Das Evangelium und seine Ergebnisse​ BdH 1868

07/22/2024
von Christ-und-Buch Günter Arhelger

Das Evangelium und seine Ergebnisse

Als Gott auf dem Berge Sinai das Gesetz gab, richtete Er es an ein Volk, an das kleine Volk der Israeliten, „deren die Sohnschaft ist, und die Herrlichkeit, und die Bündnisse, und die Gesetzgebung, und der Dienst, und die Verheißungen" (Röm 9, 4). Diese Offenbarungen waren alle auf Israel beschränkt. 

Das Volk hatte für sich eine Priesterschaft, aber keinen Dienst nach außen. Freilich werden die umwohnenden Nationen die Gegenwart Gottes in Israel wahrgenommen haben; aber das 
jüdische System hatte keinen Missionsdienst, sondern war in sich abgeschlossen. Doch vergessen wir nicht, daß der Tag anbrechen wird, wo Israel im vollen Sinn des Wortes zu allen Völkern der Erde ihre Boten aussenden wird. „Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort Jehovas von Jerusalem" (Jes 2, 3). Und in betreff des Überrestes Israels lesen wir: 
„Und ich werde ein Wunderzeichen an ihnen tun und werde von ihnen Entronnene an die Nationen senden, nach Tarsis, Pul und Lud, die den Bogen spannen, nach Tubal und Jawan, 
nach den fernen Inseln, die von mir nicht gehört und meine Herrlichkeit nicht gesehen haben; und sie werden meine Herrlichkeit unter den Nationen verkündigen" (Jes 66, 19). 

Jedoch brauchen wir wohl kaum zu sagen, daß diese glückseligen Tage für das jetzt so verachtete Israel erst zukünftig anbrechen werden. Die Kirche, die gegenwärtige Trägerin des 
Zeugnisses, muß vorher von dem Schauplatz entfernt und Israel muß wieder hergestellt sein, bevor die Liebe Gottes sich wieder mit Seinem alten Volke beschäftigen wird. „Verstockung 
ist Israel zum Teil widerfahren, bis daß die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird" (Röm ix, 25). Die Kirche, die Sein Leib, Seine Fülle ist, muß zuvor vollendet und bereitet sein, 
um dem Herrn in der Luft zu begegnen. Dann erst wird die Weissagung erfüllt werden: „Und also wird ganz Israel errettet werden" (Röm 11, 26; 1. Thess 4, 13—17). 

In der Verkündigung des Evangeliums sehen wir einen völligen Gegensatz zur Gesetzgebung. Seitdem Gott das Evangelium Seiner Gnade nach dem Tode und der Auferstehung Jesu ans 
Licht gestellt hat, gebietet Er, daß es gepredigt werde, nicht einem einzigen Volk, sondern allen Völkern der Erde. Es sollte „nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an 
alle Nationen kundgetan" (Röm 16, 26) werden. 
Die Zwischenwand der Umzäunung wurde durch das Kreuz abgebrochen, und die Schranken der alten Haushaltung wurden niedergerissen. Das Evangelium der Gnade Gottes brach gleich 
einer mächtigen Woge hervor, überflutete die Ufer des Judentums und ergoß sich in alle Lande. „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überschwenglicher 
geworden" (Röm 5, 20). 

Die gute Botschaft von einer vollen und freien Gnade durch Glaben an Christum wird also sowohl den Heiden als auch den Juden gepredigt. „So sei es euch nun kund", sagt Paulus, „daß dieses Heil Gottes den Nationen gesandt ist; sie werden auch hören" (Apg 28, 28). Nichts kann in dieser Beziehung klarer sein, als der Auftrag, den der Herr Seinen Jüngern gab, indem Er sagte: „Gehet hin in die ganze Welt und prediget das Evangelium der ganzen Schöpfung" (Mk 16, 15. 16). Auch ist das Evangelium nicht in der Form einer Verheißung, sondern als eine Verkündigung gegeben, was ein großer Unterschied ist. Das Heil wird als eine gegenwärtige Wirklichkeit allen angekündigt, die Christum durch Glauben erkennen und in Ihn ihr Vertrauen setzen. Zu gleicher Zeit aber gehören uns alle Verheißungen in Christo von dem Augenblick an, wo wir an 
Seinen Namen glauben. Sobald Rebekka eingewilligt hatte, das Weib Isaaks zu werden, wurde sie die Miterbin aller Reichtümer Abrahams. Würde dagegen Rebekka diese Verbindung ausgeschlagen haben, so würde sie arm geblieben sein in bezug auf die Schätze Abrahams. Alles hing von der Annahme Isaaks ab, und alles hängt von unserer Annahme Christi ab. 

Dies ist eine Sache von hoher Wichtigkeit und wird von dem Apostel in klarer Weise dargestellt, wenn er sagt: „So sei es euch nun kund, Brüder, daß durch diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird" (Apg 13, 38). Die Vergebung wird nicht unter gewissen Bedingungen verheißen, sondern gepredigt und verkündigt durch Christum an alle, die Seine Stimme hören. 
Die Vergebung ist bedingt durch den Glauben an die frohe Botschaft. Um jeden Zweifel zu heben, fügt der Apostel hinzu: 
„In diesem wird jeder Glaubende gerechtfertigt". Wenn dem uns so klar und bestimmt dargestellten Wort Gottes geglaubt wird, so wird der Friede die natürliche Folge sein. 
Die Verantwortlichkeit, ein solches Evangelium zu hören, ist in der Tat sehr groß. Die Folgen sind unberechenbar, über alle Begriffe; sie sind ewig, entweder ewiges Elend oder ewige 
Glückseligkeit.

 Wenn das Evangelium Gottes in dieser Weise allen verkündigt und die Errettung allen umsonst angeboten wird, so folgt daraus, daß im Angesicht Gottes alle Hörer Seine Liebe entweder annehmen oder verwerfen. Eine Zwischenstellung gibt es in der Schrift nicht. Der gleichgültige Zuhörer mag nicht daran denken, daß er das Anerbieten des Heils verachtet oder verwirft; aber sicher, es ist in jeder Beziehung die strafbarste Behandlung der Botschaft, wenn man gegen eine Sache gleichgültig ist, an der Gott ein so unaussprechlich großes Interesse hat, und die für den Menschen so außerordentlich wichtig ist. Wenn die erlösende Liebe so dringend einladet, 
wenn sie uns das für uns vollbrachte große Werk Christi, den Wert der unsterblichen Seele, die unbeschreiblichen Segnungen des Himmels und die unaussprechlichen Qualen der Hölle vor 
Augen stellt, dann ist sicher ein gleichgültiges Vorangehen nichts anderes, als daß man verachtet, was Gott gesagt hat. 

Viele eilen hierhin und dorthin, um das Evangelium oder eine Predigt zu hören; sie betrachten dies als eine religiöse Pflicht und sind zufrieden, wenn sie sie erfüllt haben. Aber, ach! sie 
bedenken nicht, daß sie verantwortlich sind für das, was sie gehört haben. Tausende machen sich eines solchen Betragens schuldig. Freilich mag der Fehler nicht allein an den Hörern 
liegen. Das, was sie hörten, mochte wenig geeignet gewesen sein, die Aufmerksamkeit zu fesseln, oder das Herz und Gewissen zu treffen. Vielleicht war das Gesagte, wenn es auch 
wahr war, nicht passend für einen Unbekehrten, und untauglich, eine Seele zu erwecken, die tot ist in ihren Sünden und Vergehungen. Deshalb ist die Verantwortlichkeit eines Predi9 
gers sicher nicht gering. Möge daher der Herr bei allen Seinen Arbeitern die nötige Liebe, den rechten Eifer und einen würdigen Ernst erwecken, damit sie rein bleiben „von dem Blute der 
Menschen". Wir möchten jetzt gern einige Bemerkungen über das Evangelium selbst machen und betrachten zunächst 

