Gibt es Heilige, die sich in einem schlechten Zustand befinden, so laßt uns mit Ausharren und unter Gebet über sie wachen. Sicher gibt es eine Verschiedenheit
des Charakters zwischen dem Dienste des Herrn Jesu und dem unsnigen; dennoch muß Sein Wunsch der unsrige sein, „die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu sammeln". Wo sich auch irgendein Kind Gottes befinden mag, und wie groß auch die Vorteile sein mögen, die es verblenden — die Energie des ewigen Lebens sollte es erreichen. Das Herz Christi — Seine liebe — umfaßt alle Heiligen. Er trägt sie
alle vor Seinem Vater auf Seinem Herzen, wo sie wie Edelsteine als solche glänzen, die zuvor zu Erben der Herrlichkeit bestimmt sind.
Wir haben nichts mit den Umständen zu tun.
Christus ist stärker als der, der in der Welt ist; und das ewige Leben kann durchs nichts gehemmt werden. Laßt uns nicht in einem Sektengeiste, sondern als Diener aller Heiligen unseren Weg fortsetzen. Die Liebe umfaßt alle, die Christo angehören, mögen sie fern oder nah sein — sie sind alle Schafe, tue der Weide bedürfen. Dieser Liebesdienst wird aber nicht nur von solchen erwartet, die eine besondere Gabe empfangen haben. Wenn wir etwas von der Liebe, 'die Christtun zu uns herabsandte, verstanden haben, so wird alles, was von dieser Liebe in unseren Herzen ist, diesen Dienst ausüben.
Unsere Selbstsucht und unsere Gleichgültigkeit werden durch den Gedanken an die Liebe Christi überwunden. Es wird uns vielleicht Geringschätzung oder gar ein harter Empfang zuteil; aber wenn auch! — die Liebe Christi wandte sich an völlig Undankbare und Unwürdige. Auf welche Weise handelt diese unter den Menschen geoffenbarte „Liebe des Christus? Wie wird die Macht angewandt? Welches ist ihr Weg? Ist ihr Weg ein leichter, und schreckt sie zurück vor Geringschätzigkeit und Kälte? O nein; die Liebe Christi
sucht die undankbaren Kinder Gottes, um sie zu bewahren und ihnen die Füße zu waschen. Laßt uns nicht Ruhe suchen, noch der Ruhe pflegen. Erinnern wir uns daran, daß Christus umgürtet ist, und daß Er zu einem jeglichen von uns sagt:
„Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen" (Joh 13, 14). Ich rede nicht davon, wie weit wir es bringen können.
Aber, erwarten wir nicht den Herrn? Wünschen wir nicht in Ihm erfunden zu werden, umgürtet an den Lenden, um Seinen Jüngern die Füße zu waschen? Die Liebe ist gleich einem ins Wasser geworfenen Stein, der immer größer und größer werdende Wellenkreise bildet. — Derselbe Grundsatz, der zwei Herzen eng zusammen verbindet, muß alle umfassen. O möchte doch der Herr uns verstehen lassen, welches unser Platz ist, damit wir mit dem Apostel sagen können: „Der Tod ist wirksam in uns, das Leben aber in euch" (2. Korinther
4, 12)! Möchte es doch in Wirklichkeit unser Wunsch sein, daß die Liebe Christi in dem Maße unser Herz erfülle, daß nicht ein einziger selbstsüchtiger Gedanke darin zurückbleibe! Ja, möge der Herr uns die Gnade verleihen, uns ganz und gar selbst zu vergessen!