1. Die Quelle des Evangeliums 

Es wird das „Evangelium Gottes" genannt (Röm 1, a); daraus geht hervor, daß seine Quelle in Gott ist. Auch heißt es wohl das „Evangelium Christi", weil es Ihn offenbart. Aber hier 
spricht der Apostel von dem Ursprung und nicht von dem Gegenstand des Evangeliums; und dies ist eine große und gesegnete Wahrheit, die eine nicht geringe Macht ausübt im Werke der Evangelisation. Er, an den der natürliche Mensch mit Furcht und Zittern denkt, offenbart Sich als die Quelle aller seiner Segnungen. Dies ist der erste Gedanke im Brief an die Römer; und gerade dieser Brief ist mehr als jeder andere sowohl an die Juden als auch an die Heiden gerichtet. Er wendet sich an den Menschen als solchen, an die „ganze Welt". Aber bevor das Urteil Gottes über den Zustand des Menschen verhängt ist, wird Seine Liebe zu dem Menschen völlig geoffenbart. Dem verlorenen Sünder wird versichert, daß die Quelle des Heils im Herzen Gottes ist, daß Der, Den er so sehr fürchtet, und dem er in jeder Weise zu entfliehen sucht, der Ursprung aller Erbarmungen ist, und daß Gott ihm in dem Evangelium mit allen Segnungen Seiner Gnade begegnet. Welch ein Gedanke ! Welch eine Wahrheit! Welch ein Evangelium! Der Gott aller Gnade naht Sich dem Sünder in Seiner eigenen Güte, in den Wirkungen Seiner eigenen Natur mit der frohen Botschaft des Heils. Aber Er betritt nur immer einen und denselben Pfad. 
Einen anderen Pfad gibt es nicht. Es gibt keine Segnung für den Sünder als nur durch Christum, in Christo und mit Christo. 

„Was dünkt euch von dem Christus"? (Mt 22, 42) ist stets die Frage des Vaters. Sein großer Zweck im Evangelium ist die Verherrlichung Christi. „Dieser ist mein geliebter Sohn, an 
welchem ich Wohlgefallen gefunden habe" (Mt 3,17). Hier ist der Prüfstein. Gott wird dem Sünder diesen Punkt nie erlassen. 

Leider ist es oft der Fall, daß viele erweckte Seelen jahrelang, ja gar während ihrer ganzen irdischen Laufbahn, ohne Frieden einhergehen. Und dennoch sagt die Schrift deutlich genug: 
„Durch diesen Menschen, — durch Ihn". Erkenne Christum an, blicke auf Christum, vertraue auf Christum, widme Ihm deine Gedanken, deine Neigungen, deine Anbetung, und was wird 
die Folge sein? Jede Segnung, die das Herz des Vaters zu spenden gedenkt, gehört dir. Er will dich an allem teilnehmen lassen, was Christo gehört; Er will aus dir einen „Erben Gottes 
und einen Miterben Christi" machen. Aber es versteht sich, daß die Wahrheit geglaubt werden muß, wenn man sich ihrer erfreuen will. Das ist die Bedingung zwischen Gott und der 
Seele. Die zweifelnde, unglückliche Seele sagt: „Wenn ich doch fühlen könte, ob diese Segnung für mich sei, o wie glücklich würde ich sein". Ach! und wie oft ist diese Sprache gehört und 
beantwortet worden! Und dennoch hört man sie täglich und stündlich wieder, und immer gilt nur die alte Antwort: „Blicke auf Jesum und glaube dem Worte Gottes"! 

So lange eine Seele ihre Blicke auf ihre Gefühle gerichtet hält, gilt ihr praktisch weder Christus, noch das Wort Gottes etwas. Alles, was uns Gott in betreff Seiner Liebe offenbart, alles, 
was Christus für uns getan und gelitten hat, alles, wovon uns der Heilige Geist Zeugnis geben will, alles setzt die arme, durch Zweifel beunruhigte Seele praktisch beiseite und opfert 
es den schwankenden Gefühlen des Herzens. Wie traurig ist ein solcher Zustand und wie oft findet man ihn. Doch Gott kann Sein Wort nicht verändern. Er sagt: „Küsset den Sohn, 
daß er nicht zürne und ihr umkommet auf dem Wege, . . . 
Glückselig alle, die auf ihn trauen" (Ps 2, 12)! Und wenn Gott eine Seele „glückselig" preist, so muß sie es gewiß sein. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der 
uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen örtern in Christo" (Eph 1, 3). Möchte doch jede von Zweifeln geplagte Seele bedenken, daß Christus unseres vollsten Vertrauens würdig ist, wie auch immer unsere Gefühle sein mögen. Sollten wir nicht über uns selbst beschämt sein, wenn wir Ihm nicht vertrauen, der für uns starb und jetzt in 
Macht und Herrlichkeit lebt? Wenn wir Ihm nur völlig vertrauten, würden bald die Gefühle in die richtigen Bahnen geleitet werden! Lassen wir daher jede Furcht und jeden Zweifel 
schwinden, auf immer schwinden in der Gegenwart einer Liebe, die sich nie von ihrem Gegenstand abwendet, in der Gegenwart eines Werkes, das vollbracht ist, in der Gegenwart 
eines Heilandes, Der Gewalt hat im Himmel und auf Erden, und von Dessen Liebe uns keine Macht zu trennen vermag! Indes gibt es etliche, die zwar in etwa auf Jesum vertrauen, 
aber dennoch keinen Frieden haben. Was ist die Ursache?

 Das Vertrauen der Seele ist zu schwach; die ganze Wahrheit Gottes findet keinen Glauben. Anstatt auf Jesum und dann auf das Wort Gottes zu schauen, blicken sie auf Jesum und dann auf sich selbst. Sie denken, wenn ihre Gebete Erhörung gefunden haben würden, daß dann auch ein völliger Friede, völlige Gewißheit und was sie sonst noch erwarten, ihr Teil sein würden. 
Da nun aber ihre Gebete nicht von solchen Erfolgen gekrönt werden, so schließen sie daraus, daß keine Erhörung stattgefunden hat, daß Gott Sein Antlitz abgewendet habe, und daß 
der Friede weiter entfernt sei als je. Doch dies ist nichts als ein Fallstrick Satans. 
Ein interessanter Vorfall, der vor etlichen Jahren von einem Missionar mitgeteilt wurde, liefert für das soeben Gesagte einen treffenden Beleg. Ein afrikanischer Häuptling wurde in seinen alten Tagen bekehrt. Ein Leben voller Verbrechen lag hinter ihm. Jetzt war es sein heißes Verlangen, lesen zu lernen, um durch das Wort Gottes mehr bekannt zu werden mit Jesu, 
der die Afrikaner liebte und für sie gestorben war. Wie schwer es ihm auch wurde, er überwand doch endlich alle Schwierigkeiten und las bald ohne Anstoß. Eines Tages kam der Missionar an seiner Hütte vorüber und sah den alten Häuptling unter einem Palmbaum sitzen. Er hemmte seine Schritte und bemerkte, daß ein Buch auf seinen Knien lag. Nachdem nun der Alte eine Zeitlang aufmerksam in dem Buch gelesen hatte, erhob er sein Haupt, faltete die Hände, richtete sein Auge gen Himmel und bewegte betend seine Lippen. Nach wenigen 
Augenblicken aber widmete er wieder seine ganze Aufmerksamkeit dem Buch. 

Der Missionar mochte diese feierliche Szene nicht unterbrechen und ging unbemerkt vorüber. Einige Zeit später aber fand er Gelegenheit, den Häuptling an diese Szene zu erinnern, deren Zeuge er einige Tage vorher gewesen war, indem er ihn fragte, was er damals getan habe. „O Massa", war die Antwort, „wenn ich blicken in das Buch und lesen, dann Gott mit mir sprechen; und wenn ich innehalten und aufblicken, dann ich reden mit Gott". — Mögen wir beide, 
Schreiber und Leser dieser Zeilen, etwas lernen aus dem Beispiel dieses Häuptlings. 
Wir wünschen von Herzen, daß jede beunruhigte Seele einen ähnlichen Weg einschlägt. Blicke an, blicke empor; aber blicke nicht in dich hinein! Hast du auf Jesum geschaut, dann schaue 
in das Wort Gottes und lies aus Seinem eigenen Buche Seine Antwort heraus. Sein Wort ist entscheidend und verändert sich nie. Der Gegenstand deines Glaubens ist nicht in dir, sondern 
außer dir. Und was sagt das Wort jeder Seele, die auf Christum blickt? „Du bist gerettet". Was sagt es denen, die zu Jesu kommen unter dem drückenden Gefühl ihrer Sünde und ihrer 
Wertlosigkeit und in Seinem Erbarmen Schutz suchen? Höre und glaube! Die Antwort ist: „Deine Sünden sind vergeben, dein Glaube hat dich gerettet; gehe hin in Frieden" (Luk 7, 
36—50). Das ist in allen Fällen die Antwort des Buches Gottes. 

Eine erweckte Seele, im Schatten einer heidnischen Finsternis und wegen der Anklagen eines schuldbewußten Gewissens im Zustand der Verzweiflung, mag ausrufen: „Ihr Herren, was 
muß ich tun, auf daß ich errettet werde" (Apg 16, 30)? Siehe, es gibt für einen solchen eine Antwort in diesem Buche. Es redet mit ihm von einer Errettung, indem es ihm zuruft: 
„Glaube an den Herrn Jesum und du wirst errettet werden" (V. 31). Aber was konnte der Kerkermeister zu Philippi von Jesus Christus und vom Glauben an Ihn wissen? Wir können 
überzeugt sein, daß seine Erkenntnis darüber gering war. Doch die Errettung seiner Seele war nicht von seiner Erkenntnis abhängig, sondern von Christo. In jenem Augenblick gab es 
keine Zeit zu langen Erläuterungen. Der Apostel sieht die mächtige Wirkung des Heiligen Geistes und ruft: „Glaube an den Herrn Jesum, und du wirst errettet werden". Als ob er hätte sagen wollen: „Verbirg dich hinter dem Heiland der Sünder, wirf dich, wie du bist und wo du bist, zu den Füßen Jesu und glaube, im Vertrauen auf Ihn, daß du gerettet bist". 

Und den Worten des Apostels glaubend, wurde er gerettet, belehrt, mit Freude erfüllt und zu Früchten des Glaubens fähig gemacht. Sein edles Beispiel war der segensreiche Anfang zur 
Rettung seines ganzen Hauses. Ein anderer mag gleich dem verlorenen Sohn gegen seine Erkenntnis, gegen die Liebe und jede Art von Güte gesündigt haben, dennoch wird die Antwort 
seinem Zustand entsprechend sein. Er wird mit offenen Armen und mit dem Kuß der vollkommenen Versöhnung empfangen. In dieser Weise wird jeder verlorene Sohn bewillkommt. Wer dieses verneinen wollte, würde dem Worte Gottes widersprechen, ja, schlimmer noch, er würde sagen, daß das Wort zu Irrtümern führe.

 In dem „Evangelium Gottes" handelt Gott aus Sich Selbst und durch Sich Selbst und für Seine eigene Verherrlichung. Der Vater eilt dem verlorenen Sohn entgegen. Sein Herz strömt über von Mitleid und Erbarmen; denn als der Sohn noch ferne war, „sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn sehr" (Luk 15, 20). Das Herz des Vaters bleibt allewege ein Vaterherz. „Gott ist die Liebe"; Er handelt trotz unseres Unglaubens in einer Weise, die Seiner würdig ist. 

In fast allen Gemütern, die in betreff ihrer Errettung nicht in Ruhe sind, sind die Gedanken mehr vorherrschend über das, was sie für Gott sein sollten, als über das, was Gott für sie ist. 
Dies ist eine der feinsten Schlingen Satans. Aber vorausgesetzt, der Kerkermeister zu Philippi hätte, statt dem ihm zugerufenen Wort, einfach zu glauben und auf Christum völlig zu vertrauen, mit dem Apostel über das, was er gewesen war und was er jetzt fühle, hin und her disputieren wollen, was würde der Erfolg gewesen sein? Nur Jammer statt der Freude. Und so 
ist es in allen Fällen. Und doch zeigt sich dieser Irrtum bei zahlreichen Christen und bildet in tausend verschiedenen Arten jene entsetzliche Quelle endloser Beunruhigungen. Der Geist 
des Gesetzes drängt die Seele zurück in sich selbst, um dort etwas zu suchen; und jede Seele, die mit sich selbst beschäftigt ist, folgt dem Grundsatz der Gesetzlichkeit. Die Gnade dagegen 
offenbart der Seele Christum als ihren eigenen Gegenstand; und nicht nur dies, sie versetzt auch den Glaubenden in Ihn. Nachdem Christus allen Anforderungen Gottes und allen Bedürfnissen des Sünders entsprochen hat, findet der Glaube vollkommene Ruhe in Seinem vollbrachten Werke. Wenn Christus in dieser Weise durch den Glaubenden aufgenommen 
wird, so wird Er der Gegenstand seiner höchsten Freude, seine Zuflucht in allen Trübsalen und seine Antwort auf alle Fragen. 

Er kann dann sagen: „Einer, der mich so sehr liebt, daß Er Sein Leben für mich hingab, ist meines ganzen Vertrauens würdig". Aber in dem Maße, wie die Seele mit dem Gedanken 
beschäftigt ist, was sie für Gott sein sollte, hat sie die Gnade aus dem Gesicht verloren, und ist mit vollen Schritten auf dem Wege, das Werk Christi, ihre Annahme in Ihm und das Zeugnis des Wortes in betreff ihrer Einheit mit Ihm vollends aus dem Auge zu verlieren. 

Indes könnte hervorgehoben werden, daß Gott Ansprüche auf den Menschen habe und daß, obwohl nur Israel als eine Nation förmlich und bestimmt unter das auf Sinai gegebene Gesetz 
gestellt sei, dieses dennoch allgemein angewendet werden müsse. Das ist wahr in betreff des menschlichen Zustandes; aber der Bund auf Sinai ist nicht das Evangelium der Gnade 
Gottes. Das Gesetz fordert Gerechtigkeit von dem Menschen; die Gnade bringt göttliche Gerechtigkeit dem Sünder; und sobald der Sünder sich beugt vor Jesu als seinem Erretter, tritt 
er ein in dessen ganzen Wert und in die volle Segnung Seines Opfers. Auch dürfen wir nicht aus dem Gedächtnis verlieren, daß der Gläubige, wenn er auch noch so jung im Glauben ist, 
nicht einen Boden betreten hat, wo das Gesetz wirkt. Seine Stellung ist weder die Stellung der Heiden, noch die der Juden. 

Der Apostel sagt: „Ihr aber seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt" (Röm 8, 9). Das Gesetz beschäftigt sich mit dem Menschen im Fleische, 
dem „ersten Menschen, Adam" (x. Kor 15, 45). Der Christ aber befindet sich im zweiten Menschen, dem letzten Adam, der ein lebendigmachender Geist ist (x. Kor X5,45). Das Gesetz 
ist für den Ungerechten gegeben; aber der Gläubige ist die Gerechtigkeit Gottes geworden in Christo Jesu. Daher kann das Gesetz sich nicht mit denen beschäftigen, „die in Christo 
Jesu sind". Der Apostel sagt klar und bestimmt: „Ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade" (Röm 6, 14). Als Gott durch das Gesetz den Menschen Seine Anforderungen 
kundgab, kam alsbald ans Licht, daß nicht einer ihnen entsprechen konnte; und natürlich versanken alle unter den Fluch eines übertretenen Gesetzes. Was konnte geschehen mit 
einem Menschen, einem Sünder, einem Übertreter des Gesetzes? 

Er mußte entweder hoffnungslos verdammt sein, oder Gott mußte, in Übereinstimmung mit Sich Selbst, einen Weg ausfindig machen, um Barmherzigkeit üben zu können. Und — gepriesen sei Sein Name! Er hat einen solchen Weg bereitet; das Kreuz legt Zeugnis davon ab. Er gab Seinen Sohn. Christus kam zur bestimmten Zeit. Er begegnete allen Anforderungen 
Gottes in bezug auf den Menschen, trug den Fluch, löschte alle Sünden aus, starb anstelle des Sünders und öffnete den Weg in Gerechtigkeit für die Liebe und das Erbarmen Gottes, daß 
sie ausströmen konnte und noch ausströmen kann. — Das ist die unerschütterliche Grundlage des „Evangeliums Gottes", die Offenbarung Seiner grenzenlosen Gnade, selbst gegen den 
sündigsten der Sünder. 

Wenn der verlorene Zustand des Menschen völlig ins Licht gestellt ist, so kann nichts Gutes — weder in seinen Gedanken und Gefühlen, noch in seinen Handlungen erwartet werden. 
Der Gedanke an das, was ich für Gott sein sollte, muß daher gänzlich beiseitegestellt werden und Christus alles in allem sein. „Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, 
nichts Gutes wohnt" (Röm. 7,18). Welch eine Erlösung! Welch eine Befreiung! Das Ich ist als ein untaugliches Ding erkannt und verworfen. „Ich bin mit Christo gekreuzigt", sagt Paulus; 
„und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2, 20). Und wiederum sagt er: „Indem wir dieses wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, auf daß der Leib 
der Sünde abgetan sei, daß wir der Sünde nicht mehr dienen. 

Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde. Wenn wir aber mit Christo gestorben sind, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden" (Röm 6, 6. 7. 8). Sicher, diese wie viele andere Stellen, die angeführt werden könnten, sollten jede ängstliche, beunruhigte Seele belehren, daß das Ich in jeder Form als unnütz beiseitegestellt ist. Wie könnten wir 
Gutes finden in etwas, das von Gott verworfen ist? In der Natur des ersten Adam gibt es nichts für Gott. Im Angesichte Gottes wird sie als eine gekreuzigte, begrabene und vergessene 
Sache betrachtet. Wie könnten wir etwas anerkennen, was Gott als durchaus schlecht verworfen hat? Aber solange wir dies tun, bleiben unsere Befürchtungen und Schwankungen; 
unsere Ruhe und Frieden können nicht unser Teil sein. Als Kind des ersten Menschen fand der Gläubige am Kreuz sein Ende. Christus ist sein neues, ewiges Leben; er ist in Christo 
von den Toten auferstanden und steht jetzt in Ihm vor Gott. 

„Ihr in mir und ich in euch" (]oh 17). Das ist Gnade, wunderbare, herrliche Gnade. Und was sollten jetzt, angesichts solcher Schriftstellen, die Gedanken, die Gefühle und die Sprache eines jeden an Christum Glaubenden sein? Schöpfen wir die Antwort aus dem Worte 
Gottes, so werden wir uns sicher der vollen Freiheit und der vollen Segnung des Evangeliums vor Gott erfreuen. Die Seele ist so nahe zu Gott gebracht, wie Christus es ist; denn sie ist 
in Ihm und mit Seiner Anmut geziert. Könnte sie mehr brauchen? Könnte sie mehr wünschen? Sie ist von Sünde, Tod und Gericht ebensoweit entfernt, wie Christus Selbst, welcher sagt: 
„Sie sind nicht von der Welt, gleichwie ich nicht von der Welt bin". 
Wo solche Wahrheiten im Glauben aufgenommen werden, da ist das Herz mit einer himmlischen Freude erfüllt. „Und dies schreiben wir euch, auf daß eure Freude völlig sei" (1. Joh 1, 4). 
Es soll also, beachten wir es wohl, nicht nur Freude, sondern eine Fülle von Freude in ihnen geweckt werden. Und warum auch nicht? Zu wissen, daß „Christus, der Gerechte für die 
Ungerechten, für Sünden gelitten hat, auf daß er uns zu Gott führe" (1. Petr 3, 18), ist sicher genug; wir brauchen nicht mehr, um unser Herz völlig zufriedenzustellen. 

Ein zu Gott gebrachter Sünder ist gestorben, auferstanden und vereinigt mit Ihm, Der starb und wieder auferstand. „Getötet nach dem Fleische, aber lebendig gemacht nach dem Geiste" 
(1. Petr 3, 18). Dies ist die große Fundamental-Wahrheit des vollkommenen Friedens der Seele in der Gegenwart Gottes. 
Alles, was dem ersten Menschen, Adam, angehört, ist zerstört und zurückgelassen, und der Gläubige steht vor Gott in der ganzen Segnung des auferstandenen, erhöhten und verherrlichten Menschen. Die Heilige Schrift bezeichnet ihn jetzt als einen Christen, einen König, einen Priester, als ein Kind Gottes, einen Erben Gottes und Miterben Christi. Sein Bürgertum ist 
in den Himmeln; er gehört der neuen Schöpfung, der neuen Welt Gottes an. „Das Alte ist vergangen; siehe, alles ist neu geworden". Und um die Segnung der neuen Schöpfung zu 
krönen, fügt der Apostel hinzu: „Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesum Christum" (2. Kor 5, 17. 18). Diese Schriftstellen beschäftigen sich nicht, 
wie dies leider viele gelehrt und viele geglaubt haben, mit den Gefühlen und den Erfahrungen des Gläubigen. Die alte Natur in den am weitesten geförderten Christen ist nicht verändert, sondern das Alte ist „vergangen". 

Die Stelle bezieht sich auf die neue Schöpfung, auf unsere Vereinigung mit Christo in der Auferstehung; Er ist der Mittelpunkt, das Leben und die Herrlichkeit der neuen Schöpfung. Und dort ist, wie wir lesen, „Alles aus Gott". Es ist die neue Welt Gottes. Jedes Ding in der alten Schöpfung trägt die Inschrift: „Vergangen". Aber jedes Ding in der neuen Schöpfung trägt den Stempel der Vollkommenheit und der Unwandelbarkeit Gottes. Welch glückseliger Gedanke! Welch gesegnete Wahrheit! Alles ist vollkommen und unveränderlich. „Ich habe erkannt, daß alles, was Gott tut, für ewig sein wird; es ist ihm nichts hinzuzufügen, und nichts davon wegzunehmen" (Pred 3, 14). 

2. Das Evangelium Gottes als verheißen durch die Propheten 

Es wird indes nützlich sein, den Unterschied in den Ausdrucken: das „Evangelium Gottes" und die „Kirche Gottes" näher zu beleuchten. Die Unterscheidung dieser Begriffe, wie wichtig 
sie auch ist, wird gar zu oft aus den Augen verloren. Wie eng diese beiden Begriffe auch miteinander verbunden sind, sie sind doch völlig verschieden. Die Kirche Gottes, wie sie uns 
im Neuen Testament dargestellt ist, war kein Gegenstand der Offenbarung oder der Verheißung Gottes im Alten Testament, während das Evangelium schon von Anfang an verheißen war, 
wenn auch die Fülle der Gnade erst dann verkündigt worden ist, als das Werk Christi vollbracht war. Die Kirche als eine Tatsache nahm am Pfingsttage ihren Anfang. Die Wahrheit über sie wurde dem Apostel Paulus geoffenbart; die anderen Apostel berühren diesen Gegenstand kaum. Paulus spricht oft davon als von „einem Geheimnis" (z. B. Eph 3). Doch hat das Wort „Geheimnis" im Neuen Testament nicht Bezug auf etwas, was schwer zu verstehen ist oder was gar nicht verstanden werden kann, sondern auf etwas, das bis dahin noch nicht geoffenbart, sondern verborgen geblieben war. Es war ein Geheimnis, welches, wie der Apostel sagt, „in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden war". Das Evangelium Gottes dagegen war nie ein Geheimnis, nie eine verborgene Sache. Wir dürfen sagen, daß es schon im 
Garten Eden geoffenbart worden ist; das Verderben des Menschen und die Gnade Gottes bildeten seine Grundlage.

 Des Weibes Samen sollte der Schlange den Kopf zertreten. Wenn wir unsere Blicke auf die Propheten richten, so finden wir die große Wahrheit des Evangeliums in den verschiedenartigsten Formen als einen Gegenstand der Verheißung und als nahe bevorstehend angekündigt. „Ich habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht; sie ist nicht fern und mein Heil zögert nicht; denn ich gebe in Zion Heil, und Israel meine Herrlichkeit" (Jes 46, 13). Wiederum: „So spricht Jehova: Wahret das Recht und übet Gerechtigkeit! Denn mein Heil steht im Begriff zu kommen, und meine Gerechtigkeit, geoffenbart zu werden" (Jes 56, 1). In dem Propheten Daniel finden wir eine vollständige Darstellung und die gesegneten Folgen des Werkes Christi: „Siebenzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt, um die Übertretung zum Abschluß zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen, und die Ungerechtigkeit zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen, und Gesicht und Propheten zu versiegeln, und ein Allerheiligstes zu salben" (Dan 9, 24). 

Wir sehen also, daß das Evangelium schon in den Zeiten des 
Alten Testaments verheißen, nirgends aber gepredigt worden 
ist; denn das geschah erst im Neuen Testament. Der Apostel 
Paulus war, wie er sagt, „abgesondert zum Evangelium Gottes, 
welches er durch seine Propheten in heiligen Schriften zuvor 
verheißen hat" (Röm 1, 1. 2). Hier sehen wir also den Unterschied zwischen den Zeiten des Alten und des Neuen Testaments in bezug auf das Evangelium. Damals wurde es als eine 
kommende große Segnung Gottes angekündigt; jetzt wird es 
gepredigt als gekommen in die Welt in seiner ganzen Fülle und 
Freigebigkeit. Zu gleicher Zeit werden wir versichert, daß Gott 
19 
zu allen Zeiten Zeugnis von Sich, ein Zeugnis von Seiner 
Gnade, abgelegt hat, und daß alle, die glaubten nach der Offenbarung, die Er von Sich Selbst gegeben hatte, errettet wurden: 
„Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird errettet werden", 
ist eine Stelle aus dem Propheten Joel. Und keine Darstellung 
des Evangeliums könnte deutlicher sein, als diese; aber die 
Größe der Errettung wurde erst erkannt, als Christus kam. 
„Das Gesetz wurde durch Moses gegeben; die Gnade und die 
Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden" (Joh i, 17). 
Jetzt eröffnet das Evangeliuni eine herrliche Aussicht vor unseren Blicken. Die von altersher verheißene Gerechtigkeit Gottes ist eingeführt und das vollkommene Heil Gottes wird gepredigt. „Die Gnade herrscht durch Gerechtigkeit zu ewigem 
Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn" (Röm. 5,, 21). 
Der Gläubige ist jetzt, kraft der Autorität des Wortes Gottes, 
gewiß, daß er im Besitz des ewigen Lebens und der göttlichen 
Gerechtigkeit ist. Ohne Zweifel hatten auch die Heiligen des 
Alten Testaments ewiges Leben; jedoch scheinen sie kein Bewußtsein davon gehabt zu haben. Die Gnade, die jetzt hervorleuchtet unter dem Titel: „Das Evangelium Gottes", begegnet 
dem Glaubenden mit den reichsten Segnungen des Himmels. 
Nicht eine einzige fehlt. Und welch ein Trost liegt für uns 
darin, zu wissen, daß es von jeher die Absicht Gottes war, uns 
so zu segnen. Ewiges Leben war verheißen in Christo Jesu, 
bevor die Welt gegründet war; und die Gerechtigkeit Gottes 
war bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Das Herz 
Gottes war stets die Quelle der Gnade Gottes. Gott ist die 
Liebe und die Gnade ist die freie Gabe, die aus der Liebe 
segnend hervorströmt. Ihre Ströme mögen sich nach verschiedenen Richtungen ergießen, ihre Wirkung mag tausendfältig 
sein; ihre Quelle ist nur eine Quelle. 

Als die Zeit herannahte, wo der Weg durch den Tod und die Auferstehung Christi eröffnet werden sollte, kündete sich die Gnade im voraus durch die Worte an: „Ich habe meine Gerechtigkeit nahegebracht, sie ist nicht fern; und mein Heil zögert nicht; denn ich gebe in 
Zion Heil und Israel meine Herrlichkeit". Doch jetzt, da Christus gekommen ist, und Er Sein Werk, das Ihm der Vater zu tun gegeben hatte, vollbracht hat, ist Gottes Gerechtigkeit 
geoffenbart und Sein Heil völlig gekommen. Jede Segnung ist enthüllt in dem „Evangelium Gottes". Durch das Kreuz wurde jede Schranke niedergerissen und jedes Hindernis beseitigt. Die höchsten Anforderungen des Himmels fanden völlige Befriedigung, die Sünde wurde getilgt und der Vorhang im Tempel zerriß von oben bis unten. Auch dient das Kreuz zur Erweisung 
der Gerechtigkeit Gottes in betreff der Vergebung der Sünden des Gläubigen, bevor Christus erschien. Es ist der große Mittelpunkt aller Wege Gottes (Röm 3, 19—26). 

Unter dem Gesetz war es eine Frage der Gerechtigkeit von 
Seiten des Menschen; unter dem Evangelium ist göttliche Gerechtigkeit von seiten Gottes geoffenbart; es ist „Gottes Kraft 
zum Heil jedem Glaubenden". Unter dem Gesetz hatte der 
Mensch zu wirken. „Tue das, so wirst du leben". Gott war, als 
Er das Gesetz gab, hinter der Wolke und wohnte in dichter 
Finsternis. „Und das Volk stand von ferne, und Mose nahte 
sich zum Dunkel, wo Gott war" (2. Mo 20, 21). In dem Evangelium dagegen ist Gott der wirkende Teil; und der Mensch 
hat nur zu glauben. Aber nachdem er durch Glauben ewiges 
Leben und göttliche Gerechtigkeit empfangen hat, ist er nicht 
nur befreit von toten Werken, sondern auch befähigt, dem 
lebendigen Gott zu dienen; und jetzt erst beginnt sein Tun, 
sein Wirken. 
So hat also, wie wir gesehen haben, der Tod Christi alles verändert. Der Charakter des Verhältnisses des Menschen zu Gott 
ist ein anderer geworden. Sogar der Himmel ist seit dem Tode 
Jesu verändert. Jetzt befindet sich Christus dort als der auferstandene Mensch und als der große Hohepriester Seines Volkes; 
und auch Sein Volk genießt jetzt das Vorrecht, dort mit Ihm 
anbeten zu dürfen. Die Anbetung im Vorhofe ist gänzlich aufgehoben; alle Christen sind Priester; und die Stätte ihrer Anbetung ist im Allerheiligsten. 
Eine erweckte Seele wird oft durch die Versicherung in Verlegenheit gebracht, daß die Sündenfrage in betreff derer, die 
im Vertrauen auf Christum zu Gott zurückkehren, nie mehr 
aufgeworfen werde. Das bereits Gesagte zeigt den Grund dieser 
wunderbaren Gnade. Die Sündenfrage ist auf dem Kreuz 
zwischen Gott und dem Menschen in Ordnung gebracht 
21 
worden; sie kann nie wieder erhoben werden zwischen Gott 
und dem, der an Jesum glaubt. 
Wählen wir ein Beispiel. Setzen wir voraus, daß der schrecklichste Sünder von seinen Sünden überführt und unter dem 
Gefühl ihrer Größe und Menge voll Furcht und Zittern zu Gott 
geführt wurde. Er naht im Glauben; er ist überzeugt., daß 
Christus für Sünder starb, und daß Sein Blut völlig genügend 
ist, ihn von seinen Sünden zu reinigen. Vielleicht mag er nicht 
fähig sein, diese Dinge so aufzustellen, wie sie niedergeschrieben sind; aber ihrem Wesen nach sind sie in seiner Seele. 
Wohlan, was begegnet ihm? Wie wird er empfangen? Soweit 
wir die Wege Gottes in Gnade gegen den Sünder verstehen, 
sollten wir sagen, daß er angenommen, anerkannt, geehrt und 
gesegnet werde nach dem Maße dessen, was Christo als dem 
Heiland der Sünder zukommt. Aber nein, weit mehr, er wird 
empfangen wie Christus Selbst, „begnadigt in dem Geliebten". 
Das Wort Sünde wird nie wieder erwähnt. Würde Gott diese 
Frage dem Sünder gegenüber aufwerfen, so würde dieser auf 
tausend nicht eins antworten können: er würde unbedingt in 
die Verdammnis gehen müssen. Aber gepriesen sei der Gott 
aller Gnade, der Vater unseres Herrn! Der Verlorene wird mit 
offenen Armen empfangen und mit dem Kuß des völligen 
Friedens bewillkommt. Offenbar ist das Werk Christi der 
Grund, und der Reichtum göttlicher Gnade der Maßstab aller 
Segnungen. „In welchem wir die Erlösung haben durch sein 
Blut, die Vergebung der Vergehungen nach dem Reichtum seiner Gnade" (Eph 1, 7). Würde der Sünder empfangen, was ihm 
gebührt, so würde sein unvermeidliches Los die unmittelbare 
Verdammnis sein. Gott würde in der Verdammnis des Sünders 
seine Gerechtigkeit erweisen; aber auf dem Grunde des Werkes Christi ist Er „gerecht und rechtfertigt den, der des Glaubens an Jesum ist" (Römer 3, 19—26). 
Jetzt unter der Gnade, — der Mensch glaubt und Gott handelt. 
Dies ist es, was wir verstehen unter dem Ausdruck: „das 
Evangelium Gottes", oder, was dasselbe ist: „die Gerechtigkeit 
Gottes". Es ist die Offenbarung Gottes Selbst in Seinen gnadenreichen Handlungen gegen den Menschen nach der Größe 
Seiner eigenen Güte und der Ansprüche Christi — des auferstandenen Menschen in Herrlichkeit. 
22 

Der hochgelobte Herr hat Gott so verherrlicht und unsere 
Sünde am Kreuze so völlig getilgt, daß Gott dem zurückkehrenden Sünder wie Christo Selbst begegnen kann; dies ist die 
Darstellung des „Evangeliums Gottes". Und wir glauben bestimmt behaupten zu können, daß das Evangelium erst dann 
wirklich verstanden wird, wenn es als das „Evangelium Gottes" 
erkannt ist. Welch herrliches Evangelium! Welch eine köstliche 
Botschaft für den schuldigen Menschen! Welche Gnade! Welche 
wunderbare Gnade! 
Und gerade dieses Zeugnis der Gnade Gottes macht die Folgen 
für den Hörer so ernst und bedeutungsvoll. Wie groß wird die 
Schuld derer sein, die solch ein Evangelium vernachlässigen 
oder gar verachten! Und ach, wie bitter muß die Angst einer 
Seele sein, wenn sie in den Tiefen eines unaussprechlichen 
Wehes die schrecklichen Erfolge ihrer selbst erwählten Wege 
erblickt. Alle Hoffnung ist dann dahin, der Tag der Gnade ist 
vorübergegangen, die Gnadentür ist verschlossen, und kein 
Ohr lauscht mitleidig auf dein verzweiflungsvolles Gestöhn, 
Und ach! schmerzliche Erinnerungen quälen dein Herz. Jeder 
Tag, jede Stunde der Vergangenheit, alles erhebt seine Anklagen gegen dich! Alle blendenden Täuschungen des Unglaubens 
machen einer schrecklichen Wirklichkeit Platz. Alle auf der Erde 
so gewöhnlichen Dinge finden keinen Raum in der Hölle. Die 
Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft — alle zeigen 
sich in ihrer wahren, entsetzlichen Gestalt. Schlummer, Rast 
und Ruhe sind für immer geflohen; Angst, Entsetzen und Verzweiflung füllen dann deine unsterbliche Seele. Ach, in welchem 
Jammer wird sich eine Seele befinden, die in dieser Weise dem 
Verderben anheimgegeben ist, zumal, wenn sie einst Gelegenheit gehabt hatte, das Evangelium zu hören. 
O Sünder! Sünder! höre, glaube! Deine Tage sind gezählt, 
deine letzte Stunde wird bald schlagen, täusche dich nicht! 
Wende dich heute noch zu Jesu, dem Heilande der Sünder! Wo 
die Sünde überströmend ist, da ist die Gnade noch überschwenglicher. An diesem Tage der wunderbaren Gnade sind 
deine Sünden, wie groß ihre Menge auch sein mag, alle von dem 
Augenblicke an vergeben, wo du im Glauben zu Jesu nahst. 
Viele verlorene Söhne, welche die Bitterkeit der Sünde fühlen, 
nachdem der Reiz der Sünde verschwunden ist, würden gern 
23 
in ihr irdisches Vaterhaus zurückkehren; aber sie fürchten die 
Vorwürfe ihres Vaters und die Schmach und Schande, die ihr 
Los sein würde, und sie können nicht zurückkehren. Wären sie 
gewiß, daß der Vater sie fröhlich willkommen heißen und 
ihnen ihre Vergehungen vergeben würde, so würden sie sicher 
wie auf Flügeln des Windes zu ihm eilen. Aber ach! der Gedanke an das zürnende Auge des Vaters und an seine strengen 
Worte rauben dem Herzen allen Mut; und unter so trostlosen 
Aussichten möchte der unglückliche Sohn lieber in seinem Elend 
umkommen, als sich einer solchen Erniedrigung preiszugeben. 
Doch jetzt, du beunruhigte Seele, lausche auf die Worte von 
jemanden, der wie du die Bitterkeit der Sünde, aber auch die 
Süßigkeit der vergebenden Gnade kennengelernt hat. Bei Gott, 
der gern in Christo dein Vater sein möchte, stehen die Dinge 
anders. Nicht nur wirst du willkommen sein, sondern Gott 
wird dir mit offenen Armen entgegeneilen, und kein Vorwurf 
in betreff deines vergangenen Lebens wird dir begegnen. Die 
Vergangenheit des Glaubenden ist nicht nur vergeben, sondern 
auch vergessen. Welch eine Gnade! Welch ein Trost, dies zu 
wissen! Die Freude, die das Herz des Vaters bei der Rückkehr 
des verlorenen Sohnes füllt, füllt auch die Herzen aller, die 
Ihn umgeben. Kein tadelnder Blick wird dir dort je begegnen; 
nicht ein Platz in einem fernen Winkel des Hauses wird dir 
angewiesen werden. Du bist so nahe gebracht und so geliebt, 
wie Christus Selbst, du wirst dargestellt sein in Seiner Herrlichkeit und Schönheit und wirst als Sohn des Vaters bewillkommnet und mit allen Würden und Ehren empfangen werden, 
womit Seine Liebe dich zu zieren vermag. O welche Feder kann 
imstande sein, die Herrlichkeiten eines Kindes Gottes, eines 
durch die unumschränkte Gnade Gottes geretteten Sünders zu 
schildern? 
Und dennoch, ach, wie viele Tausende verkaufen, gleich Esau, 
die Glückseligkeit des Himmels für ein Linsengericht dieser 
Erde! Wieviele ziehen ein gegenwärtiges, schnell vorübergehendes Glück der künftigen Herrlichkeit vor! Ein gegenwärtiges 
Glück hat mehr Macht über ihr armes Herz, als das sichere 
Anrecht auf eine himmlische Erbschaft. Ist dies auch bei dir der 
Fall, mein Leser? Hast du keine Wünsche für deine kostbare 
Seele? O bedenke doch! deine unsterbliche Seele wird entweder 
24 
für immer glücklich, oder für immer elend sein. Vielleicht in 
gar kurzer Zeit wird sie entweder im Himmel oder in der 
Hölle sein. O mein Leser, es ist deine eigene Seele, ruiniere sie 
nicht, ich bitte dich! Sie ist fähig, sich Gottes und einer ewigen 
Herrlichkeit zu erfreuen; darum stürze sie nicht in die Tiefen 
der Hölle, in die bodenlosen Abgründe des Verderbens! Es ist 
deine Seele; und sie sollte für dich ein Gegenstand der zärtlichsten Besorgnis auf Erden sein. Wird es nicht entsetzlich 
bitter sein, einst sagen zu müssen: „Ich habe das ganze Verderben und das ganze Elend durch eigene Schuld über mich 
gebracht, und kein Entrinnen ist mehr möglich"? Ach! dann 
gibt es keine Hoffnung. Schreckliehe Verzweiflung wird dein 
Herz zu Boden drücken, und du wirst fern sein von allen, die 
einst Mitgefühl für dich hatten, die einst dich warnten, für dich 
beteten und vielleicht Tränen über dich vergossen. Dann wird 
die Erinnerung ihren verwundenden Stachel fühlen lassen, Gewissensbisse werden dich quälen und deine bebenden Lippen 
werden sich zu der Klage öffnen: „Ach! daß ich einst die Gelegenheit vorübergehen ließ, die Warnungen verachtete, dem 
Licht aus dem Wege ging, und die Stimme des Gewissens zum 
Schweigen brachte! Wehe, wehe mir"! 
Aber warum sollte der Schreiber dieser Zeilen bei so entsetzlichen Szenen noch länger verweilen? Gewiß liebt er nicht ein solches Thema, aber er möchte aus Liebe gern die warnen, die in Gefahr sind, sich hoffnungslos in das entsetzliche Elend zu 
stürzen. Hast du, mein Leser, dein Herz zu Jesu gewandt, dann schließe ich gern diesen Abschnitt und wende mich mit dir zum Herrn, um mit dir zu trinken aus dem Born einer grenzenlosen Gnade, geoffenbart in Christo Jesu, unserem hochgepriesenen Herrn! Ihm allein gebührt Ehre, Lob und Anbetung! 

3. Das Evangelium Gottes, als gepredigt durch die Apostel 

Es ist wichtig zu beobachten, daß der Apostel das Evangelium genau so übernimmt, wie es durch die Propheten verkündigt ist. Wenn wir in Jes 56, 1 lesen: „Mein Heil steht im Begriff 
zu kommen, und meine Gerechtigkeit, geoffenbart zu werden", so ist es klar, daß sich diese und ähnliche Stellen nicht auf den Bund Sinais beziehen. Diese Stellen verraten auf den 
ersten Blick den Geist der Gnade, welche die Gerechtigkeit Gottes in der Rettung des Sünders durch Glauben ankündigt. Sowohl die Gerechtigkeit, als auch das Heil kommen direkt 
aus Gott. Der Apostel versichert uns, daß er sich des Evangeliums von Christo nicht schäme: „denn" — sagt er — „es ist 
Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst, als auch dem Griechen. Denn Gottes Gerechtigkeit wird 
darin geoffenbart aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: Der Gerechte aber wird aus Glauben leben (Röm 1, 16.17). Hier finden wir die Gerechtigkeit und das Heil geoffenbart, wovon in den prophetischen Schriften gesprochen ist; und dieser auf den Tod und die Auferstehung Christi gegründeten Wahrheit begegnen wir überall in den Schriften Pauli und 
besonders im Brief an die Römer. 
Durch den Ausdruck „aus Glauben zu Glauben" wird uns der Grundsatz des Glaubens im Gegensatz zum Grundsatz des Gesetzes bezeichnet. Dies charakterisiert die Mission des Apostels; denn er sagt in Röm 1, 5: „durch welchen wir Gnade und Apostelamt empfangen haben für Seinen Namen zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen". Nicht der Gehorsam 
unter dem Gesetz, sondern der Glaubensgehorsam ist hier der 
Segensweg. Der Name Christi ist jetzt der große Gegenstand 
des Glaubens und die Lebensregel des Glaubenden. Auch bilden die Macht, der Wert und die Autorität des Namens Jesu 
den hervorragenden Teil der Predigt des Petrus in den ersten 
Kapiteln der Apostelgeschichte. Auch hier sind der Tod, die 
Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu der Schwerpunkt. 
Jeder Glaubende ist vereinigt mit dem auferstandenen Christus und der Segnungen des Evangeliums Gottes teilhaftig. Aber andererseits wird der Zorn Gottes allen angekündigt, die dem Namen Jesu den Gehorsam verweigern. Wir werden bei Gott, 
und nicht nur vor Ihm als Gerechtfertigte betrachtet. „Wer 
wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben"? Und: 
„Wenn Gott für uns ist, wer wider uns"? Dies drückt den 
Stempel auf den Brief an die Römer. Gott zeigt sich im Vordergrunde; und alles wird als von Ihm kommend betrachtet. 
Der Christ ist also durch Glauben und ohne jede andere Beifügung in den Besitz des Heils gebracht worden. 

Es ist das Heil Gottes. Welch eine Gnade! Wir sind gerettet nach den Gedanken Gottes. Alles ist von Gott. „Wo ist denn der Ruhm? Er ist ausgeschlossen worden. Durch was für ein Gesetz? der 
Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens" (Röm 3, 27). Wie herrlich sind die Resultate des Evangeliums der Gnade Gottes! 
Laßt uns bei diesem Gedanken einen Augenblick verweilen. Er verdient unsere ganze Beachtung. Das von Sünden umstrickte Herz beugt sich zu den Füßen Jesu. Die Wahrheit des Evangeliums hat auf den Sünder gewirkt in der Macht des Heiligen Geistes. Er ist von der Sünde überführt; und so ist seine Seele mit Furcht erfüllt. Er sucht Zuflucht in dem Blute Jesu. Was 
könnte einfacher sein? Was könnte natürlicher sein? Er flieht vor einer unbeschreiblichen Gefahr; und Gott begegnet ihm in Seiner unendlichen Güte. Und was sind die Folgen? Wer 
könnte die Größe der empfangenen Segnung beschreiben? Das Herz Gottes in Seiner ganzen Tiefe von Güte ist ihr Maß. Wer begreift diese Tiefe? Das, was Christo gehört, ist dem Glaubenden durch Gott Selbst geschenkt und durch den Heiligen Geist versiegelt. „Gott ist es, welcher rechtfertigt". Er handelt aus eigenem Antriebe und in einer Weise, die Seiner Selbst 
würdig ist. Das Blut Christi ist auf dem Gnadenstuhl, und Gott kann jetzt ungehindert das Kind des Glaubens segnen nach Seinem Wohlgefallen. Jede Seele, die dieses Blut ehrt, ist gesegnet nach dem Wert des Blutes im Angesicht Gottes. Darum ist die Segnung unendlich; und wir können nur daran denken und nur davon reden als von einer Sache, die ungeschmälert 
Ihm gehört, der Sein Blut zur Ehre Gottes und zur Erlösung des Menschen vergossen hat. 
Das, mein teurer Leser, ist das Evangelium Gottes — die Gerechtigkeit Gottes. Christus offenbarte und verherrlichte Gott 
durch Sein großes Werk am Kreuz, wo Er aus freiwilligem Gehorsam Sein Leben für unsere Sünde hingab. Daher die Fülle, die Freiwilligkeit und die Freude des Vaterherzens, alle 
zu segnen, die den Sohn ehren. Die Ehre Seines Sohnes ist der erhabene Zweck in dem Evangelium (Ps 89; Mt 2.2, 1—14). 
Seine Liebe kennt, sozusagen, keine Grenzen bezüglich derer, die den Sohn ehren. Jetzt läßt Er uns sagen: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, (nicht nur gnädig 
und barmherzig), daß er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit". Nicht nur suchen die Liebe und Gnade Gottes die Rettung des Sünders, sondern auch Seine 
Heiligkeit und Gerechtigkeit kraft des Werkes Christi. Herrliche Wahrheit! Aber hier, bemerken wir es wohl, sind wir nicht aufgefordert, um die Vergebung unserer Sünden zu bitten, 
sondern die Sünden zu bekennen; und Er, weil Er treu und gerecht ist, gewährt uns die Liebe und die Herrlichkeit, die Christo angehört. Das Opfer Christi ist der einzige Grund der 
Segnung des Gläubigen. Gott hat Seinen Sohn verherrlicht und Ihn zu Seiner Rechten erhöht, weil Er gehorsam war bis zum Tode am Kreuz; und um Christi willen werden alle, die an 
Ihn glauben, zu dieser Herrlichkeit erhoben werden. 

Welch einen Lichtstrahl wirft diese erhabene Wahrheit auf das Werk Christi! Welche Herrlichkeit entfaltet sie! — eine Herrlichkeit, die dem auferstandenen Christus und allen mit Ihm 
Vereinigten angehört. Gott ist verherrlicht, Christus ist erhöht und Seine Freunde sind bei Ihm und gleich Ihm, Er ist. 
Welche vollkommene Segnung! — welche vollkommene Glückseligkeit! Wer wollte nicht den Namen Jesu lieben und anbeten? Das Herz ist mit einem Frieden erfüllt, der alle Vernunft übersteigt. Aus vielen Stellen des Neuen und auch des 
Alten Testaments strahlt diese kostbare Wahrheit hervor. Als 
Beispiele wählen wir folgende Stellen: „Aus ihm aber seid ihr 
in Christo Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott, und 
Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung" (1. Kor 1, 30). 
„Denn er hat den, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm" (2. Kor 5, 21). „Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit" (Röm 10, 4). „Gottes Gerechtigkeit 
aber durch Glauben an Jesum Christum gegen alle und auf 
alle, die da glauben; denn es ist kein Unterschied" (Röm 3, 22). 
Ja, wahrlich, das ist ein herrliches Evangelium, eine gute Botschaft der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit Gottes. Welch ein Vorrecht, von Gott berufen zu sein, es zu verkündigen! Darin lässig zu sein, hieße Scherz zu treiben mit dem Elend des Sünders und ist eine Geringschätzung der Gnade und der Wahrheit Gottes. Aber ach, wie viele Prediger des Evangeliums 
folgen der Neigung, an sich selbst zti denken, indem sie durch schönklingende Worte die Zuhörer zu fesseln trachten, aber Herz und Gewissen des am schlüpfrigen Rand der Hölle stehenden Sünders nicht erreichen. Dieser, unwissend über den Weg zur Rettung, geht fort, wie er gekommen ist, weil er kein Wort über seinen wahren Zustand vernommen hat. Wie groß ist 
daher die Verantwortlichkeit eines Predigers des Evangeliums! 
Wer kann die Resultate einer Stunde berechnen, in der das Evangelium verkündigt wurde! Was aber sind schön klingende Worte, wenn das Gewissen nicht erreicht wird! Ein einfaches 
Zeugnis kann oft die größten Wunder tun. Zur Erlatiterung dieser Behauptung wollen wir einen Vorfall mitteilen, der vor einiger Zeit ein nicht geringes Aufsehen erregte. 
Ein wüst lebender Handwerker wurde plötzlich krank und mußte seine Arbeit einstellen. Seine Krankheit steigerte sich zusehends; in kurzer Zeit war er fast zu einem Gerippe abgemagert. Hoffnung auf Genesung war nicht mehr. Der Herr aber segnete an seiner Seele die wiederholten Besuche christlicher Freunde. Er fand Frieden im Blute Jesu; und eine nie 
gefühlte Freude füllte sein Herz. Kurz vor seinem Tode hatte er ein heißes Verlangen, noch einmal seine Mitgesellen zu sprechen, mit denen er gemeinschaftlich ein Leben in der Sünde 
geführt hatte. Augenscheinlich würde er diesen Tag nicht überleben, und da er sehr schwach war, suchten seine Freunde ihn 
von diesen Gedanken abzubringen. Aber nein, es war, als ob 
er nicht in Frieden sterben konnte, bevor sein Wunsch erfüllt 
war. Man sandte daher nach seiner früheren Werkstätte, und mehrere der jungen Leute erschienen. Aber welch eine Szene! 
Der Sterbende hatte sich ein wenig in seinem Bette aufrichten 
lassen, seine bleichen Wangen, seine eingesunkenen Augen, sein keuchender Atem, das alles machte die alten Bekannten stutzig. Sie hefteten ihre Blicke auf die entstellte Gestalt des 
Sterbenden, der mit einer starken Betonung rief: „Heinrich! Ich gehe in den Himmel — aber — wenn Du mir im Himmel begegnen willst, dann mußt Du an Jesum glauben. Jesus starb 
für uns. Wir müssen an Ihn glauben". — Erschöpft schwieg er dann; aber nach kurzer Ruhe wandte er sich an die anderen 
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und beschwor sie mit heiligem Ernst, ihre sündigen Wege zu 
verlassen und sich zu Jesu zu wenden. Dann sank er in sein 
Kissen zurück, warf noch einen Blick voll Angst auf die unglücklichen Gefährten und winkte, daß sie sich entfernen 
möchten. Nach wenigen Augenblicken starb er in großem 
Frieden. Welch ein einfaches Zeugnis! Aber welche Verantwortlichkeit ruht jetzt auf den Zuhörern! Möge sich der Herr 
ihrer erbarmen! 
Was ist einfacher, als dem Menschen zu sagen: „Du bist verloren; aber die Liebe Gottes ist so groß, daß Er Seinen Sohn gab, um für uns zu sterben, damit wir gerettet würden"? 

Wer an Ihn glaubt, hat das ewige Leben. Von den Lippen des Herrn Jesu Selbst vernahm man einst die Worte: „Glaubst Du an den Sohn Gottes"? Und nichts konnte deutlicher sein, als die 
Worte Petrus am Pfingsttage, oder als die Worte Paulus in der Synagoge zu Antiochien. Wir vergessen, wie unwissend der natürliche Mensch in geistlichen Dingen ist, und wie 
schwierig es ist, ihm die klarsten Dinge in betreff der Gefahr, in der seine Seele schwebt, klarzumachen. Wer kennt nicht die Schwierigkeit für das arme Herz, zu glauben an das allgenugsame Werk Christi? Dennoch ist es der Mühe wert, das Evangelium den Seelen nahezubringen. Wer die Botschaft der unendlichen Gnade vernimmt, kann unmöglich lange auf beiden Seiten hinken. Er ist verantwortlich; und an dem großen Tage wird es sich herausstellen, ob er Christum angenommen oder verworfen hat. 

Wie ernst ist diese Betrachtung sowohl für den Prediger, als auch für den Zuhörer. Möge der Prediger in Treue sein Werk treiben, damit er rein sei von dem Blute aller; und möge der 
Zuhörer nicht die dargebotene große Errettung Gottes vernachlässigen. Denn sicher, im Verhältnis zu der Größe der Errettung, die vernachlässigt wird, muß auch die Größe der Verdammnis sein in betreff derer, die sie vernachlässigt haben. 
Gewiß wird das Bewußtsein, aus Leichtsinn oder aus Mutwillen die Gnadenstunde versäumt zu haben, das Nagen des Wurms an dem Gewissen sehr vermehren. 
O teurer Leser! Wenn Du Dich der Errettung noch nicht erfreuen kannst, warum säumst Du, nachdem Dir diese Errettung aus freier Gnade angeboten ist? Warum willst Du sterben, den 
zweiten Tod sterben? Siehe! es ist ewiges Leben für Dich in Christo! Warum ergreifst Du diese vom Himmel geschenkte Gabe nicht? Warum nimmst Du diesen kostbaren Schatz, die 
Rettung Deiner Seele, nicht aus der Hand der Liebe an? Jesus starb für Sünder; und die Liebe, die Ihn ans Kreuz trieb, ist noch immer tätig. Noch immer wartet Er; noch immer ruft Er: 
„Kommet her zu mir ... ich will euch Ruhe geben". O möchtest Du Ihm entgegenrufen: „Siehe, Herr, ich komme"! O bedenke doch, daß das Wort Gottes nur von zwei Wegen spricht. Einen 
Mittelweg gibt es nicht. Der eine führt hinauf gen Himmel, und der andere hinunter in die Hölle. 

Das Wort Gottes entscheidet die Frage in betreff jedes Hörers des Evangeliums jetzt. Wir brauchen nicht zu warten bis zum Richterstuhl. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer 
aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Naen des eingeborenen Sohnes Gottes. Dies aber ist 
das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die 
Menschen haben die Finsternis mehr geliebt, als das Licht; 
denn ihre Werke waren böse" (Joh 3, 18. 19). Und ebenso wendet der Apostel, indem er das Evangelium predigt, auf die 
ungläubigen Juden die Warnung des Propheten an: „Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und verschwindet; denn ich wirke ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht 
glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt" (Apg 13, 40. 41). 
O wie ernst! Noch einmal, mein Leser, auf welchem Pfade wandelst Du? Bist Du Deiner Rettung nicht gewiß? 

Nun, dann blicke jetzt auf Jesum, glaube jetzt an Ihn, fliehe jetzt zu Ihm, vertraue jetzt dem Blute Jesu, wirf jetzt alle Deine Bürden auf die Person Jesu; und Christus wird ganz der Deinige sein. Ja, glaube nur; und der Christus Gottes, das Heil Gottes, die Herrlichkeit Gottes, alles wird Dein sein in den Tagen Deiner Pilgrimschaft und in den Zeitaltern der Zeitalter. —